2012-06_event_klitschko

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SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event. 53 52 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event. I boxen I Das wird ein Box-Spek- takel: Der Kampf um den IBF-Schwergewichts- Weltmeistergürtel zwischen Wladimir Klitschko und Tony Thompson in Bern. Der Gentleman mit den grossen Fäusten: Wladimir Klitschko trägt wegen seiner grossen Schlagkraft auch den Beinamen «Dr. Steelhammer». Titelverteidiger Wladimir Klitschko. Beiname: Dr. Steelhammer Grösse: 1,98 m Geburtsdatum: 25. März 1976 Box-Bilanz: 57 Siege (50 KO), 3 Niederlagen. Herausforderer Tony Thompson. Beiname: The Tiger Grösse: 1,96 m Geburtsdatum: 18. Oktober 1971 Box- Bilanz: 36 Siege (24 KO), 2 Niederlagen. Box-WM- Titelkampf 7. Juli, Stade de Suisse, Bern Wladimir Klitschko verteidigt in Bern den Box-WM-Titel «Im Ring habe ich immer Angst» Wladimir, was denken Sie während eines Boxkampfs über Ihren Gegner? Ist er ein Feind? Hassen Sie ihn? Da gibt’s keine Emotionen. Es gibt keinen Hass, denn Hass bedeutet Emotion. Und eine Emotion bringt mich dazu, dass ich aus meinem Konzept falle. Das kann ich mir nicht erlauben. Darum bin ich im Ring sehr kaltblütig. Mussten Sie lernen, Emotionen und Hass während eines Kampfs auszuschalten? Ja, das kann man lernen. Und es ist ganz schwer, das im Griff zu haben. Auch jetzt noch. Bei jedem Kampf. Wie ist es mit der Angst. Blenden Sie die auch aus während eines Kampfs? Angst muss dosiert vorhanden sein. Denn die Angst ist ein Geschenk der Natur. Hat man zu viel davon, bremst sie alles. Hat man zu wenig davon, dann ist man nicht aufmerk- sam. Erst die Angst gibt einem den Ansporn, konzentriert und fokussiert zu bleiben. Sie haben Angst, wenn Sie in den Ring steigen? Ich freue mich, der erste US-Schwergewichts- Weltmeister nach der Klitschko-Ära zu sein. ’’ Ich werde Tony Thomp- son wieder dominieren. Ich war bei jedem Rückkampf immer besser als vorher. ’’ Ich habe immer Angst im Ring. Wenn ich keine Angst hätte, würde ich wahrscheinlich den Boxkampf verschlafen. Wie steht es mit Mitleid, wenn Sie sehen, dass es Ihrem Gegner schlecht geht und Sie ihn dennoch K.O. schlagen müssen? Im Ring gibt’s nur einen Sieger. Nach dem Sieg kann ich meinem Gegner mein Mitleid gerne mitteilen. Vorher nicht. Was weckt in Ihnen den Killer-Instinkt? Ganz einfach die Frage: Entweder ich oder er. Oder besser gesagt: Entweder werde ich be- siegt, oder ich besiege mich selbst. Während eines Kampfs redet der Trainer immer auf den Boxer ein. Stärkt das den verloren gegangenen Killer-Instinkt? Ich nenne meine Trainer meine Lehrer. Wenn ich mit ihnen arbeite, studiere ich verschie- dene Taktiken ein. Während des Kampfs hat der Lehrer von der Seite einen besseren Blick auf das Geschehen. Darum kann er mir in den Pausen Tipps geben, wie ich meine Taktik ändern sollte. Mit Killer-Instinkt hat das nichts zu tun, sondern mehr mit Absprache. Haben Sie grosse Schmerzen während eines Kampfs? Nein. Auch der Schmerz wird abgeschaltet. Wie funktioniert das? Es ist wie bei einer Hypnose, wo das Bewusst- sein so beeinflusst werden kann, dass man sogar ohne Narkose und ohne Schmerzmittel eine Operation durchsteht. Wie geht es Ihnen einen Tag nach einem schweren Kampf? Sehr gut. Aber dafür dem Gegner weniger. Sie standen auch schon auf der Verlierer- seite. Wie war das? Ich werde nie vergessen, wie eine Niederlage schmeckt. Das macht mich stärker. Sie sind ein Idol für viele junge Leute. Aber gerade unter Jugendlichen ist Ge- walt und Aggression weit verbreitet. Was sagen Sie denen, die den Boxkampf auf die Strasse oder den Schulhof tragen? Aggression ist ein Zeichen von Schwäche. Jeder aggressive Typ ist alles andere als cool, sondern total schwach, denn er hat seine Emotionen nicht im Griff. Das dann auch noch an Schwächeren auszulassen, ist das Primitivste, was man machen kann. Aber Kraft und Emotion in einem Sport zu kanali- sieren, das ist cool. Am Ende hat man davon viel mehr, als sich einfach auf der Strasse zu prügeln. Interview: Zeno van Essel Die Gegner schauten sich in Bern tief in die Augen.

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Ich freue mich, der erste US-Schwergewichts- Weltmeister nach der Klitschko-Ära zu sein. Ich werde Tony Thomp- son wieder dominieren. Ich war bei jedem Rückkampf immer besser als vorher. Das wird ein Box-Spek- takel: Der Kampf um den IBF-Schwergewichts- Weltmeistergürtel zwischen Wladimir Klitschko und Tony Thompson in Bern. 7. Juli, Stade de Suisse, Bern I boxen I Wladimir Klitschko verteidigt in Bern den Box-WM-Titel Interview: Zeno van Essel SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event.

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Page 1: 2012-06_event_klitschko

SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event. 53 52 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event.

I boxen I

Das wird ein Box-Spek-takel: Der Kampf um den IBF-Schwergewichts-Weltmeistergürtel zwischen Wladimir Klitschko und Tony Thompson in Bern.

Der Gentleman mit den grossen Fäusten: Wladimir Klitschko trägt wegen seiner grossen Schlagkraft auch den Beinamen «Dr. Steelhammer».

Titelverteidiger Wladimir Klitschko. Beiname: Dr. Steelhammer Grösse: 1,98 m Geburtsdatum: 25. März 1976 Box-Bilanz:

57 Siege (50 KO), 3 Niederlagen.

Herausforderer Tony Thompson.Beiname: The Tiger Grösse: 1,96 m Geburtsdatum: 18. Oktober 1971 Box-

Bilanz: 36 Siege (24 KO), 2 Niederlagen.

Box-WM-

Titelkampf

7. Juli, Stade de

Suisse, Bern

Wladimir Klitschko verteidigt in Bern den Box-WM-Titel

«Im Ring habe ich

immer Angst»

Wladimir, was denken Sie während eines Boxkampfs über Ihren Gegner? Ist er ein Feind? Hassen Sie ihn?Da gibt’s keine Emotionen. Es gibt keinen Hass, denn Hass bedeutet Emotion. Und eine Emotion bringt mich dazu, dass ich aus meinem Konzept falle. Das kann ich mir nicht erlauben. Darum bin ich im Ring sehr kalt blütig.Mussten Sie lernen, Emotionen und Hass während eines Kampfs auszuschalten?Ja, das kann man lernen. Und es ist ganz schwer, das im Griff zu haben. Auch jetzt noch. Bei jedem Kampf. Wie ist es mit der Angst. Blenden Sie die auch aus während eines Kampfs?Angst muss dosiert vorhanden sein. Denn die Angst ist ein Geschenk der Natur. Hat man zu viel davon, bremst sie alles. Hat man zu wenig davon, dann ist man nicht aufmerk-sam. Erst die Angst gibt einem den Ansporn, konzentriert und fokussiert zu bleiben. Sie haben Angst, wenn Sie in den Ring steigen?

“ Ich freue mich, der

erste US-Schwergewichts-

Weltmeister nach der

Klitschko-Ära zu sein.’’“ Ich werde Tony Thomp-

son wieder dominieren. Ich

war bei jedem Rückkampf

immer besser als vorher.’’Ich habe immer Angst im Ring. Wenn ich keine Angst hätte, würde ich wahrscheinlich den Boxkampf verschlafen. Wie steht es mit Mitleid, wenn Sie sehen, dass es Ihrem Gegner schlecht geht und Sie ihn dennoch K.O. schlagen müssen?Im Ring gibt’s nur einen Sieger. Nach dem Sieg kann ich meinem Gegner mein Mitleid gerne mitteilen. Vorher nicht. Was weckt in Ihnen den Killer-Instinkt?Ganz einfach die Frage: Entweder ich oder er. Oder besser gesagt: Entweder werde ich be-siegt, oder ich besiege mich selbst. Während eines Kampfs redet der Trainer immer auf den Boxer ein. Stärkt das den verloren gegangenen Killer-Instinkt?Ich nenne meine Trainer meine Lehrer. Wenn ich mit ihnen arbeite, studiere ich verschie-dene Taktiken ein. Während des Kampfs hat der Lehrer von der Seite einen besseren Blick auf das Geschehen. Darum kann er mir in den Pausen Tipps geben, wie ich meine Taktik ändern sollte. Mit Killer-Instinkt hat das nichts zu tun, sondern mehr mit Absprache. Haben Sie grosse Schmerzen während eines Kampfs? Nein. Auch der Schmerz wird abgeschaltet.

Wie funktioniert das?Es ist wie bei einer Hypnose, wo das Bewusst-sein so beeinfl usst werden kann, dass man sogar ohne Narkose und ohne Schmerzmittel eine Operation durchsteht. Wie geht es Ihnen einen Tag nach einem schweren Kampf? Sehr gut. Aber dafür dem Gegner weniger. Sie standen auch schon auf der Verlierer-seite. Wie war das?Ich werde nie vergessen, wie eine Niederlage schmeckt. Das macht mich stärker.Sie sind ein Idol für viele junge Leute. Aber gerade unter Jugendlichen ist Ge-walt und Aggression weit verbreitet. Was sagen Sie denen, die den Boxkampf auf die Strasse oder den Schulhof tragen?Aggression ist ein Zeichen von Schwäche. Jeder aggressive Typ ist alles andere als cool, sondern total schwach, denn er hat seine Emotionen nicht im Griff. Das dann auch noch an Schwächeren auszulassen, ist das Primitivste, was man machen kann. Aber Kraft und Emotion in einem Sport zu kanali-sieren, das ist cool. Am Ende hat man davon viel mehr, als sich einfach auf der Strasse zu prügeln. Interview: Zeno van EsselDie Gegner schauten sich in Bern tief in die Augen.