14 aware hs13

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  • 7/22/2019 14 Aware HS13

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    Magazin fr Psychologie / HS13

    aware

    Im Auge des Betrachters

  • 7/22/2019 14 Aware HS13

    2/25

    Master of Science in Angewandter

    Psychologie FHNW

    Psychologie studieren mit Praxisbezug

    Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie

    Vertiefungen:

    - Arbeits & Organisationspsychologie

    - Betriebliches Gesundheitsmanagement

    - Human Factors

    - Personalpsychologie

    - Medienpsychologie - Neue Medien

    Profl des Master-Studiengangs in Angewandter Psychologie

    Das Studium bietet zentrale Themen der Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie an, wie

    Analyse, Bewertung und Gestaltung von Arbeitsprozessen, Personal- und Organisationsentwicklung

    und Fhrung von Mitarbeitenden und Teams.

    Besuchen Sie unsere Informationsabende

    jeweils 17.15 Uhr - 18.30 Uhr

    Dienstag, 17. September 2013

    Mittwoch, 23. Oktober 2013

    Donnerstag, 21. November 2013

    Mittwoch, 11. Dezember 2013

    nchster Studienstart: 15. September 2014

    Hochschule fr Angewandte Psychologie FHNW

    Studienort: Von Roll-Strasse 10, 4600 Olten (in direkter Nhe vom Bahnhof Olten)

    Information und Anmeldung unter: www.fhnw.ch/aps/master

    HS1EDITORIAL/IMPRESSUM

    Gnner

    ImpressumHerausgeber: Psychologiestudierende der Universitt Zrich, Verein aware | Chefredaktion: Fabienne Meier (UZH), Katharina Szybalski (UZH), Josefine BisLektorat: Aline Biesuz (UZH), Laura Bechtiger (UZH), Josefine Biskup (UZH), Vivian Frick (UZH), Antonia Kreibich (UZH), Maya Mathias (UZH), Fabienne M

    Patricia Meier (UZH), Lea Mozzini (UZH), Mareike Haase, Sarah Susanna Hoppler (UZH), M. Sc. Dragica Stojkovi, Katharina Szybalski (UZH), Muriel Kelletung:Adrian Oesch, Caty Yiying Zhao (UZH) | Inserate und Marketing: [email protected], Marcel Schellenberg (UZH), Julia Gontersweiler (UZAutoren:Jolle Barthassat (psyCH), Laura Bechtiger (UZH), Josefine Biskup (UZH), Vivian Frick (UZH), Theresa Geck (UniFR), Sarah Susanna Hoppler (UZH), Lucatuorto (FAPS), Manuel Merkofer (UZH), Kristin Mllering (UZH), Adrian Oesch, Katharina Szybalski (UZH), Ebongo Tshomba (UniBAS) | Illustratoren:La(UZH), Josefine Biskup (UZH), Ronny Peiser (ronnypeiser.de), Caty Yiying Zhao (UZH) | Druck: Schellenberg Druck AG | Auage: 2000 Exemplare, erscheint jed| Redaktionsadresse: aware Magazin fr Psychologie, c/o Fachverein Psychologie, Binzmhlestr. 14/29, 8050 Zrich | www.aware-magazin.ch, info@aware

    Liebe Leserin, lieber Leser

    Wir ziehen die Vorhnge zu und schalten die Lichter aus:

    Die 14. Ausgabe des aware Magazins Im Auge des Be-

    trachters geht der gemeinsamen Geschichte von empi-

    rischer Psychologie und dem Medium Film nach. Im histo-

    rischen berblick treffen wir dabei immer wieder auf Fragen

    des Standpunkts und der subjektiven Sichtweise vom er-

    sten psychiatrischen Lehrlm bis zu den eingekerbten Film -

    stereotypen des Psychologen. Wie real sind die abgebildetenSzenen, wie authentisch, wie gltig. Oder eben doch ver-

    handelbar?

    Der Blick auf die unscharfen Grenzen, die kontroversen

    Punkte der Psychologie, lsst sich in einigen weiteren Tex-

    ten nden: Wonach streben wir eigentlich? Und wie sehrsind Forschung, Praxis und Theorie vom Zeitgeist beein-

    usst? Adrian Oesch hinterfragt den Trend zu Big Scienceam Beispiel des Human Brain Project, Ebongo Tshomba

    schlgt eine utopische Lsung fr psychotherapeutische

    Versorgungsengpsse vor, in der Therapeuten gar nicht mehr

    so wichtig scheinen und als ewige Gratwanderung sieht

    Theresa Geck die DSM-Neuauagen, die natrlich anlss -lich der fnften Edition auch im aware-Team fr viel Ge-

    sprchsstoff gesorgt haben.

    Wie bestimmend und tiefgreifend psychologisc

    nungen in der Praxis tatschlich sein knnen, se

    den Artikeln von Katharina Szybalski, Sarah Susa

    ler und Laura Bechtiger: Psychologen ben au

    Ebenen effektiv Macht aus, sei es in der forensi

    chologie, im Rahmen einer Zwangsbehandlung

    einer simplen Denition, die zwischen patholo

    unauffllig unterscheidet. Wie Formen uns die wir aufstellen? Kulturpessimistisch sieht Vivian

    Fortschrittsgesellschaft, die im Rausch der Tech

    gentlichen Bedrfnisse vergisst. Manuel Merko

    tiert Daniel Hells interessante Reaktion auf ein

    nistisches Menschenbild in einem Fach, das d

    noch das Wort Seele im Namen hat und schlie

    Kristin Mllering mit ihrem Artikel, dass Dichot

    gegeben werden mssen, um das ganze Spek

    Sachverhalts in seiner Schnheit zu sehen.

    Neue sthetische Reize nden sich auch auf unspage: Aktuelle Artikel, die dort exklusiv verffen

    den. Es lohnt sich also hin und wieder mal ein B

    virtuelle Realitt, auch um Texte mit anderen

    kommentieren zu knnen diskutiert mit!

    Viel Spass beim Blttern oder Scrollen un

    wnscht euch

    die Redaktion

    Das aware-KernteamOben von links nach rechts: Katharina

    Szybalski, Antonia Kreibich, Marcel

    Schellenberg, Fabienne Meier

    & Adrian Oesch

    Seite von oben nach unten:

    Julia Gontersweiler & Josene Biskup

  • 7/22/2019 14 Aware HS13

    3/25

    Die SKJP - der Fachverband der Kinder- und Jugendpsychologen/-innen- engagiert sich fr die Kinder- und Jugendpsychologie in Praxis, Lehre und Forschung- ist Herausgeberin der Zeitschrift P&E - Psychologie und Erziehung- bietet das Curriculum zur Erlangung des Fachtitels Fachpsychologe/-in fr Kinder- und Jugendpsychologie FSP an- organisiert Tagungen zu relevanten Fragen der Kinder- und Jugendpsychologie- unterhlt eine Homepage mit Stellenvermittlung- verleiht einen Frderpreis fr herausragende Masterarbeiten mit kinder- und jugendpsychologischen Fragestellungen- verleiht einen Anerkennungspreis an Personen mit besonderen Leistungen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychologie

    Die Mitglieder der SKJP sind bei ffentlichen Stellen und in privaten Praxen ttig. Sie arbeiten als Schulpsychologen/-innen oderErziehungsberater/-innen, Psychotherapeuten/-innen fr Kinder und Jugendliche, Heimpsychologen/-innen oder im klinischen Bereich

    Studierenden-Mitgliedschaft bei der SKJPStudierende profitieren zum Preis von CHF 20.00 pro Jahr von einem Info-Status mit folgenden Leistungen:- Abo unserer Zeitschrift P&E Psychologie und Erziehung (2x jhrlich)- SKJP-Mailing mit Weiterbildungshinweisen, Stellenangeboten usw. (4x jhrlich)- SKJP-Newsletter mit vereinsinternen News, Stellenangeboten usw. (ca. 12x jhrlich)- Einladung zu allen SKJP-Veranstaltungen

    Infos: SKJP - Postfach 4138 - 6002 Luzern - Telefon 041 420 03 03 - [email protected] - www.skjp.ch - www.facebook.com/skjp.ch

    Wieweiternac

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    Gegenber wahrnehmen und behandeln mchten, und die Freude haben an ganz-heitlichem, vielseitigem und kreativem Schaffen.

    Die Ausbildung startet 2x jhrlich und beinhaltet folgende Module:Feste Ausbildungsgruppe bzw. Diplomabschlussgruppe, Selbsterfahrung,Supervision einzeln und in Gruppen, Seminare zu verschiedenenThemen, Praktikum, Diplomarbeit und Abschlussprfung.

    Am Psychotherapeutischen Ambulatorium IKP in Zrich bestehtdie Mglichkeit, das Praktikum zu absolvieren.

    Institut fr Krperzentrierte Psychotherapie IKPKanzleistrasse 17, 8004 Zrich; Stadtbachstrasse 42a, 3012Bern

    Seit 30 Jahren anerkannt

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    Psychotherapie-Ausbildungam IKP in ZH od. BEBesuchen Sie unsere laufend stattfindenden Gratis-Info-Abende

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    Tel. 044 242 29 30www.psychotherapie-ikp .com

    Mehr Infos?

    HS1INHALTSVERZEICHNIS

    Inhalt

    22 PSYCHOLOGIE & GESELLSC Warum Schnheit schn ist

    ber sthetikempfinden Die Gratwanderung der Diagnos Forensische Psychologie Eine Be

    von Prognose- und Schuldfhigk Immer mehr, immer schneller, im

    Wie viel Fortschritt ist gut fr uns

    16TITELTHEMA Im Auge des Betrachters:

    Psychologie und Filme

    12 FELDER DER PSYCHOLOGIE Task Shifting Von der utopisch

    psychische Gesundheit fr alle

    09 UNI FORSCHUNG ber das Human Brain Project

    Forschungspolitik

    07 FORSCHUNG AUS ALLER W Der Glaube an die Wissenschaft

    37STRUNGSBILDER Auf der Schwelle ber Konzep

    der Sozialphobie, Schchternheiund Introversion

    33 ANGEWANDTE PSYCHOLO Gegen meinen Willen

    Zwangsbehandlung in der Psych

    40KOMMENTAR Die Seele und die Lehre von der S

    Kontextualisierung und DiskussioDaniel Hells Seelenbegriff

    43INSTITUTIONEN FAPS War das nicht die Party od

    das Forum? (Teil 2) Bring mir den psyCHorizont!

    Dass Definitionen und Theoriebildung dieGrundpfeiler der Wissenschaftlichkeit bilden,zeigt sich manchmal im Detail hier anhandder verschiedenen Anstze zum Verstndnis dersthetik. Bezieht sich der Begriff auf Schnheitoder generell Empfindungen? Wie sind eben-diese messbar? Knnen wir Dichotomien ab-legen und sind auch Wut und Ekel sthetischeEmotionen? Positionen von Neurosthetik undPhilosophie decken sich nicht wirklich liegtSchnheit am Ende doch immer imAuge des Betrachters? 22

    Warum Schnheit schn ist sthetikempfinden

    Bildquelle:Raphael/commons.wikimedia.com

    Bildquelle:bluebrainproject/EPFL

    Das menschliche Gehirn zu simulieren das undnichts Geringeres ist das Ziel des Human BrainProject. Das Human Genome Project dientedabei als Vorbild und der ambitionierte Entwurfberzeugte die EU. Doch ist das Budget von einerMilliarde Euro gut angelegt? Oder wren viele ein-zelne Forschungsgruppen erfolgreicher, kreativer?Wie entwickeln sich Projekte unter verschiede-nen Bedingungen, welche Form der Frderung istsinnvoll und woran messen wir den Erfolgeines solchen Projekts?

    Trends zu Megaprojekten

    09

    Interview: ZwangsbehandlungFrsorgerische Unterbringung hiess letz-tes Jahr noch Frsorgerischer Freiheits-entzug. In seltenen Fllen scheint eine

    solch extreme Intervention temporr ntig.Doch jemanden zum Umdenken zwingenzu wollen wie wirkt das auf den Betroffe-nen? Wie geht man mit diesem Machtge-flle um? Im Interview mit einer AnorexiaNervosa-Patientin zeigen sich die ngsteund die inneren und usseren Kmpfe, dieTeil der Erkrankung und der auf-gezwungenen Therapie sind. 33 Bildqu

    elle:HolgerGi/Flickr,CC-BY-NC-SA

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    4/25

    eitere Informationen:

    P Institutartstrasse 3

    400 WinterthurT +41 (0)52 212 34 30F +41 (0)52 212 34 33

    [email protected]

    Gesamtleitung: Dr. med. Markus Fischer,Facharzt Psychiatrieund Psychotherapie FMH

    Infoabende: 30. Oktober 2013

    23. Januar 201421. Mai 2014von 19.30 21.30 Uhrin Winterthur, IBP Institut

    13. Mrz 2014von 19.00 21.00 UhrGutenbergstr. 31, Bern

    Juni 2014von 19.00 21.00 Uhrin Basel

    Wir bitten um Anmeldung unter:[email protected]

    hrige postgraduale

    Weiterbildung inIntegrativerKrperpsychotherapie IBP

    nerkannt durch FSP, ASP, SBAP und SGPP/FMH

    P steht fr Integrative Body Psychotherapyd ist ein wirksames, wissenschaftlich gutndiertes Psychotherapieverfahren, das dietegration von Krpererleben, Emotionen,ognitionen, spirituellem Erleben und Ver-

    lten ins Zentrum stellt. Die berufsbeglei-nde Weiterbildung ist offen fr Psycholo-nnen mit Masterabschluss und rztInnend fhrt zum Zertifikatsabschluss Psycho-erapeut / in fr Integrative Krperpsycho-erapie IBP.

    Die AbsolventInnen verfgen nach Abschlussder Weiterbildung sowohl ber die mensch-liche, klinische und psychotherapeutischeKompetenz, selbstndig und eigenverant-wortlich ein breites Spektrum von psychi-

    schen Strungen behandeln zu knnen, alsauch prventiv zu wirken.

    Das IBP Institut fhrt ein psychotherapeuti-sches Ambulatorium, das den Studierendendie Mglichkeit bietet, klinische Erfahrun-gen zu sammeln.

    Wie weiter nach der Uni? Durchstarten, aber wohin?Und wie funktioniert das auf dem Arbeitsmarkt?

    Der Einstieg ins Berufsleben ist nicht leicht, gerade fr PsychologInnen!Dein Berufsverband kann helfen. Mit Informationen, Kontakten, Tipps undkonkreten Angeboten fr den Berufseinstieg.

    Dein Berufsverband ist der ZPP, das Zrcher Zugangstor zur FSP.

    Sonneggstrasse 26, 8006 Zrich, 044 350 53 53, [email protected], www.zuepp.ch

    rosigeBerufs-aussichten ?

    HS1RUBRIKFORSCHUNG AUS ALLER WELT

    Von Katharina Szybalski

    Der Glaube an die Wissenschaft

    WissenschaftsglaubeBritische Forscher sind berzeugt: Wissenschaft kann unter best

    dingungen genauso wie Religion wirken. Hug wird in diesem hang von Wissenschaftsglubigkeit gesprochen, also von der

    berzeugung, dass wissenschaftliche Erkenntnisse die Wahrheit

    Die Autoren argumentieren, dass der Glaube an einen Gott dem L

    Sinn gibt und in undurchschaubaren und unsicheren Situatione

    trolle zumindest ein wenig sicherer in den eigenen Hnden zu lie

    Auf diese Weise kann Religion ngste mindern. Die F orscher si

    nung, dass die Wissenschaft ein hnliches Konstrukt ist wie di

    Viele Menschen akzeptieren wissenschaftliche Erkenntnisse al

    doch einige gehen soweit und betrachten sie als berlegenen u

    gltigen Leitfaden im Leben. Diese Menschen verteidigen wiliche Erkenntnisse als allgemeingltig ohne jegliche kritische RDie Forscher wollten auf Grundlage dieser berlegungen heraudie Wissenschaftsglubigkeit unter Stress oder Angst zunimmt

    fessionelle Ruderer, die sich selber als nicht religis bezeichne

    einen Fragebogen zur Wissenschaftsglubigkeit ausfllen. Die E

    talgruppe fllte diesen Fragebogen 30 Minuten vor einer wichtig

    aus, um den Stress zu simulieren, whrend die Kontrollgruppe

    aufgezeichnet wurde.

    Die gestresste Gruppe erzielte einen hheren Wert als die Kont

    Somit hatten die Forscher belegt, dass unter Stress der Glaube

    senschaft zunehmen kann. In Bezug auf den Aspekt der Angst lie

    Experimentalgruppe ihre Gedanken zum eigenen Tod aufschreib

    schliessend den gleichen Fragebogen wie im ersten Versuch au

    Kontrollgruppe sollte ihre Gedanken ber Zahnschmerzen zu P

    gen. Auch hier zeigte sich, dass grssere Angst mit einer grsse

    schaftsglubigkeit einherging.

    Trotz der enormen Unterschiede zwischen Wissenschaft und Renen beide Konstrukte fr einige Menschen den gleichen Zweck e

    gemeiner betrachtet steckt dahinter wohl die Neigung des Mensc

    schweren Zeiten auf die eigene Weltansicht zu konzentrieren (Mo

    son, & Miles, 2013).

    Fernbeziehungen

    Die unbeliebte Beziehungsform Fernbeziehung ist laut einer neuen

    Studie anscheinend besser als ihr vorauseilender Ruf. Die Forscher un-

    tersuchten die Kommunikationsqualitt von persnlichen Gesprchen,

    Telefongesprchen, Videochats, SMS, Instant Messenger und Email.

    Sie gingen vor allem darauf ein, in wie weit sich die Paare gegenseitig

    ihre Empfindungen mitteilen und mit wie viel Aufmerksamkeit der

    Partner auf diese usserungen reagiert.

    Es stellte sich heraus, dass Paare in Fernbeziehungen deutlich ver-

    trauter miteinander umgehen als Paare, die sich in geographischer

    Nhe befinden. Dafr konnten die Autoren zwei Hauptfaktoren identi-fizieren: Einerseits ffnen sich die Partner in diesen scheinbar ano-

    nymeren Kommunikationsmitteln mehr und andererseits werden ge-

    wisse Verhaltensweisen in einer Fernbeziehung positiver beurteilt als

    in anderen. Dies gilt besonders fr Kommunikationsmethoden, die auf

    geschriebenem Text basieren. Die Forscher nehmen an, dass diese

    Kommunikationsart zeitintensiver ist und somit mehr wertgeschtzt

    wird (Crystal Jiang & Hancock, 2013).

    Kaugummi

    Der Zusammenhang zwischen der Konzentrationsfhigkeit und gleich-

    zeitigem Kaugummikauen konnte in bisherigen empirischen Studien nie

    hinreichend belegt werden. Morgan, Johnson und Miles (2013) betrach-

    teten den Sachverhalt dieses Jahr noch einmal neu. Die Probanden hrten

    sich ber 30 Minuten Zahlenfolgen von drei aufeinander folgenden Zif-

    fern an und mussten bei der Kombination ungerade gerade ungerade

    Zahl einen Knopf drcken. Zwischen den Kombinationen konnten die

    Versuchspersonen sich jeweils 40 Sekunden lang erholen. Aufgezeichnet

    wurde nicht nur die Fehlerquote, sondern auch die Reaktionszeit. Der

    Experimentalgruppe wurde anfangs ein Kaugummi angeboten, die Kon-

    trollgruppe musste die Aufgabe ohne Manipulation (also ohne Kaugum-

    mi) durchfhren. Die vorgelegte Aufgabe beansprucht das Kurzzeitge-

    dchtnis, weil das Gehrte gespeichert werden muss, um es anschliessend

    sofort mit dem vorgegebenen Muster abzugleichen.

    Allgemein zeigte sich, dass die Aufgabe alle Probanden ermdete und

    somit gegen Ende die Fehlerquote und Reaktionszeit in Experimental-

    und Kontrollgruppe zunahm. Die Kontrollgruppe ohne Kaugummikonnte die ersten zehn Mi nuten bessere Leistungen erbringen als die

    Spearmintkaugummi kauende Experimentalgruppe, jedoch verschlech-

    terte sich die Leistung danach kontinuierlich. Die Experimentalgruppe

    hingegen erzielte whrend des ganzen Experimentes fast stabile Resul-

    tate. Die Autoren schliessen daraus, dass Kaugummikauen dazu bei-

    trgt, die Konzentration lnger aufrechtzuerhalten und somit nur bei

    langandauernden Aufgaben seinen Zweck erfllt (Morgan, Johnson, &

    Miles, 2013).

    LiteraturCrystal Jiang, L., & Hancock, J. T. (2013). Absence makes the c

    cation grow fonder: Geographic separation, interpersonal me

    intimacy in dating relationships. Journal of Communica(3), 556577. doi:10.1111/jcom.12029

    Farias, M., Newheisr, A.-K., Kahane, G., & de Toledo, Z. (2013

    c faith: Belief in science increases in the face of stress and e

    anxiety. Journal of Experimental Psychology. Advance online

    tion. doi:10.1016/j.jesp.2013.05.008

    Morgan, K., Johnson, A. J., & Miles, C. (2013). Chewing gu

    rates the vigilance decrement. British Journal of Psychology.

    online publication. doi:10.1111/bjop.12025

  • 7/22/2019 14 Aware HS13

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    Ikonen der ZerrissenheitIn der interaktiven Fhrung t auchst Du ein in die Meisterbltter von Edvard Munch. Fhrung:

    Andreas Widmer, Knstler. Mittwoch, 27. November 2013, 17.30 19.30, Kunsthaus Zrich

    Treffpunkt Beiz Du bekommst ein feines Essen. Baldassare sorgt fr kulinarische Hhenflge und eine gemtliche

    Atmosphre. Jeden Freitag, ab 20. Sept. 2013, 12.15, Studierendenfoyer, Hirschengraben 7, 8001 Zrich

    Vorgelesen Junge Texte des Alten Testaments Poetische Zeilen, skurrile Metaphern, donnernde Prophezeiungen. Ziel ist alleine das Vorlesen, so

    wie es am schnsten ist: als ausgedehnte Gutenachtgeschichte. Donnerstags, 26. September bis5. Dezember 2013, 19.00 20.00, Hirschengraben 7, 8001 Zrich

    Aktives Relax-Training Fr Prfungsphasen und bei Stress, ein Kurs mit bungen zur aktiven Entspannung.

    Dienstags, 22. Oktober bis 12. November 2013, 18.15 19.45, KOL-Q-2, UZH Zentrum

    Weitere Infos/Angebote, Blog re-4me: www.hochschulforum.ch

    Glaube, Hoffnung, Liebe am Grossen wachsen

    Herbstsemester 2013

    1 1 . 1 1 . .1 1 :

    HS1

    governments must agree an ambiti

    [] .(Pressemitteilung vom 28.1.2Mit diesen Worten begrndete die

    dentin der europischen Kommiss

    Kroes die Vergabe von der Milliard

    die beiden Siegerprojekte der FET F

    Initiative. Damit wird deutlich: Wis

    frderung ist hoch politisch. Der Sc

    nahe, dass auch eine gewisse Angst v

    tiger Bedeutungslosigkeit Europas

    hohen Ausgaben motivierte zurech

    Drei Monate nach der ofziellen Andes HBP versprach Barack Obama auf

    sekonferenz ein hnliches Projekt zu

    Bisher sind jedoch keine genaueren

    kannt. Lediglich ausgeklgelte Akr

    BRAIN, was fr Brain Research thro

    cing Innovative Neurotechnologies

    BAM (Brain Activity Map) werden

    denen Medien herumgereicht. Ebens

    mutet, dass das Projekt ebenfalls auf

    den Studie, dem Blue Brain Project, publi-

    ziert. Selbst zum Nervensystem des im Vergleich

    primitiven 300-Neuronen-Wurm C. elegans sind

    noch ungeklrt. Nichtsdestotrotz mchten dieForscher bereits ein weitaus ambitionierteres

    Projekt beginnen. Dass das Projekt trotz der Kri-

    tik so weit gekommen ist, verdankt die EPFL

    auch einer ausserordentlichen Medienarbeit.

    Derart fantastische Visionen sind selbstredend

    eine gute Ausgangslage fr die Kommunikati-

    onsabteilung (siehe Der Griff nach dem Be-

    wusstsein vom 11.5.2011, NZZ.ch).

    ber gute Schlagzeilen freuen sich auch

    Politiker. Europes position as a knowledge su-

    perpower depends on thinking the unthinkable

    and exploiting the best ideas. This multibillion

    competition [Future and Emerging Technolo-

    gies, Anm. d. Red.] rewards home-grown scien-

    tic breakthroughs and shows that when we are

    ambitious we can develop the best research in

    Europe. To keep Europe competitive, to keep Eu-

    rope as the home of scientic excellence, EU

    UNI FORSCHUNG

    ber das Human Brain Projectund Forschungspolitik

    Ende Januar 2013 wurde bekannt gegeben, dass das Human Brain Project der ETH Lausan-

    ne (EPFL) als eines der ersten zwei Projekte im Rahmen der EU Flaggschiff-Initiative

    untersttzt wird. Dieses Projekt umfasst ein Budget von einer Milliarde Euro und ist

    angelegt auf zehn Jahre. Kurz darauf hat US-Prsident Barack Obama ein hnliches

    Forschungsprogramm in vergleichbarem Umfang angekndigt. Was hat es mit dieser

    grossangelegten Forschungsnanzierung auf sich? Ist hier eine Tendenz zu Mega-Pro-

    jekten festzustellen? Erbringen grssere Projekte automatisch auch wichtigere und/oder

    mehr Erkenntnisse?

    Von Adrian Oesch

    Das Hauptziel des Human Brain Projects

    (HBP) ist es, das menschliche Gehirn mit ei-nem Computer zu simulieren. Dazu werden

    die Forscher versuchen, das gesamte Wissen

    aus Studien mit E. Coli, Musen und dem

    menschlichen Gehirn zu vereinen und auf ein

    Modell zu bertragen. Dazu soll ein Computer

    mit bisher unerreichter Rechenkapazitt, Ef-zienz und neuartigen Chips konstruiert wer-

    den. Die sogenannten neuromorphen Compu-

    terchips orientieren sich an realen

    Nervensystemen und bilden einen Teil des

    Projekts. Die EPFL wird im Rahmen des HBP

    viele Kooperationen eingehen. Derzeit sind

    125 Partner aus der ganzen Welt aufgelistet.

    Man erhofft sich neben der Grundlagenfor-

    schung auch praktische Anwendungen: Im Be-

    reich der Medizin wre ein besseres Verstnd-

    nis von Psychopharmaka und neuen

    Behandlungsmethoden denkbar; bei den com-

    putertechnischen Innovationen werden diver-

    se Anwendungsmglichkeiten gesehen. (siehe

    Die ultimative Si mulation des Gehirns fr eine

    ausfhrliche Besprechung des Human Brain

    Projects auf spektrum.de).

    Das HBP hat auch Kritiker. Die meisten von

    ihnen halten die Ziele fr bertrieben und

    einige frchten, dass viel zu hohe Erwartungengeweckt werden, was wiederum nur zu Enttu-

    schung und Frust fhren kann. Andere strt die

    Spekulation, dass eine solche Computersimu-

    lation auch Bewusstsein hervorbringen knnte

    (NZZ vom 11. Mai 2011). Des Weiteren taucht

    immer wieder Kritik am Projektleiter Prof.

    Henry Markram auf. Er habe noch keine rele-

    vanten Erkenntnisse aus seiner vorhergehen-

    Wissenschaftsjournalismus und PRIn einer Rede am Kongress der Wissenschafts-

    kommunikatoren im Herbst 2012 hat die Jour-

    nalistin Beate Kittl auf eine brisante Situation

    hingewiesen: In den Schweizer Medienhu-

    sern sind viele Stellen im Bereich des Wissen-

    schaftsjournalismus gestrichen worden. Anderen Position treten vermehrt die Kommuni-

    kationsbros der wissenschaftlichen Institutio-

    nen selbst. Zur Veranschaulichung: In den Me-

    dienabteilungen der Westschweizer Hoch-

    schulen und Universitten knnen 80 Stellen

    gezhlt werden, die teilweise als Redakteure

    oder Journalisten umschrieben werden. Im

    Gegensatz dazu zhlt Kittl im welsch

    Radio und Fernsehen lediglich zehn b

    Wissenschaftsredakteure. Es gibt

    mehrere Beispiele, wo Universitten

    Agenturen die Inhalte in Zeitunge

    platzieren knnen. Dabei stellt sich ge, wer noch einen kritischen Blick

    Wissenschaft hat? Die Verlage sin

    wenn sie ihre Bltter billig mit intere

    und oftmals sensationellen Geschich

    len knnen. Und die Universitten ha

    Interesse daran, sich mglichst gut

    sentieren.

    We conclude that scientic im[] is only weakly limited by

    funding. We suggest that fundstrategies that target diversityrather than excellence, are lto prove to be more productive

    J.-M, Fortin and D. J. Currie

  • 7/22/2019 14 Aware HS13

    6/25

    areHS13 HS1

    Die Statistiker vom SNF erklren sich den An-

    stieg der durchschnittlichen Frderbeitrge in

    der Projektfrderung nicht durch eine Hufung

    grsserer Projekte, sondern unter anderem

    durch einen Anstieg bei den Doktorandenlh-

    nen. Ausserdem habe sich die durchschnittliche

    Projektdauer von 28 Monaten im Jahr 2005 auf

    31 Monate im 2012 verlngert. Die Frage nach

    der Tendenz zu Big Science in der Schweiz

    kann jedoch nicht restlos geklrt werden. Es

    lsst sich z. B. nicht ermitteln, wie viele Projek-

    te mehr als eine Million Franken erhalten ha-

    ben. Dabei verfgte der SNF eigentlich bereine mustergltige Datenbank mit allen

    bewilligten Frderprojekten seit 1975. Die Her-

    ausgabe der kompletten Daten sei allerdings

    nicht gestattet.

    Aus der Sicht der Wissenschaft sind zustzliche

    Frdergelder zu begrssen. Aus einer politischen

    Perspektive sollte jedoch die Frage nach dem Nut-

    zen gestellt werden. Nicht nur Politiker, sondern

    auch Forschende sollten sich um Efzienz bem-hen inwiefern macht es Sinn, immer mehr Geld

    in immer weniger Projekte zu stecken?

    Big Science steht seit dem Aufkommen die-

    ser Bezeichnung in den 60er-Jahren in der Kri-

    tik. Erst krzlich jedoch hat ein Forscherteam

    aus Ottawa versucht, die Frderstrategien mit

    quantitativen Methoden zu betrachten. Die Stu-

    die hinterlsst Skepsis. Die beiden Biologen

    Jean-Michel Fortin und David Currie (2013)

    haben den Zusammenhang des Projektbudgets

    mit dem Forschungsoutput verglichen. Um diewissenschaftlichen Ergebnisse zu quantizie-ren, benutzten sie folgende Kriterien: die An-

    zahl der Artikel, die Anzahl der Zitationen, die

    Anzahl Zitationen des besten Artikels und die

    Anzahl viel zitierter Artikel, die jeweils bis zu

    vier Jahre spter aus einem Forschungsprojekthervorgingen. Die Daten zeigten zwar grssere

    Auswirkungen bei Projekten mit grsserem

    Budget, jedoch ist der Zusammenhang relativ

    schwach (0.03 < R2 < 0.28). Projekte mit dop-

    peltem Budget hatten also bei Weitem nicht die

    doppelte gemessene Forschungswirkung. Die

    Autoren weisen indes selber auf die Mngel ih-

    rer Operationalisierung hin und sind sich der

    denen Disziplinen ber die zunehmende Relevanz

    von Grossstudien sogenannte Big Science. Es

    steht die These im Raum, dass die zunehmend

    komplexen Phnomene durch kleinere Teams

    nicht mehr ausreichend erklrt werden knnen. Es

    erscheint folgerichtig, dass die Forschungsgegen-

    stnde durch die Anhufung wissenschaftlicher

    Erkenntnisse zunehmend komplexer werden. Mo-

    delle in den verschiedensten Bereichen werden

    stndig erweitert, um neue Faktoren ergnzt, da-

    mit sie den Beobachtungen besser entsprechen.

    Mit einher geht die Entwicklung der exponentiell

    zunehmenden Rechenkapazitt von Computern.Erst mit dem Aufkommen automatischer Daten-

    verarbeitung knnen immer grssere Datenmen-

    gen verarbeitet werden. Gehrt Big Science

    demnach die Zukunft? Die Europische Organi-

    sation fr Kernforschung in Genf (CERN) bei-

    spielsweise ein Paradebeispiel internationaler

    Kooperation bezglich Grossforschung verfgte

    allein 2010 ber ein Jahresbudget von 850 Millio-

    nen Euro.

    Laut den Zahlen des Schweizerischen National-

    fonds (SNF), der wichtigsten Institution zur

    Forschungsfrderung des Bundes, sind die

    durchschnittlichen Frderbeitrge fr For-

    schungsprojekte von 2005 bis 2012 um 32%

    gestiegen. 2012 betrug der durchschnittliche

    zugesprochene Betrag in der Projektfrderung

    rund 325000 CHF. Das Budget eines EUFlaggschiff-Projekts wrde somit je nach Wech-

    selkurs fast 4000 durchschnittliche SNF-Pro-

    jektfrderbeit rge decken.

    egt sein wird und um die drei Milliarden

    r (300 Millionen pro Jahr) kosten knnte.

    Verdacht drngt sich auf, dass die Amerikaner

    ionierrolle in der Hirnforschung nicht den

    pern berlassen wollen, wobei die Projekt-

    ng des HBP den europischen und internatio-

    Charakter ihrer Forschung betonen.

    das Gehirn demnach nur durch milliarden-

    ere Grossprojekte entschlsselt werden?

    hzeitig diskutieren Forschende aus verschie-

    UNI FORSCHUNG UNI FORSCHUNG

    Zum WeiterlesenOfzielle Webseite des Human B

    ject: http://www.humanbrainproje

    Dnges, J. (2011). Die ultimative Si

    des Gehirns. http://www.spektrum

    human-brain-project/die-ultimativ

    tion-des-gehirns/1129521

    Fortin, J.-M., & Currie, D. J. (2013)

    ence vs. little science: How scienti

    scales with funding. PLoS One, 8(6

    Fisch, F. (2011). Der Griff nach d

    wusstsein. http://www.nzz.ch/aktu

    seite/der-gr if f -nach-dem-be

    sein-1.10537455

    Eine umfangreiche Linkliste

    ndet sich online:

    http://bit.ly/13agkfL

    (oder QR-Code scannen)

    T Flaggschiff InitiativeSeptember 2010 gab die EU ein neues

    rschungsfrderungsprogramm mit dem

    men Future and Emerging Technologies

    gship Initiatives bekannt. Im Frhling

    11 wurden sechs Pilotprojekte erkoren

    d eine Planungsphase von zwlf Mona-

    n nanziert. Mitte 2012 wurden die Pro-

    kte einer Kommission prsentiert. Wie das

    BP strebte auch das Projekt FutureICT

    ne Computersimulation an, jedoch mit

    kus auf gesellschaftliche und kologische

    emen (Living Earth Platform). Das

    weite Gewinnerprojekt Graphene

    chte im Bereich der Materialwissenschaft

    rtschritte erzielen. Graphen, ein Material

    s einer einzigen Schicht Kohlenstoffato-

    en mit mehreren ungewhnlichen Eigen-

    haften, wurde bereits in Labors erprobt

    d soll nun in verschiedenen Industrien

    nwendung nden. Ein weiteres Schweizer

    otprojekt namens Guardian Angels

    ollte Nanosensoren entwickeln, die durch

    ne eigene Energieversorgung im mensch-

    hen Krper selbstndig Daten sammeln

    d diese dann nach aussen senden knn-

    n. Dass Schweizer Institutionen sich ber-

    upt um die Frdergelder bemhen dr-

    n, liegt an den bilateralen Vertrgen.

    urch diese musste die Schweiz zwar auch

    st einmal ca. 260 Millionen Euro in einen

    rschungsfrdertopf investieren, doch

    heint sich der Deal zu lohnen. Viel Geld

    esst wieder in Schweizer Projekte, nicht

    r ber die Flaggschiff-Initiative.

    limitierten Aussagekraft ihrer Untersuchung be-wusst. Dennoch deuten sie ihre Resultate als ein

    Argument fr eine Frderungsstrategie, die siesmall many nennen: Lieber shen sie die Ver-

    teilung von kleineren Grants an viele Wissen-

    schaftler und Wissenschaftlerinnen, als die Fr-

    derung von Eliteforscher oder Exzellenz-

    projekten (Fortin & Currie, 2013).

    In einem Interview mit SRF meint David Cur-

    rie, dass die Relevanz der Ergebnisse einer Stu-

    die nur schwer zu antizipieren sei und deshalb

    eine mglichst grosse Vielfalt an Anstzen

    wichtig wre. Somit knne die Wahrscheinlich-

    keit gesteigert werden, etwas Wichtiges zu ent-decken. Er sieht hierbei auch eine Analogie zur

    Evolution. Je grsser die genetische Variation

    ist, desto hher ist die Wahrscheinlichkeit, dass

    eine Mutation in einer ungewissen Zukunft zum

    Vorteil werden knnte. Ein Kriterium, das den

    Erfolg eines Riesenprojekts wie das HBP dem-

    nach massgeblich beeinussen knnte, ist dietolerierte Diversitt an Lsungsanstzen inner-

    Tabelle: Entwicklung der durchschnittlichenFrderbeitrge des SNF 20052012

    Quelle: SNF.ch

    halb des Projekts. Je grsser die UnifForschung ist, desto hher ist das s

    Klumpenrisiko, wie es der Wissensc

    zist Gottfried Schatz nennt (

    28.1.2013).

    Natrlich gibt es auch gewisse Ziele

    weiter, die nur durch einen kumulie

    erreicht werden knnen. Als Para

    werden an dieser Stelle oft die M

    oder das Human Genome Project

    Auch dieses wurde in den 90er-Jahre

    lichen Geldsummen nanziert, bis im

    dann ein erster Erfolg zu verzeichneerster Entwurf eines menschlichen

    Das Projekt startete 1990 und war m

    liarden Dollar auf 15 Jahre angeleg

    nisse daraus werden teilweise immer

    liziert. Die Genanalyse, die vor wen

    noch mehrere hundert Millionen gek

    ist heutzutage fr ein paar tausend F

    hltlich. Zudem entwickelte sich

    grosser Forschungszweig und vor

    Medizin protiert bereits heute von ligen Erkenntnissen. Kann also hn

    HBP erwartet werden? Ich hoffe,

    Zeilen das Interesse fr eine vertiefte

    dersetzung geweckt zu haben.

    Bildquelle:BlueBrainProject/EPFL

    http://www.humanbrainproject.eu/http://www.spektrum.de/alias/human-brain-project/die-ultimative-simulation-des-gehirns/1129521http://www.spektrum.de/alias/human-brain-project/die-ultimative-simulation-des-gehirns/1129521http://www.spektrum.de/alias/human-brain-project/die-ultimative-simulation-des-gehirns/1129521http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-griff-nach-dem-bewusstsein-1.10537455http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-griff-nach-dem-bewusstsein-1.10537455http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-griff-nach-dem-bewusstsein-1.10537455http://bit.ly/13agkfLhttp://bit.ly/13agkfLhttp://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-griff-nach-dem-bewusstsein-1.10537455http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-griff-nach-dem-bewusstsein-1.10537455http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-griff-nach-dem-bewusstsein-1.10537455http://www.spektrum.de/alias/human-brain-project/die-ultimative-simulation-des-gehirns/1129521http://www.spektrum.de/alias/human-brain-project/die-ultimative-simulation-des-gehirns/1129521http://www.spektrum.de/alias/human-brain-project/die-ultimative-simulation-des-gehirns/1129521http://www.humanbrainproject.eu/
  • 7/22/2019 14 Aware HS13

    7/25

    areHS13 HS1FELDER DER PSYCHOLOGIEFELDER DER PSYCHOLOGIE

    health for all by involving all. Umpischen Ziel Psychische Gesundhe

    entgegenzustreben, braucht es so v

    wie mglich.

    gen, wie Depression, Alkoholabhngigkeit und

    Angststrungen, und deren Behandlung. Ausge-

    schlossen von der Behandlung durch die Ambu-

    ya-Utanos wurden Patienten mit schwerer De -pression oder Suizidrisiko. Patienten und Com-

    munity Health Worker trafen sich auf einer

    Holzbank im Aussenbereich der Klinik, die so-

    genannte Friendship-Bench. Die kognitiv-be-

    haviorale Intervention fand in 45-mintigen Sit-

    zungen statt. Die Ambuy-Utanos standen

    whrend der ganzen Zeit ber unter Betreuungvon Supervisoren. Dank der Arbeit der Commu-

    nity Health Worker liessen sich deutliche Ver-

    besserungen bei den Patienten beobachten.

    (Chibanda, Mesu, Kajawu, Cowan, Araya, &

    Abas, 2011).

    Obwohl es inzwischen viele Studien aus ver-

    schiedenen Lndern zum Thema Task Shifing

    bei der Behandlung von psychischen Strung

    Eine Bank fr die FreundschaftDie Institution Movement for Global Mental

    Healthverbindet Forschungsteams aus der gan-

    zen Welt, die sich fr Projekte im Zusammen-

    hang mit Task Shifting und der Arbeit mit Com-

    munity Health Workers einsetzen. Ein konkretes

    Beispiel fr ein erfolgreiches Projekt ist die

    Friendship Bench in Zimbabwe, eine

    Zusammenarbeit der rtlichen Universitt unddem Kings College London. Ein Team aus Psy-

    chologen, Krankenschwestern und Psychiatern

    passten Ausbildungsmaterial fr lsungsorien-

    tierte Kurzzeittherapie an Voraussetzungen undFhigkeiten von Laien an. In Zwimbabwe waren

    alle Hilfsarbeiter weiblich, lebten schon seit

    mindestens 15 Jahren im Stadtteil, in dem sie

    behandeln wrden, hatten eine Grundschul- oder

    hhere Ausbildung und waren im Schnitt um die

    58 Jahre alt. Daher werden sie in Zimbabwe

    auch Ambuya Utano genannt: Gross-mtterliche Gesundpegerinnen. In einemachttgigen Kurs erlernten die Community

    Health Worker das erkennen und beobachten

    von hug vorkommenden psychischen Strun-

    Zugang zu medizinischer Versorgung hatte und

    die Ausbildung zum Mediziner einer Elite vor-

    behalten war. Daraufhin liess er Bauern, ausge-

    whlt von ihrer Dorfgemeinschaft, Grundwis-

    sen in medizinischer Versorgung zukommen.

    Nach einer einjhrigen Ausbildung durften sie

    leichtere Krankheiten behandeln. Sie wurden

    Barfssige Doktoren genannt, weil Sie neben

    ihrer Ttigkeit als Mediziner weiterhin mit

    blossen Fssen im Reisfeld mitarbeiteten

    (Daqing & Unschuld, 2008).

    Mangelware PsychotherapieAls praktizierender Psychiater und Forscher am

    Kings College Londongenoss Vikram Patel die

    Vorzge der traditionsreichen britischen Institu-

    tion. Als er im Rahmen eines Projekts nach Zim-

    babwe kam, fand er sich erstmalig in der Situati-

    on, ohne den Luxus umfangreichen Equipements

    eines europischen Psychiaters auskommen zu

    mssen. Dass die Ressourcen knapp waren, ist

    noch untertrieben. Es mangelte an Personal, Me-

    dikamenten, Wissen, an fast allem. In einer sol-

    chen Umgebung ist Improvisation eine unum-gngliche Notwendigkeit. In vielen Lndern hat

    ein Grossteil der Bevlkerung keinen Zugang zu

    psychologischer Behandlung. In Indien bei-

    spielsweise kommt ein Psychiater auf 500000

    Menschen, in Ghana einer auf weit ber eine

    Million (Worlth Health Organization, 2006;

    2011). Aber auch in Europischen Lndern er-

    halten viele Menschen keine angemessene Be-

    handlung oder mssen lange Wartezeiten in Kauf

    nehmen. In der Schweiz wird nur jeder zweite

    psychisch Erkrankte rztlich behandelt, nur jeder

    vierte fachrztlich und nur einer von zehn Er-

    krankten erhlt eine adquate Behandlung, (wo-

    bei anzumerken ist, dass dies nicht am Mangel

    an Psychotherapeuten liegt, sondern daran, dassMenschen lange warten, bevor sie sich Hilfe ho-

    len und dass die Kasse keine Psychologen zahlt,

    die nicht delegiert arbeiten. Zrich hat die grss-

    te Therapeutendichte auf der ganzen Welt (Frin-

    ger & Kurt, 2006)). Psychologen und Psychiater

    weltweit fanden hnliche Zustnde ungedeckter

    Versorgung vor und suchten nach einer Lsung,

    die in naher Zukunft realisierbar wre.

    ask Shiftingn der utopischen Intention: psychische Gesundheit fr alle

    k Shifting ist das schnittige englische

    agwort, das die Lsung fr die welt -

    grossen Versorgungsprobleme in der

    ndlung psychischer Strungen sein

    Ebongo Tshomba

    Shifting lsst sich nur umstndlich und

    ig ins Deutsche bertragen: Aufgaben

    chiebung knnte man grob bersetzen. Undu diese Verschiebung verspricht den Umgang

    sychischen Erkrankungen in vielen Lndernrichtigen Bahnen zu lenken.

    Task Shing aufmerksam wurde ich ber dasube-Portal TEDtalks, in dem unter anderem

    enschaftler neue innovative Ideen in kurzen,

    nschaftlich und anregend gehaltenen Reden

    ellen. Dabei blieb mir das Video von Vikram

    , Psychiater und Professor fr International

    al Health, besonders im Gedchtnis. Seine

    war eine von denen, die so simpel klingt,

    man sich am liebsten sthnend an den Kopf

    n wrde und denkt: Na logisch, wieso ist da

    r frher drauf gekommen?

    barfssigen Doktoren

    harmantem indischem Akzent erklrt Patel

    Prinzip von Task Shifting. Dabei zerlegt

    komplexe Aufgaben mit viel theoretischem

    rgrund in ihre Einzelteile, um dieses Ba-

    ssen in kleinen Arbeitsschritten an Laien

    ermitteln. Was ein Psychiater an einer uni-

    tren psychiatrischen Klinik in der

    eiz kann, berspitzt formuliert, soll nachm Schritt auch ein Community Health

    ker, ein Mitarbeiter im Gesundheitswesen

    Dorfgemeinschaft, zum Beispiel in Gha-

    nnen.

    dee des Task Shifting ist keineswegs neu.

    Prinzip hat sich in der Medizin schon lange

    hrt. Mao Zedong erkannte 1940, dass fast

    hliesslich die urbane Bevlkerung Chinas

    Global Mental HealthDer Begriff Global Mental Health bezieht

    sich auf die Forschung und Praxis, die die

    Prioritt auf die Verbesserung der psychi-

    schen Gesundheit und die Gleichberechti-

    gung der Bevlkerung weltweit setzen. In-

    stitutionen wie Movement for Global

    Mental Health setzen sich fr diese Ziele

    ein. Die WHO deniert Psychische Gesund-

    heit als Resultat komplexer dynamischer In-

    teraktionen zwischen biologischen, psycho-

    logischen, sozio-konomischen, sozio-

    kulturellen und institutionellen Faktoren.

    Psychische Gesundheit ist somit nicht ein

    Zustand, der sich als Folge von persnlicher

    Disposition und individuellem Verhalten

    manifestiert, sondern ein vielschichtiger

    Prozess, der neben individuellen Aspekten

    massgeblich von exogenen Faktoren beein-

    usst wird (WHO, Mental Health Report,

    2001).

    Bildquelle:JamesDuncanDavidson

    Mental health for all by

    involving all. Vikram Patelmit erfreulichen Ergebnissen gibt, wurde noch

    kein einheitliches Rezept gefunden, in welcher

    Form Task Shifting stattfinden soll. Die Lnge

    der Ausbildung, Psychotherapierichtung und

    das Bildungsniveau der Community Health

    Worker variieren von Ort zu Ort aufgrund der

    kulturellen und konomischen Gegebenheiten

    des jeweiligen Landes. Die Idee steckt noch in

    den Kinderschuhen, birgt jedoch grosses Po-

    tenzial, bessere psychotherapeutische Versor-

    gung in Lnder mit niedrigem Einkommen zubringen und zudem auch hierzulande die The-

    rapie von psychischen Strungen effizienter

    und kostengnstiger zu gestalten. Hinter Task

    Shifting steckt die Idee, M enschen wieder ver-

    mehrt zurck zur Selbsthilfe, zur gegensei-

    tigen Hilfe in der Gemeinschaft zu bringen,

    anstatt jedes Problem zum Spezialisten zu tra-

    gen. Virkram Patels Slogan lautet Mental

    Zum WeiterlesenVirkam, P. (2003). Where There Is N

    atrist: A Mental Health Care Manu

    Beyond Words Series, The Royal Co

    Psychiatrists: London.

    Chibanda, D., Mesu, P., Kajawu, L.,

    F., Araya, R., & Abas, M. A., (201

    blem-solving therapy for depress

    common mental disorders in Zim

    piloting a task-shifting primary

    health care intervention in a po

    with a high prevalence of people liv

    HIV. BMC Public Health, 11(1), 828

  • 7/22/2019 14 Aware HS13

    8/25

    areHS13 HS1RUBRIKTITELTHEMA

    Der Begriff Psychologie etablierte sich erst

    im 19. Jahrhundert. Erste nachweisbare Ver-

    wendung nden sich nach Broek (1973) aller-dings schon Mitte des 16. Jahrhunderts in Ti-

    teln, die offenbar eine Theorie des Geistes

    versus der krperlichen Natur etablieren

    wollten. Als freies Fach innerhalb der Philoso-

    phie steht die Psychologie von Beginn an in ei-

    ner transdisziplinren Position mit berschnei-

    dungen zu Fchern wie Medizin, Theologie und

    Rechtswissenschaften, welche sich ebenfalls

    mit Themen wie Wille und Verantwortlichkeit

    des Menschen, Normalitt und Krankheit desDenkens und Wahrnehmens beschftigten

    (Schnpug, 2004).

    ber Aufklrung, Rationalismus und roman-

    tische Kulturphilosophie im Sturm und Drang

    rckte die Psychologie von moralischer Seelen-

    lehre hin zur Erforschung von Gefhl und Emp-

    ndsamkeit. Pdagogische Fragen zur Naturversus Anlage-Problematik fhrten schliesslich

    ber darwinistisch-physiologische Einsse zueiner Erneuerung in sich selbst durch die Ein-

    fhrung exakter Messmethoden im Sinne natur-

    wissenschaftlicher Forschung mit Begrndung

    der Psychophysik durch Gustav Theodor Fech-

    ner. Sptestens als Wilhelm Wundt 1879 seinLeipziger Laboratorium als das erste Institut fr

    experimentelle Psychologie grndete, war der

    Grundstein fr eine moderne, evidenzbasierte

    Forschung, die den Menschen als ein durch

    messbare Grssen beschreibbares Konstrukt

    verstand, gelegt (vgl. Schnpug, 2004).1889 war das Jahr des ersten Weltkongresses

    fr Psychologie, abgehalten in Paris. Das junge

    Abgrenzung der Psychologie als

    nstndige Wissenschaft fllt zeitlich

    mmen mit einer Erndung, die

    seits das technische Weltbild der Zeit

    rspiegelt und andererseits fantas-

    e Szenen abzubilden vermag: Film.

    haben sich das Medium Film, die

    mfabrik Kino und die junge Psycholo-

    eeinusst? Und wie sieht der typische

    lmpsychologe aus?

    osefine Biskup

    ino nden wir eine Ebene ber der Reali-ie realer ist, als die Realitt selbst, meint

    Philosoph und Lacan-Theoretiker Slavoj

    . Der Spiellm sei ein Konglomerat psy-gischer Extreme, lautet das Fazit seiner

    mentation The Perverts Guide to Cinema

    ). Neben dieser eventuellen metaphy-

    en Tiefe des Themas Psychologie und Film

    sich an dieser Stelle vorweg bemerken,

    alle ikonenhaften Momente der klassischen

    eschichte einen Fundus kollektiver Erin-

    gsbilder darstellen, aus dem sich schpfen

    der jedem zu Verfgung steht und der un-

    ller Kulturverstndnis beeinusst. Umge-ist jede Erzhlung auf verschiedensten

    en psychologisch interpretierbar (was auf

    atur natrlich ebenso zutrifft). Dies wren

    Voraussetzungen, von denen wir im Fol-

    en ausgehen werden doch das sind nicht

    inzigen Berhrungspunkte zwischen Film

    Psychologie.

    mehr handelt es sich um eine parallele, teil-

    direkt interagierende Entwicklung. Beide

    nden etwa um 1900 und haben vor allem

    gemeinsam: Die Beschftigung mit dem

    chen, mit Emotionen, Wahrnehmung, Er-ung und Erzhlung. Ausserdem diente das

    um Film schon frh nach seiner Entwick-

    der empirischen Messmethodik (beispiels-

    verhaltenspsychologischer Experimente).

    objektive, serielle und detailgetreue Abbil-

    grenzt den Film ab von den darstellenden

    ten und den literarischen Beschreibungen

    Sachverhalts. Die Bilder sind immer die-

    In order to understand todays

    world, we need cinema, literally.

    Its only in cinema that we get that

    crucial dimension which we are

    not ready to confront in our reality.

    If you are looking for what is in

    reality more real than reality itself,

    look into the cinematic ction.

    Slavoj iek

    selben, doch das Sehen ist immer ein anderes,

    denn Film ist immer Beobachtung und Darstel-

    lung zugleich. Die Gedanken von Autor, Ak-

    teur, Figur und Regisseur, der Blick von Kame-

    ra und Schnitt, Ton und Musik werden vermengt

    mit den Empndungen des Betrachters. Ihn zubeobachten und zu verstehen kann wiederum

    zum Experiment werden oder zur Therapie.

    Die Filmtherapie mag ein exotisches Phnomen

    im Rahmen tiefenpsychologischer Anstze und

    klinisch nicht wirklich relevant sein umge-

    kehrt nden sich im zeitgenssischen Kino nur

    wenige Darstellungen der hugsten therapeu-tischen Herangehensweisen (Kognitive Verhal-tenstherapie). Vielmehr orientieren sich die

    Drehbuchautoren an den gngigen und mittler-

    weile bald 100 Jahre alten Klischees des

    Couchneurotikers und des bsen Wissenschaft-

    lers. Dies ndert sich nur langsam.

    Hat das Missverstndnis also Tradition? Was

    hat die Stereotypenkiste zu bieten, ausser

    Freuds Diwan, Pavlovs Hund und Milgrams

    Stromkasten? Wo kollidieren und wo konver-

    gieren Film- und Psychologiegeschichte, wel-

    che Forschungsanstze haben sich mit diesen

    Fragestellungen bisher beschftigt und behlt

    iekam Ende Recht ist unsere heutige Weltnur durch die lmische Fiktion zu verstehen?

    Von Seelenkunde zur Messmethodik: Die

    philosophischen Anfnge der Psychologie

    und ihre naturwissenschaftliche Wende im

    Zuge der Moderne

    Die Anfnge der Psychologie reichen zurck

    bis in die Antike. Die Verwendung des altgrie-

    chischen psych (), fr Hauch/Atem und

    dementsprechend Leben, lsst sich erstmals in

    Homers Epen Ileas und Odyssee nachweisen

    (Klein, 2005). Die Seelenlehre der Orphiker,welche die Seele als unsterbliche, von der mate-

    riellen Welt unabhngige Instanz auffassten, ist

    ein erster Beleg fr die antiken Theorien zur

    Differenzierung von Krper und Geist, die in

    den folgenden Jahrhunderten die europischen

    Gelehrten beschftigen sollte bis heute. Je-

    doch blieb die Psychologie vorerst eine Teildis-

    ziplin der Philosophie.

    m Auge des Betrachtersychologie und Film

    TITELTHEMA

    Fach galt als modern, da es praktisc

    leistete, international-weltumspannen

    tung fand, sich den Naturwissensch

    herte und nicht zuletzt zum Wachstuversitten beitrug. Kognitivismu

    psychologie und Behaviorismus b

    drei theoretischen Gruppen, auf den

    chologie des 20. Jahrhunderts aufb

    Allerdings gab es eine klare Spaltun

    Vertretern der mechanistisch-expe

    Strmungen und der tiefenpsychol

    lytischen. So stand Sigmund Freud t

    generellen Kulturpositivismus der sellschaft der Moderne und dem t

    Fortschritt skeptisch gegenber. D

    als Prothesengott knne technisch

    tel zwar nutzen, doch sei er nicht mit

    wachsen und die scheinbare berleg

    re sich um in eine effektive Unzuldes Tierwesens (also des Menschen

    mittel, d. V.) angesichts der mechani

    lisierung (Schnpug, 2004).Freuds Unmut zum Trotz feierte die sierung und mit ihr die Technisieru

    folgenden Jahren grosse Erfolge. S

    zahlreiche technische Neuerungen d

    nen Menschen zu einem einfacheren

    die Analogie Mensch-Maschine wa

    wie in wissenschaftlicher Literatur

    Fortschritt und Technik gehrten un

    zusammen. Viele Erndungen der Zeihrer Essenz bis heute Bestand (

    Rntgenapparat, Telefon, Aspirin,

    etc.). Eine dieser Erndungen solltdem Medium werden, das die gng

    von Wahrnehmung, Informations

    und Narration in einem bisher unge

    Ausmass revolutioniert hat: Film.

    Historische Zusammenhnge zwi

    Film und Psychologie: Unterhaltu

    Chronofotograe und Lehrlm

    Als Zeit der Apparate beschreib

    gener die ausgehenden 1880er: D

    konstruierte neue diagnostische und

    telle Gertschaften, die Neurologie

    tierische Elektrizitt entdeckt und

    Bildquelle:JosefneBiskup

  • 7/22/2019 14 Aware HS13

    9/25

    areHS13 HS1TITELTHEMATITELTHEMA

    Theatergattung, die mrchenhaften Stoff zum

    Anlass nahm, viel Kostm, Effekt und Trick

    auf der Bhne einzusetzen. Mlis fhrte dies

    ber in den narrativen Film und benutzte das

    Medium in diesem Sinne als Erster, um ma-

    gische und bernatrlich Szenen darzustellen.

    Sein wohl bekanntester Film ist Le Voyage

    dans la Lune (1902), nach einer Vorlage von

    Jules Verne. Das erste Bild zeigt eine Gruppe

    Gelehrter in einem mittelalterlichen Vorle-

    sungsaal voller astronomischer Apparate. Man

    plant eine Mondmission. Die in ihren Talaren

    etwas clownesk anmutenden Wissenschaftlergehen ber ins zweite Bild, um nun vor der

    Kulisse einer modernen Fabrik an einer Rakete

    zu bauen. Auf den Dchern der Stadt schmau-

    chen die Schornsteine. Die Rakete, ein gigan-

    tisches Projektil, wird per Kanone zum Mond

    gefeuert. Nachdem die Wissenschaftler die

    verzauberte Mondwelt erkundet haben, die

    sich als unberhrte Natur mit primitiver Be-

    vlkerung entpuppt, wird sich zurck zur zivi-

    lisierten Erde gerettet, um nun mit Orden be-

    hangen zu werden und einen gefangenen

    Mondbewohner vorzufhren. Am Ende tanzen

    Wissenschaftler und Assistentinnen in knap-

    pen Kostmen um eine Statue, die eher einem

    Zauberer als einem Gelehrten gleicht. Diese

    Persiflage auf die Magie des Fortschritts zeigt,

    wie naheliegend Vergleiche mit Alchemie,

    Mystizismus und Pseudowissenschaften wohl

    in Anbetracht all der umwlzenden Entwick-

    lungen der Zeit lagen (vgl. Frankenstein).

    Man konnte dem Film als Zeitvertreib durch-

    aus eine Tendenz zur Effekthascherei und Zir-

    kusklamauk unterstellen. So ging es Freud mit

    dem Kino, ihn vermochte es nur als unterhalt-

    same Spielerei zu beeindrucken (belegt z. B. in

    einem Brief aus Rom 1907 an seine Familie,vgl. Karl Sierek in Jaspers & Unterberger2006, S. 44.), was angesichts der vermeint-

    lichen Macht des Films, surreale Traumwelten

    abbilden zu knnen und durch Montage und

    Effekte auch Gedankensprnge und innere

    Welten eines Charakters darzustellen, viel-

    leicht im ersten Moment berraschen mag.

    Wre der Film nicht das ideale Medium,

    jektor liessen sich die menschlic hen Sinne

    teils aufzeichnen, sowie auch die Speicherung

    und bertragung von Reizen und Informatio-

    nen modellhaft darstellen. Der Film als Medi-

    um scheint usserst geeignet, um Fallbeispiele

    und Forschungsanliegen allgemein zu ergn-

    zen und die Kamera findet schnell Einzug in

    moderne Labors der Zeit (vgl. Mai Wegener in

    Jaspers & Unterberger, 2006).1895 fanden in zahlreichen Metropolen erste

    ffentliche Filmvorfhrungen statt. Auguste

    und Louis Lumire zeigten in Paris den Kurz-

    film La Sortie de lUsine Lumire Lyon(1895) (dt.Arbeiter verlassen die Lumire-

    Werke), den sie mit ihrem Cinematographen

    aufgenommen hatten. Eine Standkamera zeigt

    den Menschenfluss aus dem Industriegebude,

    schwarz-weiss und stumm. Es mag Zufall sein,

    doch auch in diesen ersten Filmversuchen

    zeigt sich die Nhe des industrialisierten Men-

    schen zur Maschine: Gefilmt wird das Werk,

    aus dem die Angestellten strmen, das Rattern

    der Projektoren der Zeit erinnert an Fliess-

    bandarbeit und die Personen werden nicht als

    Individuen dargestellt, sondern als Produkte

    und Produzenten einer mechanisierten Welt.

    So bilden diese ersten Stummfilme die kultu-

    relle Vorbedingung ihres Erfolgs ab. Weitere

    beliebte Darstellungen waren zum Beispiel ein

    einfahrender Zug, oder die Radiologie als

    Schnittstelle zwischen Magie und Medizin:

    Der durchsichtige Mensch wird gleichermas-

    sen zum untoten Gerippe, zum umgekehrten

    Memento Mori seiner Zeit. Die verblffende,

    bermenschliche Dimension der technischen

    Errungenschaften liess sich nun gewissermas-

    sen virtuell-visuell bekrftigen und verewigen.

    Die nicht weniger berwltigende Kraft der

    bewegten Bilder selbst faszinierte auch Pio-niere des Unterhaltungskinos wie Georges M-lis. Die Vorfhrung der Brder Lumire ver-

    anlasste ihn dazu, sein wenig lukratives

    Theater zum Kino umzursten und selbst zu

    filmen. Zwischen 18961912 produzierte er in

    Frankreichs erstem Filmstudio ber 500 Filme

    verschiedener Genres. Bekannt ist er vor allem

    fr seineFeries eine damals sehr beliebte

    ter und unbelebter Materie scheint die

    zziehung in Anbetracht der neuen Erkennt-

    , vor allem der Elektrophysiologie, zuneh-

    willkrlich. Die Existenz eines Lebens-

    es wird angezweifelt; man sucht nach

    n, mechanistischen Erklrungen fr die

    mmenhnge zwischen Geist und Materie.

    dazu auch Frankenstein or The Modern

    etheus (1818) von Mary Shelley, 1931

    mt von James Whale mit Boris Karloff inHauptrolle als Flickwerk aus Leichenteilen,

    durch medizinische Apparate wieder zum

    en Monster erweckt wird eine Fantasiehen Galvanismus und Alchemie.)

    Sinnes- und Nervenapparat soll nun die

    tionalitten des menschlichen Verhaltens

    ren. Mittels Fotoapparat, Grammofon,

    fon und nicht zuletzt Filmkamera und Pro-

    errckt nach Film? Adressen in Zrichrnab des Blockbuster-Kinos.emenkino in Zrich hat Tradition: DieArt-

    use Kinos haben sich dem qualitativen

    udiolm verschrieben, das lmpodium

    etet Programmkino in Form von Themen-

    hwerpunkten und Vermittlung des Films

    Kunstform, im Herbst beherrscht das

    mfestival die Kinos. Fr Studenten er-

    hwinglich lockt am Campus die Filmstelle

    r ETHjeden Dienstag whrend des Seme-

    rs: Klassiker, Dokumentationen und Au-

    renlme zu einem Themenkomplex bilden

    s Programm (vergangene Zyklen: manipu-

    rte Realitten, Aussenseiter, Drugged up

    ality, etc.). Eine vertiefte Auseinanderset-

    ng und anregende Diskussion bieten die

    rfhrungen des Vereins Cinpassion: An

    hn Samstagen im Jahr werden ausge-

    hlte Spiellme im Zrcher Arthouse Kino

    ovie gezeigt und anschliessend von Psy-

    oanalytikerInnen kommentiert und mit

    m Publikum diskutiert. Die nchste Vor-

    llung ndet am 28. September 2013

    att, mit anschliessender Buchvernissage

    n Cinpassion reloaded eine psychoana-

    ische Filmrevue, Psychosozial Verlag.

    fe der Filme den Vorwurf zu entkrft

    sterie der Frau sei vorgetuschtes T

    konnten die klinischen Aufnahmen

    Reichert die Nhe zu Unterhaltunwie Theater, Variet, Jahrmarkt u

    schau nicht leugnen, bedienten sie sic

    Stilmittel lmischer Dramaturgie unund blieben so letztlich knstliche

    rungen eines wissenschaftlichen In

    nderte sich erstmals mit den Filmen

    nischen Neurologen Camillo Neg

    Hysterie, Parkinson und Epilepsie

    hatten und ein neues Genre begrnLehrlm. Im Gegensatz zum Studiees hier weniger um Diagnostikkriter

    die mglichst anschauliche Erzhlun

    thologischen Symptoms im lmischNeben pdagogischer Stilmittel ndtate explizit erotischer Spiellme derNeuropathologia (1908) wohl, um

    fr mnnliche Betrachter unterhaltsa

    stalten. Auch die zehn 1898 entstand

    lme von Albert Londe unterstrKnstlichkeit der Inszenierung von v

    pischen Phasen des hysterischen A

    leptoide Phase, Possenphase, Clown

    Phase der leidenschaftlichen Gebrd

    Endphase), die pnktlich fr den

    graphen von Charcots Patientinnen

    wurden (Reichert, 2006).

    Um 1900 war der Kinematographzur Aufzeichnung in zahlreichen

    niken Europas selbstverstndlich ge

    wissenschaftlichen Publikatione

    Filmaufnahmen jedoch selten Ve

    Ausnahmen bilden Georges Mari

    das Medium getreu eines phys

    gischen Ansatzes als naturwissens

    Verfahren einsetzte und in acht Aufsschen 1899 und 1902 entsprechend

    abbildete, um seine Thesen nicht n

    trieren, sondern zu belegen und A

    Gehuchten, der seit 1905 einen umf

    filmischen Atlas angelegt hatte und

    Filmstreifen als Nachweis patholog

    wegungsablufe im Rahmen eines F

    publizierte (Reichert, 2006).

    herrschaft als Ergnzung zu den schriftlichen

    Fallprotokollen. Zahlreiche psychiatrische und

    neurologische Kliniken in Europa allen vo-

    ran die Pariser Salptrire unter Jean-Martin

    Charcot (ein spterer Lehrer Freuds) richte-

    ten fotografische Laboratorien und Bildarchi-

    ve ein. Der beobachtende Blick des Spezia-

    listen wurde dem neutral aufzeichnenden

    Apparat untergeordnet. Vor allem der hyste-

    rische Krper mit den symptomatischen Bewe-

    gungsablufen schien ein geeignetes For-

    schungsobjekt fr die Chronofotografie (die

    fotografische Dokumentation von Bewe-

    gungen oder Prozessen). So entstanden soge-

    nannte sprechende Portraits, die patholo-

    gischen Fllen individuell zugeordnet und

    deren Symptome handschriftlich dokumentiertwurden. Die Bilder genossen ein hohes Anse-

    hen in Fachkreisen und das Pariser Modell des

    pathologischen Bildarchivs wurde rasch zum

    festen Bestandteil medizinischer Forschung

    und Lehre (vgl. Reichert, 2006, Das Kino in

    der Klinik. Medientechniken des Unbewusstenum 1900, in Jaspers & Unterberger, 2006).Auch wenn es Charcots Bestreben war, mit Hil-

    Freuds Idee des Unbewussten, des freien Asso-ziierens die augenscheinlichen Grundpfeiler

    der Psychoanalyse abzubilden? Spter wird

    er ber Die Traumdeutung (1900), schreiben,

    der entscheidende Einfall, dass der Traum der

    Schlssel sei, sei ihm 1895 gekommen, dem

    Jahr der ersten Filmvorfhrungen in Europa

    (1895 in Berlin und Paris, 1896 in Wien). Al-

    lerdings lehnte er zeitlebens den Film als Me-

    dium zur Vermittlung seiner Theorien ab. So

    schlug er Angebote von Samuel Goldwyn und

    Georg Wilhelm Pabst (Geheimnisse einer See-

    le(1926)), in Filmen ber die Psychotherapie

    mitzuwirken, mehrfach entschieden aus (vgl.

    Horst Bredekamp in Jaspers & Unterberger2006, S. 36.). Dies hinderte allerdings weder

    Regisseure noch Theoretiker daran, Kino undAnalyse einander nher zu bringen.

    Kamera und Film im Sinne neuster Technolo-

    gie erfreuten sich allerdings unter den meisten

    Medizinern als Werkzeug grosser Beliebtheit.

    Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde die

    medientechnisch ausgerstete Klinik zur Nor-

    malitt. Serienfotographie, Chronofotografie

    und Kinematografie konkurrierten um die Vor-

    Bildquelle:AlbertLonde/commons.wikimedia.com

  • 7/22/2019 14 Aware HS13

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    areHS13 HS1TITELTHEMATITELTHEMA

    sich tlpelhaft und ungeschickt an skurrilen

    Heilungsmethoden, die selten den Patienten

    schdigen, ihm aber auch nicht weiterhelfen. In

    den 30er-Jahren dominiert Dr. Evil, der dem

    Mad-Scientist entspricht. Er tritt bswillig, kon-

    trollierend und perde auf und mchte den Pati-enten absichtlich krank machen oder unange-

    nehmen Behandlungsmethoden unterziehen.

    Dem tritt in den 1940er und 1950er-Jahren der

    GutmenschDr. Wonderfulentgegen, der einfach

    alles richtig macht; genial und doch menschlich

    ist, mit einem perfekten Einfhlungsvermgen

    und einem untrglichen Gespr fr verdrngteTraumata (Schneider, 1985). Dieser Stereotyp

    wird als Folge der positiven Erfahrungen von

    Veteranen mit Therapeuten nach dem Zweiten

    Weltkrieg gesehen. Dieses goldene Zeitalter der

    Psychotherapiedarstellungen von 19571963

    ende wohl aufgrund der Expertenkritikerdebat-

    te, die Mitte der 1960er-Jahre als ernchterte

    Reaktion auf die Euphorie der 50er folgte. Pro-

    fessionalisierung wird kritischer gesehen und

    insbesondere die Psychiatrie steht unter dem

    Verdacht, potenzielles Unterdrckungsinstru-ment eines repressiven Systems zu sein, das in-

    dividuelle Pathologisierung nutzt, um gesell-

    schaftliche Missstnde zu bertnchen (Gabbard

    & Gabbard, 1987; 1999). Die negativen Impli-

    kationen kulminieren in den Filmen der 1970-

    80er: One ew over the Coockos Nest (1975),

    Nuts (1987),Dressed to Kill (1980) und Ordina-

    ry People (1980), sind Beispiele fr drastische

    Gegenentwrfe zu den Gttern in Weiss, gefolgt

    von einer eher komdiantischen Verarbeitung in

    den folgenden Jahren (What About Bob (1991),

    Analyze This(1999)), so Herb.

    Fr die Zeit zwischen 1980 und 2005 sieht Herb

    die Leistungsrolle des Psychotherapeuten im

    US-Amerikanischen Spiellm wieder vielfl-tiger. Dabei scheinen fr sie die Konikte zwi -schen Gut und Bse in drei Themenfeldern be-

    sonders deutlich zu sein: Die Expertise des

    Therapeuten zwischen Wissen und Macht. Eine

    potenziell stigmatisierende Diagnose oder Ein-

    weisung htten die Exklusion aus der Gesell-

    schaft zur Folge. Im Kontext der Professionali-

    sierungskritik besteht hier also die Gefahr, dass

    raffer, Makro- Mikro und Rntgenaufnahme

    sichtbar gemacht werden knne, so Reichert.

    Die Nhe von Film und Wissenschaft wird hier

    durch das Betonen der Sinneserweiterung deut-

    lich: Nicht die Themen sind eine neue Errungen-

    schaft, sondern die technische Umsetzung. Pro-zesse, die dem Auge sonst verborgen waren,

    treten nun zu Tage und werden wortwrtlich

    objektiv fassbar (vgl. Reichert, 2006). Heute ist

    nahezu jeder Bildschirm mehr denn je Trger

    eines Mediums mit hohem Realittsbezug; eine

    Referenz, aus der kulturelles Wissen unserer

    Zeit geschpft werden kann. Wo Dokumentati-onen und Nachrichten (bzw. Handyvideos) ob-

    jektive Einblicke bieten, stellt der Spiellm(oder die Serie) das Medium dar, das ber eine

    knstliche, fantastische Vorstellung eine affek-

    tive, persnliche Reaktion auslst. Somit stellt

    sich die Frage, welche Auswirkungen die Dar-

    stellungen von Therapie und Therapeuten im

    Film auf Erwartungen des Zuschauers bezglich

    der Realitt haben.

    Die Bsen tragen keine Brillen: Stereo-

    typen von Psychologen im Spiellm und

    Erklrungsanstze aus der Forschung

    Wie Psychologen (und insbesondere Psychothe-

    rapeuten) im Film dargestellt werden, unter-

    sucht beispielsweise Silvia Herb in Psychoana-

    lytiker im Spiellm. Mediale Darstellungen

    einer Profession (2012). Das wissenschaftslite-

    rarische Interesse am Thema zeige sich in den

    1940ern noch in eher essayistischen Texten und

    verlaufe zyklisch mit einer zweiten Publikati-

    onswelle in den 1980ern und einer weiteren in

    den 2000ern (Herb, 2012). Irving Schneider

    analysierte 1985 in einer empirischen Untersu-chung 207 US-Amerikanische Spiellme und

    leitete daraus drei bereits fr die frhe Filmge-schichte charakteristische Typen des Psychiaters

    ab: Dr. Dippy in 35%,Dr. Evil in 15% und Dr.

    Wonderful in22% aller untersuchten Filme. Es

    verwundert nicht, dass die Sicht auf den Thera-

    peuten zwischen Idiot, Bsewicht oder per-

    fektem Held ber die Jahrzehnte schwankt. Dr.

    Dippy, der Slapstick-Charakter und als ltester

    Prototyp dem Stummlm entwachsen, versucht

    Krise der Wahrnehmung und das

    ch Unbewusste: Siegeszug des Films

    Medium

    er zunehmenden Differenzierung des Films

    ttungen und der Fortschritte der Technik in

    Bereichen entfernten sich klinische Bild-

    ng und Kino immer weiter voneinander.

    Lehrlm und die Aufnahme von Prozessenn ihren Platz in der psychologischen For-

    ng; gleichzeitig wurde das Kino komplexer

    psychologischer: Von den Anfngen im

    mlm und Zeichentrick, in denen die Fi-

    n oft berzeichnet und die Emotionen dra-h erscheinen, ber die goldene Hollywoo-

    des amerikanischen Studiokinos mit

    yend erweitert sich das Spektrum der Er-

    echniken und Genres. Jeder Spiellm bietetm fr Analysen, doch manche Stilarten spie-

    irekt und explizit mit der psychologischen

    ponente: Der Film Noir verlegt die Emoti-

    aus den Handelnden in die Szenerie, der

    renlm spiegelt die Handschrift des Regis-wider. In Animationen scheint alles mg-

    nichts ist zu verrckt, gewaltttig oder ab-

    als dass es nicht dargestellt werden knnte.

    psychologische Prosa schreibt Alfred

    in, Schriftsteller und Neurologe, 1913,

    e der Krise der Wahrnehmung des Men-

    n in einer industrialisierten Metropole nicht

    gerecht werden. In seinem Berliner Pro-

    mbetont er den Vorzug der Psychiatrie ge-

    ber der Psychologie: Das objektive Messen

    vor allem der Kinostil werde der unge-

    n Menge des Geformten eher gerecht. Wo

    d also das Ideal vermisste, gesteht Dblin

    Filmischen seine Aktualitt und Brisanz zu.

    ese Zeit der schnellen Entwicklungen ge-

    ein ebensolches Medium. Rund zwanzig

    spter, 1931, spricht Walter Benjamin zumn Mal vom Optisch-Unbewussten, derllen Dimension der materiellen Welt, die

    nur durch die technische Erweiterung der

    nehmung, wie man sie durch Zeitlupe und

    rsserung erreiche, sichtbar machen lasse.

    Sigfried Gideon spreche inDie Herrschaft

    Mechanisierung (1948)von einem unsicht-

    Gebiet, welches nur mit Zeitlupe, Zeit-

    via Herb anmerkt, dass die Soziolo

    Bewertungen einen zustzlichen Rea

    verschaffen kann. Konkret zeigt sich

    weise, dass die Machtverhltnisse in

    sionellen Beziehung zwischen The

    Klient auch in der Realitt einem G

    sprechen, das missbraucht werden k

    sichts der wenigen Flle, in denen sic

    bergriffe tatschlich ereignet habe

    grndete Sorge? Nach Erklrungen f

    otypen Fehldarstellungen suchen viein einem zweiten Schritt im Sinne

    gischer Ursachen: Es sei eine versteim Spiel, liest man da nur zu oft. An

    bermacht des vermeintlich allwisse

    rapeuten. Angst vor Grenzbersc

    Angst vor Machtmissbrauch. Daher

    Profession verzerrt dargestellt, ins L

    gezogen oder im Extrem berzeichne

    gungsbeziehung wie auch als hollywoodeskes

    Love-conquers-all- Prinzip verstanden, das da-

    von ausgeht, dass die Liebe jedes Problem

    schliesslich beseitigen kann die Liebenden

    werden untersttzt und besttigt. Fr die reale

    Therapie stellten gerade besonders positive,

    einfache Problemlsungen eine Herausforde-

    rung dar, da Patienten mglicherweise mit von

    solchen Bildern genhrten Erwartungen an eine

    Therapie herantreten knnten, nur um ent-

    tuscht festzustellen, dass es weder PrinceCharming noch die einfache Therapie in zehn

    Schritten gibt. (vgl. Herb, 2012).

    Was allen psychologisch-psychoanalytischen

    Forschungsanstzen zum Thema Film und The-

    rapie gemein ist, ist einerseits die Einordnung

    der Darstellungen in falscheund verzerrte Dar-

    stellungen der Profession so weit im Sinne

    eines Realittsvergleichs vertretbar wobei Sil-

    menschliches Versagen oder bswillige Grenz-

    berschreitung den Patienten dem Spezialisten

    hilos ausgeliefert berlassen (vgl. dazu auchSide Effects (2013)). Das zweite Feld,Empathie

    zwischen s ozialer hnlichkeit und Distan z, be-

    zieht sich auf einen Konikt, der sich in der Re-alitt laut Herb nicht besttigen lsst: In Filmen

    ussern die Klienten eher Kritik an dem Thera-

    peuten, wenn er sich durch eine bessere soziale

    Stellung nicht einfhlen knne. Der letzte

    Themenkomplex, Interaktion bezglich Nheund Distanz, beschftigt sich mit der therapeu-

    tischen Beziehung zwischen notwendiger Ver-

    trautheit und unangemessener Intimitt: Im

    Film erscheinen Therapeuten ihren Emotionen

    hilos ausgeliefert, knnen sich nicht abgren-zen und gehen gar Liebesbeziehungen zu ihren

    Patienten ein. Speziell dieser Fall wird von vie-

    len Autoren als Missverstndnis der bertra-

    Bildquelle:EinerogberdasKuckucksnest/WARNER

  • 7/22/2019 14 Aware HS13

    11/25

    areHS13 HS1TITELTHEMA VERWEIS

    scheiden. In Treatment (2008), macht sich das

    Potenzial der Daily Soap zu Nutze: Jede Episo-

    de ist einem Klientengesprch gewidmet, im

    Abstand einer Woche, immer zur selben Zeit.

    Therapeut Dr. Paul Weston (Gabriel Byrne)

    fhrt fr 25 Minuten das Patientengesprch,

    der Dialog trgt die Sendung.

    Es ist dieser dialogbasierte Zugang, der einer-

    seits eine moderne Psychotherapie auszeichnet,

    andererseits knnte auch das der Zugang zum

    Thema Therapie im Film sein: Die Modelle und

    sogar Extreme in der Fiktion knnen im besten

    Fall Anlass bieten, ein offenes Gesprch einzu-leiten in der Therapie wie auch in der For-

    schung zwisachen Wissenschaft, Gesellschaft

    und Medien. Die Leinwand kann eine Projekti-

    onsche sein, auch fr reale Innovationen.

    social constraints and so on, Im not able to

    enact it. So that, precisely because I think its

    only a game, its only a persona, a self-image I

    adopt in virtual space, I can be there much

    more truthful. I can enact there an identity

    which is much closer to my true self. (The

    Perverts Guide to Cinema (2006)).

    Die Magie des Kinos wre demnach der starke

    emotionale Glaube an diese Illusion; die F-

    higkeit, sich in die Fiktion einzufhlen, ob-

    wohl die Virtualitt des Gezeigten durch das

    Medium selbst klar gegeben ist: Nichts auf der

    Leinwand ist real und dennoch ist es eine realeIllusion, der wir erliegen, wenn wir fasziniert

    sind von den imaginren Charakteren, ihren

    plotdienlichen Handlungen, ihren vorgespie-

    lten Emotionen.

    Diese beiden Zitate illustrieren die Kraft, die

    von der Illusion einer menschlichen Beziehung

    im Film ausgehen kann. Noch strker als ein

    Film kann die Serie eine Anhngerschaft an

    sich binden; die Charaktere werden diskutiert

    diese Art parallele Realitt bildet nicht nureine Spielflche fr persnliche Involviertheit,

    sondern auch einen gemeinsamen Hintergrund.

    Erinnerungen, die das internationale Publikum

    verbinden; Charaktere werden zu gemeinsamen

    Bekannten, die zum Gesprchsthema und so zu

    Erzhlungen in sozialem Kontext fernab des

    Kinos werden in diesem Sinne tatschlich

    nicht von real existierenden Personen zu unter-

    ty of the Screen is more real than reality

    . Film als metaphysische Erkenntnist kann aber auch Spass machen. Erstaunli-

    weise spielt keiner der Autoren mit dem

    nken, dass der Betrachter sich durchaus

    dem Therapeuten identifizieren knnte.

    em schusseligen, tollpatschigen Analyti-

    der eben: Dem Bsen. Wenn man an Dr.

    use (die Titelfigur des internationalen

    mfilmerfolgs von Fritz Lang 1922, basie-

    auf Norbert Jacques Romanvorlage) denkt

    geniale r Ganove, kei ner kann seiner Hyp-

    widerstehen, er maskiert sich perfekt, ver-ert den Antistaat, lebt nur nach seinen ei-

    n Regeln. Ein Mann mit tausend Gesichtern

    da s denn nic ht ein na rzisstisc her Wunsch-

    m? Mabuse wurde von Kritikern mit

    sches bermensch gleichgesetzt und er

    rpere den Zeitgeist der Weimarer Repu-

    ihre Abgrnde: Spielhlle, Nachtlokale,

    chie und Prostitution man denke an Otto

    Tryptichon Grostadt (1927/28). Soweit,

    moralisch. Doch warum sollte sich der Be-

    ter angstvoll und ehrfrchtig vor dem

    ecken verstecken, wo man doch gerade im

    die Mglichkeit hat, sich mit jeder Rolle

    entifizieren? Eben darin besteht die ein-

    ge Freiheit, welche die Fiktion bietet, wie

    k hervorhebt, wenn er von einer Ebeneder Realitt spricht. Er geht davon aus,

    der Fehler, den wir heute oft in der Ausei-

    ersetzung mit visuellen Fiktionen bege-

    der ist, dass wir sie nicht ernst genug neh-

    Auch er lehnt die Deutung des Betrachters

    chwache, ngstliche Person ab, wenn er

    ibt:

    example, people who play video games,

    adopt a screen persona of a sadist, rapist,

    ever. The idea is, in reality Im a weak per-so in order to supplement my real life

    ness, I adopt the false image of a strong,

    ally promiscuous person, and so on and so

    o this would be the nave reading... But

    if we read it in the opposite way? That this

    g, brutal rapist, whatever, identity is my

    self. In the sense that this is the psychic

    of myself and that in real life, because of

    Zum WeiterlesenJaspers K., & Unterberger W. (Hg.) (2006).

    Kino im Kopf. Psychologie und Film seit Sig-

    mund Freud.Berlin: Bertz und Fischer.

    Herb, S. (2012). Psychoanalytiker im Spiel-

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    Systematik der Psychologie. Ein Lehrbuch

    fr das Grundstudium.(2nd ed.). Weinhem,

    Basel: Beltz Verlag.

    Klein, H-D. (Hg.) (2005): Der Begriff der

    Seele in der Philosophiegeschichte.Wrz-

    burg: Knigshausen & Neumann.

    Ich kann mich gar nicht mehr in

    Spiellmguren einfhlen, seit ich

    vor allem Serien schaue; es kommt

    mir so vor, als wrde es sich gar

    nicht lohnen, diese Figuren nher

    kennenzulernen, wo wir ja nur 90

    Minuten zusammen verbringen

    werden. (Studentin), Immer,

    wenn die neue Staffel beginnt,

    werde ich ganz manisch und fange

    an zu spekulieren und lese Kritiken

    und Hypothesen zu jeder neuen

    Folge. (Filmwissens chaftlerin).

    aware on acid Mehr zu 70 Jahren LSDund weitere berauschende Artikelgibt es online: aware-magazin.ch

    Bildquelle:AlexGrey/alexgrey.com

    http://www.aware-magazin.ch/http://www.aware-magazin.ch/http://www.aware-magazin.ch/
  • 7/22/2019 14 Aware HS13

    12/25

    are HS1PSYCHOLOGIE & GESELLSCHAFTHS13 PSYCHOLOGIE & GESELLSCHAFT

    rend der Interaktion mit Konsumpro

    ergab, dass Produktdesigner berrasc

    sensorische Inkongruenz (z. B. durch

    ikt zwischen der Art, wie ein Objektstaltet ist und seiner haptischen, aud

    olfaktorischen Beschaffenheit) erzeug

    Diese berraschung motiviert dazu, da

    erkunden. Infolgedessen kann der Zus

    emotionale Erfahrung von Interesse, Boder Enttuschung bergehen.

    Wut und Ekel

    Wut und Ekel sind wohl die ungew

    Emotionen, die man mit dem Begri

    assoziieren wrde. In Anbetracht der

    schichte knstlerischer Zensur und

    Unterdrckung verwundert dies jedo

    ness) besteht darin, dass Interesse eher in

    Verbindung mit physiologischen

    Aktivierungszustnden und dem Verlangen nach

    nherer Erkundung des Gegenstandes steht. In

    empirischen Studien konnte gezeigt werden, dass

    Interesse ein strkerer Prdiktor fr die

    Betrachtungszeit von visuellen Stimuli ist als

    reines Wohlgefallen (Silvia, 2006). In

    emotionstheoretischer Hinsicht dient Interesseprimr der Erweiterung von Wissen es motiviert

    Denken, Lernen, und Erkundungs-verhalten.

    berraschungNur wenige Studien haben bisher berraschung

    im Kontext von sthetischen Empndungen un-tersucht. Eine dieser Studien (Ludden et al., 2008)

    betrachtete die Erfahrung von berraschung wh-

    berwiegend auf den Bereich der visuellen bil-

    denden Kunst und basieren auf der Reizgrundlage

    von Gemlden. Diese scheinen insbesondere des-

    halb eine geeignete Grundlage fr psychologische

    Forschungsparadigmen zu sein, da sie statisch

    sind und sich nicht im Zeitablauf entfalten. Im

    Folgenden sollen einige, auf den ersten Blick eher

    ungewhnlich erscheinende, sthetische Emotio-

    nen kurz umrissen werden.

    Interesse

    Ein als interessant beurteilter Gegenstand weist

    einerseits die Eigenschaft auf, neu, komplex und

    unvertraut zu sein, andererseits sollte er fr den

    Rezipienten verstndlich sein (Silvia, 2007). Der

    Unterschied zum konventionellen sthetischenGefhl des Wohlgefallens (engl.: pleasing-

    empnden wir, wenn wir etwas

    nes wahrnehmen? Was sind sthe -

    e Emotionen, was verursacht sie und

    assen sie sich erklren? Mgliche

    worten knnten Erkenntnisse aus der

    hologischen sthetik und der

    osthetik liefern.

    Kristin Mllering

    Anfang des 18. Jahrhunderts hat man den

    nschaftlichen Gegenstandsbereich der s-

    k als Frage nach dem Schnen und von dert deniert. Diese Kontextualisierungsich mit unserer Alltagssprache: Der Aus-

    k sthetisch wird hug als Synonym fregriffe schn, wohlgefllig und an-

    hm verwendet. Gegenstndliche Bezugs-

    te des so bezeichneten sthetischen kn-

    unterschiedlichster Art sein: Ein Gemlde,

    Musikstck, oder Gegenstnde der Alltags-

    wie ein schmackhaft zubereitetes Gericht

    eine hochwertig gestaltete Espressotasse.

    e eindimensionale Denition wurde vor al-mit dem Aufkommen der modernen Kunst,

    s nicht lnger ausschlielich auf die Dar-

    ng von schnen bzw. angenehmen

    epten ankam, in Frage gestellt.

    orientierung des sthetikbegriffs

    amentale Kritik an dem Kunst- und

    etikbegriff vergangener Epochen (bei-

    weise durch den Philosophen Theodor Ad-

    in der Mitte des 20. Jahrhunderts) verwie-

    uf die Notwendigkeit einer Neuorientierung

    sthetikbegriffs: Eine Identikation des s-chen mit dem Schnen bzw. dem

    stlerischen konnte den tatschlich rele-

    n Kern der Wissenschaft nicht vollstndigsen. An diese Stelle trat die bis heute glti-

    terpretation der sthetik als Wissenschaft

    der sinnlichen Erfahrung und ffnete da-

    den sthetikbegriff fr Sinneserfahrungen

    llgemeinen und nicht nur auf der Ebene

    lerischer Kulturprodukte. Mit der

    amierten Allgegenwart des sthetischen

    te somit jedes Objekt unserer Umwelt

    Gegenstand sthetische Empndung werden,sodass sich die Frage stellt: Was ist das

    charakteristische Wesen von sthetischen

    Empndungen, wodurch werden diesehervorgerufen und was differenziert sie von

    gewhnlichen bzw. unsthetischen

    Erlebniszustnden? Der Philosoph Hans-Georg

    Gadamer bemerkte in seinem Aufsatz sthetik

    und Hermeneutik von 1964 dazu folgendes:

    Die Vertrautheit, mit der das Kunstwerk uns

    anrhrt, ist zugleich und auf rtselhafte Weise

    Erschtterung und Einsturz des Gewohnten.

    Gadamer verweist damit auf das Charakteristi-kum des sthetischen: Es ist eine sonderbare

    Betroffenheit durch die Art und Weise, wie sich

    ein sthetisches Objekt aus einem alltglichen

    Kontext und einer gewohnten Szenerie hervor-

    hebt und die routinierten Strukturen unseres

    Wahrnehmens, Denken und Handelns durch-

    bricht.

    sthetische Psychologie

    Welche emotionalen und kognitiven Wirkungen

    werden durch die Wahrnehmung des stheti-

    schen ausgelst? Dies ist der Forschungsge-

    genstand der sthetischen Psychologie. Die

    oben erluterte Interpretation der sthetik als

    Wissenschaft von der sinnlichen Erfahrung

    bietet einen ersten Anknpfungspunkt zwischen

    sthetik und Psychologie. Ein zentrales The-

    mengebiet der Psychologie stellt die Sinneser-

    fahrung in all ihrer Komplexitt dar. So liegt es

    nahe, naturwissenschaftliche und experimentel-

    le Forschungsmethoden auf das Paradigma s-

    thetischer Wahrnehmung zu bertragen. Als

    Wissenschaft vom Erleben und Verhalten

    konzentriert sich die Psychologie auf die menta-

    len und affektiven Prozesse bei der Wahrneh-

    mung sthetischer Objekte.Der Philosoph David Hume postuliert in seinem

    Essay Of the Standard of Taste von 1757:

    Schnheit ist keine Eigenschaft an den Dingen

    selbst. Sie existiert nur im Bewusstsein des Be-

    trachters, und jedes Bewusstsein nimmt eine un-

    terschiedliche Schnheit wahr. Damit verweist

    Hume nicht nur auf die Wichtigkeit der interna-

    len Wahrnehmungsprozesse in der sthetik,

    sondern auch auf ihren subjektivistischen Cha-

    rakter. Jedoch wrde die Annahme vlliger Sub-

    jektivitt sthetischer Empndungen die psy-chologische Erforschung ebendieser von

    vornherein ad absurdum fhren: Denn als empi-

    rische Wissenschaft ist die Psychologie an der

    Aufdeckung von objektiven, universell gltigen

    Aussagen interessiert. Zge man sich auf die

    Grundannahme zurck, dass sthetische Erfah-

    rungen rein subjektive und hochindividualisierte

    Prozesse sind, wrde man von Anfang an die

    berhaupt erst zu untersuchenden Regelhaftig-

    keiten und Gesetzmigkeiten in sthetischenUrteilen verneinen und jeglichen Forschungs-fragen ihre hypothesenbasierte Grundlage ent-

    ziehen. Vertreter der sthetischen Psychologie

    sind folglich (per denitionem) nie von der vl -ligen Subjektivitt sthetischer Empndungenausgegangen. Vielmehr erforschen sie die allge-

    meinen (und eher objektivistischen als subjekti-

    vistischen) Prinzipien der sthetischen Wahr-

    nehmung.

    sthetische Emotionen und ihr multidimen-

    sionaler Charakter

    Welchen qualitativen Charakter haben die emotio-

    nalen und kognitiven Prozesse bei der Wahrneh-

    mung sthetischer Reize? Welche Facetten und

    Dimensionen knnen sthetische Emotionen an-

    nehmen? Bisher haben sich nur wenige Studien

    des multidimensionalen Charakters sthetischer

    Emotionen angenommen. Oftmals begrenzen sie

    sich lediglich auf die Dichotomien: schn/un-

    schn, angenehm/unangenehn oder positiv/nega-

    tiv damit wird der Bereich der sthetischen Ur-teile und Empndungen jedoch nur eindimensionalabgedeckt, auf weiterfhrende Aussagen, die den

    komplexen Charakter sthetischer Erfahrungen

    widerspiegeln knnten, wird damit zwangslugverzichtet. Aus theoretischer Perspektive wre

    ebenso das Auftreten von ungewhnlichen Emoti-

    onen wie Interesse, berraschung, Ekel, Verwir-

    rung und Wut denkbar. Hinweise auf eine Multidi-

    mensionalitt sthetischer Empndungen gebenbisher nur wenige empirische Studien (z. B. Silvia

    & Brown, 2007; Cooper & S ilvia, 2009). Beitrge

    der sthetischen Psychologie beziehen sich dabei

    Warum Schnheit schn istber sthetikempnden

    Bildquelle:Raphael(14831520)/commons.wikimedia.com

  • 7/22/2019 14 Aware HS13

    13/25

    areHS13 HS1PSYCHOLOGIE & GESELLSCHAFTPSYCHOLOGIE & GESELLSCHAFT

    1767) publizierte mit dem Werk Aesthetica ein

    Schriftwerk, das explizite Denitionen undAbgrenzungen zu anderen Wissenschaften

    enthielt. So bezeichnete er die sthetik als The-

    orie der sinnlichen Erkenntnis und bezieht sich

    damit auf ihre sprachliche Ableitung aus dem alt-

    griechischen Begriff asthsis. Ein Ausdruck, derProzesse der Wahrnehmung oder des Empn-dens bezeichne, womit all jene Bewusstseinsin-

    halte gemeint sind, die durch den Gebrauch der

    Sinne (im Gegensatz zur rein geistigen bzw. logi-

    schen Erkenntnis) generiert werden.

    und zum Teil evolutionspsychologische Funda-

    mente des sthetikempndens zu untersuchen,kamen neurosthetische Studien bisher zu dem