125 jahre spÖ tirol

84
WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN

Upload: spoe-tirol

Post on 23-Jul-2016

250 views

Category:

Documents


13 download

DESCRIPTION

"Was wir ersehnen von der Zukunft Fernen" Am 28. September 1890 wurde die Sozialdemokratische Partei Tirols in Telfs gegründet. Zu diesem Jubiläum hat das Renner Institut Tirol diese Festschrift herausgegeben.

TRANSCRIPT

Page 1: 125 Jahre SPÖ Tirol

WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN

Page 2: 125 Jahre SPÖ Tirol

2

Page 3: 125 Jahre SPÖ Tirol

2

2015 ist ein ganz beson-deres Jahr für die Sozial-demokratie in Tirol. 70 Jahre Zweite Republik, 70 Jahre ÖGB, 125 Jah-re Tag der Arbeit. Und schließlich wird auch unsere Landesorganisa-tion heuer 125 Jahre alt.

Es gibt also allen Grund zu feiern und uns in Erin-nerung zu rufen, was die SPÖ für die Menschen in unserem Land hart erkämpft hat. Die Entwick-lung Tirols über die Jahrzehnte ist untrennbar mit der Sozialdemokratie im Land verbunden.

Von der Kinderbetreuung bis zur Versorgung von Pflegebedürftigen – zahlreiche Errungenschaf-ten im Interesse der arbeitenden Menschen und der sozial Schwachen fußen auf unserem En-gagement. Gerade in Tirol war der Weg oft stei-nig, hart Erkämpftes wurde immer wieder von konservativen und neoliberalen Kräften in Fra-ge gestellt. Glücklicherweise wurde unsere Be-wegung von Beginn an von starken Persönlich-keiten, beeindruckenden Männern und Frauen geprägt, die ihre Ideale und Vorstellungen auch gegen Widerstand durchzusetzen vermochten.

So ist das soziale Netz in Tirol heute dichter als in nahezu jeder anderen Region der EU, in Bil-dungsfragen haben wir seit nunmehr 125 Jah-ren eine Vorreiterrolle inne. Auch in der Frauen-politik wurden bahnbrechende Veränderungen durch uns in die Wege geleitet. Von all dem zeugt der vorliegende Katalog zur Ausstellung „125 Jahre SPÖ Tirol“.

Unsere Gegenwart und Zukunft liegen auch in unserer Vergangenheit. Wir wollen weiterhin Rahmenbedingungen schaffen, die es ermög-lichen, dass es den Menschen gut geht, sie Zu-gang zur bestmöglichen Bildung haben und so-zial abgesichert sind. Möglichst alle Menschen. Das muss weiter unser Ziel sein, so wollen wir unsere Geschichte fortschreiben. Unsere Wer-te, der rote Faden, der sich durch unsere Arbeit zieht, sind weiter von ungebrochener Aktualität.Wir haben in 125 Jahren viel erreicht, aber es gibt noch viel zu erreichen.

Ingo MayrVorsitzender der SPÖ Tirol

Vorwort

Page 4: 125 Jahre SPÖ Tirol

Impressum:Was wir ersehnen von der Zukunft Fernen125 Jahre SPÖ Tirol

Herausgegeben vom Renner Institut Tirol 2015Salurner Straße 2, 6020 Innsbruck

ISBN 978-3-9502541-3-6

Page 5: 125 Jahre SPÖ Tirol

Einleitung ..................................................................................... Seite 6Die Anfänge – ein steiniger Weg .............................................................................. Seite 8Die Gründung der SDAP Tirol .................................................................................... Seite 10Schauplätze der Sozialdemokratie ......................................................................... Seite 12Pionierarbeit ..................................................................................... Seite 16Programme ..................................................................................... Seite 22Die Vorsitzenden der SPÖ-Tirol ................................................................................ Seite 24Landtag ..................................................................................... Seite 33Nationalrat ..................................................................................... Seite 35Die Bezirksorganisationen: Innsbruck ................................................................... Seite 36 Landeck ...................................................................... Seite 38 Reutte ......................................................................... Seite 40 Imst ............................................................................. Seite 42 Innsbruck-Land ........................................................ Seite 43 Kufstein ...................................................................... Seite 45 Kitzbühel ................................................................... Seite 47 Schwaz ....................................................................... Seite 47 Lienz ........................................................................... Seite 49SPÖ-Frauen ..................................................................................... Seite 50Jugend ..................................................................................... Seite 54Der Erste Mai ..................................................................................... Seite 58Die Gewerkschaft ..................................................................................... Seite 61Der neue Mensch – Sport ..................................................................................... Seite 63 Natur ..................................................................................... Seite 64 Kultur ..................................................................................... Seite 651934 ..................................................................................... Seite 66Widerstand und Anpassung ..................................................................................... Seite 70Der Mensch im Mittelpunkt ..................................................................................... Seite 74Zukunft ..................................................................................... Seite 78Ausstellungsplanung ..................................................................................... Seite 81

Inhalt

Page 6: 125 Jahre SPÖ Tirol

6

Einleitung

Die SPÖ Tirol kann im Herbst 2015 mit Stolz auf ihr 125jähriges Bestehen zurückblicken.Die Ausstellung „125 Jahre SPÖ Tirol“ hat das Ziel, die wechselvolle Geschichte der Sozialdemokratie in Tirol nachzuzeichnen und sie den BesucherInnenn näherzubringen.Auch wenn sich politische Systeme und gesellschaftliche Anliegen wandeln, gibt es sozialdemokrati-sche Werte, die sich wie ein roter Faden durch das Wirken der SPÖ Tirol ziehen. Diese Ideen sichtbar zu machen, ist ebenfalls ein Anspruch, den diese Ausstellung erhebt.

Dass diese Werte die Tiroler Sozialdemokratie über 125 Jahre beseelen, ist das Verdienst vie-ler SozialdemokraInnen, die sich für ihre Überzeugung einsetzten und einsetzen. Sie alle im Rahmen dieser Ausstellung zu nennen, ist unmöglich. Deshalb musste eine exemplarische Auswahl getroffen werden, um die Fülle an Informationen zu kanalisieren und den Blick der Besuche-rInnen auf das Wesentliche zu lenken.

Die Broschüre orientiert sich am Aufbau der Ausstellung „125 Jahre SPÖ Tirol“. Sie befasst sich mit den Anfängen der Bewegung, mit der politischen Arbeit der SPÖ Tirol, mit zentralen Themen der Sozial-demokratie und mit dem Spannungsfeld zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Mag.a Astrid Schuchter Mag. Rainer Hofmann

Page 7: 125 Jahre SPÖ Tirol

6

k.u.k. Donaumonarchie Erste Republik Diktatur Dollfuß Nationalsozialismus Zweite

Republik

1867 VerfassungBürgerrechte

12.11.1918Ausrufung der Republik

März 1933Ausschaltung des

Parlaments

März 1938Einmarsch NS-Truppen

in Österreich(„Anschluss“)

April 1945:Neugründung SPÖ (Sozial-istische Partei Österreichs)

1888/89 Hainfeld(Einigungsparteitag)

Gründung der Sozialde-moratischen Arbeiter partei

(SDAP)

Dr. Karl RennerSozialdemokraten in Regierung bis 1920

Verbot des Republikanischen Schutz-

bundes (RESCH)

September 1939 – Mai 1945

Zweiter Weltkrieg

Mai 1945:Neugründung SPÖ Tirol

28.9.1890Gründung

SDAP Tirol in Telfs

Politische Radikalisierung: 1927 Schattendorf

12.-15.2.1934Februarkämpfe

1970-1983:Ära Kreisky

1914-1918Erster

Weltkrieg

1929Weltwirtschaftskrise Verbot der SDAP 1983-1986:

BK Sinowatz

Mai 1934Ständestaat

1986-1997:BK Vranitzky

1991: Rückbenennung in Sozialdemokratische Partei

Österreichs

1997-1999:BK Klima

2000-2006BK Schüssel

ÖVP-FPÖ Koalition

2006-2008:BK Gusenbauer

Seit 2008BK Faymann

Page 8: 125 Jahre SPÖ Tirol

8

Mit der voranschreitenden Industrialisierung im 19. Jh. entstand die Arbeiterbewegung, die in Anlehnung an die Ideen von Karl Marx Rechte für das Proletariat, die Arbeiterklasse, forderte.Der deutsche Dichter Ferdinand Freiligrath brachte in seinem „Arbeiterlied“ die Werte und Ziele zum Ausdruck, die die Sozialdemokratie weltweit zu verwirklichen trachtete:

„Was wir ersehnen von der Zukunft Fernen, dass Brot und Arbeit uns gerüstet stehen, dass unsere Kinder in den Schulen lernen

und unsere Alten nicht mehr betteln gehen.“Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876)

Die Ideen der Sozialdemokratie zu verbreiten, erwies sich in Tirol als besonders schwierig. Eine Arbeiterschaft war nur in wenigen Orten, im Tiroler Unterland und in Innsbruck, vorhanden, sonst war die Tiroler Bevölkerung vorwiegend bäuerlich geprägt. Obwohl die Forderungen der Sozialdemokratie nach besseren sozialen Be-dingungen, gerechter Entlohnung, politischer Mitbestimmung, Bildung und Sozialgesetzen für alle Benachteiligten in Tirol interessant gewesen wären, waren es die Ablehnung des klerikalen Einflusses und der Wunsch nach einer Trennung von Staat und Kirche, die die streng katholische Bauernschaft und die einflussreichen Tiroler Ver-treter der Kirche gegen die SozialdemokratIn-nen aufbrachten. Viele betrachteten die ersten SozialdemokratInnen als „Feind der Religion, der den Christus aus der Kirche entfernen, dem Kinde die Religion aus dem Herzen reißen, mit den Bau-ern das Eigentum teilen und die Weiber zum Ge-meingut machen will“.

Als die Pioniere der sozialdemokratischen Bewe-gung im späten 19.Jh. versuchten, ihre Ansichten unters Volk zu bringen, stießen sie auf erhebliche Widerstände. In vielen Dörfern und Gemeinden war es nicht möglich, einen Wirt zu finden, der sein Gasthaus für eine sozialdemokratische Ver-sammlung zur Verfügung stellte. Gelang dies, so wurden die sozialdemokratischen Redner oft

von wütenden Bauern am Ergreifen des Wortes gehindert und mussten unverrichteter Dinge abziehen, nicht selten kam es auch zu gewalttä-tigen Auseinandersetzungen, wie bei der legen-dären „Schlacht von Rattenberg“, wo es zu einer Rauferei zwischen Bauern und Genossen kam.

Die Anfänge – ein steiniger Weg

Wahlwerbung der Tiroler Volkspartei 1919 „Tiroler Wähler!“

Page 9: 125 Jahre SPÖ Tirol

8 9

Die Anfänge – ein steiniger Weg

In der Ersten Republik wurde die Sozialdemo-kratie eine starke politische Kraft in Österreich, die bestehenden Vorurteile und Anfeindungen blieben jedoch aufrecht, was ein Wahlplakat der Tiroler Volkspartei von 1919 zeigt. Darin wer-den die Tiroler SozialdemokratInnen als untiro-lerisch, von „Wiener Juden“ dominiert und sitten-los bezeichnet, ihnen wird sogar die Schuld am Verlust Südtirols gegeben

Doch auch in Tirol wuchs in der Ersten Repub-lik der politische Einfluss der Sozialdemokra-tie. Zwei Tiroler Sozialdemokraten waren im Nationalrat vertreten, Franz Gruener war bis

1928 sozialdemokratischer Landeshauptmann-stellvertreter. Die Sozialdemokratie wurde in Tirol jedoch nie zu einer großen Massenbewe-gung, zu tief war die Identifikation der Tiroler Bevölkerung mit bäuerlichen Idealen und der Kirche, zu gering ein proletarisches Klassenbe-wusstsein. Zudem wuchs für sozialdemokrati-sche Vereine sehr bald die Konkurrenz aus dem bürgerlichen Lager, da auch christliche Arbeiter-vereine gegründet wurden.

Südtirolkundgebung der Tiroler SozialdemokratInnen 1920 vor dem damaligen Stadttheater. Simon Abram setzte sich bei den italienischen GenossInnen für den Verbleib Südtirols bei Österreich ein.

Page 10: 125 Jahre SPÖ Tirol

10

Nachdem es zum Jahreswechsel 1888/89 in Hain-feld Victor Adler gelungen war, die österreichi-sche Arbeiterbewegung zu vereinen und die So-zialdemokratische Partei (SDAP) zu gründen, war es das Bestreben der Tiroler Hainfeld-Teilnehmer Josef Holzhammer und Ignaz Saska, eine Tiro-ler Parteiorganisation ins Leben zu rufen. Ignaz Saska rief zu der am 28.September 1890 anberaumten Versammlung in Telfs auf, mit dem Ziel der „Vereinigung aller klassenbewussten Ar-beiter zu einer wirksamen, strammeren Organisa-tion nach dem Programm und Principien des Hain-felder Parteitages“.135 bis 150 Delegierte folgten Saskas Einladung, nur Teilnehmer, die die Einladungskarte vorwei-sen konnten, wurden zugelassen.Die Versammlung im „Gasthaus Traube“, die mit der Gründung der Landesorganisation Tirol der

Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) en-dete, wurde von den Behörden misstrauisch be-obachtet, wie das Telegramm und der Bericht des Telfer Gendarmeriepostens belegen, sie wurde jedoch als harmlos eingestuft.

Die Gründung der SDAP Tirol

Einladungskarte für die geladenen Delegierten

Im Gasthof „Zur Traube“ in Telfs fand am 28.9.1890 die Gründungsversammlung der Sozialdemokratischen Partei Tirols statt

Page 11: 125 Jahre SPÖ Tirol

10 11

Die Gründung der SDAP Tirol

Ausführlicher Bericht des Telfer Postenkomman-danten an die Bezirkshauptmannschaft nach der Versammlung.

Text zu Dokument 3: (Übersetzung)An die kk Bezirkshauptmannschaft zu Innsbruck, Telfs, am 29. September 1890

Gestern fand hier in Telfs im Gasthause zur Trau-be des Joseph Schweigl von 10 Uhr vormittags bis 9 Uhr abends eine von dem in Innsbruck sich auf-haltenden bekannten Arbeiterführers Ignaz Sas-ka veranstaltete Landesversammlung statt, woran sich Delegierte der Arbeitervereine in Wien, Graz, Linz, Innsbruck, aus Orten Vorarlbergs etc und Ver-treter der (….) beteiligten. Die Versammlung be-schränkte sich nur auf geladene Gäste und war der Eintritt auch nur auf Vorweisung von auf Na-men lautende Karten gestattet. Die Versammlung verlief ohne jede Störung und Unordnung und wie ich auf vertraulichem Wege in Erfahrung brach-te, bildeten 1. Allgemeines über die Arbeiterbewe-gung, 2. Organisation in politischer Hinsicht, 3.Par-teipresse, 4.Gewerkschaften, 5. Freie Anträge die Punkte der Tagesordnung, worüber…über „Allge-meines Stimmrecht“ und … verschiedene Anträge innerhalb der gesetzlichen Grenzen gemacht und Reden gehalten wurden. Als Einberufer dieser Ver-sammlung waren Leimgruber, Saska, Protiwa,Wil-lomitzer, Zelger, Stephan und Radlbeck, angeblich sämtliche in Innsbruck genannt. Hierzu wird der kk. Bezirkshauptmannschaft die Anzeige erstattet und beigefügt, dass sich ca. 150 Personen beteiligten. Kohla Postenführer

Page 12: 125 Jahre SPÖ Tirol

12

Schauplätze der Sozialdemokratie

Im Oktober 1902 gründeten Funktionäre der Tiroler sozialdemokratischen ArbeiterInnenbe-wegung den Verein „Arbeiterheim“, über den Geld für den Ankauf von Gebäuden gesam-melt wurde. 1910 erwarb der Verein ein ehema-liges Gasthaus in der Innsbrucker Mentlgasse 12. Das Arbeiterheim Mentlgasse wurde darauf-hin die Zentrale der Sozialdemokratischen Par-tei Tirols und ihres Presseorgans „Volkszeitung“. Die „VZ“ wurde von Ignaz Saska 1892 gegrün-det und bis zu dessen Tod 1896 herausgegeben, danach wechselte die Redaktion nach Dornbirn und Linz, kehrte 1905 endgültig nach Innsbruck zurück, wo sie bis zur Einstellung der Zeitung verblieb.

Bereits während des Ersten Weltkrieges erwarb die Kinderfreundeorganisation eine Villa samt Grundstück auf der Innsbrucker Hungerburg, in den 1920er Jahren die Liegenschaft „Seehof“ ebendort. 1918 kauften die Kinderfreunde ein Grundstück in der Leopoldstraße in Innsbruck, auf dem ein modernes Kinderfreundeheim er-richtet wurde.

Im Hortbetrieb in der Leopoldstraße wurden zeitweise mehr als 1000 Kinder aus Arbeiterfa-milien versorgt. Der Theatersaal des Heimes bot Gelegenheit für manches Schauspiel der „Mär-chenbühne“ und Kinderveranstaltungen.

Page 13: 125 Jahre SPÖ Tirol

12 13

Schauplätze der Sozialdemokratie

Das Kinderfreundeheim am Seehof auf der Hungerburg bei Innsbruck, damals noch mit See zum Rudern, ca.1930.

Hortbetrieb in der Leopoldstraße Der Theatersaal des Kinderfreundeheimes

Page 14: 125 Jahre SPÖ Tirol

14

Schauplätze der Sozialdemokratie

Die wichtigste Erwerbung für die Partei war zwei-fellos 1924 der Kauf des Hotels „Goldene Sonne“ gegenüber dem Hauptbahnhof Innsbruck.

Das Gebäude wurde von Partei und Gewerk-schaft als Zentrale und Versammlungsort ge-nutzt, der Gastbetrieb eingeschränkt aufrecht-erhalten und verpachtet, im Parterre eine Filiale der „Arbeiterbank“ (heute BAWAG) eingerichtet.

Am 12. Februar 1934 besetzte die Polizei ge-meinsam mit Abteilungen der Heimatwehr das Parteihaus und beschlagnahmte es. Von 1936 bis 1945 diente das Gebäude als Polizeipräsidi-um und Gefängnis. Der 15. Luftangriff der Alliier-ten am 25.12.1944 verwandelte das Haus in eine Ruine. In der Zweiten Republik erhielten Partei und Gewerkschaft die Liegenschaft zurück. Heu-te sind dort SPÖ und ÖGB untergebracht.

Page 15: 125 Jahre SPÖ Tirol

14 15

Schauplätze der Sozialdemokratie

Das Rapoldiheim in Innsbruck Kranebitten wur-de Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre vom sozialdemokratischen Verein „Waldfreunde“ für die Parteijugend finanziert und errichtet.Mittels Anteilscheinen konnte das Heim für die Parteijugend finanziert werden, das nach der Beschlagnahme durch Ständestaat und NS-Re-gime in der Zweiten Republik wieder seinem ursprünglichen Zweck zugeführt wurde. Es war

nach dem Sozialdemokraten Martin Rapoldi, Innsbrucker Vizebürgermeister von 1919 bis zu seinem frühen Tod 1926, benannt. Rapoldi sorg-te während seiner Amtszeit für die Elektrifizie-rung Innsbrucks, für einen sozialen Wohnbau nach Vorbild des „Roten Wien“ und war Mitbe-gründer der Vorgängergesellschaft der heuti-gen TIWAG.

Jugendfunktionäre umringen bei einer Schulung im Rapoldiheim unmittelbar nach dem 2.WK Franz Hüttenberger.

Einweihung des Rapoldiparks in Innsbruck 1983.

Page 16: 125 Jahre SPÖ Tirol

16

Pionierarbeit

Josef Holzhammer (1850-1942) prägte die sozialdemokrati-sche Bewegung und die politische Aus-richtung der jungen Partei als gemäßig-ter Reformsozialist. 1889 nahm er am

Hainfelder Einigungsparteitag der Sozialdemo-kratischen Partei Österreichs teil und berief ge-meinsam mit Ignaz Saska die Gründungsver-sammlung der Sozialdemokratischen Partei Tirols in Telfs 1890 ein. 1893 wurde er auf der ers-ten Landeskonferenz in die Landesparteivertre-tung gewählt.

Holzhammers politisches Wirken war vielfältig, so war er von 1908 bis 1911 im Reichsrat der Mo-narchie vertreten, in der Ersten Republik gehör-te er dem Tiroler Landtag und dem Innsbrucker Stadtrat an.An der Gründung der ArbeiterInnen-Kranken-kasse, deren Leitung er bis 1922 innehatte, war er maßgeblich beteiligt, außerdem lagen ihm Bildungsfragen am Herzen. Vehement trat er für einen unentgeltlichen und konfessionslosen Un-terricht ein und kritisierte den Einfluss der Kirche auf das Bildungswesen.Den aufkeimenden Antisemitismus nationalisti-scher Prägung verurteilte er scharf als Resultat von Dummheit und Unbildung. Ab 1925 zog er sich aus dem politischen Leben zurück.

Simon Abram (1871-1940) war ein enger Ver-trauter Josef Holzhammers und wurde des-sen würdiger Nachfolger in der Sozialdemokra-tischen Partei. Der Einsatz für das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht domi-nierte die ersten Jahre seines politischen Wir-kens. Auch wenn die sozialdemokratische Bewe-gung die Einführung des allgemeinen, gleichen und direkten Männerwahlrechts 1907 als Er-folg verbuchen konnte, blieb die Arbeiterschaft in Tirol durch eine diskriminierende Landtags-wahlordnung benachteiligt. Trotzdem schafften es Simon Abram und Cesare Battisti als sozial-demokratische Abgeordnete 1914 in den Tiroler Landtag.1911 beim Parteitag in Innsbruck unter Abrams Vorsitz konnte er zahlreiche Erfolge präsentie-ren, wie beispielsweise die Eröffnung des Arbei-terheims in der Mentlgasse.

Als Abgeordneter im Reichsrat ab 1907 setzte sich Abram unter anderem für bessere Arbeitsbe-dingungen ein, ver-urteilte den Einfluss der Kirche auf die Universitäten und zeigte Missstände im Schulwesen auf. Dabei ver-gaß er nie die Situation in seiner Tiroler Heimat, besonders das Schicksal der Schwabenkinder rückte er in den Fokus der Öffentlichkeit.Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bremste Ab-rams politisches Wirken in den Gremien, dafür war er in der Kriegszeit in der Genossenschaft aktiv, um die Not der Bevölkerung zu lindern.In der Ersten Republik genoss Simon Abram ho-hes Ansehen innerhalb der Partei, er war Abge-

Page 17: 125 Jahre SPÖ Tirol

16 17

Wilhelm Scheibein (1869 -1936) gründete nach seiner Versetzung nach Innsbruck 1897 die dort aufgelöste Eisenbahnergewerkschaft neu und setzte sich in der Folgezeit intensiv für die Be-lange der Eisenbahner ein. Ab 1905 stellte er sich immer wieder Gemeinderatswahlen in Inns-bruck, 1907 führte er einen Reichsratswahl-kampf, 1914 bewarb er sich für den Tiroler Land-tag. Wegen der Ungerechtigkeiten im Tiroler Wahlrecht konnte er keinen Sieg erringen.Seine Stunde kam in der Ersten Republik, als er sowohl in den Gemeinderat als auch in den

Landtag einzog. 1919 wurde er sogar in den Nationalrat entsandt.Von 1921 bis 1934 übte Scheibein das Amt des ersten Tiro-ler Arbeiterkammer-präsidenten aus.1934 wurde er aller Ämter enthoben und er musste mit seiner Familie ums Überleben kämp-fen. Enttäuscht und verzweifelt starb er 1936.

Pionierarbeit

ordneter im Nationalrat, im Tiroler Landtag und im Innsbrucker Gemeinderat.Die politische Entwicklung Österreichs ab 1934

und persönliche Enttäuschungen brachen Si-mon Abrams Lebenswillen und er wählte 1940 in Salzburg den Freitod.

Republikfeier vor dem Innsbrucker Hauptbahnhof 1928. Simon Abram war ein begnadeter Redner, der Massen begeistern konnte.

Page 18: 125 Jahre SPÖ Tirol

18

Pionierarbeit

Johann Orszag lernte als Interes-sensvertreter der Buchdrucker 1905 in Bozen Simon Ab-ram kennen und es entstand eine in-tensive Zusam-menarbeit und Freundschaft.

Innerhalb kürzester Zeit füllte Orszag zahlrei-che Funktionen aus, besonders wichtig war sei-ne Rolle als Vorsitzender der Gewerkschafts-kommission. Gemeinsam mit dem 1. Sekretär Hermann Flöckinger betrieb er die Vereinheitli-chung der Gewerkschaften.Die „Volkszeitung“ lag ebenfalls in den Händen Orszags, er konnte die Verbreitung der Arbeiter-zeitung steigern und eine eigene Parteidrucke-rei ins Leben rufen.

Die Kombination von Gewerkschafts- und Pres-searbeit sorgte für eine effizientere Verbreitung des sozialdemokratischen Gedankengutes.Am Aufbau der Genossenschaften war Orszag maßgeblich beteiligt, während des Ersten Welt-kriegs kümmerte sich Orszag als Vorstandsmit-glied des „Arbeiter-Konsumvereins“ in Innsbruck vor allem um die Versorgung der Bevölkerung. Ab 1914 war er Direktor der ETAB, der ersten Tiro-ler Arbeiterbäckerei. Sie wurde unter Orszags Führung in der schwierigen Nachkriegszeit eine moderne Brotfabrik, die ihr Angebot um die Pro-duktion von Teigwaren erweitern konnte.Besonders engagiert war Johann Orszag im Be-reich der Jugendarbeit, die Gründung der „Kin-derfreunde“ und die damit verbundenen Aktivi-täten gehen auf ihn zurück.1938, nach der Besetzung Österreichs durch die Nationalsozialisten, beging Johann Orszag Selbstmord.

Page 19: 125 Jahre SPÖ Tirol

18 19

Pionierarbeit

Die dritte Säule der Arbeiterbewegung neben Partei und Gewerkschaft waren die Konsum-vereine und die Genossenschaftsbewegung. Dabei galt das Prinzip der genossenschaftlichen Selbsthilfe.Die vor 1867 entstandenen wenigen Konsum-

vereine, deren Grundgedanke die Zusammen-fassung der ArbeiterInnen als KonsumentInnen war, erhielten durch die Arbeiterbildungsverei-ne und Gewerkschaften Auftrieb in ihren Bestre-bungen zur Verbesserung des Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung.

Page 20: 125 Jahre SPÖ Tirol

20

Ernesto Tamburini (1883-1971) übernahm 1938 nach dem Selbst-mord Johann Orszags die Leitung der ETAB und baute den Betrieb noch leistungsfähiger aus.Von den italienischen Faschisten verfolgt, ge-

lang ihm 1922 die Flucht nach Österreich, indem er sich in der Dampflok des Tiroler Sozialdemo-kraten und Eisenbahners Michael Hirschegger versteckte.

Die Großeinkaufsgesellschaft österreichischer Konsumvereine (GÖC) wurde 1905 nach briti-schem Vorbild gegründet und bestand bis 1978. Die Einkaufsmacht der Ortsvereine sollte ge-bündelt und die Unabhängigkeit von privaten Großhändlern gewährleistet werden, außerdem konnte die genossenschaftliche Eigenproduk-tion auf großindustrieller Basis erfolgen. 1934 wurden die Sozialdemokratische Partei und alle ihr nahestehenden Organisationen verboten, nicht aber die GÖC. So fanden sich junge Sozi-alistInnen im „GÖC-Klub“ zusammen und hielten die Idee des Sozialismus bei gemeinsamen Aus-flügen aufrecht.

Pionierarbeit

Page 21: 125 Jahre SPÖ Tirol

20 21

Die Prinzipienerklärung und die Einigungsreso-lution von 1888/1889 stehen am Beginn der sozi-aldemokratischen Programmatik. Sie bilden den Rahmen des politischen Handelns für die öster-reichische Sozialdemokratie. Die Programmatik wurde im Laufe der Geschichte immer wieder an die gesellschaftlichen Erfordernisse angepasst. Die Grundwerte Gleichheit, Gerechtigkeit, Frei-heit und Solidarität blieben stets dieselben. Sie bilden den roten Faden der SPÖ-Politik.

An den Verhandlungen des Einigungsparteita-ges in Hainfeld nahmen die Tiroler Delegierten Josef Holzhammer und Ignaz Saska teil.

Prinzipienerklärung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs.(„Hainfelder-Programm“ 1888/1889 und die „Einigungs-Resolution“)I. Prinzipienerklärung... Das Proletariat politisch zu organisieren, es mit dem Bewußtsein seiner Lage und seiner Aufgabe zu erfüllen, es geistig und physisch kampffähig zu machen und zu erhalten, ist daher das eigentliche Programm der sozialdemokratischen Arbeiterpar-tei in Österreich.. . … wird sie das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für alle Vertretungskörper mit Diätenbe-zug anstreben, als eines der wichtigsten Mittel der Agitation und Organisation.…so muß eine lückenlose und ehrliche Arbeiter-schutzgesetzgebung…angestrebt werden.…der obligatorische, unentgeltliche und kon-fessionslose Unterricht in den Volks- und Fortbil-dungsschulen sowie unentgeltliche Zugänglichkeit sämtlicher höheren Lehranstalten unbedingt erfor-derlich; die notwendige Vorbedingung dazu ist die Trennung der Kirche vom Staate und die Erklärung der Religion als Privatsache.…die allgemeine Volksbewaffnung einzutreten.…Beseitigung aller indirekten Steuern und Ein-führung einer einzigen, direkten, progressiven Einkommenssteuer.Einigungs-ResolutionDer Parteitag erklärt den Parteizwist durch die An-nahme des Programms für beendet und erwartet von jedem Parteigenossen ehrliches und brüderli-ches Eintreten für die Gesamtpartei sowie energi-sche und unerschrockene Arbeit auf dem gemein-samen Boden unseres Programms zum Besten des Emanzipationskampfes der Arbeiterklasse.

Pionierarbeit Programme

Page 22: 125 Jahre SPÖ Tirol

22

Programme

Das Programm von 1978 war für zwei Jahrzehnte die Richtschnur sozialdemokratischer Politik in den späten 1970er und 1980er Jahren.

Die moderne Sozialdemokratie passte ihre Programmatik von 1945 bis heute viermal den gesellschaftlichen Entwicklungen an: 1947 mit dem sogenannten „Aktionsprogramm“, 1958 mit dem „Pittermann-Programm“, 1978 mit dem „Kreisky-Programm“ und schließlich mit dem 1998er Programm Vranitzky/Klima.

Das Programm von 1998 wurde in einer breit an gelegten Diskussion erarbeitet und stellt eine mögliche politische Antwort auf die Zu-kunftsfragen der Gesellschaft in den 2000er Jahren dar.Das gegenwärtige Parteiprogramm von 1998

stellt die Wohlfahrtsgesellschaft, Frauen- For-schungs- und Umweltpolitik, ein modernes Staatsverständnis sowie Bildung, Medien und die Zusammenarbeit in der Europäischen Uni-on in den Vordergrund. Dabei bleibt eine alle Klassengegensätze überwindende demokrati-sche, friedliche, humane und gerechte Gesell-schaft das Ziel.

Zudem wird ein klares Bekenntnis gegen Ge-walt, Extremismus und Rassismus formuliert. Die Sozialdemokratie versteht sich außerdem mit diesem Programm als Vorreiter der demo-kratischen Erneuerung Österreichs. 

«Unser Programm versucht darzustellen, was der Sozialismus unserer Tage sein könnte. Es ist das Großartige und gerade jetzt Sichtbare an ihm, dass er immer deutlicher sich zu einer Philosophie der menschlichen Gesellschaft entwickelt und dass er deshalb das menschenwürdigste gesellschaftliche System darstellt, weil er das Unvernünftige und Brutale in der Gesellschaft beseitigen will und der menschlichen Persönlichkeit in ihrer Beziehung zu anderen und zur Gemeinschaft neue Dimensionen verleiht. Und so bedeutet die Verwirklichung sozialistischer Ideale in dieser Zeit mehr als die Verwirklichung bloßer politische Zielvorstellungen. Sie ist die Antwort schlechthin auf die Frage

Sein oder Nichtsein.«

Bruno Kreisky, 1978

Page 23: 125 Jahre SPÖ Tirol

22 23

Programme

Auszug aus dem Kreisky-Programm 1978

Page 24: 125 Jahre SPÖ Tirol

24

Die Vorsitzenden der SPÖ Tirol

Franz Hüttenberger (1884 bis 1966)Als Franz Hüttenberger 1966 starb, ging ein be-wegtes Leben zu Ende. Der in Schärding gebo-rene Bauernbub schloss sich schon früh als Bä-ckergeselle der sozialistischen Bewegung an und trat 1909 in Tirol der Partei bei. Bereits mit 26 Jahren bekleidete er die Funktion des Tiro-ler Gewerkschaftsvorsitzenden, die er bis 1934 innehatte. Seit 1910 war er auch Mitglied des Landesparteivorstandes, mit dem Jahre 1922 Landesparteisekretär und beruflich Leiter der Kreiskrankenkasse Innsbruck (Vorläuferin der TGKK). Nach der Übersiedelung Simon Ab-rams nach Salzburg wurde Hüttenberger 1927 mit dem Vorsitz der Sozialdemokratischen Par-tei Tirols betraut. Er gehörte dem ersten Tiroler Landtag 1918 und folgend bis 1934 als Abge-ordneter an. Mit der austrofaschistischen und anschließenden nationalsozialistischen Dik-tatur ruhte die politische Tätigkeit Hüttenber-gers, er verlor auch seine Arbeit. Im Zuge des Attentates auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde

Hüttenberger mit anderen GenossIn-nen ins Lager Inns-bruck –Reichenau gesperrt. Nach der Befreiung gehörte er der ersten provi-sorischen Landesre-gierung unter Karl Gruber als Stellvertreter an und blieb dies bis zu seiner Pensionierung 1960. Ihm ist der Wie-deraufbau des Tiroler Sozialsystems zu danken, war er doch auch erster Leiter der Tiroler Ge-bietskrankenkasse. Als Sozialreferent der Lan-desregierung war er maßgeblich am Neubau des Krankenhauses Natters und am Ausbau des Gesundheitswesens in Tirol beteiligt. Ebenso verdienstvoll war sein Engagement für die Wie-dererrichtung der SPÖ Tirol, deren erster Vor-sitzender nach dem Krieg er bis zum Jahre 1960 blieb. Für seine Verdienste wurden ihm zahlrei-che Ehrungen zuteil.

Hüttenberger (2. von links) bei einer Maikundgebung in den 1950er Jahren vor dem Innsbrucker Stadttheater.

Page 25: 125 Jahre SPÖ Tirol

24 25

Die Vorsitzenden der SPÖ Tirol

Karl Kunst (1904 bis 1989)Das politische Leben des Dr. Karl Kunst begann mit seinem Engagement für die Sozialdemokra-tie als Mittelschüler im Innsbruck der 1920er Jah-re und endete als Vorsitzender der SPÖ Tirol und Landeshauptmannstellvertreter in den späten 1960er Jahren des 20. Jhs. Dazwischen lag eine ra-dikale Zeit, die den jungen Karl Kunst prägte. 1932 rief er als vehementer Gegner der Nationalsozia-listen zum Kampf gegen die braune Gefahr zur „Höttinger Saalschlacht“ auf und wurde dafür in-haftiert, bis 1938 übrigens insgesamt viermal aus politischen Gründen. Nach dem Verbot der Par-tei 1934 lebte er ausschließlich für seinen Rechts-anwaltsberuf. Im Jahre 1945 trat er sofort der wie-dergegründeten sozialistischen Partei bei, wurde kurzzeitig juristischer Referent der provisorischen Landesregierung, 1948 bis 1960 Mitglied des Inns-brucker Gemeinderates, davon 6 Jahre Stadtrat. Von 1953 bis 1970 gehörte er dem Tiroler Landtag an, zuerst als Abgeordneter, von 1957 bis 1960 als 2. Vizepräsident und ab 1960 als Landeshaupt-

mannstellvertreter und Mitglied der Landesre-gierung. In seiner Eigen-schaft als Gesundheits- und Sozialreferent der Landesregierung konzi-pierte er den Zehnjah-resplan zum Ausbau der Landeskrankenanstal-ten, im Besonderen der Universitätskliniken, un-ter seiner Ägide wurde die Chirurgische Univer-sitätsklinik fertiggestellt. Im Sozialbereich schuf er die gesetzlichen Bedingungen für eine landes-weite Besserstellung betagter und behinderter Menschen und deren beruflicher Rehabilitation. Dr. Karl Kunst folgte auf Franz Hüttenberger als Vorsitzender der Partei von 1961 bis 1969. Für sei-ne Verdienste wurde er mehrfach von Land, Bund und Partei ausgezeichnet.

Kunst mit dem Innsbrucker ÖVP Bürgermeister Alois Lugger ( Mitte, Lugger links) und Michael Viertler, einem sozialdemokratischen Funktionär der Zwischenkriegszeit, am Birgitzköpfl vor dem Naturfreundehaus.

Page 26: 125 Jahre SPÖ Tirol

26

Herbert Salcher (*1929)Dr. Herbert Salcher zog sich im Jahre 1984 aus sämtlichen politischen Ämtern zurück. In der davor liegenden Zeit hatte er eine politische Bilderbuchkarriere durchlaufen. Seine Wurzeln lagen in der SJ, der er schon 1946 beitrat. 1960 zog der promovierte Jurist und leitende Ange-stellte der TGKK in den Innsbrucker Gemein-derat ein, dem er bis zu seiner Bestellung zum Landesparteivorsitzenden der SPÖ Tirol 1969 angehörte. Er folgte Dr. Kunst 1970 als Landes-hauptmannstellvertreter, Sozial- und Gesund-heitsreferent in der Landesregierung nach, bis ihn Bundeskanzler Bruno Kreisky 1979 als Ge-sundheits- und Umweltminister nach Wien hol-te. 1981 wurde Salcher nach dem Bruch Kreis-kys mit Finanzminister Androsch zu dessen Nachfolger ernannt. Seine Ablöse erfolgte 1984 durch Bundeskanzler Sinowatz, nachdem

Salcher der Staatsanwaltschaft eine Sachver-haltsdarstellung in der Steuersache Hannes Androsch übermittelte. Als Gesundheits- und Sozialreferent in Tirol sind mit ihm der weitere Ausbau und die Modernisierung des Gesund-heitswesens verbunden. Als Gesundheits- und Umweltminister sind die Initiativen in Bezug auf Prävention, insbesondere seine Kampag-ne „Ohne Rauch geht´s auch!“ in lebhafter Er-innerung. Außerdem wurde die „Akademie für Arbeitsmedizin“ auf seinen Vorschlag hin vorbe-reitet, das Arzneimittel- und Fleischbeschau-gesetz beschlossen, sowie der „Verein für Ge-sundheitserziehung und -beratung“ gegründet. Herbert Salcher hat sich durch seine politi-sche Korrektheit einen bleibenden Namen in den Annalen der österreichischen Innenpolitik erworben.

Die Vorsitzenden der SPÖ Tirol

Salcher und sein Nachfolger Ernst Fili während der Landtagswahlkampagne „Zuviel schwarz in Tirol“

Page 27: 125 Jahre SPÖ Tirol

26 27

Ernst Fili (*1932)Fili begann seine politische Arbeit an der Basis als Subkassier, beim Plakatieren und vielen klei-neren Tätigkeiten für die SPÖ- Ortsorganisation Matrei am Brenner, für die er auch zum Gemein-derat kandidierte. Der Eisenbahnergewerk-schafter Fili erlangte in seiner Heimatgemein-de 1963 mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP Mandataren das Bürgermeisteramt und machte bei den darauffolgenden Wahlen 1968 die SPÖ zur Mehrheitsfraktion. Er blieb bis 1974 Bürger-meister. Ab 1969 wirkte er im Tiroler Landtag als Vorsitzender des Finanzkontrollausschusses . Seit 1975 Mitglied der Landesregierung konn-te er als Hoch- und Straßenbaureferent damals jährliche Mittel in der Höhe von etwa 40 Mil-lionen Schilling für die Erhaltung und Verbes-serung der Verkehrsinfrastruktur durchsetzen.

Ebenso veranlasste er 1980 ein Sonderpro-gramm zur Verkehrserschließung in Höhe ei-ner halben Milliarde Schilling. Außerdem setzte Fili ein Projektteam zur Fertigstellung der Uni-versitätsklinik für Frauen und Neurologie ein, das die Baukostenentwicklung penibel kont-rollierte. Nachdem Herbert Salcher 1979 dem Ruf Kreiskys nach Wien als Minister gefolgt war, wurde Ernst Fili im Oktober zum Landeshaupt-mannstellvertreter gewählt. 1981 übernahm er von Salcher auch den Parteivorsitz, den er bis 1985 ausübte. Nach dem Ende seiner akti-ven Karriere 1987 war er noch einige Zeit als Obmann des ASKÖ Tirol tätig. In den verschie-densten Funktionen bewahrte er überaus gu-ten Kontakt zur Bevölkerung. Er war der erste Bürgermeister, der zum Vorsitzenden der SPÖ Tirol gewählt wurde.

Salcher, Fili und Landesrat Fritz Greiderer bei einem Landesparteitag Ende der 1970er Jahre.

Die Vorsitzenden der SPÖ Tirol

Page 28: 125 Jahre SPÖ Tirol

28

Hans Tanzer (*1936)war der erste Parteivorsitzende der Tiroler SPÖ, der Ende Oktober 1985 mittels Direktwahl von zwei Dritteln der 372 Delegierten des Landes-parteitages gewählt wurde. Er stellte sich als Herausforderer des amtierenden Vorsitzenden Ernst Fili zur Wahl. Hans Tanzers politischer Werdegang begann in seiner Heimatgemeinde Rum bei Innsbruck. Zunächst wurde der 26jährige 1962 Vizebür-germeister, dann leitete er von 1968 bis 1987 als Bürgermeister die Geschicke der Gemein-de. 1975 ereilte ihn der Ruf der Partei für den Tiroler Landtag zu kandidieren, dem er seitdem als Abgeordneter, ab 1984 als 2.Vizepräsident und ab 1987 als Landeshauptmannstellvertre-ter und Mitglied der Tiroler Landesregierung bis März 1994 angehörte.Sein Ziel war es, der SPÖ Tirol ein kantiges Pro-fil zu geben: „Zunächst geht es darum mit dem nötigen Selbstbewusstsein klare Abgrenzungen zur ÖVP herzustellen.“, so seine Botschaft. Damit meinte Hans Tanzer beinahe alle politischen Be-reiche: die Arbeitswelt, die Wirtschaftspolitik, demokratiepolitische Fragen der Mitbestim-mung in den Gemeinden oder Kammern so-wie Maßnahmen gegen die drohende Jugend-arbeitslosigkeit oder fehlende Sozialpolitik. Ein besonderes Anliegen war Tanzer schon früh die Umweltpolitik. Bereits als Rumer Bürgermeis-ter setzte er Maßnahmen in diese Richtung, indem er Sammeleinrichtungen für Mülltren-nung, Heizungsprüfungen, Begrünungsaktio-nen durchsetzte. „Mit Sonntagsreden lassen sich Umweltfragen, insbesondere das Waldsterben

nicht lösen.“, meinte Tanzer schon damals im Tiroler Landtag.Sein Verdienst als Parteivorsitzender war es, den Paradigmenwechsel zwischen den Gene-rationen innerhalb der SPÖ Tirol einzuleiten. Er ebnete jüngeren GenossInnen den Weg für ihre politischen Karrieren. Seinen Nachfolger Her-bert Prock holte Tanzer aus dem Medienbereich. Hans Tanzer war nach seiner aktiven Laufbahn von 2001 bis 2014 Vorsitzender des Tiroler PensionistInnenverbandes.

Die Vorsitzenden der SPÖ Tirol

Page 29: 125 Jahre SPÖ Tirol

28 29

Herbert Prock (*1955)Herbert Prock übte das höchste Parteiamt acht Jahre lang aus. Er übernahm es nach der Land-tagswahlniederlage 1994 von seinem „politi-schen Ziehvater“ Hans Tanzer, der ihn als Part-eigeschäftsführer 1987 in die SPÖ Tirol geholt hatte. Beim Landesparteitag 1994 erreichte Her-bert Prock 85,6 Prozent der Delegiertenstim-men. Im selben Jahr folgte er Hans Tanzer in der Landesregierung nach und führte das Ressort Soziales, Bildung und Fachhochschulen. Prock studierte an der Universität Innsbruck Germanistik und Vergleichende Literatur-wissenschaft. Vor seiner politischen Karriere war er zehn Jahre beim ORF als Journalist tä-tig. Er war einer der Gründer des Innsbrucker Kellertheaters.Im Laufe seiner politischen Karriere scheute er die Auseinandersetzung mit dem ÖGB und der Frauenorganisation wegen personeller Ent-scheidungen nicht. Die Folge davon waren bei

seiner Wiederwahl 1997 nur noch 78 Prozent der Delegiertenstimmen. Beim Landespartei-tag 2000 gab es nur noch 66 Prozent. Neben dem Festhalten an der Regierungskoalition mit der ÖVP war unter anderem auch sein „Flinserl“ im Ohr beliebter Kritikpunkt bei Prock-Geg-nern. Herbert Prock entsprach für einige nicht dem Bild des durchschnittlichen Parteiführers, im Gegensatz dazu verkörperte er für viele den Aufbruch ins 21. Jahrhundert und in ein mo-derneres Zeitalter in Tirol. Bei den Landtags-wahlen im März 1999 gingen Procks berechtig-te Hoffnungen auf einen satten Zugewinn für die SPÖ Tirol im Paznauner Lawinenwinter un-ter. Eine Ministerkarriere im Kabinett Viktor Kli-ma II galt für ihn als sicher, kam aber wegen der schwarz-blauen Regierung unter Wolf-gang Schüssel nicht zustande. 2002 trat Her-bert Prock als Landeshauptmannstellvertreter und Parteivorsitzender zurück. Er arbeitet seit seiner Übersiedelung nach Südamerika 2003 in unterschiedlichen Managementpositionen bei VW Argentina.

Die Vorsitzenden der SPÖ Tirol

Tanzer und sein Nachfolger Herbert Prock, den er für die SPÖ Tirol als Landesgeschäftsführer arbeitete

Herbert Prock und Walter Guggenberger, der langjährige Nationalrat und spätere Klubobmann

im Tiroler Landtag.

Page 30: 125 Jahre SPÖ Tirol

30

Hannes Gschwentner (*1957)Hannes Gschwentners erstes politisches Be-tätigungsfeld war die Gemeindepolitik. 1986 zog er mit einer eigenen Liste in den heimat-lichen Kundler Gemeinderat ein. 6 Jahre spä-ter eroberte er für die SPÖ den Bürgermeis-tersessel und regierte Kundl bis 2002. Ab 1993 war er Vorsitzender des sozialdemokratischen Gemeindevertreterverbandes und Mitglied im Landesparteivorstand der SPÖ Tirol.1999 übernahm er den Bezirksvorsitz von Kuf-stein, den er bis ins Jahr 2002 innehatte. Im sel-ben Jahr wurde er in den Tiroler Landtag ge-wählt und war für die Bereiche Budget, Recht, Gemeinde, Energie und Sport zuständig.Im Mai 2002 wurde Gschwentner nach dem Abgang Herbert Procks am Landesparteitag in Innsbruck zum Parteivorsitzenden der SPÖ Tirol gewählt und im Juli 2002 als Landeshaupt-

mannstellvertreter angelobt. Als Mitglied der Tiroler Landesregierung umfasste sein Zustän-digkeitsbereich die Umwelt- und europäische Verkehrspolitik.Nach der für die Tiroler SPÖ überraschend er-folgreichen Landtagswahl 2003 übernahm Hannes Gschwentner in der ÖVP-SPÖ-Koalition wieder die Ressorts Umwelt- und europäische Verkehrspolitik sowie Sportangelegenheiten.Bei der 2006 erfolgten Regierungsumbildung gab er die Zuständigkeit für die Umwelt- und die europäische Verkehrspolitik an seinen Part-eifreund Hans Lindenberger ab und übernahm selbst das Sozialressort. 2012 übergab er sein Amt als Landeshauptmannstellvertreter und Parteivorsitzender an Gerhard Reheis. Hannes Gschwentner wechselte unter oppositioneller Kritik als zweiter Direktor in die „Neue Heimat“.

Die Vorsitzenden der SPÖ Tirol

Hannes Gschwentner mit Tiroler Adler

Page 31: 125 Jahre SPÖ Tirol

30 31

Gerhard Reheis (*1955)Gerhard Reheis wurde in der Gewerkschafts-bewegung politisiert, der er sich schon als Lehrling bei der Imster Druckerei Egger ange-schlossen hatte. 1980 wechselte Reheis als Be-zirksgeschäftsführer zur SPÖ Imst. Von 1997 bis 1999 betreute er zusätzlich die SPÖ Landeck.Gerhard Reheis gehörte seit 1992 dem Ge-meinderat von Imst an. Von 1998 bis 2001 war er Stadtrat, ab April 1999 vertrat er die SPÖ neun Jahre lang im Nationalrat, wo er zuletzt in den Ausschüssen für Kultur, Land- und Forst-wirtschaft, Sportangelegenheiten, Rechnungs-hof sowie Verkehr zuständig war. 2001 wurde er zum Bürgermeister seiner Heimatgemein-de Imst gewählt. Bei der darauffolgenden Ge-meinderatswahl 2004 erlangte er in der Bür-germeisterdirektwahl annähernd 66 Prozent der WählerInnenstimmen. Reheis übte das Amt des Imster Bezirksvorsitzenden von 1994

bis 2014 aus. Im Juli 2008 wechselte Reheis wieder nach Tirol und wurde als neuer Sozi-allandesrat in der Landesregierung angelobt. Sein Aufgabenbereich umfasste die Themen Grundsicherung, Sozialberatung, Pflegegeld, Sozialversicherungswesen, Flüchtlingswesen, Integration von MigrantInnen, Jugendwohl-fahrtswesen und Sozialbetreuungsberufe. Die Entschädigung von Missbrauchsopfern der Tiroler Erziehungsheime der Nachkriegszeit ist sein bleibendes Verdienst. Im Juni 2012 über-nahm er von Hannes Gschwentner geschäfts-führend den Vorsitz der SPÖ Tirol und das Amt als Landeshauptmannstellvertreter. Nach der Landtagswahl 2013 bildeten ÖVP und Grüne überraschend erstmals eine Koalition unter Ausschluss der SPÖ. Seitdem führt Gerhard Re-heis als Klubobmann die SPÖ Tirol in der Op-position an. 2014 übernahm der Roppener SPÖ Bürgermeister Ingo Mayr die Parteiführung.

Die Vorsitzenden der SPÖ Tirol

Gerhard Reheis schwört die Delegierten beim Sonderparteitag 2013 auf die kommenden Landtagswahlen ein.

Page 32: 125 Jahre SPÖ Tirol

32

Ingo Mayr (*1965)Der Bürgermeister von Roppen und Betriebs-ratsvorsitzende beim AMS Tirol, Ingo Mayr, folg-te am 28. Juni 2014 beim Landesparteitag als neu gewählter neunter Landeparteivorsitzender in der Geschichte der SPÖ Tirol seit 1945 auf den scheidenden Vorsitzenden Gerhard Reheis. Mayrs politische Wurzeln liegen einerseits in der Gemeindepolitik, anderseits in der Berufs-welt. Der ausgebildete Berufsberater des AMS Imst engagierte sich früh in der betrieblichen Gewerkschaftsfraktion und wurde 2006 zum Betriebsratsvorsitzenden des Tiroler AMS ge-wählt. Im gleichen Jahr gewann er die Wahlen zum Roppener Gemeinderat und wurde Bürger-meister seiner Heimatgemeinde. Seit 2007 ist er Mitglied im Landesparteivorstand der SPÖ Tirol. Seine Ziele sind es, die Lebensbedingungen in Tirol zu verbessern und gegen Rassismus und Demagogie aufzutreten. Der von Reheis einge-

leiteten Parteireform mit der Neuformulierung der Listenerstellung vor Wahlen, wie der Gleich-berechtigung der Geschlechter, sowie Chancen für junge Menschen, will Mayr in Zukunft kon-krete Maßnahmen folgen lassen. Der begeister-te Hobbymusiker möchte die SPÖ Tirol nach bit-teren Wahlniederlagen mit neuem Schwung bei den Menschen wieder attraktiver machen.

Die Vorsitzenden der SPÖ Tirol

Auf „Rote Werte in bewegten Zeiten“ setzte Ingo Mayr beim Landesparteitag am 28. Juni 2014 in Innsbruck.

Page 33: 125 Jahre SPÖ Tirol

32 33

Das Bestreben der Sozialdemokratie nach ei-nem gerechten Wahlrecht ist so alt wie die Be-wegung selbst. In der Einigungsresolution von 1889 wurde ausdrücklich gefordert, mittels ei-nes gleichen für alle StaatsbürgerInnen gülti-gen Wahlrechts parlamentarische Mehrheiten zu ermöglichen. Der erste Schritt war die Ein-führung des „Männerwahlrechts“ 1907, nach 20jähriger Wahlrechtsagitation. Der Durch-bruch gelang nach dem Ersten Weltkrieg 1919 mit den ersten allgemeinen, gleichen, freien und geheimen Wahlen für Frauen und Männer in allen Vertretungskörperschaften der Ersten Republik.

Im Tiroler Landtag fanden sich in der Zeit von 1918 bis zum Parteiverbot 1934 insgesamt 22 MandatarInnen der Sozialdemokratie, davon 2 Frauen. Bis 1928 war Dr. Franz Gruener als zwei-ter Landeshauptmannstellvertreter Mitglied der Landesregierung. Zwischen elf und neun Man-

datarInnen pro Legislaturperiode saßen für die SozialdemokratInnen im Tiroler Landtag. Der Stimmenanteil bei den vier Wahlen bis 1929 be-wegte sich zwischen 18 und 22 Prozent.

In der Zweiten Republik waren für die Tiro-ler SozialdemokratInnen bis heute insgesamt 70 MandatarInnen im Landtag tätig, davon 7 Frauen. Die Tiroler SPÖ war seit 1945 als Teil der Regierung maßgeblich an der Gestaltung des Landes beteiligt. Bis ins Jahr 2013 gehörten der Tiroler Landesregierung jeweils zwei Regie-rungsmitglieder der SPÖ Tirol an, seit 1999 in einer Koalitionsregierung mit der ÖVP Tirol. Die SPÖ stellte bis zu diesem Zeitpunkt stets den zweiten Landeshauptmannstellvertreter. Der Anteil der WählerInnenstimmen bei Land-tagswahlen schwankte im Zeitraum 1945 bis 2013 zwischen ca. 14 und 33 Prozent, wobei der Höchststand 1970 mit 33,5 Prozent erreicht wurde.

Landtag

Der Landtagsklub nach den Wahlen von 2013: Elisabeth Blanik, Gabi Schiessling, Georg Dornauer (Mitte), Thomas Pupp(li.) und Klubobmann Gerhard Reheis (re.) mit Parteichef Ingo Mayr.

Page 34: 125 Jahre SPÖ Tirol

34

Landtag

Die SPÖ-Landtagsfraktion 1953: vorne von links Franz Hüttenberger, LR Alois Heinz, Karl Kunst,

Josef Wilberger, dahinter Josef Rimml, Walther Gerstenbräun, Alois Kühllechner,

Josef Leitner und Anton Wieser.

Landtagssitzung 1975: Im Vordergrund die SPÖ-Fraktion mit Herbert Salcher, Hans Tanzer, LR Rupert

Zechtl, dahinter zweite Reihe von links Karl Hackl, Fritz Greiderer, Ernst Fili, Walter Kantner. Nicht auf dem

Bild Alfons Kaufmann, späterer Klubobmann.

Landtagsfraktion 1999: vorne links Ernst Pechlaner (später Klubobmann), daneben Klubobmann Walter Guggenberger, dahinter Gabi Schiessling, daneben Alois Leiter, schräg rechts hinter ihm Klaus Gasteiger,

links neben ihm verdeckt Hannes Gschwentner. Ganz hinten rechts (mit Rose) Maria Unterlercher, nicht auf dem Bild LRin.Christa Gangl , LHstv. Herbert Prock, Gehard Mimm und Helmut Bachmann.

Page 35: 125 Jahre SPÖ Tirol

34 35

Landtag Nationalrat

NR-Team der 1970er Jahre (von li.): Karl Reinhart, Herbert Egg, Wanda Brunner, Helmut Weinberger und Josef Lenzi.

Das Nationalratsteam 1986 mit Parteivorsitzendem Hans Tanzer (Zweiter von links): Lothar Müller, Herbert Tieber, Irene Crepaz, Robert Strobl, Helmut Weinberger und Walter Guggenberger (von links nach rechts)

Bis zur Auflösung des Parlamentes durch Doll-fuß im März 1933 gehörten ihm die Tiroler Ab-geordneten Abram und Scheibein für die Sozi-aldemokratie an.In der Zweiten Republik stellte die SPÖ Tirol bis heute insgesamt 26 MandatarInnen, davon 4 Frauen. Die Anzahl der NationalrätInnen wech-selte je nach Stärke bei den Wahlen von 2 bis 5

Personen, wobei die SPÖ in den 1970er Jahren in Tirol Traumergebnisse erzielte, beispielsweise 1979 mehr als 37 Prozent der WählerInnenstim-men.Gegenwärtig bildet das Duo Gisela Wurm und Max Unterrainer das Tiroler SPÖ-National-ratsteam.

Page 36: 125 Jahre SPÖ Tirol

36

Die Bezirksorganisationen | Innsbruck

Bereits 1893 beschloss die Sozialdemokratische Arbeiterpartei die Gründung von Bezirksorga-nisationen.In Innsbruck, Rattenberg, Schwaz, Wörgl, Kuf-stein, Kitzbühel, Lienz, Bozen, Meran und Vor-arlberg waren die ersten Bezirksorganisationen zu finden.Bis heute besteht die SPÖ-Tirol aus der Landes-organisation, den 9 Bezirksorganisationen, den Ortsorganisationen und einzelnen Stützpunkten bzw. Sektionen in der Landeshauptstadt.In 24 Gemeinden stellt die SPÖ momentan den /die BürgermeisterIn.

INNSBRUCKVon Beginn an war Innsbruck der Mittelpunkt der sozialdemokratischen Bewegung. Ein ers-ter Arbeiterbildungsverein war bereits 1868 ge-

gründet worden, er umfasste 80 Mitglieder. Ab 1890 gelang es der Sozialdemokratie in Inns-bruck mit der Maikundgebung erstmals Mas-sen, ca. 1200 bis 1500 ArbeiterInnen, zu mo-bilisieren, Pioniere wie Holzhammer, Abram wirkten unter anderem in Innsbruck.

Bis in die Gegenwart konnte die SPÖ-Innsbruck immer wieder mit Aktionen für Bürgeranlie-gen punkten, besondere Erfolge wurden in den 1970er und 1980er Jahren erzielt

Gegenwärtig liegt die Bezirksstelle Innsbruck in den Händen von Gabi Schiessling als Vorsit-zende, Harald Mimm als Geschäftsführer und Monja Perlornigg im Sekretariat.

Der SPÖ-Vizebürgermeister Rudi Krebs bei einer Veranstaltung für mehr Radwege in den 1980er Jahren.

Page 37: 125 Jahre SPÖ Tirol

36 37

Die Bezirksorganisationen | Innsbruck

Die Innsbrucker Sektion Lohbach veranstaltete ein Fest für die Bevölkerung.

SPÖ Veranstaltung vor dem Landestheater in den 1980er Jahren

Hafelekar, GenossInnen beim Aufstieg auf die Nordkette Selma Yildirim und Gabi Schiessling

Page 38: 125 Jahre SPÖ Tirol

38

Landeck

Im Tiroler Oberland konnte die Arbeiterbe-wegung erst später als in Innsbruck und Um-gebung Fuß fassen. In Landeck gab es erste Versammlungen erst ab 1894, zum Teil unter schwierigsten Bedingungen, da vom Pfarrer aufgestachelte Bauern die angereisten sozi-aldemokratischen Redner vertrieben. Erst ab 1900, mit der beginnenden Industrialisierung in Landeck, änderte sich mit der Bevölkerung-struktur auch die Situation. Das Wirken der So-zialdemokratInnen in Landeck richtete sich vor allem gegen die unmenschlichen Bedingun-gen für die Arbeiterschaft in der aufblühenden Textilindustrie. Landeck war in den 20er Jahren und bis zum Verbot der Partei von harten Aus-einandersetzungen mit dem bürgerlichen La-ger geprägt.

Für die Sozialdemokratie in Landeck besonders erfolgreich tätig waren Walter Guggenberger und Engelbert Stenico.Walter Guggenberger zeigte sein politisches Engagement ab 1980 als Gemeinderat und von 1983 bis 1999 als Nationalrat. Danach war Gug-genberger Abgeordneter zum Tiroler Landtag und Klubobmann der SPÖ-Tirol. Soziale Themen waren ihm immer ein besonderes Anliegen.

Engelbert Stenico übte sein Amt als Lande-cker Bürgermeister von 1998 bis zu seinem tra-gischen Unfalltod 2012 aus. Er war überaus be-liebt bei der Bevölkerung und setzte sich für die kulturelle Entwicklung in Landeck, sowie für Bil-dung und die Umgestaltung der Malserstraße ein. Auch unpopuläre Entscheidungen im Sin-

1. Ausflug der Landecker Kinderfreunde nach dem Krieg am 1. Mai 1946 auf die Steinwiese.

Page 39: 125 Jahre SPÖ Tirol

38 39

Landeck

Walter Guggenberger

Engelbert Stenico und Herbert Prock

ne der Menschlichkeit, wie die Einrichtung eines Asylantenheimes, scheute er nicht.

Hans-Peter Bock, Fließer Bürgermeister und Obmann des Naturparks Kaunergrat seit 1998, ist Vorsitzender der SPÖ im Bezirk Landeck. Bock war 8 Jahre lang im Tiroler Landtag als Finanz- und Raumordnungssprecher des SPÖ Klubs vertreten, von 2008 bis 2010 bekleidete er die Funktion eines Bundesrates. In der zweiten ös-terreichischen Parlamentskammer ist er wieder seit 2013 tätig.

Die Landecker Geschäftsstelle wird gegenwärtig vom Vorsitzenden Hans-Peter Bock und vom Geschäftsführer Manfred Jenewein betreut.

Page 40: 125 Jahre SPÖ Tirol

40

Reutte

Im stark bäuerlich geprägten und wenig indus-trialisierten Außerfern gab es erst nach 1918 so-zialdemokratische Ortsgruppen.In der Zweiten Republik gelang es Außerferner SozialdemokratInnen stärker in Erscheinung zu treten.Der Vorsitzende der SPÖ Bezirksstelle Reutte ist gegenwärtig Walter Berktold.

Im von der ÖVP dominierten Außerfern bleiben die zwei SPÖ-Politiker Helmut Wiesenegg und Günter Bußjäger besonders in Erinnerung.

Helmut Wiesenegg trat als hartnäckiger Kämp-fer für die Sozialdemokratie auf und es gelang ihm, von 1998 bis 2010 das Bürgermeisteramt in Reutte zu bekleiden. Für eine Periode war er als SPÖ-Bundesrat in Wien.

Einen wirtschaftlichen Aufschwung für die Re-gion Außerfern zu erreichen, lag ihm beson-ders am Herzen, auch die Nutzung der Festung Ehrenberg für kulturelle Zwecke geht auf seine Initiative zurück. Im Jänner 2014 starb Wiese-negg nach einer Herzoperation.

Auf eine langjährige politische Tätigkeit kann Günter Bußjäger zurückblicken. Seit 1957 ist er Mitglied der SPÖ, 25 Jahre lang war er Bezirks-parteivorsitzender der SPÖ im Außerfern. Buß-jäger war im Gemeinderat von Reutte und Bi-berwier tätig und schließlich sechs Jahre lang Biberwierer Bürgermeister. 15 Jahre lang ver-trat er die SPÖ im Tiroler Landtag. Heute lebt Günter Bußjäger hochgeehrt mit seiner Frau Er-ika in Reutte.

Helmut Wiesenegg, Ferdinand Lacina, Günter Bußjäger

Page 41: 125 Jahre SPÖ Tirol

40 41

Reutte

SPÖ Tirol-Klubobmann Gerhard Reheis, SPÖ Tirol-Frauenvorsitzende Selma Yildirim und Bundeskanzler Werner Faymann überreichen Günter Bußjäger

die Victor-Adler-Plakette.

Helmut Wiesenegg mit Bundespräsident Fischer Helmut Wiesenegg wird von Hannes Gschwentner geehrt

Page 42: 125 Jahre SPÖ Tirol

42

Imst

Die Bezirksstelle Imst wird von der Vorsitzen-den Karoline Graswander-Hainz, die vor kur-zem ins EU-Parlament berufen wurde, und der Geschäftsführerin Doris Reheis geleitet.

Obwohl in Imst seit dem 18.Jh die Textilindu-strie ansässig war, blieb der Einfluss der Sozi-aldemokratie in diesem Bezirk vergleichsweise gering, die bäuerlich-klerikale Ausrichtung do-minierend.Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Bezirk Imst stark von der ÖVP geprägt, erst ab den 1980er Jahren gelangten sozialdemokrati-sche PolitikerInnen zu mehr Einfluss.Ein Höhepunkt war der Besuch des damaligen Bundesministers Fred Sinowatz in Imst und Nassereith, wo ihm vom späteren Bürgermeis-ter Hermann Riess und Gemeindevorstand Hermann Agerer, dem langjährigen Leiter der Imster Krankenkasse und jetzigem Nassereither

Dorfchronisten, ein Subventionsansuchen zum Sportplatzbau in Nassereith überreicht wurde.

Hermann Agerer und Fred Sinowatz

Fred Sinowatz in Imst vor dem Gasthof Hirschen mit Günther Walser, Hermann Agerer, Rupert Thurner

(Imster Gemeinderat) und Ernst Fili.

Von 2001 bis 2008 hatte die Bezirkshauptstadt mit Gerhard Reheis den ersten SPÖ-Bürgermeister.

Page 43: 125 Jahre SPÖ Tirol

42 43

Imst Innsbruck-Land

Obwohl in Telfs 1890 die SDAP gegründet wurde, war Telfs keine Hochburg der Sozi-aldemokratie, im Gegenteil, eine Telfer Lo-kalorganisation gab es erst ab 1918. Ähn-lich wie in Imst war auch Telfs ein Standort der Textilindustrie, aber ohne starke sozi-aldemokratische Prägung. Ein Vorkämpfer für die Sozialdemokratie in den 1920er und 1930er Jahren war Josef Rimml, nach dem Krieg Landtagsabge ordneter und zweiter Landtagsvizepräsident. Den ersten „roten“ Bürgermeister hatte Telfs von 1962 bis 1974 mit Emil Achammer.Erwin Niederwieser, langjähriger National-ratsabgeordneter, war bis 2012 Bezirksvor-sitzender, ihm folgte Georg Dornauer jun. nach. Die Geschäftsführung liegt in Hän-den von Julia Schmid.

Gabi Rothbacher und der Bezirksvorsitzende Georg Dornauer jun.

Ganz links NR Helmut Weinberger aus Wattens mit Kreisky im Wahlkampf, ganz rechts

außen Herbert Salcher.

Page 44: 125 Jahre SPÖ Tirol

44

Kufstein

Der Bezirk Kufstein kann auf eine lange sozial-demokratische Geschichte zurückblicken. Mit Wörgl verfügt der Bezirk über eine Gemeinde, die wegen ihrer zahlenmäßig stark vertretenen Arbeiterschaft früh einen Stützpunkt der Tiro-ler Sozialdemokratie bildete.Zahlreiche prominente SozialdemokratInnen stammen aus Wörgl.

Josef Unterguggenberger war der erste sozial-demokratische Bürgermeister Wörgls und übte dieses Amt von 1931 bis zu seiner Absetzung durch den Ständestaat aus. Berühmtheit erlang-te Unterguggenberger, der als Lokführer und Gewerkschafter zur Sozialdemokratischen Par-tei gekommen war, durch sein „Freigeld-Experi-ment“. In der äußerst schwierigen Zeit der gro-

ßen Wirtschaftskrise versuchte er mit seinem Nothilfe-Programm das Elend der Bevölkerung zu lindern und die Verschuldung der Gemein-de zu vermindern, was beides in beachtlichem Ausmaß gelang, indem Arbeitswertscheine als Zahlungsmittel eingesetzt wurden. Dieser Gel-dersatz zirkulierte wesentlich schneller als das herkömmliche Geld und belebte so die Wirt-schaft. Unterguggenbergers Experiment, das auch innerhalb der Sozialdemokratie umstrit-ten war, wurde 1933 von den Behörden unter-sagt.

Ein verdienter Wörgler Sozialdemokrat war auch Johann Astl, der im Wörgler Gemeinde-rat vertreten war, 1929 in den Tiroler Landtag und 1932 in den Parteivorstand gewählt wurde.

Kinder der Volkshilfe Rosenheim zu Besuch in Kufstein, ca. 1948

Page 45: 125 Jahre SPÖ Tirol

44 45

Kufstein

Astl führte den Republikanischen Schutzbund im Unterinntal und war an den Februarkämpfen beteiligt, weswegen er im Ständestaat zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs engagierte sich Astl sofort wieder für die SPÖ, war im Wörgler Gemeinde-rat und von 1953 bis 1959 Bürgermeister. Von 1945 bis 1959 übte Astl sein Amt als Nationalrat aus, 1964 verstarb er hochgeehrt.In guter Erinnerung wegen seiner Verdienste bleibt der langjährige Bezirksvorsitzende Ro-bert Strobl (1933-2009), Nationalrat von 1986 bis 1996.

Heute ist Klaus Mairhofer Vorsitzender und Michael Schiestl Geschäftsführer der Be-zirksorganisation Kufstein.

Kufstein 1929, Aufmarsch des RESCH Hedi Wechner, seit 2010 Bürgermeisterin von Wörgl

Der sozialdemokratische Kufsteiner Bürgermeister Wahrstötter( Mitte im Anzug) mit der SJ ca. 1947

Page 46: 125 Jahre SPÖ Tirol

46

Kitzbühel & Schwaz

Bereits in den 1870er und 1880er Jahren waren die ersten SozialdemokratInnen in Kitzbühel tä-tig und beeinflussten den aus bäuerlichem Um-feld stammenden Johann Filzer. Der Autodidakt, der als „Bauerngelehrter“ Berühmtheit erreich-te, gründete das erste Arbeiterheim Tirols in Kitz-bühel. Weiters setzte sich Filzer für die Schaffung eines Konsumvereins und einer Sennereigenos-senschaft ein, auch am Aufbau der Raiffeisenkas-se-Kitzbühel war er beteiligt. Von 1919 bis 1925 saß er im Tiroler Landtag. Sein Anliegen war die stärkere Integration der Bauern innerhalb der So-zialdemokratie.Heute lenken Siegfried Luxner als Vorsitzender und Michael Schiestl als Geschäftsführer die Ge-schicke der Bezirksorganisation Kitzbühel.

In Schwaz gab es durch den Bergbau schon früh ein organisiertes Proletariat, ab ca. 1830 war auch die Tabakindustrie ansässig, wo sich Anfang des 20.Jh. gewerkschaftliche Struktu-ren bildeten. Maria Öhninger, eine Arbeiterin in der Schwazer Tabakfabrik, betätigte sich als sozialdemokratische Gemeinderätin und Be-triebsrätin. 1906 der Partei beigetreten, enga-gierte sich Öhninger bis zu ihrem Tod 1947.

Annelies Brugger übernahm das Amt der Vor-sitzenden 2014 von ihrem Vorgänger Klaus Gasteiger. Geschäftsführerin der Bezirksorgani-sation Schwaz ist Victoria Weber.

Erstes Arbeiterheim in Tirol, 1899 von Johann Filzer erworben

Page 47: 125 Jahre SPÖ Tirol

46 47

Kitzbühel & Schwaz Schwaz

Gemeindevorständin Annelies Brugger wird zur ersten weiblichen Vorsitzenden der SPÖ Bezirk Schwaz gewählt.

Das Team der SPÖ Schwaz von der LT-Wahl 2013. An der Spitze mit Klaus Gasteiger, v.l.n.r. Hasan Duran, Melanie Ebster, Franz Lanthaler, Gabriela Schwab, Klaus Gasteiger, Victoria Weber, Beatrix Szloboda, Hubert Scheiber

Page 48: 125 Jahre SPÖ Tirol

48

Lienz

Die sozialdemokratischen Ideen kamen bereits im 19. Jh. mit den Eisenbahnern nach Lienz, wel-che sich bald gewerkschaftlich organisierten und eine Zielgruppe für die aufkeimende sozi-aldemokratische Bewegung waren. Bald war die Berufsbezeichnung „Eisenbahner“ gleichbedeu-tend mit „Sozialdemokrat“. Die Mehrheitsbevöl-kerung in Osttirol war konservativ-katholisch geprägt und hegte ein tiefes Misstrauen gegen die Träger der Arbeiterbewegung. Die damit verbundenen Anfeindungen erfuhr auch Maria Ducia, die mit einem Eisenbahner verheiratet war, als sie sich bis 1919 für Frauenrechte enga-gierte.

Trotzdem wurde Lienz einer der wichtigsten Stützpunkte für die Tiroler Sozialdemokratie, da die dortige Parteiorganisation ihren politischen Einfluss geltend machen konnte und konstruktiv mit anderen politischen Kräften zusammenar-beitete. Die Sozialdemokratie Osttirols war auch immer im Tiroler Landtag oder auf Bundesebe-ne vertreten.

Page 49: 125 Jahre SPÖ Tirol

48 49

Lienz

Das von Maria Ducia begründete weibliche En-gagement in Osttirol für die Sozialdemokra-tie setzt sich bis heute fort. Brigitte Tegischer vertrat die SPÖ von 1996 bis 1999 im National-rat, Anna Waldeck war die erste SPÖ- Stadträ-tin von Lienz, Hirlanda Micheler war von 1980 bis 1992 im Obertillacher Gemeinderat als Ver-trteterin für Frauenrechte tätig und kandidierte

1974 mit einer reinen Frauenliste. Elisabeth Blanik leitet seit 2010 als Vorsitzen-de die Bezirksorganisation, ist seit 2011 Lien-zer Bürgermeisterin und seit 2003 in den Tiro-ler Landtag gewählt.

Die Geschäftsführung der Bezirksorganistion hat Andreas Hofer inne.

Brigitte Tegischer, Jugendsprecherin des SPÖ-Parlamentsklubs, mit Anna Leokadie Waldeck (1908-2000), Lienzer SPÖ Gemeinde- und Stadträtin

von 1950-1971. Elisabeth Blanik und Selma Yildirim

Page 50: 125 Jahre SPÖ Tirol

50

SPÖ Frauen

„Es kann für die Par-tei nicht gleichgültig sein, in welchem La-ger die Frauen stehen, nicht nur, weil sie im-mer mehr erwerbstä-tig werden und ihre Zahl unter der Arbei-terschaft stetig zu-

nimmt, sondern weil wir überall sehen, dass die politische Rechtlosigkeit der Frauen zu schwinden beginnt und das Frauenwahlrecht zu allen Vertre-tungskörpern immer mehr der Verwirklichung ent-gegengeht. Wir müssen schon aus diesem Grunde der politischen Erziehung der Frauen unsere größ-te Aufmerksamkeit zuwenden, damit sie nicht das reaktionäre Bollwerk werden, an dem der Aufstieg der Arbeiterschaft scheitern kann.“ (Resolution der ersten sozialdemokratischen Frauenkonferenz in Tirol 1912, Volkszeitung, 26.3.1912)

Ab 1893 gab es in Tirol erste Versuche, die prole-tarische Frauenbewegung zu organisieren. Maria Ducia (1875-1959) spielte dabei eine herausragen-de Rolle, indem sie 1910 eine „freie politische Frau-enorganisation“ in Lienz gründete und von 1919-1934 Abgeordnete im Tiroler Landtag war. Der Einsatz für alle Benachteiligten der Gesellschaft prägte ihre Arbeit, besonders lag ihr die Schulpo-litik am Herzen, da sie Bildung als die wichtigste Waffe der neuen Zeit betrachtete. 1934, mit dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei, zog sich Maria Ducia aus der aktiven Politik zurück.

Die Sozialdemokratie verlangte schon früh das Frauenwahlrecht und beging seit 1911 in Öster-reich, Deutschland und anderen Ländern im März den Internationalen Frauentag, um das Recht der Frauen auf politische Mitbestimmung einzu-fordern. Auch am sozialistischen Frauentag 1953 vor dem Landestheater in Innsbruck wurde auf

Sozialistischer Frauentag 1953 vor dem Landestheater in Innsbruck

Page 51: 125 Jahre SPÖ Tirol

50 51

SPÖ Frauen

die Benachteiligung der Frauen im konservativen Tirol der Nachkriegszeit aufmerksam gemacht.

1959 fand in Kufstein ein sogenanntes „Grenz-landtreffen“ mit den bayrischen Sozialdemo-kratinnen statt, das die grenzüberschreitende Zielsetzung der sozialistischen Bewegung mani-festiert. Beteiligt waren die Roten Falken, die die Programmgestaltung übernahmen, und die Tiro-ler sozialistische Frauenlandesorganisation.

Eine politisch engagierte Sozialdemokratin, die sich dem Kampf gegen die Benachteiligung der Frauen und gegen soziale Ungerechtigkeit ver-schrieb, war Adele Obermayr (1894-1972). Von 1929 bis zum Verbot der sozialdemokratischen Partei 1934 gehörte sie dem Tiroler Landtag an. Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde Adele Obermayr von der Gestapo we-gen Widerstandstätigkeit verhaftet und ins KZ Ravensbrück gebracht, wo sie medizinische Ex-perimente erleiden musste, deren Folgen ihre Gesundheit bis zu ihrem Lebensende beeinträch-tigten. Mit knapper Not überlebte sie das KZ und stellte 1945 im provisorischen Tiroler Landtag die einzige Frau. Von 1945 bis 1953 war sie weiter im Tiroler Landtag tätig, von 1953 bis 1961 gehörte sie dem Bundesrat an.

In den 70er Jahren, der Ära Kreisky, kam es zu bahnbrechenden Veränderungen in der Frau-enpolitik und viele Forderungen wurden end-lich umgesetzt, wie zum Beispiel die gesetzliche Gleichstellung von Mann und Frau und die Fris-tenlösung. Auf dem Foto Seite 52 haben die Tiro-ler Sozialdemokratinnen Johanna Dohnal, die Ikone der österreichischen Frauenpolitik und Mi-nisterin des neu geschaffenen Frauenministeri-ums, zu Gast. Rechts neben ihr die Frauenvorsit-zende Tirols Christa Gangl. Aufgenommen Ende der Siebzigerjahre.

Obwohl viele Forderungen der Frauenbewegung seit den 70er Jahren verwirklicht wurden, gilt es auch heute noch viele Ungerechtigkeiten zu be-kämpfen. Christa Gangl, Frauenvorsitzende und von 1999 bis 2005 Landesrätin, forderte in den 80er Jahren eine gerechte Entlohnung – bis heute eine Forderung der SPÖ- und setzte sich auch für viele andere gesellschaftsrelevante Themen ein.

Als engagierte Tiroler Politikerin bleibt auch Wan-da Brunner in Erinnerung. Aus einer überzeug-ten sozialistischen Familie stammend trat sie be-reits 1945 der SPÖ bei. Von 1972 bis 1987 war sie Landesfrauenvorsitzende der SPÖ Tirol, von 1973 bis 1987 stellvertretende Parteivorsitzende. Außer-

„Grenzlandtreffen“ 1959

Page 52: 125 Jahre SPÖ Tirol

52

SPÖ Frauen

dem war sie von 1972 bis 1979 Mitglied des Bun-desrates, von 1979 bis 1986 Abgeordnete zum Nationalrat. Die Familienrechtsreform und die Ab-schaffung des § 144, der eine Abtreibung mit Ge-fängnis bestrafte, betrieb sie mit Überzeugung.Aktiv unter anderem auch in der Frauenpolitik ist

Gisela Wurm, die von 2006 bis 2014 Landesfrau-envorsitzende der SPÖ-Tirol war. Unter dem Mot-to „Stark für die Schwachen! Laut für die Leisen!“ setzt sie sich seit 1996 als Nationalratsabgeordne-te für soziale Gerechtigkeit ein.2014 übernahm Selma Yildirim die Funktion der

Johanna Dohnal

Adele Obermayr

Page 53: 125 Jahre SPÖ Tirol

52 53

SPÖ Frauen

Tiroler Landesfrauenvorsitzenden und hat es sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitsbedingungen für Frauen in Tirol zu verbessern und neue Chancen zu schaffen.

Frauen sind in der SPÖ Tirol überall stark ver-treten: Gabi Schiessling gehört seit 1999 dem Landtag an, sie ist als Frauensprecherin tätig und Vorsitzende der SPÖ Innsbruck.Elisabeth Blanik, Vorsitzende der SPÖ Lienz und Lienzer Bürgermeisterin seit 2011, arbeitet eben-falls im Tiroler Landtag. Wörgler Bürgermeisterin ist seit 2010 Hedwig Wechner.Die Bezirksorganisationen sind oft in weiblicher Hand: Die SPÖ Imst wird von Karoline Graswan-der-Hainz als Vorsitzende und Doris Reheis als Geschäftsführerin geleitet, in Innsbruck ist

Gabi Schiessling Vorsitzende, für den Bezirk Inns-bruck-Land Julia Schmid Geschäftsführerin. Elisa-beth Blanik leitet die Bezirksorganisation in Lienz und in Schwaz sind mit Annelies Brugger (Vor-sitzende) und Victoria Weber (Geschäftsführe-rin) wieder zwei Frauen an der Spitze.

Mit viel Engagement als Landessektetärin arbei-tet gegenwärtig Julia Hitthaler.

Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek, Gisela Wurm und Selma Yildirim

Christa Gangl und Wanda Brunner

Page 54: 125 Jahre SPÖ Tirol

54

Jugend

„Unsere Kinderfreunde-Organisation ist ein sol-ches Fundament, das uns jene frohen, an sich selbst glaubenden Menschen geben wird, die der Sozialis-mus braucht.“ Johann Orszag

Die Jugendarbeit hatte von Anfang an eine zen-trale Bedeutung, einerseits wussten die Gründer der sozialdemokratischen Partei um die Wichtig-keit der Mobilisierung der Jungen, andererseits ging es aber auch darum, Proletarierkindern die Vorteile zukommen zu lassen, die normalerweise nur die Kinder von Begüterten erfuhren.1917 riefen Simon Abram und Johann Orszag die Kinderfreunde-Organisation in Tirol ins Le-ben. Bereits 1908 war in Graz ein „Arbeiterverein Kinderfreunde“ gegründet worden, die Ziele wa-ren hier wie dort Arbeiterkindern Gemeinschaft, Bildung und Spaß zu vermitteln.

Mitten im Ersten Weltkrieg, hatten die Kinder-freunde die wichtige Aufgabe, die durch Lebens-mittelknappheit und Mangel geschwächten Kin-der in den Ferien aufzupäppeln.Eine Villa auf der Hungerburg wurde angekauft und diente als Erholungsstätte für 240 Kinder, die dort vier Wochen im Sommer verbrachten.

1923 wurde das Hotel Seehof auf der Hunger-burg in den Erholungsstättenbetrieb eingeord-net.Zu Beginn und am Ende ihres Aufenthaltes im Kinderfreundeheim am Seehof wurden die Kin-der abgewogen. Nach drei Wochen war meist eine Gewichtszunahme von mindestens 3 Kilo pro Kind festzustellen.

Am 12.5.1912 gründete Johann Orszag die Mär-chenbühne der Tiroler Kinderfreunde. Das Foto stammt ca. aus dem Jahr 1932 und wurde im Wil-tenerheim in der Leopoldstraße aufgenommen.

Page 55: 125 Jahre SPÖ Tirol

54 55

Jugend

Dieses Kinder- und Jugendheim wurde 1920 in Innsbruck für ca. 1000 Kinder errichtet .Mit dem Verbot aller sozialdemokratischen Ver-eine und Einrichtungen 1934 endete das offiziel-le Engagement der Kinderfreunde. 1945 nahmen sie ihre Arbeit wieder auf und wandelten sich in der Zweiten Republik zu Betreibern von Kin-dergärten und Familienzentren mit Betreuung, Lernhilfen und Familienberatung. Die Gründung der „Roten Falken“ ging ebenfalls aus der Kin-derfreunde-Bewegung hervor, als in den 1920er Jahren auch Jugendliche in die sozialistische Be-wegung integriert werden sollten. Vor allem die

12 bis 15-Jährigen, anfangs nur Buben, sollten angesprochen werden. Namengebend für die neue Jungendorganisation war eine Erzählung Maxim Gorkis. Wanderungen und Zeltlager bildeten den Mit-telpunkt der Falken-Tätigkeit, mit der politischen Radikalisierung Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre wurde das Engagement der Falken ausgeprägter, auch ihre Mitgliederzahl stieg an, bis die Organisation 1934 von der austrofaschis-tischen Regierung verboten wurde.

Pfingstlager der „Roten Falken“ am Achensee 1946, Ernesto Tamburini (ETAB-Direktor) spendete die Nudeln.

Aufführung der Märchenbühne

Propagandafahrt der Innsbrucker „Roten Falken“ nach Landeck in den 1950er Jahren.

Page 56: 125 Jahre SPÖ Tirol

56

1945 kam es zur Neugründung der „Roten Falken“, besonderes Augenmerk wurde auf die Erziehung junger Menschen zu Demokratie und Eigenver-antwortung gelegt. Die Stärkung des Gemein-schaftsgefühls in Zeltlagern und auf Wanderun-gen blieb ein wichtiges Anliegen. Seit 1980 setzen sich die „Roten Falken“ vermehrt für Umweltschutz, Frieden und Gerechtigkeit in der Dritten Welt ein. In Tirol gingen die „Roten Falken“ in der Kinderfreunde-Organisation auf.

Eine enge Bindung an die SPÖ, aber organisato-rische und politische Eigenständigkeit, weist die Sozialistische Jugend Österreich (SJÖ) auf, wäh-rend das Parteireferat der „Jungen Generation“ (JG) der SPÖ angehört. 1902 schlossen sich die Ar-beiterjugendvereine zum landesweiten „Verband jugendlicher Arbeiter Österreichs“ zusammen, seit 1912 waren auch Mädchen und Frauen zugelas-sen. In „Sozialistische Arbeiterjugend“ (SAJ) be-nannte sich der Jugendverband nach dem Ersten Weltkrieg um. Einen Höhepunkt der SAJ-Tätig-keit stellte die Organisation des Arbeiterjugend-treffens 1929 in Wien dar, das eine Rekordteilneh-merzahl von 50.000 verbuchen konnte.

Mitglieder der SAJ Wörgl, Kirchbichl und Hötting fuhren 1931 mit einem selbst gebauten, seetüch-tigen Boot von Wörgl über den Inn und die Donau zur Arbeiterolympiade nach Wien. Die Arbeiterju-gend bewies immer politische Eigenständigkeit, so in der Frage des Eintrittes in den Ersten Welt-krieg, den sie im Gegensatz zur Sozialdemokrati-schen Partei entschieden ablehnte.

Rote Falken vor dem Kinderheim in der Leopoldstraße 1929.

Kinder singen rote Lieder, 1. Mai 1950 im Wiltenerheim

Jugend

Page 57: 125 Jahre SPÖ Tirol

56 57

1934 wurde die SAJ verboten und 1945 als „Sozia-listische Jugend Österreich“ (SJÖ) neu gegründet. Vor allem in der Ära Kreisky wurden Forderungen der SJ, wie beispielsweise Zivildienst als Alterna-tive zum Militärdienst und 40-Stunden-Woche für Jugendliche, erfüllt.

1991 sprach sich die SJ gegen die Umbenennung der SPÖ von „sozialistisch“ in „sozialdemokratisch“ aus und blieb bei der Bezeichnung „Sozialisti-sche Jugend Österreich“, da das Bekenntnis zum

Marxismus und damit die Überwindung des Ka-pitalismus in der SJ zu den Grundsätzen zählt. Die Landesorganisationen der „Sozialistischen Ju-gend Österreich“ sind teilweise nicht unter dem Namen SJÖ tätig, so galt in Tirol die Bezeichnung „Jusos“ (Junge SozialistInnen)- eine Zusammen-legung von SJ und JG, bis auf der Landeskonfe-renz 2013 die Rückbenennung in SJ beschlossen wurde.

Junge SozialistInnen am Reformparteitag der Tiroler SPÖ im Juni 2014

Sozialistische Jugend in den 1970er JahrenMitglieder der SAJ fuhren 1931 aud dem Weg zur Arbeiterolympiade nach Wien.

Jugend

Page 58: 125 Jahre SPÖ Tirol

58

Der Erste Mai

Der 1. Mai ist für die Sozialdemokratie von ent-scheidender Bedeutung, ist er doch mit ihrem Aufstieg untrennbar verknüpft.Nach der sogenannten Haymarket-Versamm-lung am 1. Mai 1886 in Chicago kam es zu mehr-tägigen Streiks und Demonstrationen, die von der Polizei gewaltsam beendet wurden, dabei gab es Tote und Verletzte. Zum Gedenken an diese blutigen Ausschreitungen wurde auf dem

Gründungskongress der Zweiten Internationa-len 1889 der 1. Mai zum Kampftag der Arbeiter-klasse erklärt.

1890 kam es erstmals in ganz Europa zu Massen-demonstrationen. Hauptforderung der Arbeite-rInnen war der Acht-Stunden-Tag, aber auch das allgemeine Wahlrecht und Sozialgesetze wur-den verlangt. Am 1. Mai 1890 gab es im Wiener

Sozialdemokratische Maikundgebung am Vorplatz des Innsbrucker Stadttheaters (heute Landestheater) kurz nach dem Ersten Weltkrieg.

Maifeier in Lienz, 1950er JahreDr. Karl Kunst bei einer Maifeier in den 1950er Jahren vor dem heutigen Landestheater in Innsbruck.

Page 59: 125 Jahre SPÖ Tirol

58 59

Der Erste Mai

Prater eine noch nie gekannte Massenkundge-bung mit über 100.000 TeilnehmerInnen. Auch in Tirol leistete die Arbeiterbewegung dem Auf-ruf zu gleichzeitigen internationalen Massen-protesten Folge und es kam zu großen Kundge-bungen in Innsbruck, Bozen und Meran.

Die erste Innsbrucker Maifeier 1890 wurde von Hermann Flöckinger organisiert und fand im

Adambräu statt, wo sich zwischen 1200 und 1500 TeilnehmerInnen versammelten, ihre For-derungen diskutierten und beschlossen. Nach-mittags feierten die ArbeiterInnen fröhlich mit Tanz und Musik, wie es auch heute noch üblich ist.Später wurden die Feierlichkeiten zum 1.Mai un-ter anderem mit geschmückten Straßenbahn-wagen begangen, auf dem Foto oben rechts am

SPÖ Maiaufmarsch 1953 in Innsbruck Pradl

Page 60: 125 Jahre SPÖ Tirol

60

1. Mai 1919, oben links 1930. Traditionellerweise fuhr das erste Fahrzeug einer Linie mit Girlanden und Blumen verziert voraus.

In den Jahren der Diktatur von 1934 bis 1945 kam es zum Missbrauch des Arbeiterfeiertages durch die jeweiligen Machthaber. Bundeskanz-ler Dollfuß ließ am 1. Mai die ständestaatliche Verfassung feiern, im Nationalsozialismus wurde der 1.Mai zum „Tag der deutschen Arbeit“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt der Arbei-terfeiertag wieder seine rechtmäßige Bedeu-tung als Staatsfeiertag zurück. Seither formulie-ren SozialdemokratInnen an diesem Tag wieder gesellschafts- und sozialpolitische Forderungen.

Die Arbeiterbewegung erreichte, dass der 1.Mai schon am Beginn des 20.Jhs. ein allgemeiner Feiertag wurde, der bis zum heutigen Tag von der SPÖ mit Volksfesten begangen wird.

Der Erste Mai

Maifeier Lienz 2014

Page 61: 125 Jahre SPÖ Tirol

60 61

„Die Partei hat in Österreich für die Gewerkschaft so viel getan wie in keinem andern Lande. Sie hat auch von den Gewerkschaften so viel empfangen, wie in keinem andern Lande. Partei und Gewerk-schaft sind bei uns siamesische Zwillinge (…) Die-sen Satz möchte ich testamentarisch festlegen.“ (Victor Adler)

Die Kämpfe der So-zialdemokratie um bessere Arbeitsbe-dingungen gingen Hand in Hand mit dem Kampf um die Gründung von Ge-werkschaften. Die Gesetzgebung der

Donaumonarchie ließ erst ab 1867 die Schaf-fung von Arbeiterbildungsvereinen zu. Diese

waren die Keimzellen der sozialdemokratischen Idee. Die lange Arbeitszeit, die Hungerlöhne und die harten Arbeitsbedingungen machten Vertretungen für die Interessen der ArbeiterIn-nen nötig, die Gründung von Gewerkschaften blieb allerdings bis 1870 verboten. Deshalb üb-ten die Arbeiterbildungsvereine oft heimlich ge-werkschaftliche Tätigkeiten aus. Bis 1890 gab es in Tirol fünf dieser Vereine in Innsbruck, Wörgl, Hall, Bozen und Meran, ab 1893 erhöhte sich ihre Anzahl weiter.Auf der 1. Gewerkschaftskonferenz von Tirol und Vorarlberg 1895 wurde eine Straffung der Ge-werkschaftsorganisation beschlossen, um die Konkurrenz mit den Arbeiterbildungsvereinen und die gewerkschaftliche Zersplitterung zu überwinden.Mit dieser Entwicklung eng verbunden ist der Innsbrucker Hermann Flöckinger (1861-1930),

Der Erste Mai Die Gewerkschaft

Die FSG Tirol im AK-Wahlkampf 1979.

Page 62: 125 Jahre SPÖ Tirol

62

Tiroler ÖGB-Vorsitzender Otto Leist, Bundeskanzler Werner Faymann, Nationalratsabgeordnete Gisela Wurm

der die Bildung eines eigenständigen gewerk-schaftlichen Landesverbands anstrebte und durchsetzte. Seit 1899 war er Landesvertrau-ensmann und maßgeblich am Konzentrations-prozess beteiligt. Als Organisator von Massen-kundgebungen und Streiks und als Vertreter der verschiedenen Berufsgruppen bei Lohn- und Ta-rifverhandlungen zeigte er seinen unermüdli-chen Einsatz für die Ziele der Sozialdemokratie. Ab 1934, in den Jahren der Diktatur, war es den

sozialistischen Gewerkschaften unmöglich, ihre Ziele weiter zu verfolgen.1945 wurde der ÖGB (Österreichische Gewerkschaftsbund) gegrün-det, der überparteilich die Interessen der Arbeit-nehmerInnen vertritt. Die ehemaligen „Freien Gewerkschafter“ der Zwischenkriegszeit sam-melten sich in der Fraktion Sozialdemokrati-scher GewerkschafterInnen. Diese hat eine enge Bindung an die SPÖ.

Die Gewerkschaft

Page 63: 125 Jahre SPÖ Tirol

62 63

Die Arbeiterbewegung verstand sich nicht nur als politische Kraft, sondern auch als Kulturbe-wegung. Sie erhob den Anspruch, einen „neuen Menschen“ zu erziehen, der eine „sozialistische Le-benshaltung“ einnehmen sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, entstand eine Vielzahl von sozialde-mokratischen Kulturvereinen, die durch ihr brei-tes Spektrum die Freizeitinteressen der Arbeiter-schaft abdeckten. Ab dem späten 19.Jh. spielten

Arbeitersportvereine eine wichtige Rolle. Körperliche Ertüchtigung wurde als sinnvolle Freizeitbeschäftigung erachtet, in Vereinskämp-fen, Turnieren oder zu speziellen Anlässen wie zum Beispiel bei Maifeiern zeigten die AthletIn-nen ihr Können. 1931 fand in Wien die Arbei-terolympiade statt, an der auch zahlreiche Tiro-lerInnen teilnahmen.

Die Gewerkschaft Der neue Mensch – Sport

Schauturnen am Tivoli 1926

Turnerinnen am 1. Mai 1953 ATV am 1.Mai 1953 beim Wiltener Kinderfreundeheim, in der dritten Reihe als Erste Rosi Hirschegger

Vereinskämpfe des Arbeiterturnvereins (ATV) am Tivoli am 20.5.1928. Als Erste läuft Helli Lerchbaumer

durchs Ziel.

Page 64: 125 Jahre SPÖ Tirol

64

Der neue Mensch – Natur

Aus einer 1895 gegründeten Arbeiterkulturor-ganisation gingen schließlich die Naturfreun-de hervor.

Ähnlich wie bei anderen Sportvereinen ging es den Naturfreunden darum, körperliche Betäti-

gung zu fördern und Sport auch für die Arbeiter-schaft leistbar zu machen.Bis heute grüßen die Naturfreunde mit „Berg frei“, um zum Ausdruck zu bringen, dass alle Menschen das Recht auf Erholung in der Natur und auf den freien Zugang zu den Bergen ha-ben. Ihr Motto lautet: Wir leben Natur - Natur-freunde genießen die Natur in netter Gesell-schaft von Gleichgesinnten und schützen sie!

Das Foto links zeigt die SchauspielerInnen der Innsbrucker Märchenbühne bei einem Ausflug auf das Padasterjoch 1926. Das Padasterjoch-haus (im Hintergrund sichtbar) liegt auf 2232m Höhe in den Stubaier Alpen und ist das älteste Naturfreundehaus in Österreich. Es wurde 1907 von der Wiener Sektion der Naturfreunde erbaut und erfreut sich bis heute größter Beliebtheit.1934 wurde der Touristenverein Naturfreunde verboten und erst 1945 wieder gegründet.

Padasterjoch Ausflug 1926

Das alte Naturfreundehaus im Voldertal, August 1933

Im Juni 1983 wanderten bergbegeisterte SozialdemokratInnen von der Hungerburg

auf die Innsbrucker Nordkette, um Bergfeuer zu entzünden.

Page 65: 125 Jahre SPÖ Tirol

64 65

Der neue Mensch – KulturDer neue Mensch – Natur

„Wissen ist Macht, Bildung macht frei“ – unter die-sem Motto wurden von der Arbeiterbewegung zahlreiche Volksbildungsheime gegründet, um der arbeitenden Bevölkerung Bildung zu vermit-teln und zur „kulturellen Hebung des Volkes“ bei-zutragen. Diese Erziehungsarbeit war ein weite-res Mittel, um dem Ideal des „neuen Menschen“ näher zu kommen.Bildung und Unterhaltung wollte auch die Volks-und Märchenbühne Innsbruck vermitteln, die am 12. Mai 1912 von Kinderfreundeobmann Johann Orszag im Arbeiterheim in der Mentl-gasse ins Leben gerufen wurde. Ab 1920 stand der beliebten Märchenbühne im Jugendheim in der Leopoldstraße mehr Platz zur Verfügung und es wurden zahlreiche „erzieherisch wertvolle“ Stü-cke aufgeführt, durchaus nicht nur für Kinder, sondern es gab auch Lehrreiches von Raimund und Nestroy für Erwachsene. Bis in die 1970er Jah-re blieb der Anspruch der Märchenbühne beste-hen, mit AmateurInnen Märchen und niveauvolle, unterhaltsame Stücke zu spielen.

Der Tiroler Schauspieler, Sänger und Schriftstel-ler Dietmar Schönherr (1926-2014) setzte sich in den 1970er Jahren für die SPÖ ein. Im Wahlkampf

1970 vor den Nationalratswahlen unterstützte er Bruno Kreisky.

In den 1980er Jahren verstärkte Dietmar Schön-herr seine sozialen Ambitionen und engagierte sich in der Friedensbewegung, außerdem kriti-sierte er die amerikanische Politik in Südamerika scharf und arbeitete seit 1985 an Solidaritätspro-jekten in Nicaragua.

Am 15.10.1989 organisierte die SPÖ Tirol ein Nica-raguafest, um Schönherrs Arbeit zu unterstützen.

Johann Orszag (5. von links) als Regisseur inmitten seiner Schauspieler

Dietmar Schönherr im Wahlkampf, links hinter ihm Bruno Kreisky.

Peter Moser, Hans Tanzer, Dietmar Schönherr

Page 66: 125 Jahre SPÖ Tirol

66

1934

1934 war ein Schicksalsjahr für die Sozialde-mokratie Österreichs, wurde doch die Sozial-demokratische Partei mitsamt ihren Organisa-tionen vom christlich-sozialen Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß verboten. Somit waren die Parteiarbeit, die Arbeit der sozialistischen Presse, der Kinderfreunde, selbst die der Mär-chenbühne und der Naturfreunde eingestellt und ein weiteres Engagement konnte nur mehr im Verborgenen ausgeübt werden.

Die Tiroler Alarmabteilung des Republikani-schen Schutzbundes, ALAB, mit dem Beinamen „Mateotti“, benannt nach dem von Mussolini er-mordeten sozialdemokratischen, italienischen Parlamentsabgeordneten, war der bewaff-nete Versammlungs- und Saalschutz der So-zialdemokratie. Das Foto oben wurde 1932 aufgenommen. 1924 wurde der Tiroler Repu-blikanische Schutzbund gegründet und vom Lehrer Gustav Kuprian bis zur Auflösung 1933 geführt.

Bereits im März 1933, nach der Ausschaltung des österreichischen Parlamentes, ging die Re-gierung daran, einen autoritären Staat zu er-richten, in dem die Sozialdemokratie keine Rol-le mehr spielen sollte. Der Republikanische Schutzbund, der bewaff-nete Arm der sozialdemokratischen Partei, wur-de am 16. März 1933 aufgelöst und verboten. In Tirol diente als Vorwand ein Konzept des Tiro-ler RESCH- Kommandanten Gustav Kuprian, das

die Exekutive bei einer Hausdurchsuchung am 15.3. bei ihm sichergestellt hatte.

Von 12. bis 15. Februar 1934 kam es zum Wider-stand des verbotenen Schutzbundes gegen die Regierung, der auch in Tirol sein Echo fand. Nach-dem die Tiroler Funktionäre der Sozialdemokra-tischen Partei von den Erhebungen in Wien und Linz erfahren hatten, wurden sie noch am sel-ben Tag verhaftet. Trotzdem unterstützten Ar-beiter in Wörgl, Häring und Kirchbichl die Kämp-

Page 67: 125 Jahre SPÖ Tirol

66 67

1934

fenden in Ostösterreich und verkündeten nach einem Aufruf der Wiener Zentrale den General-streik am 13. Februar. Gendarmerie, Bundesheer und Heimatwehr gingen gegen die Streikenden vor, die ungleiche bewaffnete Auseinanderset-zung war bereits am Nachmittag des 13. Februar zu Ende, der Kampf gegen die Diktatur geschei-tert.

Nach den Kämpfen kam es in Tirol zu 77 Ankla-gen gegen Mitglieder der Unterinntaler Arbei-terschaft um Kirchbichl und Wörgl. 12 Führer des Unterländer Schutzbundes wurden am 20.4.1934 zu empfindlichen Gefängnisstrafen verurteilt. Das Standrecht, das von Dollfuß verhängt wor-

den war und in Ostösterreich zu Todesurteilen führte, wurde in Tirol nicht angewendet, um kei-ne Märtyrer zu schaffen.

Nach den Februarkämpfen wurde die Sozialde-mokratische Partei mit allen ihr nahestehenden Organisationen verboten.Die SPÖ Tirol wurde erst am 4. Mai 1945 neu ge-gründet, viele Parteifunktionäre der Ersten Re-publik, die 1934 inhaftiert wurden, wie beispiels-weise Franz Hüttenberger, Johann Astl, Alois Heinz, Dr. Karl Kunst, Adele Obermayr und Wil-helm Öhm finden sich wieder im ersten Partei-vorstand.

Vorder- und Rückseite des Konzeptes.

Page 68: 125 Jahre SPÖ Tirol

68

In der Zweiten Republik gibt es keine paramili-tärischen Parteiverbände mehr. Die Originalfah-ne überstand die Zeit der Diktaturen und befin-det sich im Besitz der SPÖ Tirol.

Viele, vor allem junge SozialistInnen wollten sich nicht mit dem Verbot ihrer Partei abfinden und schlossen sich auch in Tirol zu den „Revolutionä-ren Sozialisten“ zusammen und bildeten zusam-men mit den illegalen Tiroler Kommunisten eine Einheitsfront im Widerstand gegen die Stände-diktatur.

Die Möglichkeiten für SozialistInnen, sich nach dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei 1934 mit Gleichgesinnten zu treffen, waren äu-ßerst begrenzt, trotzdem fanden einige Ge-nossInnen ein Schlupfloch, wie die GÖC, die Großeinkaufsgesellschaft österreichischer Kon-

sumvereine. Diese unterlagen nicht dem Verbot und dienten als Tarnvereine, um weiterhin Kon-takte aufrechterhalten zu können, was den Be-hörden nicht verborgen blieb. Dies ist einem Auszug aus einem Bericht des Polizeikommis-sariats Innsbruck vom 20.9.1935 zu entnehmen: „Ein besonderes Augenmerk wird von hieramts der beim GÖC-Klub errichteten Jugendwandergruppe zugewendet.“

1934

Page 69: 125 Jahre SPÖ Tirol

68 69

Alljährlich gedenkt die SPÖ bis heute der Ge-schehnisse im Februar 1934 mit verschiedenen Veranstaltungen. Auf dem Foto hält Dr. Herbert Salcher 1984 eine Ansprache in Wörgl, wo am

Bahnhofsplatz ein antifaschistisches Denkmal an die Niederschlagung der Kämpfe von 1934 erinnert.

1934

Das Dokument zeigt den letzten Parteivorstand vor dem Verbot der Partei. Datiert mit 25.4.1933.

Flugblatt der illegalen „Revolutionären Sozialisten“ in Tirol, Mai 1935, nach einem Jahr Ständediktatur.

Herbert Salcher

Page 70: 125 Jahre SPÖ Tirol

70

Widerstand und Anpassung

Mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus ab 1930 konzentrierte sich die Sozialdemokratische Partei in erster Linie auf die Bekämpfung der Nazis, die vor allem die Tiroler ArbeiterInnenschaft gewin-nen wollten. Die Polarisierung der politischen La-

ger in der Ersten Republik militarisierte auch die Parteien, der Aufstieg von Faschismus und Nati-onalsozialismus wirkte radikalisierend. Am 27.5. 1932 kam es zur sogenannten „Höttinger Saal-schlacht“ zwischen SozialdemokratInnen / Kom-

Aufruf des RESCH zur „Höttinger Saalschlacht“.

Illegale kommunistische Druckerei bei der Herstellung von Streuzetteln

Ein Streuzettel nach dem Verbot der Sozialdemokratie 1934. Der Kampf der „Revolutionären Sozialisten“ (RS)

im Bündnis mit den Kommunisten galt sowohl dem „schwarzen“ als auch dem „braunen“ Faschismus.

Page 71: 125 Jahre SPÖ Tirol

70 71

Widerstand und Anpassung

munisten und Nazis im Gasthof „Zum Goldenen Bären“. Die Bilanz: 38 Schwerverletzte und ein to-ter Nationalsozialist.

Die sozialdemokratische „Volkszeitung“ wurde von Dollfuß 1934 unter staatliche Kontrolle ge-stellt und publizierte im Sinne des Ständestaa-tes, nach dem „Anschluss“ hieß sie „Deutsche Volkszeitung“ nach dem Willen der nationalsozi-alistischen Machthaber. Um unzensiert die Meinung der ArbeiterInnen-schaft zu veröffentlichen, betrieben die RS und die KommunistInnen heimlich Druckereien. Nach dem Verbot der Sozialdemokratie in Ös-terreich 1934 organisierte sich die Partei illegal und wurde aus dem tschechischen Exil geführt. Besonders junge SozialistInnen aus der ehe-maligen SAJ schlossen sich den „Revolutionä-ren Sozialisten“ an. Die RS bildete zeitweilig eine Aktionsfront gemeinsam mit dem kommunisti-schen Widerstand. Einige Tiroler SozialistInnen entschlossen sich später, aktiv gegen den Fa-schismus in Österreich und in Europa zu kämp-fen. Hubert Mayr, Mitglied der SAJ und des RESCH, kämpfte bei den Interbrigaden in Spa-nien, später dann in den britischen Streitkräf-ten im Zweiten Weltkrieg. Er kam in den Ost-tiroler Bergen bei einem verdeckten Einsatz gegen Kriegsende ums Leben.

Im ersten Landesparteivorstand der SPÖ Tirol nach dem Krieg findet sich Adele Obermayr sen., die aktiv im Widerstand gegen das Nazi-regime war. Sie gehörte der sozialistischen Wi-derstandsgruppe um Waldemar Knoeringen an, der aus Süddeutschland bis nach Tirol wirk-te. 1941 wurde diese Gruppe von der Gestapo

verhaftet und die beiden wichtigsten Perso-nen, das sozialistische Ehepaar Josefine und Alois Brunner aus Wörgl vom Volksgerichts-hof zum Tode verurteilt und 1943 hingerich-tet. Alois Brunner war einer der 12 Verurteilten des Wörgler Schutzbundes nach dem Februar 1934. Im Zuge der weitreichenden Verhaftun-gen wurde auch Adele Obermayr aus Innsbruck inhaftiert und schließlich ins Frauenkonzentra-tionslager Ravensbrück gebracht, wo sie medi-zinische Experimente erleiden musste, deren Folgen ihre Gesundheit bis zu ihrem Lebensen-de beeinträchtigten. 1945 wurde sie von den Alliierten befreit. Obermayr wurde 1894 geboren, war seit 1916 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, Ge-meinderätin in Mühlau und eine der beiden Frauen der Partei im Tiroler Landtag bis 1934. Danach arbeitete sie illegal im Geiste des Sozi-alismus bis zu ihrer Verhaftung. Nach 1945 ge-hörte sie wiederum bis 1953 dem Tiroler Land-tag an, anschließend dem Bundesrat bis zur

Hubert Mayr in der britischen Uniform, eingesetzt als Fallschirmagent zur Befreiung Österreichs vom

Nationalsozialismus.

Page 72: 125 Jahre SPÖ Tirol

72

Widerstand und Anpassung

Beendigung ihrer politischen Karriere 1961. Sie verstarb im Mai 1972.

Einige SozialdemokratInnen näherten sich nach dem Verbot ihrer Partei 1934 den Natio-nalsozialisten an, mit denen sie die Abneigung gegen den Ständestaat und die Ablehnung des klerikalen Einflusses teilten. Die meisten Jungs-ozialistInnen, die Mitglied der NSDAP gewesen waren, wurden nach dem Krieg als „minderbe-lastet“ entnazifiziert und konnten erst in den 1950er Jahren wieder für die Sozialdemokratie tätig werden.

Im Rahmen des Waldheimwahlkampfes 1986 wurde erstmals nach 1945 die Frage danach gestellt, welche Rolle führende Politiker der Nachkriegszeit in der Zeit des Nationalsozialis-mus eingenommen hatten. In abgeschwächter Form wurde diese Debatte auch in Tirol zwan-zig Jahre später geführt.

Nachdem die NSDAP-Mitgliedschaft des verstor-benen, legendären Landeshauptmanns Eduard Wallnöfer 2005 bekannt geworden war, und der damalige SPÖ-Parteivorsitzende Dr. Alfred Gusenbauer die „braunen Flecken“ in der SPÖ der Nachkriegsära untersuchen ließ, entbrann-te eine Diskussion in den Tiroler Medien.

Dabei wurde die Rolle des SPÖ Langzeit-Vize-bürgermeisters Ferdinand Obenfeldner un-

Adele Obermayr mit Bundespräsident Theodor Körner, im Hintergrund mit Brille Dr. Karl Kunst, in den 1950er Jahren.

Landeshauptmann Wallnöfer bei einer Landtagssitzung in den 1980er Jahren.

Page 73: 125 Jahre SPÖ Tirol

72 73

Widerstand und Anpassung

ter die Lupe genommen. Obenfeldner, 1917 in eine sozialistische Familie hineingeboren, wur-de die Mitgliedschaft in der NSDAP und SS vor-geworfen, außerdem trat er 1938 als Angestell-ter in die GESTAPO Innsbruck ein, bis er 1940 freiwillig zur Wehrmacht einrückte. Nach dem Krieg machte er in der SPÖ Tirol Karriere und

brachte es zum Vizebürgermeister der Landes-hauptstadt und Chef der Tiroler Gebietskran-kenkasse. Obenfeldner, er verstarb 2009, soll auf Anraten einer Gruppe Sozialistischer Revo-lutionäre zur Gestapo gegangen sein, was aus Sicht von HistorikerInnen sehr umstritten ist.

Ferdinand Obenfeldner als beliebter „Vize“ in Innsbruck, hier in den 1980er Jahren als Werber für mehr Radwege.

Ferdinand Obenfeldner als Jungfunktionär 1946 beim Maiaufmarsch in der Mitte, rechts neben dem Mädchen marschierend.

Page 74: 125 Jahre SPÖ Tirol

74

Der Mensch im Mittelpunkt

Werner Faymann: „Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt.“ (September 2008)Wie ein roter Faden zieht sich die Idee, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, durch die Geschichte der Sozialdemokratie.Verbesserungen für ArbeitnehmerInnen, Ein-satz für Schwache, soziales Engagement und Bekämpfung von Rassismus und Ausgrenzung

prägen das Wirken der SP damals wie heute.

Eugen Freund (SPÖ-EU-Spitzenkandidat): „Wir wollen ein Europa, in dem der Mensch im Mittel-punkt steht!“ (April 2014)

„Der Mensch im Mittelpunkt“ war nicht zufällig der Titel des 1996 postum herausgegebenen

Betriebsbesuch Herbert Salchers bei „Jenny und Schindler“ 1979 in Begleitung von Hermann Agerer.

Beim Grenzlandtreffen 1959 zeigten junge SozialdemokratInnen ihre europäische Gesinnung.

NRin Gisela Wurm im Gespräch mit Lehrlingen, der Kontakt zu ArbeitnehmerInnen hat Priorität.

Page 75: 125 Jahre SPÖ Tirol

74 75

Der Mensch im Mittelpunkt

dritten Teils der Memoiren Bruno Kreiskys.Die Sozialdemokratie Österreichs brachte mit Bundeskanzler Bruno Kreisky einen der wich-tigsten Politiker der Zweiten Republik hervor. Während seiner Ära wurde Österreich moder-ner. Seine Politik sorgte in Tirol für Sensations-erfolge, gleichzeitig mit einer innovativen Tiro-ler SPÖ-Führung unter Herbert Salcher. Mit ihrem Landwirtschaftsminister Günter Hai-

den gelang es der Sozialdemokratie in die bäu-erlichen Kreise Tirols zu wirken und Anklang zu finden. Die Modernisierung der Landwirtschaft war nach 10 Jahren Kreisky-Regierung gelun-gen. Die SPÖ Tirol setzte und setzt sich für die Menschen in unserem Bundesland Tirol ein, gute Kontakte zur SPÖ Bundesregierung waren dabei in den vergangenen Jahrzehnten von Vorteil.

Page 76: 125 Jahre SPÖ Tirol

76

Der Mensch im Mittelpunkt

BK Werner Faymann, BM Rudolf Hundstorfer, NRin Gisela Wurm beim Werksbesuch in den Haller Röhrenwerken

Kreiskys Nachfolger als Bundeskanzler, Fred Sinowatz, mit Ernst Fili u. dem jungen Gerhard Reheis (2.v. re.) im

Gasthof „Post“ in Imst in den 1980er Jahren.

Herbert Prock, Victor Klima, Erwin Niederwieser

Walter Guggenberger und Franz Vranitzky in den 1980er Jahren. Die gute Zusammenarbeit des Landecker NR mit

dem Bundeskanzler brachte viel Positives für Tirol.

Page 77: 125 Jahre SPÖ Tirol

76 77

Landesfrauenvorsitzende Selma Yildirim und SPÖ-Geschäftsführer LA Georg Dornauer über Ingo Mayr zu seinem 50sten Geburtstag: „Verbindend und verbindlich, ein Mensch mit Handschlagqualität, Durchsetzungskraft und dem

Herz am richtigen Fleck. Für dich stehen die Men-schen im Mittelpunkt, das spürt man. Danke, lie-ber Ingo für deinen Einsatz und alles Gute für das neue Lebensjahr wünschen wir dir im Namen der SPÖ Tirol!“ (Juni 2015)

Der Mensch im Mittelpunkt

Landtagswahlteam 1999, im Landtag vertreten waren: G. Schiessling (vordere Reihe, 2.v.links), E. Pechlaner (rechts dahinter), C. Gangl (neben Schiessling), G. Mimm (dahinter), H. Prock (Mitte), K. Gasteiger (neben Prock),

A. Leiter (2. V. rechts), H. Gschwentner (rechts).

Page 78: 125 Jahre SPÖ Tirol

78

Zukunft

Die Sozialdemokratie verstand sich stets als eine politische Bewegung, die Impulse zur positiven

Weiterentwicklung der Gesellschaft setzte. Sie war und ist zukunftsorientiert.

Den Schwung der 1970er Jahre für Tirol nutzen, war die Devise der darauffolgenden Jahrzehnte.

Denken an die wirtschaftliche Zukunft Österreichs und Tirols in den 1980er Jahren bei der Wirtschaftskonferenz der Sozialdemokratie, dabei Herbert Salcher inmitten prominenter Wirtschafter, links Alexander Van der Bellen,

rechts Ferdinand Lacina, Zweiter von rechts der Innsbrucker Wirtschaftsprofessor Clemens August Andreae.

Page 79: 125 Jahre SPÖ Tirol

78 79

Zukunft

Auf dem Foto die Künstlerin Ursula Beiler mit BK Werner Faymann vor ihrem Kunstwerk „Grüß Göttin“, das manche Gemüter erhitzt. Die SPÖ Frauen und viele andere sehen in Beilers Objekt einen originellen Beitrag für die

Wahrnehmung des weiblichen Teils der Tiroler Geschichte, Zukunft und Gesellschaft.

Page 80: 125 Jahre SPÖ Tirol

80

„Wenn eine sozialistische Bewegung keine Visionen hat, dann sind alle ihre Anstrengungen ein sinn- und zielloses Taktieren.“

Bruno Kreisky

Wer die großen politischen Ansprüche, zum Beispiel auf Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit aufgegeben hat,

guckt eben nur noch auf den eigenen Teller und hofft dann, durch fanatisches Bravsein die Welt zu retten.

Robert Pfaller, österreichischer Philosoph, 2014

Die Sozialdemokratie leidet an einem gesellschaftlichen Wandel, den sie nicht in allen seinen Facetten erkannt hat.

Sie leidet auch daran, dass aus ehemaligen Volksparteien so etwas wie Interessensvertretungen gewor-den sind. Sie leidet auch daran, dass das, was die Arbeiterbewegung von allem Anfang an vor anderen

Parteien ausgezeichnet hat, nämlich nicht nur eine Partei zu sein, welche die Interessen der arbeitenden Menschen vertritt, sondern zugleich eine Partei zu sein, die ein Lebensmilieu mit vielerlei Angeboten und

Vernetzungsmöglichkeiten schafft, verloren gegangen ist.

Konrad Paul Liessmann, österreichischer Philosoph, in „Die Zeit“ 2014

Das größte Problem der Sozialdemokratie nicht nur in Tirol ist, dass wir stets gute Programme gehabt, aber nie vor Ort danach gelebt haben. Wir haben viele ausgezeichnete Mitglieder, aber wir müssen

unsere Werte vorleben.

Ingo Mayr im TT-Interview vom 25.7.2015

Zukunft

Page 81: 125 Jahre SPÖ Tirol

80 81

Organisatorische Koordinierung der Ausstellung: Renner-Institut Tirol

Kuratoren: Rainer Hofmann Astrid Schuchter

Mitarbeit: Benedikt Lentsch Philip Pollak Umsetzung: morgenrot.at

Bedanken möchten wir uns bei: SPÖ Tirol, besonders den Landesgeschäftsführern Georg Dornauer sen. und Harald Mimm

Martin Ortner, dem Leiter des Rennerinstituts Tirol

Rosi Hirschegger für die hervorragenden Bilddokumente

Allen, die uns Bilder zur Verfügung stellten

Zukunft Ausstellungsplanung

Page 82: 125 Jahre SPÖ Tirol

www.tiroler.at

TIROLERischguat!

Seit über 190 Jahrenein verlässlicher Partnerfür alle Tirolerinnen und Tiroler.

Page 83: 125 Jahre SPÖ Tirol

www.tiroler.at

TIROLERischguat!

Seit über 190 Jahrenein verlässlicher Partnerfür alle Tirolerinnen und Tiroler.

Page 84: 125 Jahre SPÖ Tirol

ISBN 978-3-9502541-3-6