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Hochmittelalter (1170-1250) Die Erfahrungen der Kreuzzüge, die Stadtgründungen und das sich entwickelnde Stadtbürgertum, die Ausbreitung von Bildung und Wissenschaft führten zu neuen gesellschaftlichen Strukturen. Träger der neuen höfischen Kultur war das Rittertum. Das Ideal des Ritters war es, gesellschaftliche und religiöse Verpflichtungen miteinander zu verbinden. Der Wunsch, Gott und der Welt zu gefallen, war das Thema der gesamten mittelalterlichen Literatur. Die Leitbegriffe der ritterlichen Ethik waren 1) „êre“ (Ansehen); 2) „triuwe“ (Treue); 3) „milte“ (großzügige Freigiebigkeit und Erbarmen mit Schwächeren); 4) „staete“ (Beständigkeit); 5) „mâze“ (Charakterfestigkeit und Selbstbeherrschung); 6) „zuht“ (gutes Benehmen und Beherrschung der gesellschaftlichen Regeln); 7) „hoher muot“ (heitere Grundeinstellung); 8) „minne“ (Liebe). Mit der Minne widmete der Ritter sein Leben dem Dienst der höfischen Dame. Die adlige Frau hatte eine geachtete Stellung und konnte großen Einfluss ausüben. Der höfische Roman unterscheidet sich in Form, Stoff, Thematik und Absicht von der (daneben weiterbestehenden=existierenden) Heldendichtung. Die Romane spiegeln auch soziale Probleme wider. In den Vordergrund rückt neben dem „Liebesroman“ die märchenhafte Welt der Artusritter. Die Artuswelt übertrug Hartmann von Aue nach dem französischen Vorbild Chrétien de Troyes (~1135- 1190) auf deutsche Verhältnisse. Der britische Heerführer Artus (†527) wird zum Mittelpunkt der tapferen Ritterschar (Artusrunde, Tafelrunde). Der Artusritter vereinigt in sich die ritterlichen Idealvorstellungen und lebt im Einklang mit der Welt und mit Gott. Wolfram von Eschenbach (~1170-~1220) verband die Einzelthemen und Episoden (Märchen-, Artus- und Gralelemente) von Hartmanns Werken in seinem Parzival (1200/1210). Von ihm sind etwa 90 Handschriften (teils in Bruchstücken) erhalten. Parzivals Weg führt von kindlicher Unschuld über schuldhaftes Versagen zur Reue. Er reift mit Gottes Hilfe zum wissenden und fühlenden Menschen heran und kann am Ziel angekommen, Gott und der Welt

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Page 1: 2 Hochmittelalter_Heldenepik

Hochmittelalter

(1170-1250)

Die Erfahrungen der Kreuzzüge, die Stadtgründungen und das sich entwickelnde Stadtbürgertum, die

Ausbreitung von Bildung und Wissenschaft führten zu neuen gesellschaftlichen Strukturen. Träger der neuen

höfischen Kultur war das Rittertum. Das Ideal des Ritters war es, gesellschaftliche und religiöse Verpflichtungen

miteinander zu verbinden. Der Wunsch, Gott und der Welt zu gefallen, war das Thema der gesamten

mittelalterlichen Literatur. Die Leitbegriffe der ritterlichen Ethik waren 1) „êre“ (Ansehen); 2) „triuwe“ (Treue);

3) „milte“ (großzügige Freigiebigkeit und Erbarmen mit Schwächeren); 4) „staete“ (Beständigkeit); 5) „mâze“

(Charakterfestigkeit und Selbstbeherrschung); 6) „zuht“ (gutes Benehmen und Beherrschung der

gesellschaftlichen Regeln); 7) „hoher muot“ (heitere Grundeinstellung); 8) „minne“ (Liebe). Mit der Minne

widmete der Ritter sein Leben dem Dienst der höfischen Dame. Die adlige Frau hatte eine geachtete Stellung und

konnte großen Einfluss ausüben.

Der höfische Roman unterscheidet sich in Form, Stoff, Thematik und Absicht von der (daneben

weiterbestehenden=existierenden) Heldendichtung. Die Romane spiegeln auch soziale Probleme wider. In den

Vordergrund rückt neben dem „Liebesroman“ die märchenhafte Welt der Artusritter.

Die Artuswelt übertrug Hartmann von Aue nach dem französischen Vorbild Chrétien de Troyes (~1135-

1190) auf deutsche Verhältnisse. Der britische Heerführer Artus (†527) wird zum Mittelpunkt der tapferen

Ritterschar (Artusrunde, Tafelrunde). Der Artusritter vereinigt in sich die ritterlichen Idealvorstellungen und lebt

im Einklang mit der Welt und mit Gott.

Wolfram von Eschenbach (~1170-~1220) verband die Einzelthemen und Episoden (Märchen-, Artus- und

Gralelemente) von Hartmanns Werken in seinem Parzival (1200/1210). Von ihm sind etwa 90 Handschriften

(teils in Bruchstücken) erhalten. Parzivals Weg führt von kindlicher Unschuld über schuldhaftes Versagen zur

Reue. Er reift mit Gottes Hilfe zum wissenden und fühlenden Menschen heran und kann am Ziel angekommen,

Gott und der Welt gefallen. Wolfram betrachtete dichterische Arbeit als ritterliche Tätigkeit.

Gottfried von Straßburg, der dritte Epiker des Hochmittelalters, schafft Tristan und Isolde (1200/1210),

einen der wichtigsten Ritterromane des Mittelalters. Der Autor appeliert an das „edele herze“ des Publikums,

damit es dem Liebespaar Tristan und Isolde verzeiht. Die beiden haben unter der Wirkung eines Zaubertranks

gegen Isoldes Mann, König Marke, intrigiert. Man kann die Auflösung der geordneten ritterlich-höfischen

Gesellschaft hier bereits erkennen: Die Macht der Leidenschaft drängt höfische und religiöse Normen in den

Hintergrund.

Die Dichter der Heldenepen bleiben anonym. Die Motive und Gestalten der Heldenepen reichen zurück

bis in die Zeit der Völkerwanderung. Sippen- und Gefolgschaftstreue, Tapferkeit und kriegerische

Furchtlosigkeit sowie das Akzeptieren des vorherbestimmten prägen die Heldenepen. Das „Nibelungenlied“

entstand um 1200. Im Epos wurden germanische Stoffe, spielmännische Abenteuerschilderungen und ritterlich-

höfische Elemente miteinander kombiniert. Das umfangreiche Werk (über 2300 Strophen in 39 „Aventiuren“—

„Abenteuern“) ist in 2 Hauptfassungen erhalten.

Es ist nicht bekannt, welche Vorlagen der unbekannte Dichter benutzte. Konkrete, historisch fixierbare

Ereignisse (besonders für den ersten Teil), Sagen, Fabel- und Märchenelemente, Natursymbole, heidnische und

christliche Motive, uralte und neue Stoffe aus verschiedenen Quellen wurden miteinander verbunden.

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Die „Nibelungenstrophe“ besteht aus 4 Langzeilen mit je einem An- und Abvers:

Uns ist in alten mæren wunders vil geseitvon helden lobebæren, von grôzer arebeit,von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,von küener recken strîten muget ir nu wunder hoeren sagen. (Auszug)

In alten Geschichten wird uns vieles Wunderbare berichtet:von ruhmreichen Helden, von hartem Streit,von glücklichen Tagen und Festen, von Schmerz und Klage,vom Kampf tapferer Recken könnt Ihr jetzt Wunderbares berichten hören. (Auszug)

Der erste (Siegfried-)Teil berichtet von der Werbung des Burgunderkönigs Gunther um Brunhild.

Der edle Siegfried aus Niederlanden, der ihm dabei geholfen hat, bekommt zum Lohn Gunthers schöne

Schwester Kriemhild. Nach der Doppelhochzeit kommt es zw. den Königinnen zu Streitigkeiten um ihre

Männer und deren Macht und Rangfolge. Bald darauf erschlägt Hagen, ein burgundischer Krieger aus dem

prächtigen Königsgefolge, den tapferen Siegfried, um Brunhilds Beleidigung zu rächen.

Der zweite (Burgunden-)Teil berichtet von Kriemhilds zweiter Heirat mit dem mächtigen

Hunnenkönig Etzel und ihrer Einladung der Burgunden. Gunther und seine Brüder Gernot und Giselher

nehmen die Einladung ihrer Schwester an und ziehen mit ihrem Gefolge ins Land der Hunnen. Dort ereignet

sich, was sich in vielen Andeutungen und Vorwarnungen abgezeichnet hat: Kriemhild, die den Tod ihres

geliebten Siegfried noch immer beweint, lässt die Burgunden überfallen, und in dem anschließenden

Blutbad sterben beide Königshäuser mit ihren heldenhaften Kriegern aus (ausgemerzt). König Etzel,

Dietrich von Bern und sein Waffenmeister Hildebrand sind die einzigen Überlebenden.

Der erste (Siegfried-)Teil berichtet von der Werbung Gunthers um Brunhilde. Er war der König der

Burgunden. Er hatte noch zwei Brüder (Gernot und Giselher) und eine sehr schöne Schwester. Krimhild war

ihr Name. Sie lebte bei ihrer Mutter Ute in Worms. Über ihre Schönheit hörte auch Siegfried von Xanten,

ein herrlicher Held, der einen Drachen getötet hatte. Jetzt wollte er sie gewinnen. Siegfried half Gunther bei

der Werbung um Brunhilde. Dafür bekam er als Lohn Gunthers schöne Schwester Kriemhild.

Nach der Doppelhochzeit kehrten Siegfried und Kriemhild in die Heimat zurück. Nach zehn Jahren

kamen sie nach Worms zu einem Fest. Da kam es zu einem Streit zwischen den zwei Königinnen um ihre

Männer und deren Macht und Rangfolge. Bald darauf erschlug Hagen, ein burgundischer Krieger aus dem

prächtigen Königsgefolge, den tapferen Siegfried auf einer Jagd, um Brunhildes Beleidigung zu rächen.

Der zweite (Burgunden-)Teil berichtet von Kriemhilds zweiter Heirat mit dem mächtigen

Hunnenkönig Etzel und ihrer Einladung an die Burgunden. Gunther und seine Brüder Gernot und Giselher

nahmen die Einladung der Schwester an und zogen mit ihrem Gefolge ins Land der Hunnen. Dort ereignete

sich, was sich in vielen Andeutungen und Vorwarnungen angezeichnet hatte: Kriemhild, die den Tod ihres

geliebten Siegfried noch immer beweinte, ließ die Burgunden überfallen und in dem anschließenden Blutbad

starben beide Königshäuser mit ihren heldenhaften Kriegern aus. König Etzel, Dietrich von Bern und sein

Waffenmeister Hildebrand waren die einzigen Überlebenden.

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Das Epos gliedert sich in zwei Teile. Es hat über 2300 Strophen und ist in 39 „Aventiuren“ in 34

Handschriften und Fragmenten erhalten. Die Nibelungenstrophe besteht aus vier paarweise gereimten

Langzeilen. Jede Langzeile besteht aus zwei durch eine Zäsur geteilten Kurzzeilen. Die erste wird als

Anvers, die zweite – als Abvers bezeichnet. Der Anvers hat immer drei, der Abvers in den ersten drei

Verszeilen drei Hebungen, in der vierten Zeile aber vier. Die Zahl der Senkungen ist unbestimmt. Die

Anverse enden fast immer weiblich klingend, das heißt auf die letzte betonte Silbe folgt eine Silbe mit einer

Nebenhebung. Die Abverse enden meist männlich. Die vierte Betonung der letzten Halbzeile verleiht der

Strophe einen ruhigen und getragenen Ausklang. Die Sprache ist literarisch.

Das Nibelungenlied war schon im Mittelalter weit verbreitet.

Aufgaben zum Seminar:

lernen Sie das Thema;

finden Sie kurze Zusammenfassung des Nibelungenliedes;

finden Sie, wodurch sich die Nibelungenstrophe kennzeichnet;

finden Sie die Übersetzung der ersten Strophe des Nibelungenliedes.