2011-07-03-tagesspiegel-der-verkaufte-traum

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SONNTAG, 3.JULI 2011/ NR. 2tO23 RE] Der vcrkar Das Marchen von Täusendundeiner Nacht kann wahr werden in Marrakes, VoN Arqonre Nüssr Die Musiker, Köche und A]<robaten bevöl- kern abends wieder den Platz Djemaa el Fna, das Herz von Marrakesch und einen der berüLhmtesten Plätze Nordafrikas. In denkleinen Imbissen, die nur abends auf- gebaut werden, brutzeln und garen Kö- che vor den Augen der Kunden Fleisch- spieße, Schnecken oder die schmack- hafte marokkanische Schurba (Suppe). Drei junge Turner bilden eine menschli- che Pyramide. Marokkanische Familien Iauschen einem Trio von Thommlern. Zu- nächst ist nicht zu spüren, dass hier Ende April bei einem Terroranschlag auf das Caf6,,Argane" 17 Menschen starben. Das bekannte Lokal ist hinter einer beigefarbe- nen Plasti§lane versteckt. Doch davor le- gen Menschen Blumen nieder. Auf hand- gemalten Schildern steht ,,Nein zum Ter- ror". Fast täglich demonstrieren kleine Gruppen von Marokkanern gegen die Ge- walt. Denn der Anschlag hat viele Touris- ten abgeschreckt, der Souk ist fast ge- spenstisch ruhig, in vielen Hotels wur- den Zimmer storniert. So erging es auch fulia Bartels. Die 4l-iährige Deutsche führt eines der ele- gantesten Hotels in der Altstadt von Mar- rakesch, zwölf individuell eingerichtete limmsl in mehreren Riads, den traditio- nellen Wohnhäusern der Marokkaner. Gruppiert sind die Zimmer um einen In- nenhoi nach außenvöllig abgeschottel ei- nige mit schmiedeeisernem Balkon, an- dere mit eigener Dachterrasse. Palmen wachsen in den Innenhöfen, in einem kühlt ein Springbrunnen die Luft, in ei- nem anderen findet sich sogar einkleiner Swimminpool. Die verschachtelten Häu- ser und Höfe sind durch Glinge veöun- den, auf den Dachterrassenwird das Fnlh- stückserviert. Die gelernte Judstin mit den blond gs lockten Haaren hat das Hotel 2O03 '- h dem Tod ibres Vaters übernommen, * ag5 gfusmali8pn d€utsch€D Botscüfus in Rabat. der hir sainen Alterssohdtz fulia Bartels. So erging es auch ihrer deut- schen Kollegin Sabina Benchaira, einer gelernten Hotelfachfrau, die eines der ers- teu Riad-Hotels in der Altstadt aufge- macht hat, das.Sherazade'. Doch Ben- chaira ist Profi und prognos"ziert -Im Herbst, nach der heißen Sommerzeit, geht es wieder los.' Es gibt überraschend viele deutsche Frarrcq die in Mrtalesch ats Gescüäfts- frauen t;tig sind- Iulia Bartels, Sabina Bcochaira und gndra Erndinger, ge- in Marrakeschs Altstadt ein Hotel füh- ren', sagt Benchaira. Die deutschspra- chigen Frauen der Stadt haben sogar einen eigenen Stammtisch, zu dem sie sish sinmal im Monat treffen. Die 45-iährige Benchaira hat die Liebe nach Marokko verschlagen, bei ihrer ersten Interrail-Reise, die sie bis nach Marrakesch führte. Gemeinsam mit ihren mamkkanischen Ehemann er- öft€te sie 1997 ihr Hotel in der Alt- stadt, rlec mit seinen 23 Zimmern n mitGäsrehas'iE*!+rilhdc:.A[,]- lerüe rro.FtHfrm nrrt Bertrin fu den größten gehört. ,Damals hielten Vr"Dd6ah-Ern§fdr-lirr{r-r: r*- Ild- nill Bc{irrrflr'FrJricffrtn& sit- rms alle frr verrückt, die Marokkaner in dcr negin rnilEFlr-ir h. JLßü 6: d"= Rird ct Cdi JnsgEsmt sind '.'.€n€n Altbauten.'Bis dahin gab es &nenschlaglmenmA@eo', qt rirvi{hfoh z€lm d€utsche Freuen, die nur.billige, sehr einfache Herbergen in W Tummelplatz des Lebens. Am DjemoaelFnakörurmBesucherindiebrnteWehMarrokesclr

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SONNTAG, 3.JULI 2011/ NR. 2tO23 RE]

Der vcrkarDas Marchen von Täusendundeiner Nacht kann wahr werden in Marrakes,

VoN Arqonre Nüssr

Die Musiker, Köche und A]<robaten bevöl-kern abends wieder den Platz Djemaa elFna, das Herz von Marrakesch und einender berüLhmtesten Plätze Nordafrikas. Indenkleinen Imbissen, die nur abends auf-gebaut werden, brutzeln und garen Kö-che vor den Augen der Kunden Fleisch-spieße, Schnecken oder die schmack-hafte marokkanische Schurba (Suppe).Drei junge Turner bilden eine menschli-che Pyramide. Marokkanische FamilienIauschen einem Trio von Thommlern. Zu-nächst ist nicht zu spüren, dass hier EndeApril bei einem Terroranschlag auf dasCaf6,,Argane" 17 Menschen starben. Dasbekannte Lokal ist hinter einer beigefarbe-nen Plasti§lane versteckt. Doch davor le-gen Menschen Blumen nieder. Auf hand-gemalten Schildern steht ,,Nein zum Ter-ror". Fast täglich demonstrieren kleineGruppen von Marokkanern gegen die Ge-walt. Denn der Anschlag hat viele Touris-ten abgeschreckt, der Souk ist fast ge-spenstisch ruhig, in vielen Hotels wur-den Zimmer storniert.

So erging es auch fulia Bartels. Die4l-iährige Deutsche führt eines der ele-gantesten Hotels in der Altstadt von Mar-rakesch, zwölf individuell eingerichtetelimmsl in mehreren Riads, den traditio-nellen Wohnhäusern der Marokkaner.Gruppiert sind die Zimmer um einen In-nenhoi nach außenvöllig abgeschottel ei-nige mit schmiedeeisernem Balkon, an-dere mit eigener Dachterrasse. Palmenwachsen in den Innenhöfen, in einemkühlt ein Springbrunnen die Luft, in ei-nem anderen findet sich sogar einkleinerSwimminpool. Die verschachtelten Häu-ser und Höfe sind durch Glinge veöun-den, auf den Dachterrassenwird das Fnlh-stückserviert.

Die gelernte Judstin mit den blond gslockten Haaren hat das Hotel 2O03 '- hdem Tod ibres Vaters übernommen, *ag5 gfusmali8pn d€utsch€D Botscüfusin Rabat. der hir sainen Alterssohdtz

fulia Bartels. So erging es auch ihrer deut-schen Kollegin Sabina Benchaira, einergelernten Hotelfachfrau, die eines der ers-teu Riad-Hotels in der Altstadt aufge-macht hat, das.Sherazade'. Doch Ben-chaira ist Profi und prognos"ziert -ImHerbst, nach der heißen Sommerzeit,geht es wieder los.'

Es gibt überraschend viele deutscheFrarrcq die in Mrtalesch ats Gescüäfts-frauen t;tig sind- Iulia Bartels, SabinaBcochaira und gndra Erndinger, ge-

in Marrakeschs Altstadt ein Hotel füh-ren', sagt Benchaira. Die deutschspra-chigen Frauen der Stadt haben sogareinen eigenen Stammtisch, zu dem siesish sinmal im Monat treffen.

Die 45-iährige Benchaira hat dieLiebe nach Marokko verschlagen, beiihrer ersten Interrail-Reise, die sie bisnach Marrakesch führte. Gemeinsammit ihren mamkkanischen Ehemann er-öft€te sie 1997 ihr Hotel in der Alt-stadt, rlec mit seinen 23 Zimmern n

mitGäsrehas'iE*!+rilhdc:.A[,]- lerüe rro.FtHfrm nrrt Bertrin fu den größten gehört. ,Damals hieltenVr"Dd6ah-Ern§fdr-lirr{r-r: r*- Ild- nill Bc{irrrflr'FrJricffrtn& sit- rms alle frr verrückt, die Marokkaner

in dcr negin rnilEFlr-ir h. JLßü 6: d"= Rird ct Cdi JnsgEsmt sind '.'.€n€n

Altbauten.'Bis dahin gab es&nenschlaglmenmA@eo', qt rirvi{hfoh z€lm d€utsche Freuen, die nur.billige, sehr einfache Herbergen in

W

Tummelplatz des Lebens. Am DjemoaelFnakörurmBesucherindiebrnteWehMarrokesclr

tSE DER TAGESSPIEGEL R3

rfte Traumch. Auch Deutsche tragen daru bei und eroffnen Hotels in alten Gemäuern

Tüchti§: Sobirw Benchairs lulia Bartelsund Sandra WittliBer (v. linlcs) poto' ecniues

; einturcheru Ruheoasen finden sich in Hotels, etwa dem Riad el Cadi, Fotos: Imdgo, promo

der Altstadt, ohne individuelle Bäder.Wohlhabendere Gäste gingen aus-schließlich in die Hotels der Neustadt.

Es waren die Ausl2inder, die das Poten-zial der traditionellen Häuser erkannten.Von den etwa 1000 Riads in der Altstadtvon Marrakesch sind daher heute 90 Pro-zent im Besitz von Ausländern. Auch diemeisten Hotels werden von Ausländerngeführt. ,,Die Hotels der Marokkaner ent-sprechen nicht dem europäschen Ge-schmack", meint Benchaira. Dort f?indensich oft bunte Plastikblumen und kit-schige Gegenstände. .Wir verkaufen denTfaum von Täusendundeiner Nacht, so,wie die Europäer ihn sich vorstellen', er-kl?irt sie g:nz pragmatisch.

Doch die Konkurrenz ist groß gewor-den. Immer neue Riad-Hotels und Gäste-häuser eröffnen, insgesamt sollen es 600bis 800 in der Altstadt sein. Und in derNeustadtundamStadtrandindenPabnen-hainen werden weiterhin neue Hotels ge-baut. ,,Der Boom hält an", sagt die 3 l-j?ih-rige Wittlinger, die Hotels berät. Bei denFranzosen sei der Riad schon ,seit etwazehnfahren durch", sie gingen jetzt in Ho-tels im Palmenhain. Aber die skandinavi-schen linderund Osteuropa seien geradeerst dabei, Marrakesch und die Altstadtals Reisgziel zu entdecken, weil es erst seitkurzem günstige NonstopFlüge gibt.Auch die Deutschen hätten Marr-aleschnoch nicht lange aufdem Radar.

Die drei deutschen Geschäftsfrauenmit ihren unterschiedlichen Lebensläu-fen fühlen sich wohl in Marokko. Wittlin-ger macht es Spaß, dass man hier Dingeausprobieren und gleich mit anpackenkann, es weniger formal und bürokra-tisch zugeht. Benchaira ist durch ihre Eheamtiefsten eingetaucht in die marokkani-sche Gesellschaft - und lässt ihren Mannnach außen hin schon mal den Boss spie-len. ]ulia Bartels ftihlt sich ernst genom-men und respektiert als Geschäftsfrau indem islamischen Land - ihr Mann arbei-tet in Berlin, wo sie das halbe |ahr überlebt. ,,Die Gäste sind oft überrascht darü-ber, dass eine Frau hier allein ein Hotelmanagen kann', sagte die Mutter einesfiinfifirigen Sohnes.

Sie selbst wiederum ist beeindrucktvon den vielen kämpferischen marokka-nischen Frauen, die eine entscheidendeVerbesserung der rechtlichen Stellungder Frau bei einer Reform des Familien-rechts durchsetzen konnten. Und so istihr, der Pendlerin zwischen Marrakeschund Berlin, die Idee gekommen, eineStudienreise zum Thema,,Frauen in Ma-rokko" anzubieten. Sie soll Deutschemit selbstbewussten und engagiertenMarokkanerinnen zusammenbringen, inMarrakesch und in den Berber-Dörferndes Atlas, und damit ,,einige Klischeesüber die Lage der Frau infrage stellen",wünscht sich Bartels.

Geleitet wird die Studienreise von fa-mila Hassoune, einer kulturell engagier-ten Buchhändlerin, die mit ihrer ,,Kara-wane der Bücher" seitfahren die Schulender Atlas-Dörfer mit Lekttire versorgtundwegen ihres Engagements bereits zur,,Frau des )ahres" in Marokko gewähltwurde. Eine Reise vom Riad, das dem eu-ropäischen Traum vom Orient nahe-kommt, hinaus ins wahre Leben der Ma-rokkanerinnen im 21. |ahrhundert.

-Bei der Studienfahrt ,,Franrcn in Ma-rolcko" (14.-21. November) wohnen die Rei-senden im Riad el CadL (www.rtyodel-cadlcom). Die Tbur kostet ab 1516 Euro proPerson im Doppelzimmer ruzüglich Fbq.Informaion wd. Buchung beim Hambur-ger Veranstoher Marolcko erlebea Telefon040 / 4319 07 52, www.marol*oerleberude