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1 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Nutzung unkonventioneller Erdgasvorkommen:was sind die Risiken?
Prof. Dr. Dietrich BorchardtHelmholtz-Zentrum für Umweltforschung-UFZ
Leiter des Neutralen ExpertenkreisesInfo-Dialog Fracking
2 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Aktuelle Situation|Gas-Boom in den USA („Game-Changer“ im Energie-Sektor mit weitreichenden ökonomischen Konsequenzen)
|Erhebliche Potentiale auch in D und EU, aber Rolle im Energiemix vergleichsweise geringer
|Hoch-kontoverse Debatte (lokal, regional, Bund, EU)|Risikowahrnehmung einseitig, v. a. auf die Fracking-Fluide, brennende Wasserhähne und Trinkwasser ausgerichtet
|Bundesregierung hat am 26.02.2012 Gesetzentwurf vorgelegt| Tabuzonen (Trinkwasser I-III, Heilquellen etc.)| UVP-Pflicht| …
|Industrie stellt „Clean-Frack“… in Aussicht
3 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Risikodimensionen| Blow-Out
| Leckagen
| Unfälle
| Aufstieg (Frack-)Flüssigkeit
|Transport im Tiefenwasser
| Aufstieg Methan
| …
4 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Um was geht es ?| Es geht nicht nur und nicht in erster Linie um den Tiefentransport von Schadstoffen.
| Wichtiger sind Unfälle an der Oberfläche sowie Schadstellen an Pipelines und im Bohrloch
| Die Abwasserent-sorgung spielt eineentscheidende Rolle.
| Es geht um regionale Eingriffe
| Auch konventionellesGas schafft Probleme
5 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Wichtigste aktuelle Studien| BGR 2012. Abschätzung des Erdgaspotenzials aus dichten Tongesteinen (Schiefergas) in
Deutschland; Mai 2012
| Meiners et al. 2012: Gutachten zu Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten, Umweltbundesamt, August 2012
| Meiners et al. 2012: Fracking in unkonventionellen Erdgas-Lagerstätten in Nordrhein-Westfalen; Meiners/Dennoborg/Mülle, September 2012
| Borchardt et al. 2012. Risikostudie Fracking: Sicherheit und Umweltverträglichkeit der Fracking-Technologie für die Erdgasgewinnung aus unkonventionellen Quellen; Mai 2012
| EU 2012. Support to the identification of potential risks for the environment and human health arising from hydrocarbons operations involving hydraulic fracturing in Europe Report for European Commission DG Environment, AEA/R/ED57281, Issue Number 11, Date 28/05/2012
6 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Synopse der Schwerpunkte
UBA/NRW-Studie 2012
Expertenkreis 2012
EU-Studie 2012
Technische Sicherheit XXX XXX X
Geologie/Hydrogeologie XX XXX X
Ökotoxikologie XXX XXX XX
Humantoxikologie XX XX XX
Landschaft XXX XX X
Abwasser XX XXX XX
Recht XXX XXX XXX
7 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Erkenntnisse aus den Studien| Systemanalysen der Gefährdungspfade und die
grundsätzlichen Fragen liegen auf dem Tisch – sie unterscheiden sich nicht wesentlich.
| Neben einer möglichen Gefährdung des Grundwassers durch Freisetzung von Stoffen im tiefen Untergrund sind oberflächennahe und mit der Infrastruktur verbundene Risiken und Belastungen relevant.
| Ein grundsätzliches Verbot wird in keiner wissenschaftlichen Studie gefordert.
| Ob man genügend weiß, um in die Anwendung einsteigen zu können, ist deshalb letztlich aucheine politische Frage.
8 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Können Frack-Fluide aus dem tiefen Untergrund nach oben migrieren?
• Abschätzung der Kontaminationsrisiken durch Fracking-Fluide im Grundwasser
- Kurzfristig durch Fracking-Operationen (wenige Stunden; hohe Potenzialgradienten) Szenario 1
- Langfristig durch Grundwassergrundströmung (Jahre, Jahrzehnte; geringe Potenzialgradienten) Szenario 2
• Abschätzung des Risikos einer Methanmigration ins Deckgebirge nach Abschluss der Produktionsphase Szenario 3
Modellierungen
Risiken im Geologischen System
9 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
• Beschreibung der Systemgeometrie
- Mächtigkeit und Ausbildung des Deckgebirges
- Identifizierung von geologischen Barrieren
- Hydrogeologische Einheiten
• Parametrisierung des Deckgebirges bezüglich hydraulischer Kennwerte (Permeabilität, Porosität, Anisotropie)
• Identifizierung von relevanten Fließwegen (Störungszonen) und deren Kenngrößen
• Ausdehnung der Fracs im Zielhorizont und im Deckgebirge
Risiken im Geologischen System
10 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Wirkliche Form des hydrogeologischen Schnitts (Kreideablagerungen)
Typisierte hydrogeologische Profile
11 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
muGOK
Szenario 1 (Frack-Operation): Konservative Annahmen
12 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Szenario 1 (Frack Operation): Modellierungsergebnisse
13 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
muGOK
Szenario 1 (Grundwasserströmung): Konservative Annahmen
14 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
• Mindestabstand zwischen Perforation in der Verrohrung und tiefen Kreide-Aquifer 600 m für Demonstrationsprojekte (sonst detaillierte Unter- suchungen bzgl. Barriere- wirkung des Deckgebirges)
• Standortangepasste Voruntersuchungen erforderlich
• Vermeidung von Störungs- zonen, spezifische Standort- untersuchungen erforderlich
• Standortangepasstes Monitoring erforderlich
Empfehlung
15 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
• Bestandsaufnahme z. B. der wasserwirtschaftlichen und ökologischen Gegebenheiten u.a. mit
- Abgrenzung des Untersuchungsbereiches
- Erfassung des Ist-Zustandes (Lage und Ausbau von Brunnen,GW-Stände, GW-Strömungsrichtung, GW-Qualität,Methangehalte, geodätische Festpunkte, Feuchtgebiete, Störungs-
zonen, Oberflächengewässer, Wassergewinnung, ….)
• Festlegung von Zielwerten eines Bewertungssystems (Alarmwert, Warnwert) sowie Zuständigkeiten und Meldestruktur
• Abstimmung und Durchführung eines angepassten Monitoring-programmes
• Informationsaustausch mit den Beteiligten
Monitoring = Beobachtung, Kontrolle und Bewertung der Auswirkungen auf Schutzgüter im Einflussbereich
eines Vorhabens
16 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Risiko Frac Fluide / Human- und ÖkotoxikologieWas sind Frac Fluide?• Additive für den Transport der Stützmittel (Sand/ Keramik)
Gelbildner, Vernetzer, Reibungsminderer, Ton Stabilisatoren, Biozide,Temperaturstabilisatoren,Lösungsmittel, KettenbrecherSchaumbildner
Zusammensetzung der Frac-Flüssigkeiten / Gemische• Ca. 97% - 99,8 % Wasser und ca. 0,2% - 3% Additive • Stützmittel: 5% - 30% (Wasser und Additive entsprechend verringert)
Fragestellung aus Gutachten • Sind die eingesetzten Frack-Flüssigkeiten nach den gesetzlichen Vorgaben als gefährliche Mischungen einzustufen?
17 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Fragestellung aus dem Gutachten Wie sind die beim hydraulischen Fracking eingesetzten Chemikalien aus humantoxikologischer Sicht zu bewerten (Gefährlichkeitsmerkmale)?
Vor 2010 eingesetzte Additive: Ca. 150 (Sicherheitsdatenblatt)• 30 Stoffe hatten keine Identifizierungsnummer (CAS-Nr.)• 66 Stoffe hatten keine Angabe der Wassergefährdungsklasse (WGK)• 23 Stoffe hatten die WGK=2 oder WGK=3• 13 Stoffe hatten das Gefährlichkeitsmerkmal: giftig / umweltgefährdend
Nach 2010 eingesetzte Additive: Ca. 50 (Sicherheitsdatenblatt)• Alle Stoffe haben eine CAS-Nr., auch Gemische• Alle Stoffe haben eine Angabe der WGK• 2 Stoffe haben die WGK=2 oder WGK=3*• 1 Stoff hat das Gefährlichkeitsmerkmal: giftig oder umweltgefährdend**
Erfordernis:• Anzahl der Additive weiter reduzieren• Kein Einsatz von Stoffen der WGK=2 oder WGK=3• Kein Einsatz von giftigen oder umweltgefährdenden Stoffen
* Biozid (Isothiazol) / Temperaturstabilisator (Tetraethylenpentamin) / ** Vernetzer (Borate)
Risiko Frac Fluide / Human- und Ökotoxikologie
18 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Fragestellung aus Gutachten • Wie sind die beim hydraulischen Fracking eingesetzten Chemikalien aus ökotoxikologischer Sicht zu bewerten?
Vor 2010 eingesetzte Additive: Ca. 150 (Sicherheitsdatenblatt)• 65 Stoffe hatten Angaben zur Fischtoxizität• 52 Stoffe hatten Angaben zur Daphnientoxizität• 42 Stoffe hatten Angaben zur Algentoxizität• Daten zur Bioakkumulation und dem biologischen Abbau fehlen
Nach 2010: Eingesetzte Additive ca. 50 (Sicherheitsdatenblatt)• Die fehlenden Fisch- Daphnien- und Algenteste werden durchgeführt• Die fehlenden Teste zur Bioakkumulation und Abbaubarkeit werden ergänzt• Bakterienteste werden zusätzlich durchgeführt • Zur Zeit liegen ca. 70% der Daten vor
Erfordernis: • Für alle Additive (mit Gefahrenmerkmal) sind ökotoxikologische
Testergebnisse und Bewertungen zu erarbeiten
Quelle: Fa. Hydrotox GmbH
Quelle: Bayerisches LfU
Algentest Daphnientest
Risiko Frac Fluide / Human- und Ökotoxikologie
19 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Offene Fragestellungen
• Entstehen Umsetzungsprodukte durch die Frac-Additive in der Lagerstätte?• Wie sieht die mikrobielle Besiedlung in der Lagerstätte aus?• Wie sind potenziell im Grundwasser freigesetzte Stoffkonzentrationen aus toxikologischer Sicht zu bewerten?
Risiko Frac Fluide / Human- und Ökotoxikologie
20 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Risiken im technischen System
Worst Case Szenarien in technischen Einrichtungen:
• Blow-Out• Leck Chemikalienbehälter auf Bohrplatz/LKW-Unfall• Leck Abwasserpipeline• Undichtes Bohrloch• …
21 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Beispiel:
Gefahrgut-transport
Risiken im technischen System
Sicherheitsanalysen:
• Detaillierte Sicherheitsanalysen von regeltypischen Anlagen und Verfahren
• Festlegung von realistischen Szenarien• Stärkere Berücksichtigung von Umweltszenarien (z.B. Schutz des Grundwassers)• Stärkere Berücksichtigung von menschlichem Versagen
• Durchführung einer Sicherheitsanalyse am Beispiel einer Bohrung (Bohren, Fracken, Fördern, Gasbehandlung und Transport, Backflow- /Lagerstättenwasser und Transport)
• Ergänzung von standortspezifischen Besonderheiten
• Erfassung von Ausfalldaten
Schutz des Grundwasser
RoutenplanungAusrüstung/Qualität der Fahrzeuge
Qualifikation der Fahrer
Regelmäßige SicherheitsgesprächeVertragliche Vorgaben
Kontrolle /Bewertung der Auftragnehmer
22 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Alarm- und Gefahrenabwehrpläne
Notfallpläne:
• Verbesserung der Notfallpläne in Anlehnung an die Störfallverordnung• Berücksichtigung von Umweltschäden unter Verwendung der Ergebnisse der Sicherheitsanalysen• Erweiterung der Vorgaben für Abschaltungen, Planung von Abwehrmaßnahmen und Sanierungen
• Erweiterung der formellen Beschreibung der Zusammenarbeit zwischen betrieblicher und öffentlicher Gefahrenabwehr
Kommunikation:
• Verbesserung der Risiko- und Krisenkommunikation
23 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Regulierung
Fracking ist rechtlich gesehen Benutzung von Grundwasser (Risiko der Verun-reinigung). Das Einvernehmen der Wasserbehörden ist erforderlich.
Diese Erkenntnis setzt sich allmählich durch. Aber die Praxis lässt vielfach noch zu wünschen übrig.
Die unteren Wasserbehörden müssen in den Stand versetzt werden, diese Anforderung zu erfüllen (Kompetenzen, Ressourcen).
24 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Gesellschaftlicher Dialog
| Die Interessen der Betroffenen vor Ort fließen ein – vor allem um lokale Störungen zu vermindern.
| Regionale Foren begleiten die Vorhaben und beobachten regionale Wirkungen. Sie sind an der Ausgestaltung des Monitorings beteiligt und initiieren Schlichtungsstellen.
| Es ist eine Bringschuld der aufsuchenden Unternehmen und auch der beteiligten Behörden, in allen Beteiligungsprozessen Transparenz über alle wichtigen Informationen zu gewährleisten.
25 | Jahrestagung Deutsche Physikalische Gesellschaft – 6. März 2013
Die Schlussfolgerungen und Empfehlung
1. Neue Dimension von Risiken
2. Bestimmte Gebiete sind auszuschließen
3. Demonstrationsvorhaben - langsame Entwicklung mit wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontrolle
4. Gesellschaftlicher Dialog – lokale Interessen und regionale Steuerung
5. Weiterentwicklung des Standes der Technik
6. Konsequente Anwendung des geltenden Rechts und Weiterentwicklung von rechtlichen Regelungen
7. Forschung und Entwicklung vorantreiben