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EINE LINKE ZWEIWOCHENZEITUNG 6 6 2004 12. Jahrgang 19. März 1 Euro Tel./Fax: 0341- 21 32 345 4 Seiten extra zur Buchmesse Seiten 9–12 ! Not und Spiele Kultur ein „weicher Standortfaktor“ der Stadt? Bernd Weinkauf liest Leipzig die Leviten. Seite 3 ! Mitmischen tut not Was treibt eine parteilose Lehrerin und GEW- Kreisvorsitzende, auf der PDS-Liste für den Landtag zu kandidieren? Seite 5 ! „Not macht erfinderisch“ Erlebnisse als Ärztin in Ost und West hielt Prof. Renate Baumgarten fest. Sie wird Zuspruch finden, reizt aber hier und da auch zum Einspruch. Seite 11 Ausscheiden, ehe man stirbt? Wenn Regierende, rechte Opposition und das große Kapital kalkulieren, Rentner könnten in besonderem Maße gebeutelt werden und damit ihren Beitrag zu stei- genden Renditen erbringen, steckt viel- leicht die Erwartung dahinter, dass sie sich am wenigsten wehren und dass die Jün- geren diesen Fragen noch nicht die nötige Aufmerksamkeit widmen. Viele sehen aber durchaus, dass Nullrun- den bei der Rentenanpassung, Arztgebühr und gesonderte Notarztgebühr, teurer ge- wordene Medikamente und Behandlun- gen, gestiegene Krankenhauskosten und Pflegebeiträge, die Streichung der Zu- zahlung zum Zahnersatz und des Ster- begeldes sowie manches andere nicht nur neue Zusatzlasten sind, sondern zugleich Vorboten noch einschneidenderer Ader- lässe: Die langfristige Absenkung des Ren- tenniveaus wurde gerade auf den Weg gebracht; Medikamentenpreise und die Liste der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente sind variabel; eine tiefgrei- fende Verbesserung der unbefriedigen- den bis katastrophalen Situation bei der Pflege ist nicht in Sicht ... Die Demonteure sozialer Sicherungen ir- ren sich hoffentlich auch in der Annahme, sie hätten genug Kreide gefressen und würden auf Dauer Glauben finden mit der Beteuerung, es gäbe keine Alternativen. Denn die Anhäufung krankhaft großer Ka- pitale und die Tatsache, dass die Produk- tivität schneller wächst als die (sehr wohl auch umkehrbare!) Alterung der Gesell- schaft, zeigen die Lüge. Ein perverses Spiel zwischen noch Regie- renden und schon mitregierender schwar- zer Opposition: Die einen verschleißen wis- sentlich die Reste ihrer Reputation und er- lauben damit den anderen, zu weiteren Schlägen auszuholen und sie letzlich zu vollziehen – bis zum übernächsten Regie- rungswechsel. Wie lange noch, bis sich auch als Irrtum erweist, man könne ewig so herrschen? Senecas Klage, das schlimmste Übel sei, auszuscheiden aus der Schar der Leben- digen, ehe man sterbe, trifft heute eine Gesellschaft, die reich genug ist, alle genannten Gefährdungen aus der Welt zu schaffen. Nötig wäre dazu aber – bildlich gesprochen –, Rentner und Rentiers, Renten und Renditen neu zu gewichten. Das aber geschieht nicht ohne Kampf der heutigen und der künftig noch schlimmer Betroffenen um die Umverteilung des vor- handenen Reichtums. • GÜNTER LIPPOLD

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EINE LINKE ZWEIWOCHENZEITUNG

66662004

12. Jahrgang19. März1 Euro

Tel./Fax:0341-

21 32 345

4 Seiten extra zur Buchmesse Seiten 9–12

!! Not und SpieleKultur ein „weicher Standortfaktor“ der Stadt?Bernd Weinkauf liest Leipzig die Leviten. Seite 3!! Mitmischen tut notWas treibt eine parteilose Lehrerin und GEW-Kreisvorsitzende, auf der PDS-Liste für denLandtag zu kandidieren? Seite 5!! „Not macht erfinderisch“Erlebnisse als Ärztin in Ost und West hielt Prof.Renate Baumgarten fest. Sie wird Zuspruch finden,reizt aber hier und da auch zum Einspruch. Seite 11

Ausscheiden,ehe man stirbt?

Wenn Regierende, rechte Opposition unddas große Kapital kalkulieren, Rentnerkönnten in besonderem Maße gebeuteltwerden und damit ihren Beitrag zu stei-genden Renditen erbringen, steckt viel-leicht die Erwartung dahinter, dass sie sicham wenigsten wehren und dass die Jün-geren diesen Fragen noch nicht die nötigeAufmerksamkeit widmen. Viele sehen aber durchaus, dass Nullrun-den bei der Rentenanpassung, Arztgebührund gesonderte Notarztgebühr, teurer ge-wordene Medikamente und Behandlun-gen, gestiegene Krankenhauskosten undPflegebeiträge, die Streichung der Zu-zahlung zum Zahnersatz und des Ster-begeldes sowie manches andere nicht nurneue Zusatzlasten sind, sondern zugleichVorboten noch einschneidenderer Ader-lässe: Die langfristige Absenkung des Ren-tenniveaus wurde gerade auf den Weggebracht; Medikamentenpreise und dieListe der nicht verschreibungspflichtigenMedikamente sind variabel; eine tiefgrei-fende Verbesserung der unbefriedigen-den bis katastrophalen Situation bei derPflege ist nicht in Sicht ... Die Demonteure sozialer Sicherungen ir-ren sich hoffentlich auch in der Annahme,sie hätten genug Kreide gefressen undwürden auf Dauer Glauben finden mit derBeteuerung, es gäbe keine Alternativen.Denn die Anhäufung krankhaft großer Ka-pitale und die Tatsache, dass die Produk-tivität schneller wächst als die (sehr wohlauch umkehrbare!) Alterung der Gesell-schaft, zeigen die Lüge.Ein perverses Spiel zwischen noch Regie-renden und schon mitregierender schwar-zer Opposition: Die einen verschleißen wis-sentlich die Reste ihrer Reputation und er-lauben damit den anderen, zu weiterenSchlägen auszuholen und sie letzlich zuvollziehen – bis zum übernächsten Regie-rungswechsel. Wie lange noch, bis sichauch als Irrtum erweist, man könne ewigso herrschen?Senecas Klage, das schlimmste Übel sei,auszuscheiden aus der Schar der Leben-digen, ehe man sterbe, trifft heute eineGesellschaft, die reich genug ist, allegenannten Gefährdungen aus der Welt zuschaffen. Nötig wäre dazu aber – bildlichgesprochen –, Rentner und Rentiers,Renten und Renditen neu zu gewichten.Das aber geschieht nicht ohne Kampf derheutigen und der künftig noch schlimmerBetroffenen um die Umverteilung des vor-handenen Reichtums. • GÜNTER LIPPOLD

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 20042 • MEINUNGEN

Zentralstadion zwischenTradition und Zukunft

Nun ist es fast fertig, das neue Leipziger Zentralstadion,nachdem das Deutsche Turnfest im Mai 2002 sich nochmit dem Provisorium begnügen musste. Dennoch will –außer bei der LVZ und dem mdr, die wegen desRekordbesuchs von 28 500 Zuschauern in der 44 000Plätze fassenden Arena ganz aus dem Häuschen waren –keine rechte Begeisterung aufkommen. Die organisatori-schen Pannen beim Eröffnungsspiel waren noch das klei-nere Übel. Der Fußballklub Sachsen-Leipzig müht sichgegen den drohenden Abstieg aus der Regionalliga, derVfB Leipzig, der erste deutsche Fußballmeister, wird voneiner vielleicht tödlichen Insolvenz erschüttert. Noch nichtaufgekärt ist, ob bei der Vergabe von Bauaufträgen allesmit rechten Dingen zugegangen ist. Überschattet wird dieSportstätte von dunklen Finanzmanipulationen desInvestors Kölwel und des Geschäftsführers Brendel. Undletztlich erweist sich die Geschichte des Zentralstadionsals eine erdrückende Bürde. Vielfach mehr als 100 000erlebten hier Fußballspiele und Sportfeste. An sich wärenheute Zurückhaltung und Bescheidenheit angesagt. Zur Fußballweltmeisterschaft finden vier Gruppenspieleund ein Achtelfinale in Leipzig statt. Es bleibt abzuwarten,wie viele Zuschauer bereit sind, die Eintrittskarten zwi-schen 35 und 120 Euro zu bezahlen. • G. LIPPOLD

Da schwillt eine Geithainer Brust... und noch so manche deutsche dazu, wenn der Kriegs-minister verkündet: Die Bundeswehr hat ihr Einsatzgebietin der ganzen Welt. Dem allerdings eigensinnig widerspre-chend, verteilte PDS-Mann Bernt Gnant während einesRekruten-Gelöbnisses Anfang März auf dem GeithainerMarktpaltz Handzettel mit der Frage: „Kennen Sie denwahren Charakter der Bundeswehr?“ Gnant erinnert da-ran, dass deren Auftrag längst nicht mehr in der Landes-verteidigung allein besteht, sondern in der „Aufrecht-erhaltung des freien Welthandels und des ungehindertenZugangs zu den Märkten und Rohstoffen in der Welt“. Was kann ein friedensbewegter PDS-Stadtvorsitzender daanderes tun, als zu warnen, dass das öffentliche Gelöbnisnur dazu missbraucht wird, die Akzeptanz der Armee inder Bevölkerung zu erhöhen? Mit klingendem Spiel sollvon der Militarisierung der Gesellschaft abgelenkt werden.Ein gewisser Manfred Weise, wackerer Streiter für seineStadt und sein Land, wetterte sogleich in der örtlichenPostille: „Hier zeigt die PDS ihr wahres Gesicht ... Die PDShat mit so einer Meinung nichts in einem demokratischenStaat und in der Stadt Geithain zu suchen.“ Wie Recht der Mann doch hat. Am 11. März hat Struck imBundestag seinen Mitkriegern – solchen, die vor fünf Jah-ren Jugoslawien mit einem mörderischen Krieg für kapita-listische Pläne reif bombten, solchen, die vor einem Jahrstillschweigend Überflugsrechte für US-KriegsmaschinenRichtung Irak ermöglichten – den wirklich wahren Charak-ter der Bundeswehr enthüllt: Sie sei zu einem der wich-tigsten Botschafter und zur „größten FriedensbewegungDeutschlands geworden“. – Mal sehen ob die Truppen beiunseren nächsten, gewiss nur zu bald wieder notwendi-gen Antikriegsdemos dabei sind. • MX

Der Zipfel WahrheitIst es Ihnen auch aufgefallen? Beim Kandidaten-Hickhackvon CDU/CSU ums Amt des Bundespräsidenten fiel pene-trant häufig das Wort „bürgerlich“. Geradezu eingehäm-mert wurden uns „bürgerliche Parteien“ und „bürgerlichesLager“, den frisch-fromm-neoliberalen Banker Köhler priesAngela Merker als „die bürgerliche Alternative“ ... All dasabgrenzend gegenüber den Regierungsparteien undihrem Kandidatenvorschlag.Nicht zu verkennen ist: Mit dem verstärkten Einsatz destraditionellen Attributs „bürgerlich“ zielt die Unionsführungim Wahljahr darauf ab, ihre Kernklientel zu mobilisieren.Sie spielt die gesellschaftliche Funktion ihrer Parteien alsTrumpfkarte aus. „Volksparteien“, die ihre Rolle als politi-sche Geschäftsführer des großen Kapitals erfolgreicherfüllen, dürfen sich das heute wieder erlauben. Die Hauptsache aber: Im Zipfel Wahrheit steckt zugleichVerdummung. Kann denn bei der rot-grünen Führungsper-sonage von einem anderen als dem bürgerlichen Lagerdie Rede sein? • G. BRAUN

LN. Zum InternationalenFrauentag 2004 veranstaltete dieAG Lisa zusammen mit derRosen-Luxemburg-StiftungSachsen e. V. wiederum eineGesprächsrunde und eine „Be-gegnung mit Frauen aus derWelt“.Im März vorigen Jahres fand einsolcher Abend mit großer Teil-nehmerzahl das erste Mal in derLeipziger Harkortstraße statt;eine kleinere Runde traf sich dasganze Jahr über.Aktuelle Probleme wie das

Weiterbestehen der Frauenhäu-ser, die finanzielle Förderungder Frauenbibliothek MONA-liesA oder auch die existentiellePerspektivlosigkeit von Migran-tinnen und ihren Familien stan-den im Mittelpunkt dieser Frau-enbegegnung. Ebenso eine heiter-kritische Textkollage „Adam ausEvas Rippe ... Wundersames überFrauen und Männer – entdeckt inIrmtraud Morgners Roman-Trilogie“, vorgetragen von GiselaOechelhaeuser/Berlin undChristel Hartinger/Leipzig.

Frauenfragen sind keine Eintagsfliegen

Begegnung und Gesprächezum Frauentag

LN. Nicht genug, dass alle NS-Verfolgtenverbände im Januarihre Mitarbeit in der StiftungSächsische Gedenkstätten nie-derlegten, weil es für sie uner-träglich ist, wie hier nationalso-zialistische Verbrechen mitundemokratischen Erschei-nungen in der DDR gleichge-setzt werden. Mitte Februarerhielt der 82-jährige LudwigBaumann, der Vorsitzende derBundesvereinigung der NS-Mi-litärjustiz eine kurzfristige Ein-ladung zu einer Anhörung. Wiewenig normal dieser Vorgangnicht nur wegen des knappenTermins ist, belegt Ludwig Bau-manns Absage an den Stift-ungsbeirat. Hier ein Auszug:

„... Auch der Zentralrat derJuden in Deutschland hält dieseArt der Anhörung für die NS-Verfolgten für unannehmbar. Esist für mich als NS-Opfer eineBeleidigung, mich ausgerechnetunter Mitwirkung des Säch-sischen Landesbeauftragten fürStasi-Unterlagen einer Anhö-rung auszusetzen. Der Landes-beauftragte Herr Beleites hält esfür gerechtfertigt, dass sich alleStiftungsmitglieder um ihremögliche Stasimitarbeit befra-gen lassen müssen, aber keinMitglied sich befragen lassenmuss, ob es Mitglied. der Nazi-organisationen war, obwohl ichihm Unterlagen schickte, nachdenen es allein im Januar 1946

unter den 7672 Torgau-Häft-lingen 5406 aktive Mitgliederder Naziorganisationen gab.Hochgerechnet auf alle Lagerbedeutet dies, dass es auchheute noch mehrere tausendNazis oder auch NS-Täter gibt,denen als ,Opfer des Stali-nismus‘ der Zugang zur Stiftungnicht verwehrt ist. Aber es gibtkeinen Sächsischen Landes-beauftragten für diese Unterla-gen, obwohl es sich bei diesenüberwiegend nicht um Akten-berge, sondern um Leichenbergehandelt. Warum ist der Landes-beauftragte für Stasiunterlageneigentlich in der Gedenkstätten-stiftung? In anderen Bundes-ländern gibt es dies nicht. ...“

Stiftung Sächsische Gedenkstattenmit neuer Unverschämtheit

Der Präsident des Verbands derSächsischen Metall- und Elek-troindustrie (VSME), Bodo Fin-ger, hat in einem Brief an dieangeschlossenen Unternehmenfaktisch bestätigt, was unsereZeitung vor zwei Wochen überdie Sondersitzung des Dachver-bands Gesamtmetall zum Me-tall-Tarifkonflikt in Sachsen be-richtete. Der VSME, so Finger,habe seinen Widerstand gegenden Pilotabschluss der Branchenur aufgegeben, weil ihm Ge-samtmetall am 27. Februar dieAufkündigung des Bündnisses

angedroht habe, falls es in Sach-sen nicht zu einer Einigungkomme. Das hätte den Entzugeiner möglicherweise notwendi-gen finanziellen Unterstützungbeim Arbeitskampf bedeutet.Im Klartext: Die Existenz desVSME als Tarifpartner stand aufdem Spiel.

„Handelsblatt“: Zehntau-sende sollen länger arbeitenNegative Folge des Tarifkom-promisses in der deutschen Me-tall- und Elektroindustrie: DieKonzerne machen im Westen

sofort von der Klausel übermögliche Arbeitszeitverlänge-rung bei Teilen der Beschäftig-ten Gebrauch. Laut Handels-blatt sind Zehntausende Stellenbetroffen. Nachdem Daimler-Chrysler bereits angekündigthatte, seine Ingenieure wiederlänger arbeiten zu lassen, erwä-gen jetzt unter anderem auchPorsche, Siemens, Bosch undContinental, hochqualifizierteMitarbeiter bei Lohnausgleich40 statt bisher 35 Wochenstun-den einzusetzen.Womit natürlich die Chancenfür Neueinstellungen sinken –der jüngste Beitrag der Groß-industrie zur Bekämpfung derMassenarbeitslosigkeit! • gb

Bodo Finger: Beugten unsDruck von Gesamtmetall

20. 3 2003 – USA-Krieg gegen Irak

Mahnwachean der Nikolaikirche

20. 3. 200415–18 Uhr

Friedenszentrum e. V. und andere

Friedensgruppenund -initiativen

LN. Die von der derzeitigenBundesregierung auf den Weggebrachte „Rentenreform“nennt PDS Bundesgeschäfts-führer Rolf Kutzmutz „dengrößten Rentenklau in derGeschichte der Bundesrepu-blik“.Mit dem so genannten Min-destsicherungsniveau wird eineRentenkürzung von 20 Prozentgegenüber den heutigen Ren-ten selbst für diejenigen festge-schrieben, die 45 Jahre lang ent-sprechend dem bundesdeut-

schen Durchschnittsverdienst indie Rentenkassen einzahlen.Das untergräbt nicht nur dieLegitimation der gesetzlichenRentenversicherung, sondernverstößt gegen das Sozialstaats-gebot des Grundgesetzes, soKutzmutz. Dass der Rentenkürzungskursder Bundesregierung, der imKern auch von der rechten Op-position getragen wird, nichtalternativlos ist, bewies derPDS-Vorsitzende Lothar Biskynun in Dresden mit entsprechen-

den Vorschlägen. Er regt u. a.eine wirkliche Mindestrente,eine menschenwürdige Alters-sicherung an. Gleichzeitg rückteer Vorschläge für die Einnah-meseite der Rentenversicherungins Blickfeld.Die europaweiten Demonstra-tionen und Aktionen am 2.und 3. April sind eine wichtigeStation im Ringen um Alterna-tiven zur herrschenden Politikdes Sozialabbaus. Der DGBorganisiert Fahrten zur BerlinerDemonstration am 3. April.

Größter Rentenklau

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 2004 THEMA • 3

Vor dem Neuen Rathaus, an derSeite zum Burgplatz, steht „ZurErinnerung an die Einweihung

des Neuen Rathauses am 7. Oktober1905“, so die Inschrift an der Rückseite,ein Zierbrunnen mit Denkmalwert: derRathausbrunnen, der, ganz im Sinne sei-ner Initiatoren und des ausführendenKünstlers, Prof. Wrba, im Volksmundauch Rattenfängerbrunnen genannt wor-den ist. Er sollte jederzeit und jedermanndaran erinnern, dass eine Stadt, die ihreKinder verliert, zugleich ihre Zukunftverliert. Deshalb zuerst ein Wort überKinder und Kultur. Da ich gebeten wurde, für die etwa letz-ten zehn Jahre eine Art Wichtung unterden kulturellen Werten im urbanen Kul-turraum Leipzig vorzunehmen, will ichuneingeschränkt sagen: Das möglicheAbreißen des kulturellen Kontinuumsunter den Generationen sehe ich als dieentscheidende Gefahr für das Absinkender Kultur zum Kult. Wir erleben gerade, dass gegen Kinderein Propagandafeldzug in bisher unge-kannter Dimension geführt wird. Im ur-banen Kulturraum Leipzig plakatiert daskommunale Verkehrsunternehmen mas-sive Beschimpfungen gegen Kinder, dabeantwortet ihnen ein „Aktionsbündnis“die Frage „Meine Wand?“ mittels einer„pfiffigen Wortschöpfung“, wie es dieLeipziger Monopolzeitung darstellt, mitder Anklage: „WANDalismus“. In Wahr-heit „baut“ da niemand „Scheiße“, wie esdie widerliche Plakataktion glaubenmachen will: Die Graffiti, diese Hiero-glyphen des Asozialen, sind der unarti-kulierte Schrei nach Aufmerksamkeit,der Schrei aus einer Generation, die beimEintritt in die Gesellschaft zuerst denSatz zu hören bekam: Wir brauchen euchnicht! Wer so an den Rand der Gesell-schaft gequetscht wird, wem so die Teil-habe an der Gestaltung der Gesellschaftverweigert wird, den zwingt sie, ein Zer-störer zu sein.

Folgenschwerer als unter den ohn-mächtigen Schmierschreien leidetdie Stadt an der Baubestialität der

letzten Jahre. Die Verschrottung desKarl-August-Platzes mit „Designermüll“,der Bilderbunker an der einstigen Barock-prachtstraße und die Kaufzwang-Galeeream Neumarkt – um nur drei Schmerz-punkte aus dem inneren Kreis zu berüh-ren – stellen für die Stadt wegen der im-manenten Kriegslüsternheit jener Bauteneine Gefahr dar, lautet doch ihre Bot-

schaft unmissverständlich: Mit friedli-chen Mitteln ist uns nicht beizukommen. Die Befürchtung, dass die Zerstörungs-sünde an der Dominikanerkirche St. Pau-li durch eine Verbauungssünde potenziertwird, kann beim gegenwärtigen Grad aneitler Verbissenheit kaum ausgeräumtwerden. Als die Entwürfe des ersten Wett-bewerbs zum Universitätsneubau zusehen waren, hörte ich einen Pressemannsagen: „Dafür steigt doch kein Japaneraus dem Bus und macht ein Foto.“ SeinSatz war ernst gemeint. Und ich fürchte,er entsprach dem internen Maßstab, mitdem die Bewertung von stadtbildprägen-den Änderungen derzeit erfolgt. Die ver-trackte Überlegung „Was werden nur dieLeute sagen?“ scheint die Wertung in derKultur zu dominieren. Aber damit sindnicht die Leipziger Leute gemeint, dieAußenwirkung ist entscheidend, der Vor-zeigekult.Darin setzt sich eine der weniger vorteil-haften Traditionen der Stadt fort. Malabgesehen von der Messe, der Muster-messe, die der Bürgermeister von Lyondann anerkennend „die Mutter aller Mes-sen“ genannt hat, wurden in Leipzig eherVorbilder aufgenommen als Vorbildergeschaffen. Durch Goethe ist der ur-sprünglich in Berlin kreierte Spottnamevom „Klein-Paris“ dauerhaft bekanntgeworden. In Leipzig wollte und willman das stur als Kompliment verstehen.

Dem Bürgertum der Stadt galt alleweildas Präsentable an der Kunst als dasWertvolle. Also wurde sie als Buchstadtgepriesen, niemals als Dichterstadt, alsMusikstadt, nicht als Musikerstadt.Deutschlands ältestes bürgerliches Sin-fonieorchester brauchte einen weitenWeg, bis die Musiker ebenso akzeptiertwaren wie ihre Musik. Der Rang, den dasGewandhaus in der gegenwärtigen Kul-turlandschaft besetzt hält, ist respektabel.Ehe mit dem Bau des Neuen Gewand-hauses begonnen wurde, waren sich derArchitekt Prof. Skoda und der HausherrProf. Masur einig in der Auffassung, einHaus zu bauen, mit dem man möglichstnichts anderes anfangen kann, als darinklassische Musik aufzuführen. Sie hatten,gewiss nicht unbegründet, Sorge, dasssonst schnell jemand auf die Idee käme,darin „Bezirksdelegiertenkonferenzen“und ähnlich unterwertige Veranstaltun-gen abzuhalten. Dass die gegenwärtig überdas Gewandhauspodium tobenden Kotz-und Ketchup-Orgien diffuser Klamau-keure in mehrerer Hinsicht dem Ort Scha-

den zufügen, muss vernünftigen Men-schen nicht erklärt werden. Aber auchwer erlebt hat, dass honorable Künstlerwie Konstantin Wecker, Udo Lindenbergoder – unlängst – Udo Jürgens bedau-ernswert an diesem Saal gescheitert sind,der findet bestätigt, wie vehement sichdie Idee seiner Erbauer behauptet.

Kultur wird gern zu den „weichenStandortfaktoren“ gerechnet. Wo-möglich wird mit dieser Bezeich-

nung einem Missverständnis Vorschubgeleistet; sie ist eben kein Standortfaktor,der weichen muss. Der mdr ging sogarnoch einen Schritt weiter, als er begrün-den ließ, weshalb der Sendername „mdr-Kultur“ in „Figaro“ geändert wurde: DerKultur-Begriff beinhalte einen „Abschre-ckungsfaktor“. Unüberhörbar klingt da-rin „Das Unbehagen in der Kultur“ an,wie Sigmund Freud es 1930 formulierthat. Lassen Sie mich aus seinem Text,zur Vergewisserung, eine kurze und zu-dem eingekürzte Passage zitieren:„Als kulturell anerkennen wir alle Tätig-keiten und Werte, die dem Menschen nüt-zen, indem sie ihm die Erde dienstbarmachen, ihn gegen die Gewalt der Na-turkräfte schützen. [...]Wir anerkennen also die Kulturhöhe ei-nes Landes, wenn wir finden, dass allesin ihm gepflegt und zweckmäßig besorgtwird, was der Ausnützung der Erde durch

den Menschen und dem Schutz desselbenvor den Naturkräften dienlich, also kurzgefaßt: ihm nützlich ist. [...] Als wollten wir unseren zuerst erhobenenAnspruch verleugnen, begrüßen wir esauch als kulturell, wenn wir sehen, dasssich die Sorgfalt der Menschen auchDingen zuwendet, die ganz und gar nichtnützlich sind, eher unnütz erscheinen,z. B. wenn die in einer Stadt als Spiel-plätze und Luftreservoirs notwendigenGartenflächen auch Blumenbeete tragen[...]. Wir merken bald: das Unnütze, des-sen Schätzung wir von der Kultur erwar-ten, ist die Schönheit. [...]Schönheit, Reinlichkeit und Ordnungnehmen offenbar eine besondere Stellungunter den Kulturanforderungen ein. [...]Durch keinen anderen Zug vermeinenwir aber die Kultur besser zu kennzeich-nen als durch die Schätzung und Pflegeder höheren psychischen Tätigkeiten, derintellektuellen, wissenschaftlichen undkünstlerischen Leistungen, der führen-den Rolle, welche den Ideen im Lebender Menschen eingeräumt wird. [...]Als letzten, gewiß nicht unwichtigstenCharakterzug einer Kultur haben wir zuwürdigen, in welcher Weise die Bezie-hungen der Menschen zueinander, diesozialen Beziehungen geregelt sind, dieden Menschen als Nachbarn, als Hilfs-kraft, als Sexualobjekt eines anderen, alsMitglied einer Familie eines Staates be-treffen.“

Gegenwärtig kann nicht über Kul-tur in Leipzig gesprochen undüber olympische Spiele ge-

schwiegen werden. Die Werbeagentur,die das aktuelle Logo entwickelt hat,schreibt in der begleitenden Argumen-tation: „Leipzig entwickelt sich nicht inerster Linie quantitativ, sondern qualita-tiv. Diese Konzentration von Aktivitätentfacht die Flamme. Dadurch wird dieLeidenschaft und Energie sichtbar, diedie Stadt in sich birgt. Die leuchtendeFlamme macht deutlich, welche Wir-kungskraft Leipzig entfalten kann.“ Nunlösen Werbeverheißungen von „DerSozialismus siegt“ bis zu „Come toMarlboro-Country“ vielfach Skepsis aus.Ich gestehe, dass mich die heidnischeErlösungserwartung an die Spielchen umOlymp irritieren. Deutet das im Ge-brauch befindliche Flammenzeichen et-wa auch darauf hin, dass sich allesschließlich in Rauch auflösen wird? Kei-nesfalls sollte die olympische Flammezum Schadenfeuer für die Leipziger Kul-tur werden.„Kinder zum Olymp“ lautete das Mottoeiner Veranstaltung, zu der die Kultur-stiftung der Länder unlängst nach Leip-zig eingeladen hatte. Der Herr Bundes-präsident Johannes Rau äußerte in sei-nem Grußwort den Wunsch, dass „dieVerankerung von Kultur als Pflichtaufga-be auf allen staatlichen Ebenen“ erfolgenmöge. „Im Freistaat Sachsen ist die Kul-turpflege eine Pflichtaufgabe der Gemein-den und Landkreise.“ So steht es geschrie-ben im §2 des Sächsischen Kulturraum-gesetzes vom 20. Januar 1994. Die Bedin-gungen für die Kultur sind in Sachsengewissermaßen beispielgebend. Was zutun ist, müssen die Bürger bestimmen. Ineinem Gespräch in der Pause der Reichs-tagskonzerte des Deutschlandfunks be-kannte der Herr BundestagspräsidentWolfgang Thierse, er vermisse den Auf-schrei der Bürger gegen den augen-blicklich zu beobachtenden Kulturabbau.Vom artikulierten Willen der Bürger ver-spricht er sich Besserung der Situation,denn, so sagte er wörtlich, „die Politikmuss ja tun, was der Bürger verlangt“.

Not undSpiele,

Kultoder

KulturVON BERND WEINKAUF

Die Kulturstadt Leipzig war Gegen-stand des 10. Kulturraumtages derPDS-Landtagsfraktion. In der AltenNikolaischule debattierten am 6.März Prof. Dr. Peter Porsch, GunhildLattmann-Kretschmar und PDS-Stadt-vorsitzender Volker Külow mitKulturschaffenden über Potenzen,Probleme und Perspektiven. Zu denTeilnehmern gehörte auch LeipzigsKulturdezernent Dr. Georg Girardet. Die rege Diskussion bewegte sich vorallem um die Themen Geld und Phan-tasie, Macht und Initiative, um Bedin-gungen und Möglichkeiten für Kultur-einrichtungen und freie Kulturszene,um Sponsoring und Ehrenamt bei lee-ren kommunalen Kassen, um städti-sches Kulturniveau. Wesentliche Impulse gab der Schrift-steller Bernd Weinkauf mit nachste-hendem Beitrag.

Foto: Lippold

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 20044 • POLITIK

Das Waldstraßenviertel istvielen Architekten undGeschichtsinteressierten

weit über Leipzig hinaus einBegriff und gilt als eines derbedeutendsten Flächendenkmaleder europäischen Wohnbauge-schichte zwischen 1832 und1952. Weniger bekannt ist, dasshier bis in die dreißiger Jahredes letzten Jahrhunderts einZentrum des jüdischen Lebensin Leipzig war. Diese langjährigverdrängte Tatsache wird dieserTage durch die Auseinanderset-zung um ein Gebäude ins öffent-liche Bewusstsein zurückgeru-fen, dass in der nach dem inAuschwitz 1942 ermordetenMusikverleger Henri Hinrichsenbenannten Straße liegt. Das ehe-malige Ariowitsch-Haus in derHinrichsenstraße 14 (vormalsAuenstraße) soll seit zwei Jahrenzum jüdischen Begegnungs-zentrum aus- und umgebaut wer-den. Bei dem Gebäude handelt essich um das ehemalige, von derRauchhändlerfamilie Ariowitschim Jahr 1931 gestiftete Sächsi-sche Israelitische Altersheim. Das derzeit leer stehende Haushat eine bewegte Geschichtehinter sich. Im September 1942wurden seine letzten Bewohnerdurch die Nazis nach There-sienstadt deportiert und dortermordet; ein Jahr später zog dieGestapo ein. Nach dem Krieg

wurde das Haus bis Mitte der90er Jahre wieder als Alters-heim genutzt.

Spuren von dumpfemAntisemitismus ...

Im Herbst 2002 begann das vor-erst jüngste Kapitel des vierge-schossigen Baus, als der geplan-te Spatenstich für das von derrasch anwachsenden Gemeindedringend benötigte Begegnungs-zentrum abgesagt wurde. VierAnwohner, offenbar Rechtsan-wälte und Hausbesitzer aus denalten Bundesländern, hattenKlagen eingereicht, deren Be-gründungen deutliche Spurenvon dumpfem Antisemitismusaufwiesen. Der Wert seiner Ei-gentumswohnung werde durchdas neue Zentrum „erheblichherabgesetzt“, schrieb einer.Ihm sei „nicht zuzumuten, dieWohnung zur Wahrnehmungmeiner Vermögensinteressen aneine rechtsradikale Wohngemein-schaft zu vermieten oder aneinen Islamisten zu verkaufen“.Andere führten Sicherheitsgrün-de an oder monierten „Lichtein-

fall“. Erst durch die massiveKritik vom Pfarrer der Thomas-kirche Christian Wolff und einenganzseitigen Artikel im NeuenDeutschland gelangte vor eini-gen Wochen der ebenso skan-dalöse wie peinliche Vorfall ver-stärkt in die Öffentlichkeit. Derbisherige Umgang mit dem Be-gegnungszentrum ist für dieOlympiabewerberstadt nicht nurbeschämend, sondern offenbarteinen Provinzialismus mit ge-

fährlichem politischen Beige-schmack.

... gegen den sichLeipziger wehren

Mittlerweile engagieren sichviele Bürger des Waldstraßen-viertels und darüber hinaus ver-schiedene Initiativen für dasProjekt, das allerdings ein An-liegen der gesamten Stadt wer-den muss. Einen ersten Teiler-folg erzielte die Israelitische Re-

ligionsgemeinde dieser Tage vordem Verwaltungsgericht, als derAntrag der Kläger auf vorläufi-gen Rechtsschutz abgelehntwurde. Noch allerdings sind dieAnwohnerklagen gegen dieBaugenehmigung anhängig; da-mit steht die entgültige juristi-sche Klärung aus. Gerade die Leipziger Stadtrats-parteien sind jetzt gefordert,mehr politische Unterstützungfür das Vorhaben zu leisten, umdie Auseinandersetzung nichtallein den Gerichten zu überlas-sen. Neben der Schaffung vonbaurechtlichen Rahmenbedin-gungen muss das öffentlicheKlima für das Begegnungszen-trum weiter verbessert und müs-sen eindeutige Botschaften auchdirekt an die jüdische Gemeindegesendet werden. Die LeipzigerPDS hat am Samstag auf ihrerStadtdelegiertenkonferenz dazuGelegenheit. Ein vorliegenderInitiativantrag schlägt die Mit-gliedschaft der PDS im För-derverein „Synagoge und Be-gegnungszentrum“ vor.

• VOLKER KÜLOW

Am 7. März wurde auf dem ehemali-gen Sachsenplatz an der Ecke AlteReichsstraße und der neu entstehen-den Böttgergasse ein Neubau alsZweigstelle des StadtgeschichtlichenMuseums mit einem Tag der offenenTür eröffnet. Seit dem Planungsbe-schluss sind weniger als zwei Jahrevergangen. Wobei in dieser Rekord-zeit, was derzeit wahrlich nicht dieRegel ist, auch der Kostenrahmen ein-gehalten wurde.

Mit dem neuen Museumsgebäudehat die Stadt – wegen des gro-ßen fensterlosen Fassadenan-

teils – bewusst an der unattraktivstenEcke mit der Randbebauung um denNeubau des Museums der BildendenKünste begonnen. Auf Vorschlag des Pla-nungsausschusses wurde die Fassade aufden Straßenseiten nicht mit rotfarbigenPlatten, wie am Galeria-Kaufhaus, son-dern mit dem aus der Region stammen-den Rochlitzer Granitporphyr verkleidet.Das passt besser zu vielen historischenGebäuden in der Leipziger Innenstadt.Im Neubau sind neben der Verwaltungzahlreiche Räume für die unterschied-lichsten Sammlungen und eine Werkstattsowie im ersten Obergeschoss ein mu-seumspädagogischer Bereich unterge-bracht. Die Eröffnungsausstellung ist der „Pas-sage“ zur kulturgeschichtlichen Bezie-hung zwischen Frankreich und Sachsen1700–2000 gewidmet. Die rund 300 ge-zeigten Objekte – Bilder, Bekleidung,Geschirr bis hin zu Fotos, Zeitdo-kumenten und Plakaten – dokumentierenvielfältige Beziehungen in Wissenschaft,Kunst, Literatur und Architektur, Mode,Technik und Technologie, auch solche,die man nicht immer vermutet. HöfischeTraditionen, vor allem während der Zeitdes Sonnenkönigs Ludwigs des XIV., be-einflussten das Leben und die Sprache

nicht nur an den Höfen, sondern auch desreichen Bürgertums in den Städten ebensowie die Hugenotten großen Einfluss vorallem auf Kultur und Wissenschaft hatten.Die Besetzung zahlreicher deutscherKleinstaaten durch die Truppen Napoleonsverstärkten dies und brachten erste refor-merische Ansätze. Der deutsche Nationa-lismus mitsamt seinen Eroberungskriegen1870/71 und 1914–18 verhinderte nicht,dass die Kontakte in Wirtschaft, Handel,Kultur und Wissenschaft immer wiederneu entstanden.Die Kommentare an den kistenartigenAusstellungsvitrinen über die Beziehun-gen zwischen Frankreich und der DDRdokumentieren die verleumderischeDenkweise des Kalten Krieges. Sie tra-gen eindeutig „Wessi“-Handschrift. Ob-wohl die Fotos und Exponate sehr viel über

gleichberechtigte Kontakte zwischenFrankreich und der DDR aussagen, wirdbehauptet, dass eine Versöhnung, wie siezwischen der BRD und Frankreich 1963mit dem Elysee-Vertrag zustande kam,durch den Ostblock verhindert wurde.Konsequent verschwiegen wird, dass dieBRD und Frankreich zu Nato und EWGgehörten und die westdeutschen Regie-rungen vor allem unter Adenauer durchihre „Hallstein-Doktrin“ alles unternah-men, um die völkerrechtliche Anerken-nung der DDR zu verhindern. Trotzdemgab es auch in zahlreichen westeuropäi-schen Staaten seit den 60-er Jahren Kon-sulate oder Handelsmissionen. Natürlich sind es nur „wissenschaftlicheAußenseiter“, die nach dem zweiten Welt-krieg Kontakte knüpften. Keine Rede von den zahlreichen französi-

schen Studenten oder Kursen französischerDeutschlehrer in Leipzig, von der ge-geseitigen Unterstützung im Kampf um denErhalt des Friedens. Verschwiegen wird auch, dass in Frank-reich zahlreiche DDR-Bürger für ihrenaktiven Kampf in der französischen Re-sistance hohes Ansehen genossen undbeispielsweise als Ritter oder gar Of-fiziere der Ehrenlegion geehrt wurden. Immerhin konnte man nicht leugnen,dass es bereits in den 50-er und 60-er Jah-ren zu vielen Partnerschaften zwischenStädten Frankreichs und der DDR kam –natürlich nur wegen der „kommunisti-schen“ Bürgermeister. Dabei wird inLeipzigs Partnerstadt Lyon schon seitJahrzehnten die Stadtregierung vorwie-gend von konservativen Parteien gestellt.Übrigens: als nach der Wende eine Leipzi-ger Rathausdelegation in Lyon Verkehrslö-sungen und die europaweit bekanntenIdeen der Stadtbeleuchtung studierte, kames zu keinem einzigen Kontakt im Rat-haus.Zurück ins neue Museum: Ein Mitarbei-ter erzählte nebenbei, aber dennoch voll-er Stolz, dass sich in der Sammlung desMuseums auch die Straßenschilder desKarl-Marx-Platzes befinden. Ich entgeg-nete, dass man sie nur gut aufheben solle,vielleicht würden sie noch einmalgebraucht. Nachdem der Mann seineSprache wieder gefunden hatte, meinteer, dass Gott davor sein möge.Ach ja? Weiß er, dass die Benennung desPlatzes keine Erfindung der „Kommuni-sten“ ist? Bereits in den 20-er Jahrenwurde sie vorgeschlagen, scheiterte aberdamals an der fehlenden Mehrheit.

• SIEGFRIED SCHLEGEL

Altes Denken in neuem Haus?Tag der Offenen Tür im neuen stadtgeschichtlichen Museum

Foto: Märker

Offenbar Rechtsanwälte und Hausbesitzer aus den alten Bundesländern klagen:

Jüdisches Zentrum mindert Wert einer Eigentumswohnung!

Grafik: Hartwig Runge

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 2004 POLITIK • 5

Von ihrer Idee mit den Vertrauens-leuten war sie immer überzeugt.Sie umzusetzen allerdings sei

wirklich mühevoll gewesen. Immerhinmussten dazu Kollegen an knapp 200Schulen persönlich angesprochen und zurMitarbeit ermuntert werden. Der guteOrganisationsgrad – an jeder Schulen gibtes wenigstens ein oder zwei Mitglieder derGewerkschaft Erziehung/Wissenschaft(GEW) – half zwar sehr. Aber was vor dreiJahren begann, ist inzwischen zu einemSystem, zu einem regelrechten Netz ge-worden – und das will jetzt Pflege. Dasheißt, GEW-Vertrauensleute, gleich ob anGrund-, Förder-, Mittel-, oder Berufs-schulen und Gymnasien müssen nicht nurfür die anderen Lehrer sachkundige, oftsogar juristisch sattelfeste Ansprech-partner sein. Sie sollen auch selbst dasGefühl haben, bestens mit Informationenund Material versorgt zu sein, um ihrenKollegen Beistand leisten zu können.Sachsens mitunter sehr kinder-, lehrer-und damit zukunftsfeindliche Schul-politik macht die Sache nicht einfacher.Der Zeitfonds der Lehrer erst recht nicht.Die Leipziger GEW-Frühjahrs- undHerbstklausuren jedenfalls sind ausge-bucht – und also gefragt. Da gibt es dannErläuterungen und Hinweise, was denKollegen den Paragrafen nach zusteht:„Die meisten Gesetze sind doch in einerSprache geschrieben, die von vornhereinVerständnis ausschließen will.“ Auch denArgumenten, mit denen die Schulleitervon oben gespeist werden, muss immerhäufiger ein konsequentes gewerkschaft-liches Veto entgegengesetzt werden. Dasüberbringt Conny Falken auch gernedirekt. Und genießt das prickelndeGefühl, wenn ein Herr Schulleiter baff istvor Staunen, dass es jemand gibt, für dener nicht der Größte ist.„Manchmal habe ich schon Angst vor dereigenen Courage“, sagt Conny Falken.Wer’s glaubt, wird selig. Die Kreisvor-sitzende der GEW in Leipzig (ein Eh-renamt) sagt nämlich gleichzeitig: „Wasich mir vornehme, das schaffe ich.Obwohl ich manchmal anfangs nichtweiß wie. Da muss man dann einfachSchwerpunkte setzen. Das kann ich gut.Keinesfalls meine ich damit, anderenetwas zu diktieren. Da würde in der ehren-amtlichen Arbeit eh nichts laufen. Manmuss motivieren, überzeugen, begründen.Wie gesagt, das kann ich. ”

100 ProzentKollegen-Vertrauen

Ganz genauso empfanden es wohl ihreKollegen von der 13. POS „August Be-bel“, an der Conny Falken die Wendezeitals stellvertretende Schulleiterin erlebte.In den damals üblichen Abstimmungenerhielt sie ein 100-prozentiges Vertrau-ensvotum. Wunderbar. Aber sie zog esdennoch vor, nunmehr das zu tun, was sieeinst in Rostock studiert hatte und was ihram meisten lag: ausschließlich Lehrerinfür die ganz Kleinen zu sein. Sollten ru-hig andere mal an die Chefposten ran.Die Crux war nur, wie sie lachend zugibt,dass es ihr nach kaum zwei Jahren nichtmehr genügte, nur im Beruf erfolgreichzu sein. Vom Typ her sei sie zum Ein-mischen geboren. Es ging dann auchschnell: Der Wahl in den Kreisvorstandihrer Gewerkschaft folgte fast zeitgleichdie in den Personalrat beim Regionalschul-amt. Dort wurde sie stellvertretende Vorsit-zen-de – und ist es bis heute. So ist sieständig auf Achse, immerhin sind 11 000Beschäftigte zu betreuen. Eine Tätigkeit,die sie ausfüllt, „weil es um Menschen, oftauch sehr Verzweifelte, geht, denen sach-kundig Wege gezeigt werden müssen”.

Ein „Full-Time-Job“, der natürlich ohneFreistellung vom Beruf nicht zu schaffenist. Dennoch hat sich Conny Falken ihrenWerkunterricht in einer vierten Klassenicht nehmen lassen: „Ohne Verbindungzum Arbeitsbereich verliert man an Kom-petenz.“ Bei allen Kompromissen, dietäglich zwischen der zu leistenden Arbeitund der zur Verfügung stehenden Zeiteinzugehen sind – an diesen Schulstun-den gibt es keine Abstriche.

100 Prozent geben –das ist normal für sie

Abstriche wird es auch nicht geben, wenndie Parteilose für die PDS in den sächsi-schen Landtag einzieht – sofern sie denn

einen aussichtsreichen Listenplatz erhält.Allerdings, stellvertretende Personalrats-vorsitzende kann sie dann nicht bleiben..Und im Kreisvorstand wird es noch mehrArbeitsteilung geben müssen. „Aber“, soeine schier ungebremst tatenlustige ConnyFalken, „das ist alles zu schaffen. Gesundbin ich außerordentlich und workoholic istfür mich kein Krankheitsbild. Mein Sohnund meine Tochter sind flügge und sehrselbständig. Sie studieren und sind, kurzgesagt, mein Glück. Da ich ja immer vielunterwegs war, akzeptiert mein Mann auchkommende Belastungen. Nein, das ist zusachlich ausgedrückt. Er unterstützt michsehr und ist sogar ein bisschen stolz. Dasalles tut mir gut und macht mich beinahproblemlos belastbar. Und meine Reiselust– ich bin nämlich eine unverbesserlicheReisetante – wird wohl auch künftig Nah-rung bekommen. Auftanken muss sein.“Als zuerst ihre Kollegin Margitta Hollickals stellvertretende Vorsitzende der Leip-ziger PDS-Stadtratsfraktion auf sie zu-kam und dann später Peter Porsch, um sieder Stadt quasi für die PDS-Landeslisteabzuwerben, erkannte Conny Falkenziemlich schnell die Chance, gewerk-schaftliche Positionen schneller dorthinzu bringen, wo sie hinmüssen, zum Ge-setzgeber. Nein, nicht, dass ihr sofort klargewesen wäre, wie das im Einzelnen ge-schehen kann. Eher befürchtete sie noch,

ein Engagement im Landtag, in das siesich selbstverständlich voll stürzen wür-de, könnte anderes, schwer Erarbeitetesin den Hintergrund drängen. Bedenken,die in Gesprächen inzwischen ausge-räumt sind. Wie von ihr erhofft, werdensich viele günstige Verknüpfungspunktezwischen Partei und Gewerkschaft erge-ben. Von denen natürlich auch die PDSprofitiert.

Nur PDS-Unterstützungwar immer total

Nun doch eine etwas stillere Conny Fal-ken: „Eventuell empfindet das jemand alsaufgesetzt. Aber mir ist es wichtig. In vie-len Gesprächen werde ich, seit meine be-

absichtigte PDS-Kandidatur bekannt ist,gefragt, ob ich auch für eine andere Parteikandidieren würde. Darauf habe ich alsAntwort nur ein klares Nein.“Das hat mit den Erfahrungen zu tun, diedie Gewerkschafterin mit den demokra-tischen Sozialisten in Stadt und Landsammelte. Ob es die ausschließlich vomRotstift diktierten Schulschließungen oderandere Einsparungen betraf, Unterstützungfand Conny Falken nur bei der PDS. Ob-wohl, wie sie hinzufügt, sie sich als GEW-Frau immer neutral verhalten und sichebenso an andere Parteien gewandt habe.Andererseits habe sie sich natürlich ge-fragt, wie an den Schulen auf diese Kan-didatur reagiert wird. So selbstverständ-lich dieser Schritt sich in Conny FalkensBiografie einfügt, weiß sie natürlich umbegründete Berührungsängste von Staats-bediensteten, für die ein Maulkorb trotzalledem noch das geringste ihrer existen-tiellen Probleme ist. Umso überraschterund glücklicher ist sie über den allgemei-nen Zuspruch und die Unterstützung:„Das zeigt mir aber auch, welchen Stel-lenwert als kompetente und zuverlässigePartnerin sich die PDS erworben hat.”

Freistaat will Neueszum Nulltarif

Politische Kompetenz und Konsequenzwird künftig mehr denn je vonnöten sein.

Die Schulschließungen, die einer absolu-tistisch agierenden CDU-Regierungkaum abzugewöhnen sind, gehen weiter.Da gibt es immerhin öffentlichen Protestund Teilerfolge. Anderes drang noch kaumin die Öffentlichkeit, ist aber aus gutemGrund besonderer Schwerpunkt für dieGEW in Sachsen. Es geht wieder um die zu100 Prozent von den gravierendenTeilzeitverträgen betroffenen Grundschul-lehrer. Wobei in die 57 Prozent Arbeitszeitzusätzlich manches an pädagogischerArbeit fällt, was nicht aufzuteilen ist, alsodennoch voll geleistet werden muss. Lediglich mehr Lehrer einzustellen, wärefür den Kultusminister rechnerisch ge-wiss günstiger, die GEW jedoch dringt

darauf, den Zeitfonds vertraglich gesi-chert wieder zu erhöhen. Das ist nicht nur aus rententechnischenGründen unumgänglich, sondern auch,weil das neue Schulgesetz vorsieht, dassalle angemeldeten Kinder auch einge-schult werden müssen. Zurückstellungengibt es nur noch bei schwerwiegendengesundheitlichen Gründen. Das heißt, injeder Klasse, die nach wie vor nur einenLehrer haben wird, sind 28 Kinder imAlter zwischen fünf und sieben Jahren,also unterschiedlichster Entwicklungs-stufen, zu unterrichten. Um das auszu-gleichen, hat der Freistatt in seiner uner-gründlichen Großzügigkeit zwei zusätzli-che Förderstunden eingeplant. Bedenktman, dass dazu noch die – wie einst in derDDR übliche – Vorschulbildung fehlt,fragt sich schon, wie das ein einziger teil-zeitbeschäftigter Lehrer packen soll! Und natürlich werden viele Eltern jetztihre Fünfjährigen in die Schule schicken.Schließlich kostet die im Unterschiedzum teuren Kindergartenplatz nichts. –Und das alles will Sachsen zum Null-Tarif. Ist es da nicht nachvollziehbar, dasseine engagierte Gewerkschafterin undLehrerin wie Conny Falken mit allenFasern ihres Herzens in der Politik eineStimme haben möchte? Und auch haben sollte!

• MAXI WARTELSTEINER

Sächsisch kann sie nicht ...... die im „hohen Norden“ geborene Conny Falken – aber sich einmischen,

vor allem wenn es um soziale Gerechtigkeit und eine Schule mit Zukunft geht

CORNELIA, GENANNTCONNY, FALKEN, partei-los, geboren 1956 aufUsedom, bewirbt sich füreinen Sitz in der PDS-Landtagsfraktion.Die in Rostock ausgebil-dete Grundschul-lehrerin kam 1977 nachLeipzig. Seit 1977 ist sieauch verheiratet, hateinen Sohn und eineTochter, beide studieren. Ihre erste Arbeitsstelle inLeipzig war die Coppy-POS, wo sie stellvertre-tende Schulleiterinwurde. In dieser Funktionging sie 1986 an dieAugust-Bebel-POS.Sie ist seit Jahren GEW-Kreisvorsitzende undstellvertetendePersonalrats-vorsitzende beimOberschulamt.

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 20046 • POLITIK

Bei Alten undBehinderten gespartLN. Dem beschönigenden Jah-resbericht der Regierung zur La-ge Älterer und Behinderter hatMdL Jürgen Dürrschmidt (PDS)gravierende Mängel entgegenge-halten. Er verwies auf das mis-slungene, weil inhaltsleere undfolgenlose Integrationsgesetz,auf Defizite im Bereich Wohn-stätten für Behinderte und aufdie seit Jahren ungelösten Pro-bleme der Finanzierung desWohlfahrtsverbandes. Von einererfolgreichen Alten- und Behin-dertenpolitik könne keine Redesein. Alte und Behinderte dürf-ten nicht das Sparschwein einerverfehlten Sozialpolitik sein.

Studiengebührenfür Ausländer?

LN. Wie der Vorsitzende derPDS-Landtagsfraktion, Prof.Porsch, erfahren hat, plant dieRegierung, in Sachsen für aus-ländische Studierende Studien-gebühren einzuführen. Daswürde vor allem viele Studen-tinnen und Studenten aus Polenund Tschechien treffen, die inGörlitz und Zittau studieren –„ein völlig kontraproduktiverBeitrag aus dem Wissenschafts-ministerium zur EU-Erweite-rung“, so Porsch. Zudem werdein einer Studie der TU Dresdennach mehr Ausländern gerufen,um dem Akademikermangelabzuhelfen.

Welcher Luther? Wenn in den Prüfungen anGymnasien und Mittelschulenim Fach Geschichte nach derReformation und Martin Lu-thers Wirken in Sachsen ge-fragt wird, ist das wohl kaummitteilenswert oder gar aufre-gend. Wenn aber kurz nachErlass eines neuen sächsi-schen Schulgesetzes mit Mis-sionierungsanspruch undnach heftigen Protesten dage-gen der Wissenschaftsminis-ter und der Staatssekretär imKultusministerium sich dafürstark machen, dass diesesThema ab 2005 zum Prü-fungsschwerpunkt aufrücke,muss man schon hellhörigwerden.Denn man darf wohl anneh-men, dass nicht nur jener Lu-ther gemeint ist, der gegen diepäpstlichen Dogmen und kle-rikale Geschäftemacherei re-bellierte, sondern jener Lu-ther, der die gegen feudaleWillkür rebellierenden Bauernverteufelte. Jener Luther, derin der Schrift „Von weltlicherObrigkeit“ mahnt: „Aufs erstemüssen wir das weltlicheRecht und Schwert wohl grün-den, damit nicht Jemand da-ran zweifle, es sei von GottesWillen und Ordnung in derWelt.“ Jener Luther, der diesächsischen Fürsten in einemBriefe auffordert, drohendemAufruhr des „Pöbels“ zuvorzu-kommen.Und jene Reformation wohl istgemeint, die die Macht derFürsten, der Herrschendenstärkte und die die Untertanenim Zaume hielt. • G. LIPPOLD

2. MärzDresden. Die vom Justizministerium neugegründete Gruppe von Korruptions-fahndern hat bereits 26 Fälle zu bearbei-ten. Weitere 20 kommen von der Staats-anwaltschaft Dresden hinzu.Dresden. In den 36 Gerichten Sachsenssoll die Mitarbeiterzahl bis 2008 um mehrals 100 verringert werden, obwohl dieStellen nur zu 91 Prozent besetzt sind.3. MärzDresden. Als Konsequenz aus derDienstwagenaffäre bei der LandesbankSachsen will Finanzminister Metz eineObergrenze für die Anschaffung vonPkw in staatlichen Einrichtungen festle-gen. Die Anschaffung eines 140 000 Euroteuren Wagens durch LB-Chef Weiss seirechtlich nicht zu beanstanden.5. MärzBerlin / Leipzig. Nach Angaben derGewerkschaft Transnet will die DeutscheBahn AG im Zuge der Streichung von1000 Stellen im Service-Bereich inSachsen sechs Fahrkartenverkaufsstellenschließen.

Kamenz. Wie das Statistische Landes-amt mitteilt, hat Sachsen die Besucher-flaute nach der Hochwasserflut des Jah-res 2002 überstanden. Mit 5,13 Milli-onen Gästen im Vorjahr wurde der Standvon 2001 fast wieder erreicht.Berlin / Leipzig. Minister Stolpe weistInformationen über einen Baustopp beider ICE-Strecke Nürnberg–Leipzig alsGerücht zurück. Die „Süddeutsche Zeit-ung“ hatte sich auf interne Streichlistender Bahn berufen.6. MärzDresden. Die CDU wählt ihre 107 Kan-didaten für die Landtagswahl. Minister-präsident Milbradt wurde mit rund 93Prozent der Stimmen auf Platz 1 derListe gesetzt, gefolgt von FraktionschefHähle und Sozialministerin Orosz.

8. MärzDöbeln. Die Süßwarenmanufaktur GötzGmbH ist zahlungsunfähig, ein Insol-venzverfahren wird eröffnet. Den 50 Mit-arbeitern in Döbeln und weiteren ananderen Standorten wird gekündigt.Dresden. Die vom Hochwasser 2002stark beschädigten Sarkophage sächsi-scher Könige und Kurfürsten werdennach der Restaurierung dem künftigenChef des Hauses Wettin, Prinz Alexan-der, in der Hofkirche übergeben.Heuersdorf. Landrätin Köpping unter-breitet auf einer EinwohnerversammlungPläne für die Neuerrichtung des Ortes,das nach dem Willen der MitteldeutschenBraunkohlengesellschaft dem TagebauSchleenhain weichen soll. Das Dorf sollbei Regis-Breitingen in seiner jetzigen

Form neu errichtet werden. 10. MärzGörlitz. Ein unbekannter Spender hatder Stadt – wie seit 1995 – die sogenann-te Altstadt-Million (511 500 Euro) über-wiesen. Ein Kuratorium entscheidet überdie Verwendung des Geldes. 61 Anträgemit einem Volumen von 1,3 MillionenEuro liegen vor.11. MärzLeipzig. Nach Aussage der DeutschenGesellschaft für Immobilienfonds sta-gniert der Leipziger Büro-Immobili-enmarkt weiterhin auf niedrigem Niveau.Die Situation – gegenwärtig 76 000 Qua-dratmeter leerstehender Fläche, 23,2Prozent des Gesamtbestandes – würdesich auch mit einer erfolgreichen Olym-pia-Bewerbung nicht nachhaltig ändern.12. MärzDresden. Gegen den früheren Olympia-Staatssekretär Köhler (CDU) erhebt derSPD-Landtagsabgeordnete Nolle neueKorruptions-Vorwürfe im Zusammen-hang mit dem Auftreten Muhammad Alisin Riesa und erstattet Anzeige.

SSACHSENACHSEN-C-CHRONIKHRONIK2. bis 15. März

LN. Die von InnenministerRasch vorgestellte Kriminali-tätsstatistik Sachsens für 2003zeigt eine leicht steigende Ten-denz bei bei schwerer und ge-fährlicher Körperversetzung.Gestiegen sind auch Drogende-likte und die mit dem Drogen-konsum verbundene Beschaf-fungskriminalität. Zugenom-men haben auch extrem sozial-schädliche Straftaten der Wirt-schafts-, Umwelt- und Compu-terkriminalität. Sie sind nach

Auffassung von MdL SteffenTippach (PDS) ein Beleg dafür,dass in der sächsischen In-nenpolitik die Prioritäten falschgesetzt werden. Die Kriminal-statistik zeige die Hilflosigkeitder CDU-Regierung bei derHerausforderung, Kriminalitäternsthaft und dauerhaft, beiihren Ursachen beginnend, zubekämpfen. Die scharfmacheri-sche Innenpolitik der CDU mitihren ständigen unsinnigen Ge-setzesverschärfungen sei ge-

scheitert. Der Innenministerprahle mit einer hohen Auf-klärungsquote, die auf statisti-schen Tricks beruhe. Da zumBeispiel beim Delikt Schwarz-fahren die Zahl der Täter iden-tisch mit der Zahl der aufgeklär-ten Straftaten ist, liege hier dieAufklärungsquote zwangsläufigbei 100 Prozent und der Anstiegder Fälle in dieser Deliktgruppeum 77 Prozent habe somit auchdie Aufklärungsquote entschei-dend verbessert.

Die Arbeitsagen-tur Leipzig mel-dete für Ende Fe-bruar einen Be-stand von 76 294Arbeitslosen fürihren Bezirk. Das sind 1165mehr als im Januar, aber 2300weniger als vor einem Jahr. Al-lerdings ist der letztere Ver-gleich wegen Statistikänderun-gen nicht mehr real.Bemerkenswert ist der seit mehrals einem Jahr rückläufige Be-stand an freien Stellen. Im Fe-bruar 2003 betrug er noch über3900, im vergangenen Monatjedoch nur noch rund 1700. Sokommen heute 44 Arbeitsloseauf eine freie Stelle. Agentur-Chef Dr. Meyer nannte als Ur-sachen den geringen Zuwachsan freien Stellen und die schnel-lere Vermittlung, räumte aberauch höheren Druck auf dieArbeitslosen ein, eine beliebigeStelle anzunehmen. Die festgefahrene Situation ver-deutlicht auch das unablässigeWachstum der Anzahl der Lang-zeitarbeitslosen. Im Februar2003 waren es noch knapp29 000, im vergangenen Monatschon über 31 500. Damit zeich-net sich ab, dass im nächstenJahr ein wachsender Personen-kreis von den Kürzungen derEntgelte nach Hartz-IV-Gesetzbetroffen sein wird. Der seit langem sichtbare Rück-gang bei ABM- und bei Weiter-bildungsstellen setzte sich auchim Februar fort.In Sachsen insgesamt gab esEnde Februar mit 423 627 Ar-beitslosen rund 8500 mehr alsEnde Januar, aber offiziell knapp22 000 weniger als vor Jahres-frist. Sachsens Arbeitsdirekti-onschef, Karl-Peter Fuß, gab sichoptimistisch: Im Frühjahr werdedie Arbeitslosigkeit wieder sin-ken. Wie wahr! Das geschieht je-des Jahr. • GÜNTER LIPPOLD

Leipziger und sächsischerArbeitsmarkt im Februar

Freie Stellenimmer knapper

LN. Während seit Wochen un-ausgeräumte Vorwürfe gegenLandespolizeipräsident Eber-hard Pilz sowie andere Verant-wortliche seiner Behörde sowiedes Innenministerium kursierenund SPD-Fraktionschef Jurk dieEntlassung von Pilz forderte,hat der Staatssekretär im Innen-minsterium, Antoni, eine Sus-pendierung strikt abgelehnt unddie Vorwürfe – persönliche Ver-fehlungen, unangemeldete Ne-bentätigkeit, Dienstwagen-

missbrauch – als Banalitätenbezeichnet. Berichtet wird auch über inner-behördliche Machtkämpfe.Der innenpolitische Sprecherder PDS-Landtagsfraktion, Stef-fen Tippach, erklärte dazu, diemassiven Vorwürfe von Amts-missbrauch und Korruption ge-gen das Innenministerium undleitende Angehörige der sächsi-schen Polizei verunsichertenBürger und Polizei und gefähr-deten die öffentliche Sicherheit.

Da die Regierung offensichtlichselbst nicht in der Lage sei,Transparenz, Handlungsfähig-keit und Rechtsklarheit herzu-stellen, müsse sie im Interesseder Bürgerinnen und Bürgervom Parlament dazu gezwun-gen werden. Deshalb verlangedie PDS eine schnellstmöglicheSondersitzung des Innenaus-schusses, an der u. a. Innenmi-nister Rasch, Staatssekretär An-toni, Polizeipräsident Pilz undandere teilnehmen.

Innenminister mit statistischen Tricks

Sachsens „Auge des Gesetzes“unter Amtsmissbrauchs-Verdacht

PDS: Landtag sollCastor stoppen

LN. Zum geplanten Castor-Transport von Rossendorf nachAhaus in Nordrhein-Westfalenerklärte Dr. André Hahn, Parla-mentarische Geschäftsführer derPDS-Landtagsfraktion, er seizum jetzigen Zeitpunkt poli-tisch, ökologisch und finanziellunverantwortlich. Die Castorensollten erst dann transportiertwerden, wenn es ein genehmig-tes Endlager gibt oder die dau-erhafte Lagerung von Atommüllbundesweit verbindlich geregeltist. Über einen entsprechendenAntrag der PDS-Fraktion sollder Landtag am 19. März bera-ten und entscheiden.

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 2004 POLITIK • 7

Ausgerechnet am 1. Mai!

Worchs„Durchbruchs-

schlacht“LN. Wie gemeldet, kündigtender Hamburger Neonazi Chris-tian Worch und seine „FreienKameradschaften“ ausgerechnetfür den 1. Mai ihren erneutenÜberfall auf Leipzig an. Diesmalsoll es die „Durchbruchs-schlacht“ sein. Am 1. Mai 2004wollen die Neonazis und Rechts-extremisten in Leipzig „dieOffensivkraft und Ideenfaszi-nation des deutschen Nationalis-mus“ voll zum Einsatz bringen.Sie glauben, dass es in unsererStadt, in der „sich die sozialenProbleme wie in einem Brenn-glas bündeln“, möglich sei,„aus der Isoliertheit nationalerDemonstrationen und Kund-gebungen auszubrechen“. Umdafür den Boden zu bereiten,wollen sie bereits im Vorfelddes 1. Mai „einen an Intensitätzunehmenden Trommelwirbelvon Propagandaaktivitäten“entfachen. „Aktionsgruppennationaler Aktivisten“ werdendas „Stadtgebiet mit Hundert-tausenden von Flugblätternbedienen“.Winfried Helbig vom Bünd-nisss „Leipziger Freiheit gegenbraune Gewalt“ ruft alle Leip-ziger auf, keinen Zweifel dar-über aufkommen zu lassen,dass die Bürgerinnen und Bür-ger nach wie vor entschlossensind, friedlich und solidarischfür die Verteidigung und Si-cherung der freiheitlichen unddemokratischen Grundwerteaktiv einzutreten. Den Nazis entgegentreten, Ge-sicht zeigen gegen die brauneFlut, das muss die Losung desTages ein. Der 1. Mai gehörtden Arbeitenden, den Ausge-grenzten und Unterdrückten inihrem Kampf für soziale Ge-rechtigkeit, für Frieden undSolidarität. In diesem Jahr, indem die Agenda 2010 ihrfeindliches Wesen voll offen-bart, ist es um so wichtiger, mitoffenem Visier zu kämpfen undder Demagogie nazistischerParolen entgegenzutreten

Das Friedenszentrum Leipzig e.V. nimmtseit Jahren am Dresdner Friedenssymposi-um teil, das die „Sächsische Friedensinitia-tive” – in einer gemeinsamen Trägerschaftunter anderem mit der AG Offene KircheDresden, Ausländerrat, DGB Kreis Dresden,der IPPNW (Ärzte in sozialer Verantwor-tung) und der Rosa-Luxemburg-StiftungSachsen – zum mahnenden Gedenken an dieBombardierung ihrer Stadt im Februar 1945veranstaltet. In diesem Jahr wurde über dasThema „Gibt es in der Frage Krieg undFrieden noch den ,Westen‘?“ diskutiert, sozum Beispiel über das Kräfteverhältnis unddie Interessendifferenzen zwischen den G-8-Staaten, in der NATO und in der UN oderüber die unterschiedlichen geostrategischen,politischen, militärischen, rechtlichen undkulturellen Aspekte in der Haltung des Wes-

tens zum Krieg.Der konkrete Erfahrungsaustausch brachteneue Kontakte und Anregungen. Besondersbeeindruckend berichtete Mechthild Tschiers-ky von der Eisenhüttenstädter Friedensini-tiative (EFI). Sie selbst hatte in einem BriefKanzler Schröder mitgeteilt, was sie ihmschon immer mal sagen wollte: Beispielswei-se: „Was die Menschen Ihnen anlasten, ist we-nig geeignet für eine positive Inschrift. DochSie sind der Kanzler und haben die Möglich-keit, eigene Fehler zu korrigieren und IhreWähler zurückzugewinnen. Oder ist Ihnen un-terdessen der Beifall der Großunternehmerwichtiger? Dann allerdings wäre mein Schrei-ben vergebliche Mühe. So bitte ich Sie, neh-men Sie diese sogenannte Gesundheitsreformzurück, dezimieren Sie die Krankenkassen aufeine Handvoll, so sparen wir Kosten. Wider-

rufen Sie die Steuergeschenke an die Groß-unternehmer, die würden nicht Schaden neh-men dadurch ... Sorgen Sie für die Verkürzungder Wochen- und Lebensarbeitszeit, so wirdArbeit für alle. Unsere Gesellschaft krankt daran, das sie aufSteigerung von materieller Produktion ausge-richtet ist. ... Irgendwann ist das Zeug nichtmehr an den Mann zu bringen, irgendwannsind die Rohstoffe alle. ... Geistige Güter soll-ten wir produzieren, Ökotechnologien, Medi-kamente, Patente ohne Zahl in friedlicheRichtung. Hilfe für die hungernden Völker,dass sie sich selber ernähren lernen. ... Dasschafft Arbeit. Aber dazu brauchen wirVerstand. In die Bildung müssen die Gelderfließen als Investition in die Zukunft. Sie, HerrBundeskanzler, können es richten.“

• C. H.

Dresdner Friedenssymposium

Friedliche Zukunftsinvestionen braucht die Menschheit

Fürst Otto von Bismarck wollte sich imFalle eines Weltuntergangs in die

nördliche Landesregion begeben, da dortalles 100 Jahre später komme. Indes kön-nen heutige Fachleute glaubhaft nachwei-sen, dass die negativen Folgen falscherRegierungsentscheidungen im Nordengenauso schnell einschlagen wieim Süden, Osten oder Westen. Das beieskürzlich auch die 13. Jahreshauptver-sammlung der Kreishandwerkschaft Nord-vorpommern-Stralsund einschließlichRügen.„Das Maß ist voll, es reicht!“, meinte derHandwerkerchef und fragte: „Haben esdie Politiker der BRD darauf angelegt,das deutsche Handwerk als wesentliche

Säule der Wirtschaft abzuschaffen?“ Hauptaussagen des Disputs waren, dasskeine der Reformen und Gesetze die La-ge verbesserten, dafür im Gegenteilgeeignet seien, bestehende Strukturen zuschwächen und vorhandene Arbeitsplätzezu gefährden. Gescheitert sei auch eineProjektgruppe gegen Schwarzarbeit. Der Landrat als Gastredner musste ein„Minuswachstum“ – welch gewagteWortkombination – für Mecklenburg-Vorpommern zugeben. Trotzdem hofft er,dass die Reformen sich positiv auf dieRegion auswirken.Es dürfte also feststehen, dass der Haupt-feind der Handwerker dort und für ganzOstdeutschland nicht am Hindukusch im

Gebüsch hockt, sondern in Berlin sitzt.Auch wenn das so auf der Handwerker-versammlung nicht gesagt wurde. Hierzulande gehen jeden Monat mehrBetriebe unverschuldet pleite als in derDDR in all den 40 Jahren. Ein weiterer scharfer Protest gelangte inForm eines Offenen Briefes der Fach-hochschule Stralsund in die Presse. DerenLeitung bezeichnete die Landeshoch-schulpolitik als jahrelangen planlosenRaubbau am Hochschulsystem – betrie-ben durch das Landeshochschulgesetz,durch blinde Finanz- und Ste-llenkür-zungen und den Bruch geschlossenerVereinbarungen. Die Schule betreue stattplanmäßig 1800 Studenten derzeit 3000,

habe 50 Prozent höhere Anfängerzahlenund werde trotzdem mit Haushaltsperreund „betriebsbedingten Kündigungen“unter Druck gesetzt. Die Folgen desRasenmäherprinzips überschritten dieSchmerzgrenze.Beide Beispiele stehen dafür, dass dieOstseewellen der Wirtschafts- und Fi-nanzkrise den Bürgern wie der rot-rotenLandesregierung bis zur Nase gestiegensind. Stotterwirtschaft samt Finanz-kriminalität spült zu wenig Geld in dieKassen und macht auch die SchwerinerRegierung zur Mangelverwaltungszen-trale.

• JOACHIM SPITZNER

Nun hat Mecklenburg-Vorpommern aufgeholt BBlliicckk üübbeerr SSaacchhsseennss GGrreennzzeenn

Vor fünf Jahren, am 24. März1999, kamen im Schutze derNacht die ersten NATO-Bombervon Italien aus über die Adrianach Jugoslawien. Später ludensie ihre Tod bringende Last auchtagsüber ab. Manchmal einfachso, wie in Varvarin, ohne jeglichemilitärische Notwendigkeit – diees in diesem völkerrechtswidri-gen Krieg allerdings sowiesonicht gab. Gabriele Senft, Berliner Fotokor-respondentin, hat in Fotos undGesprächen das Leid der Varva-riner – eine von der NATO ge-schaffene humanitäre Katastrop-he – festgehalten und kämpft seit-her mit ihnen, dass so etwas niewieder geschieht.Am 13. März war sie mit Vesnja,Sanjas Mutter, zur Eröffnung derVarvarin-Ausstellung in Leipzig.Sanja lebt nicht mehr. Ihr jungerKörper wurde am 30. Mai 1999zerfetzt. Zehn Menschenleben hatder sinnlose Raketenangriff aufeine kleine Brücke ohne jeglichemilitärische Bedeutung gekostet.30 Menschen wurden verletzt, 17so schwer, dass sie auf immerkörperlich behindert sein werden. Die Opfer von Varvarin und ihreAngehörigen haben die Bundes-regierung auf Schadenersatz ver-klagt. Finanzielle Wiedergut-

machung muss sein. Vor allemaber geht es um das Recht aufLeben, auf Unversehrtheit. Das Bonner Landgericht hattemit seinem Urteil vom Januardieses Jahres die Chance, einZeichen für das unantastbareMenschenrecht auf Leben zu set-zen. Es hatte die Möglichkeit, dieRegierung in die Schranken zuweisen, die behauptete, sie seinicht verantwortlich für den be-dauerlichen Vorfall in Varvarin.Aber der Kosovo-Krieg war nurmöglich, weil er in der NATO-Allianz einstimmig beschlossenwurde. Ohne eine deutsche Zu-stimmung wäre der Krieg nichtführbar gewesen. Ohne Schar-pings Erfindungen über serbischeGräueltaten und Kriegspläne erstrecht nicht. Zudem – warenDeutschlands Oberkrieger nichtimmer stolz, an der Zielplanungfür die Einsätze teilgenommen zuhaben? Deutsche Tornados klär-ten die Luftangriffe auf und si-cherten die Bomber. Das Bonner Landgericht schertesich stattdessen einen feuchtenKehricht um das Vertrauen derOpfer von Varvarin in die deut-sche Rechtsstaatlichkeit. Es be-hauptete allen Ernstes, bewaffne-te Auseinandersetzungen seiennach wie vor ein völkerrechtli-

cher Ausnahmezustand, der dieim Frieden geltende Rechtsord-nung weitgehend supendiere.Allen Ernstes wurde behauptet,dies sei die unveränderte Rechts-lage seit der Zeit vor dem Zwei-ten Weltkrieg. Wozu gibt es Menschenrechts-konventionen, wenn sie für deut-sche Richter das Papier nicht wertsind, auf das sie gedruckt wur-den? Was in Varvarin undDutzenden anderen jugoslawi-schen Orten im Krieg von 1999geschah, war Mord. Von Kriegs-handlungen konnte in Varvarinkeine Rede sein.

So genannte kriegsbedingte Tö-tungen nimmt das nach 1945 sehrwohl neu geschriebene Völker-recht nur hin, wenn die Todesfälleauf rechtmäßige Kriegshandlun-gen zurückzuführen sind.Deutschland, in dem die Opfervon Varvarin mit einer Rechts-sprechung aus der Zeit von vor1945 verhöhnt werden, will an-deren Staaten das Völkerrechtlehren! Gabriele Senfts Arbeit motiviertzum Protest gegen die Yankeeart,die Welt zu terrorisieren.

• M. WARTELSTEINER

Zur Ausstellungseröffnung war die Bildjournalistin Gabriele Senft (vornrechts) zusammen mit Vesnja Milenkovic gekommen, deren Tochter San-ja das jüngste Opfer des NATO-Angriffs auf Varvarin war. Foto. Märker

Ausstellung über einenNATO-Mord

Die Brücke von VarvarinBilder und Dokumente von GABRIELE SENFT – zusehen im Leipziger Stadtteilzentrum Straße des18. Oktober 10a. Am 1. April, 19 Uhr, liest dieFotokorrespondentin aus ihrem Buch.

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 20048 • FEUILLETON

Die Rosa-Luxemburg-StiftungSachsen hat sich seit jeher als einOrt für Kunst und Kultur verstan-

den. Seit ihrer Gründung 1991 hat siesich bemüht, einem kulturellen Anspruchgerecht zu werden, der über die Ta-ges-politik hinaus Politik mit Wissenschaft,Kunst und Kultur zusammendenkt.Die wechselnden Standorte der Stiftung

waren immer auch Orte der kulturell-künstlerischen Kommunikation. Ihrekünstlerische Grundgestaltung in vielfäl-tigen Variationen verdankt die Stiftungmaßgeblich Hans Rossmanit. Noch bevores ihr im heutigen Domizil in derHarkortstraße 10 möglich wurde, wech-selnde Ausstellungen zu gestalten, ver-fügte sie gleichsam über eine ständigeHans-Rossmanit-Ausstellung.Am 3. März konnte eine neue Aus-stellung eröffnet werden. Die Stadtbilderund Landschaften des ambitioniertenFreizeitmalers und gelernten Literatur-wissenschaftlers Prof. Willi Beitz sind bisEnde März im stilvollen Ambiente desErkerzimmers der Stiftung zu sehen.Es ist dies die dritte Ausstellung derStiftung. Und es ist die zweite Aus-stellung eines ihrer Vereinsfreunde. DieLeser von Leipzigs Neue erinnern sich:Der junge Schweizer Maler Alex Bär,Absolvent der Leipziger Hochschule fürGrafik und Buchkunst und Mitglied derStiftung, hatte 2002 in den Räumen derStiftung sein Diplom bei Prof. Arno Rinkverteidigt und im Anschluss hier seineerste große Personalausstellung eröffnet.Auf Anregung und mit Unterstützung derStiftung bewarb sich Bär um einStipendium bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin und konnte an derHochschule für Kunst und Design BurgGiebichenstein (Halle) ein Aufbau-studium aufnehmen. Am 2. März eröffne-te die renommierte Galerie Marktschlöss-chen Halle eine Ausstellung von Alex BärMensch im Bild, in der neben bemerkens-werten Ergebnissen der jüngstenSchaffensperiode auch großformatigeGemälde wie Der Betrachter oder

Kollateralschaden II zu sehen sind, diedem Besucher der Stiftung aus seiner hie-sigen Ausstellung und seitdem alsLeihgaben bis Ende des vergangenenMonats vertraut sind. Die Stiftung steuer-te zudem ihrerseits der Hallenser Aus-stellung ein Gemälde von Bär alsLeihgabe aus ihrem Eigentum bei. DieStiftung ist so in diesem Monat auf zweiAusstellungen präsent.Der Wechsel von den Leinwänden, ge-füllt mit großen schweren Körpern, mitsinnlichen Akten, mit expressiven Meta-phern zu Zeitereignissen, zu den subtilen,stillen Aquarellen und Akrylgemäldenvon Willi Beitz ist extrem, hat aber viel-leicht gerade deshalb seinen eigenenReiz. In ihrer zurückgenommenen Stille,die nicht mit Beschaulichkeit zu ver-wechseln ist, gewähren die Bilder vonBeitz dem Betrachter einen neuen Blickauf Vertrautes, führen ihn auf sich selbstzurück und eröffnen ihm dadurch neue

Horizonte. Als in der ersten Ausstellung in derHarkortstraße 10 im Jahr 2000 dieSkulpturen und Zeichnungen eines derAltmeister der Leipziger bildendenKunst, Gerhard Kurt Müller, die Räumeder Stiftung veränderten und Bestandteiljeder der zahlreichen Veranstaltungenwurden, war deutlicher denn je gewor-den: Der Anspruch der Stiftung seit ihrerGründung 1991, als Ort der politischenBildung gleichzeitig ein Ort der Kunstund Kultur zu sein, ist für Stiftungszweckund Selbstverständnis unverzichtbar.Die Ausstellung von Willi Beitz steht soin einer Tradition, die durch die Stiftungseit 13 Jahren unter sich veränderndenBedingungen gepflegt und weiterent-wickelt wurde. Die Resonanz, die auchdiese Ausstellung schon bei ihrerVernissage fand, ermutigt, den beschritte-nen Weg weiterzugehen.

• K. K.

Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen:

Ein Ort für Kunst und Kultur

Links: Eine der amüsantenInstallationen von Hans RossmanitRechts: Aquarell von Willi Beitz

Fotos: Märker

Der bekannte Arzt und Humanist Prof.Dr. Dr. Günther begleitete im Oktober2003 eine Lieferung von Hilfsgüterndes „Gelben Kreuzes“ in den Irak.Über die Eindrücke dieser Reise, dieihn zu Kinderkliniken in Bagdad,Basra und an die Grenze zu Kuweitführte, berichtete er in einerGastvorlesung vor Studenten desInstituts für Tropenmedizin derUniversität Leipzig und auch vorLeipziger Schülern.

In den Kinderkliniken hat sich die Si-tua-tion seit seinem letzten Aufenthalt drama-tisch verschlechtert. Die Zahl der Leu-kämiefälle ist stark angestiegen, wasoffensichtlich auf den hemmungslosenEinsatz von DU-Munition (mit abgerei-chertem Uran) auch in dicht besiedeltenGebieten zurückzuführen ist. Allein aufdas im Zentrum Bagdads gelegene Pla-nungs-Ministerium wurden nach offiziel-len Angaben 300 000 DU-Geschosse ab-gefeuert. Dass von den Folgen des DU-Einsatzes nicht nur die Zivilbevölkerung,sondern auch die Besatzungsarmee betrof-

fen ist, folgt aus offiziellen Berichten,nach denen von 6000 zurückgeführtenUS-Soldaten nur 1400 reguläre Verwun-dungen aufwiesen, während 4600 an„unbekannten Krankheiten“ litten. Für die zumeist armen Menschen hat sichder Lebensstandard weiter verschlechtert.Gab es vor dem Krieg rationierte Le-bens-mittel zu erschwinglichen Preisen, wobeidie Monatsration meist nur einen halbenMonat reichte, so sind sie jetzt nur aufdem „freien Markt“ zu haben; die Lädensind voll mit Waren, aber nur wenige kön-nen sie kaufen.Eine ausführliche Dokumentation unterdem Titel: Der Fall Günther – Ein Arztlegt sich mit der NATO an wird am 26.April, 22.30 Uhr, im WDR ausgestrahlt;Wiederholung am 28. 4., 10.15 Uhr.Prof. Günther wurde vom SODI (Soli-daritätsdienst International) für seine Ver-dienste bei der Aufdeckung der gesund-heitlichen Folgen des Einsatzes von DU-Munition für den Alternativen Nobelpreis2004 vorgeschlagen. Diesen Vorschlag un-terstützen auch weitere namhafte Institu-tionen. • HELMUT ULRICH

Irak nach der „Befreiung“JOUR, DER TAG,steckt in dem Wort Journalismus – fürden Tag schreiben. Wer kennt nicht denSpruch: Nichts ist älter als die Zeitungvon gestern. So viel Wahres in diesemSatz steckt, so viel Falsches stecktzugleich darin. Denn nicht alles, was dieZeitung gestern druckte, ist es wert,heute vergessen zu werden. Das sagtensich auch die Herausgeber der Texte zurLiteratur vom Literaturhistorischen Ar-beitskreis der Rosa-Luxemburg-StiftungSachsen und durchforsteten gemeinsammit der Redaktion zehn JahrgängeLEIPZIGS NEUE nach Texten, von denensie der Meinung sind, „dass sie über denTag ihrer Erstveröffentlichung hinaus vonInteresse sind“.Ausgewählt wurden Beiträge aus demFeuilleton von LEIPZIGS NEUE zu Jubi-läen und Gedenktagen, zu Autoren und Büchern sowie zu Höhepunktenund Entwicklungen im Leipziger Kulturleben. Das 240 Seiten umfassendeHeft schließt mit einem Register aller in den Texten genannten Personen.Leser von LEIPZIGS NEUE können diese interessante Publikation zumVorzugspreis von 11, 50 Euro plus 2,30 Euro Versandkosten erhalten. Bestellungen richten Sie bitte an: LEIPZIGS NEUE, Braustraße 15, 04107 Leipzig Telefonische Bestellungen unter 0341 – 21 32 345E-Mail: [email protected]

Gedanken anlässlich einerAusstellung von Willi Beitz:Stadtbilder und Landschaftenin der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Leipzig,Harkortstraße 10

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 2004 BUCHMESSE • 9

Fünfundzwanzig Jahre war RudolfBraune alt, als er, ein wagemutigerSchwimmer, am 12. Juni 1932 im

Rhein ertrank. Er war trotz seiner Jugendkein Unbekannter mehr. Sein Roman DasMädchen an der Orga Privat hattedeutschlandweit Beachtung gefunden,die Leser der Düsseldorfer KPD-ZeitungFreiheit kannten ihn als engagiertenJournalisten. Sein Hauptwerk, der RomanJunge Leute in der Stadt, erschien jedocherst nach seinem Tode, am Ende desJahres 1932. Wenige Wochen später kamHitler an die Macht. Es versteht sich, dassdas Buch des jungen Kommunisten inDeutschland kaum noch ein Echo hatte –Braunes Name erschien auf der erstenSchwarzen Liste der Nazis, eine Zeile vorBertolt Brecht. Seine Leser fand JungeLeute in der Stadt erst fast dreißig Jahrespäter in der DDR. Zwischen 1958 und1975 wurden an die 100 000 Exemplareverbreitet, 1985 folgte noch eine Verfil-mung durch die DEFA. Um 1970 hatte auch die Literaturwissen-schaft der DDR begonnen, sich intensivermit ihm zu beschäftigen. Danach wurdees wieder still um Braune. In der altenBundesrepublik war er ohnehin fast un-bekannt geblieben, nach der Wende von1989 fiel er im gesamten Deutschlandwieder in die Anonymität zurück. SeineBücher findet man nur noch in An-tiquariaten.

Das Schicksal des Vergessenwer-dens teilt Rudolf Braune mit vie-len anderen Schriftstellern seiner

Zeit, unter ihnen manche, deren Werksicherlich bedeutender ist als das seine.Eigentlich war kaum zu erwarten, dassdem noch einmal ein neues Kapitel hin-zugefügt werden würde. Genau das aber

ist jetzt geschehen, durch das BuchMartin Hollenders, das Biografie undBibliografie Braunes miteinander vereint.Hollender ist promovierter Germanistund wissenschaftlicher Bibliothekar,heute als Referent in der General-direktion der Staatsbibliothek Berlintätig. Schon vorher auf dem Gebiet derregionalen Literaturforschung arbeitend,hat er hier Impulse aus dem „Rheini-schen Literaturarchiv“ am Düsseldorfer

Heinrich-Heine-Institut aufgenommen,sich damit von der „jahrzehntewährendenPauschaldiskreditierung kommunisti-scher Dichtung und Reportage in derBundesrepublik“ (S. 9) abgrenzend. Erkonnte sich auf die Forschungen zur sozi-alistischen Literaturtradition der Leipzi-ger Arbeitsgruppe an der Akademie derKünste stützen, deren rigorosen Abbruchnach 1990 er als empfindlichen Verlustbedauert. Anders als seine LeipzigerVorgänger hatte er jedoch keine Mög-lichkeit mehr, Menschen zu befragen, dieRudolf Braune noch persönlich gekannthaben. Er führt alle bisher bekanntenDaten zu Braunes Biografie sorgfältigzusammen und versucht,sie zu ergänzen, stößt hierjedoch erneut an Grenzen.Mehr, als bei ihm zu lesenist, wird man über dasLeben des jungen Dresd-ner Rebellen nicht mehrerfahren. Aber auch dasFragmentarische ist span-nend genug, und manspürt, dass Hollender, wieschon andere vor ihm, inden Bann der ebenso sym-pathischen wie faszinie-renden PersönlichkeitBraunes geraten ist. Wasfür ein Leben auch: AlsNeunzehnjähriger leiteteer die oppositionelleSchülerbewegung Sach-sens und deren ZeitschriftMob die von Kurt Tu-cholsky, George Groszund Theodor Lessing –um nur sie zu nennen –mit großer Sympathie auf-genommen wurde. Nachdem 5. Heft wurde das

Blatt verboten, Braune musste seineHeimatstadt Dresden verlassen. Arbeitenvon ihm wurden in der Weltbühne und derLiterarischen Welt gedruckt, er jedochging zu der damals von Theodor Neu-bauer geleiteten Freiheit in Düsseldorf.

Hollender brauchte die innere Be-ziehung zu seinem Gegenstandwohl auch, um die langwierige

und mühselige Suche nach den biografi-schen und bibliografischen Spuren vonBraunes Leben durchzuhalten. Was seineRecherchen zutage förderten, ist erstaun-lich, es geht über das bisher Bekannteweit hinaus. Das betrifft einmal die litera-

rischen, vor allem journalistischen Ar-beiten Braunes, die von einer immensenProduktivität zeugen – wobei Hollenderanmerkt, dass die immer noch ausstehen-de Auswertung der kommunistischenTagespresse aus dem Westen derWeimarer Republik zweifellos weitereErgebnisse erbringen würde. Es betrifftaber auch die publizistische und literatur-wissenschaftliche Rezeption von BraunesSchaffen im Laufe der Jahrzehnte. Mankann sich nur wünschen, dass seineArbeit zum Ausgangspunkt einer neuenBeschäftigung mit den Büchern diesesAutors und vor allem zu ihrer Neuauflagewird. Sie sind alles andere als antiquiert –Junge Leute in der Stadt ist ein literari-scher Beitrag zum Problem der Arbeits-losigkeit von beklemmender Aktualität.Es ist ein Vorzug von Hollenders Buch,dass ihm eine kleine Auswahl vergesse-ner Arbeiten Braunes beigegeben wird.Da ist etwa die zupackende Reportage ImHauptquartier der Eisernen Ferse zulesen, die in die Hauptverwaltung derVereinigten Stahlwerke A.-G. in Düssel-dorf führt. Sie ist eine Hommage an JackLondon, den nordamerikanischen Re-bellen, den Braune glühend verehrte;man hat Londons Roman Die eiserneFerse von 1922 als den revolutionärstenRoman der amerikanischen Literaturbezeichnet. Braune bringt die Dinge aufden Punkt:

„Im Aufsichtsrat der Vereinigten Stahl-werke wimmelt es von Parlamentariern.Diese Abgeordneten, nur ihren Wählernverantwortlich, stimmen, wie hier gepfif-fen wird. Parteien schwenken ein, wennhier kommandiert wird. Hier ist nicht dasHerz Deutschlands. Aber das Hirn. Hiersitzt das Geld.“

Man sieht, Braune ist immer nochzeitgemäß. Und da gibt es dieFlussgeschichte, mit Bedacht

an das Ende des Bandes gesetzt: Sieschildert den Tod eines jungen Arbeits-losen, der wie später Braune selber in denStrudeln des Rheins umkommt. Das glei-che Motiv verwendete Braune übrigensauch in der Erzählung Der Kurier. Sieerschien – so berichtet Hollender – in einerBerliner Zeitung wenige Tage, nachdemdie Leiche Rudolf Braunes bei Duisburg-Walsum angeschwemmt wurde.

Martin Hollender: „eine gefährlicheUnruhe im Blut ...“. Rudolf Braune,Schriftsteller und Journalist (1907–1932). Biographie und Bibliographie.Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf,Grupello Verlag 2004. Broschur, 174Seiten, 16,80 Euro.

Rudolf Braune – wiederentdeckt

Ein neues Buch von Martin HollenderFriedrich Albrecht

Leipziger Buchmesse25. – 28. März 2004

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 200410 • BUCHMESSE

Karl Müller und PrimusHeinz Kucher ermittel-ten, dass sich unter den

ab 1938 aus Österreich Ver-triebenen 130 000 etwa 1200 Au-torinnen und Autoren befanden.Es gibt kaum einen angesehenenösterreichischen Schriftstelleraus dieser Zeit, der nicht im Exilgewesen war, so beispielsweiseHermann Broch, Elias Canetti,Erich Fried, Theodor Kramer,Robert Musil, Hilde Spiel, FranzWerfel oder Stefan Zweig. DasExil stelle deshalb einen Bruchin der Kulturgeschichte des Lan-des mit langfristigen Auswir-kungen dar.Konstantin Kaiser registriertwenige Jahre nach 1945 einenSchnitt in der unmittelbarenWirksamkeit der Exilliteratursowie ihre einsetzende distan-zierte Wahrnehmung: „1948 istdas Jahr, in dem sich in Öster-reich jene politische Allianzenaufgelöst haben, die im antifa-schistischen Widerstand entstan-den waren, es ist das Jahr derweitgehenden Rehabilitierungder ehemaligen National-sozia-listen, das Jahr, in dem der KalteKrieg begonnen hat.“ Einblickeerhält der Leser, wie weit dasTheater, die Wissenschaft, dasBibliothekswesen, die Presse imExil und deren Überwachungdurch die Nazis erforscht sind.Einige Beiträge berichten überdie Vernetzung der neueren For-

schung, die Arbeit an Hochschu-len und von Dokumentations-zentren, andere zeigen Perspek-tiven zukünftiger Aufarbeitungauf. Zudem befassen sich einigeAutoren mit Details der Biogra-fien der ins Exil getriebenenPersonen und deren spätereLebenswege. So wird auch derFrage nachgegangen, warumviele Österreicher nicht in ihreHeimat zurückkehrten. Durch einzelne Untersuchungenzieht sich der Gedanke, die poli-tische Haltung und die literari-schen Leistungen von Österrei-chern im Exil für eine Identitätin der heutigen Zeit auszuloten.Wie Die Österreichische Postim Dezember 1938 in Paris wer-teten zahlreiche Autoren dieEmigration als einen Protest ge-gen den Faschismus und die Be-tätigung der meisten Exilantenals aktiven antifaschistischenKampf. Einige verfolgten jedochgemeinschaftliche Aktionen mitim Exil lebenden französischenund deutschen Autoren gegenden Faschismus zurückhaltend.Viele Schriftsteller veröffent-lichten ihre Manuskripte in Ver-lagen des Gastlandes und aufGrund der Marktlage in franzö-sischer Sprache. Das Exil brachte Einmaliges inder Literatur und Publizistikhervor. Es war aber auch eineschwer zu ertragende Last. Man-che gingen an ihr zugrunde. Da-

zu kam, dass aus verschieden-sten Gründen die „westlichenDemokratien“ Zugeständnissean Hitlers Politik eingingen undWarnungen der Exilanten vorFaschismus und Krieg oft mis-sachteten. Außerdem führte ab1939 der Hitler-Stalin-Pakt zutiefgreifenden Wirkunken aufdas Exil. Überdies vertrieb derAusbruch des Krieges vieleÖsterreicher aus ihrem vor kur-zer Zeit erreichten Gastlandoder sie wurden im besetztenLand erneut verfolgt. Stefan Zweig war erschüttert,als englische Behörden ihn nachdem März 1938 als staatenlosbehandelten. Das Freie Öster-

reich meldete im Mai 1940 inParis, mit Beginn des Kriegeswürden alle österreichischenFlüchtlinge in Frankreich alsFlüchtlinge aus Deutschlandbehandelt. Aktiver Kampf, hoheliterarische Leistungen undschwer zu tragende Last lageneng zusammen.Die Aktivitäten des Dokumen-tationsarchiv des Widerstandes,ihres Leiters Prof. Neugebauer,des österreichischen PEN-Clubs,der Theodor-Kramer-Gesell-schaft, der ÖsterreichischenExilbibliothek, des Vereins zurFörderung und Erforschung derantifaschistischen Literatur undder Aktion gegen Antisemitis-mus in Österreich haben in derVergangenheit und Gegenwartdie gesamte Exilforschung we-sentlich befördert, damit auchden vorliegenden Band. DasBuch „Die Rezeption des Exils“verdankt sein Erscheinen demEinsatz von Evelin Adunka undPeter Roesseler, die die überar-beiteten Beiträge eines Sympo-siums sinnvoll zusammenfügten.

• OTTO SEIFERT

Die Rezeption des Exils. Ge-schichte und Perspektiven derösterreichischen Exilforschung.Hg.: Evelin Adunka, Peter Roess-ler. Mandelbaum Verlag Wien,2003. 374 S., 29,80 Euro

Porträts herausragenderPersönlichkeiten hattenstets ihren Leserkreis. Die

vorliegende Sammlung umfasst50 der bedeutsamsten politi-schen Denker aus über zweiein-halb Jahrtausenden. Sie beginntmit Konfuzius und endet mitHabermas. Dazwischen befin-den sich, um nur einige zu nen-nen, Essays zu Platon, Aristo-teles, Morus, Campanella, Spi-noza, Kant, Fichte, Hegel, Ba-kunin, Marx, Nietzsche, Weber,Lenin und Arendt. Im Unter-schied zum sehr breit gefasstenBuchtitel – die angeführten Na-men signalisieren es – handelt essich um Vertreter der PolitischenPhilosophie, also um eine Rich-tung innerhalb des politischenDenkens. Über sie schreiben dieHerausgeber zutreffend: „Seitihren Anfängen hat die Poli-tische Philosophie in zumeistnormativer Absicht den Grund-lagen menschlichen Zusammen-lebens nachgespürt, die Grund-sätze politischen Verhaltens er-örtert und dabei immer wiederdie verfasste Gesellschaft, diePolis, den Staat ins Blickfeldgerückt als empirisches Phäno-men wie als ,sittliche Idee‘ (He-gel), an seiner faktischen und inseiner idealen Gestalt, als zen-trales Medium bürgerlicher So-zialität und als politisches Herr-schaftsinstrument einer Klasse(Marx).“ Es ist somit das Span-

nungsfeld zwischen Ideal undWirklichkeit, in der seit eh und jedie Politische Philosophie agiert.Für die Autoren war es schwie-rig, auf knappstem Raum diewesentlichsten Seiten des Pro-fils der von ihnen Porträtiertendarzulegen, ein Bild zu zeich-nen, das der jeweiligen Persongerecht wird. Doch das dürfte

ihnen nahezu durchgehend ge-lungen sein. Alles in allem: DasBuch ist ein Nachschlagewerkfür jeden, der sich schnell infor-mieren will, der Verständlichkeitund Anspruch schätzt.Strittig erscheint die Aufnahmevon Carl Schmitt (1888–1985),dessen Werk, wie zu Recht ver-merkt wird, „der Skandal der

deutschen Rechtsgeschichte“ist. Schmitt, der erfolgreichbemüht war, in der Zeit der fa-schistischen Diktatur Karrierezu machen, sah als Verfassungs-rechtler im Ermächtigungs-gesetz die „vorläufige Verfas-sung“, die durch den „Vorrangder politischen Führung“ ge-kennzeichnet ist. Für ihn trat andie Stelle der Repräsentation die„unbedingte Artgleichheit zwi-schen Führer und Gefolgschaft“.Als Herausgeber der DeutschenJuristen Zeitung schrieb er zur„Nacht der langen Messer“ denLeitartikel: „Der Führer schütztdas Recht“. Das und mehr dazuist im Essay nachzulesen. Auch,dass „jetzt eine große Welle derwissenschaftlichen Ausein-andersetzung“ mit SchmittsParlamentarismusanalyse an-steht, wobei „neben zeitge-schichtlichen Themen die Politi-sche Theologie die Haupt-rolle“spielt.

• KURT SCHNEIDER

Porträtgalerie der politischenDenker. Hg. von P. C. Mayer-Tasch und B. Mayerhofer.Stämpfli Verlag, Bern / WallsteinVerlag, Göttingen 2004. 328 S.,50 Abb., 27,80 Euro

Das österreichische Exil aufgearbeitet Quelle für Identität in unserer Zeiten?

Von Konfuzius bis Habermas

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Leipziger Erinnerungen

Die Freitagswerkstatt „Erzäh-len und Schreiben“ / VereinDIALOG e. V. veröffentlicht imBuchverlag Schkeuditz ihrezweite Anthologie unter demTitel „Leipziger Rückspiegel.Literarische und publizistischeTexte zur Stadt- und Regional-geschichte“.Zur BUCHPREMIERE am Frei-tag, 26. März, 13 Uhr (Con-greß-Center auf dem Messege-lände) stellt die Literaturwis-senschaftlerin und Werkstatt-beraterin Dr. Christel Hartingerdie Schreibenden und ihre Leip-ziger Lebenserinnerungen vor.

50 Jahre Eulen-spiegelVerlag

Lesungen im „Pfeffer-mühlenclub“, Thomaskirch-

hof 1625. März18 Uhr – Ernst Röhl:Der Ostler ...20 Uhr – Die Zeitschrift„Eulenspiegel“ stellt sich vor(Autorenlesung)

26. März18 Uhr – Mathias Wedel: Beiuns auf dem Dorfe20 Uhr – Matthias Biskupek:Horrido, Genossen

27. März16 Uhr – Die Marken bitte –KONSUM-Geschichten18 Uhr – Gabriele Stave: DasChamäleon bin ich20 Uhr –Arno Funke: Entekross

28. März18 Uhr – Janine Stahl: Eineunsterbliche Seele. BobStahls nachgelassene Texte

Eulenspiegel VerlagNeuerscheinungen

Das dicke Ottokar-Buch. MitIllustrationen von Karl Schra-der. 224 Seiten, 19,90 Euro

Die trauen sich was! 50 Jahre Eulenspiegel Ver-lag. Geschichte, Geschichtenund ein Gesamtverzeichnis.250 Seiten, mit zahlreichenIllustrationen. 12,90 Euro

Volker Kluge: Das Sport-buch DDR. 224 Seiten,durchgängig vierfarbig, mitvielen Fotos und Dokumen-ten. 19.90 Euro

Frank Willmann (Hrsg.):Fußball-Land DDR. 192 Sei-ten, mit zahlreichen Fotosund Dokumenten. 14.90Euro.

Manfred Kirsch: Die Markenbitte! KONSUM-Geschich-ten. 192 Seiten, durchgängigvierfarbig mit zahlreichenAbbildungen. 14.90 Euro

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 2004 BUCHMESSE • 11

Trägerin des alternativenNobelpreises:

Felicia Langer liestin Leipzig

Felicia Langer, israelischeRechtsanwältin und Autorin, die1990 für ihren Kampf gegen dievölkerrechtswidrige Gewalt-politik der israelischen Regie-rungen und für die Rechte derpalästinensischen Bevölkerung,für einen gerechten Frieden denalternativen Nobelpreis erhielt,publiziert im Lamuv-VerlagGöttingen 2004 ihr neues Buch„Brandherd Nahost oder: Diegeduldete Heuchelei“.Lesung und Gespräch zu bren-nend aktuellen Fragen wie: • Ist die „Roadmap“ ein Fahr-plan zum Frieden? • Welche Entwicklungen verhin-dern ein friedliches Miteinan-der von Israelis und Palästi-nensern? • Was ist von der Antisemitis-mus-Debatte in Deutschland zuhalten?

am 28. 3. 2004, 13 Uhr (Mo-deration Christel Hartinger, Frie-denszentrum Leipzig) im Con-greß Center auf dem Messege-lände

Diese Frau Professor Dr. Re-nate Baumgarten hat wahr-

lich nur für ihre Karriere gelebt.Dass sie dabei schon in jungenJahren eine gute, ja wohl ausge-zeichnete Ärztin, Chefärztin,Hochschullehrerin und Wissen-schaftlerin – auf dem Gebiet derInfektionskrankheiten – wurde,das ist in ihrer uneitel und flottgeschriebenen Biografie nachzu-lesen. Eine Fachfrau, objektiv,

sachlich, korrekt-herzlich imUmgang mit den ihr Anver-trauten. Immer wissbegierig,immer Lernende, andere auf die-sem Weg mitreißend.Der Werdegang der Tochter aus„kapitalistischen Hause“, wiesie ironisch betont, war in derDDR gewiss kein allzu kompli-zierter. Auch wenn sie es selbstanders sieht und – um nur einBeispiel zu nennen – im ge-meinsamen Kartoffelernteein-satz von Medizinstudenten undSoldaten „eine wohldurchdachteMaßnahme“ sieht, „gesellschaft-liche Differenzierungen bereitsim Ansatz zu ersticken“.

„Not macht erfinderisch“ – derTitel ihres Buches ist nicht zuwiderlegen. Es haperte an sehrvielem in der DDR, an frischver-putzten Krankenhäusern, an Ärz-

ten, an modernster Technik ... All diese von Renate Baumgar-ten nachvollziehbar vorgetrage-ne Kritik, alle Alltagsärgernisserelativieren sich schlagartig abSeite 222 mit dem Kapitel „Wieich die Wende erlebte“. Da tau-chen dann plötzlich Wende-hälse, Karrieristen und neue Be-sen auf. Nur dass sie eben nichtgut kehren. Wahrscheinlich allesdoch Ausdruck dessen, dass inder DDR nicht die Oppositio-nellen, sondern meistens dochnur die fachlich Untauglichen inihre Schranken gewiesen wur-den. Das schreibt Frau Professorso nicht. Aber ihre entwürdigen-den Erlebnisse vor allem mit„einer höchst fragwürdigenEhrenkommission“ belegendiesbezüglich genug. Dort warfman übrigens auch ihr vor: „Sie

sind viele Male in der Bundes-republik gewesen. Warum sindsie nicht drüben geblieben. Schondas allein belastet Sie.“ Ich kann nur empfehlen, dieseErinnerungen zu lesen. Was aber, Frau Professor, hatSie geritten, solch eine perverseAussage zu treffen: „Über diewährend der DDR-Zeit zurZwangsarbeit im Kalkbruch ver-urteilten Häftlinge habe ich beimeinen Recherchen keine ein-deutige Auskunft erhalten. Ichdenke, mit Analogien zum Drit-ten Reich würde ich nicht falschliegen.“

• MAXI WARTELSTEINERRenate Baumgarten: Not machterfinderisch. Drei JahrzehnteChefärztin in Ost und West. Mit-teldeutscher Verlag, Halle.2004. 278 Seiten, 24,90 Euro

Chefärztin in Ost und West

Zu den sonderbarstenKapiteln der deut-schen Nachkriegslite-

raturgeschichte gehört dieAufnahme des unbequemenLiteraten Günter Grass inder DDR. „Geben Sie denSchriftstellern die Freiheitdes Wortes“, forderte Grass1961 auf dem V. Schrift-stellerkongreß der DDR.1966 folgte der Bruch derDDR-Kulturpolitik mitdem Literaten. Auslöserwar im Jahr 1966 die Ur-aufführung seiner Aus-einandersetzung mit dem17. Juni 1953 Die Plebejerproben den Aufstand imWestberliner Schiller-The-ater. Klaus Pezold skizziert inseinem jüngst erschiene-nen Buch Günter Grass –

Stimmen aus dem Leselanddie Rezeptionsgeschichtevor und nach 1990. Er lässtdabei u. a. Stephan Herm-lin, Johan-nes Bobrowski,Friedrich Schorlemmer,Hermann Kant, VolkerBraun, Da-niela Dahn (imVorwort) und Christa Wolfzu Wort kommen. Aucheine Erstveröffentlichungvon Hans Mayer ist zu fin-den. Dem Leser erschließtsich ein differenziertesBild über den Umgang mitdem heutigen Literatur-nobelpreisträger im OstenDeutschlands . Der jüngere Leser wirdsich verwundert die Augenreiben, wenn er erfährt,dass im Leseland DDR bisAnfang der 80er Jahre dieWerke von Grass nicht ver-

legt werden durften. 1997machte Volker Braun dar-auf aufmerksam, dass derstrenge Kritiker des „all-umfassenden Systems derDDR“ im Moment des Un-tergangs zum Anwalt desOstens geworden war.Klaus Pezold ist ein lesens-wertes Buch über den lang-wierigen Prozess des kriti-schen Annäherung gelun-gen. Es ist gleichermaßenein Geschichtsbuch übereine immer weiter in dieFerne rückende Zeit ge-worden.

• D. M.

Klaus Pezold: GünterGrass – Stimmen aus demLeseland., Militzke Verlag,Leipzig 2003. 232 S., geb.,19,90 Euro

Metamorphosen LEIPZIGERVERLAGE

Heute: MilitzkeIn einem der alten LeipzigerBürgerhäuser, in der Hutten-straße Nr. 5, hat der MilitzkeVerlag mit seinen 19 Mitar-beitern seinen Sitz. Auf vierEtagen sind hier alle Bereichevertreten, von der Herstellungbis zum Vertrieb. Pro Jahr ent-stehen etwa 80 Titel, die Anzahlder lieferbaren liegt bei ca. 1300– verfasst von nahezu 300 Auto-ren. Reiner Militzke gründete seinenVerlag im Januar 1990. Verlegerzu sein war sein persönlicherTraum, nun hatte er ihn ver-wirklicht. Seit Verlagsgründunggilt die Aufmerksamkeit desHauses neben einem umfangrei-chen Schulbuchprogramm demanspruchsvollen und zugleichunterhaltenden Sachbuch mitThemen zur Zeit- und Kul-turgeschichte sowie Biografien.Der Verlag hat seinen Sitz inunmittelbarer Nähe einer Schu-le. Das mag Zufall sein, abertatsächlich setzt der Verlag seitBeginn seiner Tätigkeit auf dieEdition dringend benötigterneuer Lehrbücher und Unter-richtsmaterialien für die Fä-cher Ethik/Philosophie undSozialkunde/Gemeinschafts-kunde/Politische Bildung. Gute Unterhaltungs- und an-spruchsvolle Genreliteratur sindbei Militzke kein Widerspruch.Dafür spricht zum Beispiel die„Reihe M“, in der Krimis undThriller aus der Feder deutsch-sprachiger Autoren erscheinen.

• JÖRN F. SCHINKEL

Eine Veranstaltung des AHRIMAN-Verlages, Freiburg:„Gabriels Einflüsterungen“

Eine historisch-kritische Bestandsaufnahme des Islam von Jaya GopalLesung und Diskussion mit dem Übersetzer und Herausgeber Fritz Erik Hoevels

Sonntag, 28. März 2004, 14.30 UhrLeipziger Buchmesse, Halle 3, Forum 1

Anzeigen

Lesung undGespräch

im Haus Stein-straße, (Steinstraße

18)Freitag, 26. März,

20 Uhr

WOLF WETZELKrieg ist Frieden:Über Bagdad, Sre-

brenica, Genua, Kabul nach ...

Eine Veranstaltungdes „Bündnis gegen

Krieg“([email protected])

Zur Premiere des ersten Louise-Otto-Peters-Jahrbuchsam 26. März, 16.00 Uhr,

wird ins Schumannhaus, Inselstr. 18,eingeladen. Autorinnen lesen aus

ihren Texten. Mit musikalischerUmrahmung. Eintritt: 3 Euro."

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 200412 • BUCHMESSE

Das neue Deutschland. Die Zu-kunft als Chance. Aufbau-Verlag,Berlin 2003. 328 Seiten, 15,90Euro

Einleitend beschreiben Tanja Busseund Thomas Dürr, die Herausgeber,

die Grundsituation des heutigenDeutschland, die sie auf den Punkt brin-gen mit den Worten: „Während die Ost-deutschen seit nunmehr fast anderthalbJahrzehnten den beispiellosen undscheinbar niemals endenden Umbruchsämtlicher Lebensverhältnisse erleben,ist die Zeit im Westen in vieler Hinsichterst einmal stehengeblieben.“ DieErfolgsgeschichte der BRD West sei anihr Ende gekommen, es könne kein„weiter so“ geben, und die Zukunftwerde ganz anders aussehen. Hier set-zen die Autoren aus Ost und West mitihren 19 Analysen und Reports an – inder Absicht, damit weitere Debattenauszulösen. Uwe Rada untersucht den internationa-len Hintergrund für das Geschehen inDeutschland, vor allem geprägt durchdie Beziehungen zu den USA und dienahende EU-Erweiterung, die beson-ders den Osten und seine Grenzgebieteberührt. Wolfgang Engler, der mit seinem Buch„Die Ostdeutschen als Avantgarde“schon eingehend über deren Herkunftund Zukunft nachgedacht hat, konzen-triert sich hier auf Vorschläge, die ausder Misere der Arbeitslosigkeit und derPerspektivlosigkeit junger Leute her-ausführen sollen. Doch mit dem ModellDänemark, das er ungeprüft hinsicht-lich Voraussetzungen und realer Effekteempfiehlt, vermag er keine überzeu-genden Impulse zu geben.Matthias Platzeck müsste als Branden-burgs Ministerpräsident Zukunftsfragenpragmatisch angehen, tut sich aber da-mit schwer. Zwar scheut er sich nicht,den Ernst der Lage zu benennen, dochsein Lösungsansatz „Krise als Chance“bleibt allzusehr eine leere Formel. Zu-nächst kann er den „Pionieren in bei-spielloser Konstellation“ nur weitere„schmerzhafter Einschnitte“ voraussa-gen.Anhand der trostlosen Situation derausgedienten IndustriegemeindeZschornewitz stellt Tobias Dürr seineFragen nach der Zukunft. Er sieht sieim Lichte notwendiger generellerWandlungen der industriellen Gesell-schaft, auf die die Politik bisher nur mitNotreparaturen reagiert habe. Erkommt aber selbst nur zu sehr allge-meinen Folgerungen, wie zum Beispiel,dass Wissen und die Fähigkeit, immerneues Wissen zu erwerben, Schlüssel-ressource sind. Faktenreich analysiert Thomas Kralins-ky den Bevölkerungsschwund und denStadtumbau im Osten, und Tanja Busseveranschaulicht die demografische Situ-ation eines Mecklenburger Dorfes.Beide verweisen auf Experimente, dieaber kaum einen grundlegenden Wan-del tragen können.Was Wolfgang Schröder über Leipzigund BMW schreibt, liest sich zuerst wie

eine Erfolgsstory, ernüchtert dann aber:BMW bringt keine Wende auf dem Ar-beitsmarkt, von den Arbeitskräften isthöchste Flexibilität gefordert und: soein Projekt bleibe einmalig.Alexander Thumfart sieht drei in Ost-deutschland erkannte Phänomene sichin ganz Deutschland ausbreiten: denimmer weniger berechenbaren Wähler,Gewerkschaften in der Krise und Ver-fall der politischen Kultur.Klaus Nees will die ostdeutsche Partei-enlandschaft auf Zukunftsfähigkeit prü-fen, begnügt sich aber mit der SPD. Für Gunnar Hinck ist die bizarre Debat-te von 2001 über Nation, Vaterland undPatriotismus der Ansatz, um das Ver-hältnis der Ostdeutschen zu Nation,Heimat und geschichtlicher Vergan-genheit zu beleuchten. Ein wohltuender Farbtupfer im Buch istLandolf Scherzers Reportage überNachwende-Hochschulpolitik aus derSicht eines Hausmeisters und einesRektors westlicher Herkunft. Als realitätsfremd fällt der Beitrag vonJulia Schoch und Peter Rudolf Weiß ausdem Rahmen, die in der DDR-Gesell-schaft vor allem Kleinbürgerliches sa-hen („Familie, Datsche, ... orgiastischesHandwerkertum und das große Alkohol-angebot bildeten systemstabilisierendeElemente“) – dieses Denken wirke bisheute nach und beeinflusse negativ Kri-senbewältigung und Zukunftsdebatte.Unzufriedenheit und Neid der Ost-deutschen speise die Spannung zwi-schen den Angehörigen unterschiedli-cher Wohlstandsgrade.Die Beiträge sind meist ausgesprochenproblembewusst, aber in den angebote-nen Lösungsansätzen gibt es zu vielVages, Spekulatives und kaum brauch-bare Handlungsorientierungen. Bei ei-nigen Autoren mag das daran liegen,dass sie mehr von Konstrukten bürger-licher Politikwissenschaft als von kon-kreter Gesellschaftsanalyse ausgehen.Aber Ansätze zum Weiterdenken gibtdas Buch reichlich.

• GÜNTER LIPPOLD

Deutschlands Zukunft – Sorgen am Ende

der Nachwendezeit

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 2004 FEUILLETON • 13

Peter Gosse

Leipzigs Nikolaikircheoder Die FeiertageFreitags der Muslim, der Jude am Samstag, am Sonntag der Christe,montags im Haus Nikolaifeiern mer alle zusamm.

Ombudsmann – dunklesWohlwort, bezeichnend denAllmachtsbekämpfer.Leipzig ombudet am Ring:Gang wider Bushjuniors

Gäng

Diese Art Golf-SpielKriminelles Beschaffen –was sonst denn. Der Yankee –Öl-Junkie ist er und kommt nicht von der Spritze mehr los.

TerrorismusGegen Verwertung anrennt

er,mitnichten gegen die Werte.so daß, wo Unrecht wächst,

wächstRache. Und Türme im Staub.

Mit Wolfgang Engels Inszenie-rung der allseits beliebten Ver-di-Oper „Aida“ bereichert sich

die Oper Leipzig unter der IntendanzHenri Maiers – leider – um eine weitereszenische Enttäuschung. Zunächst abersei gesagt: Im Vergleich zur Vergewalti-gung des Weberschen „Freischütz“ oderzur Versimpelung und Verkitschung derBerliozschen „Trojaner“ durch Guy Joo-sten verdient der Leipziger Schauspielin-tendant Anerkennung dafür, dass er dar-auf bedacht ist, das Werk zu inszenie-ren,und auf willkürliche Veränderungenoder gar Entstellungen verzichtet.Wolfgang Engel stellt den ägyptischenKönigshof und die Priester als starre, ein-zig auf Erhaltung und womöglich Erwei-terung ihrer Macht bedachte Kaste dar.Die besitzt keinerlei Verständnis für denKonflikt zwischen Staatsraison und Lie-be, der Radames als ägyptischen Heer-führer und Aida als äthiopische Sklavinin den Tod, die zwischen ihnen stehendeägyptische Königstochter Amneris inhoffnungslose Verzweiflung treibt. Of-fensichtlich aber versteht der Inszenatordas Geschehen aus der Sicht des Schau-spielregisseurs und verkennt dabei dieanders zu erfüllenden musikalischenDimensionen. Zudem fehlt in dieser Ins-zenierung mit Horst Vogelgesangs wei-ßen Bühnenbauten und schwarzen Öff-nungen auch jedes Gefühl für die Farbedieser Musik.

Zum Unglück musste Wolfgang Engel inder letzten Probenphase wegen Erkran-kungen auch noch die Hauptakteure aus-wechseln. Die jetzt verfügbaren besitzenzwar stimmliche Qualitäten, nicht aberentsprechende darstellerische. In der ver-bliebenen kurzen Probenzeit vermochteder Regisseur ihnen ihre stereotypenHand- und Armbewegungen nicht abzu-

gewöhnen und schon gar nicht ein le-bensechtes Spiel beizubringen.Da setzt sich der (korpulente) Piero Giu-liacci als Radames zu seiner Arie „HoldeAida“ zunächst auf eine der zahlreichenTreppenstufen und stellt sich nach denersten Zwischentakten des Orchesters un-beholfen davor. Zudem dehnt er das Tem-po und der Dirigent Marco Guidarini ver-mag ihn auch nicht zur Übereinstimmungmit dem Orchester zu bewegen. Die Ariesingt er mit Glanz und Kraft, aber nichtso nuanciert, wie es Verdis Vorgaben for-dern. Hasmik Papian als Aida (von Katja

Schröder eher wie eine Friseuse mit Kit-telschürze angezogen) fuchtelt bei ihrereindringlich gesungenen Arie „Als Siegerkehre heim“ im Unterschied nur etwasmehr mit den Armen. Im Schlussduettstehen beide starr in einer merkwürdigenTüröffnung und singen berührend schönvon der himmlischen Erlösung.Solche Bilderbuchanordnungen stellt

Wolfgang Engel auch in den Chorszenen.Das mag für die Berufung des Radameszum Heerführer durch die Minister undPriester, auch später für die Gerichtssze-ne angehen, wirkt aber bei der Siegesfei-er doch zu einförmig. Die Absicht ist er-kennbar. Der Regisseur verweigert jedenszenischen Pomp, streicht auch den Sie-gestanz mit den Schätzen der besiegtenÄthiopier und lenkt die Aufmerksamkeitumso mehr auf die gedemütigten, untereine lange Tafel gesteckten äthiopischenGefangenen. Der Trimphmarsch findetalso nur im Orchester und mit je drei spe-

ziellen „Aida“-Trompetern in den beidenSeitenlogen statt. Nicht wenige Besucherwollten aber den Pomp (einer vor mirdirigierte den Triumphmarsch wie Lo-riots „Großvater“ mit) und buhten nachdiesem Akt wie auch am Schluss beimErscheinen des Regieteams aus Leibes-kräften.Gefeiert wurden die Sänger, der von An-ton Tremmel sorgfältig vorbereitete Chorund das Gewandhausorchester. NebenHasmik Papian als Aida und Piero Giu-lacci als Radames verdient vor allemLidia Tirendi als ausdrucksstark singendeAmneris Anerkennung. Andrzej Dobberals äthiopischer König Amonasro, PetriLindroos als ägyptischer König und AinAnger als Oberpriester Ramphis erfülltendiese kleineren Partien mit musikalischerBedeutung. Dagegen erreichte der Gastdirigent Mar-co Guidarini erst allmählich Übereinstim-mung zwischen Bühne und Orchester. Inder nun schon langen Reihe von HenriMaier verpflichteter Dirigenten steht erals ein weiterer, der unter dem Niveau desGewandhausorchesters bleibt. Eine wirk-liche Ensemblebildung und szenisch-musikalische Geschlossenheit ist mit die-sem ständigen Wechsel von Regisseurenund Dirigenten nicht zu erreichen. Undbis zum Amtsantritt Riccardo Chaillysliegen noch 18 lange Monate.

• WERNER WOLF

„Aida“ als Weiß-Schwarz-BilderbuchProblematische Neuinszenierung in Leipzigs Opernhaus

Mit acht Uraufführungen zum Thema Abschiedbeginnt die letzte Reise des Horch und Guck,der kleinsten Spielstätte des Leipziger Schau-

spielhauses. Acht Minidramen junger Autoren, unter demTitel Lebt wohl! Und danke für den Fisch zusammenge-klammert, zeigen ein Potpourri unterschiedlichster Ab-schiedssituationen: Gestern von Claudia Klischat, Theking survived the war, the pig didn´t von Ulrike Syha,Mein letzter Sexfilm meine letzte Puppe meine letzte Zi-garette von Ralf N. Höhfeld, Kein Abschied, niemals!von Falk Richter, Übersee von Henning Bochert, DerSchwank vom höflichen Leben von Ingrid Lausund, Wasmache ich hier eigentlich? von Ulrich Hub und NeuerNachbar von Händl Klaus. Schnell wird klar, Abschiedelauern überall: von guten Sitten, von schlechten Ange-wohnheiten, vom Leben, von der Arbeit, von der Lieb-sten, vom Alltag. Regisseur Ulrich Hüni sorgt für eine turbulente Ab-schiedsfahrt mit zuweilen skurilen Elementen – wenn dieZuschauer im abgedunkelten Horch und Guck wie Voy-eure dem Theaterspiel auf der Straße (!) folgen und sichan den überraschten bis neugierigen Blicken der Passan-ten ergötzen. Ein großes Lob an die Schauspieler (Meli-ka Foroutan, Andreas Keller, Michael Schrodt, Jörg Mal-chow): Sie haben den Spagat zwischen Professionalitätund (der hier) notwendigen Improvisation wunderbarbewältigt. Und dennoch: Trotz aller zur Schau gestellterKraft – die Wehmut ist spürbar. • D. M.

Auf Abschiedsfahrt

Schnelle Verwandlungsfähigkeit ist die Kunstdes Abends. Foto: Schauspiel Leipzig/Rolf Arnold

UNTERM STRICH

Es ist ist nicht nur der Reso-nanzboden des Feuilletons,

der Texte zum Schwingen bringt,sondern auch die spontane Re-aktion einer überaus netten undmit Werks- und Rezeptionskennt-nis gesegneten Buchhändlerin.Ihr Gefühlsausbruch bezog sichauf den 2003 erschienenen Text„McKinsey“ von Rolf Hoch-huth. Das Dokudrama ist eineSpezialität von Hochhuth. In„McKinsey“ setzt er sich mitden Ursachen und Folgen von

Massenarbeitslosigkeit ausein-ander: Aktien steigen, wennArbeitnehmer fallen. Das Dramawird von verschiedener Seite –aber aus genau zu ortender Rich-tung, Stichwort: Kunst ist Waffe –angegriffen: Die Deutsche Bankdrohte mit juristischen Schrittenwegen angeblicher Mordaufrufean ihrem Häuptling; McKinsey,die namensgebende Unterneh-

mensberatung, kaufte gar eineganze Vorstellung auf. GetroffeneHunde bellen. Doch zurück zurBuchhandlung. Ich hatte, wie esder Zufall will, zwei Exemplaredes Buches geschenkt bekommen.Also Geld zurück oder Umtauschversuchen. Es war eisig kalt –nicht nur politisch, sondern auchmeteorologisch –, schnell in denhochgeschlossenen Mantel ge-

schlüpft und zur Buchhandlunggeeilt, kurz und bündig das Ma-leur erklärt: „... zweimalgeschenkt bekommen ...“ Kurzermusternder Blick der blondenBuchhändlerin, auf mich, auf dasBuch, wieder auf mich. Süß-sau-res Lächeln, eine Frage wie mitdem Florett ausgeführt: Da sindsie wohl Unternehmensberater?Ich stotterte nur noch: Nein!Wenn ich einer wäre, ich hättemich schämen müssen. Und zwarmit Recht ... • D. M.

Da sind sie wohl ...

Fünf JahreLOFFT

Das Flagschiff derfreien Leipziger

Theaterszene feiert fünf-jähriges Bestehen. Am20. März 1999 hieß es fürdas Leipziger OFF-Thea-ter (LOFFT) zum erstenmal Bühne frei im neuenTheaterhaus am Linden-auer Markt. LOFFT willTheater als Suche begrei-fen, als einen Weg, umEntdeckungen zu machen,dabei Abseitiges ebensoaufzuspüren wie Nahelie-gendes nicht zu übersehen,so Martin Heering, Leiterdes LOFFTs. Die stetige Unterfinanzie-rung des freien Theatersdurch die Kommune istseit Jahren ein Problem.Ob LOFFT weitere fünfJahre am Markt als leben-diges Theaterlabor beste-hen bleibt? Heering weißes nicht. • B. S.

LN auf derBuchmesse

LN. Das Projekt linke Zeitungkann sich zwar keinen eigenenStand auf der Leipziger Buch-messe leisten, dennoch ist Leip-zigs Neue zweimal vertreten.Zum einen dank einer Koopera-tionsvereinbarung mit der jun-gen welt in Halle 3 am Stand D307 und zum anderen auf demStand des Verlages edition ost.

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 200414 • MEGA

Als der Schweizer BundespräsidentMoritz Leuenberger auf demWeltwirtschaftsforum des Jahres

2002 in Davos Karl Marx zitierte, horch-ten einige Zuhörer auf, aber echauffiertzeigte sich niemand der anwesendenElite. Seine weithin anerkannten ökono-mischen Studien, insbesondere zur Ent-wicklung der Weltwirtschaft, präsentier-ten Marx als „einen frühen Vertreter derGlobalisierung und somit auch ein Urah-ne des Forums“. Karl Marx, dessen To-destag sich am 14. März zum 121. Maljährte, wird wieder wahrgenommen,wenngleich zu wenig gelesen. Um diesem Defizit etwas abzuhelfen, gibtes ein editorisches Unternehmen, dessenKürzel zugleich Programm ist: MEGA.Die Marx-Engels-Gesamtausgabe ist dievollständige, historisch-kritische Ausgabeder Veröffentlichungen, der nachgelasse-nen Manuskripte (Entwürfe) und des Brief-wechsels von Marx und Engels. Die ME-GA bietet das literarische Erbe beider –soweit es überliefert und der Wissenschaftzugänglich ist – erstmals in seiner Ge-samtheit dar. Zu den bereits bekanntenSchriften, Artikeln und Briefen – ebenfallserstmals auch die an sie gerichteten BriefeDritter – kommt eine Reihe bisher unver-öffentlichter bzw. neu entdeckter Arbeitenhinzu. Darüber hinaus werden alle Ma-nuskripte, Entwürfe, Notizen und Exzerptepubliziert. In der MEGA werden alle Textein der Sprache der jeweiligen Originalewiedergegeben. Die Textwiedergabe er-folgt getreu den überlieferten autorisiertenTextvorlagen, auf Grundlage der originalenHandschriften und Drucke. Die Text-dar-bietung ist mit einer intensiven wissen-schaftlichen Kommentierung in einemseparaten Apparatband verbunden und er-möglicht somit einen bislang unbekanntenEinblick in die Arbeitsweise der Autoren. Die MEGA sei, so gab die Hamburger

Wochenzeitung Die Zeit zu bedenken,„im wahrsten Sinne des Wortes einSäkularunternehmen und ihr Anfang inden 20er Jahren des vorigen Jahrhun-derts, ihr erstes Scheitern und ihr Wie-derauferstehen spiegeln geradezu para-digmatisch die geschichtlichen Tragödiendes 20. Jahrhunderts wider. Wenn sie, wieder Editionsfahrplan vorsieht, um dasJahr 2025 abgeschlossen ist, werden esziemlich exakt hundert Jahre her gewesensein, um das Werk von Marx und Engelsder lesenden Öffentlichkeit originalge-treu, das heißt unzensiert, zu erschlie-ßen.“ Unter Federführung des russischenGelehrten David Rjazanov war es näm-lich schon 1927 gelungen, eine erste, auf42 Bände geplante MEGA auf den Wegzu bringen. Doch zu Beginn der 30erJahre fiel das ehrgeizige Projekt demFaschismus und der wachsenden stalini-stischen Repression zum Opfer.

In der DDR und der Sowjetuniongelang es in der „Tauwetter“-Periodenach Stalins Tod, das Projekt erneut

zu beleben und ihm wissenschaftlicheReputation auch in internationalen Fach-kreisen zu sichern. Im Jahre 1975 wurdeder erste von ursprünglich 170 geplantenBänden der zweiten MEGA veröffent-licht. Bis zum Ende der DDR lagen im-merhin 34 Bände vor. Nach dem Mauer-fall sah es zunächst so aus, als blüheMarx selbst, was er 1867 über Spinozaund Hegel notiert hatte: von der Nach-welt als „toter Hund“ verachtet zu wer-den. Dank der Initiative des renom-mierten Amsterdamer InternationalenInstituts für Sozialgeschichte und mitUnterstützung der scientific communitywurde 1990 die Internationalen Marx-Engels-Stiftung (IMES) gegründet. Alsneue Herausgeberin will sie die MEGAauf der Basis revidierter Editionsprin-zipien „als rein akademische Editionohne jegliche parteipolitische Ziel-setzung“ fertigstellen. Die Akademisie-rung und Internationalisierung des Pro-jekts wurde 1998 mit dem Wechsel vomPDS-eigenen Dietz Verlag zum Aka-demie Verlag vollendet. Dort rangierendie blauen Bänden nunmehr zwischenden Großausgaben von Aristoteles, Leib-

niz, Wieland und Forster.Auch die verkleinerte MEGA gliedertsich in vier Abteilungen: die I. Abteilung(Werke, Artikel, Entwürfe) wird insge-samt 32 Bände umfassen, von denen bis-lang 17 erschienen sind; die II. Abteilung(Marx’ Werk „Das Kapital“ und alle Vor-arbeiten) umfasst 15 Bände, von denenbereits 11 vorliegen; die III. Abteilung(der gesamte überlieferte Briefwechsel)umfasst 35 Bände, von denen 11 veröf-fentlicht sind; von den geplanten 32 Bän-den der IV. Abteilung (Exzerpte, Notizen,Marginalien) liegen bislang 10 vor. Um auf den eingangs erwähnten Band III/9zurückzukommen, sei ein kurzer Blick aufden gesamten Briefwechsel erlaubt, dereiner Konferenz mit über 2000 Teilneh-mern aus allen Ländern Europas und denUSA gleicht. Nur wenige Briefnachlässedes 19. Jahrhunderts können nach Umfangund Bedeutung mit demjenigen von Marxund Engels verglichen werden. Insgesamtkann man von ca. 20 000 Von- und An-Briefen ausgehen, die in einem Zeitraumvon 60 Jahren und in neun Sprachengeschrieben wurden. Die erstmalige Veröf-fentlichung von rund 10 000 Briefen anMarx und Engels ermöglicht nicht nur eintieferes Begreifen des Inhalts ihrer eigenenBriefe, sondern auch ein stereoskopischesBild ihres gesamten alltäglichen und intel-lektuellen Austausches. Wirft man einengenaueren Blick auf die Teilnehmer dieserKonferenz, so erfährt man viel über dieMilieus, in denen Marx und Engels dach-ten, stritten und handelten. Wechsel-wirkungen werden sichtbar, Vorlieben undAblehnungen. Auch der vorliegende Band macht dies-bezüglich keine Ausnahme, zumal ernach den neuen Editionsrichtlinien bear-beitet wurde, die wichtige Änderungenenthalten. Alle 311 veröffentlichten Brie-fe – davon ein Großteil der Briefe Dritter(92 von 161) zum erstenmal bzw. erst-mals vollständig – erscheinen nunmehr inchronologischer Reihenfolge und sinddurchgehend nummeriert. Damit ist derzeitgenössische Diskurs wesentlich bes-ser nachvollziehbar, zumal der Zeitraumdes Bandes eine besonders bewegte Peri-ode im Leben und Werk von Marx undEngels umfasst. Nach dem Ende der

„Reaktionsjahre“, in denen Europa „wiemit einem Leichentuch bedeckt war“,kündete – so glaubten sie – die im Herbst1857 einsetzende Wirtschaftskrise einenneuen revolutionären Aufschwung an.Marx verfiel geradezu in einen Schaf-fensrausch, der allerdings durch anhal-tende pekuniäre Not beeinträchtigt war;die beste Zeit verbringe er „mit Herum-laufen und nutzlosen Versuchen Geldaufzutreiben“, schrieb er in einem Hilfe-ruf an Engels, der in Manchester im vä-terlichen Unternehmen die Geschäfteführte.

Neben der Weltwirtschaftskrise1857/58 beschäftigten sich Marxund Engels sowohl in ihren Ar-

tikeln für die damals größte Zeitung derUSA New-York Tribune als auch in ihrenstark operativen Charakter tragendenBriefen mit allen wichtigen Fragen derzeitgenössischen internationalen Politik:der Erschütterung des bonapartistischenRegimes nach einem Attentat, der Unter-drückung des Sepoyaufstandes in Indien,der ersten Phase der britisch-französi-schen Expedition in China, dem Beginnder „Neuen Ära“ in Preußen sowieschließlich dem österreichisch-franzö-sisch-sardinischen Krieg in Oberitalien,der die Gefahr eines „großen“ europäi-schen Krieges heraufbeschwor. Soweit es um das Wirken der Autorenselbst geht, fallen in den Zeitraum diesesBandes Marx’ Fertigstellung der „Grund-risse“, seine Ausarbeitung des ersten Hef-tes von „Zur Kritik der politischen Ökono-mie“ und die Veröffentlichung von Engels’Broschüre „Po und Rhein“. Von den Brief-wechseln mit Dritten ist die Korrespon-denz mit Ferdinand Lassalle (18 Briefe anihn und 16 von ihm) die gehaltvollste undintensivste, zumal Lassalle im damaligen„Lausezustand der Parthei“ für Marx dereinzige Vertrauensmann in Deutschlandwar. Der 34 Seiten lange Brief, in dem Las-salle sein Drama „Franz von Sickingen“gegen die Marxsche Kritik verteidigte,dürfte im übrigen, was den Umfangangeht, in der Dritten Abteilung derMEGA nicht seinesgleichen finden,obwohl immerhin noch 24 Briefbändeausstehen.

„... im wahrsten Sinne des Wortesein Säkularunternehmen“

Reinhard Bernhof

HOLOCAUST GEDENKSTÄTTE ...

IBetonklötze (Stelen)

Mit der Imprägnierung gegen Sprüher betrauteine Tochterfirma der DEGUSSA

Ich lasder Konzern habe seine Vergangenheit nun bewältigt

Zyklon B abgehakt

IIDennoch:

Die Juden ein Tätervolksagte einer; sein Bild noch immer in einem bestimmten

Schaufensterkastender kleinen Stadt Schlüchtern (Hessen)

IIINichts Neues mit dem gewählten größten Deutschenden es je gab, noch vor Gutenberg, Luther, Kant, Schiller, Goethe

Marx, Einstein ...als Leitkopf der Aufnahmepartei für Gewissenswäschealler Arten von Erbgutträgern:

scheiteltragende Pappisdie

(erhobene Hand in die deutsche Luft)ein Volk – Gold mit kleinen Waffen aus den Zähnen gebrochen –in die Gruben schoben

Der unlängst erschienene neunteBand der Dritten Abteilung derMarx-Engels-Gesamtausgabe(MEGA) mit den Briefen von undan Karl Marx und Friedrich Engelsaus der Zeit von Januar 1858 bisAugust 1859 ist der erste Brief-band, der nach neuen Editions-richtlinien bearbeitet wurde. Wirhaben DR. VOLKER KÜLOW, derseit 1983 an der MEGA mitarbei-tet, aus diesem Anlass um einenÜberblick zum gegenwärtigenStand der Arbeit an diesem edito-rischen Projekt gebeten.

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 2004 HINTERGRUND • 15

[`SOLID], DER SOZIALISTISCHE JUGENDVERBAND, ZU GAST AUF DEN SEITEN VON LEIPZIGS NEUE

Anfang März startete auch hier inDeutschland die in den USA be-reits angelaufene und stark um-

strittene Kampagne „Der Holocaust aufdeinem Teller“ der Tierschutzorgani-sation PETA (People for the ethical treat-ment of animals). Trotz vielfacher Pro-teste soll die Kampagne in unveränderterWeise auf Europa ausgeweitet werden.Auch in Deutschland brandete bereitseine erste Woge der Kritik durch die Me-dienlandschaft, die vor allem an der„menschenverachtenden“ Gleichsetzungvon Mensch und Tier Anstoß nahm.

PETA: Skandal und Propa-ganda

PETA ist eine seit 1980 bestehende, aufMedienwirksamkeit ausgerichtete Orga-nisation, die mit gezielt provozierendenKampagnen auf sich aufmerksam macht.Die Marketingstrategie von PETA zieltauf eine skandalisierende Darstellung dervon ihnen angesprochenen Themen, unterder Verwendung von Slogans wie „Liebernackt als Pelz“, „Fleisch füttern ist Kin-desmissbrauch“, „Krieg gegen die Tiere“und dem aktuellen „Holocaust auf dei-nem Teller“.Eine inhaltliche Auseinandersetzung mitKritik findet nicht statt. Stattdessen wird– im aktuellen Fall – gezielt versucht, dieLegitimität dieser Kritik in Frage zu stel-

len, indem auf der PETA-Website positi-ve Zuschriften jüdischer BürgerInnenpräsentiert werden, die als Beleg für diemoralische Unangreifbarkeit der Kam-pagne dienen sollen. PETA legitimiertihre massive Medienarbeit damit, dass„tierliche Interessen nur durch Menschenrepräsentiert werden können“. Laut PE-TA gibt es keine andere Möglichkeit, alsdas „Barbarentum, das an Tieren verübtwird, mit dem gleichen und vertrauteremExtrem menschlichen Leidens“ zu ver-gleichen, damit es „letztendlich für allefassbar wird und zu Handlungen inspi-riert“ (frei übersetzt nach www.masskil-ling.com/analogy.com). Die instrumentalisierende Besetzung einesmedienwirksamen Themas war auch in derVergangenheit Strategie von PETA. Sowurde beispielweise die Krebserkrankungvon New Yorks Bürgermeister Giuliani da-für verwendet, auf die Gefahren des Milch-konsums hinzuweisen, oder dazu auf-gerufen, das Fleisch der riesigen Wale zukonsumieren, um die Gesamtzahl für denFleischkonsum getöteter Individuen zusenken. Einige Berühmtheit erlangte inden neunziger Jahren die Kampagne„Lieber nackt als Pelz“, für die Super-models in großflächigen Anzeigen um dieSympathien der Bevölkerung warben.Das Mittel der Provokation als werbestra-tegischer Methode sichert der Organisa-

tion mediale Aufmerksamkeit, wobeieine Reflexion über das eigentliche The-ma zweitrangig ist.

Die Singularität desHolocaust

Der von PETA angestellte Vergleich derShoah mit der Ermordung von Tieren inSchlachthöfen reißt die Verbrechen derDeutschen im Nationalsozialismus ausihrem historischen Zusammenhang undrelativiert damit deren geschichtlicheEinzigartigkeit. Im jüngeren antisemitischen Weltbild wird„den Juden“ eine große Macht zugespro-chen. Sie werden als die im Hintergrundstehenden entwurzelten Kräfte gesehen,die die Fäden der Weltgeschichte in derHand halten. Sie stehen in dieser Ideologiesowohl hinter den kapitalistischen wieauch den sozialistischen Mächten, verkör-pern also in beiden Varianten die unbegrif-fene abstrakte Seite der Moderne, die anihrer Person konkret vernichtet werdensoll. Deswegen ist die Ausrottung derJüdinnen und Juden auch nicht Mittelzum Zweck, sondern Zweck an sich.Moishe Postone bemerkte in seinem Auf-satz Nationalsozialismus und Antise-mitismus dazu Folgendes: „Eine kapitali-stische Fabrik ist ein Ort, an dem Wertproduziert wird, der ,unglücklicherweise‘die Form der Produktion von Gütern

annehmen muss. ... Die Ausrottungslagerwaren demgegenüber keine entsetzlicheVersion einer solchen Fabrik; sie müssenvielmehr als ihre groteske arische ,antika-pitalistische‘ Negation angesehen wer-den. Auschwitz war eine Fabrik zur ,Ver-nichtung des Werts‘. ... Der erste Schrittdazu war die Entmenschlichung, das heißt,dem jüdischen Bevölkerungsanteil die,Maske‘ der Menschlichkeit ,wegzureißen‘und Juden als das zu ,zeigen‘, was sie nachnazistisch-rassistischer Auffassung ,wirk-lich sind‘: Schatten, Ziffern, Abstraktio-nen. Der zweite Schritt war das Ausrottendieser Abstraktheit, ihre ,Verwandlung‘ zuRauch ...“ Hier wird einer der wesentlichsten Unter-schiede zwischen der Vernichtung derJüdinnen und Juden durch den Holocaustund der Ermordung von Tieren in denSchlachthöfen deutlich. Schlachthöfefunktionieren nach einem ökonomischenPrinzip. Hühner, Kühe, Schweine usw.sollen nicht vernichtet werden. IhreTötung ist nicht Zweck an sich, sonderndie Produktion von Fleisch, die Pro-duktion von Nahrung für die Menschen. Doch nicht nur aufgrund des analytischenUnterschiedes und des faktisch falschenVergleichs zwischen Shoah und Schlacht-haus ist die PETA-Kampagne nicht trag-bar. Wir leben in einer Gesellschaft, inder Antisemitismus aus den Köpfen derMenschen keinesfalls verschwunden ist,sondern sich in einem sekundären An-tisemitismus manifestiert. Dies zeigt sichvor allem in einer Verdrängung derSchuld, einer Relativierung der Ge-schehnisse während des Nationalsozialis-mus. Eine Instrumentalisierung des Holo-caust aus werbestrategischen Gründen,wie sie PETA praktiziert, trifft auf genaudiesen Boden.

• JAN DUSCHEK

„Öffne deine Augen für den heutigen Holocaust – werde Veganer.“ So die jüng-ste spektakuläre PETA-Kampagne

PETAs„Holocaustder Tiere“

Seit dem Sieg der Konter-revolution in Polen sind 14Jahre vergangen.

Polen ist in der Konsequenz der„Systemtransformierung“ in ei-nen halbkolonialen Staat umge-staltet worden, der vom US- undEU-Kapital abhängig ist. Eswurden ganze Industriezweigestillgelegt, Tausende Großbe-triebe liquidiert und damit Mil-lionen Arbeitsplätze vernichtet.Die Landwirtschaft produziert 30bis 50 Prozent weniger als vor1989. Als Folge entstand einegroße, strukturelle und chroni-sche Arbeitslosigkeit – nach offi-ziellen Angaben 3,4 Mill. Men-schen (18,5 Prozent), nach Anga-ben unabhängiger Ökonomen bis5 Mill. Das sind 25 Prozent derpolnischen Arbeitskraft.Die Widersprüche zwischen derneuen Bourgeoisie-Klasse (10 bis15 Przent) mit ihrer politischenund sozialen Klientel – die 40 bis50 Prozent des Konsumfondsverbraucht – und der großenMehrheit des ausgebeuteten undunterdrückten Volkes wachsenzunehmend. Von dieser Mehrheitleben ca. 20 Prozent gerade amMinimum der Lebensbedin-gungen und ca. 60 Prozent unter-halb der sozialen Armutsgrenze.Es grassieren wieder alte sozialeKrankheiten wie Tuberkulose.Durch die große Obdachlosig-keit (500 000 Menschen) und

durch die Fröste sterben jedenWinter 200 bis 500 Personen.Im Jugendmilieu verbreiten sichDrogensucht, Narkomanie undAlkoholismus. Neu hinzukom-mende Arbeitslose stammen zuHunderttausenden aus der jün-geren Generation, die nachabgeschlossener Berufsausbil-

dung oder absolviertem Fach-schulstudium keine Arbeit er-halten. In Polen sind offiziellmehr als eine Million Absolven-ten mit Universitäts- oder Fach-schuldiplom arbeitslos. Das Ar-beiter- und Bauernmilieu istgleichzeitig kulturell und zumangelnder Bildung degradiert.Dieser bürgerliche polnischeStaat fiel in tiefe Abhängigkeitvon den internationalen kapitali-stischen Zentren. Die Verschul-dung ist auf 80 Milliarden US-Dollar gewachsen, dazu kommtdie innere Verschuldung mit mehrals 20 Milliarden US-Dollar.Infolge der Regierungspolitikbefindet sich Polen auf dem si-cheren Weg in Richtung der la-teinamerikanischen Wirtschaft.Die Hauptsubjekte dieser Politik

sind seit 14 Jahren große bürger-liche und sozialdemokratischeParteien, die unabhängig vonihren politisch-ideologischen Un-terschieden einen „Überparteien-Pakt“ geschlossen haben für die:• Privatisierung der Wirtschaft(Verkauf für 10 Prozent des ei-gentlichen Wertes),

• NATO-Integration und• Unterstützung der EU-Oster-weiterung.Diese Politik vereinigt alleGruppen der Kompradorenbour-geoisie (mit dem Auslands-kapital liierte käufliche Bourge-oisie), die als Hauptklassensub-jekt die Interessen des fremdenKapitals bedient.In dieser dramatischen ökono-mischen und sozialen Situationverändert sich das Bewusstseinder polnischen Arbeiterklasse.Viele haben ihre früheren Idealeund Illusionen fallengelassen.Doch die Arbeiterklasse ist dank„Solidarnosc“ und der Oppor-tunisten gespalten. In den Ober-schichten der Gewerkschaftenherrschen der Sozialreformis-mus und der kirchliche Einfluss.

Ein Teil der Arbeitslosen wurdedeklassiert und lumpenproletari-siert. Sie werden für ein paarGroschen gesteuert und fallenleicht auf die politisch-ideologi-sche Dominanz und auf dieArgumente des eigenen Klas-senfeindes herein, z. B. bei derEU-Osterweiterung und dem

EU-Referendum.Große Schwierigkeiten bereitetes, das Bewusstsein in den Rei-hen der Arbeiterklasse auf dieOrganisierung zum neuen Kampfgegen den Kapitalismus vorzube-reiten. Für die Kommunisten inPolen steht jetzt die Losung: Ein-heit im Kampf gegen die Aus-beuterklasse.Die Erfolge der Bourgeoisie inPolen sowie in anderen Ländernwurden möglich, weil die Ar-beiter und die anderen Werk-tätigen die alte marxstische Lo-sung vergessen haben: „Proleta-rier aller Länder (insbesonderealler Betriebe im eigenen Land –Zb.W.), vereinigt euch!“ Jetzt istes in Polen noch zu früh, konkre-te sozialistische Ziele und Aufga-ben zu stellen. Antikapitalistische

Hauptlosungen schaffen zunächstdie Möglichkeit, breitere Kräftezu vereinigen.Angesichts der zersplittertenGewerkschaften werden PolensWidersprüche besonders deut-lich. In den Betrieben agierenmehrere schwache Gewerkschaf-ten nebeneinander, so z. B. beider Eisenbahn zwölf, in denGruben acht, während es in denneuen Betrieben auf Wunsch derArbeitgeber gar keine Gewerk-schaften gibt. In den verbliebenengroßen Industriebetrieben spielendie OPZZ (sozialdemokratischorientiert) und „Solidarnosc“(kirchlich-konservativ) die füh-rende Rolle. Sie dienen zur Un-terstützung und zum Schutz dereigenen Regierung.Die Leitungen der Gewerk-schaftszentralen arbeiten nichtzusammen. Oft stehen sie sichfeindlich gegenüber. Andererseitsbilden Belegschaften einiger Be-triebe (unabhängig von den Ge-werkschaftszentralen) eine breiteFront gegen die Liquidierung derBetriebe und damit der Arbeits-plätze. Sie formieren sich gegenden Sozialabbau.

Unser Autor, Prof. Dr. sc. ZbigniewWiktor, ist Hochschullehrer an derUniversität Wroclaw. Er war bis2002 Vorsitzender des Bundes Pol-nischer Kommunisten „Proletari-at“.

Klassenkampf in PolenVon Zbigniew Wiktor

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 200416 • GESCHICHTE

Im Herbst 1940 trat die BritichBroadcasting Corporation (BBC)an den Emigranten ThomasMann mit der Bitte heran, ermöge über ihren Sender in re-gelmäßigen Abständen an seineLandsleute kurze Ansprachenrichten, in denen er die Kriegs-ereignisse kommentieren undauf die deutschen Hörer im Sin-ne seiner oft geäußerten antifa-schistischen Überzeugungeneinwirken sollte. Bekannt war,dass Thomas Mann, der 1929den Nobelpreis für Literaturerhalten hatte, sich von Anfangan über den mörderischen Cha-rakter einer faschistischen Herr-schaft im Klaren war. Bereits imApril 1932 hatte er öffentlicherklärt: „Kein freier Mensch,kein Deutscher, der an den gro-ßen geistigen Überlieferungenseines Volkes hängt, könnteauch nur einen Tag lang atmenin dieser Knechtschaft und übri-gens würde das Atmen ihm ab-genommen, denn er würde er-schlagen werden.“ Von einerAuslandsreise, die er am 11. Fe-bruar 1933 angetreten hatte,kehrte er in das faschistischeDeutschland nicht mehr zurück.Auf die 1936 erfolgte Aberken-nung seiner Ehrendoktorwürdedurch die Universität Bonn rea-gierte er in einem Brief an denDekan der Philosophischen Fa-kultät mit einer scharfen Distan-zierung vom nationalsozialisti-schen Regime.In zuerst fünf-, dann achtminü-tigen Rundfunksendungen wand-te sich Thomas Mann von Okto-ber 1940 bis Mai 1945 regel-mäßig über die BBC an deut-sche Hörer. In seiner Anspracheam 28. März 1944, in der er an-fangs auf die Bombardementsdeutscher Städte und deren Aus-wirkungen auf die Zivilbevölke-rung einging, setzte er sich ins-besondere mit der von der na-

tionalistischen Presse des Kon-tinents in siebzehn Sprachenverkündeten Losung „Neues so-zialistisches Europa“ auseinan-der.Thomas Mann sah in dieservom Faschismus propagiertenLosung eine „schmutzige Schän-dung des Wortes und der Idee“durch ein „überdimensioniertesLustmördertum an der Wahr-heit“. Das Wort „Sozialismus“,gebraucht von den Faschisten,so Thomas Mann, ist „einedurch Raubmord erlangte Beutewie eine andere“. Es sei dieFurcht der bürgerlichen Weltvor dem Sozialismus gewesen,

die Hitler und seine Bande vom„deutschen und internationalenFinanzkapital ausgehalten undin die Macht geschoben“ habe.Man wollte von den heimlichenFreunden in den alliierten Län-dern als „Bundesgenosse gegenden Sozialismus“ angenommenwerden.Dass der „Sozialismus der fa-schistischen Volksbetrüger ...eine schamlose Farce“ ist, ver-deutlichte Thomas Mann amBeispiel der persönlichen Berei-cherung der Nazigrößen. „Hit-

ler als Hauptaktionär des Eher-Verlages übertrifft persönlichan gedunsenem Reichtum diemeisten amerikanischen Multi-millionäre“. Göring hat seit derGründung seines Konzerns „soviel kapitalistisches Fett ange-setzt, dass er mutmaßlich heutedas reichste Individuum derWelt ist“. Der „Arbeiterplünde-rer Ley“ gebietet über fünfund-sechzig Kapitalgesellschaften.Gauleiter Sauckel verfügt übereinen eigenen Trust von Waf-fenwerken und Munitionsfabri-ken. Neid und Habgier, die Lustzu plündem, der Drang, sich inMacht und Geld zu sielen, sei

ihnen eigen. Sie, die ein „neuessozialistisches Europa“ zuschaffen vorgeben, betonte er,gedachten in Wahrheit viel-mehr, sich „die Welt zu unter-werfen, damit aus dem Elendder niedergetretenen Völker dieProfite des deutschen Großka-pitals wüchsen. Monopol undAusbeutung im Riesenmaß – sienennen das Sozialismus.“Die Entschiedenheit, mit derThomas Mann die Verlogenheitdes deutschen Faschismus ent-larvte, der sich zur Täuschung

seines antisozialistischen We-sens „Nationalsozialismus“nannte, gipfelte in seinen an diedeutschen Hörer gerichtetenWorten: „Europa wird soziali-stisch sein, sobald es frei ist.Der soziale Humanismus waran der Tagesordnung, er wardie Vision der Besten in demAugenblick, als der Faschismusseine schielende Fratze über dieWelt erhob.“ Und er fügte imfesten Glauben an ein neues Eu-ropa hinzu: „Er, der das wahr-haft Neue, Junge und Revolu-tionäre ist, wird Europa seineäußere und innere Gestalt ge-ben, ist nur erst der Lügen-schlange das Haupt zertreten.“Thomas Mann, dessen politi-sche Ansichten über Jahrzehntehinweg progressive Wandlun-gen erfahren hatten, der imAntikommunismus die „Grund-torheit des 20. Jahrhunderts“sah und der im Exil in Mexikoim Bunde mit deutschen Linkenfür die Schaffung einer breitenantifaschistischen Volksfront tä-tig war, bekannte sich von bür-gerlich-humanistischen Prinzi-pien aus zu einem vor allem alssoziale Demokratie verstande-nen Sozialismus, der für ihn ei-ne geistige Orientierung imRingen um ein neues humanisti-sches Deutschland und einebenso neues Europa nach demSieg über den Faschismus war.Seine klare Bestimmung desmenschheitsfeindlichen Cha-rakters des deutschen Faschis-mus und seine bemerkenswertdeutliche Benennung der sichdes Faschismus bedienendensozialökonomischen Kräfteweisen ihn, den bedeutendstendeutschen bürgerlich-humani-stischen Romancier des 20.Jahrhunderts, als einen der en-gagiertesten bürgerlichen Anti-faschisten seiner Zeit aus, wo-von vor allem auch seine litera-rischen Werke zeugen.

• KURT SCHNEIDERIm Leipziger Insel-Verlag er-schien 1975 der Titel „ThomasMann: Deutsche Hörer, Fünf-undfünfzig Radiosendungennach Deutschland“.

KALENDERBLATT

Vor 100 Jahren geboren

Max SteenbeckEr gehörte zu den meistgeachte-ten und meistgeehrten Gelehr-ten der DDR wegen seiner her-ausragenden Leistungen als Phy-siker und zugleich wegen seineserfolgreichen Engagements alsWissenschaftsorganisator undWissenschaftspolitiker. SchonAnfang der sechziger Jahresetzte ihm Inge von Wangenheimin ihrem Roman „Professor Hu-debraach“, der den Weg einesWissenschaftlers zu sozialisti-scher Gesinnung nachzeichnet,ein literarisches Denkmal. Max Steenbeck wurde am 21.März 1904 in Kiel als Sohn ei-nes Lehrers geboren. Er starbam 15. Dezember 1981.Nach dem Studium der Physikund Chemie in Kiel und derPromotion arbeitete er zunächstals Laborleiter, dann als Techni-scher Leiter des Gleichrichter-werks von Siemens in Berlin.Von 1945 bis 1956 wirkte er inder UdSSR an der Realisierungdes sowjetischen Atompro-gramms mit. Nach seiner Rück-kehr in die Heimat wurde er Pro-fessor für Plasmaphysik an derUniversität in Jena, leitete dortdas Institut für magnetischeWerkstoffe und das Akademie-Institut für Magnetohydrody-namik – eine Wissenschaft, dieBedeutung hat sowohl für dasVerständnis der Vorgänge beider Atomkernverschmelzung alsauch für die Astrophysik.Seit 1957 bis 1962 war Prof.Steenbeck als Betriebsdirektordes späteren VEB Atomkraft-werke maßgeblich an der Ent-wicklung kerntechnischer Anla-gen in der DDR beteiligt. Er arbeitete erfolgreich auf demGebiet der Plasmaphysik, derIsotopentrennung und der Halb-leiterphysik. Zu seinen bleiben-den theoretischen Leistungengehört die neuartige Magneto-hydrodynamik turbulenter Me-dien, mit der er die Entstehungplanetarer, stellarer und kosmi-scher Magnetfelder erklärte. Als Vizepräsident der Akademieder Wissenschaften und seit1965 als Vorsitzender und zu-letzt als Ehrenvorsitzender desForschungsrates hat er weit übersein Fachgebiet hinaus die Ent-wicklung der Wissenschaften inder DDR beeinflusst.Sein politisch-moralisches Cre-do fasste er 1974 in einem Auf-satz im Jahrbuch Wissenschaftund Menschheit u. a. in folgen-de Worte: „Wer sein eigenes per-sönliches Leben als etwas für ihnBedeutsames, Wertvolles, Schö-nes, Nützliches ansieht, weil erselbst daran gearbeitet odermitgearbeitet hat, ihm diesen In-halt zu geben, der soll auch da-für sorgen, daß das Leben wei-tergeht. Freude und Verzweif-lung, Lieben, Wünschen, Hassenund Versagen, die Höhen undTiefen sind wert, durchlebt zuwerden – auch die Tiefen ...“

• GÜNTER LIPPOLD

Thomas Mann am Radiomikrofon der BBC

„Deutsche Hörer! ...“Thomas Manns Rundfunkansprache am 28. März 1944

Zwar sind die meisten Straßen-namen mit dem Attribut Straßeversehen, doch sind eben auchGassen, Wege und besonders beizuletzt vergebenen Namen vieleandere Bezeichnungen finden. Bis 1839 gab es in Leipzig über-haupt keine Straßennamen. DieHäuser waren nummeriert oderhatten Häusernamen; das warnoch überschaubar. Im Volks-mund gab es aber bereits Be-zeichnungen, die dann 1839 zu-meist offiziell übernommenwurden. Dabei nannte man dieStraßen innerhalb der früherenStadtmauer traditionell Gassen.Solche Namen haben sich bisheute in der Innenstadt erhalten,u. a. Barfußgäßchen, Gewand-gäßchen, Klostergasse. Außer-halb gab es zumeist Landstra-ßen, die aber keinen Namen be-saßen, sondern nur die Richtung

angaben (z. B. Landstraße nachHalle) oder Wege. War der Wegbefestigt oder gar gepflastert,war es ein Steinweg (Grimma-ischer Steinweg). In der Regelbezeichnete aber der Weg eineuntergeordnete Zufahrts- oder

Ausfallstraße, auch eine Straßeohne Verbindungscharakter (Ge-richtsweg zur Richtstätte, Heu-weg, Viertelsweg). Die Bezeich-nung Weg kam dann aber nach1920 und besonders nach 1930in Mode, als Siedlungen gebautwurden und die dortigen Straßennur für die Anwohner gedachtwaren (Gontardweg, Undinen-weg). Die Wegenamen wurdenauch in der DDR beibehalten(Jörgen-Schmidtchen-Weg).

Auffällig ist auch, dass bei Um-benennung die Bezeichnung Wegbeibehalten wurde (Radetzky-weg in Heinrich-Mann-Weg). Indie Zeit zwischen den beidenWeltkriegen fallen besonders inSiedlungen auch die Bezeich-

nungen Steig (Finkensteig, Goe-thesteig), Pfad (Fasanenpfad,Fuchspfad) und Hof (Fliederhof,Erkerhof).Jedem verständlich ist wohl dieBezeichnung Allee, die für baum-bestandene Landstraßen oderAusfallstraßen verwendet wurdeund wird, und auch Ring (Mar-tin-Luther-Ring, Georgiring) alsBezeichnung für eine rund umetwas führende größere Straße.Doch in Leipzig gibt es auch je-

ne Straßenerweiterungen, dieman in kleineren Städten undGemeinden Markt nennt. In deneingemeindeten ehemaligenVororten (Volkmarsdorf, Linde-nau) blieb diese Bezeichnung er-halten. Auch in der Innenstadterhielt der neue Markt den Na-men Neumarkt. Aber ansonstenheißen sie natürlich Platz. Ty-pisch für Leipzig ist, dass siezwar Namen haben (Coppiplatz),aber aus unerfindlichen Gründennicht beschildert sind.Blieben noch jene Bezeichnun-gen, die zumeist stark ortsge-bunden sind, die Straßen mitdem Am ..., An der ..., Zu ... undZum ... . Sie sind entweder demVolksmund entnommen oder ge-ben Richtungen an. Sie sind in-teressante Tupfer in der sonststrengen Namensregulierung.

• DIETER KÜRSCHNER

Was sich hinter LEIPZIGER STRAßENNAMEN verbirgt (26)

Straßen, Plätze, Gassen

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 2004 SPORT / TV / RÄTSEL • 17

STADION. Es klingt absurd, aber ichkann Ihnen nichts Neues mehr melden.Weder über den Skandal um das Münch-ner Stadion noch über den um dasLeipziger Stadion. Absurd, weil mansicher sein kann, dass spätestens über-morgen neue Skandale aufgedecktwerden. Ich kann aber nicht bis über-morgen warten und fliehe deshalb indie Vergangenheit und teile mit: Ichhabe 49 volle Stunden am Zentralstadi-on mitgearbeitet, war einer der 180 218freiwilligen Helfer – vielleicht sollteich das „freiwillig“ doch streichen,denn mancher erinnert sich garantiertdaran, dass die „Freiwilligen“ in Wirk-lichkeit von grimmigen Stasi-Kom-mandos aus ihren Wohnungen auf dieBaustelle getrieben wurden –, die innur 16 Monaten Deutschlands größtesStadion schufen. Und was aus heutigerSicht unvorstellbar ist: Ohne denHauch eines Skandals! Wie soll mandas heute jemandem erklären? Ichweiß, dass mir allein diese Frage, denzornigen Vorwurf einträgt, ein Unbe-lehrbarer zu sein. Einer, der noch im-mer nicht in der großen Freiheit ange-kommen ist. Im Vertrauen: Das störtmich wenig. Mich bewegt heute, da beijedem Handschlag nur gefragt wird, ober sich rechnet, nur die Frage, ob dieStadionfinanziers von heute den180 217 unbezahlten Helfern und mirnicht noch etwas schuldig sind. Ich

lese ständig von Altschulden und ge-langte zu dem Schluss, dass ich viel-leicht auch welche einzutreiben hätte.Nämlich für die 49 Stunden. Die kön-nen doch kaum ins Gewicht fallen,wenn die Stadt Leipzig beginnt, diejüngst angemahnten offenen Rechnun-gen zu bezahlen. Ich fand heraus, dassman schon 1999 – also vor 60 Monaten– ein Gutachten über die veranschlag-ten Kosten für das neue Stadion in Auf-trag gegeben hatte, in dem der Satzsteht: „Die Kostenberechnung mit

einer Gesamtsumme von brutto ca. 136Millionen Mark ist nach unseren Er-fahrungswerten absolut unauskömm-lich.“ (Schon das „unauskömmlich“fand ich „geil“.) Kurzum: Der Gegen-wert für meine 49 Stunden muss danoch abfallen. Er wird allerdings nichtreichen für eine Eintrittskarte zur Fuß-ball-WM im neuen Stadion.GEHÄLTER. Weil wir gerade beimGeld sind. Ich dachte mir, Sie habenein Recht darauf, zu erfahren, was manin einer Zeit, da alle Renten ein weniggekürzt werden, jenen jungen Männernjährlich zahlt, die am Steuer eines For-mel-I-Rennwagens durch die Kurvender Autodrome rasen. Ohne lange Vor-rede: Michael Schumacher 56 Millio-nen € (Stundenlohn einschließlich allerNächte und Feiertage = 6392 €), RalfSchumacher 18 Millionen €, RubensBarrichello 12 Millionen €, Kimi Räik-könen 10 Millionen €, Pablo Montoya9 Millionen €, David Coulthard 8 Mil-lionen €, Jenson Button 6 Millionen €,

Jarno Trulli 5 Millionen €, Christianoda Matta 4,5 Millionen €, Oliver Panis4 Millionen € (die immer noch einenRund-um-die-Uhr-Stundenlohn von456,62 € ergeben). Und wohlgemerkt:Es soll sich dabei um Sport handeln.Dass es sich beim Schwimmen umolympischen Sport handelt, ist be-kannt. Mark Warnecke ist einer dergroßen deutschen Schwimmer, der inAthen zum fünften Mal an Olympi-schen Spielen teilnehmen könnte. Der34-Jährige arbeitet inzwischen als Arzt

und hat sich vorgenommen, den Olym-piasieg über 100-m-Brust anzusteuern.Es würde sich lohnen: Ein Sponsor hatversprochen, eine Million Euro hinzu-blättern, wenn er es schafft. Genugzum Thema Geld.VETERANEN. So wie Klassentreffenin Mode gekommen sind, treffen sichauch regelmäßig Sportveteranen. Un-längst in Cottbus waren die Turner ei-nen Abend lang beisammen und hattenbis tief in die Nacht unendlich viel zubereden. Einer an einem Tisch warManfred Paschke aus Schwedt, der nieum eine Olympiamedaille kämpfte,aber sein Leben lang junge Menschenfür das Turnen begeisterte und mitzwei talentierten Jungen nach Cottbusgekommen war. In meinen Augen einKandidat für den Olympischen Orden.Aber Paschke hatte Pech, an jenemAbend verlieh der IOC-Präsident ei-nem anderen Deutschen den Orden fürseine olympischen Verdienste: Johan-nes Rau.

Sportkolumne

Meine Altschulden beimLeipziger Stadion

VonKLAUS HUHN

TELESKOPLarifari!

Zu den Niederungen des bundesdeut-schen TV-Journalismus gehört „Exklu-siv-Weekend“ – präsentiert von Modera-torin Frauke Ludowig auf RTL. Die Ver-leihung des „ECHO 2004“ wird zu einemweltbewegenden Ereignis aufgebauscht,spektakuläre Wichtigkeiten breitgetreten:Eva Hassmanns kleiner Hunger oder dieAbwesenheitszeiten (Toilettenpausen) derStars, die mit der Stoppuhr gemessenwerden. „O Mann, habt ihr nichts zutun?“, kommentiert selbst Wayne Car-pendale, der sonst im Medienzirkus überjedes Stöckchen springt. Ein „Prof. Dr.DJ Tomekk“ untersucht im „ECHO-Pro-mi-Privat-District“ die Dekolletés undnennt dies „Apfelforschung“. EinzigerLichtblick: Der Leipziger SebastianKrumbiegel („Die Prinzen“) stellt – si-cherlich nicht im Sinne des Tratschmaga-zins – Prominente auf die Probe: „Werstiftet den ECHO? Warum sind die Pro-mis gekommen? Wegen Alkohol und Dro-gen auf Kosten des Hauses?“ Nüchtern(!) stellt er am Ende fest: „Viele sind nurzum Saufen gekommen.“ Weiter geht’smit dem „after show report“ – man könn-te in Versuchung kommen, das erste Wortdirekt als deutsches zu verstehen ... DieMarionetten der Musikindustrie grinsenund lallen in die Kamera. Szenenwechsel: Elke Sommer sülzt in LosAngeles anlässlich einer Silikon-Promi-Party ihre Lebensweisheiten heraus. Einetrotz ärztlicher Künste alternde Immobi-liendiva aus L.A. ergänzt: „Man musssich operieren lassen. Wir gehen allesechs Monate.“ Ja, so sind sie, unsereUS-amerikanischen Freunde. Festzuhal-ten bleibt nach einer reichlichen StundeQual vorm Fernseher: Eine Sendung aufübelstem BILD-Niveau. Larifari. Anders gesagt: „Die Massenmedien sindzu kommerzieller Desinformation ver-kommen, zu Verdummungs-Mechanis-men“ (Karl-Eduard von Schnitzler imJahre 1993). • D. M.

Die gesuchten Begriffe sind silben-weise einzutragen. Bei richtiger Lö-sung ergeben die gekennzeichnetenSilben eine Komödie von Goldoni,deren Titelgestalt zu den ParaderollenRolf Ludwigs an der Berliner Volks-bühne gehörte:

1 2 3 4 5 6 7

waagerecht: 1. Segelausrüstung vonSchiffen 4. Antrieb, Steuerung 7. sangba-re Tonfolge 9. Vielseitigkeitsprüfung imReitsport 11. Hohlmaß 12. ungarischerOperettenkomponist 14. Pflanzenwelt 15.Gattung d. bildenden Kunst 17. Bewusst-losigkeit 19. Fäulnisstoff 20. finnischerSchriftsteller (†1930) 21. Vierpolröhre22. Model 24. Gestalt aus „Wallenstein“25. Hieb- u. Stoßwaffe d. Mittelalters 27.sowjet. Kosmonaut 29. instrumentalesfestliches Vorspiel (16./17. Jahrh.) 31.Ränkespiel 35. ital. Stadt in d. Landes-sprache 38. Reitbahn, Vorführfläche 40.nordgriech. Hafenstadt 42. kurzes Ge-wehr 44. Unrecht, Sünde 45. Kunststil d.18. Jahrh. 47. ein Jagdruf 48. Not, Jam-

mer 49. Windstille 50. Nachlass, Hinter-lassenschaft 51. höchster Gipfel d. Ostal-pen 53. Berliner Ortsteil 54. Stimmlage57. Nebenfl. d. Elbe 59. Tierschau, -gehe-ge 62. Einfall, Idee 63. bejahrter ver-dienstvoller Werktätiger (in d. DDR) 64.Bewohner einer Stadt in Sa.-Anh.senkrecht: 1. Übersicht, Aufstellung 2.ital.: See 3. span. Maler (†1989) 4. engl.weibl. Vorname 5. Teil d. Auges 6. Flussin Italien 7. Längenmaß 8. Vorraum, Flur9. Pflaumenart 10. trop. Baum 11. süd-

amerik. Hauptstadt 13. Musikinstrument15. span. Süßwein 16. Pferdesportlerin17. ein Beruhigungsmittel 18. Schaden,Unglück 22. buddhist. Schaubild, Medita-tionshilfe 23. Komposition für fünf Stim-men 25. Name d. Griechen im Altertum26. Turngerät 28. Künstlergehalt 30.Weinsorte aus Südtirol 32. Hauptstadtvon Mali 33. gefeierte Schauspielerin,Star 34. Drama von Ibsen 36. altägypt.Königin 37. Spielkartenfarbe 39. gezier-tes Benehmen 40. lichte Weite von Roh-

ren 41. dünnes Metallblättchen, blattför-mige Gewebsschicht 42. Titelgestalt beiL. Tolstoi 43. Schmuckwarengeschäft 46.heiliges Buch d. Islam 50. ein Planet 52.antike assyr. Hauptstadt 55. Nordeuropäer56. Baumteil (Mz.) 57. weibl. Vorname58. Arzneipflanze 59. oberital. Stadt 60.Leichtathlet 61. Naturfaser

5. Todestag von Rolf Ludwig

IMIM RRAMPENAMPEN--LICHTLICHT

Auflösung des Rätsels 5‘04:C H R I S TA W O L F

E I N TA G I M J A H R

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LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 200418 • POST

Ostermarsch 2004:Berlin – Neuruppin – Wittstock – Fretzdorf

Kein Bombodrom –Bundeswehrabschaffen!

Grundgesetzwidrige Auslands-einsätze der Bundeswehr sindgewohnte Realität geworden.Mehrere tausend Soldaten„verteidigen die Bundesrepu-blik am Hindukusch“.Wer Krieg führen will, benötigtneben Soldaten, Waffen undGeld zwei weitere Dinge: eineideell „kriegsdienstverwen-dungsfähige“ Bevölkerung unddie Möglichkeit, den Kriegstandortnah unter möglichstrealen Bedingungen zu trainie-ren. Die Wiederaufnahme desBombenbetriebes in der Kyritz-Ruppiner Heide ist daher einesder prestigeträchtigsten Pro-jekte des derzeitigen Kriegsmi-nisters und seiner Vorgänger. Unsere Tour beginnt nach ei-ner Verabschiedung in Leipzigam Karfreitag an der Neu-enWache in Berlin und führt unszunächst über Oranienburgund durch das Rhinluch mitdem Schlachtfeld von Fehr-bellin nach Neuruppin. AmSonnabend steht eine symboli-sche Umfahrung des Platzesüber Zühlen, Rheinsberg undSchweinrich nach Wittstockauf dem Plan. Am Sonntagbeteiligen wir uns am Oster-marsch der BürgerinitiativeFREIe HEIDe in Fretzdorf.

Friedensweg e.V. Leipzig und Landesverband Ost der Deutschen-

Friedensgesellschaft – VereinigteKriegsdienstgegnerInnen

Kontakt: [email protected]

!Die auf der POST-Seite vonLEIPZIGS NEUE veröffentlichtenLeserzuschriften können beiWahrung ihres Sinnes gekürztsein.Die geäußerten Standpunkteund Meinungen müssen nichtunbedingt mit denen derRedaktion übereinstimmen.

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Nun ist sie wieder angebro-chen: die Michael-Schu-

macher-Zeit. Eingeläutet wurdesie am Sonntag, dem 7. März,auch beim selbsternannten HeimatsenderMDR 1 Radio Sachsen früh in den 8-Uhr-Nachrichten, als die Sachsen mit der Spitzen-meldung vom Sieg des Formel-1-Piloten inAustralien überrascht wurden. Den lauschen-den Hörern wurde mitgeteilt, dass dieserErfolg sein 71. Formel-1-Sieg gewesen sei,und es folgten dann weitere begeistert vorge-tragene Angaben über die Heldentaten des M.

Sch. auf dem italienischen Ferrari, dass manversucht war zu glauben, Michael Schuma-cher wäre selbst ein Sachse. Freilich wurde inden euphorischen Verlautbarungen des Nach-richtensprechers glatt vergessen, dass der 6-malige Formel-1-Weltmeister ein ganz ge-wöhnlicher Steuerflüchtling ist, der als solchernach dem Willen des Bundeskanzlers ei-gentlich geächtet werden müsste.

Nach den bereits gemachten Er-fahrungen ist anzunehmen, dass dieBürger unseres Landes von denMedien bis zum Herbst nun wieder

in steter Regelmäßigkeit über Leben und Wir-ken sowie den Gemüts- und Gesundheitszu-stand des großen Triumphators in allen Ein-zelheiten unterrichtet werden. Meldungenüber Massenarbeitslosigkeit oder Reform-Skandale wirken da nur lästig. Denn: DieMichael-Schumacher-Zeit hat uns wieder.

GÜNTHER RÖSKA, LEIPZIG

Gut für miserable Politik:

Schumi-Zeit ist angebrochen

Dass das Volk der „Dichterund Denker “ im neuen Jahr-

tausend auf der literarischenStrecke arge Probleme hat, pfei-fen die Spatzen längst von denDächern.Doch nun hat eine Frau Groß-mann (für die Dresdner Sächsi-che Zeitung) Bücher von Nach-wuchsautoren aus dem OstenDeutschlands vorgestellt, die ge-radezu großartig sein müssen,denn: „An diese Art Literaturwerden die Leser noch in hundertJahren ihre Freude haben.”

Wenn die Verlegerin in Frank-furt/Main Frau Schöffling überdas Buch vom Autor MichaelTetzlaff Ostblöckchen sagt, dasssie zwar nicht beurteilen könne,was Tetzlaff schreibt – aberschreiben, das könne er, und hin-zufügt: Für Westleser dürfte dasBuch spannender sein als fürOstleser, kann ich Letzteres nur

bestätigen. Denn der Westleserweiß dank Bild ganz genau,wiees damals in der „Zone“ zuging.Und ganz genau dieses Bildbedient der „Ossi“ Tetzlaff, der1989 gerade 11 Jahre alt warund demzufolge weiß, wovon erspricht. So stellte er im Juli vori-gen Jahres in der FrankfurterRundschau unter der Rubrik

„Neues aus der Zone“ einen Ost-fleischer vor, der seine verschis-sene Unterhose zusammen mitdem Wellfleisch in einem Wasch-kessel kochte, diese dann im Suffverkostete und feststellte, dassdas „Fleisch“ noch zu zäh sei.Was haben da die Hessen undOberbayern gelacht!Mein ehemaliger Hausfleischer,dem ich das erzählte, sagte dazunur: Widerlich!Dem konnte ich nichts hinzufü-gen.ERHARD RICHTER, ZEITHAIN

Weiß Tetzlaffchen, wovon es spricht?

Im Oktober 2000 wurde in Leipzig dasBürgerbegehren „Stoppt Schulschlie-ßungen“ von Eltern initiiert, die denunkontrollierten und nur von Spar-zwängen getriebenen Kahlschlag in derSchullandschaft Sachsens bzw. Leip-zigs nicht länger tatenlos hinnehmenwollten. Auf der Suche nach Verbünde-ten kam es zu Kontakten zu den „jun-gen (Wilden) Leuten“ von linXXnet.Der erste Eindruck war für alle Betei-ligten etwas gewöhnungsbedürftig,aber schnell waren wir uns einig, dasswir ein gemeinsames Ziel verfolgen.Die Räume von linXXnet wurden zumregelmäßigen Treffpunkt für inhaltli-che, taktische und logistische Bespre-chungen über die Organisation derUnterschriftensammlungen in Leipzig. Vier Jahre linXXnet – vier Jahre ange-regte, teilweise kontroverse, aber immerkonstruktive Diskussionen und vieleerfolgreiche gemeinsame Aktionen.Macht weiter so! THOMAS FREYER

Macht weiter so!Flüchtlingen weht ein eis-kalter Wind in’s Gesicht.

Die europäische und deutscheAsylpolitik gestaltet sich im-mer restriktiver. Werden Men-schenrechte und Menschen-würde zu Fremdwörtern? Einneues deutsches Zuwande-rungsgesetz steht kurz vor derVerabschiedung im Bundes-tag. Wird es dann noch einRecht auf Asyl geben?Eine solche Gesetzgebung ent-stand nach dem 2. Weltkrieg,als Millionen von Menschenschutz- und heimatlos undohne jeden Status auf dieserWelt umherirrten. Aber auchgegenwärtig gibt es Länder, indenen Krieg und kriegerischeAuseinandersetzungen die Re-alität ist, wo Menschenrechtemit Füßen getreten und kriti-sche Stimmen verfolgt wer-den; Menschen mit Unterdrü-ckung, Folter und Hinrichtun-

gen leben müssen; Frauen undKindern ihre Rechte und Frei-heiten nicht zugestanden wer-den; individuelle Freiheitennicht gewährleistet sind. Einsolches Land ist der Iran, mei-ne Heimat, die ich bedauerli-cherweise verlassen musste. Mit unserer Mahnwachemachten wir auf diese Situati-on aufmerksam und fordertenunter anderem eine objektiveAnerkennungspraxis; kosten-lose Rechtsvertretung im Asyl-verfahren; Abschiebestopp fürAsylbewerber aus Ländernwie z. B. dem Iran, wo unfaireProzesse, Folter oder gewalt-same Auseinandersetzungenan der Tagesordnung sind;

Abschaffung der Drittstaaten-Regelung, Mindeststandardsfür Lebensbedingungen derAsylbewerber/innen undGleichstellung mit Sozialhilfe-empfängern.Abschließend möchten sichdie iranischen Vereine für dasrege Interesse an unsererMahnwache bedanken. Wirdanken ebenso allen Unterstüt-zern/innen, dem Weltladen –Eine Welt e.V. und ganz beson-ders der PDS in Leipzig fürihre finanzielle Spende, ohnedie diese Aktion so nicht hättestattfinden können.Nicht in Iran,nicht in Deutsch-land – wo können wir leben?

FARZIN-AKBARI KENARI

Wo können wir leben? Nachtrag zur Mahnwache gegen die Flüchtlingspolitikder EU und der BRD auf dem Leipziger Augustusplatz

LEIPZIGS NEUE • 6 ‘04 • 19. MÄRZ 2004 SERVICE / ANZEIGEN • 19

Von dem, was vor 164 Jahrenaus der naturkundlichen Samm-lung der Leipziger Apotheker-Famile Linck, über drei Genera-tionen fortgeführt, nach demsächsischen Waldenburg ge-langte und dort zum Grundstockeines Museums wurde, ist eineAuswahl für zwei Monate nachLeipzig zurückgekehrt. „VomDrachenkopf zum Saufisch“ –unter diesem Titel hält die Son-

derschau eine bunte Palette se-henswerter Exponate bereit. Siereicht von Präparaten exotischerTiere, Herbarien, Versteinerun-gen, Mineralien, Anomalien derNatur – darunter ein zweiköpfi-ges Kalb – und anderen Rari-täten bis zu wissenschaftlichenModellen und Geräten aus dem17. und 18. Jahrhundert undvölkerkundlichen Objekten. Ei-ne Sammlung von 810 Hölzern

gehört dazu. Vertreten sind auchDrogen- und Gewürzschränkeaus der Linckschen Apotheke,die übrigens der Vorgänger desLöwenapotheke in der Grimma-ischen straße war.Die Sonderschau wird bis zum16. Mai gezeigt. Führungen fin-den finden statt am 28. März, 4.April, 9. und 16. Ma, jeweils10.30 Uhr sowie am 15. Aprilund 6. Mai jeweils 14 Uhr.

Im Naturkundemuseum:

Naturalienkabinett Waldenburg zu Gast

Montag, 22. März, 19 Uhr, DresdenFilm und Diskussion: Eine andere Welt wird sie brauchen! Femi-nistische Perspektiven des WSF 2004 in Mumbai. Mit Andrea Plö-ger (Videoaktivistin) und Silke Veth (Rosa-Luxemburg-Stiftung,Berlin), gemeinsam mit attac-Dresden „Wir AG“, Martin-Luther-Str. 21Donnerstag, 25. März, 19 Uhr, DresdenEuropäische Linkspartei – Herausforderungen für die Linke im Eu-ropäischen Einigungsprozess. Mit MEP Sylvia-Yvonne Kaufmann(PDS-Spitzenkandidatin für Europawahl), Katja Kipping (stellv. PDS-Bundesvorsitzende) und Helmut Scholz (PDS-Kandidat für Europapar-lament, AG Friedens- und Internationale Politik der PDS)Haus der Begegnung, Großenhainer Str. 93 Donnerstag, 25. März, 18 Uhr, LeipzigWas ist Kritik? Mit Dr. Wilhelm Schmidt (Berlin), gemeinsam mitder studentischen Initiative „Kopfschlag“ u. a.) Universitätsbibliothek, Fürstenzimmer, Beethovenstr. 6 Donnerstag, 25. März, 17 Uhr, LeipzigVeranstaltung zur Buchmesse Die „Neuordnung“ des europäischenBuchmarktes 1938–1945. Mit Prof. Dr. Otto Seifert, Historiker (Lei-pzig). Kostenbeitrag 1,50 € Harkortstr. 10 (Bibliothek im Kellergewölbe) Donnerstag, 25. März, 19 Uhr, LeipzigHermann Weber / Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biografi-sches Handbuch 1918 bis 1945. Karl Dietz Verlag 2004. Kostenbeitrag1,50 €Harkortstr. 10 Freitag, 26. März, 16 Uhr, LeipzigDer Rundfunkpionier der DDR. Hans Mahle– eine Biografie.VSA-Verlag, Hamburg 2004. Lesung mit Katharina Lange (Berlin).Kostenbeitrag 1,50 €Harkortstr. 10 (Bibliothek im Kellergewölbe)Freitag, 26. März, 18 Uhr, LeipzigUwe-Jens Heuer: Die Krise der Politik aus marxistischer Sicht.VSA-Verlag, Hamburg 2004. Diskussion mit Prof. Uwe-Jens Heuer.Kostenbeitrag 1,50 € Harkortstr. 10 (Bibliothek im Kellergewölbe)Freitag, 26. März, 19 Uhr, LeipzigSpäte Veranstaltung zum Internationalen Frauentag: KAFFEEVERKEHRT: Adam aus Evas Rippe ... Wundersames über Frauenund Männer.*** Entdeckt in Irmtraud Morgners Roman-Trilogie.Literarisches Programm und anschließende Gesprächsrunde mitLISA und Frauen aus aller Welt. Mitwirkende: Dr. Christel Hartinger(Leipzig) und Gisela Oechelhaeuser (Berlin)Harkortstr. 10Sonnabend, 27. März, 10 Uhr, LeipzigRolf Grunert: Der Kriminalkommissar – Biografie. NORA Verlag2003. Kostenbeitrag 1,50 €Harkortstr. 10 (Bibliothek im Kellergewölbe)Sonnabend, 27. März, 11 Uhr, LeipzigLEIPZIG LIEST Manfred Böttcher: Haben wir das verdient? – ImBlickfeld sieben Jahrzehnte, drei Gesellschaftsordnungen und einLeben. NORA Verlag 2003. Kostenbeitrag 1,50 €Harkortstr. 10 (Bibliothek im Kellergewölbe)Sonntag, 28. März, 13 Uhr, LeipzigLEIPZIG LIEST Felicia Langer: Brandherd Nahost oder: Diegeduldete Heuchelei. Lamur Verlag 2004. Lesung mit Felicia Lan-ger, Anwältin und Publizistin, Trägerin des Alternativen Friedensno-belpreises. Moderation: Dr. Christel Hartinger (gemeinsam mit Bundder Antifaschisten Leipzig, Deutsch-arabisches Kulturhaus, Frei-tagswerkstatt, R. u. A. Karachouli)Neue Messe, CCL-Messe-Kongress-CentreDienstag, 30. März, 18 Uhr, LeipzigDer Kirchenbegriff in der Religionsphilosophie I. Kants. Mit Dr.Werner Wittenberger (Leipzig)Harkortstr. 10Mittwoch, 31. März, 18.30 Uhr, LeipzigBuchvorstellung mit dem Autor Viktor Timschenko: Putin und dasneue RusslandKlub Gshelka, An der Kotsche 51Mittwoch, 31. März, 19 Uhr, DresdenAufbau oder Stagnation? Die Entwicklung des Arbeitsmarktes inSachsen. Mit Karl-Friedrich Zais, MdL (Sprecher für Arbeitsmarkt-politik der PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag)„WIR AG“, Martin-Luther-Str. 21Mittwoch, 31. März, 18 Uhr, Chemnitz1917 – Revolution oder Konterrevolution. Alexander Jakowlew: DieAbgründe meines Jahrhunderts. Mit Dr. Werner Abel (TU Chemnitz)Soziokulturelles Zentrum QUER BEET, Rosenplatz 4Mittwoch, 31. März, 19 Uhr, LeipzigFilmabend GlobaLE 2004: Die Schöpfer der Einkaufswelten undSurplus (gemeinsam mit Attac Leipzig)naTo, Karl-Liebknecht-Str. 46Sonnabend, 3. April, 13 Uhr, 15 Uhr und 17 Uhr, ZwickauLateinamerikanischer TagDr. Peter Hamann: Hoffen auf Lula. Soziale und politische Bewe-gungen in Lateinamerika. Dr. Werner Abel: Die politische Theorievon Che Guevara. Hedrick Hadlich: Wo stehen die Zapatisten? Her-kunft und Perspektiven der mexikanischen RebellenMuldenbühne im Bunten Zentrum, Kleine Biergasse 3*** Die Veranstaltung wird gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stif-tung, Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e. V. durchgeführt.Die Veranstaltungen sind für jedermann offen

Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V.": 0341-9608531, Fax: 0341-2125877

VERANSTALTUNGEN

Carl-Schorlemmer-ApothekeInhaber:FSD PhR Friedrich RoßnerFachapotheker fürAllgemeinpharmazieKarlsruher Straße 5404209 Leipzig

Telefon (03 41) 4 22 45 58Arzneimittel-InformationArzneimittel-Abgabe

Telefon/Fax (03 41) 4 12 71 91Büro / Apothekenleiter

Zum Gedenken an die am 12. April 1945 in Linden-thal von der SS ermordeten 9 polnischen, 21 deut-schen und 23 sowjetischen Bürger findet am Sonn-abend, 10. April, eine Gedenkfeier statt. Die Ge-denkrede hält der russische Generalkonsul Sirota.

Treffpunkt: 9.45 Uhr in Lindenthal, Karl-Marx-Platz oder 10 Uhr am Denkmal.

Der Stadtvorstand Leipzig des VdN / BdA ruft alle Kameraden,Genossen und Bürger Leipzigs zur Teilnahme an dieser Veranstal-tung auf.

ISOR e. V.Isor e.V. führt Beratungen fürRentner und angehende Rent-ner durch, die Mitarbeiter derbewaffneten Organe und derZollverwaltung der DDR wa-ren.Die Sprechstunden finden anjedem vierten Mittwoch desMonats von 16 bis 18 Uhr imStadtteilzentrum Messemagis-trale, Straße des 18. Oktober10 a, 04103 Leipzig, statt.

Wie die Russen ins Dorf einzogenDer Autor dieses Buchtitels, Helmut Griebenow, liest am 25.

März, 19 Uhr, in der Stadtteilbibliothek Möckern, Leipzig, Georg-Schumann-Str. 171 (Axis-Passage).

Der Literarrische Arbeitskreis der Rosa-Luxemburg-StiftungSachsen stellte den Autor und sein im Verlag Frieling & Part-ner erschienenes Buch erstmals im Juli 2003 der LeipzigerÖffentlichkeit vor. Über die Resonanz dieser stark besuchtenVeranstaltung berichtete LN in der Ausgabe 17 / 03.

Unserer lieben GenossinDr. Uschi Wohlfeldzu ihrem Jubiläum

am 24. 3. 04herzliche Grüße undalle guten Wünsche

Die Genossinnen undGenossen der BO 232

im OV PDS Gohlis-Nord

Sonnabend, 20. 3., 10 Uhr:Kundgebung der DKP Leipzigvor dem Generalkonsulat derUSA, Wilhelm-Seyffert-Str. 4,im Rahmen des weltweiten Akti-onstages gegen Kriegspolitikund Kriegseinsätze anlässlichdes Jahrestages des Überfalls derUSA und ihrer Verbündeten aufden Irak. Alle Bürger Leipzigssind zur Teilnahme aufgerufen.

Chiemsee und Hohe Tatra rufen!

Wer hat Interesse in einerfreundlichen Leipziger Rei-segruppe (Reiseklub Berlin –Volkssolidarität) vom 29. Maibis 6. Juni in die Hohe Tat-ra / Strbske Pleso (Hinfahrtmit Zwischenübernachtung inBrno) undvom 20. bis 25. Septemberan den Chiemsee / Prien zufahren?Es sind noch Plätze frei!Näheres vonGisela Boldt: Tel.: 0341-412 21 90

TheatriumLeipzig, Miltitzer Allee 52

25. 3., 20 Uhr, 26. 3., 10 und 20Uhr, Haus Steinstraße: Spoonfa-ce Steinberg – ab 15 Jahre27. 3., 20 Uhr und 28. 3., 19Uhr: Das Königsexperiment. Ju-gendtheaterprojekt – ab 14 Jahre

6 ‘04 • 19. MÄRZ 200420 • ALLERHAND

FUNDSACHEN

64001 DP AG Postvertriebsstück Gebühr bezahltProjekt Linke Zeitung e. V., Braustraße 15, 04107 Leipzig

Herausgeber: Projekt Linke Zeitung e.V.,V. i. S. P.: Rahel Springer

Redaktion: Braustraße 15, 04107 Leipzig,Tel./Fax: 0341 / 21 32 345E-Mail: [email protected]: www.leipzigs-neue.deEinzelpreis: 1 Euro, im Abonnementhalbjährlich (für 13 Ausgaben): 13 Euro

Vertrieb, Abonnement, Abrechnung: RalfFiebelkorn, Büro- und Verlagsservice, Gärt-nerstraße 113, 04209 Leipzig. Tel./Fax :0341 / 21 32 345

Anzeigen, Werbung: BERG-digital, Hans-Jürgen Berg, Ziegelstraße 7c,04420 Markranstädt. Tel.: 034205/18010, Fax: 034205/18 062 E-Mail:[email protected]

Druck: Rollenoffset-Kiel GmbH

Einzelne Beiträge müssen nicht mit der Mei-nung der Redaktion übereinstimmen. Fürunverlangt eingesandte Manuskripte undFotos wird nicht gehaftet.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 16. MärzDie nächste Ausgabe erscheint am 2. April

Unsere literarischeEntdeckung auf

der Grünen InselDieser Bericht sollte schon längst ge-

schrieben sein. Aber die aktuellen po-litischen Themen, denen sich LeipzigsNeue couragiert widmet, hielten michimmer davon zurück, mit unseren irischenReiseeindrücken und einer literarischenEntdeckung an die Öffentlichkeit zugehen.Aber seit der der diesjährigen Nummer 1von LN gilt auch für mich: „Wer zu spätkommt ...“ Diesen Gedanken hatte ich zu-mindest, als ich auf der letzten Seite Man-fred Bols Beitrag „Der Reiz des Lime-ricks“ las. Dem unterliegt meine Reise-gruppe nämlich schon längst. Und das kamso.„Zwei Inseln – eine Entdeckung“ hießeine Tour, die der der Volkssolidaritätnahe stehende Reiseklub Berlin anbot.England und Irland waren gemeint, undunsere Gruppe aus Leipzig-Grünau, dieseit zwölf Jahren mit dem Reisklub fährt,ging auf diese Entdeckungstour.England war mehr Transitland und derSüdwesten der „Grünen Insel“ daseigentliche Ziel. Wie alle Irland-besucher, die diese Route wählen,erlebten wir den Ring of Kerry, dieBurg Bunratty mit dem Folkpark,die Cliffs of Moher an der West-küste und die KlostersiedlungClonmacnoise, garniert vom unver-meidlichen Besuch von Jameson,eine der ältesten irischen Whiskey-brennereien, selbstverständlich mitVerkostung. Es war eine unsererschönsten Reisen durch die Naturund eine liebevoll bewahrte irischeHistorie. Aber zu dem nachhaltigenErlebnis trug ein selbst inszenierteskulturelles Gruppenerlebnis bei,auf das keiner von uns vorbereitetwar. Initiator war unser ReiseführerFernando, ein in Irland lebenderSchweizer mit spanischen Vorfah-ren. Er regte an, dass sich jeder inden kommenden Tagen im Lime-rickdichten versuchen solle. Amletzten Tag sollten alle Verse vorge-lesen und einer ausgelost werden.Einen Preis stellte er auch zur Ver-fügung. Den Anstoß dazu gab wahr-scheinlich die Stadt Limerick, an derwir vorbeifuhren. Dabei ist garnicht erwiesen, ob sie tatsächlichetwas mit den Limericks zu tun hat.

Einige Forscher verweisen auch auf einenfranzösischen Ursprung der kleinen Verse.Tatsache ist, dass sie der Nonsensliteraturzugeordnet werden. (Als Anekdoten, wieManfred Bols schrieb, würde ich sienicht bezeichnen.) Der wahrscheinlichbekannteste Vertreter dieser literarischenGattung ist Edward Lear. 215 seiner Li-mericks sind mit eigenen skurrilen Zeich-nungen bei Reclam im Heft 8467 in Eng-lisch und in einer nach meinem Ge-schmack nicht so treffenden, sehr freiendeutschen Übersetzung erschienen. Dochals wir uns in Irland mit unseren ersteneigenen Limericks befassten, war uns dasalles unbekannt. Aber zurück zu unserer Limerick-Aus-beute. Mindestens 40 wurden gedichtet.Dabei erwies sich HARALD KÖNIG ausunserer Gruppe als der unbestrittene Sie-ger dieses kleinen Wettbewerbs. Er hatnichts dagegen, dass ich hier einige vor-stelle. • GISELA BOLDT

Limericks von Harald König

Am Markt gibt Paddy sich viel Mühe,feilzubieten seine Kühe.Da kommt ein Sachse angeloofenund ruft: „Ich will die schwarze koofen.Die gibt ‘ne scheene dunkle Briehe.

Ein Runzelweib fährt ohne Paus’in einem Fahrstuhl durch das Haus,und bald darauf sind alle baff:Die Haut ist wieder glatt und straff.Sieh’ an – das kommt beim Liften raus!

Diätkur ist in aller MundeUnd Alma nutzt die Gunst der Stunde,nimmt sich ein Schiff nach Liverpoolum zu shoppen – wonderful;und sofort waren weg die Pfunde.

Der Alois vom Wettersteintreibt Küh vom Berg ins Tal hinein.Doch dann im Polizeiarrest,

da dämmersts ihm, und er stelltfest:

Abtreiben soll verboten sein.

Es setzt sich aus Calau ein Greis

Ins Moorbad – zuerst mit demSteiß

Ein gellender Schrei,ein Sprung wie ein Leu:Als Lausitzer war’s ihm zu heiß.

Der D-Mark Glanz wirdmerklich fahler;

mit Euro blecht derSteuerzah-

ler.Doch gibt es wohl im

deutschen Land(wie Pisa treffend jüngst

befand)bald wieder den Neander-Taler.

Zum Loch Ness reist Bürger Wittin einer Reisegruppe mit.Dort rudert er im Abendlicht– das Ungeheur schreckt

ihn nicht– hat er daheim doch

Ulla Schmidt.

Herr Großmund – der mehr breit als lang

fühlt sich ob seiner Masse krank.

Doch narrt er seine Kritiker,verdingt sich als Politiker,

Man braucht gar keinen Whiskey, um Limericks dichten zukönnen, obwohl der aus der Brennerei Jameson, für diedieser riesige Destillationskessel wirbt, schon mächtiganregt ... Foto: Boldt

Stauffenberg war in der BRD langeZeit für viele ein Vaterlandsverräter.Seine Witwe mit ihren vier kleinenKindern hat keine Witwenrentebekommen. 3sat 25. 2.

Das Einkommen des Chefs derDeutschen Bank, Ackermann, ist400-mal so hoch wie das einesBankangestellten mit durchschnittli-chem Einkommen. 3sat. 26. 2.

Ja damals, gleich nach der Wende,als sich seine werte Mutter Woitz-lawa Feodora Prinzessin Heinrich I.Reuß ... in Gera niederließ ..., dasind die Mitläufer des Sozialismusfast auf dem Bauch gekrochen,wenn Woitzlawa huldvoll aus demFenster äugte. Inzwischen könnendie mißtrauischen Ostthüringer ihreReußen gar nicht mehr verknusen.Sie haben nämlich den Eindruck,dass der blaublütige Heinrich dasGefräß nicht voll genug kriegenkann ...

Mathias Wedel, Eulenspiegel 3/04

Straftaten gegen Leib, Leben undKörper, z. B. fahrlässige Tötungdurch Autofahren unter Alkohol-einfluss, werden in der BRD vielgeringer als Vermögensdelikte be-straft. MDR 2. 3.

• GEFUNDEN VONMANFRED ERBE

Als wir unlängst wieder einmal auf Rügendurch die Wälder zogen, gab man unseinen heißen Tip: „das neue Nationalpark-Zentrum im Jasmund-Haus!“ Es wird die-ser Tage eröffnet und bietet mit bunter Bril-le und Kopfhörern eine Raumschiff-Expe-dition durch die Jahrtausende. Endlich istAction angesagt auf dem drögen Kreide-felsen Königsstuhl, und sogar Hollywood-Stars sind mit von der Partie. Dass Rügendas noch erlebt! Als wir uns wieder nach Süden wandtenund in Rostock nach Action Ausschauhielten, fanden wir nur bittere Zahlen.1989 hatte die Stadt 225 956 Einwohner,jetzt sind es 194 793. Also haben 14 Pro-zent mit den Füßen westwärts abgestimmtund neun Prozent leere Wohnungen hin-terlassen, von denen jetzt 3700 abgeris-sen werden. Da ist keine Raumschiff-Imi-

tation vonnöten, die Gegenwart reicht.Wir marschierten gen Waren und lerntendort, wie man mit Leerwohnungen um-geht: Da wird „Urlaub in der Platte“ ange-boten. Neugierige kommen und viele, fürdie das Urlaubsgeld nicht mehr bis Mal-lorca reicht. Mit „Blick auf die Müritz“ wirdgeworben. Wir tippelten weiter gen Südenund trafen in einer lauschigen Schenkeeinen nach der Rückwende gefeuertenReichsbahnoberen, der seine Langeweiledamit vertreibt, dass er sich börsenkundigmachte. Nicht um der Renditen willen,sondern um die neue Zeit besser zu ver-stehen. Wir spendierten mindestens dreiRunden, denn was er zu erzählen wusste,übertraf die Stories aller Königsstuhl-Hel-den vieler Jahrhunderte. Wir lernten: 1.Sachsen-Anhalt hat 13 Milliarden EuroSchulden (was uns allerdings nicht stau-

nen ließ), 2. der Koran verbietet Zinsen,weil er für jede Zahlung eine Gegenleis-tung verlangt, 3. Sachsen-Anhalt wird eineIslamfonds-Anleihe aufnehmen, indem eseine Stiftung in den Niederlanden gründet,die sämtliche Finanzämter zwischen Mag-deburg und Halle vermietet, was für dieIslamisten ein erlaubtes Geschäft sein soll.(Können Sie noch folgen?) Das alles mussnatürlich möglichst vertraulich behandeltwerden, damit nicht publik wird, dass einBundesland Geld ins Ausland transferiert.Wir fragten unseren Sachverständigen,was denn passiert, wenn die Islamistenplötzlich kündigen und die Kassen der vonihnen gemieteten Finanzämter leeren. Soweit sei er mit seinen Forschungen nochnicht, gestand er uns. Aber möglich seialles. Das wussten wir schon.

• KLAUS HUHN

Wanderungen durch Neufünfland Dass Rügen das noch erlebt!

Heute zuunsererLeser-Lime-rick-Dichtakti-on noch eineReise-geschichte: