α,ω-diisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide sowie ihre derivate

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a,o-Diisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide sowie ihre Derivate Von Kuno Wagner, Kurt Findeisen, Walter Schafer und Werner Dietrich[*] Professor Herbert Griinewald zum 60. Geburtstag gewidmel Die Untersuchungen auf dem Gebiet der niedermolekularen, oligomeren und polymeren apDiisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide waren nicht nur fur diese selbst von Bedeutung, sondern sie brachten - wie so haufig in der Chemie - auch andere interessante Ergebnisse rnit sich: originelle neue Synthesemethoden, Erkenntnisse uber Eigenschaften niedermolekularer Carbodiimide und Phosphanimid-Derivate sowie iiber Fragmentierungs- reaktionen von Sauerstoff, Phosphor und Stickstoff enthaltenden viergliedrigen Heterocy- clen und ein besseres Verstandnis des Diisocyanat-Polyadditionsverfahrens sind einige der Nebenprodukte dieser Forschung. ,,Hochtemperatur"- und ,,Tieftemperatur"-Polycarbodi- imidbildung, ihre Homogen- und Heterogenkatalyse und die zentrale Bedeutung von Vier- ringfragmentierungsmechanismen unter Bildung von Phosphanimid-Derivaten werden be- schrieben. Eine Vielfalt von Derivatisierungsreaktionen oligomerer und hochmolekularer Polycarbodiimide und Polyuretonimine ermoglicht, interessante Bausteine des Diisocyanat- Polyadditions- und -Polykondensationsverfahrens zu synthetisieren. Die in-situ-Herstellung von Polycarbodiimiden uber Matrix-Reaktionen in elastischen Polyurethan-Weichschaum- stoffen fuhrt unter symmetrisch ablaufenden, starken Wachstumsvorgangen zu einer zell- formigen Stoffanordnung ; es werden so Kombinationsschaumstoffe mit erhohter Carboni- sierungstendenz erhalten. Auf einige technische Verwendungen von a,o-Diisocyanato-poly- carbodiimiden, von hochmolekularen, vernetzten Polyuretoniminen und von Polycarbodi- imid-Schaumstoffen wird hingewiesen. 1. Alte und neue Methoden zur Synthese niedermolekularer Carbodiimide Vor mehr als 100 Jahren beschrieb Weith['] als erster die Stoffklasse der Carbodiimide. Damit begann die intensive Untersuchung dieser reaktiven Verbindungen, fur deren R-NH-C-NH-R + HgO 4 R-N=C=N-R + HgS + H20 I 1 S (1) (-7) Herstellung die unterschiedlichsten Methoden gefunden wurdenI2]. Die cumulierten Doppelbindungen verleihen diesen Substanzen ihre groBe Reaktionsfahigkeit, vor al- lem bei Additionen und Cycloadditionen, so daB sie viel- seitig verwendbare Bausteine in der Heterocyclensynthese sind. Carbodiimide, insbesondere Dicyclohexylcarbodiimid, sind als wasserabspaltende Reagentien bei Peptidsynthe- sen[31 - nicht zuletzt an polymeren Tragern (Merrifield- Synthese14]) - von Bedeutung. Zahlreiche Methoden zur Synthese niedermolekularer Carbodiimide wurden von E. Schmidt et al.[5-'01 entwickelt. N, N-Dialkylthioharnstoff-Derivate (3) werden durch alka- lische Hypochlorit-Losung unterhalb 0 "C in sehr guten Ausbeuten zu Carbodiimiden oxidiert, eine Reaktion, die [*] Dr. K. Wagner, Dr. K. Findeisen, Dr. W. Schlfer Zentralbereich Forschung und Entwicklung, Bayer AG D-5090 Leverkusen, Bayerwerk Dr. W. Dietnch Anwendungstechnische Abteilung der Sparte Polyurethane, Bayer AG D-5090 Leverkusen, Bayerwerk sich durch eine groBe Anwendungsbreite auszeichnet. Die Herstellung oligomerer oder hochmolekularer Carbodi- imide rnit mehr als zwei Carbodiimid-Einheiten im Mole- kul stofit jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten, selbst bei Verwendung hochwirksamer Phasentransferkatalysato- ren"']. R-NH-C-NH-R' + 4 NaOCl + 2 NaOH --+ II S (3) R-N=C=N-R' + 4 NaCl + Na2S04 + 2 H,O 14) Grigat und Putter['21 gelang es, aus aromatischen Cyana- ten (5) durch Umsetzung mit N,N-disubstituierten Thio- harnstoff-Derivaten (1) in guten Ausbeuten Carbodiimide herzustellen. ArylOCN + R-NH-C-NH-R- Ary1O-C-S-C-NHR 3 II I1 # [ NH NR ArylOC-NH2 + R-N=C=N-R (5) ( 1) II S (6) (-7) Die Harnstoff-Derivate (3) und (7) lassen sich - wie Ap- pel et aI.[l3] fanden - mit Ph3P/Et3N/CC14 in Ausbeuten von uber 90% zu Carbodiimiden umsetzen. R-NH-C-NH-R' + Ph3P + Et3N + CC1, + II X (S), x = s (7), x = 0 R-N=C=N-R + Ph,PX + HCCIB + Et3N*HC1 (4) Angew. Chem. 93, 855-866 (1981) 0 Verlag Chemie GmbH, 0-6940 Weinheim, 1981 0044-8249/81/1010-0855 $ 02.50/0 855

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Page 1: α,ω-Diisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide sowie ihre Derivate

a,o-Diisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide sowie ihre Derivate

Von Kuno Wagner, Kurt Findeisen, Walter Schafer und Werner Dietrich[*]

Professor Herbert Griinewald zum 60. Geburtstag gewidmel

Die Untersuchungen auf dem Gebiet der niedermolekularen, oligomeren und polymeren apDiisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide waren nicht nur fur diese selbst von Bedeutung, sondern sie brachten - wie so haufig in der Chemie - auch andere interessante Ergebnisse rnit sich: originelle neue Synthesemethoden, Erkenntnisse uber Eigenschaften niedermolekularer Carbodiimide und Phosphanimid-Derivate sowie iiber Fragmentierungs- reaktionen von Sauerstoff, Phosphor und Stickstoff enthaltenden viergliedrigen Heterocy- clen und ein besseres Verstandnis des Diisocyanat-Polyadditionsverfahrens sind einige der Nebenprodukte dieser Forschung. ,,Hochtemperatur"- und ,,Tieftemperatur"-Polycarbodi- imidbildung, ihre Homogen- und Heterogenkatalyse und die zentrale Bedeutung von Vier- ringfragmentierungsmechanismen unter Bildung von Phosphanimid-Derivaten werden be- schrieben. Eine Vielfalt von Derivatisierungsreaktionen oligomerer und hochmolekularer Polycarbodiimide und Polyuretonimine ermoglicht, interessante Bausteine des Diisocyanat- Polyadditions- und -Polykondensationsverfahrens zu synthetisieren. Die in-situ-Herstellung von Polycarbodiimiden uber Matrix-Reaktionen in elastischen Polyurethan-Weichschaum- stoffen fuhrt unter symmetrisch ablaufenden, starken Wachstumsvorgangen zu einer zell- formigen Stoffanordnung ; es werden so Kombinationsschaumstoffe mit erhohter Carboni- sierungstendenz erhalten. Auf einige technische Verwendungen von a,o-Diisocyanato-poly- carbodiimiden, von hochmolekularen, vernetzten Polyuretoniminen und von Polycarbodi- imid-Schaumstoffen wird hingewiesen.

1. Alte und neue Methoden zur Synthese niedermolekularer Carbodiimide

Vor mehr als 100 Jahren beschrieb Weith['] als erster die Stoffklasse der Carbodiimide. Damit begann die intensive Untersuchung dieser reaktiven Verbindungen, fur deren

R-NH-C-NH-R + HgO 4 R-N=C=N-R + HgS + H 2 0 I1 S

(1 ) (-7)

Herstellung die unterschiedlichsten Methoden gefunden wurdenI2]. Die cumulierten Doppelbindungen verleihen diesen Substanzen ihre groBe Reaktionsfahigkeit, vor al- lem bei Additionen und Cycloadditionen, so daB sie viel- seitig verwendbare Bausteine in der Heterocyclensynthese sind.

Carbodiimide, insbesondere Dicyclohexylcarbodiimid, sind als wasserabspaltende Reagentien bei Peptidsynthe- sen[31 - nicht zuletzt an polymeren Tragern (Merrifield- Synthese14]) - von Bedeutung.

Zahlreiche Methoden zur Synthese niedermolekularer Carbodiimide wurden von E. Schmidt et al.[5-'01 entwickelt. N , N-Dialkylthioharnstoff-Derivate (3) werden durch alka- lische Hypochlorit-Losung unterhalb 0 "C in sehr guten Ausbeuten zu Carbodiimiden oxidiert, eine Reaktion, die

[*] Dr. K. Wagner, Dr. K. Findeisen, Dr. W. Schlfer Zentralbereich Forschung und Entwicklung, Bayer AG D-5090 Leverkusen, Bayerwerk Dr. W. Dietnch Anwendungstechnische Abteilung der Sparte Polyurethane, Bayer AG D-5090 Leverkusen, Bayerwerk

sich durch eine groBe Anwendungsbreite auszeichnet. Die Herstellung oligomerer oder hochmolekularer Carbodi- imide rnit mehr als zwei Carbodiimid-Einheiten im Mole- kul stofit jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten, selbst bei Verwendung hochwirksamer Phasentransferkatalysato- ren"'].

R-NH-C-NH-R' + 4 NaOCl + 2 NaOH --+

II S

(3)

R-N=C=N-R' + 4 N a C l + Na2S04 + 2 H,O

14)

Grigat und Putter['21 gelang es, aus aromatischen Cyana- ten (5) durch Umsetzung mit N,N-disubstituierten Thio- harnstoff-Derivaten (1) in guten Ausbeuten Carbodiimide herzustellen.

ArylOCN + R-NH-C-NH-R- Ary1O-C-S-C-NHR 3 II I1 # [ NH NR

ArylOC-NH2 + R-N=C=N-R ( 5 ) ( 1)

II S (6) (-7)

Die Harnstoff-Derivate (3) und (7) lassen sich - wie Ap- pel et aI.[l3] fanden - mit Ph3P/Et3N/CC14 in Ausbeuten von uber 90% zu Carbodiimiden umsetzen.

R-NH-C-NH-R' + Ph3P + Et3N + CC1, + II X

(S), x = s (7), x = 0

R-N=C=N-R + Ph,PX + HCCIB + Et3N*HC1

(4)

Angew. Chem. 93, 855-866 (1981) 0 Verlag Chemie GmbH, 0-6940 Weinheim, 1981 0044-8249/81/1010-0855 $ 02.50/0 855

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Eine Methode zur Herstellung unsymmetrisch substitu- ierter Carbodiimide, die von uns weiter ausgebaut wurde, ist die Reaktion von Isocyanid-dichloriden (9) rnit Amin- hydrochloriden (8) in einem inerten organischen Losungs- mitteP41.

- 3 HCI C l J3NHz*HC1 + Cl,C=N TC1 - c1

(81 ( 9)

c1.

c1'

Wir fanden, daB mit aliphatischen Carbodiimiden (2) Blausaure aus a-Amino-nitrilen (I I) leicht abgespalten wird["]. Auf diesem Wege gelang es erstmals, 2-Propan- imin (124 zu erhalten, das vom ebenfalls entstehenden Cy- anformamidin-Derivat (13) destillativ abgetrennt werden kann.

Alle genannten Methoden zur Herstellung niedermole- kularer Carbodiimide versagen aus unterschiedlichen Griinden bei der Synthese oligomerer oder polymerer Po- l ycarbodiimide.

2. Weiterentwicklungen zur Synthese oligomerer a,w-Diisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide

Das von Otto Bayer 1937 konzipierte und von seinen Mitarbeitern ausgebaute Diisocyanat-Polyadditionsverfah- ren[16,171 warf sehr bald Fragen nach der Existenzfahigkeit von Diisocyanato-carbodiimiden, nach deren Lagerbestan- digkeit und nach Nebenreaktionen bei der Herstellung von Polyisocyanaten auf.

Die Chemie der Polyurethane, deren Grundstein von 0. Bayer et al. vor iiber vierzig Jahren gelegt wurde, hat mittlerweile weltweit groBe technische Bedeutung erlangt, da Polyurethane heute zu den vielseitigsten Kunststoffen zahlen. Die niedermolekularen und oligomeren Bausteine des Diisocyanat-Polyadditionsverfahrens umfassen eine grol3e Zahl interessanter funktioneller oder heterofunktio- neller Verbindungen. Schon fur 0. Bayer['81 stellte sich die Frage, ob Isocyanato-carbodiimide synthetisierbar sind und in welcher Weise sich Diisocyanato-carbodiimide, also Verbindungen mit drei cumulierten Doppelbindungs- systemen im Molekiil, iiber Cycloadditionen zu interessan- ten neuen Monomeren rnit heterofunktionellen Gruppen unterschiedlicher Reaktivitat stabilisieren. Ob ein Diisocy- anat-Polykondensationsverfahren zu hochmolekularen am-Diisocyanato-polycarbodiimiden fuhren wiirde, er- schien zunachst vollig ungewil3.

Die Herstellung monomerer a,o-Diisocyanato-carbodi- imide sowie polymerhomologer Reihen von a,o-Diisocy- anato-polycarbodiimiden durch thermische Kondensation von Diisocyanaten in Gegenwart stark basischer Katalysa- toren envies sich als vollig aussichtslos. Bei der OHe-kata- lysierten Reaktion entstehen iiber die Stufe der Uretdion- Derivate (15) die Isocyanurat-Derivate (1 7) sowie die Fol- geprodukte von (16) (Schema 1).

0

Dimerisierung und Trimerisierung von

180-2oooc / -N=C=N-

1 Linearpolymerisation

OCN-X-NC 0 OCN-XfN=C=N-Xj-, NCO

(141 (16 ) zu Polyguanidinen

k OYNYo (171, ,,Isocyanurat-Bildung"

/N N,

0 ,x x x,

Schema 1. Nebenreaktionen bei der Herstellung von Polyisocyanaten; X = Aryl, Alkyl, Cycloalkyl.

Spezielle Fragestellungen beim Diisocyanat-Polyaddi- tionsverfahren und die intensive Untersuchung der Neben- reaktionen bei der Herstellung von Polycarbodiimiden aus Diisocyanaten fuhrten zur Entwicklung thermischer Kon- densationsverfahren, rnit denen zunachst nur niedermole- kulare Polycarbodiimide rnit unbekannten Endgruppen synthetisiert werden konnten, wobei auch unlosliche Ne- benprodukte entstanden.

Polyisocyanate sind sehr energiereiche, metastabile Sy- steme; sie sind nur bestandig und grol3technisch handhab- bar, weil die Bildung der Systeme (15)-(17) eine relativ hohe Aktivierungsenergie (1 5-25 k~al/mol[''~) benotigt.

Ohne Verdunnungsmittel entstehen in Gegenwart stark basischer Katalysatoren zwischen 40 und 210°C in oft hef- tiger, exothermer Reaktion unter Trimerisation der NCO- Gruppen vernetzte Polyisocyanurate [vgl. (1 7)].

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Eine der besten Modellvorstellungen fur den Ablauf der rein thermischen ,,Hochtemperatur-Carbodiimidisierung" wurde von StaudingerL201 bei seinen grundlegenden Arbei- ten iiber Ketene["' vorgeschlagen; einen ahnlichen Mecha- nismus postulierten 1955 unabhangig davon Gaylord und SnyderLz2]. Fur kristalline 1,3-Diazetidin-2,4-dion-Derivate (,,Uretdione") ist die von Staudinger[*'] vorgeschlagene symmetrische Konstitution (15) durch rontgenographische Untersuchungen von BrownLzs1 1955 nachgewiesen worden. Geschmolzene Uretdione und fliissige Monoisocyanate liegen nach Staudinger bei hohen Temperaturen zu einem geringen Prozentsatz als unsymmetrische viergliedrige Ringsysteme (19) vor; deren Fragmentierung fuhrt zu den Carbodiimiden (2).

Wir fanden in kinetischen Untersuchungen, daB die rein thermische Hochtemperatur-Carbodiimidisierung (bei 180-195 "C) bei aliphatischen, technischen Diisocyanaten eine gu13erst langsame und vollig uninteressante Methode zur Herstellung niedermolekularer Isocyanato-carbodi- imide ist; sie fuhrt z. B. bei Hexamethylendiisocyanat selbst bei 20stundigem Erhitzen auf 180-195 "C lediglich zu etwa 4-6% oligomeren Isocyanato-carbodiimiden. Aus- gepragter ist dabei die Bildung von Isocyanato-polyisocy- anuraten (18-20%)[241. 4-CyclohexyIimino-I,3-diazetidin-2-on-Derivate (,,Ur-

etonimine") (20), eine interessante Klasse viergliedriger Heterocyclen, wurden in den Jahren 1955-1957 von Hofl- mann, Reichle und Moosmiiiler in Dormagen und von E. Schmidt["' in Munchen aus Carbodiimiden wie (2a) und Isocyanaten wie (l8a) erstmals synthetisiert. (20) wird in ei- ner stark temperaturabhangigen Gleichgewichtsreaktion gebildet. Dies e rmogl i~ht [ '~* '~~, daB bei Verwendung eines Monoisocyanates R'NCO, dessen Siedepunkt hoher ist als der von RNCO, das Uretonimin (20) in Umkehrung seiner Bildungsweise fragmentiert werden kann, wenn RNCO aus dem Reaktionsgemisch abdestilliert wird.

R I x

R-N=C=N-R + R-NCO R-N N-R'+R"N=C=N-R + R-NC

(2a ) , R = C& / f R a ) 0 (20) (4) llRb) K

Die ubertragung dieser Reaktion auf Diisocyanate (14) durch Fischer'261 fiihrte zu ,,Umfragrnentierungen", die je nach Molverhaltnis der Edukte andere Produkte ergeben (Schema 2).

In mehreren Additions-Eliminierungsschritten wurden aus (2a) und (14a) uber die Uretonimine (20a) und (20b) unter fortlaufender Abdestillation von Cyclohexylisocy- anat auf diese Weise z. B. polymerhomologe Reihen von Uretonimin-polyisocyanaten (23) des Hexamethylendiiso- cyanats hergestelltL261.

Neue Untersuchungen mit modernen analytischen Me- thoden wie der Gelchromatographie zeigen, da13 - wie nach den Gesetzen von Flory und Schultz zu erwarten -

Schema 2.

stets polymolekulare Gemische erhalten werden. Ein sehr gro13er Uberschurj an (14a) hat zur Folge, daB das mono- mere Uretonimin (23a), x = 1, in den polymerhomologen Reihen der Polyuretonimin-polyisocyanate auf bis zu 60 Mol-% angereichert wird.

Die Hochtemperatur-Carbodiimidbildung aus 4,4'-Di- isocyanato-diphenylmethan (146) fiihrte erstmals 1959 mit speziellen Katalysatoren zum Erfolg, wobei Losungen des Uretonimin-triisocyanats (24) hergestellt werden konn- ten[27.281.

NxR O C N O C H z G N C O - 191 -2 10 "C R-N K N-R

K

(24) bildet sich in einer thermisch reversiblen Gleichge- wichtsreaktion in der Abkuhlphase durch Addition der Isocyanatgruppe an das entstandene apDiisocyanato- carbodiimid.

Besonders wertvolle nichtbasische Katalysatoren fur die Hochtemperatur-CarbodiimidbildungL281 zur Verfliissigung von 4,4'-Diisocyanato-diphenylmethan sind polymerho- mologe Reihen von Polyisocyanaten mit Biuret-Struktur (25) (Desmodur N, Bayer AG), deren Synthesewege in Schema 3 skizziert ~ i n d I ~ ~ - ~ ' ] .

0

+ H 2 0 , 100°C

- c o z A ? H n (14a) OCNfCH, N-C-NfCH, NCO

Schema 3.

Die in-situ-Herstellung der Katalysatoren aus aliphati- schen, cycloaliphatischen oder aromatischen Polyisocy- anaten gelingt durch Zusatz kleiner Mengen Wasser, tert- Butylalkohol, Mono- oder Diaminen.

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Die durch Hochtemperatur-Carbodiimidbildung synthe- tisierten Isocyanato-carbodiimide und Polyisocyanato-ur- etonimine sind jedoch durch Nebenprodukte (Isocyanato- polyisocyanurate, Isocyanato-uretdione) verunreinigt, de- ren Menge sehr stark von der Reaktionstemperatur ab- hangt.

Spater konnten Neumann und F i~che r '~~] unter Aus- schlun von Nebenreaktionen aus sterisch stark gehinderten Mono- und Diisocyanaten durch OHQ-katalysierte thermi- sche Kondensationen auch monomere bzw. oligomere a,w- Diisocyanato-carbodiimide synthetisieren.

R R

Die sperrigen Isopropylreste unterbinden hierbei die Ur- etdion-, Uretonimin- und Polyisocyanuratbildung sowie Uretonimin-Quervernetzungen der entstehenden oligome- ren Diisocyanato-polycarbodiimide quantitativ.

Die nach dieser Methode erreichbaren Polymerisations- grade sind jedoch gering. Die erhaltenen oligomeren a,w- Diisocyanato-polycarbodiimide sind noch typische Oligo- mere mit mittleren Molekulargewichten unter 2000.

Bis in die sechziger Jahre war eine ,,Tieftemperatur-Po- lycarbodiimidisierung" bei ca. 0-60 C, bei der Linearpo- lymere mit zehn bis hundert -N=C=N--Einheiten ent- stehen, nicht moglich.

3. Katalytische ,,Tieftemperatur-Carbodiimidisierung" von Mono- und Polyisocyanaten

Staudinger et a1.r33-371 fanden in Zurich vor mehr als 60 Jahren zwei wichtige Verbindungsklassen, die substituier- ten Phosphor-Ylide und die Phosphanimide, z. B. (30) bzw. (35), die sich beide durch ihre hohe Reaktivitat etwa ge- genuber Phenylisocyanat (31) auszeichnen.

(30) und (35) setzen sich mit Reagentien, die cumulierte Doppelbindungen enthalten, zu viergliedrigen Heterocy- clen um (Schema 4); diese zerfallen thermisch entgegenge- setzt ihrer Bildungsweise - man spricht von einer ,,Urn- fragmentierung" -, wobei das Diphenylketenimin-Derivat (34). das Phenylisocyanat (31) bzw. das Diphenylcarbodi- imid (2a) entstehen. Phosphanimide und Phosphanoxide spielen als Katalysator bei der Carbodiimidbildung eine entscheidende Rolle.

Die Addition von Kohlendioxid an (35) zum Heterocy- clus (38) und dessen Fragmentierung zu Triphenylphos- phanoxid und Phenylisocyanat spiegeln den hohen Ener- gieinhalt von Phosphanimid-Derivaten und die Affinitat des Phosphors zum Sauerstoff in eindrucksvoller Weise wider; hier liegt auch der Schliissel zum Verstandnis des Vierringmechanismus der Carbodiimidbildung.

Die ,,Tieftemperatur-Po1ycarbodiimid'- und die ,,Poly- uretoniminbildung" aus Diisocyanaten wurden in den Jah- ren nach 1959 entwickelt, nachdem von Campbell et al.1383391 bei DuPont sowie von Schliebs und Block bei Bayer Phospholenoxide synthetisiert worden waren, die sich als hochwirksame Katalysatoren fur die Polycarbodiimidbil- dung erwiesen.

Schliebs und Block optimierten das Herstellungsverfah- ren fur das Isomerengemisch der I-Methyl-substituierten Phospholenoxide (40) und (41), das in unseren Arbeiten das wirksamste Katalysatorsystem fur die Carbodiimidbil- dung war. Aber auch das Diazaphospholidinoxid (42), das Dabritz und Herlinger'401 synthetisierten, ist ein guter Kata- lysator bei 60 "C und hoheren Temperaturen.

'

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I 7 imide herzustellen. Die GroDe der zu erreichenden Mole- kulargewichte interessierte uns dabei ebenso wie die Ein- heitlichkeit der Endgruppen. Eine Vielzahl polymeranalo-

(40 ) (41) (42) ger Umsetzungen an hochmolekularen Polycarbodiimiden erschien uns im Hinblick auf die zu erzielenden Stoffei-

Der Mechanismus der durch das Gemisch aus (40) und genschaftsanderungen der hochpolymeren Produkte von (41) katalysierten Polycarbodiimidbildung entspricht den Interesse. Des weiteren waren Probleme der Homogen- von Staudinger entwickelten Vorstellungen (Schema 5). und Heterogenkatalyse zu klaren. Die aul3erordentlich

(3 H,C-N\p,N-CH3 P

H3C/ “0 9

H,C’ “0 H3C/ ‘b

(441

(40), (41) + OCN-X-NCO

(141

Schema 5. Mechanismus der Polycarbodiimidbildung aus Diisocyanaten; in (43)-(45) ist die Doppelbindungsisomerie durch gestrichelte Linien gekennzeichnet, X = Awl, Alkyl, Cycloalkyl.

Das cycloadditionsfahige Isocyanato-phosphanimid (44) entsteht ebenso wie das apDiisocyanato-carbodiimid (16), n = 1, sehr rasch und schon bei ca. 0 “ C durch Um- fragmentierung. Wiederholungen dieser Reaktionsfolge fiihren schlieBlich zu hochmolekularen a,w-Isocyanato- pol ycarbodiimiden.

Bei aromatischen Polyisocyanaten ist die Polycarbodi- imidbildung mit dem Isomerengemisch der Phospholen- oxide (40)/(41) unter fortlaufender Eliminierung von C02 extrem schnell; in Abwesenheit von Losungsmitteln ist sie bei 20-40 C und einer Katalysatorkonzentration von etwa 3 Gew.-% in wenigen Minuten beendet. Sterisch nicht ge- hinderte aromatische Polyisocyanate und oligomere Isocy- anatprapolymere reagieren rnit aktiven Phospholenoxiden auoerordentlich rasch zu Polyisocyanato-polycarbodiimi- den oder zu Polyisocyanato-polyurethan-polycarbodiimi- den. Sogar rnit ppm-Mengen dieser Katalysatoren gelang und4’] ohne grobere Umwege die partielle Carbodiimidi- sierung von Polyisocyanaten. Diese Carbodiimid-Isocy- anat-Mischungen verandern sich - wie zu erwarten - beim Aufbewahren: im IR-Spektrum verschwinden die Carbodi- imidbanden, ein Hinweis darauf, daD sich in einer ther-

misch reversiblen Gleichgewichtsreaktion aus den Carbo- diimiden und Isocyanaten Isocyanato-uretonimine wie (46) gebildet haben. Ihre Bestandigkeit in Losung ist gut, denn die Katalysatoren konnen rnit ppm-Mengen an z. 9. was- serfreiem HCI ausreichend desaktiviert werden:

4. Neue Fragestellungen

Die hochwirksamen Phospholenoxid-Katalysatoren er- moglichten erstmals unter schonenden Bedingungen li- neare und hochmolekulare a,w-Diisocyanato-polycarbodi-

rasche Polycarbodiimidbildung sokensfreier aromatischer Polyisocyanate oder hochkonzentrierter Losungen dersel- ben veranlaDte uns, die Polycarbodiimidbildung in rnit aromatischen Polyisocyanaten impragnierten und stark ge- quollenen Polyurethan-Weichschaumstoffen zu starten, d. h. sie als Matrix-Reaktionen an den rnit Polyisocyanaten solvatisierten Zellstegen durchzufuhren.

5. Bildungsgeschwindigkeit von a,o-Diisocyanato-polycarbodiimiden

Die a,o-Diisocyanato-carbodiimid- und -polycarbo- diimidbildung aus 4,4‘-Diisocyanato-diphenylmethan (146) oder aus 2,4-Diisocyanato-l-methylbenzol (47) in Toluol verlauft bei 5-40 O C rasch (Abb. 1).

Bemerkenswert sind die hohe Geschwindigkeit der Kon- densation von (47) sowohl bei 40 “ C als auch bei 5 “ C und

4 8 12 16 20 24 28 t h -

Abb. 1. Carbodiimid-Bildung aus (146) (I), (47) (11) und (14a) (111); (246) und (47) wurden als 18proz. Toluol-LBsungen, (14a) als Reinsubstanz venvendet. Es wurden die gebildeten Carbodiimid-Kquivalente (aus der Menge an frei- gesetztem C02 errechnet) als Funktion der Zeit aufgetragen.

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die geringen Unterschiede in den Halbwertszeiten, obwohl es sich hier um ein sterisch gehindertes Diisocyanat han- delt.

Der Kurvenverlauf fur Hexamethylendiisocyanat (14a) (111) entspricht nicht dem tatsachlichen Reaktionsablauf der Carbodiimidbildung ; freigesetztes COz reagiert ohne zu entweichen schon bei Raumtemperatur sofort rnit pola- ren Grenzformen dimerer Isocyanato-carbodiimide und des dimeren Hexamethylendiisocyanats (siehe auch Ab- schnitt 9).

6. Zur Linearitat hochmolekularer und oligomerer a,o-Diisocyanato-polycarbodiimide

In der Anfangsphase unserer Untersuchungen interes- sierte uns besonders, ob die pulvrigen, scheinbar sehr hochmolekularen Polycarbodiimide aus 4,4'-Diisocyanato- diphenylmethan (14b) Isocyanat-Endgruppen und eventu- ell kleine Anteile an Verzweigungs- und Vernetzungsstel- len (Uretonimin-Segmente wie in (49), vernetzende Isocy- anurat- oder Triazin-Strukturen, die aus trimerisierten Car- bodiimid-Einheiten entstehen konnen) enthielten. Da sie in allen Losungsmitteln unloslich sind, konnte zunPchst das Durchschnittsmolekulargewicht nicht bestimmt wer- den. Mit speziellen Titrationsmethoden wurden freie NCO-Gruppen (1.1-1.4% NCO) nachgewiesen. IR-spek- troskopische Daten waren bei Polymeren der angenomme- nen Strukturen nicht aussagekraftig. Der elementaranaly- tisch gefundene Sauerstoffgehalt von 0.4-0.6% ist in Uber- einstimmung mit der Struktur der Polymere (48) und (49).

Aus dem durch Endgruppenanalyse bestimmten NCO- Gehalt, sowie aus dessen Relation zum bei der Polycarbo- diimidbildung freigesetzten COz und zum Sauerstoffgehalt (hochmolekulare Polycarbodiimide mit M = 25 000 enthal-

Die maximal erreichbaren Molekulargewichte der wei- Ben, unlbslichen Polycarbodiimidpulver aus (146) konnten daher nur rnit klassischen, von Staudinger bei der Konsti- tutionsaufklarung der Polyoxymethylene angewendeten Methoden bestimmt werden. Hierbei kamen uns Erkennt- nisse zugute, die in den fiinfziger Jahren bei unloslichen Polymethylenthioharnstoffen gewonnen worden wa-

E-Caprolactam (50) ist bereits bei 80°C eine diinnviskose Fliissigkeit, die die lange als vernetzt und unloslich angese- henen Polymethylenthioharnstoffe der Konstitutionen (51) und (52) sehr glatt lost.

ren142.431

(SO), Fp = 70°C

( S l ) , R = H, CHZOH, x = 4-12

S

H

OH S

Uberraschend fanden wir, daR 6-Caprolactam nicht nur ein ausgezeichnetes Losungsmittel fur die sonst unlosli- chen, hochmolekularen Polycarbodiimide von (14b) ist, sondern daR sich in Caprolactamschmelzen bereits bei 120 "C (ohne Polymerisationen des E-Caprolactams) das Lactam sehr rasch und quantitativ an alle Carbodiimid- gruppen sowie an die Isocyanato-Endgruppen des Poly- mermolekiils addie@". In den entstehenden Polymeren (53) fiihrt der covalent gebundene Lactamanteil zu einer drastischen Erhohung des Sauerstoffgehalts im pulvrigen Endprodukt (von etwa 0.6 auf 5.7%). Das Polyadditions-

ten nur etwa 0.13% Sauerstoff? ergab sich, daR thermosta- bile Isocyanurat-Strukturen in den pulvrigen Polycarbodi- imiden kaum vorliegen konnen. Nicht auszuschlieflen war die Existenz von kleinen Anteilen an vernetzenden Ureton- imin-Segmenten.

(48), x = 25-27

a = 2500 R = 2500

PCD OCN- N-,=N------NCO

(49)

CH, PCD = Polycarbodiimid- Segment

M = 2500 a= 2500 O C N P N N P NCO

PCD PCD

produkt (S3) schmilzt bei 210-214"C, also etwa 70°C tie- fer als das Polycarbodiimid. Der als Abstandhalter irn Po- lymer fungierende Lactamring (acyliertes Guanidin-Seg- ment) bewirkt, daR nun das Polyadditionsprodukt in Di- methylformamid oder N-Methylpyrrolidon loslich ist. Ket- tenvernetzende Uretonimin-Segmente werden bei dieser polymeranalogen Umsetzung quantitativ iiber Linearisie- rungsreaktionen rnit E-Caprolactam eliminiert. Die lineari- sierten Polymere konnen durch Ausfiillung in Aceton iso- liert werden. Bei der Raumtemperatur-Carbodiimidbil- dung ist die ,,Uretoniminvernetzung" sehr gering, d. h. auf etwa 6000 Segmenteinheiten kommt hochstens ein Uretonimin-Segment.

Nach Untersuchungen von Hofmann und Kromer1451 ha- ben die rnit &-Caprolactam behandelten Polymere eine breitere Molekulargewichtsverteilung rnit einem mittleren Molekulargewicht von etwa 11 000. Die maximal erreich- baren Molekulargewichte pulvriger a,o-Diisocyanato-po- lycarbodiimide von (14b) rnit der idealisierten Konstitution (48), %=30 liegen nie iiber 6000-7000. Der Anstieg des Durchschnittsmolekulargewichts bei Umsetzung mit E-

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Caprolactam auf 10 000- 11 000 ist in guter Ubereinstim- mung mit dem Sauerstoffgehalt.

Zusammenfassend erhielten wir bei pulvrigen Polycar- bodiimiden folgendes Ergebnis: sie enthalten im wesentli- chen a,o-NCO-Endgruppen; die maximal erreichbaren Durchschnittsmolekulargewichte der bei 270 O C erwei- chenden Polycarbodiimide sind jedoch nicht hoher als 6000 bis 7000. Viele Losungsmittel, in denen sie syntheti- siert wurden, sind der begrenzende Faktor des Ketten- wachstums (,,Molekulargewichtsbarriere"), da die Loslich- keitsgrenze der Polymere erreicht wird. Ein Kettenwachs- tum uber topochemische Reaktionen ihrer Endgruppen findet bei den Polymeren auch bei langen Reaktionszeiten (z. B. 40 h bei 100-140°C) nicht mehr statt.

7. Molekulargewichtsspriinge beim Schmelzvorgang hochmolekularer a,o-Diisocyanato-polycarbodiimide

Die in Abschnitt 6 beschriebenen Polycarbodiimide ver- andern sich bei etwa 18O-27O0C, ein Befund, der auf das Vorhandensein von Phosphanimid-Endgruppen als Verun- reinigung in den Polymeren zuriickgefuhrt wird[44'; es lie- gen Strukturen wie (54) vor (nur ein Phospholen-Isomer ist gezeichnet). Diese polymeren Verunreinigungen sind bei der thermoplastischen Verarbeitung der apDiisocyanato- polycarbodiimide bei 270 "C Katalysatoren fur Molekular- gewichtsvervielfachungen. Die hohermolekularen Polycar- bodiimid-phosphanimid-Derivate haben meist einen NCO-Gehalt von 1.3%, einen P-Gehalt von ca. 0.05% und einen 0-Gehalt von ca. 0.6%.

1-54). x = 30

Die Phosphanimid-Endgruppen fuhren beim Schmelz- vorgang der pulvrigen Polycarbodiimide bei 240-270 O C gemaD dem in Schema 5 formulierten Mechanismus der Carbodiimidbildung zu starken Molekulargewichtsspriin- gen. Die Verarbeitung zu sehr temperaturbestandigen, transparenten, thermoplastisch verformbaren Linearpoly- meren, z. B. Kunststoffen und Fasern, wird erschwert, da die FlieDfahigkeit dieser Systeme sich fortlaufend verrin- gert und die Erweichungspunkte drastisch ansteigen; es findet nicht nur Kettenverlangerung, sondern auch Vernet- zung statt.

Die ausgepragte Polymerisationstendenz der gehauften Carbodiimid-Segmente in diesen pulvrigen Polycarbodi- imiden fuhrt bei hohen Temperaturen zu Verzweigungen und Vernetzungen. Bei 270°C und 250 bar hergestellte, transparente PreDplatten ubertreffen zwar die Warmebie- gefestigkeit von Polycarbonaten betrachtlich, haben je- doch infolge zu hoher Vernetzungsdichten eine geringe Kerbschlagzahigkeit.

Fur die Vernetzungsreaktionen spricht die Tatsache, da13 Polycarbodiimid-Pulver, die bei 300 O C verformt werden, in E-Caprolactam nicht mehr loslich, sondern nur noch quellbar sind; Additionen des Caprolactams an nicht poly- merisierte Carbodiimid-Einheiten konnen dann nur noch sehr schwer durchgefiihrt werden.

Die Verarbeitung hea re r a,o-Diisocyanato-polycarbo- diimide der Durchschnittsmolekulargewichte 4000-8000

zu Thermoplasten mit typischen Charakteristika linear-ma- kromolekularer Stoffe, z. B. Durchschnittsmolekularge- wichten von 20 000-40000, hoher Harte, fadenziehenden Eigenschaften aus Schmelzen, geringer Sprodigkeit, wird also durch vernetzende Polymerisation der zahlreichen Carbodiimidgruppen des Polymers bei hohen Temperatu- ren verhindert.

Die bei polymeranalogen Umsetzungen mit E-Caprolac- tam gesammelten Erfahningen veranlaoten uns, andere Polycarbodiimide und Mischkondensate besonders hoher Temperaturbestandigkeit, z. B. Mischkondensate aus p- Phenylen- und 1,5-Naphthylendiisocyanat herzustellen, deren Erweichungspunkt bei etwa 300 "C liegt. Die Durch- schnittsmolekulargewichte sind bei diesen a,o-Diisocy- anato-mischpolycarbodiimiden besonders stark herabge- setzt, da in allen indifferenten Losungsmitteln bereits Poly- mere mit drei bis sechs Carbodiimid-Einheiten ihre Los- lichkeitsgrenze erreichen, so daD diese sich weiteren Kon- densationen entziehen. Ternare Mischcarbodiimide aus 2,4-Diisocyanato-l-methyl-benzol (47) und den oben ge- nannten aromatischen Diisocyanaten im Verhaltnis l : l : l konnen dagegen Durchschnittsmolekulargewichte bis etwa 3500 erreichen. apDiisocyanato-mischpolycarbodiimide konnen mit

a,o-Diisocyanato-polyether- oder -polyester-Urethanen (NCO-Prapolymeren) elastifiziert werden, und ihr Erwei- chungspunkt kann stark herabgesetzt werden. Die Ketten a,o-Diisocyanato-polyurethan- oder -polyharnstoffgrup- pen enthaltender Polymere mit drei bis vier Carbodiimid- Einheiten lassen sich mit sterisch gehinderten Diaminen in aromatischen Losungsmittelgemischen und Isopropyl- alkohol ohne vorzeitige Addition der Diamine an die Carbodiimidgruppen zu wertvollen, hochmolekularen Filmbildnern verlangern[461.

8. Kondensation und Polykondensation von 2,4-Diisocyanato-l-methyl-benzol in Toluol oder Hexan-Petrolether

Polymerhomologe Verbindungen oligomerer a,w-Diiso- cyanato-polycarbodiimide aus 2,4-Diisocyanato-l-methyl- benzol (47), die bei Raumtemperatur rnit Phospholenoxi- den als Katalysatoren hergestellt werden, sind durch we- sentlich verminderte gegenseitige Assoziationen der Ket- tenmolekule in gewissen Molekulargewichtsgrenzen in vie- len chlorierten und aromatischen Kohlenwasserstoffen ausgezeichnet loslich. Wir konnten zeigen, daD auch hier das Losungsmittel das Molekulargewicht bestimmt. Das maximal erreichbare Durchschnittsmolekulargewicht bei vorliegender Linearitat, das 8000 nicht iiberschreitet, wurde wie in Abschnitt 6 beschrieben ermittelt; den Poly- meren ist die Konstitution (55) zuzuschreiben. In Fallungs- mitteln wie Cyclohexan und Petrolether-Hexan konnten wir aus (47) eine homologe Reihe von Carbodiimiden, be- ginnend rnit dem Bis(3-isocyanato-4-methylphenyl)carbo- diimid (.56), durch fraktionierende Kondensation und Po- lykondensation herstellen.

Diese Verbindungen und ihre Additionsprodukte an Po- lyether oder Polyester rnit terminalen Hydroxygruppen, d. h. ihre NCO-haltigen Prapolymere, sind wertvolle Bau- steine fur das Diisocyanat-Polyadditionsverfahren.

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H 3 C n N = C = N n C H 3 (56), M = 304, 70 NCO = 27.7 \=(

NCO >=/

OCN

(57), M = 434, yo NCO = 19.3

NCO

c H3

(58). M = 564, % NCO = 14.9

Trotz ihrer molekularen Uneinheitlichkeit sind diese Po- l ymere streng difunktionell ; sie konnen an alle moglichen im Diisocyanat-Polyadditionsverfahren verwendeten Komponenten iiber selektive NCO-Reaktionen addiert werden. Alle diese pulvrigen Produkte enthalten 200-400 ppm Phosphanimid-Endgruppen, d. h. hochwirksame Ka- talysatoren, und sie miissen daher durch ppm-Mengen HCI, BF, oder Benzoylchlorid stabilisiert werden.

Mit den a,o-Diisocyanato-carbodiimiden (56)-(58) konnte, da sie in vielen Solventien ausreichend bis gut moslich sind, eine Vielzahl polymeranaloger Umsetzungen durchgefiihrt ~erden[~'-~'I.

Dabei erhielten wir zahlreiche interessante Polyaddi- tionsprodukte mit Polyharnstoff-, Polyisoharnstoff-, Poly- isothioharnstoff-, Polyformamidin-, Polyacylharnstoff-, Polyguanidin-, Polyphosphonoformamidin und Polycyan- formamidin-Segmenten (Tabelle 1).

Tabelle 1. Polymeranaloge Umsetzungen an oligomeren und hochmolekularen Polycarbodiimiden,

Edukte Poly additionsprodukte

-X+N==C=N-X j, +

-X+N=C=N-X jx +

--X-(-N=C-N-X jx +

-X+N=C-N-Xj, +

-X+N-C-N-X~, +

-XfN=C=N-Xj, +

-X+N-C-N-X jx +

-X+N-C=N--Xj., +

-X+N=C=N-Xj., +

H20

R-OH

R-SH

- / CH2

'Y Z=COOEt, COMe; Y'- COOEt

R - C O O H -

R-NHl - R= prim. und sek. Alkylreste

0 OR - I1 / H- P

'OR

HCN - H , ,C6-N-CH2-Si(OEt)3 - oder H I ,C6-N-CH2-Si(OEt)2

H

I CH3 H

Polyharnstoff-Segmente

Polyisoharnstoff-Segmente

-X NH-C-N-X Polyisothiohamstoff-Segmente f AR 7~

-X NH-C-N-X 1 Aj-RIx

-X NH-C-N-X [ iH f.

Poly-acylhamstoff-Segmente

Po1 y guanidin-Segmente

Polyphosphonoformamidin-Segmente

Poly-cyanformamidin-Segmente

-X NH-C-N-X Poly -N- Alkoxysil ylmethy I-N-alkyl-amino- substituierte Guanidin-Segmente [ HilC6 k CHrSi(OEt)3 f a

-

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Page 9: α,ω-Diisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide sowie ihre Derivate

So konnen - durch ppm-Mengen an Basen - ohne we- sentliche Anhydridbildung auch Carbonsauren wie Acryl- und Methacrylsaure sehr leicht addiert werden (e in Ta- belle l), wobei polymerisationsfahige Polyadditionspro- dukte erhalten werden. Syntheseweg i in Tabelle 1 fuhrt zu N-Alkoxysilylmethyl-N-alkyl-amino-substituierten Po- lyguanidinen, die zu den reaktivsten, in Gegenwart von Luftfeuchtigkeit uber Siloxanbriicken vernetzenden Poly- additionsprodukten zu zahlen sind.

9. Fehlermoglichkeiten bei der Interpretation des Geschwindigkeitsverlaufs der Tieftemperatur-Polycarbodiimidbildung von Hexamethylendiisocyanat

Dachten wir friiher, nur aromatische Diisocyanate rea- gierten bei Raumtemperatur zu Carbodiimiden, so stellten wir bei Verwendung von Hexamethylendiisocyanat (14a) fest, daD dies eine Fehlinterpretation als Folge der jeweils ermittelten C02-Bilanzen warLs3'. Da bei der Phospholen- oxid-katalysierten Umsetzung von (14a) bei Raumtempera- tur weder C 0 2 entstand, noch die charakteristischen Car- bodiimid- und Uretonimin-Banden in IR-Spektren nach- zuweisen waren, glaubten wir, es fande keine Kondensa- tion statt. Nach NCO-Titrationen in gewissen Zeitabstan- den sowie gelchromatographischen und IR-spektroskopi- schen Untersuchungen der Reaktionsprodukte treten Ur- etonimin- bzw. Carbodiimid-Einheiten nur deshalb nicht auf, weil das entstehende CO, schon bei Raumtemperatur sofort Cycloadditionen an dimere, polare Zwischenstufen von Bis-carbodiimiden und Diisocyanaten eingeht, die zu den Verbindungen der idealisierten Konstitutionen (59) und (60) fuhren.

etonimin-Struktur. Wird kein groBer UberschuD an mono- merem Diisocyanat verwendet, gehen diese Polymere beim Abkuhlen unter Uretoniminbildung dreidimensionale Quervernetzungen ein, die thermisch jedoch leicht wieder aufbrechen. Diese Systeme reprasentieren verkappte Poly- isocyanate, die fur viele Vernetzungsreaktionen bei erhoh- ten Temperaturen mit Zerewitinoff-aktiven Wasserstoff enthaltenden Polymerisations-, Polyadditions- und Poly- kondensationsprodukten verwendet werden konnen[s41.

N=C=O n l X-N=C=O 14)

Der Vorteil bei diesen Verbindungen, insbesondere bei Polycarbodiimid-Polyuretoniminen aus ( 1 4 ~ ) . liegt darin, daB bei der Vernetzungsreaktion keine vernetzungsinakti- ven, fliichtigen Spaltprodukte entstehen.

10. Heterogenkatalysierte NCO-Kondensationen zu oligomeren Isocyanato-polycarbodiimiden an quellbaren Matrizen

An ionogen oder covalent an unlosliche, aber quellbare Matrizen gebundenen, speziellen Phospholenoxid-Deriva- ten sollte sich klaren lassen, ob quellbare Katalysatoren

0 0

Bis 80 "C sind Phospholenoxid-Derivate daher bei (14a) und Tetramethylendiisocyanat keine selektiven Katalysa- toren fiir die Carbodiimidisierung ; sie katalysieren viel- mehr die Oxadiazintrion-Ringbildung und auch die Trime- risierung, wirken also wie Phosphan-Derivate. Daher ist der Kurvenverlauf in Abbildung 1 fur die Geschwindigkeit der Carbodiimidbildung des Hexamethylendiisocyanats vollig irrefuhrend.

Bei 150-160°C reagieren jedoch auch aliphatische Di- isocyanate wie (14a) und 3-Isocyanatomethyl-3,5,5-trime- thyl-cyclohexylisocyanat (14c) (Isophorondiisocyanat) in Gegenwart von Phospholenoxid-Derivaten iiberwiegend zu Polycarbodiimiden (61) mit Polycarbodiimid-Polyur-

bei der heterogenen Katalyse der Polycarbodiimidbildung wirksam sind und wie die Temperaturabhangigkeit der Re- aktion ist[s5-591. Die in Schema 6 dargestellte hochmoleku- lare Matrix ist durch Salzbildung handelsublicher, basi- scher Ionenaustauscher mit Phosphonsaure-Derivaten der Phospholenoxide herstellbar. Mit dieser Matrix lassen sich in oligomeren, technischen Polyisocyanaten stets die Poly- isocyanate kleinsten Molekulargewichts, sofern sie die ka- talytisch wirksame Ankergruppe in der Matrix erreichen, in Isocyanato-carbodiimide umwandeln, ohne da13 hoher- molekulare tri- und tetrafunktionelle Polyisocyanate an der Carbodiimidisierung teilnehmen; Temperaturen zwi- schen 130 und 165 "C sind hierbei erforderlich.

Im Reaktionsschritt C wird das gebildete Diisocyanato- carbodiimid von der Matrix abgelost, und der hochmole-

160'C OCN-~-NCO .-* OCN kulare Katalysator ist erneut voll wirksam.

Bei einer sauberen Arbeitsweise sind die erhaltlichen oligomeren Isocyanato-polycarbodiimide und Polyisocy- anato-uretonimine vollig frei von Phosphanimid-Endgrup- pen und daher sehr lagerbestandig.

OCN

- 3 x coz

X (144, x = fCHZf6

Aco

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Page 10: α,ω-Diisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide sowie ihre Derivate

Porendurchmesser von ca. 100-200 A in den Matrizen und variabel einstellbare Porositat ermoglichen nach die- ser Verfahrensweise eine selektive Bildung der kleinsten

+ OCN-X-NCO

(14)

A -COz i

Isocyanato-polycarbodiimide. Heterogen katalysiert lassen sich also ohne Katalysatorverlust Mischungen derivatisier- ter Isocyanato-polycarbodiimide herstellen, die keine

Matrix A

Matrix B

(40) / ( 4 l ) + oligomere Maleinsaurepolyester I 1 Radlkalblldner

Mischpolymere Matrix C

Schema 7

864

Phosphanimid-Endgruppen mehr enthalten. Ein betracht- licher Vorteil ist auch darin zu sehen, daB sich die festen Katalysatoren zu jedem beliebigen Zeitpunkt aus dem Re- aktionsgemisch entfernen lassen und bei sorgfaltiger Ar- beitsweise stets erneut verwendbar sind.

Auch covalent an Matrizen rnit 100-200 A PorengroBe gebundene Phospholenoxidreste sind katalytisch wirksam. Sie konnen auf den in Schema 7 skizzierten Wegen herge- stellt werden. Auch rnit ihnen werden selektiv Isocyanato- polycarbodiimide geringen Molekulargewichts gebildet.

11. Hochmolekulare Polycarbodiimide und Polyuretonimine in quellenden, impragnierten Polyurethan-Weichschaumstoffen

Vor fast zehn Jahren wurde in einer Ubersicht[601 uber Wachstumsvorgange durch Reaktionen in quellfahigen, zellularen Matrizen und uber einrallgemeingultiges Prinzip der zellformigen Stoffanordnung berichtet, das auf belie- bige organische, zellulare Substrate ubertragbar und rnit allen moglichen Reaktionstypen der organischen und an- organischen Chemie realisierbar ist, sofern die Reaktions- partner ein ausreichendes Quellvermogen fur die verwen- deten Matrizen aufweisen. Der Quellungsdruck und die ir- reversible Fixierung des gequollenen Zustands durch zel- lulare Feststoffbildung wurde als die treibende Kraft fur die beobachteten Wachstumsphanomene erkannt[6'-661.

Nach unseren bisherigen Erkenntnissen sind Matrix-Re- aktionen von Interesse, wenn reaktive Quellungsmittel ho- hen Energieinhaltes verwendet werden. Die Voraussetzung zur raschen, irreversiblen Fixierung des Quellungszustan- des ist, daB die Quellungsmittel in Abwesenheit von Lo- sungsmitteln sehr rasch zu Festkorpern reagieren konnen. Infolge ihres hohen Energieinhaltes bediirfen z. B. in fliis- sigen Polyisocyanaten gequollene Polyurethan-Weich- schaum-Matrizen, die zuvor rnit katalytischen Mengen Phospholenoxiden beladen werden, keiner weiteren Ener- giezufuhr, um sich unter rasch ablaufender Polycarbodi- imidbildung vom zellformigen, gequollenen Zustand in ei- nen zellularen, dreidimensional vollig symmetrischen Fest- stoff umzuwandeln.

Hierbei werden interessante, carbonisierende, offenzel- lige Kombinations-Hartschaumstoffe rnit erhohter Flamm- widrigkeit erhalten. Die Zellstege der Matrix werden durch die zellformige Feststoffanordnung der hochmolekularen Polycarbodiimide stark gedehnt, und diese Dehnungen werden irreversibel fixiert. Erst nach Erreichen einer maxi- malen, irreversiblen Fixierung der Zellsteg-Dehnungen wird die Oberflache der Zellstege in zunehmendem MaBe zum Reaktionsort.

Eine zellformige Feststoffanordnung von Polyisocyana- to-polycarbodiimiden entsteht, wenn die Polyurethan-Ma- trix rnit Phospholenoxiden beladen und anschliel3end rnit beliebigen, bevorzugt aromatischen Polyisocyanaten und oligomeren, elastifizierend wirkenden Isocyanat-prapoly- meren von hydroxyterminierten Polyethern oder Poly- estern impragniert wird; so lassen sich harte oder halbhar- te, vollig offenzellige Kombinationsschaumstoffe herstel- len, die Carbonisierungseigenschaften und eine erhohte Flammwidrigkeit aufweisen.

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12. Technische Verwendung von Polycarbodiimiden, a,o-Diisocyanatomono- und -polycarbodiimiden und ihren Derivaten sowie von Polyuretoniminen

Durch Verwendung spezieller Assoziate aus Phospholen- oxiden und Mono- oder P~ lya lkoho len [~~~ gelang es, alle technischen Schwierigkeiten bei der Herstellung hochver- netzter Polycarbodiimid-Schaumstoffe mit extrem niedri- gen Raumgewichten, hoher Warmebiegefestigkeit und ho- her Flammwidrigkeit zu uberwinden. Hierzu war es not- wendig, durch Variation der Katalysator-Assoziate Erho- hungen der Riihrzeit, Liegezeit, Steigzeit und ausreichend rasche Abbindezeiten der Systeme gezielt einstellen zu konnen.

Die technischen Verwendungsmoglichkeiten von Isocy- anato-carbodiimiden und -polycarbodiimiden sowie Ur- etonirninen umfassen ein weites Spektrum : Hydrolyse- schutzmittel fur Polyester-Polyurethan-Kunststoffe, Ket- tenverlangerungs- und Vernetzungsmittel des Diisocyanat- Polyadditionsverfahrens. Zahlreiche der beschriebenen Isocyanato-Polymere und ihrer Derivate sind interessante Diisocyanat-Verfliissiger, reaktive Fiillstoffe, lichtechte Lackrohstoffe fur EPS-Technologien (EPS = elektrostati- sches Pul~erspriihverfahren)[~~], Pigmentbindemittel, Thi- xotropiemittel, Ausgangsmaterialien fur die Herstellung von F ~ l i e n [ ~ ~ ] , Bes~hichtungen[~~] und fur Mikroverkapse-

sowie Katalysatoren der Isocyanat-Chernie.

13. SchluDbemerkung

Die Isocyanatchemie kennzeichnen Aufbauprinzipien mit einer enorrnen Vielfalt von Bausteinen zur Polyaddi- tion; auch ringoffnende Polymerisationen, Mischpolymeri- sationen und Pfropfreaktionen mit Vinylmonomeren un- terschiedlichster Art sind mit der Isocyanatchernie kombi- nierbar. In der Polycarbodiimid- und Mischpolycarbodi- imidbildung steht daneben ein variables Aufbauprinzip der Polykondensation zur Verfiigung; charakteristisch ist hier die uberaus hohe Geschwindigkeit im Vergleich zu be- kannten Polykondensationen.

Die Moglichkeit der einfachen in-situ-Herstellung von a,w-lsocyanato-polycarbodiirniden in monomeren Vinyl- verbindungen und die leichte Addition der polymerisierba- ren Acryl- oder Methacrylsaure an Carbodiimidgrup- pen[70,711 zu acylierten Harnstoff-Segmenten fuhrt zu inter- essanten polyrnerisationsfahigen und pfropfbaren Poly- rnerkombinationen.

Durch die groBe Variabilitat des Diisocyanat-Polyaddi- tions- und des Diisocyanat-Polykondensationsverfahrens und den rnoglichen Kopplungen derselben mit Methoden von polymeranalogen Umsetzungen an Polycarbodiimi- den, mit ringoffnenden Polymerisationen, Mischpolymeri- sationen und Pfropfreaktionen von vielen Vinylmonome- ren sind Problemlosungen auf zahlreichen technisch inter- essanten Gebieten der makromolekularen Chemie, insbe- sondere auf dem Gebiet von Polymerlegierungen und Mehrphasenkunststoffen, zu erwarten.

Herrn Professor Biichel, Herrn Professor Swodenk und Herrn Dr. Rudolph danken wir fur die Forderung dieser Ar- beiten. Den Herren Dres. G. Baatz, H.-D. Block, W. von

Bonin, E. de Cleur, E. Dabritz, M. Dahm, R . Dhein, U. von Gizycki, E. Grigat, P, Fischer, H. Heitzer, H.-J. Hennig, R . Holm, H.-J. Kreuder, La Spina, D. Liebsch, E. Meisert, H.-J. Miiller, P. Miiller, U. Nehen, W. Oberkirch, G. Oertel, L . Preis, R . Schliebs, den Mitarbeitern der an wendungstech- nischen und Produktionsabteilungen der Polyurethan- und AC-Sparte, den analytischen, polymerphysikalischen Abtei- lungen des Zentralbereichs Forschung und Entwicklung und des Zentralbereichs Patente, Marken und Lizenzen der Bayer AG danken wir fur die gute interdisziplinare Zusam- menarbeit.

Eingegangen am 2. Februar 1981 [A 3701

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[40] E. Dabritz, H. Herlinger, F 45356 (1965), Bayer AG. (411 K . Findeisen, K. Wagner, W. Schayer, H.-J. Hennig, DOS 2537685

[42] H. Sfaudinger, K . Wagner. Makromol. Chem. 12, 168 (1954). [43] H. Staudinger, K . Wagner. Makromol. Chem. 12, 181 (1954). 144) K. Wagner, K . Findeisen, W. Schifer, W. Dietrich. Bayer AG, Tagungs-

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AG. [49] W. Schafer, K . Wagner, K . Findeisen. DOS 2714289 (1977), Bayer

AG. (501 W. Schufer. K . Wagner. K . Findeisen. DOS 2714292 (1977), Bayer

AG.

(1977), Bayer AG.

Angew. Chem. 93, 855-866 (1981) 865

Page 12: α,ω-Diisocyanato-carbodiimide und -polycarbodiimide sowie ihre Derivate

1511 W. Schafer. K . Wagner, K . Findeisen, DOS 2714293 (1977), Bayer AG.

1521 W. Schuft-r. K. Wagner. K. Findeisen, DOS 2941253 (1979), Bayer

1531 K . Wagner, W. Schiifer, G . Baatz, Bayer AG, unver6ffentlicht. (541 E. de Cleur, R . Dhein. H. Rudolph, H.-J. Kreuder, P. Miiller, W. Schafer.

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Int. Ed. Engl. 11, 990 (1972).

AG.

I611 K . Wagner, Angew. Makromol. Chem. 37, 59 (1974). I621 K . Wagner, DBP 1911644 (1970), Bayer AG. 1631 K . Wagner, DBP 191 1643 (1970), Bayer AG. 1641 K. Wagner, M. Dahm, DBP 1911645 (1970), Bayer AG. [65] K . Wagner, DBP 1953347 (1971), Bayer AG. [661 K . Wagner, M. Dahm, D. Liebsch, J. Zirner, DOS 2037613 (1972), Bayer

(671 La Spina, W. Dietrich, R . Schliebs, DOS 2245634 (1972), Bayer AG. [a81 G. Baatz, M. Dahm. W. Schafer, DOS 2520892 (1975). Bayer AG. 1691 G. Baatz. M. Dahm, W. Schafer, K . Wagner, DOS 2523586 (1975),

Bayer AG. 170) W. uon Bonin, L. Preis, U. uon Gizycki, M . Dahm, DOS 2536493 (1975),

Bayer AG. 1711 W. uon Bonin, L. fieis, U. uon Gizycki, DOS 2624198 (1976), Bayer

AG.

AG.

Analyse der niedermolekularen Homologen von faserbildenden Polykondensaten[**]

Von Volker Rossbach[*]

Professor Helmut Zahn zum 65. Geburtstag gewidmet

In der Grauzone zwischen niedermolekularer und makromolekularer Chemie sind die Oli- gomere angesiedelt. Sie sind zwar bei faserbildenden Polykondensaten unerwunschte ,,na- tiirliche Verunreinigungen", leisten aber wertvolle Dienste als Modellverbindungen fur die entsprechenden Polymere in der Grundlagenforschung. Wahrend iiber viele Jahre neue Oli- gomerklassen praparativ erschlossen wurden und die Reinherstellung der hoheren Oligo- mere vorangetrieben wurde, steht heute ihre Analytik im Vordergrund. Durch die Kombi- nation von klassisch-chemischen und physikalisch-instrumentellen Analysenmethoden aus Polymerchemie und niedermolekularer Chemie ist die Identifizierung von Oligomeren un- bekannter Struktur, die analytische Verfolgung ihrer Synthese und die Bestimmung ihres Gehalts in technischen Polymeren in den letzten Jahren zur Routineaufgabe geworden.

1. Einleitung

Sieht man von einigen Spezialverfahren ab, so liefert die technische Synthese von Polymeren nicht nur Makromole- kiile. Vielmehr enthalten Kunststoffe, Fasern, Lacke, Kleb- stoffe usw. haufig niedermolekulare Vorstufen des Poly- mers als ,,naturliche Verunreinigungen". Sie weisen die gleiche Struktur wie die entsprechenden Polymermolekiile auf, lediglich die Zahl der Repetiereinheiten (Wiederho- lungseinheiten), aus denen sie aufgebaut sind, ist geringer. Fur diese kurzkettigen Homologen des Polymers fiihrten van der Want und Staverrnann"' die Bezeichnung ,,Oligo- mere" ein. Kerd2] hat den Oligomerbegriff spater dahinge- hend eingeengt, dal3 Oligomere jene niedermolekularen Polymerhomologen sind, die sich noch so weit voneinan- der unterscheiden, dalj sie in chemische Individuen ge- trennt werden konnen. Diese Definition hat sich durchge-

[*] Prof. Dr. V. Rossbach Deutsches Wollforschungsinstitut an der Technischen Hochschule Veltmanplatz 8, D-5100 Aachen Neue Adresse: Textilchemisches Laboratorium der Fachhochschule Niederrhein AdlerstraBe 32, D-4150 Krefeld

[**I Nach einem Vortrag beim GDCh-Fortbildungskurs ,,Schutzgruppenche- mie - Methoden zur Umsetzung polyfunktioneller Molekiile" am 11. Oktober 1979 in Aachen.

setzt. Unter einem Oligomer versteht man heute eine ,,che- misch reine" Verbindung; bei einem Polymer wird demge- geniiber stillschweigend vorausgesetzt, dal3 es aus Poly- merketten unterschiedlicher Lange bestehen kann und haufig auch Oligomermolekiile enthalt.

Nach dieser Definition ist die Klassifizierung von Oligo- meren an die Leistungsfahigkeit von Trennmethoden ge- bunden. So wird man etwa ein Polystyrol mit 38 Repetier- einheiten, das sich durch Chromatographie von den be- nachbarten Polymerhomologen abtrennen laDt'3aJ, als Oli- gomer bezeichnen. Bei den faserbildenden Polykondensa- ten (vgl. Abb. 1) muI3te man dagegen bereits bei sehr vie1 niedrigeren n- Werten (Oligomerisierungs- oder Polymeri- sationsgrad) von Polymeren sprechen, denn hier lassen sich die niederen Polymerhomologen schon bei Molmas- sen von 1000 bis 2000 g/mol nicht mehr trennen. Ange- sichts dieser Sachlage erscheint die Definition von Zahn und Gleit~rnann[~~I eindeutiger, die unter Oligomeren jene molekulareinheitlichen Anfangsglieder von polymerhomo- logen Reihen verstehen, die noch nicht die fur das jewei- lige Polymer typische physikalische Struktur (Uberstruk- tur) aufweisen. Die hoheren Glieder, die dieser Definition nicht mehr geniigen, sich gleichwohl aber rein herstellen lassen, konnen als Pleionomere bezeichnet werden. Unge- achtet dieser unterschiedlichen Definitionen sollen im vor-

866 0 Verlag Chemie GrnbH, D-6940 Weinheim. 1981 0044-8249/81/1010-0866 S 02.50/0 Angew. Chem. 93, 866-87s (1981)