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info Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen -- Berlin April 2016 Nr. 176 info KOORDINIERUNGSSTELLE GEWERKSCHAFTLICHER ARBEITSLOSENGRUPPEN • ALTE JAKOBSTRASSE 149 • 10969 BERLIN • TEL. 0 30/8 68 76 70 -O, FAX -21 • WWW.ERWERBSLOS.DE SEITE 1 Bei den drei Landtagswahlen am 13. März haben Erwerbslose und Ar- beiter überdurchschnittlich oft AfD gewählt. Der Stimmenanteil der AfD liegt bei Erwerbslosen bzw. Arbeitern um bis zu 16 Prozentpunkte über dem Stimmenanteil bezogen auf alle Wäh- ler. (siehe Grafik S. 2). In Baden-Württemberg und Sach- sen-Anhalt ist die AfD jeweils unter den Erwerbslosen und den Arbeitern stärkste Partei geworden. Die hohe Zustimmung für die AfD unter Erwerbslosen und Arbeitern zu erklären und daraus Schlussfolgerun- gen zu ziehen, das ist nicht ganz ein- fach. Hier erste Annäherungsversu- che – zur Diskussion gestellt: Die Flüchtlingsfrage war das wahl- entscheidende Thema. Der Zuzug der Flüchtlinge traf auf eine Reihe beste- hender, hausgemachter Probleme: Ein Mangel an bezahlbaren Wohnun- gen in Groß- und Universitätsstädten, weil der soziale Wohnungsbau fak- tisch eingestellt wurde und mit Woh- nungen als Waren viel Geld verdient werden sollte; Perspektivlosigkeit für Langzeiterwerbslose; ein Renten- niveau im heftigen Sinkflug und zu- nehmende Sorgen vor Altersarmut; die Verarmung von Bevölkerungs- teilen, die lange oder gar dauerhaft auf Hartz IV angewiesen sind und eine öffentliche Infrastruktur und Ver- waltung, die kaputt gespart wurde. Wenn es in Berlin mehrere Mona- te dauert um sich anzumelden oder einen neuen Pass zu bekommen, dann kann es nicht verwundern, wenn die Verwaltung mit dem Zuzug vieler Flüchtlinge überfordert ist. Neben der Bedeutung des Flücht- lingsthemas belegen Wahlanalysen und Befragungen zudem, dass Zu- kunftsängste und Bedrohungsgefühle weit verbreitet sind – insbesondere bei Wählern der AfD. Ob diese Sorgen und Ängste nur subjektiv „gefühlt“ oder real begrün- det sind, sei dahingestellt. Sie sind da. Hintergründe sind eine tiefe so- ziale Spaltung, die die Politik zugelas- sen und befördert hat, mangelnde Aufstiegsperspektiven und Verlust- ängste. Wenn Teile der Erwerbslosen und der Arbeiterschaft besonders besorgt sind, ist dies zunächst nachvollzieh- bar: Für sie werden sich tatsächlich Konkurrenzsituationen bei bezahl- baren Wohnungen und raren Arbeits- plätzen verschärfen, sofern die Poli- tik nicht entschieden gegensteuert. Schon heute kommen auf ein Stellen- angebot im Bereich „Helfer- und An- lerntätigkeiten“ 15 Erwerbslose (zu den arbeitnehmerfeindlichen Positio- nen der AfD siehe Seite 4). Andererseits gibt es natürlich kei- nen Automatismus, nach dem sich berechtigte Sorgen oder erlebtes „Abgehängtsein“ zwangsläufig in der Wahl einer flüchtlingsfeindlichen Par- tei ausdrücken. Kombination aus Protest und rechten Überzeugungen Die Wähler der AfD sind keine homogene Gruppe. Wenn 93 Prozent der AfD-Wähler in Sachsen-Anhalt der Aussage zustimmen, „die AfD löst zwar keine Probleme, nennt die Din- ge aber beim Namen“ , kann dies als Ausdruck einer Protestwahl gedeutet werden. Doch Vorsicht: Die AfD ist keine „neutrale“ Protestpartei. Die AfD hat ein klar rechtspopulistisches, rassisti- sches, fremdenfeindliches Vorzei- chen. Mit dem Motto „Wir wollen keine Flüchtlinge!“ hat sie sich am deutlich- sten gegen die Aufnahme von Flücht- lingen positioniert. Hier ist die AfD radikaler als ihre Wähler: Immerhin 76 Prozent der AfD- Landtagswahlen: AfD punktet bei Arbeitern und Erwerbslosen INHALT_______ • ALG und Nebenjob • AfD-Programm • Hartz IV: Änderungsgesetz Ausblick Regelsätze

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infoKoordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen -- Berlin

April 2016 Nr. 176

info

KOORDINIERUNGSSTELLE GEWERKSCHAFTLICHER ARBEITSLOSENGRUPPEN • ALTE JAKOBSTRASSE 149 • 10969 BERLIN • TEL. 0 30 /8 68 76 70 - O, FAX -21 • WWW.ERWERBSLOS.DE SEITE 1

Bei den drei Landtagswahlen am13. März haben Erwerbslose und Ar-beiter überdurchschnittlich oft AfDgewählt. Der Stimmenanteil der AfDliegt bei Erwerbslosen bzw. Arbeiternum bis zu 16 Prozentpunkte über demStimmenanteil bezogen auf alle Wäh-ler. (siehe Grafik S. 2).

In Baden-Württemberg und Sach-sen-Anhalt ist die AfD jeweils unterden Erwerbslosen und den Arbeiternstärkste Partei geworden.

Die hohe Zustimmung für die AfDunter Erwerbslosen und Arbeitern zuerklären und daraus Schlussfolgerun-gen zu ziehen, das ist nicht ganz ein-fach. Hier erste Annäherungsversu-che – zur Diskussion gestellt:

Die Flüchtlingsfrage war das wahl-entscheidende Thema. Der Zuzug derFlüchtlinge traf auf eine Reihe beste-hender, hausgemachter Probleme:Ein Mangel an bezahlbaren Wohnun-gen in Groß- und Universitätsstädten,

weil der soziale Wohnungsbau fak-tisch eingestellt wurde und mit Woh-nungen als Waren viel Geld verdientwerden sollte; Perspektivlosigkeit fürLangzeiterwerbslose; ein Renten-niveau im heftigen Sinkflug und zu-nehmende Sorgen vor Altersarmut;die Verarmung von Bevölkerungs-teilen, die lange oder gar dauerhaftauf Hartz IV angewiesen sind undeine öffentliche Infrastruktur und Ver-waltung, die kaputt gespart wurde.

Wenn es in Berlin mehrere Mona-te dauert um sich anzumelden odereinen neuen Pass zu bekommen,dann kann es nicht verwundern,wenn die Verwaltung mit dem Zuzugvieler Flüchtlinge überfordert ist.

Neben der Bedeutung des Flücht-lingsthemas belegen Wahlanalysenund Befragungen zudem, dass Zu-kunftsängste und Bedrohungsgefühleweit verbreitet sind – insbesonderebei Wählern der AfD.

Ob diese Sorgen und Ängste nursubjektiv „gefühlt“ oder real begrün-det sind, sei dahingestellt. Sie sindda. Hintergründe sind eine tiefe so-ziale Spaltung, die die Politik zugelas-sen und befördert hat, mangelndeAufstiegsperspektiven und Verlust-ängste.

Wenn Teile der Erwerbslosen undder Arbeiterschaft besonders besorgtsind, ist dies zunächst nachvollzieh-bar: Für sie werden sich tatsächlichKonkurrenzsituationen bei bezahl-baren Wohnungen und raren Arbeits-plätzen verschärfen, sofern die Poli-

tik nicht entschieden gegensteuert.Schon heute kommen auf ein Stellen-angebot im Bereich „Helfer- und An-lerntätigkeiten“ 15 Erwerbslose (zuden arbeitnehmerfeindlichen Positio-nen der AfD siehe Seite 4).

Andererseits gibt es natürlich kei-nen Automatismus, nach dem sichberechtigte Sorgen oder erlebtes„Abgehängtsein“ zwangsläufig in derWahl einer flüchtlingsfeindlichen Par-tei ausdrücken.

Kombination aus Protest und

rechten Überzeugungen

Die Wähler der AfD sind keinehomogene Gruppe. Wenn 93 Prozentder AfD-Wähler in Sachsen-Anhalt derAussage zustimmen, „die AfD löstzwar keine Probleme, nennt die Din-ge aber beim Namen“, kann dies alsAusdruck einer Protestwahl gedeutetwerden.

Doch Vorsicht: Die AfD ist keine„neutrale“ Protestpartei. Die AfD hatein klar rechtspopulistisches, rassisti-sches, fremdenfeindliches Vorzei-chen.

Mit dem Motto „Wir wollen keineFlüchtlinge!“ hat sie sich am deutlich-sten gegen die Aufnahme von Flücht-lingen positioniert.

Hier ist die AfD radikaler als ihreWähler: Immerhin 76 Prozent der AfD-

Landtagswahlen:

AfD punktet bei Arbeiternund Erwerbslosen

INHALT_______

• ALG und Nebenjob

• AfD-Programm

• Hartz IV:

Änderungsgesetz

Ausblick Regelsätze

KOORDINIERUNGSSTELLE GEWERKSCHAFTLICHER ARBEITSLOSENGRUPPEN • ALTE JAKOBSTRASSE 149 • 10969 BERLIN • TEL. 0 30 /8 68 76 70 - O, FAX -21 • WWW.ERWERBSLOS.DE SEITE 2

Anhänger finden es richtig, Kriegs-und Bürgerkriegsflüchtlinge auf-zunehmen, und 50 Prozent findenes richtig, politisch Verfolgte auf-zunehmen.

Nach Wählerbefragung wählenzwischen gut einem Viertel (27%,infratest-dimap) und rund der Hälfte(Forschungsgruppe Wahlen) der AfD-Wähler die AfD vor allem wegen ih-rer flüchtlingsfeindlichen Positionen,der Rest vor allem aus Enttäuschungüber die anderen Parteien.

Der AfD ist es „erfolgreich“ gelun-gen, das Flüchtlingsthema auch alseine Frage der sozialen Gerechtigkeitaufzubauen.

Flüchtlinge werden als Bedroh-ungspotenzial dargestellt und anknüp-fend an bestehende Unzufriedenhei-ten werden Vorrechte „der Deut-schen“ postuliert, die die etabliertePolitik missachte („Warum tut ihr et-was für die und nichts für uns?“).

Die Wahlanalyse der Rosa-Luxem-burg-Stiftung weist nach, wie über dieMonate hinweg die Zustimmung zurAfD und zu flüchtlingskritischen Ein-stellungen ansteigt und zwar parallelzum Wandel in der politischen Debat-te, weg von der Flüchtlingsaufnahmeals humanitäre Aufgabe hin zur Ab-schottung gegenüber Flüchtlingen.

Demnach hat nicht die ursprüngli-che Flüchtlingspolitik der Kanzlerinsondern die Obergrenzen-Forderungden Wahlerfolg der AfD befördert.

Was tun?

Dringend notwendig ist eine so-zialstaatliche Offensive für alle – für„Einheimische“ und Flüchtlinge.

Wir brauchen ein soziales Woh-nungsbauprogramm, das weit überdie Pläne der Regierung hinausgeht.Und wir brauchen eine Qualifi-zierungsoffensive für Erwerbsloseund Flüchtlinge, nicht die massenhaf-te Wiederauflage der unsinnigen 1-Euro-Jobs sondern gute, abschluss-orientierte Weiterbildungsangebote,die eine Perspektive schaffen undgleichzeitig den Druck vom Kesselnehmen, im Kampf um die raren Jobsbei „Helfertätigkeiten“.

Wer die AfD bekämpfen will, dermuss nicht das Asylrecht beschnei-den und Europa einmauern sondernSicherheit herstellen – soziale Sicher-heit –, um die gesellschaftliche Spal-tung zu überwinden, die einen Fak-tor für den Wahlerfolg der AfD dar-stellt.

Notwendig ist aber auch eineselbstkritische Debatte in den Mitte-Links-Parteien, Sozialverbänden, Ge-werkschaften und Erwerbslosen-Netzwerken: Wie kann es uns bes-ser gelingen, politische Positionen mitStrahlkraft zu entwickeln, die die In-teressen von Erwerbslosen, Rent-nern, Arbeitnehmern berücksichtigenund die gleichzeitig Solidarität mit denFlüchtlingen stiften?

Lassen wir uns nicht gegeneinan-der ausspielen! Das nutzt nur denje-nigen, die von den bestehenden Ver-hältnissen profitieren.

Quelle für die Daten: Wahlanalyseder Rosa-Luxemburg-Stiftung, siehe:www.rosalux.de/publication/42193

„Rechtsvereinfachung“

Bundesrat

fordert Änderungen

Der Bundesrat hat sich am18. März für 39 Änderungen amGesetzentwurf der Bundesre-gierung zur so genanntenRechtsvereinfachung ausge-sprochen. Inhaltlich sind die For-derungen der Bundesländer einbuntes Sammelsurium: Über-wiegend werden Verbesserun-gen gegenüber dem Entwurfder Regierung vorgeschlagen,teils sollen aber auch positiveÄnderungen wieder zurückge-dreht werden. Die wichtigsten- und erfreulichsten - Vorschlä-ge der Bundesländer sind: Die Sanktionen sollen deut-

lich entschärft werden. Der Kür-zungsbetrag soll einheitlichjeweils 30 Prozent betragen.Damit entfallen die weiterenKürzungsstufen (60 und 100Prozent) sowie die verschärftenRegelungen für unter 25-Jährige. Die Leistungen fürsWohnen dürfen zudem nichtmehr gemindert werden. Bei der Mittagsverpflegung

im Rahmen des Bildungs- undTeilhabepakets (BuT) soll derEigenanteil entfallen. Die Regelsätze für Kinder

und Jugendliche sollen über-prüft und weiterentwickelt wer-den und die BuT-Leistungen inden Regelsatz zurück verlagertwerden.

Leider hat der Bundesrat bis-her unsere Hauptkritikpunktenicht aufgegriffen. Das heißt, esgibt bisher keine konkreten Än-derungsvorschläge zu den ge-planten Einschnitten bei denHeizkosten, den Einschränkun-gen der Absetz- und Freibeträ-ge oder der geplanten zusätzli-chen Strafe bei unterstelltemsozialwidrigem Verhalten (zuden Kritikpunkten siehe A-Info174).Eine Übersicht zu den Empfeh-lungen steht aufwww.er-werbslos.de.

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Entgegen den gesetzlichen Vorga-ben hat die Regierung die Hartz-IV-Sätze nicht zum 1.1.2016 grundlegendneu ermittelt (siehe A-Info 174, Dez.2015). Dies soll erst zum 1.1.2017 ge-schehen.

Nun ist bekannt geworden, wiesich das Arbeitsministerium (BMAS)das Verfahren zur Herleitung derSätze aus dem Ausgabeverhalten ein-kommensarmer Haushalte vorstellt.

Dies geht aus einer Antwort an dieAbgeordnete Katja Kipping (Die Lin-ke) sowie aus einer Unterrichtung derBundestagsfraktionen durch das Ar-beitsministerium hervor:

Die Herleitung soll im Prinzip nachdemselben schlechtem und äußerstkritikwürdigen Verfahren gemachtwerden wie beim letzten Mal 2011 –damals noch in der Verantwortungvon Schwarz-Gelb und Arbeitsmini-sterin von der Leyen.

Konkret ist vorgesehen: Die Sät-ze für Alleinstehende und Paare sol-len weiterhin aus den Ausgaben deruntersten 15 Prozent ermittelt wer-den (vor 2011: 20 Prozent).

Haushalte mit einem Einkommenunterhalb des Hartz-IV-Bedarfs („ver-deckte Armut“) sollen nicht vorab ausder Vergleichsgruppe herausgenom-men werden, was die Regelsätzenach unten zieht.

Auch ist eine generelle Rücknah-me der willkürlichen, sachlich nicht be-gründeten Abschläge nicht geplant.Lediglich bei Jugendlichen soll derbisher überzeichnete Kürzungsbetragfür Alkohol und Tabak abgemildertwerden und bei der Mobilität die Ver-gleichsgruppe etwas verbessert wer-den.

Die wesentlichen Kürzungen –Tabak und Alkohol für Erwachsene,Weihnachtsbäume und Blumen so-wie Gaststättenbesuche und Kanti-nenessen – sollen bleiben.

2011 hatte Andrea Nahles das Ver-fahren, das sie nun fast unverändertwiederholen will, noch heftig kritisiert:Die Regelsätze seien „künstlich her-untergerechnet“ worden, empörte

Ausblick:

Neuermittlung Regelsätzesich die heutige Arbeitsministerinseinerzeit.

Heute begründet das BMAS sei-ne Pläne lapidar mit dem Hinweis, dasVerfassungsgericht habe das Verfah-ren 2014 für zulässig erklärt.

Das ist doppelt dreist: Erstenshatten die Richter die Regelsätze nur„gerade eben noch so“ für verfas-sungsgemäß erklärt. Und: Es ist kei-ne Rechtfertigung, einen Missstandso zu belassen, nur weil er geradeeben noch so mit der Verfassung ver-einbar ist.

Soweit wir wissen, fanden am10. März bundesweit 36 dezentraleAktivitäten statt – etwas mehr als amletzten Aktionstag am 16. April 2015.

Überwiegend wurde mit Infostän-den und Flugblattverteilaktionen überdie drohenden Verschlechterungenbei Hartz IV informiert.

Vielerorts wurden Mauern (derAusgrenzung) und beschriftete Kar-tons als Blickfang eingesetzt, in Bonnund Münster mit Straßentheater Auf-merksamkeit erzeugt und in Olden-burg mittels einer Badewanne nebstKaltduscher im Neoprenanzug. In ei-nigen Städten fanden Info- und Dis-kussionsveranstaltungen statt und/oder es wurden die örtlichen Bundes-tagsabgeordneten angeschriebenund mit unserer Kritik an den geplan-ten Änderungen konfrontiert.

In Wolfsburg und Oldesloe wur-den Frühstücke organisiert.

In nahezu allen Aktionsorten be-richtete die Lokalpresse, regionalauch der WDR und RBB.

Die Resonanz in den bundeswei-ten Medien war hingegen mau: Zwarberichteten Junge Welt und Neues

Politischer Gestaltungswille imKampf gegen Armut und Ausgren-zung sieht anders aus. Die Verfas-sungsrichter bemängelten zudem dasRisiko, dass bei der Anschaffung vonlanglebigen Konsumgütern und Bril-len das Existenzminimum nicht ge-deckt sei.

Diese Vorgabe will die Regierungoffenbar weiter ignorieren: Einmalbei-hilfen für Kühlschränke, Waschma-schinen und Brillen soll es laut BMASauch zukünftig nicht geben.

Für Gewerkschaften, Sozial- undWohlfahrtsverbände sowie Erwerbs-losengruppen bleibt im zweiten Halb-jahr viel zu tun, um für eine deutlicheErhöhung der Regelsätze einzutreten.

Deutschland mehrfach und ausführ-lich, darüber hinaus jedoch nur dieSüddeutsche Zeitung.

Die Rückmeldungen von Aktivenan uns besagen im Trend, dass dieeigene Aktion als Erfolg gewertetwird.

Es sei vielfach gelungen, ins Ge-spräch zu kommen und die in derÖffentlichkeit bisher kaum wahrge-nommenen, drohenden Verschlechte-rungen zum Thema zu machen.

Und Spaß gemacht habe die Akti-on auch.

Am 1. April, nach dem Redaktions-schluss für dieses A-Info, findet inHannover ein Treffen statt.

Dort soll der Aktionstag bewertetwerden und über das weitere Vorge-hen zur Kampagne „AufRecht beste-hen“ beraten werden.

Aktionstag am 10. März

I M P R E S S U MV.i.S.d.P.: Horst Schmitthenner (Förderverein ge-werkschaftliche Arbeitslosenarbeit, Alte Jakob-straße 149, 10969 Berlin)

Text und Redaktion: Martin Künkler

Entwurf, Gestaltung, Satz, Druck + Verarbeitung:druck-kooperative lage (Print und Medien Service)

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Nun ist der Entwurf für ein Parteiprogramm der AfDbekannt geworden. Wir informieren hier über einige Punk-te, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerund Erwerbslose besonders interessieren dürften.

Wir laden Sie ein: Nehmen Sie sich ein paar MinutenZeit und schauen Sie sich die Forderungen an. Entschei-den Sie danach selbst: Wer profitiert von den Forderun-gen und wer zahlt drauf? Liegen die Forderungen in Ih-rem Interesse, würden Sie Ihnen etwas bringen?

Das fordert die AfD im Entwurf für ihr Parteiprogramm:

Streichung Arbeitslosengeld

Die AfD will die Arbeitslosenversicherung und dasArbeitslosengeld ganz abschaffen. Wer will und wer essich leisten kann, soll stattdessen eine private Versiche-rung abschließen.

Das bedeutet: Die Arbeitgeber profitieren. Sie zahlenheute die Hälfte der Beiträge und sollen künftig nach demWillen der AfD gar nicht mehr an den Kosten der Arbeits-losigkeit, die sie ja selbst mit verursachen, beteiligt wer-den. Profitieren würden auch die privaten Versicherungs-konzerne, die mit ihren Policen satte Gewinne machenwollen. Draufzahlen müssten alle Arbeitnehmer, die jazukünftig ihre Arbeitslosenversicherung alleine zahlensollen. Viele Geringverdiener werden sich dies gar nichtleisten können und dann, wenn sie arbeitslos werden,ganz ohne Schutz dastehen. Wie bei privaten Versiche-rungen üblich, steigen zudem die Beiträge je höher dasRisiko ist. Wer ein hohes Risiko hat, arbeitslos zu werden– das sind Geringqualifizierte, ältere Arbeitnehmer undArbeitnehmer in Ostdeutschland – müsste sehr hoheBeiträge zahlen.

Rente mit 68, 69, 70…

Die AfD will die Altersgrenze, ab der man eine Renteohne Abschläge bekommt, weiter heraufsetzen. Statt der

grundfalschen „Rente mit 67“ droht sogar eine Renteerst mit 68, 69 oder 70 Jahren.

Ehrlich gerechnet fehlen hierzulande rund 3,9 Millio-nen Arbeitsplätze. Es ist ein Irrsinn, Älteren ihren wohl-verdienten Ruhestand vorzuenthalten, während andereauf der Straße stehen und Arbeit suchen. Viele schaffenes auch gesundheitlich gar nicht, bis zu einem immerhöheren Renteneintrittsalter durchzuhalten. Für sie ist eineRente erst mit 68, 69 oder 70 schlicht eine Rentenkür-zung, weil man Abschläge hinnehmen muss, die ein Le-ben lang wirken.

Kombilohn statt Hartz IV

Statt Hartz IV will die AfD eine so genannte „Aktivie-rende Grundsicherung“. Gemeint ist damit eine Art Kom-bilohn: Geringe Löhne sollen aus Steuermitteln von derAllgemeinheit bezuschusst und aufgestockt werden.Nichts sagt die AfD dazu, was mit den heutigen Hartz-IV-Leistungen für diejenigen passieren soll, die gar keineArbeit finden können.

So ein Kombilohn ist im Prinzip ein Zuschuss für dieArbeitgeber. Sie werden aus der Pflicht entlassen, selbstauskömmliche Löhne zu zahlen. Stattdessen soll die All-gemeinheit einen Teil des Lohnes zahlen. Anders als wirhält es die AfD offenbar nicht für notwendig, die viel zuniedrigen Hartz-IV-Sätze deutlich zu erhöhen.

Steuergeschenke für Reiche, „weniger Staat“

Statt sehr hohe Einkommen und große Vermögenendlich stärker zu besteuern, damit mehr Geld für wichti-ge öffentliche Aufgaben in der Kasse ist, will die AfD dieErbschaftssteuer ganz abschaffen. Ebenso die Gewerbe-steuer, die Unternehmen heute an die Kommunen zah-len. Unter dem Motto „Privat vor Staat“ will die AfD staat-liche Ausgaben und Tätigkeiten stark einschränken. Diesbedeutet dann aber auch weniger öffentliche Angebote,vom Schwimmbad über den Spiel- und Bolzplatz bis zur

Bücherei. Es ist ein Widerspruch, wenn dieAfD mehr innere Sicherheit verspricht undgleichzeitig staatliche Aktivitäten zurückstut-zen und Steuern senken will.

Was fehlt?

Zum sozialen Wohnungsbau, der bezahl-bare Wohnungen für alle schafft, zu klarenRegeln zum Schutz von Arbeitnehmernetwa bei der Leiharbeit und bei Werkverträ-gen oder zu Korrekturen bei der Rente, da-mit das Rentenniveau nicht immer weitersinkt – zu all diesen wichtigen Punkten stehtnichts im Entwurf für ein Parteiprogramm.Offenbar sieht die AfD hier keinen Bedarfetwas zu ändern oder hat keine Vorschlägedazu.

Politik für die kleinen Leute?

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Informationen zum SGB III:

Arbeitslosengeld und NebenjobIn diesem Info erklären wir, wann und wie ein Nebenver-dienst auf das Arbeitslosengeld (ALG) angerechnet wird– also den Anspruch auf ALG schmälert. Doch vorab eini-ge Spielregeln, die unbedingt beachtet werden sollten:

Arbeitseinsatz: Relevant fürs ALG sind nur Einnahmen,die auf persönlichem Arbeitseinsatz beruhen. So genanntemühelose Einkünfte wie beispielsweise Zinsen, Miet- undPachteinnahmen oder Erbschaften bleiben außen vor undwerden nicht angerechnet.

Arbeitszeit: Die Arbeitszeit des Nebenjobs muss unter15 Stunden die Woche liegen. Bei mehreren Nebentätig-keiten muss die Summe der Arbeitszeiten unter 15 Stun-den liegen. Ab 15 Stunden geht der Status verloren,arbeitslos zu sein. Dann besteht kein Anspruch mehr aufALG!Maßgeblich ist die Kalenderwoche, also der ZeitraumMontag bis Sonntag.

Anzeigepflicht: Die Aufnahme einer Nebentätigkeit undder (erwartete) Verdienst müssen der Arbeitsagenturunverzüglich mitgeteilt werden. Das macht man am be-sten vorab, sobald der Beginn der Nebentätigkeit fest-steht. Laut den Vorschriften der Bundesagentur fürArbeit muss das Nebeneinkommen spätestens amersten Tag der Arbeitsaufnahme angegeben werden, beieiner Änderungsmitteilung per Post spätestens amdritten Tag nach der Arbeitsaufnahme bei der Arbeitsagen-tur vorliegen.Die Angaben sollten immer korrekt sein, denn die Arbeits-agentur hat viele Möglichkeiten an Informationen zudem Nebenverdienst zu kommen. Bei falschen Angabendroht ein Bußgeld und unter Umständen sogar ein Straf-verfahren.

Gleicher Zeitraum: Anders als bei Hartz IV kommt esnicht darauf an, wann ein Nebenverdienst zufließt. Ent-scheidend ist der Zeitraum, in dem gearbeitet wird. An-gerechnet werden Nebenverdienste aus Erwerbsarbeit,die in der gleichen Zeit verrichtet wird, in der auch ALGbezogen wird.

Verdienstbescheinigung: Arbeitgeber sind verpflichtet,Art und Dauer des Nebenjobs sowie die Verdiensthöhefür die Arbeitsagentur zu bescheinigen. Die Daten kön-nen elektronisch übermittelt werden. Arbeitnehmer soll-ten von ihrem Recht Gebrauch machen, die Bescheini-gung in Papierform selbst bekommen zu wollen, um dieAngaben überprüfen zu können.

Wieviel vom Nebenverdienst wird

angerechnet?

1. Vorab: Einkommensbereinigung

Bevor der Nebenverdienst angerechnet wird, können ei-nige Positionen abgezogen werden. In einem zweitenSchritt (siehe unten unter 2.) wird noch ein Freibetragberücksichtigt.

Von dem Nebenverdienst aus Arbeitnehmertätigkeit

können folgende Positionen abgezogen werden, sofernsie überhaupt anfallen: Steuern auf das Arbeitsentgelt(nicht jedoch der Pauschalbetrag den der Arbeitgeber beiMini-Jobs zahlt), Beiträge zur Renten, Kranken- und Pfle-geversicherung sowie Werbungskosten. Im realen Lebenspielen oftmals nur die Werbungskosten eine Rolle. An-ders als im Steuerrecht gibt es dafür keine Pauschale.Die Werbungskosten (vor allem Arbeitskleidung, -mittel,Fahrtkosten, Gewerkschaftsbeitrag) müssen vielmehreinzeln geltend gemacht werden.

Bei einer selbstständigen Tätigkeit entspricht der anre-chenbare Nebenverdienst dem Überschuss der Betriebs-einnahmen über die Betriebsausgaben. Werden keinehöheren Ausgaben nachgewiesen, dann werden pauschal30 Prozent der Betriebseinnahmen als Betriebsausgabengewertet und abgezogen. Der Steuerabzug wird pauschalmit 10 Prozent des Überschusses angesetzt, wobei einenachträgliche Korrektur aufgrund des tatsächlichen Steu-erabzugs möglich ist.

2. Freibetrag

Die Höhe des Freibetrags hängt davon ab, ob es sich umeinen neuen oder um einen alten Nebenjob handelt.

2.1 Neuer Nebenjob: 165-Euro-Freibetrag

Bei neuen Nebenjobs bleiben 165 Euro anrechnungsfrei.Es können also bis zu 165 Euro monatlich hinzuverdientwerden, ohne dass das ALG gekürzt wird. Die 165 Eurobeziehen sich auf das bereinigte Einkommen (siehe oben),also bei Arbeitnehmern im Regelfall auf den Nettover-dienst abzüglich der Werbungskosten.

Übersteigt der Nebenverdienst die 165-Euro-Grenze, dannwird der übersteigende Teil vollständig angerechnet, alsodas ALG um den übersteigenden Betrag gekürzt.

Ein Nebenjob gilt als „neu“, wenn er nach dem Beginndes ALG-Bezugs neu begonnen wird oder zu diesem Zeit-punkt kürzer als 12 Monate ausgeübt wurde.

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Tipp: Durch die Wahl der Steuerklasse IV können Ne-benverdienste verringert werden, so dass sie ggf. unterdem Freibetrag liegen.

Die zu viel gezahlte Steuer gibt es beim Lohnsteuerjah-resausgleich zurück. Dies kann eine Überlegung sein füralle, die nicht zwingend auf einen möglichst hohen, zeit-nah ausgezahlten Nebenverdienst angewiesen sind.

2.2 Alter Nebenjob:

Freibetrag in Höhe des Durchschnittverdienstes

Bei alten, schon länger andauernden Nebenjobs bleibtder Nebenverdienst in der Höhe anrechnungsfrei, die inden letzten 12 Monaten vor Beginn des ALG-Bezugsdurchschnittlich erzielt wurde.

Ein alter Nebenverdienst, der in der Höhe gleich geblie-ben ist und der ohne Unterbrechung bezogen wurde,bleibt somit vollständig anrechnungsfrei.

Übersteigt der aktuelle Nebenverdienst den durchschnitt-lichen Nebenverdienst, dann wird wie bei der 165-Euro-Grenze der übersteigende Teil vollständig vom ALG ab-gezogen.

Ein Nebenjob gilt als „alt“, wenn er bei Beginn des ALG-Bezugs bereits mindestens 12 Monate neben der versi-cherungspflichtigen Hauptbeschäftigung (auf der der ALG-Anspruch beruht und die „verloren gegangen“ ist) aus-geübt wurde. Dabei ist es nach der Rechtsprechung desBundessozialgerichts (BSG vom 1.7.2010 – B 11 AL 31/09R) unschädlich, wenn ein Nebenjob gewechselt oder dieNebentätigkeit unterbrochen wird. Es muss sich also nichtum ein und denselben, mindestens 12 Monate nahtlosausgeübten Nebenjob handeln.

Der günstige Freibetrag in Höhe des Durchschnittsver-dienstes steht bereits dann zu, wenn in den letzten 18Monaten vor Beginn des ALG-Bezugs zusammengerech-net mindestens 12 Monate lang (irgendwelche) Neben-tätigkeiten ausgeübt wurden.

Beispiel 1:

Seit 2012: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (brutto 1.500 Euro, netto 1.100)Ab 1.7.2015 zusätzlicher Minijob (300 Euro, 10 km Entfernung zum Arbeitsort)Ab 1.1.2016 arbeitslos (ALG-Anspruch: 653 Euro), Minijob läuft weiter

Anrechnung des Nebenverdienstes:Der Minijob gilt als neu. Es gilt somit der Freibetrag von 165 EuroNettoverdienst aus dem Nebenjob 300 EuroMinus Einkommensbereinigung 34 Euro (8 Euro Gewerkschaftsbeitrag, 26 Euro Fahrtkosten)Minus Freibetrag 165 Euro

= Anrechnungsbetrag 101 Euro

Das ALG wird um diese 101 Euro gekürzt. Statt 653 Euro werden 552 Euro ALG ausbezahlt.

Beispiel 2:

Seit 2012 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (1.800 Euro brutto, 1.270 netto)1.7.2014 - 30.4.2015 Nebenjob 1 (300 Euro netto)1.7. - 30.9.2015 Nebenjob 2 (400 Euro netto, 5 km Entfernung zum Arbeitsort)Ab 1.10.2015 Fortführung Nebenjob 2 (jetzt mit 450 Euro netto)Ab 1.1.2016 arbeitslos (ALG-Anspruch: 748 Euro), Nebenjob 2 wird fortgesetzt

Der Nebenjob (genauer: die Nebentätigkeiten) gelten als „alt“. Es gilt ein Freibetrag in Höhe des Durchschnittsver-dienstes der Nebentätigkeiten aus den letzten 12 Monaten vor Beginn des ALG-Bezugs in Höhe von 312,50 Euro(Summe aus 4 x 300 plus 3 x 400 plus 3 x 450 geteilt durch 12).

Anrechnung des Nebenverdienstes:Nettoverdienst aus dem Nebenjob 2 450 EuroMinus Einkommensbereinigung 23 Euro (10 Euro Gewerkschaftsbeitrag, 13 Euro Fahrtkosten)Minus Freibetrag 312,50 Euro

= Anrechnungsbetrag 114,50 Euro

Das ALG wird um diese 114,50 Euro gekürzt. Statt 748 Euro werden 633,50 Euro ALG ausbezahlt.