21450 deutsche post ag die niedersÄchsische … · stadt deutschlands“ gilt. die geschichte...
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DIENIEDERSÄCHSISCHE
GEMEINDE
21450 Deutsche Post AG 62. Jahrgang
Nr. 3/ 2010www.nsgb.de
T H E M E N
Zeitschrift für Ratsmitglieder in den Städten, Gemeinden und Samtgemeinden
Niedersächsisches Kommunalverfassungs- gesetz 72
Ärztemangel auf dem Land 79
Bad Essen im Blütenmeer 86
Themenschwerpunkt: Kommunalfinanzen
Resolution zur kommu nalen Finanzkrise 63
Schlaglöcher in den kommunalen Kassen 68
Doppik: Die Erste Eröffnungsbilanz Beileger
Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund
Ausgabe zur
Mitgliederversammlung 2010
in Cloppenburg
Oben das Cloppenburger Rathaus, unten das Amtshaus, im Vordergrund die Ruine der alten Burg
Unsere Nr. 1 in Niedersachsen.Denn gute Erfahrungen gibt man weiter.
• Seit Generationen mit Land und Leuten verbunden.• Aus Tradition preiswert, nah, und unbürokratisch.• Für Sie da in allen VGH Vertretungen, Sparkassen und unter www.vgh.de
VA4a_GFam_sw.qxp 03.11.2009 10:52 Uhr Seite 1
61DNG 3 2010
E D I T O R I A L A U S D E M I N H A L T
MITGLIEDER STELLEN SICH VORStadt Cloppenburg – Es lebt sich einfach gut hier! 62
AUS DEM STÄDTE- UND GEMEINDEBUND
Resolution der Kreisvorstandskonferenz des NSGB zur kommunalen Finanzkrise 63
Wirksame Prävention ist möglich 64
IT-Planungsrat: Steuerzahler zahlen die Zeche 66
THEMENSCHWERPUNKT: KOMMUNALFINANZEN Schlaglöcher in den kommunalen Kassen! 68
Harte Zeiten für Städte und Gemeinden 69
Beileger: Bilanzpolitische Entscheidungen für die Erste Eröffnungsbilanz
ZUR PERSONEhrungen, Jubiläen, Nachrufe 70
KOMMUNALE UMWELTAKTION U.A.N. Veranstaltung der Repowering InfoBörse mit guter Resonanz 71
ALLGEMEINE VERWALTUNG UND EUROPA Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz – ein Nachruf auf die NGO 72
Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) 73
DSL statt Behördenruf 76
Land bleibt bei D115 zurückhaltend 76
ÖFFENTLICHE SICHERHEIT, ORDNUNG UND VERKEHR Der BürgerBus in Niedersachsen 78
ARBEIT UND SOZIALES ...damit der Landarzt nicht nur im Fernsehen kommt 79
Ärztemangel auf dem Land 79
BAUEN UND WOHNEN Breitbandversorgung für den ländlichen Raum 80
Krebecker Erklärung zur Nahversorgung 82
Wohnungsbauförderung ist Familienförderung 83
Ein Fitnessprogramm für die Zukunft unserer Dörfer (Teil I) 84
WIRTSCHAFT UND TOURISMUS „Ein Bad im Blütenmeer“ 86
Xing, Twitter & Co. 88
VGH setzt Wachstum fort 90
UMWELT Dr. Franz Alt: Die Sonne schickt uns keine Rechnung 90
Stromspar-Check in 2000 niedersächsischen Haushalten 91
Die Inselgemeinde Wangerooge feierte 125-jähriges Jubiläum 92
BüCHERSCHAU 92
Impressum Umschlag
Gemeinden brauchen Luft zum Atmen Wenige Tage nach unserer
diesjährigen Mitgliederver-
sammlung, die unter dem The-
menschwerpunkt „Kommunalfinanzen“ steht, wer-
den in einer Klausurtagung des Landeskabinetts die
finanziellen Weichen für die nächsten Jahre gestellt.
Erfreulich: Es gab in den letzten Wochen kaum ei-
nen Politiker, der nicht die Bedeutung der Städte
und Gemeinden und ihre notwendige finanzielle
Ausstattung hervorhob. Gut auch, dass nach dem
Zukunftsvertrag kein weiterer Griff in den kom-
munalen Finanzausgleich erfolgen darf. Anlass zur
Sorge, wenn gleichzeitig hochkarätige Bundes- und
Landespolitiker die Abschaffung der gemeindlichen
Kerneinnahmequelle Gewerbe steuer prüfen.
Auch das Argument der Verstetigung kommu-
naler Steuereinnahmen ist fragwürdig, da es in
unserem Lande keine Kommunalsteuer gibt, die
– außer der Hundesteuer - unabhängig von wirt-
schaftlichen Faktoren ist. So sank in diesem Jahr
nicht nur die Gewerbesteuer beträchtlich, sondern
auch die Rückgänge aus der zweiten Säule unserer
Steuereinnahmen, der Einkommensteuer, werden
uns voraussichtlich mit einem Verlust von etwa
350 Millionen Euro treffen.
Bei den künftigen Haushaltsplanaufstellungen
werden nach Aussagen unserer Mitglieder zwei
von drei Kommunen keinen ausgeglichenen Haus-
halt verabschieden können. Berücksichtigt man
zusätzlich die Auswirkungen der Einführung der
Doppik, werden es eher drei von vier Städten und
Gemeinden sein, die einen Fehlbedarf ausweisen
werden. Schon heute können vielerorts kommu-
nale Pflichtaufgaben nur noch mit Kassenkrediten
bezahlt werden.
Ich wünsche der Landesregierung wegweisende
Beschlüsse mit dem Ziel, die Städte, Gemeinden und
Samtgemeinden unseres Landes wieder in die Lage
zu versetzen, ihre Aufgaben wahrzunehmen.
Rainer Timmermann
Präsident NSGB
62 DNG 3 2010
M I T G L I E D E R S T E L L E N S I C H VO R
Stadt Cloppenburg – Es lebt sich einfach gut hier!Cloppenburg ist eine moderne Stadt mit viel
Flair und einer eindrucksvollen wirtschaft-
lichen Leistungsstärke. Rund 33 000 Menschen
leben in der Kreisstadt an der Soeste, die we-
gen ihrer vielen jungen Menschen als „jüngste
Stadt Deutschlands“ gilt.
Die Geschichte Cloppenburgs reicht bis
ins Mittelalter zurück. Die Stadt erwuchs aus
zwei unterschiedlichen Siedlungskernen:
Krapendorf und Cloppenburg. Der Name
Cloppenburg wird erstmalig 1297 erwähnt,
als die Grafen von Tecklenburg an der Soeste-
Niederung eine Burg errichteten. Reste davon
sieht man heute noch im Stadtpark. 1435 ver-
lieh der Bischof von Münster Cloppenburg
die Stadtrechte – weshalb man in diesem
Jahr mit einer Fülle von Veranstaltungen die
575. Wiederkehr dieses Ereignisses feiert.
Etwa 1 600 Einwohner zählte Cloppenburg,
als sich 1855 das Kirchspiel Krapendorf und
die Stadt Cloppenburg zu einer Stadtgemeinde
vereinigten.
Durch Zuzug von Spätaussiedlern aus Russ-
land und Kasachstan in den neunziger Jahren
des 20. Jahrhunderts verjüngte sich die Stadt
erheblich und wuchs seitdem zu einer Mittel-
stadt mit inzwischen über 33 000 Einwohnern
an.
Cloppenburg hat sich zu einem leistungs-
starken Mittelzentrum und zu einer Ein-
kaufsstadt entwickelt, die ein Umfeld mit
über 150 000 Menschen versorgt. Neben der
Nahrungsmittelbranche haben sich dank ge-
zielter Wirtschaftsfördermaßnahmen etliche
Großbetriebe und eine solide, konkurrenz-
fähige Klein- und Mittelindustrie etabliert.
Für weitere Industrieansiedlungen stehen
aus reichend Flächen in vorteilhaft ausgewie-
senen, voll erschlossenen Industrie- und Ge-
werbegebieten zur Verfügung. Dass Cloppen-
burg eine über 300 Jahre alte Markttradition
besitzt, merkt man an den großen Messen und
Tierschauen in der Münsterlandhalle.
Das Stadtbild hat sich in den letzten Jahren
stark gewandelt. Das Freizeitbad mitten in
der Stadt genießt dank seiner Attraktionen
weithin einen ausgezeichneten Ruf. Eine at-
traktiv gestaltete, lange Fußgängerzone mit
vielen Cafés und zahlreichen Fachgeschäf-
ten vermittelt ein fast großstädtisches Am-
biente. Sie bildet sozusagen die gute Stube
der quirligen Innenstadt, die von großzügig
angelegten Parkflächen bequem zu erreichen
ist. Mittendrin die Cloppenburger Stadthalle
als Zentrum für Kulturveranstaltungen und
Messen. In unmittelbarer Nachbarschaft fin-
det man den romantischen Stadtpark mit den
historischen Amtsgerichtsgebäuden und den
Burgturm-Resten der „Cloppenburg“. Im Som-
mer bildet er die Open-Air-Kulisse für Musik-
Events sowie das traditionelle Gauklerfest.
Das Museumsdorf Cloppenburg, Deutsch-
lands ältestes Freilichtmuseum, ist für jeden
Besucher der Stadt ein absolutes Muss. Über
250 000 Gäste schauen sich jedes Jahr die histo-
rischen Dorfgebäude aus dem 16. bis 19. Jahr-
hundert an und erleben die besonders inte-
ressant gestalteten „Sonntagsspaziergänge“.
Überdies locken die Vorführungen alter Hand-
werke und bäuerlicher Arbeitsmethoden.
Familien und junge Menschen – jeder zwei-
te Cloppenburger ist unter 32 Jahre – fühlen
sich in Cloppenburg wohl. Das Bild der Stadt
ist geprägt von modernen Wohngebieten, in de-
nen Grundstücke zu günstigen Preisen angebo-
ten werden. Niedrige Lebenshaltungs kosten,
diverse Schulen und Kindertages stätten,
vielfältige Spiel- und Sportmöglichkeiten so-
wie ein abwechslungsreiches Bildungs- und
Kulturangebot bilden insgesamt ein äußerst
familienfreundliches Klima. Unter anderem
sorgt die intakte Umwelt mit vielen Erholungs-
möglichkeiten für eine hohe Lebens qualität.
Es lebt sich einfach gut hier!
Junge Familien können hier günstiger bau-
en als anderswo, es gibt ausreichend Krip-
pen- und Kindergartenplätze, Cloppenburg hat
eine sehr niedrige Arbeitslosenquote und ein
riesiges Freizeit-, Sport- und Bildungsangebot.
Nicht zuletzt deswegen feiert man hier auch
gern, eindrucksvoll belegt durch die traditio-
nellen Märkte und vor allem durch das große
Cityfest in der ganzen Innenstadt am letzten
Septemberwochenende.
Die Besonderheiten unseres Brauchtums,
das rege kulturelle und soziale Leben und die
gut aufgestellte Wirtschaft machen Cloppen-
burg zu einer lebenswerten Stadt für seine
Bürgerinnen und Bürger und zu einem attrak-
tiven Ziel für Gäste.
Überhaupt Kultur: Davon hat Cloppenburg
jede Menge zu bieten, vom Kindertheater bis
zur Opernaufführung, von Kabarett bis zum
Ausstellungsevent mit international gefeierten
Künstlern. Und der Cloppenburger Kultursom-
mer setzt dem allen noch die Krone auf: Jedes
Jahr von Juni bis September zieht er Tausende
von Besucherinnen und Besuchern mit seinen
außergewöhnlichen Veranstaltungen an aus-
gewählten Plätzen in der Stadt an.
Sicher verfügt die Stadt auch über sehens-
werte Zeugen der Vergangenheit. Da sind
die barocke St. Andreas-Kirche, der Marien-
Wallfahrtsort Bethen, der Stadtpark mit den
historischen Amtsgerichtsgebäuden und den
Burgturm-Resten der mittelalterlichen „Clop-
penburg“.
Die Fußgängerzone lädt Groß und Klein zum Bummeln ein.
Attraktionen beim Gauklerfest
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AU S D E M S TÄ D T E - U N D G E M E I N D E B U N D
Resolution der Kreisvorstandskonferenz* des NSGB zur kommunalen FinanzkriseNur gesunde Kommunalhaushalte sind Garant für kommunale Dienstleistungen und für die Stärkung der kommunalen Investitionsfähigkeit
Voraussichtlich werden im Jahr 2010 mehr als 50
Prozent der kreisangehörigen Städte und Gemein-
den ihre Ergebnishaushalte nicht ausgleichen kön-
nen. Die Kommunen in Niedersachsen hatten für
das Jahr 2009 bereits ein negatives Finanzierungs-
saldo von 860 Millionen Euro zu verzeichnen. Die
teilweise seit Jahren anhaltende Unterfinanzierung
kommunaler Haushalte spiegelt sich im – erneuten
rasanten – Anstieg des Liquiditätskreditvolumens
wider. Die Kommunen haben das Haushaltsjahr
2010 mit Überziehungskreditvolumen von mehr
als 4,5 Milliarden Euro begonnen.
Die Kommunen sind Basisdienstleister für die
Bürgerinnen und Bürger. Der Schulbetrieb, der
Betrieb von Krippen und Kindergärten, der Bau
und der Unterhalt von Straßen und Radwegen sind
nur einige Beispiele kommunaler Aufgaben, die mit
den schwindenden Einnahmen finanziert werden
müssen. Städte, Gemeinden und Samtgemeinden
benötigen eine gestärkte und verstetigte Einnah-
mesituation.
Die Gemeinden brauchen auch Entlastungen im
Bereich der pflichtig zu erledigenden Aufgaben.
Allein die Auszahlungen für soziale Leistungen
sind im letzten Jahr wieder um fünf Prozent ge-
stiegen. Nur durch Ausgabeentlastungen und einen
ernsthaften Standardabbau kann mittelfristig eine
Gesundung der Kommunalfinanzen und damit eine
volkswirtschaftlich notwendige Stabilisierung der
Investitions fähigkeit erreicht werden.
Die Kreisvorstandskonferenz des Städte- und
Gemeindebundes als Organ der kreisangehörigen
Städte, Gemeinden und Samtgemeinden in Nieder-
sachsen fordert Bundes- und Landespolitik auf,
kurzfristig und nachhaltig die Steuereinnahme-
kraft der kommunalen Ebene zu stärken und die
Kommunen bei der Erledigung von Pflichtaufgaben
ernsthaft zu entlasten.
Der Städte- und Gemeindebund lehnt eine
weitere Schwächung der Gewerbesteuer oder gar eine
Abschaffung dieser Realsteuer ab. Die Gewerbesteuer
Bedarf der Modernisierung, der Verbreiterung der
Bemessungsgrundlage und der Verstetigung.
Die Gewerbesteuer als Realsteuer mit lokalem Hebesatzrecht
ist das Rückgrat der gemeindlichen Einnahmen. Diskussionen
über den Ersatz dieser Steuer durch Steuerbeteiligungsmodelle
mit oder ohne gemeindliches Hebesatzrecht oder gemeindliche
Zuschläge sind kontraproduktiv und können im Ergebnis zu wei-
teren nicht kalkulierbaren Einnahme- und Belastungsverschie-
bungen führen.
Der Städte- und Gemeindebund sieht unter der
aktuellen finanzpolitischen Lage keinen Raum für
Steuersenkungen.
Städte und Gemeinden sind am Aufkommen der Einkommen-
steuer und der Umsatzsteuer beteiligt. Der Gemeindeanteil an
der Einkommensteuer als zweitwichtigste Steuereinnahme der
Gemeinden befindet sich konjunkturbedingt bereits seit 2008
nahezu im „freien Fall“. Politische Steuersenkungsdiskussionen
im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer dürfen nicht zu wei-
teren Einnahmeausfällen für die kommunalen Kassen führen.
Der Städte- und Gemeindebund fordert die
Finanz minister von Bund und Länder auf, die überfällige
Reform der Grundsteuer in Angriff zu nehmen.
In der heutigen Fassung ist die Grundsteuer nicht zukunftstaug-
lich. Insbesondere die nicht mehr zeitgemäße Einheitsbewer-
tung durch die staatliche Finanzverwaltung führt zu Ungerech-
tigkeiten in der Besteuerung und zu Einnahmeausfällen in den
gemeindlichen Kassen. Die seit mehr als zehn Jahren laufenden
Diskussionen zur Reform der Grundsteuer, die fachlich abge-
schlossen sind, müssen durch eine Modernisierung endlich be-
endet werden.
3. Mai 2010
* Die Kreisvorstandskonferenz besteht aus den Vorsitzenden und den Geschäftsführern der Kreisverbände, den Mitgliedern des Präsidiums, den Vorsitzenden der Bezirksverbände, den Bezirksgeschäftsführern und den Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse.
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Wirksame Prävention ist möglichAuszüge aus der Rede des Niedersächsischen Justizministers Bernd Busemann anlässlich der Kreisvorstandskonferenz des NSGB am 3. Mai 2010 im Rathaus Syke
Starke Kommunen sind sichere
Kommunen
Sie haben sich heute intensiv mit der
Zukunft niedersächsischer Kommunen
befasst. Damit ist aus zweierlei Gründen
auch die Frage der Kriminalitätsent-
wicklung verbunden. Zum einen steht
die faktische und gefühlte Kriminalität
in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Lebens- und Wohnqualität. Starke Kom-
munen sind auch sichere Kommunen,
in denen sich Bürgerinnen und Bürger
im öffentlichen wie im privaten Raum
sicher und geschützt fühlen. Und sichere
Wohngegenden werden gerade von jun-
gen Familien hoch geschätzt, was für die
Entwicklung der Regionen von großer
Bedeutung ist.
Es gibt einen zweiten guten Grund
für das Sich-Kümmern um Sicherheits-
fragen. Kriminalität belastet die Kassen
der öffent lichen Hand erheblich. So zeigt
beispielsweise eine britische Studie1, dass
Kinder mit schweren Verhaltensstörungen
und anschließender Delinquenz im Laufe
ihres Lebens zehnmal höhere Kosten ver-
ursachen als unauffällige Kinder. Das ist
eine immense Belastung, die unter ande-
rem durch Maßnahmen der Jugendhilfe,
eventuelle spätere Heimbetreuung, Psy-
chiatrie oder Haft entsteht.
Die Berechnung berücksichtigt ferner
die Kosten der ausbleibenden Integration
in den Arbeitsmarkt und daraus resultie-
rende staatliche Transferleistungen. Das
stellt nicht zuletzt für die Kommunen eine
bedeutende finanzielle Herausforderung
dar.
Örtliche Prävention erhalten und
ausbauen
Aus diesen Gründen ist es aus meiner
Sicht geboten, noch konsequenter als
bisher auf das Prinzip der Vorbeugung
von Straftaten zu setzen. Hierfür bedarf
es der gebündelten Anstrengungen aller
gesellschaftlichen Kräfte.
Das Land unterstützt die kommunalen
Gremien durch die Arbeit der Geschäfts-
stelle des Landespräventionsrates Nie-
dersachsen (LPR). Eine zentrale Aufgabe
der Geschäftsstelle besteht darin, den
Kommunen Unterstützung bei der Gestal-
tung der Präventionsarbeit zukommen zu
lassen. Zudem fördert der Landespräven-
tionsrat entsprechende Projekte in Kom-
munen wie beispielsweise den aktuellen
Schwerpunkt „Zivilcourage“.
Rechtsextremismus
Im Rahmen des Bundesprogrammes
„kompetent. für Demokratie“ bietet der
LPR eine umfassende Beratung in Kon-
fliktsituationen durch Expertinnen und
Experten vor Ort an. Dies kann etwa die
rechtsextreme Unterwanderung örtlicher
Jugendarbeit, Versuche zur Übernahme
von Immobilien, die Schaffung so ge-
nannter „Angstzonen“ oder andere Ge-
waltaktionen, Sachbeschädigungen und
Provokationen betreffen.
Häusliche Gewalt
Die Landesregierung hat einen Landes-
aktionsplan zur Bekämpfung häuslicher
Gewalt entwickelt. Der Landesaktions-
plan orientiert sich an der Zielsetzung des
Gewaltschutzgesetzes „Wer schlägt, muss
gehen!“ und schafft einen verbindlichen
Rahmen für die Abstimmung und Koor-
dination vielfältiger Schutz- und Hilfs-
maßnahmen und für die Prävention. Für
die Umsetzung des Landesaktionsplans
hat die Landesregierung eine Koordinie-
rungsstelle beim Landespräventionsrat
eingerichtet: Sie fungiert als Informations-
drehscheibe zwischen Polizei, Justiz,
sozialen Diensten und Kommunen. Die
Koordinierungsstelle organisiert Fort-
bildungen und Arbeitsgruppen zu spe-
zifischen Fragestellungen, entwickelt
Arbeitshilfen und Broschüren und berät
bei Problemen und Fragen vor Ort.
Von links: Edith Heckmann (Vorsitzende des Kreisverbandes Diepholz), Dr. Harald Behrens (Bürgermeister der Stadt Syke), Justizminister Bernhard Busemann, NSGB-
Präsident Rainer Timmermann.
1 Entsprechende „cost of crime“-Studien gibt es im deutschsprachigen Raum nicht.
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AU S D E M S TÄ D T E - U N D G E M E I N D E B U N D
Erheblicher Handlungsbedarf bei
der Kinder- und Jugendprävention
Zu guter Letzt möchte ich auf das sehr
interessante Projekt SPIN („Sozial-
räumliche Prävention in Netzwerken“)
des Landespräventionsrates aufmerksam
machen, mit dem wir Kommunen dabei
unterstützen wollen, sich im Bereich der
kinder- und jugendbezogenen Prävention
optimal aufzustellen.
Gerade im Bereich der Gewaltpräven-
tion bei Kindern und Jugendlichen sehe
ich noch erheblichen Handlungsbedarf.
Auch wenn die Jugendkriminalität ins-
gesamt auf hohem Niveau stagniert, so
haben insbesondere die polizeilich regis-
trierten Gewalttaten junger Menschen in
den letzten Jahren drastisch zugenom-
men – in den letzten zehn Jahren ist eine
Verdoppelung der Taten zu verzeichnen.
Auch die Schwere der Taten hat zugenom-
men. Besorgniserregend sind zudem die
Alkoholexzesse von Kindern und Jugend-
lichen. Alkoholkonsum steht dabei häufig
in einem engen Zusammenhang mit Ge-
walt. In jedem vierten Fall einer gefähr-
lichen und schweren Körperverletzung
waren junge Leute alkoholisiert.
Wirksame Prävention ist möglich
Glücklicherweise können wir heute eines
sicher sagen: Wirksame Prävention ist
möglich. Viele Forschungsergebnisse
und die Praxiserfahrungen der Städte
und Gemeinden in Niedersachsen bele-
gen dies. Erfolg stellt sich dort ein, wo
auf der örtlichen Ebene übergreifende
Bündnisse für mehr Sicherheit entstehen.
Ich bin stolz darauf, dass in Niedersach-
sen bereits weit über 200 kommunale
Präventions gremien aktiv sind, die eine
sehr gute Arbeit leisten. Wir wollen, dass
es noch mehr werden. Zugleich wollen
wir aber auch die Qualität der Präventi-
onsarbeit vor Ort gezielt unterstützen. Im
Rahmen von SPIN möchten wir den kom-
munalen Gremien ein Programm an die
Hand geben, das bei der Analyse, Planung
und Durchführung von Prävention hilft.
„Communities that care“
Das Programm, das zurzeit modellhaft in
Hannover, Göttingen und im Landkreis
Emsland umgesetzt wird, ist in den USA
unter dem Namen „Communities That
Care“ (Gemeinden, die sich kümmern),
kurz CTC, entwickelt worden. Es basiert
auf wissenschaftlichen Langzeitstudien
zu Ursachen von Gewalt und Kriminalität
junger Menschen.
CTC folgt einer ebenso simplen wie
erfolgreichen Strategie in mehreren
Schritten: Zunächst wird vor Ort eine
genaue Problemanalyse erstellt. Hierfür
wird eine repräsentative Schülerbefra-
gung durchgeführt. Die Ergebnisse der
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AU S D E M S TÄ D T E - U N D G E M E I N D E B U N D
Foto Mitte: Bürgermeisterin Petra Lausch, links daneben: Beigeordneter Thorsten Bullerdiek
IT-Planungsrat: Steuerzahler zahlen die ZechePlanung ohne Kommunen kann teuer werden
Schülerbefragung werden im nächsten
Schritt von den Fachleuten vor Ort be-
wertet und die wichtigsten Problem-
felder ausgewählt. Im Anschluss wird
zu den ausgewählten Problemfeldern
ein Aktionsplan entwickelt, der bereits
existierende Angebote einbindet und
bestehende Lücken im Präventions-
angebot schließen soll. Wichtig da-
bei ist, dass nur Präventionsprojekte
angeboten werden, die sich anderen-
orts bereits bewährt haben und deren
Wirksamkeit wissenschaftlich belegt
ist. Der Aktionsplan wird sodann inner-
halb einer definierten Zeit umgesetzt.
Nach wenigen Jahren wird die Schü-
lerbefragung wiederholt. So findet man
heraus, ob sich die Situation zum Guten
verändert hat oder ob nachgesteuert
werden muss.
Niedersachsen ist das erste deut-
sche Bundesland, das CTC erprobt.
Nach dem Ende des Modellversuchs
2011 werden wir bewerten, ob und wie
dieses Verfahren allen interessierten
Kommunen in Niedersachsen zur Ver-
fügung gestellt werden kann. Ohne dem
Ergebnis der Evaluation vorwegzugrei-
fen, deutet im Moment alles darauf hin,
dass eine Übertragung im größeren
Rahmen in Niedersachsen möglich ist.
Bei Interesse am Projekt nehmen Sie
bitte Kontakt mit der Geschäftsstelle
des Landespräventionsrates auf.
Der LPR als Bindeglied zwischen
Kommunen und dem Land
Die drei skizzierten Bereiche der Ar-
beit des Landespräventionsrates haben
deutlich gemacht, dass der LPR keine
weit entfernte Einrichtung auf Landese-
bene ist, sondern in engem Kontakt und
Austausch mit der kommunalen Ebene
steht. Die Geschäftsstelle nimmt die
Funktion eines Bindeglieds zwischen
den Städten und Gemeinden sowie
der Niedersächsischen Landesregie-
rung wahr und stellt sicher, dass der
Informationsfluss in beide Richtungen
funktioniert.
Mit dem IT-Planungsrat sollte der Beginn
einer neuen Ära der Bund-Länder-übergrei-
fenden Zusammenarbeit unter Beteiligung
der Kommunen im Bereich der Informati-
onstechnik und des E-Government einge-
läutet werden; so ist es auf der Internet-
seite des Bundesinnenministers zu lesen.
„Schöne Worte, die Praxis sieht aber leider
anders aus: Die Kommunen sind zwar da-
bei, aber ohne Stimmrecht und somit ,am
Katzentisch‘. Dabei sollen wir vor Ort in den
Städten und Gemeinden die Arbeit machen
und die Gesetze besonders kostenbewusst
ausführen. Nun werden ohne kommunales
Stimmrecht Beschlüsse gefasst, zum Bei-
spiel beim teuren Behördenruf D115, wo
die Finanzierung an den Kommunen und
damit am Steuerzahler hängen bleibt. Wenn
der IT-Planungsrat ohne die Kommunen
plant, wird er an den Interessen der Bür-
gerinnen und Bürger vorbei planen und
unnötige Kosten produzieren“, erklärte die
Vorsitzende des Personal- und Organisa-
tionsausschusses des Niedersächsischen
Städte- und Gemeindebundes, Bürgermei-
sterin Petra Lausch aus Edewecht, nach der
Sitzung des Ausschusses in Hannover. „Be-
sonders praxisfremd ist es zudem, wenn Be-
schlussvorlagen – wie bei der ersten Sitzung
geschehen – erst zwei Tage vor der Sitzung
in ein Verfahren gegeben werden. Wer dies
tut, will nicht den Sachverstand der Kom-
munen aus der Praxis einholen, sondern
nur Klientelpolitik betreiben. Dies kann und
darf nicht die Arbeitsweise des IT-Planungs-
rates sein. Ich hoffe darauf, dass das Land
Niedersachsen die Belange der Kommunen
ernst nimmt und nur Beschlussvorlagen im
Bund zustimmt, die vorher mit den Kom-
munen im Land abgestimmt worden sind.
Nur so lassen sich unnötige Kosten für die
Steuerzahler vermeiden. Die Kommunen
sind immer interessiert an praxisgerechten
Lösungen, dazu müssen sie aber auch ein-
bezogen werden“, betont Lausch.
Hintergrund:
Mit Artikel 91c des Grundgesetzes, dem Ge-
setz über die Verbindung der informations-
technischen Netze und dem am 1. April 2010
in Kraft getretenen IT-Staatsvertrag sind die
rechtlichen Grundlagen für eine Bund-Län-
der-übergreifende IT-Zusammenarbeit seit
kurzem gelegt. Aufgabe des IT-Planungsrats
ist es nun, diesen Rechtsrahmen mit Leben
zu füllen. Die erste Sitzung fand am 22. April
2010 statt. Die Kommunen in Niedersachsen
wurden im Vorfeld nicht beteiligt.
67DNG 3 2010
Städte und Gemeinden sollen auch für nachfolgende Gene ra tio nen lebenswert bleiben. Ein verantwortungsvoller und sorgsamer Um -gang mit den Energieressourcen ist dafür notwendig.
Wir beraten Kommunen in unserem Netzgebiet und entwickeln ge mein sam mit Ihnen ein Energie konzept, das auf die jeweilige Situation vor Ort zugeschnitten ist. Ob in Schulen, Kindergärten, Schwimmbädern, Verwaltungsgebäu den oder auf öffentlichen Straßen und Plätzen: Nutzen Sie das Ein sparpotenzial beim Heizen, bei der Beleuchtung oder bei sonstigen Energieanlagen.
Wir bieten Energielösungen für die Zukunft
KommunePlus, das Serviceprogramm von E.ON Avacon für Städte und Gemeinden.
1Beilage DNG 3 2010
Bilanzpolitische Entscheidungen für die Erste Eröffnungsbilanz Von Professor Johann Horstmann, Niedersächsisches Studieninstitut
Rechtliche Grundlagen
Der Niedersächsische Landtag hat am
9. November 2005 das Gesetz zur Neu-
ordnung des Gemeindehaushaltsrechts
und zur Änderung gemeindewirtschafts-
rechtlicher Vorschriften und damit die
Umstellung des kommunalen Haushalts-,
Kassen-, Rechnungs- und Prüfungs wesens
auf der Basis der doppelten Buchführung
(für Kommunen) zum 1. Januar 2006 be-
schlossen (Gesetz vom 15.11.2005, Nds.
GVBl. S. 342; geändert durch Art. 6 des Ge-
setzes vom 18.5.2006, Nds. GVBl. S. 203).
Für den erforderlichen Umstellungspro-
zess ist eine Übergangszeit bis Ende 2011
festgelegt, sodass ab 1. Januar 2012 alle
Kommunen und grundsätzlich auch alle
ausgegliederten Einrichtungen auf das
neue Recht umgestellt haben müssen. Von
der Ausnahmevorschrift nach Art. 6 Abs.
13 des Gesetzes vom 15. November 2005
hat bisher keine Kommune Gebrauch ge-
macht und einen Ausnahmeantrag beim
Innenministerium gestellt.
Die näheren rechtlichen Vorgaben ent-
hält die völlig neu konzipierte Niedersäch-
sische Verordnung über die Aufstellung
und Ausführung des Haushaltsplans so-
wie die Abwicklung der Kassengeschäfte
der Gemeinden auf der Grundlage der
kommunalen Doppik (Gemeindehaus-
halts- und -kassenverordnung – GemHK-
VO – vom 22.12.2005, Nds. GVBl. S. 458,
zuletzt geändert durch Verordnung vom
18.12.2009, Nds. GVBl. S. 490).
Nach Art. 6 Abs. 8 des Gesetzes vom
15. November 2005 muss die Kommu-
ne für das Haushaltsjahr, das nach dem
neuen Haushalts- und Kassenrecht ge-
plant und bewirtschaftet werden soll,
eine Erste Eröffnungsbilanz aufstellen.
Für die Aufstellung der Ersten Eröff-
nungsbilanz gelten die Vorschriften der
Niedersächsische Gemeindeordnung
(NGO) und Gemeindehaushalts- und
Kassenverordnung(GemHKVO) entspre-
chend, soweit nicht in Art. 6 Abs. 8 Sätze
3 bis 5 und in Absatz 11 des Gesetzes vom
15. November 2005 und in den §§ 60 und
61 GemHKVO Sonderregelungen getrof-
fen werden. Somit gelten für die Erste Er-
öffnungsbilanz die gleichen Vorschriften
wie für die Schlussbilanz, soweit keine
Sonderregelungen bestehen.
Inventur
Nach § 37 GemHKVO hat die Kommune
für die Erste Eröffnungsbilanz und da-
nach grundsätzlich zum Schluss eines
jeden Haushaltsjahres
• dieinihremwirtschaftlichenEigentum1
stehenden Vermögensgegenstände so-
wie
• ihreSchulden
unter Beachtung der Grundsätze ord-
nungsmäßiger Inventur vollständig auf-
zunehmen (= Inventur). Ein Muster ist als
Anhang 1 beigefügt.
Die Inventur kann nicht zum Stichtag
zum Beispiel 1. Januar 2011 vorgenommen
werden (Mengenproblem). Deshalb darf
die Inventur abweichend von § 37 Abs. 1
GemHKVO vor dem Eröffnungsstichtag
durchgeführt werden, wenn durch eine
Fortschreibung gesichert ist, dass der Be-
stand zum Eröffnungsstichtag auch ohne
weitere Inventur festgestellt werden kann
(§ 60 Abs. 4 GemHKVO). Sollte die Fort-
schreibung unterbro-
chen werden, so kann
eventuell eine erneute
Bestandsaufnahme aller Vermögensge-
genstände notwendig werden. Deshalb
ist im Verwaltungsablauf sicherzustellen,
dass alle Veränderungen bei den Vermö-
gensgegenständen (Zugang, Abgang, au-
ßerplanmäßige Abschreibungen) zum Er-
öffnungsstichtag berücksichtigt werden.
Arten der Inventur
• körperlicheInventur,
• Buch-beziehungsweiseBeleginventur.
Bei der körperlichen Inventur werden alle
körperlichen Vermögensgegenstände wie
Betriebs- und Geschäftsausstattung, Fahr-
zeuge und Maschinen art- und mengenmä-
ßig – durch Zählen, Wiegen, Messen – auf-
genommen. Danach erfolgt die Bewertung
der Vermögensgegenstände in Euro. Der
Wert von Gebäuden und Straßen wird
in der Regel durch eine Buch inventur
anhand von Belegen aus den Jahresrech-
nungen, Bauakten ermittelt. Gleichwohl
ist hier eine Inaugen scheinnahme zwin-
gend erforderlich, um eventuelle Wert-
minderungen am Gebäude zu erkennen
und bei der Bewertung zu berücksichti-
gen (Abschläge). Eine unterlassene In-
standhaltung ist grundsätzlich nicht als
Rückstellung in der Bilanz auszuweisen,
sondern wird als Wertminderung beim
Vermögensgegenstand berücksichtigt.
Die Vermögensgegenstände sind nach
fortgeführten Anschaffungs- beziehungs-
weise Herstellungswerten, das heißt,
nach dem ursprünglichen Anschaffungs-
beziehungsweise Herstellungswert ab-
züglich zwischenzeitlich aufgelaufene
Abschreibungen zu bewerten (§ 96 Abs. 4
S. 2 NGO). Eine Bewertung zum Beispiel
nach dem Sachwertverfahren ist nur zu-
Professor Johann
Horstmann
T H E M E N S C H W E R P U N K T : KO M M U N A L F I N A N Z E N
1 Vgl. § 39 Abs. 2 AO: Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigen-tümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungs-dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Bei Treuhandverhält-nissen sind die Wirtschaftsgüter dem Treugeber, beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzu-rechnen.
2 Beilage DNG 3 2010
lässig, wenn zum Beispiel keine Unter-
lagen für eine Bewertung nach Anschaf-
fungs- oder Herstellungswert vorhanden
sind (§ 96 Abs. 4 S. 3 NGO). Da aber die
Jahresrechnungen dauernd aufbewahrt
werden, müssten zum Beispiel für die
Straßenbewertung die Unterlagen im Ar-
chiv vorliegen und soweit Fremdfirmen
mit der Bewertung beauftragt werden,
müssen sie den ursprünglichen Anschaf-
fungs- und Herstellungswert ihrer Bewer-
tung zugrunde legen.
Bei der Buchinventur werden Art, Men-
ge und Wert der Vermögensgegenstände
und Schulden anhand von Belegen und
Nachweisen wie etwa Konten oder Anla-
genkartei festgestellt. Eine Buchinventur
erfolgt bei immateriellen Vermögensge-
genständen (zum Beispiel Lizenzen) so-
wie bei Forderungen, Bankguthaben und
Verbindlichkeiten. Hier lassen sich die
Vermögensgegenstände und Schulden
nicht durch eine körperliche Inventur (In-
augenscheinnahme) erfassen. Hier muss
aber zum Beispiel die Werthaltigkeit ei-
ner Forderung genau geprüft werden, da
Vermögensgegenstände aus dem Grund-
satz der Vorsicht nach § 44 Abs. 4 S. 1
GemHKVO immer mit dem niedrigeren
Wert ausgewiesen werden müssen (Nie-
derstwertprinzip).
Nach § 38 Abs. 1 GemHKVO kann auf
eine körperliche Inventur zum Schluss
eines jeden Haushaltsjahres verzichtet
werden, wenn anhand vorhandener Ver-
zeichnisse der Bestand an Vermögens-
gegenständen und Schulden nach Art,
Menge und Wert festgestellt werden kann
(Buchinventur) und gesichert ist, dass da-
durch das Inventar ebenso zutreffend die
tatsächlichen Verhältnisse darstellt. Dies
gilt nicht für Vorräte. Bei Festwerten ist
jedoch in der Regel innerhalb von fünf
Jahren eine körperlich Inventur durchzu-
führen (§ 47 Abs. 1 S. 2 GemHKVO).
Auf eine körperliche Inventur kann
also verzichtet werden, wenn für jeden
Vermögensgegenstand sich folgende An-
gaben aus einer „Anlagenkartei“ (aus der
Anlagenbuchhaltung) ergeben:
• dieBezeichnungdesVermögensgegen-
standes,
• derTagderAnschaffungoder
Herstellung,
• denAnschaffungs-oderHerstellungs-
wert,
• dieAbschreibungen
(pro Haushaltsjahr und kumuliert
über die bisherige Nutzungsdauer),
• derjeweiligeStichtagswert
(Restbuchwert),
• eineventuellerAbgang.
Sofern die Aktivierung eines Vermö-
gensgegenstandes nur möglich ist,
wenn zuvor die Anlagenbuchhaltung
und auch die Zuwendungsverwaltung
bedient worden ist, dürften die Voraus-
setzungen erfüllt sein. Gleiches gilt
auch beim Verkauf von Vermögensge-
genständen. Problematisch bleiben die
Abgänge von Vermögens gegenständen
sowie die unentgeltliche Überlassung
von Vermögensgegenständen, da in die-
sen Fällen nicht immer die notwendigen
Buchungen in der Anlagenbuchhaltung
vorgenommen werden könnten. In re-
gelmäßigen Abständen und bei Bedarf
sollten daher die Bestände überprüft
werden. Dazu wäre dann eine bedarfs-
gerechte Inventur ausreichend.
Bilanz
Die Bilanz ist eine Gegenüberstellung von
Vermögen und Kapital einer Kommune zu
einem Stichtag. Sie ist das zentrale Re-
chenwerk der doppelten Buchführung
(Muster siehe Anhang).
Das Inventar umfasst oft mehrere Bän-
de, sodass die Übersichtlichkeit über das
Vermögen und die Schulden der Kom-
mune verloren gehen kann. Daher ist zu-
sätzlich zum Inventar eine kurzgefasste
Übersicht aufzustellen, die Bilanz. Die
Bilanz ist eine Kurzfassung des Inventars
in Kontoform.
Die Bilanz enthält auf der linken Seite
(Aktivseite) die Vermögensteile und die
aktive Rechnungsabgrenzung, auf der
rechten Seite (Passivseite) die Netto-
position, das Fremdkapital (Schulden
und Rückstellungen) und die passive
Rechnungsabgrenzung. Beide Seiten der
Bilanz weisen die gleichen Summen aus
(„Bilanz als Waage“).
Die Bilanz ist auch dann ausgeglichen,
wenn die Schulden das Vermögen der Kom-
mune übersteigen. In diesem Fall würde
auf der Passivseite die Bilanz position „Net-
toposition (nicht gedeckter Fehlbetrag)“
als Minusbetrag ausgewiesen. Dies muss
sofort der Kommunalaufsicht mitgeteilt
werden (§ 82 Abs. 8 S. 2 NGO).
Inventurerleichterungen für die
Erste Eröffnungsbilanz
(Bilanzpolitische Entscheidungen
für die Erste Eröffnungsbilanz)
Die Entscheidung, ob eine Inventurer-
leichterung nach § 60 GemHKVO in An-
spruch genommen wird oder nicht, muss
vor der Erstellung der Ersten Eröffnungs-
bilanz abschließend getroffen werden, da
eine Korrektur nach § 61 GemHKVO nicht
möglich ist. Nach § 61 GemHKVO können
nur Fehler in der Ersten Eröffnungsbilanz
(zum Beispiel ein Vermögensgegenstand
oder ein Sonderposten wurde nicht auf-
genommen oder mit einem falschen Wert
eingestellt) berichtigt werden. Dagegen
können bilanzpolitische Fehlentschei-
dungen (zum Beispiel Wahlrechte nach
§ 60 GemHKVO wurden nicht ausgeübt) in
den Folgejahren nicht korrigiert werden.
Für die Eröffnungsbilanz zu Beginn des
ersten Haushaltsjahres nach den Regeln
der kommunalen Doppik gelten die glei-
chen Vorschriften zur Inventur, zum In-
ventar, zu Ansatz und Bewertung des Ver-
mögens und der Schulden und zur Bilanz
wie zur Schlussbilanz, soweit nicht nach
Maßgabe von § 60 Absätze 2 bis 6 GemH-
KVO Abweichungen zugelassen sind.
Sofern in der Ersten Eröffnungsbilanz
auf die Aktivierung von abnutzbaren Ver-
mögensgegenständen verzichtet wird und
T H E M E N S C H W E R P U N K T : KO M M U N A L F I N A N Z E N
Von der Inventur
zur Bilanz:
Inventur
Inventar
Bilanz
3Beilage DNG 3 2010
damit in den ersten Ergebnishaushalten
beziehungsweise Ergebnisrechnungen
Abschreibungsaufwand vermieden wird,
um den Haushaltsausgleich zu erleich-
tern, wird aber gleichzeitig auch auf Liqui-
dität für künftige Investitionen verzichtet.
Denn der Abschreibungsaufwand in der
Ergebnisrechnung muss durch Ertrag
ausgeglichen werden. Sofern dieser Er-
trag zahlungswirksam ist, kommt Liqui-
dität in die Kasse, da die Abschreibung
zahlungsunwirksamer Aufwand ist.
Nach § 46 Abs. 1 GemHKVO können für
Vermögensgegenstände des Sachvermö-
gens, die regelmäßig ersetzt werden und
deren Gesamtwert von nachrangiger Be-
deutung ist, Festwerte gebildet werden,
sofern der Bestand in seiner Größe, sei-
nem Wert und seiner Zusammensetzung
nur geringen Schwankungen unterliegt.
Wenn alle Vermögensgegenstände unter
5 000 Euro nicht in die Anlagenbuch-
haltung aufgenommen werden, bleiben
kaum noch Vermögensgegenstände, für
die ein Festwert gebildet werden kann.
Nach dem Eröffnungsstichtag sind die
abnutzbaren Vermögensgegenstände fol-
gendermaßen zu planen beziehungsweise
zu buchen:
• GeringwertigeVermögensgegenstän-
de werden sofort als Aufwand erfasst
(§ 45 Abs. 6 GemHKVO),
• Vermögensgegenständeüber150Euro
bis 1 000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer
werden in einem Sammelposten erfasst
(§ 47 Abs. 2 GemHKVO) und über fünf
Jahre „abgeschrieben“,
• Vermögensgegenständeüber1000Euro
zuzüglich Umsatzsteuer werden in der
Anlagenbuchhaltung erfasst und über
die Nutzungsdauer abgeschrieben.
Somit verbleiben kaum noch Vermögens-
gegenstände, die in einem Festwert zu-
sammengefasst werden können. Außer-
dem muss für einen Festwert innerhalb
von fünf Jahren eine Inventur durchge-
führt werden, die sich die Kommune er-
sparen kann, wenn sie keine Festwerte
bildet.
Bei der Inventur für die Erste Eröffnungs-
bilanz kann nach § 60 GemHKVO auf
• die Erfassung von beweglichen
Vermögensgegenstände bis 5 000
Euro einschließlich Umsatzsteuer
verzichtet werden.
Eine Vielzahl von beweglichen Vermö-
gensgegenständen, die der Abnutzung
unterliegen, mit einem Anschaffungs-
beziehungsweise Herstellungswert ein-
schließlich Umsatzsteuer bis 5 000 Euro
befinden sich im Rathaus und in den
T H E M E N S C H W E R P U N K T : KO M M U N A L F I N A N Z E N
AktivaEröffnungsbilanz
der Gemeinde Musterhausen für den 1. Januar 2011Passiva
Euro Euro Euro Euro
1. Immaterielles Vermögen 875.000 1. Nettoposition
2. Sachvermögen 1.1. Basis-Reinvermögen 9.100.000
2.2. Unbebaute Grundstücke 600.000 1.2. Rücklagen 908.000
2.3. Bebaute Grundstücke 10.702.200 1.3. Sonderposten 3.000.000 13.008.000
2.4. Infrastrukturvermögen 5.900.500 2. Schulden
2.1. Bauten auf fremden Grund und Boden 3.800.200 2.1. Verbindlichkeiten aus Krediten 7.000.000
2.2. Kunstgegenstände, Kulturdenkmäler 100.000 2.2. Liquiditätskredite 500.000 7.500.000
2.3. Maschinen und TA, Fahrzeuge 215.000 2.3. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
980.000
2.4. Betriebs- und Geschäftsausstattung 450.100 3. Rückstellungen
2.1. Vorräte 50.000 21.818.000 3.1. Pensionsrückstellung 3.150.000
3. Finanzvermögen 3.2. Andere Rückstellungen 800.000 3.950.000
3.1 Beteiligungen 950.000
3.2 Wertpapiere 250.000
3.3 Öffentlich-rechtliche Forderungen 120.000
3.4 Privatrechtliche Forderungen 25.000 1.345.000
4 Liquide Mittel 1.400.000
25.438.000 25.438.000
Anhang:
Musterhausen, den 2. Juli 2011 Alfred Mustermann, Bürgermeister
Hinweis:Die Erste Eröffnungsbilanz (für das Haushaltsjahr 2011) kann erst nach dem letzten kameralen Abschluss für 2010 aufgestellt werden. Dies wird voraussichtlich im Sommer 2011 möglich sein.
4 Beilage DNG 3 2010
öffentlichen Einrichtungen wie etwa
Schulen, Kindergärten, Büchereien und
Feuer wehrgerätehäusern. Insgesamt ha-
ben diese Vermögensgegenstände aber
nur einen geringen Anteil an der Bilanz-
summe (etwa bis ein Prozent), sodass
sie nur einen untergeordneten Anteil am
Vermögen darstellen. Die Erfassung, Be-
wertung und Einbuchungen dieser vielen
Vermögensgegenstände verursacht einen
sehr großen Arbeitsaufwand. Durch den
Verzicht wird zwar der Grundsatz der
Vollständigkeit der Bilanz verletzt, aber
aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
der Inventur ist es aber gerechtfertigt,
diese Vermögensgegenstände nicht zu
erfassen. Nach dem Eröffnungsstichtag
müssen alle Vermögensgegenstände in
die Anlagenbuchhaltung aufgenommen
werden, soweit sie nicht im Sammel-
posten erfasst werden beziehungsweise
geringwertige Vermögensgegenstände
darstellen.
• Auf die Erfassung von abgeschrie-
benen beweglichen Vermögensgegen-
ständen kann verzichtet werden.
Sofern Vermögensgegenstände, die nach
der kommunalen Abschreibungstabelle
als abgeschrieben gelten, noch von der
Kommune genutzt werden, sollte auf eine
Erfassung verzichtet werden, da diese
Vermögensgegenstände in absehbarer
Zeit aus dem Vermögen der Kommune
ausscheiden.
Zweckmäßiger Weise werden alle
Vermögensgegenstände, die in die An-
lagenbuchhaltung aufgenommen wer-
den, gekennzeichnet, damit man später
beim Aussondern erkennen kann, wel-
che Vermögensgegenstände aus der An-
lagenbuchhaltung ausgebucht werden
müssen.
Straßen, die als abgeschrieben einge-
stuft werden, werden mit einem Rest-
buchwert von 0 Euro in die Anlagenbuch-
haltung aufgenommen.
T H E M E N S C H W E R P U N K T : KO M M U N A L F I N A N Z E N
• Auf die Aktivierung geleisteter
Investitionszuweisungen und -zu-
schüsse kann verzichtet werden.
Die Kommunen unterstützen Dritte (zum
Beispiel Sportvereine, Wohlfahrtsverbän-
de und Kirchen), die kommunale Aufga-
ben wahrnehmen. Dazu gehören auch
Zuwendungen für Investitionen (Investi-
tionsförderungsmaßnahmen § 59 Nr. 25
GemHKVO). Nach § 42 Abs.4 GemHKVO
werden von der Kommune geleistete In-
vestitionszuweisungen und -zuschüsse
als immaterielle Vermögensgegenstände
aktiviert und planmäßig abgeschrieben.
Häufig können diese Investitionszuwen-
dungen nicht mehr ermittelt werden und
daher ist es den Kommunen freigestellt,
ob sie diese Zuwendungen aus der Ver-
gangenheit aktivieren oder nicht.
Sofern aus der Kreisschulbaukasse
Investitionszuwendungen, die nicht
rückzahlbar sind, gewährt werden, kann
der Landkreis auf eine Aktivierung ver-
zichten aber die Gemeinde muss diese
empfangene Investitionszuwendung als
Sonderposten passivieren (§ 42 Abs. 5 S. 1
GemHKVO) und auflösen (= Ertrag).
•ZeitwertebeiGrundstücken
Der Bodenwertanteil für Grundstücke,
die vor dem Jahr 2000 entgeltlich erwor-
ben oder der Gemeinde unentgeltlich
übertragen wurden, kann auch der Zeit-
wert angesetzt werden, der sich an dem
für das Jahr 2000 geltenden Bodenricht-
wert orientiert, wenn die Ermittlung von
Anschaffungswerten unvertretbar auf-
wändig wäre. Hier muss die Kommune
entscheiden, ob sie die ursprünglichen
Anschaffungswerte oder den Zeitwert
in die Erste Eröffnungsbilanz einsetzen
will. Der Zeitwert erhöht das Vermögen
und damit steigt auch das Reinvermögen
der Kommune. Allerdings können künf-
tige Fehlbeträge der Ergebnisrechnung
nicht mit dem Reinvermögen, das in der
Erste Eröffnungsbilanz ermittelt und da-
mit festgeschrieben wurde, verrechnet
werden (§ 82 Abs. 5 S. 2 NGO).
An einem Beispiel soll der Unterschied
kurz vorgestellt werden:
Die Gemeinde hält 15 000 Quadratmeter
erschlossenes kommunales Bauland vor.
Der Anschaffungswert beträgt insgesamt
30 Euro pro Quadratmeter. Nach der Bo-
denrichtwertkarte können auch 100 Euro
pro Quadratmeter aktiviert werden.
1. Alternative:
Das Bauland wird mit 100 Euro pro Qua-
dratmeter, also insgesamt 1 500 000 Euro
aktiviert und im ersten „Doppik-Jahr“ zu
diesem Preis verkauft. Da der Verkaufs-
preis dem Buchwert entspricht, ergibt
sich aus dem Verkauf kein Ertrag, son-
dern „nur“ Liquidität von 1 500 000 Euro
in der Kasse.
Sollte in diesem Falle das Bauland un-
ter dem Zeitwert von 100 pro Quadratme-
ter verkauft werden, muss die Gemeinde
außerordentlichen Aufwand in die Ergeb-
nisrechnung einstellen und durch Ertrag
ausgleichen.
2. Alternative:
Das Bauland wird mit 30 Euro pro Qua-
dratmeter, also insgesamt „nur“ 450 000
Euro in die Erste Eröffnungsbilanz auf-
genommen und für 100 Euro pro Qua-
dratmeter verkauft. Da der Verkaufs-
preis 70 Euro pro Quadratmeter über
dem Buchwert liegt, müssen insgesamt
1 050 000 Euro außerordentlicher Ertrag
eingebucht werden. An Liquidität erhält
die Gemeinde auch wieder 1 500 000
Euro.
Der außerordentliche Ertrag von
1 050 000 Euro kann zum Ausgleich von
Fehlbeträgen der Ergebnisrechnung he-
rangezogen werden.
Ein Verkauf unter 100 Euro pro Qua-
dratmeter, aber über 30 Euro pro Qua-
dratmeter würde immer noch einen au-
ßerordentlichen Ertrag ergeben.
68 DNG 3 2010
T H E M E N S C H W E R P U N K T : KO M M U N A L F I N A N Z E N
Schlaglöcher in den kommunalen Kassen!Städte und Gemeinden fordern Rettungsschirm und Hilfen in Milliardenhöhe
Von Uwe Zimmermann, Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes für Europa, Wirtschaft, Verkehr, Ländliche Räume und Kommunikation
Meterhoher Schnee in den Straßen, Millionen von Schlaglöchern, Winterdienste im
Dauereinsatz, enorme Heizkosten, Unfälle, Knochenbrüche, geborstene Leitungen,
Rettungseinsätze: Das war der Winter 2009/2010. Nur wenige erinnern sich an
derart lange und strenge Winter. Die Städte und Gemeinden wurden von diesem
Winter buchstäblich kalt erwischt – er dürfte Zusatzkosten von bis zu 3,5 Milliarden
Euro verursacht haben. Sie fordern nun von Bund und Ländern Milliardenhilfen,
um die Infrastrukturschäden zu beseitigen, vor allem im Straßennetz.
Ein altes russisches Sprichwort zeigt uns,
was man aus strengen Wintererlebnissen
dort gelernt hat: „Bringe den Schlitten
im Sommer in Ordnung, den Wagen
jedoch im Winter.“ Fast möchte man in
Deutschland nach diesem Winter aber an-
raten, den Wagen vielleicht in Ordnung zu
bringen, aber lieber doch in der Garage zu
lassen, damit er auch in Ordnung bleibt.
Zwar würde er nun wohl nicht mehr Opfer
des Glatteises werden, wohl aber in Ge-
fahr kommen, bei Benutzung zahlreicher
Straßen Schaden zu nehmen.
Denn dieser Winter hat mit ungezählten
Schlaglöchern unsere Straßen in einem
zum Teil schlicht verheerenden Zustand
hinterlassen. Die Städte und Gemeinden
verfügen nicht mehr über die nötigen Mit-
tel, um die öffentliche Infrastruktur wie
gewohnt in Ordnung halten zu können.
Das sieht und spürt nun auch jeder Bür-
ger. Und was positiv festzuhalten ist: Er
kreidet dieses nicht dem Bürgermeister
an, sondern fordert, dass seine Kommu-
ne genügend Finanzmittel bekommt. Im
Interesse der Allgemeinheit.
Dramatische Finanzsituation
Nach Schätzungen des Deutschen Insti-
tuts für Urbanistik (Difu) hat der kommu-
nale Straßenbau einen Investitionsbedarf
von über 160 Milliarden Euro bis zum Jahr
2020 insgesamt. Der Investitionsbedarf
kommunaler Straßen hat ohnehin schon
einen regelmäßigen jährlichen Fehlbetrag
von bis zu fünf Milliarden Euro. Hinzu
kommen die Winter bedingten Kosten,
für den Winter 2009/2010 in Höhe von
geschätzten Kosten von bis zu 3,5 Milli-
arden Euro.
Dem steht eine schlicht dramatische
Finanzsituation der Kommunen gegen-
über. Die Kommunen haben aktuell rund
79 Milliarden Euro Kreditmarktschulden
und Verbindlichkeiten für Kassenkredite
von etwa 33,8 Milliarden Euro. Das kom-
munale Finanzierungsdefizit wird in die-
sem Jahr bei mindestens zwölf Milliarden
Euro liegen. Dem Wegbrechen vor allem
der Steuereinnahmen auf der Einnahmen-
seite stehen erhebliche Risiken steigender
Ausgaben gegenüber – vor allem im Be-
reich sozialer Leistungen. Alleine diese
werden in diesem Jahr mit über 41 Milli-
arden Euro in den kommunalen Kassen zu
Buche schlagen. Zum Vergleich: Noch im
Jahr 2003 hatten die Kommunen Sozial-
leistungen von gut 30 Milliarden Euro zu
tragen.
Erst kürzlich wurde in Berlin unter Be-
teiligung des Deutschen Städte- und Ge-
meindebundes (DStGB) die Gemeinde-
finanzkommission formiert. Diese soll ei-
nen Reformweg aus dieser Misere weisen.
Die stark geschädigten Straßen und Wege
können darauf aber nicht warten. Wir
brauchen die notwendigen Mittel jetzt,
um diese in Ordnung bringen zu können.
Der Bund und die Länder müssen hierzu
zusätzliche Mittel bereitstellen. Das Pro-
blem werden Bund und Länder nicht mit
dem Hinweis auf das Konjunkturpaket II
lösen können. Dort waren zwar von An-
fang an auch Mittel für Lärmschutzmaß-
nahmen an Straßen vorgesehen. Diese
haben aber nur einen kleineren Anteil der
Konjunkturpaket II-Mittel. Und zudem
sind diese in vielen Fällen auch bereits
für Investitionen eingeplant.
Ausmaß betroffener Straßen
Die Straßen in der Baulast der Städte und
Gemeinden in Deutschland haben eine
Gesamtlänge von über 415 000 Kilome-
tern. Hinzu kommen die Kreisstraßen mit
einigen zehntausend Kilometern, deren
Finanzierung über die Kreisumlagen letzt-
lich ebenfalls die Städte und Gemeinden
tragen müssen.
Die Bautechnikexperten des TÜV
Rheinland schätzen, dass derzeit 30 bis
40 Prozent der Straßen in Deutschland
stark beschädigt sind. Für das kommu-
nale Straßennetz bedeutet das: bis zu
180 000 Kilometer geschädigte Straßen.
Die Instandsetzung von 100 Metern Stra-
ße kostet etwa 15 000 Euro. Der Deutsche
Städte- und Gemeindebund schätzt da-
her, dass alleine durch den letzten Winter
Straßenschäden von bis zu 2,5 Milliarden
Euro entstanden sind.
Hinzu kommen vor allem weitere win-
terbedingte Kostenpositionen:
• EnergiekostenfürdieBeheizungder
kommunalen Gebäude in erheblicher
Höhe, weitere Infrastrukturschäden,
an Gebäuden, Brücken, geborstene
Leitungen.
• Einsätze der Feuerwehren und Not-
dienste.
Insgesamt dürfte der Winter 2009/2010
die Städte und Gemeinden in Deutsch-
land bis zu 3,5 Milliarden Euro kosten.
69DNG 3 2010
T H E M E N S C H W E R P U N K T : KO M M U N A L F I N A N Z E N
Rekord-Winterdienst
Doch damit nicht genug. Nach Erhe-
bungen des DStGB lassen die Daten
erkennen, dass teilweise doppelt, in
einigen Fällen dreimal soviel Streusalz
und Streugut wie in normalen Wintern
verwendet wurde. Von den Mitarbeitern
im kommunalen Winterdienst wurden
hunderttausende Überstunden geleistet
und Millionen von Straßenkilometern
abgefahren. Hut ab vor der Leistung
dieser Bediensteten in unseren Städten
und Gemeinden. Insgesamt dürften für
den Winterdienst mindestens Kosten in
Höhe eines hohen dreistelligen Millionen-
betrages entstanden sein.
Erst nach und nach wird das ganze Aus-
maß des Aufwands und der Kosten dieses
Winters sichtbar. Mitte März 2010 hat zum
Beispiel das Bundesland Baden-Württem-
berg dazu erste Feststellungen veröffent-
licht. Dort wurden über 75 Kilo Salz pro
Meter auf den Autobahnen gestreut und
damit doppelt so viel wie im Durchschnitt.
Allein das Räumen und Streuen auf den
Autobahnen in Baden-Württemberg hat
mehr als 15 Millionen Euro gekostet.
Die Städte und Gemeinden hatten in
diesem Winter ohnehin erhebliche Pro-
bleme, genügend Streugut und vor allem
Salz zu bekommen. Zum Teil musste der
Winterdienst eingeschränkt oder einge-
stellt werden. Schnell wurden unter an-
derem aus der Bundespolitik Rufe nach
der Bildung einer „Nationalen Streusalz-
reserve“ laut. Dies ist eine interessante
Idee, der allerdings in keinem Falle ein
Vorschlag angehängt war, wer diese Na-
tionale Salzreserve bilden und vor allem
wie finanzieren soll.
Standards zurückschrauben
Da zeigen Bund und Länder recht gerne
mit dem Finger auf die Kommunen. Di-
ese kennen ihre Winterdienst- und Ver-
kehrssicherungspflichten aber ohnehin
zu Genüge. Nur: Dieser Winter hat mehr
als deutlich gemacht, dass diese Verkehrs-
sicherungspflichten neu bewertet werden
müssen.
Harte Zeiten für Städte und GemeindenMinisterpräsident Christian Wulff besucht Bürger meister-Konferenz des NSGB
Die Finanzkrise trifft das Land Niedersachsen und die Kommunen sehr hart, und
alle kommunalen Ausgaben stehen auf dem Prüfstand, da die Einnahmen weg-
brechen. Diese Situation hatte den Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund
(NSGB) veranlasst, Ministerpräsident Christian Wulff und die Bürgermeisterinnen
und Bürgermeister der kreisangehörigen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden
zu einer zentralen Bürgermeister-Konferenz nach Walsrode einzuladen. Fast 300
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister konnte Walsrodes Bürgermeisterin Silke
Lorenz gemeinsam mit dem Präsidenten des Niedersächsischen Städte- und Ge-
meindebundes, Rainer Timmermann, in der Stadthalle Walsrode begrüßen.
„Wir sehen in der Wirtschaft schon etwas Licht am Horizont und hoffen, dass
es weiter aufwärts geht; damit wäre dem Land und den Kommunen schon etwas
geholfen“, erklärte Ministerpräsident Wulff. „Das sehr gute und informative Ge-
spräch heute hat gezeigt, dass das Land und die Kommunen finanziell in einem
Boot sitzen und gemeinsame Lösungen gefunden werden müssen, die uns helfen,
die Finanzen wieder in Ordnung zu bringen. Wir werden uns daher im Sinne der
Städte und Gemeinden im Bund und auch in unserem Verantwortungsbereich für
eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen einsetzen.“
„In einigen Landesteilen können drei von vier Gemeinden ihren Haushalt in
diesem und wahrscheinlich auch im nächsten Jahr nicht mehr ausgleichen. Daher
müssen wir vor Ort Gebühren erhöhen, Einrichtungen schließen und auch an dem
Notwendigsten – wie zum Beispiel der Sanierung von Straßen, Sportstätten und
Schulen – sparen. Dies tut weh und wir brauchen die Unterstützung des Landes.
Daher freue ich mich sehr, dass der Ministerpräsident heute die Zeit gefunden hat,
den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern für ein offenes Gespräch zur Verfü-
gung zu stehen und angeboten hat, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten“, erklärte
Rainer Timmermann nach der Sitzung. Neben der Finanzsituation waren auch der
Entwurf für ein neues Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz und die
Verbesserung der Kinderbetreuung Themen der Bürgermeisterkonferenz.
Von links: Bürgermeister Klaus Goedejohann (Bohmte), Bürgermeister Rainer El-lermann (Ostercappeln), Bürgermeisterin Silke Lorenz (Walsrode), Ministerpräsi-dent Christian Wulff, Bürgermeister Klaus Rehkämper (Bad Rothenfelde), NSGB-
Präsident Rainer Timmermann
70 DNG 3 2010
Und zudem sollten diese Erfah-
rungen Anlass geben, über die
Standarddefinition im Winter-
dienst und das Anspruchsden-
ken der Bevölkerung offen zu
diskutieren. Die Straßen kön-
nen und müssen eben nicht
immer schnee- und eisfrei ge-
halten werden. In Ländern wie
zum Beispiel der Schweiz oder
Österreich ist dies fast schon
traditionell nicht üblich. Trotz-
dem bricht der Verkehr dort
nicht zusammen.
Schnell meldeten sich die
Krankenkassen und kündigten
größere Regressforderungen
gegen die Städte und Gemein-
den wegen der zahlreichen Sturzunfälle
und Verletzungen an. Seitdem ist es um
diese Forderungen zwar merklich ruhiger
geworden. In den Fällen, die möglicher-
weise doch gerichtlich ausgeurteilt wer-
den müssen, darf man aber die Hoffnung
und Erwartung an die Gerichte formu-
lieren, dass diese Augenmaß bei den
T H E M E N S C H W E R P U N K T : KO M M U N A L F I N A N Z E N
Forderungen an die Verkehrssicherungs-
pflichten der Kommunen einerseits und
an das Prinzip der Eigenverantwortung
jedes Einzelnen selbst beweisen.
Teer muss her!
Einen bundesweiten Bekanntheitsgrad
hat nach diesem Winter die thüringische
Gemeinde Niederzimmern
erworben. Auf deren Inter-
netseite ist zu lesen:
Teer muss her! Kaufen
Sie Ihr Schlagloch! Die Ge-
meinde Niederzimmern
verkauft Ihnen zum Preis
von 50 Euro ein Schlagloch!
Das asphaltierte Schlagloch
erhält eine Plakette mit Ih-
rem Namen.
Bis zum 16. März 2010 hat
Niederzimmern schon 138
Schlaglöcher verkauft.
Schnell wurde diese Initiati-
ve im ganzen Land verbreitet.
Es ist eine schöne Idee der
Gemeinde Niederzimmern,
die zwar „nur“ einen kleinen Beitrag zur
Lösung des Schlaglochproblems bringt.
Sie zeigt aber vor allem eines: Es sind un-
ser aller Straßen, die in Ordnung gehalten
werden müssen. Vielleicht kann man den
Zustand eines Staates seinen Straßen an-
sehen. Und da ist der Handlungsbedarf
nicht mehr zu kaschieren!
Z U R P E R S O N
Wahlen und Ernennungen
Carlos Brunkhorst,
Ge meinde Neuenkir-
chen, Landkreis Soltau-
Fallingbostel, wurde zum
neuen Bürgermeister der
Gemeinde Neuenkirchen
gewählt.
Jürgen Focke, Gemeinde Lastrup, Land-
kreis Cloppenburg, wurde nach sieben-
jähriger Tätigkeit als Bürgermeister der
Gemeinde Lastrup aus dem Amt verab-
schiedet. Focke wechselt als Geschäfts-
führer in ein privates Unternehmen. Am
5. September 2010 wird der neue Lastru-
per Bürgermeister gewählt.
Landrat Hans Eveslage verabschiedet Jürgen Focke
Foto: Willi Siemer, Münsterländische Tageszeitung
Michael Fischer, Bürgermeister der Ge-
meinde Emstek, Landkreis Cloppenburg,
wurde zum neuen Geschäftsführer des
Kreisverbandes Cloppenburg im Nieder-
sächsischen Städte- und Gemeindebund
gewählt. Er löst damit Jürgen Focke, Bür-
germeister der Gemeinde Lastrup, ab, der
das Amt des Kreisgeschäfts-
führers seit 2006 inne hatte.
Von links: Michael Fischer, stellvertretende Vorsitzende Marianne Fugel, Jürgen Focke, stellvertretender Vorsitzender Hermann Schröer und der Vor-sitzende des Kreisverbandes
Cloppenburg, Rainer Rauch
Foto: Günter Stutenkemper, Münsterländische Tageszeitung
71DNG 3 2010
Ehrungen und Jubiläen
Detlev Loos verabschie-
dete sich Ende Mai 2010
nach sechs Jahren aus
dem Amt des Bürger-
meisters der Gemeinde
Bispingen, Landkreis
Soltau-Fallingbostel,
und wirkt seit 1. Juni 2010 als Kreisrat
im Landkreis Gifhorn.
Z U R P E R S O N
Nachrufe
Karl-Heinz Placke, Ge-
meinde Wagenfeld, Land-
kreis Diepholz, verstarb
im Alter von 80 Jahren.
Placke wurde 1962 zum
Samtgemeindedirektor
der damaligen Samtge-
meinde Wagenfeld ernannt. Nach dem
Zusammenschluss der Viertelsgemein-
den Bockel, Förlingen, Haßlingen und
Neustadt zur Gemeinde Wagenfeld 1967
lenkte er als Gemeindedirektor bis zu sei-
nem Ruhestand 1995 die Geschicke der
Gemeinde Wagenfeld. Von 1973 bis 1994
war Placke außerdem Geschäftsführer
des Kreisverbandes Diepholz im Nieder-
sächsischen Städte- und Gemeindebund.
Der Verband wird Karl-Heinz Placke ein
ehrendes Gedenken bewahren.
Alfred Schindler, Ge-
meinde Eystrup, Land-
kreis Nienburg, verstarb
im Alter von 79 Jahren.
Schindler begann seine
kommunalpolitische
Laufbahn 1972 als Rats-
mitglied der Gemeinde Eystrup und wur-
de 1976 Mitglied des Samtgemeinderates.
Von 1980 bis 2005 übte er das Amt des
Bürgermeisters der Gemeinde Eystrup
aus. Als Anerkennung für sein Engage-
ment zum Wohle der Allgemeinheit auf
kommunalpolitischer Ebene sowie in
zahlreichen Vereinen wurde Schindler
2005 das Bundesverdienstkreuz verlie-
hen. Der Niedersächsische Städte- und
Gemeindebund wird sein Andenken in
Ehren halten.
V. l. Ulrich Schramke und Walter Lagers-hausen
Walter Lagershausen, Gemeinde Ba-
denhausen, Samtgemeinde Bad Grund,
und Ulrich Schramke, Stadt Herzberg,
wurden für ihre langjährige Ratstätigkeit
vom Niedersächsischen Städte- und Ge-
meindebund ausgezeichnet. Die Ehrung
nahm der Vorsitzende und Geschäftsfüh-
rer des Kreisverbandes Osterode, Frank
Uhlenhaut, vor. Walter Lagershausen ist
seit 1989 Mitglied im Rat der Gemeinde
Badenhausen, Ulrich Schramke kann auf
32 Jahre Ratsarbeit in Herzberg zurück-
blicken.
Dieter Sjuts, Stadt Har-
degsen, Landkreis Nort-
heim, feierte im April
2010 sein 50-jähriges
Dienstjubiläum. Sjuts
begann seine Laufbahn
im öffentlichen Dienst
1960 beim Landkreis Friesland. Er wurde
1990 Stadtdirektor der Stadt Hardegsen
und bekleidet nun bereits in der dritten
Amtsperiode das Amt des hauptamtlichen
Bürgermeisters.
Veranstaltung der Repowering InfoBörse mit guter ResonanzIm April 2010 fand ein Informati-
onsabend der von der Kommunalen
Umwelt-AktioN U.A.N. betriebenen
Beratungsstelle Repowering-In-
foBörse vor Gemeinderatsmitglie-
dern der Samtgemeinde Hattorf im
Landkreis Osterode am Harz statt.
Mit der Auftaktveranstaltung in ei-
ner ganzen Reihe von zukünftigen
Informationsangeboten kam sie
dem Wunsch des Samtgemeinde-
bürgermeisters Rolf Hellwig nach.
Neben der Vermittlung von all-
gemeinen fachlichen Grundlagen
des Repowering – dem Austausch
alter Windenergieanlagen gegen lei-
stungsstärkere Neuanlagen – stan-
den bauplanungsrechtliche Frage-
stellungen und soziale Aspekte im
Vordergrund. Die abschließende
Diskussion hat gezeigt, dass vor
allem technologische Neuerungen
an modernen Windrädern, die ein
Repowering vor allem auch aus Ak-
zeptansicht attraktiv werden lässt,
stärker auf kommunaler Ebene
kommuniziert werden müssen.
Städte, Gemeinden und Samt-
gemeinden, die Interesse an einer
Informationsveranstaltung haben,
können sich per E-Mail (info@re-
powering-kommunal.de) oder tele-
fonisch unter 0511 30285-67 an die
Repowering-InfoBörse wenden.
U. A . N .
72 DNG 3 2010
A L L G E M E I N E V E RWA LT U N G U N D E U R O PA
Niedersächsisches Kommunalverfassungs gesetz – ein Nachruf auf die NGOVon Robert Thiele, Ministerialdirigent a. D.
Zusammenfassung zu einem
einheitlichen Gesetz
In ihrer Koalitionsvereinbarung 2008 bis
2013 haben CDU und FDP unter dem Stich-
wort „Kommunen“ neben der Absage an
eine von oben diktierte Gebietsreform und
der Zusage der Unterstützung freiwilliger
Zusammenschlüsse verabredet, durch
eine Zusammenfassung der bestehenden
Kommunalverfassungsgesetze zu einem
einheitlichen Kommunalverfassungsge-
setz Vorschriften reduzieren, Doppelungen
vermeiden und die ehrenamtlichen Wir-
kungsmöglichkeiten verbessern zu wollen.
Ende März 2010 ist der entsprechende Ge-
setzentwurf der Landesregierung zur An-
hörung auch der kommunalen Spitzenver-
bände freigegeben worden. Er bezeichnet
in seinem allgemeinen Teil der Begründung
neben der Erweiterung der kommunalen
Handlungsspielräume, der Steigerung der
Attraktivität und Effektivität ehrenamt-
licher Mitwirkung und der Änderung von
Vorschriften über die Wahl und Alters-
grenze von Hauptverwaltungsbeamten
die Verbesserung der Anwenderfreundlich-
keit und praktischen Handhabbarkeit des
Rechts, die Vorschriftenreduzierung und
die Reduzierung zukünftigen Gesetzge-
bungsaufwands als wesentliche Ziele des
neuen Gesetzes. Mit seinem Inkrafttreten,
das für den 1. November 2010 vorgesehen
ist, werden die Niedersächsische Gemein-
deordnung und die Niedersächsische Land-
kreisordnung ausgedient haben.
Die historische Dimension
Damit geht dann in Niedersachsen eine
lange Tradition eigenständiger Kodifika-
tion zur Regelung der Verhältnisse der
Gemeinden zu Ende. Nach dem Vorbild
und im Gefolge der von dem Reichsfrei-
herrn von und zum Stein geschaffenen
Preußischen Städteordnung von 1808
ist im Königreich Hannover als
erstes Gesetz zur Regelung ge-
meindlicher Verhältnisse 1851
die Hannoversche Städteordnung
erlassen worden. Ihr folgten für
Hannover und die später im Jah-
re 1946 in Niedersachsen aufgegangenen
Länder Braunschweig, Oldenburg und
Schaumburg-Lippe Land gemeinde- und
Städteordnungen. Auch in der Zeit des Na-
tionalsozialismus bestand trotz der Gleich-
schaltung des öffentlichen Lebens mit der
Deutschen Gemeindeordnung von 1935
ein eigenständiges Gesetz für die Städte
und Gemeinden im damaligen Deutschen
Reich. Ihr folgte in Niedersachsen nach
ihrer „Entnazifizierung“ und Demokratisie-
rung die so genannte revidierte Deutsche
Gemeindeordnung. Nach langen, drei Jah-
re währenden Beratungen im Niedersäch-
sischen Landtag trat dann am 1. April 1955
die Niedersächsische Gemeindeordnung
(NGO) in Kraft. Sie wird seither als das
Grundgesetz der Gemeinden verstanden.
Diese Ein- und Wertschätzung bezeugt
schon ihre Würdigung durch den damals
amtierenden Landtagspräsidenten, der sie
bei ihrer Verabschiedung im Landtag am
10. Februar 1955 in eine Reihe mit dem
Grundgesetz und der Niedersächsischen
Verfassung gestellt hat (Stenographischer
Bericht, 92. Sitzung des Landtags am
10.2.1955, Sp. 6035).
Fortentwicklung der NGO
Die hohe Qualität des damals geschaffenen
Gesetzes und seine Bewährung in der täg-
lichen Praxis beweist die Tatsache, dass
in ihm substantielle Veränderungen vor-
genommen werden konnten, ohne seine
Grundstruktur aufbrechen und es sozusa-
gen auf ein völlig neues Fundament stellen
zu müssen. Solche grundlegenden Ände-
rungen sind die 1963 im Zusammenhang
mit dem Bau der Mauer in Berlin
und der Kuba-Krise erfolgte Ein-
führung der Organstellung des
Gemeindedirektors und der Über-
gang auf die so genannte Einglei-
sigkeit im Jahre 1996 gewesen,
der nach der Wiedervereinigung in allen,
auch den „alten“ Ländern vollzogen wurde.
Obwohl in den Landkreisen der Oberkreis-
direktor schon beim Erlass der Nieder-
sächsischen Landkreisordnung im Jahre
1958 mit Rücksicht auf „die uralten staat-
lichen Aufgaben der Landesverteidigung
einschließlich Luftschutz mit allen ihren
politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Konsequenzen“, die von den Landkreisen
statt durch Sonderbehörden wahrgenom-
men werden sollten, wie der Innenminister
bei der Einbringung der Regierungsvorlage
argumentierte (Stenographischer Bericht,
11. Sitzung des Landtags am 8.2.1956, Sp.
473 f.), die Stellung eines Organs erhalten
hatte, ist keinerlei Grund gesehen worden,
diese Angleichung der beiden Gesetze zum
Anlass ihrer Zusammenfassung zu neh-
men. Dasselbe gilt für den Übergang auf
die Eingleisigkeit, der für die Gemeinden
und die Landkreise 1996 in völlig gleicher
Weise vorgenommen worden ist. Auch bei
den beiden grundlegenden Überprüfungen
des Niedersächsischen Kommunalverfas-
sungsrechts 1978 durch eine vom Innen-
minister aufgrund eines entsprechenden
Kabinettsbeschlusses berufene Sachver-
ständigenkommission, die allgemein nach
ihrem Vorsitzenden, dem Hamburger Pro-
fessor Werner Thieme, benannt wird und
in der Vertreter der im Landtag vertretenen
Fraktionen, der kommunalen Spitzenver-
bände und der Landesregierung Mitglieder
gewesen sind, und 1994 durch eine parla-
mentarische Enquete-Kommission mit Mit-
gliedern aus allen Landtagsfraktionen und
der Wissenschaft ist an keiner Stelle und
Robert Thiele
73DNG 3 2010
A L L G E M E I N E V E RWA LT U N G U N D E U R O PA
von niemandem das Bedürfnis gesehen
oder auch nur die Idee artikuliert worden,
ein einheitliches Kommunalverfassungsge-
setz zu konzipieren (Berichte April 1978
und vom 6.5.1994, Drs. 12/6260).
Regelungen der anderen Länder
Kein einziges Land der Bundesrepublik
Deutschland verzichtet auf ein eigenstän-
diges Gesetz für seine Gemeinden zugun-
sten eines allgemeinen, für alle Kommunen
geltenden Kommunalgesetzbuchs. Auch die
beiden Länder Brandenburg und das Saar-
land, die ihre Kommunalverfassungsgesetze
zusammengefasst haben, verfügen über ein
selbstständiges Gesetz für ihre Gemeinden,
auf dessen Vorschriften in den Gesetzen
für andere Kommunen jeweils verwiesen
wird. So ist auch schon die Rechtslage in
Niedersachsen bis zum Inkrafttreten der
Niedersächsischen Landkreisordnung ge-
wesen, als nach einem Gesetz von 1947 die
revidierte Deutsche Gemeindeordnung für
die Landkreise entsprechend gegolten hat.
Die Eigenständigkeit eines Verfassungsge-
setzes ausschließlich für die Gemeinden
entspricht und ist Ausdruck der hohen und
besonderen Bedeutung, die das Grundge-
setz in seinem Art. 28 Abs. 2 Satz 1 der ge-
meindlichen Selbstverwaltung zuerkennt.
Die Niedersächsische Verfassung geht in
ihrem Art. 57 Abs. 3, wie auch der Staatsge-
richtshof in seinem Lüchow-Dannenberg-
Urteil (vom 6.12.2007, Rathaus&Recht,
Sonderheft vom 24.1.2008) bestätigt hat,
noch über die grundgesetzliche Gewähr-
leistung der gemeindlichen Selbstverwal-
tung hinaus und bietet deshalb zusätzlichen
Anlass, dem durch ein eigenständiges Ver-
fassungsgesetz für die niedersächsischen
Gemeinden Ausdruck zu verleihen.
Gründe für die Abschaffung der NGO
Angesichts dieser Vorgeschichte und ihrer
Grundlagen ist die Koalitionsvereinbarung,
Niedersächsisches Kommunal verfassungsgesetz (NKomVG)So genannte wesentliche inhaltliche Änderungen im Ge-
setzentwurf der Landesregierung vom 23. März 2010, die
über die reine Zusammenfassung von Niedersächsischer
Gemeindeordnung und Niedersächsischer Landkreisord-
nung hinausgehen:
– Ansätze aus dem bekannten 10-Punkte-Plan des Innenmi-
nisteriums –
Einführung beschließender Ausschüsse
(vgl. § 76 Abs. 3 NKomVG)
Vorgesehen ist, den Rat zu ermächtigen, Zuständigkeiten des
Verwaltungsausschusses für bestimmte Gruppen von Angele-
genheiten auf Fachausschüsse zu übertragen.
Stärkung der Ortsräte (vgl. § 92 NKomVG)
Die Beschlusszuständigkeiten der Ortsräte sollen an die der Stadt-
bezirksräte angepasst und erweitert werden, beispielsweise um
die Benennung von Straßen, Wegen und Plätzen in der Ortschaft.
Auch soll den Ortsräten die Möglichkeit eingeräumt werden, auf
Antrag Haushaltsmittel als Budget zu erhalten.
Ratsvorsitz/Aufstellen Tagesordnung
(vgl. §§ 61, 59 NKomVG)
Der Ratsvorsitzende soll künftig nur aus der Mitte der Ratsfrauen
und Ratsherren zu wählen sein (Ausschluss des Bürgermeisters).
Weiterhin ist vorgesehen, dass der Bürgermeister bei der Aufstel-
lung der Tagesordnung das Benehmen mit dem Ratsvorsitzenden
herzustellen hat und dieser die Erweiterung der Tagesordnung
um einen Beratungsgegenstand verlangen kann.
Verlagerung gesetzlicher Regelungen
(vgl. §§ 59, 62 und § 68 NKomVG)
Die gesetzlichen Verfahrensregelungen über die Einberufung zu
Ratssitzungen (Ladungsfristen), die Einwohnerfragestunde und
die Anfertigung eines Protokolls sollen gestrichen und die Rege-
lungskompetenz auf den Rat verlagert werden.
So genannte Vereinfachung des Entschädigungsrechts
(vgl. §§ 55, 44 NKomVG)
Vorgesehen ist ein allgemeiner Anspruch auf angemessene Ent-
schädigung für die Ratsfrauen und Ratsherren, der durch Satzung
ausgestaltet werden soll. Eine vom Innenministerium zu berufen-
de Kommission soll zu Beginn der neuen Wahlperiode Empfeh-
lungen zur Ausgestaltung und Höhe der Entschädigung geben.
Bekanntmachung von Rechtsvorschriften
(vgl. § 11 NKomVG)
Die Verkündung von Rechtsvorschriften soll nunmehr im Ge-
setz statt in der Bekanntmachungsverordnung geregelt werden.
Zugleich soll als zusätzliche Option die Nutzung des Internets
zugelassen werden.
– Neue Ansätze im Gesetzentwurf –
Aufhebung der Altersgrenze für Bürgermeister
(vgl. § 83 S. 1 NKomVG)
Die seit 2005 geltende Altersgrenze für hauptamtliche Bürgermei-
ster und Landräte, die mit der Vollendung des 68. Lebensjahres
erreicht ist, soll künftig entfallen. Jedoch soll weiterhin nur wähl-
bar sein, wer am Wahltag noch nicht 65 Jahre alt ist.
Abschaffung der Stichwahl bei Direktwahlen
(vgl. Art. 4 und 5 des Gesetzentwurfs)
Der Wahlmodus für die Direktwahl der Bürgermeister und
Landräte soll dahingehend geändert werden, dass die Stichwahl
entfällt. Damit wäre künftig gleich im ersten Wahlgang gewählt,
wer die meisten Stimmen hat.
74 DNG 3 2010
A L L G E M E I N E V E RWA LT U N G U N D E U R O PA
die Gemeindeordnung abzuschaffen und
durch ein für alle niedersächsischen Kom-
munen einheitliches Kommunalverfas-
sungsgesetz zu ersetzen, in hohem Maße
überraschend. Wie in der Vergangenheit ist
auch in jüngerer Zeit diese Absicht kein Ge-
genstand der politischen Diskussion gewe-
sen. Insbesondere ist in der gemeindlichen
Praxis nirgendwo ein Bedürfnis oder auch
nur der Wunsch nach dieser Maßnahme
zum Ausdruck gebracht worden. Es kann
im Gegenteil davon ausgegangen werden,
dass sie von den Gemeinden und ihren
Ratsmitgliedern, so wie vom Niedersäch-
sischen Städte- und Gemeindebund in sei-
ner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf
klipp und klar erklärt und in anderen Stel-
lungnahmen vornehmlich aus taktischen
Gründen zurückhaltender formuliert, ganz
überwiegend abgelehnt wird.
Im Wesentlichen werden drei Gründe für
die Abschaffung der Niedersächsischen
Gemeindeordnung und ihr Aufgehen in
einem einheitlichen Kommunalverfas-
sungsgesetzbuch für alle niedersäch-
sischen Kommunen angeführt: die Verbes-
serung der Anwenderfreundlichkeit und
praktischen Handhabbarkeit des Rechts,
die Vorschriftenreduzierung und die Re-
duzierung des zukünftigen Gesetzgebungs-
aufwands. Neue Gesichtspunkte, die nicht
auch schon in der Vergangenheit hätten
ins Feld geführt werden können, sind das
nicht, sodass gefragt werden muss, was
sie nunmehr so gewichtig erscheinen lässt,
dass ihnen der Fortbestand der Gemein-
deordnung geopfert werden muss oder
kann. Bei der Würdigung der Gründe
müssen zwei Betroffenheiten unterschie-
den werden: die der Gemeinden und ihrer
Ratsmitglieder, die als ehrenamtlich Tätige
in der kommunalen Praxis mit den Vor-
schriften der Gemeindeordnung umgehen,
und die derjenigen, die entsprechend der
verfassungs- und landesrechtlichen Kom-
petenzverteilung in Landesregierung und
Landtag für das Kommunalrecht zuständig
sind. Dass die Anwendung und praktische
Handhabbarkeit des Rechts durch die Zu-
sammenfassung aller Kommunalgesetze
für die Ratsmitglieder verbessert wür-
de, ist so ohne weiteres nicht einsichtig.
Eher könnte das Gegenteil angenommen
werden, weil in dem einheitlichen Gesetz
auch Vorschriften enthalten sein sollen,
die besonders oder allein die Landkreise
und die Region Hannover betreffen (u. a.
§§ 3, 5, 23, 31, 46, 50, 74, 84, 107, 158-160,
164-166 des Entwurfs) und das Gesetz für
sie und die Gemeindeorgane Sammelbe-
zeichnungen und nicht die Bezeichnungen
verwenden soll, die sie tatsächlich tragen
(§§ 7, 45 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs). Aus
der Sicht der Gemeinden und ihrer Rats-
mitglieder findet keine Reduzierung der
Vorschriften, sondern ihre Vermehrung
von 162 auf 179 statt. Betrachtet man die
Bilanz der Verbesserungen und Erleichte-
rungen eines einheitlichen Kommunalver-
fassungsgesetzes, so ergibt sich, dass sie
ganz eindeutig für diejenigen entstehen,
die im Landesbereich für die Pflege und Be-
treuung aller Kommunalgesetze zuständig
sind. An diesem Befund ändert nichts der
Hinweis darauf, dass in der Niedersäch-
sischen Landkreisordnung und im Gesetz
über die Region Hannover eigenständige
Regelungen über die Kommunalwirtschaft
fehlten und diesbezüglich auf die Nieder-
sächsische Gemeindeordnung Bezug ge-
nommen werde, die deshalb bei der Arbeit
mit diesen beiden Gesetzen häufiger zur
Hand genommen werden müsse. Daraus
sind praktische Probleme bisher nicht
bekannt geworden. Dass das eher tech-
nokratische Interesse im Landesbereich
an einem einheitlichen Kommunalverfas-
sungsgesetz heute einen anderen, höheren
Stellenwert hätte als in der Vergangenheit
und den Bruch mit der langen Tradition
eines eigenständigen Gemeindeverfas-
sungsgesetzes erforderte oder auch nur
rechtfertigte, ist nicht dargestellt worden
und nicht ersichtlich.
Verbesserung der ehrenamtlichen
Wirkungsmöglichkeiten?
Durch die Zusammenfassung und Moderni-
sierung der Kommunalverfassungsgesetze
sollen nach der Koalitionsvereinbarung die
ehrenamtlichen Wirkungsmöglichkeiten
verbessert werden. Zunächst ist festzu-
halten, dass durch die Abschaffung eines
eigenständigen Gesetzes für die nieder-
sächsischen Gemeinden eine zumindest
psychologische „Degradierung“ der für sie
ehrenamtlich Tätigen, insbesondere der
Ratsfrauen und Ratsherren stattfindet, die
in dem neuen Gesetz nicht mehr mit ihrer
überkommenen Bezeichnung angespro-
chen und deren Rat, Verwaltungsausschuss
und Bürgermeister, damit das neue Kostüm
für alle Kommunen passt, nivellierend als
Vertretung, Hauptausschuss und Hauptver-
waltungsbeamter verfremdet werden. Die
im Gesetzentwurf zur Stärkung der Ehren-
amtlichkeit vorgeschlagenen Änderungen
können jedenfalls die Notwendigkeit eines
neuen Kommunalgesetzes nicht rechtferti-
gen. Dabei kann schon zweifelhaft sein, ob
es eine Stärkung des Rates darstellt, wenn
gesetzlich ausgeschlossen wird, dass er,
wie bisher zulässig (§ 43 Abs. 1 NGO), den
Bürgermeister zum Ratsvorsitzenden wählt
(§ 61 Abs. 1 des Entwurfs), oder nicht mehr
er in der Hauptsatzung darüber bestimmt,
welche weiteren Entscheidungskompe-
tenzen den Stadtbezirks- und Ortsräten
übertragen werden (§§ 55c Abs. 1 Satz 2,
55g Abs. 1 Satz 2 NGO), sondern das für
bestimmte Angelegenheiten gesetzlich ge-
regelt wird (§ 92 Abs. 1 des Entwurfs).
Fazit
Die Abschaffung der Niedersächsischen
Gemeindeordnung als eigenständiges
Grundgesetz der niedersächsischen Ge-
meinden und ihr Ersatz durch ein allge-
meines für alle Kommunen geltendes
Kommunalgesetz ist der Bruch mit einer
über 150-jährigen Tradition, für den es
keine stichhaltige Begründung gibt. Es
geht mit ihr ein Symbol der Wertschät-
zung und Anerkennung der gemeindlichen
Selbstverwaltung als Grundlage unseres
gesellschaftlichen und staatlichen Zusam-
menlebens verloren. Dass dafür eine in den
Gemeinden tief- und festverwurzelte Partei
mitverantwortlich ist, hat einen fast schon
als tragisch zu bezeichnenden Aspekt.
75DNG 3 2010
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76 DNG 3 2010
DSL statt Behördenruf„Wir kämen bei der Versorgung
der Bevölkerung mit DSL besser
voran, wenn sich der Bund bei sei-
nen IT-Projekten einschränken und
die Mittel in den Aufbau schneller
Breitbandanwendungen investieren
würde“, erklärt Rainer Timmermann,
Präsident des Niedersächsischen
Städte- und Gemeindebundes.
„Es ist mehr als ärgerlich, wenn die
Bürger außerhalb großer Städte im-
mer noch auf eine vernünftige DSL-
Versorgung warten müssen und auf
der anderen Seite Gelder in Projekte
mit ungeklärten Kostenfolgen – wie
beim Behördenruf D115 – fließen.
Wir erwarten vom Bund und auch
vom Land Niedersachsen, dass keine
Projekte angeschoben werden, die
nicht bezahlbare Folgekosten bei
den kreisangehörigen Städten, Ge-
meinden und Samtgemeinden auslö-
sen. Vielmehr schafft jeder Euro, der
in den Breitbandausbau investiert
wird, wertvolle Arbeitsplätze und
sichert die Zukunft unserer Bürger
und Unternehmen in der Wissensge-
sellschaft“, betont Timmermann.
Wegen der unabsehbaren Kosten-
folgen beim Behördenruf D115, für
den die Bürger über Gesprächsein-
heiten und über Steuergelder zahlen
müssen, hat der Städte- und Gemein-
debund das Land Niedersachsen und
den Deutschen Städte- und Gemein-
debund gebeten, gegen dieses Bun-
desprojekt im kreisangehörigen Be-
reich zu votieren. Timmermann: „Die
Städte und Gemeinden sind schon
jetzt für ihre Bürger Ansprechpart-
ner in allen Lebenslagen. Callcenter
werden diese individuelle Beratung
nie leisten können und kosten un-
nötig Geld.“
A L L G E M E I N E V E RWA LT U N G U N D E U R O PA
Land bleibt bei D115 zurückhaltendNiedersachsen bleibt bei der Beurteilung
des Behördenrufs D115 zurückhaltend. In
der Antwort auf eine Anfrage des FDP-
Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen stellt
das Innenministerium fest, dass nach den
bisherigen Erfahrungen mit dem Projekt-
betrieb 95 Prozent der eingehenden tele-
fonischen Anliegen kommunaler Art seien.
Das Land werde daher auf den Aufbau
eines eigenen Servicecenters verzichten.
Es gehe davon aus, dass der vom Land
betriebene und den Kommunen zur ko-
stenfreien Nutzung zur Verfügung gestellte
„Bürger- und Unternehmensservice“ (BUS)
auch Landesdienst leistungen ausreichend
gut beschreibe und vom kommunalen
D115-Service in deren Wissensmanage-
ment integriert werden könne. Vor einer
endgültigen Positionierung des Landes
sollen jedoch der noch bis zum 24. März
2011 andauernde Pilotbetrieb und die da-
mit gemachten Erfahrungen abgewartet
werden, auch wenn die Projektgruppe
D115 in ihrem in Kürze erscheinenden
Jahresbericht ausführen werde, dass der
Betrieb eines kommunalen Servicecenters
wirtschaftlich sei, sagte Innen-Staatssekre-
tärin Dr. Sandra von Klaeden. Die Kosten
des Projekts werden zurzeit je zur Hälfte
vom Bund und dem Land Hessen getragen.
Für die geplante Geschäftsstelle D115 geht
die Projektgruppe für 2011 bis 2013 von
jährlich etwa drei Millionen und für die
Folgejahre von etwa zwei Millionen Euro
aus. Derzeit werde ein Finanzierungsmo-
dell erarbeitet. Vorentwürfe sähen eine
Umlagefinanzierung auf Bund/Länderebe-
ne nach dem Königsteiner Schlüssel vor.
Alternativ wäre nach Ansicht des Landes
eine direkte Mitfinanzierung durch die
Kommunen denkbar, die allerdings von
den teilnehmenden Kommunen abgelehnt
wird. Sie halten ihren Finanzierungsbei-
trag an dem Projekt durch Errichtung und
Betrieb ihrer Servicecenter „für mehr als
erbracht“, heißt es bei den Verbänden. Im
Landesetat und der Mipla sind keine Mittel
für die Finanzierung einer D115-Dachor-
ganisation eingeplant.
Rundblick / Nord-Report,
12. Mai 2010
Schnell, preiswert und einfach bedienbar: Das Geoportal für alle Kommunen Immer mehr Städte und Gemeinden setzen auf LGN-Kartografie mit dem NOLIS-Navigator
PR-Artikel
Ein Geoportal oder Web-GIS ist eigentlich
heute unverzichtbar für jede Kommune – un-
abhängig von ihrer Größe. Bisher standen
Kosten, notwendiges Spezialwissen und per-
sonalintensive Datenpflege diesem Anspruch
entgegen. Insbesondere in Niedersachsen
haben immer mehr Kommunen nun den
Schritt gewagt: Sie stellen mit modernster
Web-Technologie ihre Geoinformationen zur
Verfügung und nutzen dabei die amtliche
Karto grafie des Landes Niedersachsen.
Viele Fachleute bezeichnen den „Naviga-
tor“, den GIS-Viewer der NOLIS GmbH aus
Nienburg/Weser, als derzeit schnellste und um-
fassendste Technologie, um amtliches Karten-
material gespickt mit wichtigen Informationen
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78
Der BürgerBus hat in den letzten Jah-
ren im Gebiet des Verkehrsverbundes
Bremen/Niedersachsen (VBN) für viel
Aufmerksamkeit gesorgt. Niedersach-
sen liegt hier im bundesweiten Län-
dervergleich mittlerweile an zweiter
Stelle (siehe Grafik).
Im VBN-Land verkehren derzeit
acht BürgerBus-Vereine auf 23 VBN-
Linien. Mitte dieses Jahres wird ein
Verein in Westerstede hinzukommen.
In etwa zehn weiteren Gemeinden
steht das Thema BürgerBus derzeit
auf der Tagesordnung.
In ganz Deutschland verkehren
bereits rund 150 BürgerBusse, doch
es gibt etwas, mit dem sich die VBN
BürgerBusse ganz besonders hervor-
heben: die markanten Niederflurfahr-
zeuge, die eine bequeme und sichere
Mobilität bieten.
Diese Fahrzeugqualität und die Un-
terstützung der Landesnahverkehrs-
gesellschaft, der Städte, Gemeinden
und Landkreise, der VBN-Verkehrsun-
ternehmen, des Zweckverbandes Ver-
kehrsverbund Bremen/Niedersachsen
(ZVBN) und vor allem der ehrenamt-
lichen Fahrerinnen, Fahrer und Ver-
einsvorstände gewährleistet in vielen
Bereichen des VBN-Landes wieder ein
hochwertiges ÖPNV-Grundangebot in
der Fläche. Lagen die Nutzerzahlen
noch vor vier Jahren bei rund 20 000
DNG 3 2010
aus der Kommune im Internet
zu präsentieren. Ob Schulen und
Kindergärten, Sportstätten und
kulturelle Einrichtungen, Behör-
den- oder Firmenstandorte – al-
les, was für Bürger und solche,
die es werden wollen, wichtig
sein könnte, wird einfach und
übersichtlich angezeigt. Immer-
hin haben rund 80 Prozent aller
Informationen einer Kommune
Geo-Bezug.
Doch mit den punktuellen
Anzeigen ist es nicht getan.
Selbstverständlich können auch
Baugebiete, Geltungsbereiche
von B-Plänen oder zur Touris-
musförderung Rad- und Wandertouren oder
Stadtrundgänge kartografisch dargestellt und
ausführlich beschrieben und bebildert werden.
Der Kommunal-Navigator ist also nicht nur ein
reines Informationsportal, sondern für jede
Kommune ein äußerst wichtiges Instrument
der Wirtschaftsförderung und des Stadtmar-
ketings. Der besondere Wert der Navigatoren
A L L G E M E I N E V E RWA LT U N G U N D E U R O PA
Ö F F E N T L I C H E S I C H E R H E I T, O R DN U N G U N D V E R K E H R
Der BürgerBus in Niedersachsen
Die Stadt Barsinghausen ist eine von rund 100 Kommunen in Nie-dersachsen, die als Individuallösung oder beteiligt an einem Ge-meinschaftsprojekt alle wichtigen Geo informationen in einem nut-
zerfreundlichen Geoportal anbietet
in Niedersachsen liegt in der Nutzung des amt-
lichen Kartenmaterials, das die Landesvermes-
sung + Geobasisinformation Niedersachsen
(LGN) zur Verfügung stellt. Denn nur bei der
LGN werden auch Grundstücksgrenzen und
Gebäude in den Karten dargestellt. Selbstver-
ständlich sind topografische Karten, Straßen-
karten und Luftbilder verfügbar.
Die Erstellung und Pflege von
Daten erfordert keine besonde-
ren Fachkenntnisse mehr, denn
NOLIS liefert ein seit Jahren
bewährtes und intuitiv bedien-
bares Geo-CMS, das auch de-
zentrale Pflege in verschiedenen
Fachdiensten oder Abteilungen
ermöglicht.
Kommunen unterschiedlicher
Größe nutzen dieses moderne
Geoportal entweder als indivi-
duelle Anwendung wie Barsin-
ghausen, Westerstede, Gronau
und viele andere, oder als kreis-
weite Gemeinschaftsinstallation
für alle Kommunen wie in den
Landkreisen Harburg, Nienburg, Verden und
anderen. Da die Lizenzgebühren abhängig
von der Größe der jeweiligen Kommune sind,
bleiben die Kosten für ein solches Geoportal
überschaubar.
Uwe Warnecke, Geschäftsführer NOLIS
GmbH, An der Stadtgrenze 2, 31582 Nienburg,
05021 966240, [email protected].
79DNG 3 2010
Die Menschen in Niedersachsen sollen
auch zukünftig bestmöglich und wohn-
ortnah medizinisch versorgt werden. Das
geht nicht ohne Hausärzte.
Die Zukunft der hausärztlichen Versor-
gung hängt vor allem von zwei Faktoren
ab: zum Einen von der Tatsache, dass viele
Ärzte derzeit bereits zwischen 50 und 60
Jahre alt sind und zum Anderen, dass der
Versorgungsbedarf bei einer immer älter
werdenden Bevölkerung steigt. Die Kas-
senärztliche Vereinigung Niedersachsen
Ö F F E N T L I C H E S I C H E R H E I T, O R DN U N G U N D V E R K E H R
...damit der Landarzt nicht nur im Fernsehen kommtvon Aygül Özkan, Niedersächsische Sozialministerin
Aygül Özkan
Fahrgästen, so nutzten im vergangenen
Jahr schon knapp 80 000 Fahrgäste das
wachsende Fahrplan angebot der VBN-
BürgerBusse.
Bei der Neueinrichtung von Bürger-
Bussen ist es dem ZVBN wichtig, dass
hierdurch keine bestehende Buslinie
eingestellt wird. BürgerBusse sollen
nur dort verkehren, wo herkömmliche
Linienangebote an wirtschaftliche Gren-
zen stoßen. Nach dem Motto „ergänzen
und nicht ersetzen“ findet die Idee so
ihre Unterstützung auch bei den VBN-
Verkehrsunternehmen, die den Wert der
BürgerBusse als Zu- und Abbringerlinien
erkannt haben.
Angesichts des steigenden Interesses
hat sich der ZVBN entschlossen, einen
etwa 16-minütigen Film zu produzieren,
um Bürgerinnen und Bürgern, Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeitern in Verwaltungen,
Institutionen und Medien die wesent-
lichen Informationen kompakt zur Ver-
fügung zu stellen.
Der Film steht unter www.zvbn.de zur
Ansicht, zur Bestellung und zum Down-
load bereit.
A R B E I T U N D S O Z I A L E S
(KVN) geht in ihrer jüngsten Arztzahl-
prognose für das Jahr 2020 davon aus,
dass dann niedersachsenweit bis zu 1 000
Hausärzte fehlen könnten. Soweit darf
und wird es nicht kommen.
Die Versorgung mit Hausärzten auch
zukünftig zu sichern, ist für mich eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Natür-
lich weiß ich, dass es die originäre Auf-
gabe der KVN ist, sich im Rahmen ihres
Sicherstellungsauftrags dieser Probleme
anzunehmen.
Dennoch: Krankenkas-
sen, Ärztekammer, Ver-
bände, Krankenhausge-
sellschaft und Kommu-
nen: Sie alle sind betei-
ligt und gefordert.
Aber auch das Land zieht sich nicht aus
seiner Verantwortung. Im Gegenteil: Das
Land kann unterstützen, die Beteiligten
zusammenbringen und gemeinsam Ansät-
ze entwickeln, um das Medizinstudium,
die Weiterbildung und auch die Tätigkeit
Ärztemangel auf dem LandStädte- und Gemeindebund begrüßt Diskussion um konkrete Maßnahmen„Wir begrüßen die Initiative von Bundesgesundheitsminister Dr.
Philipp Rösler für eine bessere Ärzteversorgung auf dem Land. Ins-
besondere der Ansatz zur Einführung einer so genannten Landarzt-
quote für Medizinstudenten erscheint interessant. Endlich kommen
konkrete Vorschläge auf den Tisch, um zumindest mittelfristig den
Hausarztberuf auch auf dem Land wieder attraktiver zu machen“,
erklärte der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemein-
debundes, Rainer Timmermann.
Bereits heute bleiben in vielen Regionen Niedersachsens Land-
arztpraxen nach altersbedingtem Ausscheiden der Inhaber unbe-
setzt, weil Praxen in Großstädten oft als lukrativer gelten. Dieser
Trend wird sich in den nächsten Jahren massiv verschärfen. Wenn
weiter nichts getan wird, stehen wir in vielen Orten ohne Medi-
ziner da und die Bürgerinnen und Bürger müssen weite Wege in
Kauf nehmen, um einen Arzt zu finden. Nach Einschätzung des
Spitzenverbandes der kreisangehörigen Städte, Gemeinden und
Samtgemeinden müssen alle staatlichen Ebenen eng zusammen-
arbeiten, um dem drohenden Ärztemangel auf dem Land entgegen
zu wirken.
„Mit einer guten ärztlichen Versorgung auf dem Land erhalten
wir die Attraktivität unserer kleinen und mittleren Städte und
Gemeinden und sichern die Wohnqualität auf dem Land und die
Wettbewerbsfähigkeit des Landes Niedersachsen“, betonte Tim-
mermann.
Um den Ärztemangel zu bekämpfen, schlägt Bundesgesundheitsmi-
nister Dr. Philipp Rösler eine Kombination von Gegenmaßnahmen vor.
Unter anderem sollen Medizin studenten, die nach ihrer Ausbildung als
Landarzt arbeiten wollen, bevorzugt einen Studienplatz erhalten.
80 DNG 3 2010
A R B E I T U N D S O Z I A L E S
als Hausarzt in Niedersachsen insgesamt
attraktiver zu machen.
Dazu gibt es den von meiner Vorgänge-
rin bereits 2008 eingerichteten Runden
Tisch mit allen Beteiligten, der erste, Er-
folg versprechende Ergebnisse vorweisen
kann. Ich freue mich, dass Hausärzte in
Niedersachsen künftig entlastet werden
sollen. Das von der Kassenärztlichen
Vereinigung Niedersachsen entwickelte
Delegationsmodell MoNi – MoNi steht für
Modell Niedersachsen – geht im Herbst
in den Regionen Vechta und Soltau-Fal-
lingbostel an den Start.
Ziel des Modells ist es, Hausärzte vor
allem in ländlichen Regionen von arzt-
fremden Tätigkeiten zu entlasten – und
zwar durch qualifiziertes Praxispersonal.
So haben wir es am Runden Tisch ver-
abredet.
Ich möchte aber auch, dass die Aus-
und Weiterbildung zum Allgemeinmedi-
ziner attraktiver wird. Der Hausarztberuf
selbst, das berufliche und private Umfeld,
müssen wieder erstrebenswert erschei-
nen. Junge Ärzte, die eine Weiterbildung
in der Allgemeinmedizin absolvieren, er-
halten seit Anfang des Jahres eine verbes-
serte finanzielle Unterstützung.
Sie bekommen auch im ambulanten
Teil ihrer Weiterbildung die im Kran-
kenhaus übliche Vergütung und haben
damit keine finanziellen Nachteile mehr
bei einem Wechsel von ihrem stationären
Weiterbildungsabschnitt im Krankenhaus
in eine Hausarztpraxis.
Auch der organisatorische Aspekt des
Wechsels von der stationären in die am-
bulante Weiterbildung ist von Bedeutung.
Mit der Einrichtung und Besetzung einer
entsprechenden Koordinierungsstelle bei
der KVN ist auch insoweit ein bemerkens-
werter Fortschritt erzielt worden.
Die Landesregierung fokussiert sich
außerdem vor allem auf das Handlungs-
feld „Medizinstudium“. Wir sind überzeugt
davon, dass wichtige Richtungsentschei-
dungen bereits im Studium gefällt werden.
Wir wollen daher mit Maßnahmen bereits
in der Ausbildung ansetzen.
B AU E N U N D WO H N E N
Breitbandversorgung für den ländlichen RaumDie Erhaltung und Entwicklung des ländlichen Raums ist eine Aufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte im Lande
Unter der Zielsetzung „Erhaltung und
Entwicklung des ländlichen Raums ist
eine Aufgabe aller gesellschaftlichen Kräf-
te im Lande“ haben sich in der Niedersäch-
sischen Akademie Ländlicher Raum e. V.
Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Poli-
tik, Verwaltung und freier Planungspraxis
zusammengeschlossen. Aus der Kompe-
tenz ihrer beruflichen Erfahrung heraus
setzen sie sich mit Engagement und Krea-
tivität für die Sache der ländlichen Räume
Niedersachsens ein.
Die Akademie will dazu beitragen, die
Lebensgrundlagen der ländlichen Räume
zu verbessern und Strategien für die zu-
künftige Entwicklung auszuarbeiten. Da-
bei beziehen sich die Aktivitäten auch auf
die praktischen Anforderungen der Städ-
te und Gemeinden, Landkreise und Regi-
onen. Da zurzeit beachtliche Aktivitäten
zur Breitbandversorgung bestehen, hat die
Akademie das nachfolgend auszugsweise
abgedruckte Positionspapier erarbeitet:
I. Bedarf
Die flächendeckende Versorgung mit
Breitbandanschlüssen hat innerhalb weni-
ger Jahre in vielen Lebensbereichen eine
hohe und ständig wachsende Bedeutung
erlangt. Die Verfügbarkeit entsprechender
Anschlussmöglichkeiten ist ein wichtiger
Standortfaktor. Breitband-Internet er-
schließt neue Märkte und Angebote. Es
sorgt für wirtschaftliches Wachstum sowie
neue Arbeitsplätze. Für den Privat haushalt
bedeutet Breitband mehr Komfort, größe-
re Vielfalt und eine höhere Qualität der
Inhalte. Für Schülerin nen und Schüler,
für Studentinnen und Studenten sowie
andere Auszubildende ist der Internetzu-
gang schon heute eine Voraus setzung zur
vollwertigen Ausschöpfung der Bildungs-
angebote.
Unternehmen machen ihre Investitions-
entscheidungen zunehmend davon abhän-
gig, ob sie an einem neuen Standortzugang
Zugang zu schnellen Internetverbindungen
haben, die es ihnen erlauben, mit ihren
Kunden in Kontakt zu treten und große
Datenmengen einfach und über weite
Entfernungen zu transportieren. Das gilt
längst nicht nur für große Unternehmen,
sondern insbesondere auch für Mittel-
stand, Freiberufler wie Architekten, etwa
So wollen wir den Versuch unterneh-
men, im Praktischen Jahr aus dem der-
zeitigen Wahlfach „Allgemeinmedizin“
einen Pflichtabschnitt zu machen. Der
Allgemeinmedizin würde man damit den
Stellenwert für die breite Versorgung der
Menschen einräumen, den sie in der täg-
lichen Praxis ohnehin hat. Dazu ist auch
eine Änderung der Approbationsordnung
in die Überlegungen mit einzubeziehen.
Ganz konkret wollen wir bereits zum
Wintersemester 2010/2011 Medizinstu-
denten, die sich während ihres Praktischen
Jahres (PJ) für das Wahlfach „Allgemein-
medizin“ entscheiden, unterstützen. Dafür
nehmen wir auch Geld in die Hand, weil
auch die Krankenhäuser ihre „PJ-ler“ in
der Regel finanziell entschädigen. Wenn es
uns also gelingt, die Rahmenbedingungen
von der Studienplatzbewerbung bis zur
praktischen Tätigkeit Schritt für Schritt zu
verbessern, werden sich auch in Zukunft
angehende Ärzte für den Hausarztberuf
begeistern. Davon bin ich überzeugt.
81DNG 3 2010
B AU E N U N D WO H N E N
hinsichtlich der Versendung von Plänen,
oder für Ärzte hinsichtlich des Austauschs
zum Beispiel von Röntgen- und Ultraschal-
laufnahmen, aber auch für die Landwirt-
schaft, einschließlich vor- und nachgela-
gerter Bereiche. Auch für Private zählt
die Versorgung mit Internetanschlüssen
zu denjenigen Infrastrukturforderungen,
die die Wohnortwahl maßgeblich beein-
flussen.
Im Hinblick auf Aspekte wie Wett-
bewerbsfähigkeit und Chancengleichheit
– nicht zuletzt im Bildungsbereich – gehört
die Zugangsmöglichkeit zu Informationen
aus dem Internet zweifelsfrei zu jenen
Gegebenheiten, die auch im ländlichen
Raum vorhanden sein müssen, wenn hier
im Vergleich zu städtischen Ballungs-
gebieten gleichwertige Lebensverhältnisse
gewährleistet werden sollen.
II. Problemlage
Die kommunale Ebene widmet sich derzeit
mit großem Engagement der Aufgabe, die
Breitbandversorgung im ländlichen Raum
bestmöglich zu organisieren.
Dabei stoßen die kommunalen Ver-
waltungen regelmäßig bei dem äußerst
komplexen und schnelllebigen Thema
hinsichtlich Kompetenz und Kapazität an
ihre Grenzen. Allseits verunsichernd wirkt
der rasante Technologiewandel.
Das ist schon deshalb nicht verwunder-
lich, weil bisher weder die herkömmliche
Telefonversorgung, noch die Mobilfunk-
versorgung zu den hergebrachten Aufga-
ben einer Kommune gehörten. Durch die
besondere Bedeutung der Breitbandver-
sorgung im ländlichen Raum werden aber
von Bevölkerung und Wirtschaft hohe
Erwartungen an die Kommunen gestellt
und sie stehen deshalb unter besonderer
Beobachtung.
Dabei ist es für die weitläufigen und be-
völkerungsarmen Regionen ein kostspie-
liges, wirtschaftlich riskantes, technisch
besonders dynamisches und anspruchs-
volles Projekt, mit einem, erst einmal noch
zu findenden und dann vor allem markt-
und gewinnorientierten Partner eine
Breitbandversorgung zu organisieren. Die
gesetzliche Verpflichtung der Netzbetrei-
ber, zu marktüblichen Preisen ländliche
Räume zu versorgen, fehlt.
Es ist deshalb besonders zu hinterfra-
gen, ob den Kommunen überhaupt ge-
eignete Rahmenbedingungen für erfolg-
reiches Operieren von Bund und Land
gegeben worden sind, beziehungsweise
welche Änderungen vorgenommen wer-
den müssen, um insbesondere gegen die
deutlichen Auswirkungen des demogra-
phischen Wandels bestehen zu können.
[…]
IV. Anforderungen und
Thesen zur Breitbandversorgung
im ländlichen Raum
Zielsetzung des nachhaltigen Breitband-
ausbaus ist die Stärkung der Umsetzung
der Lissabon-Strategie, die Steigerung der
Wirtschaftskraft und die Bekämpfung der
so genannten Digitalen Kluft. Die bishe-
rigen Beobachtungen zeigen auf, dass die
Entstehung einer Infrastruktur komplex
ist. Im Gegensatz zur Straße ist die An-
bindung an die Datenautobahn jedoch der
marktlichen Entwicklung ausgesetzt. Dies
sichert den schnellen technologischen
Fortschritt.
Die Unterstützung der öffentlichen
Hand in den Bereichen, in denen noch
kein Markt vorhanden ist, in denen aus
strukturellen Gründen eine Breitband-
versorgung unverzichtbar ist, sorgt für
ein Spannungsfeld, welches nur schwer
aufzulösen ist. Festzuhalten ist, dass für
eine langfristige Entwicklung eine feste
und eine mobile Breitbandversorgung be-
nötigt wird. Klar ist auch, dass nur durch
einen Technologiemix, also die gezielte
Kombination von kabelgebundenen und
funkbasierten Breitbandtechniken, das
Ziel der flächendeckenden Versorgung
erreicht werden kann.
Aus den gemachten Erfahrungen und
den Beobachtungen aus kommunaler
Sicht entstehen so Thesen zu den näch-
sten Schritten:
1. Die Breitbandversorgung in Deutsch-
land muss ein gemeinsames Anliegen
von Bund, Ländern und Kommunen
sein. Dies erfordert gesetzliches Han-
deln, um einen Rechtsanspruch zu
schaffen, der vergleichbar ist zum Bei-
spiel mit der Post- und Bahnversorgung
als Bestandteil der Daseinsvorsorge.
2. Die Diskussion um die rechtliche Be-
handlung von Breitbandanschlüssen,
Leerrohren, Rückforderungsmechanis-
men der Zuwendung hat bisher zu im-
mer wiederkehrender Verunsicherung
beigetragen. Durch den Entwurf der
Beihilfeleitlinien wurde ein erster Rah-
men formuliert und somit ein wichtiger
Schritt getan. Die Kommission muss je-
doch gleiche Verfahren anstrengen, die
praktikabel sind und Bestand haben.
Der Dialog mit den Anbietern ist hier-
bei ebenso wichtig wie die Möglichkeit
großräumiger Ansätze.
3. Breitbandversorgung in Deutschland
wird zu einer Infrastruktur. Die Mög-
lichkeiten des Internets bieten durch
neuartige Ansätze in Telemedizin (zum
Beispiel durch die elektronische Ge-
sundheitskarte) und Bildung (zum Bei-
spiel Distance-Learning), in Forschung
und E-Government eine Vielzahl von
Möglichkeiten, die für die Entwicklung
des ländlichen Raumes von Bedeutung
sind. Die Breitbandversorgung muss als
Instrument zur Daseinsvorsorge für den
ländlichen Raum verstanden werden.
4. Bereits in der Breitbandstrategie des
Bundes formuliert und durch die an-
haltende Finanzkrise bestärkt, trägt die
Breitbandversorgung zur Wirtschafts-
kraftentfaltung bei. Die Möglichkeiten
der Breitbandversorgung unterstüt-
zen im Wesentlichen die kleinen und
mittleren Unternehmen sowie die so
genannten Mikrounternehmen (also
die Selbständigen). In der EU sind 80
Prozent dieser Unternehmen im länd-
lichen Raum angesiedelt. Durch eine
Breitbandversorgung werden neue
Geschäftsfelder entwickelt, Koopera-
tionen möglich, Innovation und Arbeits-
plätze geschaffen. Wesentlich für diese
82 DNG 3 2010
Entfaltung ist jedoch die Möglichkeit
des aktiven Beitrags am Internet. Die
bisherigen Rahmenbedingungen zur
Breitbandversorgung werden jedoch
nur über den Download (als das Her-
unterladen aus dem Internet) formu-
liert. Die Upload-Geschwindigkeit (wie
schnell kann etwas in das Internet ge-
B AU E N U N D WO H N E N
bracht werden) oder sogar die Qualität
der Verbindung, beispielsweise bei Vi-
deokonferenzen oder beim Telefonie-
ren, ist bisher nur am Rande Thema
gewesen. Der Upload und die Echtzeit-
kompatibilität sind jedoch entschei-
dende Faktoren für die nachhaltige
Entwicklung. Hier müssen bundesweit
technische Standards formuliert, dau-
erhaft weiterentwickelt und umgesetzt
werden.
5. Wir fordern die ergänzende Initiierung
von Pilotprojekten gezielt im länd-
lichen Raum zur Leistungsfähigkeit
neuartiger Technologien oder dem
Einsatz bestimmter Technologien
Krebecker Erklärung zur NahversorgungZu Beginn des Jahres 2010 fand der Krebecker Nahversorgungs-
tag statt. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von den Regional-
management-Projektträgern der Landkreise Göttingen (Leader),
Osterode am Harz (NLG und KoRiS) und Northeim (Mcon), der
Stadt Osterode am Harz, dem Kreisverband Göttingen der Arbei-
terwohlfahrt (AWO), der Mobilen Wohnberatung Südniedersachsen
sowie dem Regionalverband Südniedersachsen. Die Veranstaltung
wurde unterstützt von der Sparkasse Duderstadt und der Volksbank
Northeim-Eichsfeld e.G.
Die 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verständigten sich mit
großer Mehrheit auf die Krebecker Erklärung, die nachfolgend
wiedergegeben wird:
Krebecker ErklärungIm Bürgerhaus in Krebeck fand ein Nahversorgungstag statt, der
von 120 Verantwortlichen von Politik, Kommunalverwaltungen,
Handel, Kammern, Bürgerinitiativen und Verbänden besucht wurde.
Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zählten auch Bürgermei-
sterinnen und Bürgermeister sowie Vertreter der Stadt Göttingen
sowie der Landkreise Göttingen, Northeim und Osterode am Harz.
Mit großer Mehrheit verständigten sich die Veranstaltungsteilneh-
merinnen und Veranstaltungsteilnehmer auf folgende Thesen zur
Sicherung der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen:
1. Um die Nahversorgung in den Dörfern zu entwickeln, braucht
es engagierte und kompetente Personen, die ihr Ziel mit Herz-
blut verfolgen. Sie sind dabei auf Unterstützung unterschied-
licher Seiten (Beratung, Politik, Verwaltung und Handel) an-
gewiesen.
2. Grundvoraussetzungen für bürgerschaftliches Engagement
sind das Erkennen einer Handlungsnotwendigkeit („Leidens-
druck“) und ein breiter Konsens beziehungsweise die Zusage,
die Angebote auch anzunehmen (Nachfrage).
3. Nahversorgung kann durch Bürgerengagement nur dann
entwickelt werden, wenn die wirtschaftliche Tragfähigkeit
solcher Projekte gegeben ist und eine Verknüpfung zwischen
Wirtschaft und Gemeinwohl voransteht.
4. Wichtig ist der Informationsfluss über Projekte (zum Beispiel
Best-Practice-Beispiele), die sich dem Thema Nahversorgung
mit unterschiedlichen Ansätzen nähern. Die Vernetzung von
Initiativen ist eine zentrale Aufgabe.
5. Zur Lösung sind ortsbezogene Konzepte erforderlich. In vielen
Fällen bedarf es einer externen „Initial zündung“.
6. Zur Umsetzung der Konzepte sind Schlüsselpersonen nötig,
die in der Dorfgemeinschaft auch langfristig als Identifikati-
onsfiguren anerkannt sind.
7. Wichtig ist die Bereitschaft kommunalpolitisch Verantwort-
licher, bürgerschaftliches Engagement zuzulassen und in einer
Atmosphäre der Offenheit aktiv zu fördern. Generationsver-
bindende Initiativen sind besonders Erfolg versprechend.
8. Nahversorgung kann nur dort bestehen, wo sie auch genutzt
wird.
9. Die Strukturförderung muss stärker auf den ländlichen Raum
fokussiert werden.
10. Die Förderung der ländlichen Entwicklung muss regionalisiert
werden (Beispiel: Regionalisierte Teilbudgets).
11. Das Förderspektrum im Bereich ländliche Entwicklung muss
an die aktuelle Situation mit flexiblen Regelungen angepasst
und zum Beispiel um Maßnahmen im Bereich Daseinsvorsorge
erweitert werden. Der Bezug zu landwirtschaftlichen Betrieben
und Gebäuden muss gelöst werden.
12. Die Städtebauförderung muss stärker mit der Dorf erneuerung
verzahnt werden.
13. Das Förderspektrum muss um Maßnahmen zur Einbindung
von Jugendlichen erweitert werden.
14. Projekte mit einem hohen Anteil von bürgerschaftlichem/eh-
renamtlichem Engagement sowie nicht-investive Projekte müs-
sen Vorrang in öffentlichen Förderprogrammen bekommen.
15. Die Förderprogramme müssen entbürokratisiert und auf die Be-
teiligung ehrenamtlicher Strukturen zugeschnitten werden.
83DNG 3 2010
B AU E N U N D WO H N E N
unter verschiedenen topografischen
und wirtschaftlichen Rahmenbedin-
gungen. Hierdurch könnte auch zu-
künftig frühzeitig Verhaltenssicherheit
geschaffen und technologischer Fort-
schritt befördert werden. Dies gilt ins-
besondere im Bereich der Funk- bezie-
hungsweise Mobilfunktechnologien,
die einer schnelleren Entwicklungs-
zeit als kabelgebundene Technologien
unterliegen.
6. Die Bundesregierung hat mit der Frei-
gabe der Frequenzen der „digitalen
Divi dende“ einen Meilenstein zur Ver-
sorgung des ländlichen Raums mit
Breitbandinternet geschaffen. Durch
die Einführung der digitalen Dividende
ist es möglich, Mobilfunk in weiten Tei-
len des ländlichen Raumes einzusetzen.
Derzeit ist bei der jetzt durchgeführten
Versteigerung der Frequenzen zur digi-
talen Dividende durch die Bundesnetz-
agentur keine flächendeckende Versor-
gung vorgesehen. Für die Entwicklung
des ländlichen Raumes ist es erforder-
lich, eine flächendeckende Versorgung
sicherzustellen und somit zu ermögli-
chen, dass die digitale Dividende den
Zielen der Bundesregierung Rechnung
trägt. Dieses Ziel sollte auch bis spä-
testens 2014 erreicht sein. Bis dahin
und darüber hinaus muss eine Teilhabe
des ländlichen Raumes am technischen
Fortschritt flächendeckend gewährlei-
stet sein.
7. Bei dem zeitlich sehr dringenden Hand-
lungsdruck bedarf es einer kurzfristi-
gen konzertierten Aktion von Bund,
Ländern, Kommunen und Betreibern
zur Umsetzung dieser Konzeption.
Hierbei müssen die flächendeckende
Versorgung und nicht ausschließlich
betriebswirtschaftliche Gesichts-
punkte im Vordergrund stehen.
Wohnungsbauförderung ist FamilienförderungPrognos-Studie der Verbände-Initiative vorgelegt
Die Deutschen wünschen sich mehr staat-
liche Unterstützung, um den Traum vom
Eigenheim verwirklichen zu können. Eine
verstärkte Wohnbauförderung wäre dabei
vor allem Familienförderung. 1,5 Millio-
nen Mieter in Deutschland, vor allem aus
Mittel- und Großstädten, planen derzeit,
in den kommenden zwei bis drei Jahren
Wohneigentum zu erwerben. Mehr als
78 Prozent der Kauf- und Bauwilligen sind
junge Familien und Paare unter 45 Jahre,
bei denen die vorhandenen Spareinlagen
häufig niedriger sind als bei Paaren im
fortgeschrittenen Alter.
Um sich den Traum vom Eigenheim er-
füllen zu können, spielt die staatliche För-
derung eine erhebliche Rolle. Rund 40 Pro-
zent der angehenden Eigentümer geben
an, sich ohne öffentliche Förderung die
eigenen vier Wände nicht leisten zu kön-
nen. Drei Viertel der Menschen, die schon
heute Wohneigentum besitzen und dies
zum Teil selbst finanziert haben, haben
für den Erwerb Fördermittel eingesetzt.
38 Prozent der Bevölkerung befürworten
eine Ausweitung der staatlichen Unter-
stützung. Dies geht aus einer aktuellen,
repräsentativen Bevölkerungs umfrage
der Prognos AG in Zusammenarbeit mit
dem Allensbach Institut für Demoskopie
hervor, die von der Verbände-Initiative
Wohnungsbau vorgelegt wurde.
Duchschaubarkeit wichtig
Die Fördermaßnahmen müssen dabei ein-
fach und transparent sein. 65 Prozent der
Befragten wenden sich gegen das Argu-
ment, dass die staatliche Wohnbauför-
derung nicht wirklich hilfreich sei und
sprechen sich für die Wiedereinführung
der Eigenheimzulage aus. 60 Prozent be-
fürworten Steuererleichterungen. Kom-
84 DNG 3 2010
B AU E N U N D WO H N E N
Ein Fitnessprogramm für die Zukunft unserer Dörfer (Teil I)Von Professor Dr. Gerhard Henkel (i. R.), Institut für Geographie der Universität Duisburg/Essen
In die folgenden konkreten Handlungsfelder sind sowohl Analy-
sen der verschiedenen Wissenschaften als auch Erfahrungen und
Modellprojekte aus der Praxis eingeflossen, die im ganzen Bundes-
gebiet derzeit bekannt sind und diskutiert werden. Darüber hinaus
habe ich in den letzten Monaten zahlreiche einschlägige Gespräche
mit Vertretern aus der Wirtschaft, Kommunen und Vereinen ge-
führt. Eine Zusammenfassung muss natürlich manches weglassen,
andererseits sind viele Punkte miteinander verknüpft. Natürlich
offenbart sich bei einer so komplexen ökonomisch-kulturell-sozia-
len Thematik – mit einem Blick in die Zukunft – auch meine persönliche Sicht.
Meine Empfehlungen sind nicht als Dogma eines unfehlbaren Wissenschaftlers
zu betrachten, sondern als Angebot zum Nachdenken und als Dialog. Manche der
folgenden Handlungsempfehlungen sind im Übrigen längst angegangen worden.
Revitalisierung der Ortskerne
Die bauliche, infrastrukturelle und soziale
Revitalisierung der Ortskerne halte ich für
eine der wichtigsten, wenn nicht für die
wichtigste Aufgabe der Kommunalpolitik
und der Fachpolitiken. Das Thema ist ak-
tuell und brisant, aber auch die Wahrneh-
mungsschwäche. Kollegen aus dem Mini-
sterium für den ländlichen Raum Baden-
Württemberg berichten von ihren ersten
Gesprächen mit den Bürgermeistern: „Wir
haben keinen Leerstand“ war die erste Re-
aktion. Aber letztlich betrug der Leerstand
überall zwischen 20 und 35 Prozent. Meh-
rere Bundesländer haben inzwischen ihre
Förderprogramme komplett umgestrickt
auf Leerstands erfassungen und Umnut-
zungskonzepte und -maßnahmen, wie
Baden-Württemberg, Saarland, Hessen,
Bayern, Thüringen.
Zwei Ziele will man mit der Fokussie-
rung auf die Ortskerne erreichen: Zum
einen will man die identitätsstiftende
Mitte stärken und damit dem Verfall
der Baukultur und der Versorgungsein-
richtungen begegnen; zum anderen will
man einen Beitrag zur Eindämmung des
Landschaftsverbrauchs an den Rändern
leisten. Das Land Baden-Württemberg
nimmt derzeit für Leerstandserhebungen
viel Geld in die Hand, dann aber vor allem
für Beratung und Hilfestellung der Eigen-
tümer der leerstehenden Immobilien. Hier
können wir eine ganze Menge lernen. Die
ersten Erfolge in den 13 Modellgemein-
den sind bereits sichtbar. So sind in dem
kleinen Dorf Creglingen-Münster binnen
fünf Jahren 24 Maßnahmen mit bereits
positiver Wirkung auf die Einwohner- und
Kinderzahlen verwirklicht worden.
Ökonomische Stabilisierung
Ein Bündel von Handlungsfeldern ist
zu empfehlen, wenn es um eine ökono-
mische Stabilisierung des Vorhandenen in
der ganzen Region, besonders aber auch
in den gegenwärtig strukturschwächeren
und „peripheren“ Orten und Gemeinden
geht:
• WertschöpfungdervorhandenenRes-
sourcen verbessern: Holz und Wasser
als Energielieferant und Rohstoff, guter
Boden für Ackerbau, Viehzucht und
Ener giepflanzen,
• AufträgederöffentlichenHandinder
Region belassen,
• BürokratieabbauseitensderKommu-
nen, der Kammern, der Genehmigungs-
und Förderungsbehörden energisch
angehen,
• eine vorausschauende Gewerbeflä-
chenpolitik betreiben,
Professor Dr. Gerhard
Henkel
plizierte und nicht auf Anhieb zu durch-
schauende Vorschläge, wie zum Beispiel
eine nachgelagerte Besteuerung beim
Eigenheimrentengesetz, finden dagegen
in der Bevölkerung wenig Resonanz. Als
Motive für den Erwerb von Wohneigen-
tum nennen die künftigen Bauherren und
Immobilienkäufer vor allem vier Opti-
onen: An erster Stelle steht der Wunsch,
in den eigenen vier Wänden zu leben
(79 Prozent), gefolgt von der Gestaltungs-
freiheit (76 Prozent) und der Bedeutung
einer Immobilie als Absicherung im Alter
(75 Prozent) sowie der Unabhängigkeit
von einem Vermieter (74 Prozent).
Politik muss handeln
Die in der Kampagne „Impulse für den
Wohnungsbau“ zusammengeschlossenen
Verbände fordern die Politik daher auf, die
Hilfen zur Unterstützung der Wohneigen-
tumsbildung zu verbessern. Auch für wei-
te Teile Niedersachsens ist bei der derzei-
tigen Wohnungsbautätigkeit ein Mangel
an geeigneten Wohnungen absehbar.
Im Jahr 2008 wurden in Niedersachsen
rund 14 000 Wohnungen fertiggestellt, das
Eduard Pestel Institut Hannover prognos-
tizierte aber einen Bedarf von rund 39 000
neu errichteten Wohnungen pro Jahr.
Quelle: Baugewerbeverband
Niedersachsen
85DNG 3 2010
B AU E N U N D WO H N E N
• vongrößterBedeutungsind„weiche“
Faktoren, zum Beispiel wirtschafts-
freundliches Klima schaffen, Kon-
takte zu Schulen, Imagestärkung durch
Regional messen.
Infrastruktur sichern, „vorhalten“
oder ausbauen
Die Sicherung eines immer noch hohen
Standards der Infrastruktur erfordert im
Einzelnen ein weites Feld an Aufgaben:
• Dassogenannte„Vorhalteprinzip“ist
in das Landesentwicklungsprogramm
Bayern aufgenommen worden. Ziel
ist es, Versorgungseinrichtungen wie
Schulen oder Kindergärten zu erhalten,
auch wenn diese nicht mehr voll aus-
gelastet sein sollten.
• NeueFormenderflexiblenVersorgung
sind zu finden, zum Beispiel Zusam-
menschlüsse von Schulen und Kinder-
gärten, um lokale Standorte zu erhal-
ten: „Schulverbund statt Schließung“
lautet das positive Motto.
• Alle Arten der privaten Trägerschaft
von Infrastruktureinrichtungen, zum
Beispiel in Vereinen, Stiftungen oder pri-
vaten Diensten sind zu unterstützen.
• DerÖPNVsolltemöglichstaufdemder-
zeit hohen Standard gehalten werden.
• ModellprojektewieNachbarschafts
laden, MarktTreff oder KOMM IN,
die öffentliche und private Dienstlei-
stungen in Dörfern anbieten, sollten
gefördert werden.
Lebendigkeit und Wirksamkeit
der dörflichen Vereine sichern und
fördern
Die hohe Vereinsdichte und die große Ak-
zeptanz der Vereine sind ein ganz wesent-
licher Bestandteil der ländlichen Lebens-
kultur. Hier werden in kaum messbaren
Dimensionen – ehrenamtlich – vielfältige
Leistungen der Ausbildung und Betreuung,
beispielsweise im sportlichen oder musi-
kalischen Bereich, erbracht und außer-
dem mannigfache Integrationsleistungen,
die noch schwerer zu gewichten sind.
Darüber hinaus gibt es derzeit Unsicher-
heiten in den Vereinen und Verbänden,
die Bürgern und Politikern teilweise nicht
bekannt sind, aber zu Erosionen führen
können. So lassen sich immer schwerer
ehrenamtliche Mitarbeiter gewinnen oder
über Jahre halten. Andererseits steigen
die Anforderungen sowohl hinsichtlich
der Betreuung als auch der Breite der
Angebote. Früher gab es beispielsweise
in den großen Sportvereinen zwei bis vier
Fußballmannschaften, heute sind es zehn
bis 20, hinzu kommen aber auch Ange-
bote wie Judo, Ballett, Badminton und
Basketball.
Die Vereine und Verbände haben die
Mitarbeiterproblematik erkannt und
veranstalten regionale und lokale Schu-
lungen, fühlen sich und ihre Arbeit so-
wohl von der Kommunalpolitik als auch
von Seiten der Elternschaft der betreuten
Kinder aber nicht richtig gewürdigt. Wür-
den die Sportvereine einer Großgemein-
de ihre ehrenamtliche Arbeit einstellen,
würden 1 200 Kinder und Jugendliche auf
eine Betreuung durch die Stadt warten, so
die drohende Vision eines Sportfunktio-
närs. Die betroffene Stadt müsste – so der
Funktionär – sofort Konkurs anmelden.
Offenbar ist es längst nicht allen Kom-
munen und Ratsmitgliedern bekannt,
welchen „kommunalen Mehrwert“ die
Vereine ständig produzieren. Gegenüber
den Eltern, die ihre Kinder bei den Ver-
einen abgeben, ohne sich weiter für den
Verein zu interessieren, ging kürzlich der
Aufschrei „Wir sind keine Kinderverwahr-
anstalt“ eines Sportvereinsvorsitzenden
durch die Presse. Die Vereine benötigen
also dringend Aufmerksamkeit sowie Zu-
wendung und moralische Unterstützung
von Politikern, Parteien und Eltern mit
regelmäßigen persönlichen Kontakten,
damit sie die Würdigung ihrer wertvollen
Arbeit wahrnehmen können.
Um nicht zu erstarren, müssen die
Vereine auch bemüht sein, zeitgerechte
Entwicklungen aufzunehmen, indem bei-
spielsweise Jugendliche kleine Führungs-
aufgaben übernehmen oder neue Aufga-
ben wie die Integration von Aussiedlern
besonders intensiv betrieben werden.
Bürgerschaftliche Verantwortung
und Engagement wecken
Die zahlreichen tatkräftigen Dorfvereine
verfügen häufig über kein breites bür-
gerschaftliches Engagement für die Ge-
samtentwicklung des Dorfes. Neben den
(wichtigen) Spezialinteressen und -auf-
gaben der Vereine bleiben übergreifende
Themen oder Querschnittsauf gaben, die
das ganze Dorf betreffen, möglicherweise
auf der Strecke. Wer kümmert sich um
einen vernachlässigten Bachlauf, wer
um ein leerstehendes Baudenkmal, wer
um einen fehlenden Spielplatz? Es gibt
bereits gute Beispiele für interessen-
übergreifende Vereine. Einige aus meiner
Heimatregion Paderborn seien angeführt:
Bereits seit 1975 besteht der „Dorfrat“ in
Wewelsburg, der den Verlust des alten
Dorf- oder Gemeindeparlaments durch
die kommunale Gebietsreform mindern
wollte. Dem Beispiel Wewelsburg folgten
andere Dörfer in der Nachbarschaft. In
Leiberg existiert seit einigen Jahren ein
„Verein zur Förderung der Dorfgemein-
schaft“. In Giershagen bei Marsberg ist
ein alter Verkehrsverein zum neuen „För-
derverein Unser Giershagen“ geworden.
Sein Ziel ist die Stärkung des sozialen und
kulturellen Zusammenhalts der Bevölke-
rung; die Identifizierung der Giershagener
mit ihrem Ort soll gefördert und alle
Vereine in die Aktivitäten eingebunden
werden. Vielleicht werden derartige Ver-
eine demnächst die wichtigsten in den
Dörfern sein. Eine mögliche Variante
wäre aber auch die Übernahme solcher
Querschnittsaufgaben durch Schützen-
vereine.
Das ganzheitliche Engagement der
Dorfgemeinschaft wird ganz entschei-
dend den Ausschlag für die Zukunft ihres
Dorfes geben. Das muss allen Dorf- und
Kleinstadtbewohnern bewusst werden.
Die öffentliche Hand wird sich aus im-
mer mehr Aufgaben zurückziehen. Die
Wohlfahrt der Bürger wird nicht mehr
86 DNG 3 2010
B AU E N U N D WO H N E N
„Ein Bad im Blütenmeer“Landesgartenschau in Bad Essen und auf Schloss Ippenburg
Ministerpräsident Christian Wulff eröffnete am 23. April 2010 die vierte nieder-
sächsische Landesgartenschau auf dem historischen Bad Essener Kirchplatz.
Tausende von Besucherinnen und Besuchen genossen ein herrliches Frühlings-
wochenende im neuen Solepark mit SoleArena, auf der Himmelsterrasse der Kir-
chen, an der Waldbühne und im Forum Natur. Sie wandelten auf Schloss Ippenburg
in frühlingsbunten, kreativen Heckengärten. Sie stöberten an den Ständen eines
der Gartenfestivals und wählten aus einem vielseitigen, wertigen Sortiment, das
es sozusagen erlaubt, „den Garten mit nach Hause“ zu nehmen.
Vor rund 2 000 geladenen Gästen und
Besuchern „auf dem schönsten Kirch-
platz Niedersachsens“ zeigte Wulff sich
begeistert von der Leistung, Bad Essen
in extrem kurzer Zeit in ein Blütenmeer
verwandelt zu haben. „Ich finde es gut,
dass die Freude an der Natur
und an der Erlebniswelt Gar-
ten bei den Menschen ungebro-
chen ist, ja sogar an Bedeutung
gewonnen hat. Aber ich weiß
auch, dass wir heute bei vie-
len Kindern und Jugendlichen
stark darum werben müssen,
sich neben Computerspielen,
Automarken und vielen ande-
ren Dingen auch mit unserer
Flora und Fauna zu beschäfti-
gen“, lobte er ganz besonders
die Umwelt bildungsprojekte.
Der niedersächsische Garten-
bau als wichtiger Wirtschafts-
zweig habe viel zu bieten, er-
klärte der Ministerpräsident. Die Akteure,
namentlich Viktoria Freifrau von dem
Bussche und die Gemeinde Bad Essen mit
ihrem Bürgermeister Günter Harmeyer
könnten stolz sein „auf das Ergebnis
ihres Einsatzes der letzten Monate.“ Das
22 Hektar große Gelände mit dem neuen
Bad Essener Solepark und dem renom-
mierten Festivalstandort Schloss Ippen-
burg „wird (…) auch die vielen tausend
Besucherinnen und Besucher in seinen
Bann ziehen, da bin ich ganz sicher“, er-
klärte Wulff.
Gut gelaunte Gartenschaugäste fla-
nierten dann an einem Wochenende, an
dem die Sonne so vom Himmel lachte, als
wolle sie den langen Winter wieder gut
machen, durch Gärten und Festivalstän-
de mit ihren hübschen Kleinigkeiten und
den vielfältigen Pflanzen. Sie genossen
die Aufführung des Bad Essener Musi-
cals „Opa Alfons’ Garten“ und
begeisterten sich an Rhodo-
dendren und Azaleen und
den zauberhaften Gestecken
in den Blumenhallenschauen
im ehemaligen Hallenbad. Sie
spazierten staunend durch
die SoleArena und genos-
sen die Atmosphäre und die
salzhaltige Luft. Seit dem Pre-
opening Anfang April genos-
sen – trotz immer noch fast
winterlicher Temperaturen
und einer mit ihrem Glanz
eher geizigen Sonne – bis
zum 15. Mai immerhin schon
62 300 Besucher das „Bad im
Am Eröffnungstag: Ministerpräsident Christian Wulff zwischen Kindern des Musicals „Opa Alfons’ Garten“, Rudolf Jelinek, Bürgermeister der Ruhrgebietsmetropole Essen, und Günter
Harmeyer, Bürgermeister der Gemeinde Bad Essen.
vom Staat garantiert, sondern zuneh-
mend durch bürgerschaftliches Engage-
ment hergestellt werden müssen. Bun-
deskanzlerin Angela Merkel hat gesagt:
„Wir stehen am Ende des Traums vom
Staat als ,Hüter und Wächter des Gemein-
wohls’“. Dieses neue Leitbild wird sich
durchsetzen. Die externen Fördertöpfe
werden leerer, hängen höher. Mittel wer-
W I R T S C H A F T U N D T O U R I S M U S
den in Zukunft nur noch dort fließen, wo
eine entschieden engagierte Dorfgemein-
schaft vorhanden ist. Das ist im Übrigen
zumindest die inoffizielle Parole in den
einschlägigen Ministerien und Förder-
behörden. Meine Prognose: Dörfer ohne
engagierte Dorfgemeinschaften werden
ausbluten. Das wird man schon in fünf
bis zehn Jahren sehen können.
Manchmal werden Dörfer erst durch her-
be Verluste wachgerüttelt. So wurde im
bayerischen Ollarzried angesichts des dro-
henden Verlustes des letzten Dorfgasthofs
ein gesamtdörflicher Förderverein begrün-
det, der schließlich den Gasthof rettete.
Teil II dieses Artikels folgt in DIE NIEDERSÄCHSISCHE GEMEINDE, Ausgabe 4/2010
87DNG 3 2010
W I R T S C H A F T U N D T O U R I S M U S
Blütenmeer“, bis dahin vor
allem Tulpen und Narzissen.
Gerade auf Ippenburg konn-
te man sich tatsächlich an
der „schönsten Tulpen blüte
Norddeutschlands“ freuen.
„Die Landesgartenschau
Bad Essen 2010 bringt, dies
Fazit kann man schon jetzt
ziehen, den Charme un-
seres tradi tionsreichen So-
leheilbades Bad Essen als
zukunftsträchtiger Wellness-
und Gesundheitsstandort im
Osnabrücker Land neu zur
Geltung. Sie ist nicht nur für
Bad Essen, sondern für die
gesamte Region von herausragender tou-
ristischer Bedeutung und sichert damit
nicht nur Arbeitsplätze, sondern bringt
auch nachhaltig Wirtschaftskraft“, erklärt
Günter Harmeyer, der Bürgermeister der
Gemeinde, der gleichzeitig Vorsitzender
des Aufsichtsrates der Landesgarten-
schau Bad Essen 2010 GmbH ist.
Der enge Zeitrahmen – ein knappes
Jahr – für die Vorbereitung war nur des-
wegen einzuhalten und zu verantworten,
weil Bad Essen über die attraktive Wald-
kulisse des Wiehengebirges verfügt und
es im Ippenburger Schlosspark bereits
einen attraktiven Park mit Tausenden von
Stauden gibt, in den sich die neuen Gärten
fast wie von selbst einfügen. Fuß- und
Radwege sowie ein regelmäßiger Shuttle-
verkehr im Zehnminutentakt von 9 bis
Wer zwischen den Pagodenzelten im Park von Ippenburg herum-spaziert und sich von Pflanzen aller Formen und Farben über länd-liche Mode bis hin zu kulinarischen Köstlichkeiten, Alpakawol-le und Schmuck inspirieren und verzaubern lässt, der weiß, was
„Landvergnügen“ ist.
Eröffnungsfeier: Der historische Kirchplatz in Bad Essen ist bis auf den letzten Platz gefüllt.
Fo
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ente
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und Nützliches. Das ehema-
lige Hallenbad beherbergt die
zwölf Blumenhallenschauen
mit sinnlichen Blüten-Kreati-
onen und zahlreichen Anre-
gungen für Haus und Garten.
Musik- und Kulturveranstal-
tungen von Folk über Pop bis
hin zu ambitionierter Klassik
sowie Kleinkunst runden das
Programm ab.
Zu Beginn des 20. Jahrhun-
derts entwickelte sich Bad
Essen mit seiner Sole quelle
immer mehr zu einem Ge-
sundheitsstandort. Der Orts-
kern mit dem historischen
Kirchplatz mit seinen 100-jährigen Linden
und dem zauberhaften Fachwerkambien-
te aus dem 17. Jahrhundert ist – neben
den Schlössern – sicher einer der Bau-
steine in der touristischen Vermarktung.
Die Landesgartenschau setzt einen zeitge-
nössischen Kontrapunkt: die neue, nicht
nur architektonisch attraktive SoleArena
im Kur- und Solepark. „Die Landesgar-
tenschau hat uns in die Lage versetzt, im
zentralen Kurpark dringend notwendige
Investitionen zu tätigen“, so der Bürger-
meister.
Öffnungszeiten vom 23. April
bis zum 17. Oktober 2010
Einlass- und Kassenöffnungszeiten täg-
lich: 9 Uhr bis 19 Uhr.
Besucher können bis zum Einbruch der
Dunkelheit, jedoch längstens bis 21 Uhr
auf dem Gartenschaugelände bleiben. Bei
Sonderveranstaltungen gelten geänderte
Öffnungszeiten. Aktuelle Infos online unter
www.landesgartenschau-badessen.de.
21 Uhr verbinden Bad Essen mit den
Ortsteilen Harpenfeld und Lockhausen
und Schloss Ippenburg.
Das neugotische Schloss bietet einen
stimmungsvollen Rahmen für die „Gar-
tenschau der Gärten“. Die Experimentier-
freude der Schlossherrin Viktoria Freifrau
von dem Bussche im Umgang mit Pflanzen
und Gärten ließen das charakteristische
Ippenburger Flair entstehen. Über 60
phantasievolle Gartenbeispiele sind 2010
in den alten und neuen Heckenkabinetten
zu sehen. Ganz besonders reizvoll ist der
neue 3 000 Quadratmeter große Küchen-
und Gemüsegarten in den historischen
Mauern, der zudem mit einer Gartenküche
bespielt wird – vom Beet in den Topf …
Die Liebe der Freifrau zur Gärtnerei
mündete in die seit 1998 sehr erfolgreichen
Gartenfestivals. 13
davon fanden und
finden nun, jeweils
passend zur Jah-
reszeit, während
der Landesgarten-
schau statt. Regi-
onale wie interna-
tionale Aussteller
präsentieren aus-
gewählte Pflanzen,
Gartenaccessoires
und exklusives
Design – Schönes
88 DNG 3 2010
W I R T S C H A F T U N D T O U R I S M U S
TOPCLEAN – Antigraffiti- und Antiplakat-Schutz PR-Artikel
Graffiti stellen heute eine erhebliche optische
Beeinträchtigung dar. Für die Entfernung wer-
den jährlich Millionenbeträge aufgewendet.
Oftmals ist eine Entfernung unmöglich und
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dafür, „Lackierideen der Zukunft“ umzuset-
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Gebrauchs- und Investitionsgütern sicherzu-
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Farbtönen, Glanz- und Strukturabstufungen
lieferbar und werden individuell mit den Kun-
den erarbeitet.
Die Qualität der Produkte und Prozesse wird
dabei durch ein langjährig etabliertes Quali-
tätsmanagementsystem sichergestellt.
Xing, Twitter und Co.Von Volker Benke
Dr. Volker Müller
Der innovatorsclub NIEDERSACHSEN
hat auch in diesem Jahr die Hannover-
Messe zu einer Tagung in interessanter
und anregender Umgebung genutzt.
Zum siebten Mal trafen sich die Mit-
glieder des Clubs, um sich über neue
Techniken zu informieren, die Wirtschaft
und Verwaltung immer stärker erobern.
In Vertretung des scheidenden Wissen-
schaftsministers Lutz Stratmann konn-
te der neue Vorsitzende des Clubs, Dr.
Volker Müller, Niedersachsens Umwelt-
minister Hans-Heinrich Sander begrüßen.
Sander sagte in seinem Grußwort, neue
Zeiten erforderten neue Techniken. Es
komme immer mehr darauf an, dass sich
Unternehmen, Hochschulen und Verwal-
tungen den Anforderungen der jeweils
89DNG 3 2010
Die speziell für die Anforderungenim Bereich Antigraffiti / Antiplakatentwickelten Systeme bieten folgendeVorteile:
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W I R T S C H A F T U N D T O U R I S M U S
modernsten Kommu-
nikationstechniken
stellten. Nur so werde
es gelingen, im interna-
tionalen Wettbewerb die
Nase vorn zu haben. Es
sei deshalb zu begrüßen,
dass der Innovatorsclub mit
Führungskräften aus allen Bereichen
die neuesten Möglichkeiten digitaler
Kommunikation für Wirtschaft und Ver-
waltung diskutiere. Anschließend zeigte
Anke Domscheit von Microsoft Deutsch-
land, wie mit neuen Netzwerken Mehr-
werte geschaffen werden.
In einem weiteren Referat vermittelte
Ferdinand Tempel, Projektleiter von
T-City bei der Telekom Deutschland
GmbH, Erkenntnisse über erste Erfah-
rungen mit dem T-City-Projekt, einer
gemeinsamen Zukunftswerkstatt der
Stadt Friedrichshafen am Bodensee und
der Deutschen Telekom.
Bürger, Unternehmen,
Schulen, Wissenschaft
und Medizin erarbei-
ten dort innovative
Anwendungen für
den Alltag. In einem anderen
Vortrag zeigte Professor Dr. Sven Prü-
ser von der Hochschule für Technik
und Wirtschaft in Berlin am Bespiel der
fränkischen Stadt Coburg, wie ein „digi-
tales Gedächtnis“ entsteht und genutzt
werden kann. Nach Ansicht aller Teil-
nehmer war auch diese siebte Tagung
des innovatorsclub NIEDERSACHSEN
ein voller Erfolg und ein Gewinn, weil
für jeden ersichtlich ist, dass Facebook,
Twitter, Xing und auch der elektronische
Brief der Deutschen Post AG die Kom-
munikationsstrukturen der Gesellschaft
nachhaltig verändern werden. Betriebe,
Kommunen und Hochschulen müssten
deshalb enger zusammenarbeiten, um
die Potentiale dieser Dienste umfassend
nutzen zu können, sagte der Vorsitzen-
de des Clubs und Hauptgeschäftsführer
der Unternehmerverbände Volker Müller
zum Ausklang des Treffens.
Der innovatorsclub NIEDERSACHSEN
wurde vor über zwei Jahren vom Städ-
te- und Gemeindebund und den Unter-
nehmerverbänden Niedersachsen als
Forum für Wirtschaft, Wissenschaft und
Verwaltung gemeinsam mit Microsoft
Deutschland gegründet. Sein Ziel ist es,
gute Ideen aus und für Niedersachsen
zu sammeln, zu entwickeln und Denk-
anstöße für Projekte zu geben. Stän-
dige Mitglieder sind unter anderem die
Unternehmerverbände, der Städte- und
Gemeindebund, der Sparkassenverband
Niedersachsen, die Deutsche Messe, die
Deutsche Post AG, E.ON Avacon, Micro-
soft Deutschland und T-Systems.
90 DNG 3 2010
W I R T S C H A F T U N D T O U R I S M U S
VGH setzt Wachstum fortVon Volker Benke
Der Vorstandsvorsitzenden der VGH, Dr.
Robert Pohlhausen, ist zufrieden. Das so-
lide Geschäftsmodell der VGH habe auch
im Krisenjahr 2009 seine Stärke bewiesen
und die Versicherung habe ihr Wachstum
fortgesetzt. In wichtigen Kerngeschäfts-
feldern sei die VGH überdurchschnittlich
gewachsen, sagte Pohlhausen bei der
Vorstellung des Geschäftsberichts für
das Jahr 2009.
Insgesamt sei die Versicherungsbranche
„nicht ganz so schlecht“ durch die Krise
gekommen. Kein Versicherer habe Staats-
hilfe gebraucht. In Niedersachsen sei es
der VGH auch als Marktführer gelungen,
diese Stellung „ein wenig auszubauen“,
trotz eines extrem harten Wettbewerbs,
betonte der Vorstandsvorsitzende. Pohl-
hausen dankte den VGH-Kunden für ihre
Verbundenheit und sagte, die VGH biete
eine Beratung „besonders gut, besonders
fair, besonders ehrlich“.
Die Bruttobeitragseinnahmen hätten
auch deshalb erstmals mit 2,07 Milliarden
Euro die Zwei-Milliarden-Grenze durch-
brochen. Mit einer bewährt vorsichtigen
Kapitalanlagepolitik, vorausschauendem
Risikomanagement und nachhaltiger Ver-
sicherungstechnik habe die VGH ihre Sta-
bilität gestärkt. Seit nunmehr 260 Jahren
gelte die VGH bei Kunden und Geschäfts-
partnern als „verlässliches Unternehmen“,
stellte Pohlhausen fest. Diese Stärke habe
die VGH im schwierigsten Jahr der Fi-
nanz- und Wirtschaftskrise erneut unter
Beweis gestellt. Das Vertrauen in ein so-
lides, kundennahes Geschäftsmodell mit
ausgewogenen Preisen und anerkannter
Produkt- und Dienstleistungsqualität
habe die VGH dadurch festigen können.
Tragende Säulen des Erfolges seien nach
wie vor die regionale Verankerung und
die dezentrale Geschäftsstruktur.
Zuversicht verbreitete Pohlhausen
auch für das Geschäftsjahr 2010. Die
VGH sei darauf eingestellt, dass die noch
unsichere Entwicklung von Konjunktur
und Arbeitsmarkt Spuren in der Versiche-
rungsnachfrage hinterlassen könnte, weil
die Finanzkrise „noch nicht hinter uns
liegt“. Die VGH erwarte dennoch für 2010
stabile, wenn nicht sogar leicht wachsen-
de Beitragseinnahmen.
Dr. Franz Alt: Die Sonne schickt uns keine RechnungSolare Energiepolitik hat Zukunft
Von den Möglichkeiten der Solarenergie schon lange überzeugt: Journalist und Buchautor Dr. Franz Alt
Rund 130 kommunale Vertreterinnen und
Vertreter aus ganz Niedersachsen kamen
zur Informationsveranstaltung „Solar-
energie in Niedersachsen“ am 19. April
2010 in Hannover. Rainer Timmermann,
Präsident des Niedersächsischen Städte-
und Gemeindebundes (NSGB), begrüßte
als Sprecher der kommunalen Spitzenver-
bände die Teilnehmer und erklärte: „Die
Solarenergie tritt zunehmend aus ihrem
Nischendasein heraus und wird zukünftig
einen erheblichen Anteil am nationalen
Strom-Mix haben. Auch für die Kommunen
ergeben sich aus dieser Entwicklung neue
Fragestellungen, die im Rahmen der Infor-
mationsveranstaltung behandelt werden.
Die gute Resonanz auf diese Veranstaltung
U M W E LT
91DNG 3 2010
U M W E LT
ist ein sichtbarer Beleg für das kommunale
Interesse am Thema Solarenergie.“
Der TV-Journalist und Buchautor
Dr. Franz Alt gab einen Überblick über den
Stand und die weitere Entwicklung der
Solartechnik und zeigte in seinem Vortrag
„Die Sonne schickt uns keine Rechnung“
auf, wie mit Hilfe einer solaren Energie-
politik nicht nur das Welt klima gerettet
werden kann, sondern auch neue Arbeits-
plätze geschaffen werden können, und wie
mit der Solarenergie eine Grundlage für
neue Mobilitätskonzepte entwickelt wer-
den kann.
Ein praktisches Beispiel für die kom-
munale Nutzung der Photovoltaik stellte
Alfons Eling, Bürgermeister der Gemein-
de Wietmarschen, vor. Die Gemeinde
Wietmarschen installiert auf einer Lärm-
schutzwand entlang der B 213 eine pho-
tovoltaische Anlage. Alfons Eling dazu:
„So können wir mit Hilfe der umwelt-
freundlichen Produktion von Solarstrom
gleichzeitig die Lärmbelastung für die Ein-
wohner reduzieren. Noch erhält die Kom-
mune für jede Kilowattstunde Solar strom
für die nächsten 20 Jahre eine Vergütung
von 37,7 Cent. Die Solarenergie trägt so
maßgeblich zur Finanzierung der Lärm-
schutzwand bei.“
Die Aktualität des Themas Solarenergie
zeigte sich ausgerechnet in den kurzfri-
stigen Absagen der Referenten des Bun-
desministeriums für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (BMU) und des
Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhr-
kontrolle (BAFA). Besonders umstritten
und kurzlebig sind dabei offenbar die För-
derzusagen für Solarenergie auf Bundes-
ebene. Der Referent des BAFA entschul-
digte sich für sein Fernbleiben mit der
Begründung, dass mit dem so eben in Kraft
getretenen Haushaltsgesetz, das neben
einer Reduzierung der Fördermittel für
solarthermische Anlagen auch noch eine
Haushaltssperre vorsieht, die derzeitigen
Förderbedingungen faktisch nicht mehr
relevant seien. Die Förderbedingungen für
photovoltaische Anlagen werden erst in
den kommenden Wochen festgezurrt.
Stromspar-Check in 2 000 niedersächsischen HaushaltenIm Rahmen der bundesweiten Aktion „Stromspar-Check für einkommens-
schwache Haushalte“ des Deutschen Caritasverbandes e. V. und des Bundes-
verbandes der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands e. V. wurden
in Niedersachsen bereits mehr als 2 000 Checks durchgeführt.
Die Stromkosten sind in den letzten Jah-
ren deutlich gestiegen. Gerade für Emp-
fänger von Sozialleistungen stellt dieser
Preisanstieg ein erhebliches Problem
dar. Seit Dezember 2008 läuft bundes-
weit das Programm Stromspar-Check in
einkommensschwachen Haushalten. Das
vom Bundesumweltministerium (BMU)
geförderte Programm zielt darauf ab, ein-
kommensschwachen Haushalten Einspar-
möglichkeiten beim Strom- und Wasser-
verbrauch aufzuzeigen. Langzeitarbeits-
lose, die zu Stromsparhelfern qualifiziert
werden, führen die Stromspar-Checks
vor Ort in den Haushalten durch. In Nie-
dersachsen haben mittlerweile mehr als
2 000 dieser kostenlosen Beratungen statt-
gefunden. Knapp 18 000 Energiespararti-
kel wie Energiesparlampen, schaltbare
Steckerleisten und ähnliches im Wert von
rund 95 000 Euro wurden in den Haushal-
ten installiert.
Ziele des Stromspar-Checks
Ziel der Aktion ist zum einen die Verringe-
rung des Stromverbrauchs und damit eine
Reduzierung der Kosten in einkommens-
schwachen Haushalten. Gleichzeitig erhal-
ten Langzeitarbeitslose über ihre Tätigkeit
als Stromsparhelfer die Chance auf einen
Wiedereinstieg ins Berufsleben. Darüber
hinaus leistet die Aktion einen wichtigen
Beitrag zum Umwelt- und Klima schutz,
der Energieverbrauch wird nachhaltig
gesenkt, der CO2-Ausstoß redu ziert.
Wo werden Stromspar-Checks
angeboten?
Bundesweit nehmen rund 70 Standorte am
Programm teil, davon acht in Niedersach-
sen. In den Kommunen Bersenbrück,
Goslar, Hannover, Hildesheim, Lingen,
Lüneburg und Peine sind 80 Stromspar-
helfer unterwegs.
Die Kommunale UmweltaktioN (U.A.N.)
und die Klimaschutzagentur Hannover
sind für Ausbildung der Langzeitarbeitslo-
sen zu Stromsparhelfern in umfangreichen
Qualifizierungsmaßnahmen zuständig.
Vor Ort organisieren die Caritasver-
bände die Umsetzung des Programms, das
bis Ende 2010 läuft. Die Caritasverbände
nehmen über die Jobcenter, Sozialhilfe-
ämter, die Kirchen oder Tafeln Kontakt zu
den begünstigten Haushalten auf.
Wie funktioniert ein Stromspar-
Check?
Empfänger von Arbeitslosengeld II, So-
zial hilfe oder Wohngeld können sich frei-
willig am Stromspar-Check beteiligen.
Sie melden sich dafür vor Ort bei der zu-
ständigen Caritas-Stelle und vereinbaren
einen Termin für einen Haushaltsbesuch.
Ein Team von zwei Stromsparhelfern wird
dann in einem ersten Besuch eine Be-
standsaufnahme aller elektrischen Geräte
durchführen und die Verbrauchswerte
für Strom und Wasser ermitteln. Nach-
dem das Verbrauchsverhalten analysiert
wurde, erteilen die Stromsparhelfer bei
Schaltbare Steckerleisten helfen Strom sparen
92 DNG 3 2010
U M W E LT
einem zweiten Besuch dann individuelle
Ratschläge zum Strom- und Wasser sparen
und installieren im Haushalt Soforthilfen
wie Energiesparlampen, schaltbare Ste-
ckerleisten oder Strahlregler im Wert von
bis zu 70 Euro.
Die Tätigkeit der Stromsparhelfer be-
schränkt sich auf Tipps im Strom- und
Wasserverbrauch. Bei weitergehendem
Beratungsbedarf beispielsweise im Be-
reich Raumheizung und Gebäudedäm-
mung verweisen sie auf Angebote wie die
Energieberatung der Verbraucherzentra-
len oder anderer Stellen.
Wer profitiert vom Stromspar-
Check?
Mit dem kostenlosen Angebot soll den
Empfängern von Sozialleistungen gehol-
fen werden, ihre Nebenkosten für Energie
spürbar zu senken und einen Beitrag zum
Klimaschutz zu leisten. Auch die Kommu-
nen profitieren vom Stromspar-Check.
Bei Beziehern von ALG II und Sozialhil-
fe tragen die Kommunen die Kosten für
Wasser und Heizenergie. Hier ergeben
sich Einsparungen für die Kommunen.
In Niedersachsen sind das nach den bis-
her durchgeführten Stromspar-Checks im
Durchschnitt jährlich 153 Euro pro be-
suchtem Haushalt. Messbar ist darüber
hinaus der Klimaschutzeffekt: Durch den
Einbau der Soforthilfen wird ein CO2-Aus-
stoß von fast 300 Kilogramm pro Jahr und
Haushalt in Niedersachsen eingespart.
Ausblick
Bis Ende 2010 sollen an den niedersäch-
sischen Projektstandorten insgesamt
4 500 Checks abgeschlossen sein. Zur Fi-
nanzierung der dafür nötigen Soforthilfen
wie Energiesparlampen, Steckerleisten
und anderer Energiesparartikel müssen
zusätzliche Sponsoren gefunden werden.
Kommunen und Energieversorger sollen
noch stärker in das Projekt eingebunden
werden, um das Beratungsangebot in den
Regionen langfristig zu verankern.
Weitere Informationen zum Projekt und
den niedersächsischen Standorten unter
www.stromspar-check.de.
RoggenkampWeb 2.0 Plattformen im kommunalen E-Government
Telos, Beschaffung, Modellierung, Betrieb und Wettbewerb
Darstellung
Reihe Recht und Neue Medien, Band 202010, 314 Seiten, 48,00 Euro, ISBN 978-3-415-04406-7Richard Boorberg Verlag GmbH & Co. KG, Scharr-str. 2, 70563 Stuttgart
Der Autor erläutert die Grundlagen sowohl des E-Govern ments als auch des Web 2.0. Anhand einer Musterkonfiguration analysiert er alle wesentlichen Planungs-, Aufbau- und Betriebsphasen einer solchen Plattform in rechtlicher Hinsicht. Des Weiteren wird anhand von Beispielen die Verantwortung der Plattform-betreiber in der Praxis untersucht und auch die beson-deren Probleme der öffentlichen Hand berücksichtigt. Der Leser erhält auf die öffentliche Hand zugeschnittene Strategien zur Haftungsvermeidung. Schließlich widmet sich die Arbeit dem Konkurrenzverhältnis der öffent-lichen Hand als Betreiberin einer Web 2.0-Plattform zu privaten Plattformanbietern im Marktumfeld Web 2.0.
EtscheidFachaufsicht neu denken und gestalten
Handbuch
2009, 382 Seiten mit Abbildungen, fester Einband, 69,00 Euro, ISBN 978-3-7922-0090-2Verlag Reckinger, Luisenstraße 100-102, 53721 Siegburg
Der Autor erläutert die wesentlichen Aspekte der Aufsicht – angepasst an die aktuellen Anforderungen zeitgemäßer Verwaltung und zur Vorbereitung auf künf-tige Anforderungen. Das Buch bietet keine einfachen Handlungsanleitungen, sondern trägt der Tatsache Rech-nung, dass Fachaufsicht jeweils in einem spezifischen Kontext stattfindet. Die Darstellungen zielen darauf ab, den Verantwortlichen anhand problemorientierter Lö-sungsansätze aufzuzeigen, welche Orientierungs- und Gestaltungsprozesse wichtig sind, um zu effektiven und effizienten Aufsichtsformen und -prozessen zu gelangen, und wie mit diesen umgegangen werden kann.
Wellmann u.a.Wasserhaushaltsgesetz
Kommentar
2010, 428 Seiten, kart., 69,00 Euro, ISBN 978-3-8293-0895-3Kommunal- und Schulverlag GmbH & Co. KG, Kon-rad Adenauer-Ring 13, 65187 Wiesbaden
Dieser Kommentar erläutert die 106 Paragraphen des neuen Wasserhaushaltsgesetzes, das zum 1. März 2010 in Kraft getreten ist. Schwerpunkte sind die Themen-bereiche Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Bewirtschaftung oberirdischer Gewässer, Gewässer-ausbau und Hochwasserschutz. Außerdem wird auch der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Es ist eine Synopse der Vorschriften des alten und des neuen WHG eingearbeitet, die eine schnelle Orien tierung in der Ge-setzessystematik ermöglicht.
Henneke/RitgenKommunales Energie-recht
Darstellung
2010, 120 Seiten, kart., 29,00 Euro, ISBN 978-3-8293-0897-7Kommunal- und Schul-verlag GmbH & Co. KG, Konrad Adenauer-Ring 13, 65187 Wiesbaden
Die Gewährleistung einer flächendeckend sicheren und umweltgerechten Ener-gieversorgung gehört zur wichtigsten Daseinsvorsorge der Städte, Landkreise und Gemeinden. Mit der Darstel-lung werden die rechtlichen Instrumente beschrieben, die den Kommunen zur Bewältigung dieser bedeut-samen Aufgabe zur Verfügung stehen. Es werden nicht nur die Vorgaben des kommunalen Wirtschaftsrechts erörtert, sondern auch die verfassungsrechtlichen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ein ei-genes Kapitel ist dem Konzessionsvertrag gewidmet, der zu den wichtigsten Steuerungsinstrumenten für den Bereich der Energieversorgung gehört.
Die Inselgemeinde Wangerooge feierte 125-jähriges Jubiläum
Am Rande der Feierlichkeiten, v.l. NSGB-Präsident Rainer Timmermann, Rats-mitglied Bärbel Herfel, Landtagspräsident Hermann Dinkla und Wangerooges
Bürgermeister Holger Kohls
B ÜC H E R S C H AU
DNG 3 2010
„Die Niedersächsische Gemeinde“ erscheint sechs mal jährlich. Bezugspreis jährlich 36,- Euro, Einzelpreis 6,- Euro zuzüglich Porto. In sämtlichen Verkaufspreisen sind 7 Prozent Mehrwertsteuer enthalten. Für Mitglieder des Nds. Städte- und Gemeindebundes ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. Bestellungen an den Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund, 30159 Hannover, Arnswaldtstr. 28.
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Beregnungsanlagen
L I E F E R A N T E N
VO R S C H AU
DNG 4/2010
Themenschwerpunkt:
Ländlicher Raum
Anzeigen- und
Redaktionsschluss
am 16. August 2010
erscheint
Mitte September 2010
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Ausschreibung des Strombedarfes für Kommunen Ihr Ansprechpartner:
Herr Hoppe, Telefon 0511 30285-77
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Frau Hillebrecht, Telefon 0511 30285-65
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Anz.Kommunal_L/B/20.02.07 21.02.2007 17:13 Uhr Seite 1