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„In die Ferne sehe ich ausgezeichnet“ Eine Motivstudie zu Augen in Marlen Haushofers Roman Die Wand. Petra Lundström Institutionen för slaviska och baltiska språk, finska, nederländska och tyska Examensarbete 15 hp Tyska kandidatkurs (30 hp) Höstterminen 2018 Handledare: Fil dr Caroline Merkel

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„In die Ferne sehe ich ausgezeichnet“ Eine Motivstudie zu Augen in Marlen Haushofers Roman Die Wand. Petra Lundström

Institutionen för slaviska och baltiska språk, finska, nederländska

och tyska

Examensarbete 15 hp

Tyska kandidatkurs (30 hp)

Höstterminen 2018

Handledare: Fil dr Caroline Merkel

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Zusammenfassung

In Haushofers Roman Die Wand werden die Augen auffällig betont und der Sehvorgang

ausführlich geschildert. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Fragen: Wie und wo wird das

Augenmotiv im Roman betont? Welche Funktionen haben die vielen Schilderungen von

Augen und Schauen? Und welche Themen können dadurch behandelt werden? Dies wird

durch ausgewählte Szenen und Textabschnitte diskutiert. Meine kurze Präsentation von dem

Motiv Augen und Schauen in der Literaturgeschichte dient in diesem Aufsatz als ein

theoretischer Grund.

Suchwörter:Die Wand, Augen, Motiv, Haushofer, Camus

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Inhalt

1. Einleitung……………………………………………………………………… 2

2. Hintergrund und Forschungsüberblick…………………………………….. 2

3. Augen in der Literaturgeschichte…………………………………………… 3

3.1. Charakterisierende Funktion des Auges…...………………………………….6

3.2. Das Auge als Seelenorgan…………………………………………………… 7

3.3. Wahrnehmung und Wissen …………………………………………………. 8

3.4. Trugwahrnehmung und optische Täuschung ……………………………….. 9

3.5. Bedeutende Blicke ………………………………………………………….. 10

3.6. Zuschauen von Menschen und Tieren…….…………………………………. 11

3.7. Augenlast und Blindheit……………………………………………………... 11

3.8. Augenöffner der LeserInnen…………………….…………………………… 12

3.9. Menschenaugen versus Tieraugen…………………………………………… 12

4. Analyse: Motiv Augen im Roman Die Wand ………………………………. 13

4.1. Charakterisierung durch die Augen………………………………………….. 13

4.2. Augenmetaphorik …………………………………………………………… 15

4.3. Bedeutende Blicke als Dialog zwischen Mensch und Tier ………………….. 16

4.4. Menschenaugen versus Tieraugen…………………………………………… 18

4.5. Blindheit und verdeckte Sicht ………………………………….……………. 19

4.6. Trugwahrnehmung und optische Täuschung ………………………………... 20

4.7. Vertiefte Wahrnehmung………………………… ……………. ……………. 21

4.8. Augen in Die Wand und Der Fremde….........................………. ……………. 23

5. Schluss…. …………………………………………. …………… ……………. 28

6. Literaturverzeichnis……………….. ……………. ……………. ……………. 29

6.1 Primärquellen……………………… ……………. ……………. ……………. 29

6.2 Sekundärliteratur…………………... ……………. ……………. ……………. 30

1. Einleitung

Augen sind ein uraltes literarisches Motiv, das von Schriftstellern wahrscheinlich immer

erneut verwendet werden wird. Das Motiv Augen in einem Roman beschreibt nicht nur den

körperlichen Zug einer Romanfigur. Die Augen enthüllen und erzählen uns auch etwas von

der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit der Romanpersonen. Außerdem kann das Auge als

eine vielfältige Metapher dienen. Weiterhin kann das Augenmotiv eine Metafunktion haben

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und den LeserInnen die Augen öffnen, damit sie Themen und Gedanken im Roman besser

sehen können.

Marlen Haushofers Roman Die Wand von 1963 beginnt als eine postapokalyptische

Science-Fiction-Geschichte. Die Protagonistin, zu Besuch in einer Jagdhütte im Alpenwald,

befindet sich plötzlich alleine hinter einer rätselhaften, durchsichtigen Wand. Ganz alleine ist

sie aber nicht. Zusammen mit ihr im Wald lebt ein Jagdhund, und bald eine Katze, eine Kuh,

ein Stier und mehrere Kätzchen. Die Protagonistin nimmt die große Verantwortung für sie

alle auf sich. Gleichzeitig mit dem Kampf um das Überleben scheinen die Augen der

Protagonistin sich langsam zu verändern.

Im Roman Die Wand werden sowohl die Augen der Protagonistin als auch die ihrer

Haustiere hervorgehoben, und es gibt viele bedeutende Blicke, die sie auf ihre Umwelt und

auf einander richten. Vertieft wird das Augenmotiv durch die wortlose Kommunikation

zwischen der Heldin und den Tieren. Ziel dieser Arbeit ist, die Textstellen, in denen Augen

und Schauen betont sind, mit Hilfe von Beispielen der Motivik Augen in der

Literaturgeschichte zu untersuchen. Die Fragestellung des Aufsatzes ist: Wie und wo wird das

Augenmotiv im Roman Die Wand betont? Welche Funktionen kann dieses betonte Motiv

haben? Und welche Themen können dadurch behandelt werden?

Außerdem gibt es im Roman Die Wand mehrere Elemente, die man als Andeutungen an

Albert Camus’ Roman Der Fremde von 1942 interpretieren könnte. Diese beiden Romane

können auf den ersten Blick sehr unterschiedlich erscheinen, aber ich meine, dass sie ähnliche

Züge und Themen aufweisen und auf ähnliche Weise das Motiv Augen behandeln. Deswegen

ist es in dieser Untersuchung zusätzlich interessant, einen Vergleich zwischen den beiden

Romanen zur Motivik Augen anzulegen. Der Fremde gilt als ein literarisches Hauptwerk des

Existentialismus1. Ich möchte untersuchen, ob ein intertextueller Vergleich einen weiteren

Beitrag zu dieser Motivstudie und vielleicht noch einen Schlüssel zur Interpretation des

Werkes Die Wand geben könnte.

2. Hintergrund und Forschungsüberblick

Die Wand ist Marlen Haushofers berühmtestes Werk und gehört ohne Zweifel zu den

erfolgreichsten Romanen der österreichischen Nachkriegsliteratur.2

1 McCarthy, Patrick: Albert Camus The Stranger – a student guide, second edition, Cambridge University Press, 2004, Klappentext.

2 Brandtner, Andreas und Kaukoreit, Volker: Marlen Haushofer, Die Wand, Stuttgart: Reclam 2012, S. 55.

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Anfangs führte die Frage, zu welcher Gattung das Werk gehörte, zu einer großen Spaltung der

Rezensenten.3 War Die Wand ein Science-Fiction-Roman, eine apokalyptische Anti-Utopie

des Atomwaffenalters, oder vielleicht nur eine weibliche Robinsonade?

1983, als die Wiederauflage des Romans in Österreich erschien, entstand ein neues Interesse

für Marlen Haushofers Werk, und zwar von Seiten der feministischen Disziplin der

Literaturwissenschaft. Die Geschlechterrollen im Roman Die Wand sind unter anderem

mittels Simone de Beauvoirs Erklärungsmodell zur Entstehung von Geschlechterrollen und

weiterhin mit Bezug auf Judith Butlers Theorie von Gender als eine performative Tätigkeit

analysiert worden. Dies wird alles in Linnéa Deurells Kandidatenaufsatz Das Geschlechtslose

Ich – Geschlecht und Geschlechtsidentität in Die Wand von Marlen Haushofer schön

zusammengefasst.4 In dem feministischen Diskurs wurde zum Beispiel analysiert, wie die

Protagonistin ohne Mitmenschen im Wald, von dem Patriarchat befreit, ihre traditionelle

Geschlechtsrolle ablegt und Selbstverwirklichung und Autonomie erreicht.

Ein zentrales Motiv im Roman Die Wand, das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, hat

literarische Interpretationen des anthropologischen Diskurses hervorgebracht, die den Roman

als Grundlage für eine Diskussion von Natur, Kultur und Zivilisation benutzt.5

Andere Literaturwissenschaftler haben den Ausbruch der Ich-Erzählerin aus der Zivilisation

der 60er Jahren, der überwiegend positiv beschrieben wird, aus einer Nachkriegsperspektive

der jungen Generation Österreichs betrachtet. Daniela Strigl betrachtet die

Vergangenheitsbewältigung als ein wichtiges Thema bei Haushofer: „Dorothea Zeemann

meint aus der Perspektive der Zeitgenossin für Die Wand, daß auch für Haushofer die NS-Zeit

– und nicht ein drohender Atomkrieg – das literaturträchtige Trauma gewesen sei.“6

Die Wand ist in der Literaturwissenschaft auch in Bezug auf den französischen

Existentialismus7 interpretiert worden. Diese Existenzphilosophie wird häufig mit Jean-Paul

Sartre, Albert Camus und Simone de Beauvoir verknüpft und wurde in der Nachkriegszeit

3 Brandtner und Kaukoreit: S. 57.

4 Deurell, Linnéa: Das Geschlechtslose Ich – Geschlecht und Geschlechtsidentität in Die Wand von Marlen Haushofer. Högskolan i Dalarna, 2013.

5 Bunzel, Wolfgang: „Ich glaube es hat niemals ein Paradies gegeben“ In: Bosse, Anke / Ruthner, Clemens: „Eine geheime Schrift aus

diesem Splitterwerk enträtseln“ – MarlenHaushofersWerkimKontext, FranckeVerlag2000,S. 103.

6 Strigl, Daniela: Vertreibung aus dem Paradies – Marlen Haushofers Existentialismus In: Bosse, Anke / Ruthner, Clemens: „Eine geheime

Schrift aus diesem Splitterwerk enträtseln“, S. 133.

7 In diesem Aufsatz werde ich künftig den „französischen Existentialismus“ einfach nur den „Existentialismus“ benennen.

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nach dem zweiten Weltkrieg einflussreich. Pamela S Saur sieht im Roman Die Wand mehrere

existentialistische Züge:

Existentialist philosophers and writers seek elemental truths of being, of life and

death, of the nature, identity, and responsibility of the self. They call us to be fully

and consciously aware of our being as human creatures in the world, and to make

our own authentic choices in life, whatever the costs.8

Die Protagonistin ist ungläubig und hofft nie auf die Hilfe einer göttlichen Macht oder auf

ein Leben nach dem Tod. Sie ist sich ihrer eigenen Verantwortung im Leben äußerst

bewusst.9 Hinter der durchsichtigen Wand ist die Protagonistin zwar im Alpenwald

eingesperrt, aber gleichzeitig frei, ihren eigenen Kampf um das Überleben zu führen, was zu

einer existentialistischen Lesart, beispielsweise in der Analyse Pamela S Saurs, gut passt:

In Existentialist terms, Haushofer employs an ingenious literacy device placing

the woman on her own, in an ‘extreme boundary situation’ as explicated by

Existentialist philosopher Karl Jaspers, the unexplained wall, suggestive of the

science fiction genre, has a specific purpose, creating the protagonist’s isolation

and need for self-reliance which turn out to have philosophical import.10

Die schwerbewältigte Lage, in die die Protagonistin gerät, kann zweifellos als so eine

„Grenzsituation“ betrachtet werden. Und gerade die frühe Entscheidung der Protagonistin,

weiterzuleben statt den Selbstmord zu wählen, betrachten existentialistische DenkerInnen als

einen affirmativen Gebrauch ihrer eigenen Freiheit,11 die sie früher im Leben doch wenig

genutzt hat.12

Es gibt also vieles, das für eine existentialistische Lesart spricht. Durch meinen späteren

intertextuellen Vergleich mit dem Roman Der Fremde scheint eine existentialistische

Interpretation hier fast unvermeidlich. Aber ich möchte auch untersuchen, wie sich die

anderen erwähnten Interpretationsansätze zu meiner Motivstudie stellen.

8 Saur, Pamela S: Marlen Haushofer’s heroines and existentialism, Acta Germanica, 2008, vol 36, S. 10.

9 Haushofer, Marlen: Die Wand, List Taschenbuch, 2016, S. 99.

10 Saur: Marlen Haushofer’s heroines and existentialism, S. 14.

11 Ebd, S. 10.

12 Haushofer: Die Wand, S. 10.

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3. Augen in der Literaturgeschichte

Augen als literarisches Motiv haben eine lange Geschichte. Wir erinnern uns an den

hundertäugigen, wartenden Riesen Argos in der griechischen Mythologie, an den einäugigen

Kyklopen Polyphem in der Odyssee13 Homers und an Sophokles’ Drama König Ödipus14, in

dem sich der Held am Ende die Augen aussticht. Die magische Macht des bösen Auges

kommt in vielen Volkssagen und Märchen vor15 und tauchen auch in moderneren Geschichten

auf, z.B das ermächtigende Auge Saurons in J.R.R Tolkiens Herr der Ringe16.

Die Funktion des Auges als literarisches Motiv geht weit über die eines Körperteils hinaus.

Das Auge lässt sich u.a vielseitig als Metapher verwenden, wie es Matthias Völcker schön

beschreibt: „Wie das Auge sich öffnet und schließt, so verweisen im Zeichen der

Augenmetaphorik Leben und Tod, Anfang und Ende aufeinander.“17

Das schauende Auge wird nicht selten mit einem Fenster verglichen.18 Eng verknüpft in der

Literatur sind auch die Bilder Auge und Tür.19 Sterne sind ein weiteres Bild, das sich gut als

Augenmetapher verwenden lässt.20

Durch die Wahrnehmung literarischer Figuren, ob von innen oder außen, ob wahr oder

trügerisch, werden die Augen zur Vermittlungsinstanz und die Blicke selbst werden zu

Handlungsträgern der Erzählung.21 Das Augenmotiv ist also sehr vielfältig und komplex. Um

einen theoretischen Grund zu meiner Motivstudie vorzulegen, werde ich hier kurzgefasst neun

unterschiedliche Funktionen des Auges als literarisches Motiv vorstellen, die für die

Interpretation des Romans Die Wand besonders relevant und interessant sein könnten. 22

13 Homer: Die Odyssee [8. Jahrhundert v. Chr.] Reclam 1986.

14 Sophokles: König Ödipus [Etwa 427 vor Chr.) Reclam XL 2015.

15 Weisrock, Katharina: Götterblick und Zaubermacht, Auge, Blick und Wahrnehmung in Aufklärung und Romantik. Westdeutscher Verlag,

1990, S. 16.

16 Tolkien, J.R.R: Herr der Ringe [1954] Stuttgart: Klett-Cotta Verlag 2014.

17 Völcker, Matthias: Blick und Bild –Das Augenmotiv von Platon bis Goethe, Aisthesis Verlag, 1996, S. 292.

18 Beispielsweise in dem Gedicht Kindheit von Georg Trakl, von 1915. In: Sämtliche Gedichte. Köln: Anaconda, 2017.

19 Zum Beispiel in William Blakes Gedicht The Marriage of Heaven and Hell. [1790]. Dover Publications 1994.

20 Ein Beispiel gibt uns die Einleitung des Gedichts The night has a thousand eyes von Francis William Bourdillon In: A Victorian

Anthology, (Hg) Edmund Clarence Stedman, Cambridge Riverside Press, 1895.

21 Völcker: Blick und Bild, S. 287.

22 Die erzähltechnische, handlungstragende Funktion des Augenmotivs und die Funktionen des Auges als Metapher sind kaum von den

anderen Funktionen zu trennen und ich werde sie deshalb in dieser Übersicht nicht einzeln studieren.

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3.1. Charakterisierende Funktion des Auges

Das Auge ist seit ewig ein faszinierender Teil des Gesichts für sowohl Mediziner und

Theologen als auch Philosophen und Dichter. Seit Jahrtausenden sind deshalb verschiedene

Typologien der Augenbildungen ausgearbeitet worden.23 Laut dieser Vorstellungen könnte

man durch ausführliche Klassifizierungen der Augen große Menschenkenntnis erreichen. So

wurden etwa der Größe des Auges, der Augenstellung, der Augenfarbe, und der Form der

Lider, Wimpern und Brauen bestimmte Charakterzügen zugesprochen, u.a von Aristoteles.24

Ende des 16. Jahrhunderts, in Die Physiognomie des Menschen25, schreibt der neapolitanische

Arzt und Dichter Johann Baptista Porta über körperliche Ähnlichkeiten zwischen Mensch und

Tier:

Ähnelt ein Mensch mit irgendeinem Körperteil irgendeinem Tiere, so muß er dem

auch in seiner Art irgendwie entsprechen. Schöne, mäßig tiefe Augen werden an

den Löwen erinnern, sehr tief liegende eignen einem boshaften Sinn wie bei den

Affen, große, flache gleichen den Kuhaugen, vorstehende endlich wie der Esel

deuten auf Unverstand und Unbilligkeit.26

Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Werk Physiognomische Fragmente – zur Beförderung

der Menschenkenntnis und Menschenliebe27 von dem Züricher Dichter und Pfarrer Johann

Caspar Lavater herausgegeben und berühmt. Diese Gedanken wurden allmählich von

aufgeklärten Denkern kritisiert und als Pseudowissenschaft und Aberglaube abgewiesen,28

aber ohnehin hat die Physiognomie Lavaters einen großen Einfluss auf die europäische

Literatur gehabt.29 Hier Lavaters Skizzierung des offenen Auges:

23 Weissrock: Götterblick und Zaubermacht, S.42.

24 Ebd, S 43.

25 Porta, Johann Baptista: Die Physiognomie des Menschen, [1586] Radebeul/Dresden: Verlag Dr. Madaus & Co, 1930.

26 Weisrock: Götterblick und Zaubermacht, S. 44.

27 Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente – zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe, [1775] Reclams

Universal-Bibliothek, 1986.

28 Weisrock: Götterblick und Zaubermacht, S. 44.

29 Tytler, Graeme: Physiognomie in the european novel – Faces and Fortunes, Princeton University Press 1982, S. 321.

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Augen die groß, offen, helldurchsichtig, unter parallellen, scharfgezeichneten

Oberaugliedern schnellbeweglich funkeln, – haben sicherlich allemal fünf

Eigenschaften – Schnellen Scharfblick, Eleganz und Geschmack, Zornmütigkeit,

Stolz, und Furiose Weiberliebe. 30

Lavaters Gedanken hat u.a die Personendarstellung der europäischen Literatur am Ende des

19. Jahrhunderts geprägt, z.B in Theodor Fontanes Effie Briest und Alfred Döblins Berlin

Alexanderplatz.31

Teile des physiognomischen Gedankenguts wurden später in der „wissenschaftlichen

Rassenkunde“ der deutschen Nationalsozialisten einverleibt.32

3.2 Das Auge als Seelenorgan „Das Auge ist der Spiegel der Seele“ lautet ein uralter Spruch. Und diese Vorstellung vom

Auge als Spiegel der Seele hinterlässt auch viele literarische und philosophische Spuren, zum

Beispiel im Nachlass des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Fragen wir aber in

welchem besonderen Organe die ganze Seele als Seele erscheint, so werden wir sogleich das

Auge angeben; denn in dem Auge konzentriert sich die Seele und sieht nicht nur durch

dasselbe, sondern wird auch darin gesehen.“33

Das Auge, das das Innere des Menschen spiegelt, wird auch in Johann Wolfgang von

Goethes Aufzeichnung Das Auge erwähnt: „Das Ohr ist stumm, der Mund ist taub; aber das

Auge vernimmt und spricht. In ihm spiegelt sich von außen die Welt, von innen der Mensch.

Die Totalität des Inneren und Äußeren wird durchs Auge vollendet.“34

In Rainer Maria Rilkes Dichtung ist das Sehen ein ständiges Thema.35 Die Augen-Seele-

Verbindung in seinem berühmten Gedicht Der Panther ist für jeden aufmerksamen Leser

spürbar.36

30 Weisrock: Götterblick und Zaubermacht, S. 48.

31 Breitenfellner, Kirstin: Lavaters Schatten, Physiognomie und Charakter bei Ganghofer, Fontane und Döblin, Dresden University Press,

1999.

32 Gray, Richard T, About Face – German Physiognomic Thought from Lavater to Auschwitz. Detroit: Wayne State University Press 2004.

33 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1835–1838, Kapitel III.A.1: Die schöne Individualität.

34 von Goethe, Johann Wolfgang: Das Auge. Aufzeichnung in Zur Farbenlehre In: Werke – Herausgegeben im Auftrag der Großherzogin

Sophie von Sachsen, Weimar 1887 ff. Abt II. Bd. 5, 2, S.110.

35 Marx, Bernhard: Der doppelte Blick – Zum Phänomen der Sichtbarkeit, Königshausen & Neumann, 2017, S.30.

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3.3. Wahrnehmung und Wissen

Der Gesichtssinn ist schon in der antiken Literatur mit der Wahrnehmung eng verknüpft. Wir

erinnern uns an Platons Gleichnis des Auges als eine Laterne, die Lichtstrahlen an die

Gegenstände der Umwelt ausschickt. Die Begriffe Sehen und Wissen sind historisch eng

verknüpft, auch in der Etymologie.37

Der zur Erkenntnis führende Blick wurde auch ein Sinnbild für die Epoche der Aufklärung

im 18. Jahrhundert – „Aufklärung heißt, die Augen öffnen“ war ein rationales Diktum der

Zeit38, die Aufklärung verstand das sehende Auge vor allem als Organ objektiver

Weltübersicht.39

Der Begriff „Augenmensch“ bezeichnet heute noch eine Person, die visuelle Erfahrungen

bevorzugt und sich die Dinge selbst ansehen will, um Erkenntnis zu schaffen. Johann

Wolfgang von Goethe, Friedrich Nietzsche, Rainer Maria Rilke und Friederike Mayröcker

werden häufig mit dem Begriff Augenmensch verknüpft.

Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Subjektivität des Sehens zunehmend berücksichtigt.40

Die Art und Weise, wie man subjektiv schaut, ist eine Diskussion, die u.a von der

philosophischen Richtung der Phänomenologie geführt wird. Phänomenologie ist eine

deskriptive, wissenschaftliche Methode die sich u.a mit Themen wie Wahrnehmung und

Erkenntnistheorie beschäftigt. Edmund Husserl, Martin Heidegger, Maurice Merleau-Ponty

und Jean-Paul Sartre sind bedeutende Vertreter dieser Richtung. Edmund Husserl, „der

Gründer der modernen Phänomenologie“, definiert die Vernunft als eine „Schauende

Erkenntnis“41. Laut Husserl leitet gerade das unreflektierte Schauen zur wahren Erkenntnis

36 Rilke, Rainer Maria: Der Panther. In: Gedichte. Stuttgart: Reclam 1997.

37 „Die griechischen Ausdrücke für Wissen und Sehen, eidenai und idein, sind abgeleitet von derselben Wurzel vid,” Schmidt, Ulf: Platons

Schauspiel der Idéen. Bielefeld: Transcript Verlag 2006, S.32.

38 Dueck, Evelyn und Vuillemin, Nathalie: „Der Augen Blödigkeit” Sinnestäuschungen, Trugwahrnehmung und visuelle Epistemologie im

18. Jahrhundert. Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2016, S. 233.

39 Calhoon, Kenneth S, Geulen, Eva, Haas, Claude und Reschke, Nils: „Es trübt mein Auge sich in Glück und Licht” – Über den Blick in

der Literatur, Erich Schmidt Verlag 2010, S. 7.

40 Ebd, S. 7.

41 Claesges, Ulrich und Held, Klaus: Perspektiven transzendentalphänomenologischer Forschung, Phaenomenologica MN Volume 49. Den

Haag: Martinus Nijhoff 1972, S.102.

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der Wirklichkeit. Zu viel Denken und Reflektion sei gefährlich bei der schauenden

Wahrnehmung und könnte vorgefasste Meinungen schaffen. Die phänomenologische Maxime

lautet „also möglichst wenig Verstand, aber möglichst reine Anschauung“.42

Die Wahrnehmung von der Natur ist für diese Motivstudie besonders interessant. Bei den

naturliebenden Helden des Sturm und Drangs finden wir ein empfindsames Schauen, z.B in

der berühmten Klopstock-Episode in Goethes Die Leiden des jungen Werther,43 in dem

Werther und Lotte gemeinsam beim Fenster ein Gewitter anschauen. Das Schöne der Natur zu

betrachten kann auch drohend wirken, z.B in Ludwig Tiecks Märchen Der Runenberg44, in

dem der Held Christian mitten im hohen, wilden Gebirge der Bergfrau begegnet – eine böse,

reizende „göttergleiche Waldschönheit“45 aus dem unterirdischen Mineralreich. „Alle

schimmernden, glänzenden und leuchtenden Gegenstände scheinen für Christian Augen zu

haben, die ihn anblicken (…) Von der Anschauung eines Gegenstandes gelangt er über die

Schau zur Einsicht in die geheimen Zusammenhänge der Natur.“46 Ein neuer melancholischer

Seelenzustand vertieft seine Erkenntnisfähigkeit.

3.4. Trugwahrnehmung und optische Täuschung

Die Erfindung optischer Geräte, wie Brillen, Sehgläser und Fernrohre, bringt neue

Perspektiven zur Motivik Augen in der Literatur. Zuerst wurden sie Symbole

wissenschaftlicher Zuverlässigkeit.47 Aber als literarisches Metapher lässt das Fernglas auch

verschiedene Blickwinkel und Sichtweise dem Leser sichtbar werden, genau wie eine gewisse

Verunsicherung der Wahrnehmungsperspektive. Bei E.T.A Hoffmann, der gerne durch

optische Geräte einen technisierten Blick in seine Geschichten einbezieht, sind die

Täuschungen des Auges en beliebtes Thema.48 In seine Erzählung Der Sandmann, in der

trugwahrnehmende Augen ein Motiv sind, führt die Täuschung eines Fernglases dazu, dass

42 Chiurazzi, Gaetano: Modalität und Existenz, Von der Kritik der reinen Vernunft zur Kritik der hermeneutischen Vernunft: Kant, Husserl,

Heidegger. Königshausen & Neumann, 2006, S. 178.

43 von Goethe, Johann Wolfgang: Die Leiden des jungen Werther. [1774] Anaconda Verlag 2005.

44 Tieck, Ludwig: Der Runenberg, [1804], Reclam, 2018.

45 Weisrock: Götterblick und Zaubermacht, S. 97.

46 Ebd, S. 98.

47 Calhoon, Geulen, Haas und Reschke: „Es trübt mein Auge sich in Glück und Licht”, S. 174.

48 Ebd, S. 187.

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der Protagonist wahnsinnig wird und Selbstmord begeht.49 In Franz Kafkas Roman Amerika

wird der Protagonist gezwungen, durch einen Operngucker zu schauen, mit dem Resultat,

dass er gar nichts sieht.50 Das Motiv Augen und Blicke in der Literatur können also dem Leser

nicht nur das Sichtbare zeigen, sondern erinnern auch an die Verwerfungen des Sehens und an

den Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit.

3.5. Bedeutende Blicke

Manchmal spricht man von sprechenden Augen oder einem sprechenden Blick. So eine

nonverbale Konversation findet man, laut Isabelle Wentzlaff-Mauderer,51 z.B in Friedrich

Schillers Drama Kabale und Liebe. 52

Augen als Liebesquellen kommen häufig in der Literaturgeschichte vor. In Elias Canettis

autobiografischem Das Augenspiel,53 in dem er seinen ersten Eindruck von Anna Mahler

beschreibt, finden wir das populäre Motiv der Liebe auf den ersten Blick. „Ich stand nicht

mehr weit von ihr und fühlte mich von ihrem Blick ergriffen. Von diesem Augenblick ließen

mich ihre Augen nicht mehr los.“

Bedeutende Blicke in der Literatur handeln oft von der Dynamik zwischen Sehen und

Gesehenwerden. Ein ermächtigender Blick erscheint z.B in dem berühmten Blick-Kapitel in

Jean-Paul Sartres Das Sein und das Nichts – Versuch einer phänomenologischen Ontologie.54

Sartre beschreibt den objektivierenden Blick des Anderen, der zur Folge hat, dass ein

Bewusstwerdungsprozess stattfindet. Der Angeschaute erlebt eine „Dezentrierung“ seiner

Welt – er ist nicht mehr ein Subjekt sondern ein Objekt in der Welt des Anderen.

In der feministischen Literaturwissenschaft und in dem Genderdiskurs redet man von

geschlechterkodierten Blicken, z.B von dem männlichen Blick, der die Frau objektiviert.

3.6. Zuschauen von Menschen und Tieren

49 Hoffmann, E.T.A: Der Sandmann, [1816] Reclam, 2015.

50 Kafka, Franz: Amerika, [1927], Fischer Taschenbuch Verlag, 1993.

51 Wentzlaff-Mauderer, Isabelle: Wenn statt des Mundes Augen reden, München Iudicium, 2001.

52 Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. [1784]. Reclam XL, 2014.

53 Canetti, Elias: Das Augenspiel, Lebensgeschichte 1931–1937. Carl Hanser Verlag, 1985.

54 Sartre, Jean-Paul: Das Sein und das Nichts – Versuch einer phänomenologischen Ontologie. [1943] Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1985.

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Das Auge des unbeteiligten Zuschauers wird oft in der Literatur deutlich: Das Auge eines

Außenstehenden, eines Zeugen, eines Fremden. Lauter teilnahmslose, gleichgültige Augen

findet man in Camus’ Roman Der Fremde, in dem der Protagonist am Abend von seiner

Wohnung die zurückkehrenden Zuschauer eines Fußballkampfes beobachtet. Von seinem

eigenen Vater kennt er nur eines – dass er einmal als Zuschauer zur Hinrichtung eines

Mörders ging.55 Am Tag seiner eigenen Hinrichtung wünscht er sich, dass: „viele Zuschauer

da sein würden“ und dass sie ihn „mit Schreien des Hasses empfangen.“56

Das Auge als erotisch stimulierfähiges Organ manifestiert sich in dem voyeuristischen

Schauen. Eine verhüllte Schaulust finden wir sowohl in Arthur Schnitzlers Traumnovelle57, in

der das Auge des Helden maskiert ist, als auch in Elfriede Jelineks Roman Die

Klavierspielerin, in dem die Protagonistin nur beim heimlichen, exzessiven Schauen ihre

Sexualität ausleben kann. Mit Hilfe des Fernglases ihres verstorbenen Vaters, beobachtet sie

junge Paare beim Geschlechtsverkehr.58

In diesem Zusammenhang kann auch der animalische Voyeurismus erwähnt werden, das

Anschauen der Menschen von Tieren, z.B im Tiergarten. Das Beobachten von Zoo-Tieren ist

ein wiederkehrendes Motiv u.a bei Angela Krauß, und kann mit dem Thema Sehnsucht nach

Freiheit verknüpft werden.59

3.7. Augenlast und Blindheit Augen, die nicht sehen wollen oder nicht sehen können, sind ein bedeutendes literarisches

Motiv. Ingeborg Bachmann beschreibt in der Erzählung Ihr glücklichen Augen die Vorteile

einer Sehschwäche, wenn man alles Schlimmes im Leben nicht so deutlich und scharf sehen

muss.60

55 Camus, Albert: Der Fremde, [1942] Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2017, S. 143.

56 Ebd, S. 159.

57 Schnitzler, Arthur: Traumnovelle, [1926], Reclam XL, 2013.

58 Jelinek, Elfriede: Die Klavierspielerin, Rowohlt, 1983.

59 Pottbeckers, Jörg, Warum schauen wir Tiere an? Über den animalischen Voyeurismus in Angela Krauß’ späterer Prosa In: Poetik des

Zwischenraums, Würzburg, Königshausen & Neumann, 2014.

60 Bachmann, Ingeborg: Ihr glücklichen Augen. [1971] In: Sämtliche Erzählungen. München: Piper 2005.

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Sowohl bei Bachmann als auch bei Paul Celan findet man Gedichte, in denen Augen mit

einem schmerzenden Schauen verknüpft sind, z.B Bachmanns Psalm61 und Celans Ein Auge,

offen.62

Das Motiv Blindheit in der Literatur kann mehrere verschiedene Funktionen haben. Eine ist

die Bewusstmachung der Spaltung von Sehen und Nichtsehen.63

3.8. Augenöffner der LeserInnen Betrachtende Augen in der Literatur können eine Metafunktion haben, damit sie eine Art

Verfremdung oder Bewusstmachung beim Leser hervorbringen können, z.B bei Themen wie

Sprache, Lesen und Schreiben. Mit einer Blick-Analyse einer Szene aus Elfriede Jelineks

Roman Die Klavierspielerin, in der die Protagonistin ihren Schüler beim Lesen ihres Briefes

betrachtet, zeigt Anna-Lena Scholtz wie das ständige Wechseln von Blickpositionen im Text,

den Leserblick auf einer Metaebene im Blickgeschehen mit hineinzieht.64

3.9. Menschenaugen versus Tieraugen

Die Schilderungen von Tieraugen in der Literatur haben u.a die Absicht das Verhältnis

zwischen Tier und Mensch darzustellen und auf den Unterschied zwischen den beiden

hinzuweisen. Die Unterordnung der Tiere gegenüber den Menschen kann durch das

Augenmotiv anschaulich gemacht werden. Ein berühmtes Beispiel ist das Wegschauen des

Tieres von dem menschlichen Blick in Rudyard Kiplings Das Dschungelbuch, in dem der

Panther Bagheera Mowgli anspricht:

Not even I can look thee between the eyes, and I was born among men, and I love

thee, Little Brother. The others they hate thee because their eyes cannot meet thine

– because thou art wise – because thou hast pulled out thorns from their feet –

because thou art a man.65

Das Schildern des Unterschieds zwischen Mensch und Tier kann sich auch in Erstaunen und

Achtung manifestieren, hier die Augen der Antilope Lulu in Tania Blixens/Karen Blixens Die 61 Bachmann, Ingeborg: Psalm aus dem Lyrikband Die gestundete Zeit, [1953] München: Piper 2011.

62 Celan, Paul: Ein Auge, offen [1959] P. Celan Gedichte. Suhrkamp, 2005.

63 Calhoon, Geulen, Haas und Reschke: „Es trübt mein Auge sich in Glück und Licht”, S. 261.

64 Scholtz, Anna-Lena: Sprechende Blicke In: Calhoon, Geulen, Haas und Reschke(Hg): „Es trübt mein Auge…” S. 255.

65 Kipling, Rudyard: Das Dschungelbuch. [1894] London Macmillan & Co Ltd 1946, S. 30.

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afrikanische Farm: „For a minute she gazed at me; her purple smoky eyes were absolutely

without expression and did not wink, and I remembered that the Gods and Goddesses never

wink, and felt that I was face to face with the ox-eyed Hera.“66

Augenschilderungen eines Tieres können auch an die oben erwähnte Physiognomie

assoziieren lassen, also die gedachte Analogie, dass jede Ähnlichkeit in der Erscheinung einer

Ähnlichkeit dem Charakter entspreche, z.B schöne Augen – braves Tier.67 Und genau wie

Menschenaugen manchmal mit tierischen Kennzeichen beschrieben werden, um ihre

Persönlichkeit zu schildern, werden auch Tieraugen menschliche Attribute zugeschrieben, um

den Charakter des Tieres darzustellen. Bevor der Bernhardiner Cujo ein tollwütiges Monster

wird, ist er ein sehr netter, kinderliebender Hund voll Charme, was hier mittels einer

„Vermenschlichung“ anschaulich wird:

Just before they left, Camber’s boy, whose name was Brett, actually lifted Tad

onto Cujo’s back and held him around the waist while Cujo padded obediently up

and down the gravel dooryard twice. As it passed Vic, the dog caught his eye …

and Vic would have sworn it was laughing.68

Durch das Motiv Augen und Schauen der Tiere können auch die seelischen Bedingungen der

Menschen dargestellt werden, wie in Rainer Maria Rilkes Die achte Elegie.69

4. Analyse: Motiv Augen im Roman Die Wand

4.1 Charakterisierung durch die Augen

Im Text, in dem die Protagonistin sich selbst und ihre Tiere dem Leser schildert, werden

Augen ausführlich und malerisch beschrieben. Der Hund Luchs zum Beispiel: „der seine

Mahlzeit beendet hatte, sprang zu mir auf die Bank und sah mich lange und aufmerksam an.

Seine Augen waren braunrot und warm, ein wenig dunkler als sein Fell. Das Weiße um die

Iris glänzte feucht und bläulich.“ 70

66 Blixen, Karen: Out of Africa. [1937] New York: The modern library 1992, S.78.

67 Vgl Kapitel 3.1.

68 King, Stephen: Cujo. [1981] Hodder & Stoughton 2011, S. 19.

69 Rilke, Rainer Maria: Die achte Elegie. [1923] In: Gedichte. Stuttgart: Reclam 1997.

70 Haushofer: Die Wand, S.25.

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Die Schilderung der liebevollen Augen des Hundes Luchs zeigt, genau wie die

Beschreibung der Augen des entzückenden Kätzchens Perle, physiognomische Züge auf, in

Analogie mit dem Gedanken, dass die Erscheinung dem Charakter entspricht. „Ihre blauen

Augen waren nach einigen Wochen grün geworden und leuchteten wie Edelsteine aus dem

weißen Gesicht.“71

Der Blick der Kuh Bella, deren Mutterschaft im Roman zentral ist, wird mit Hilfe

menschlicher Adjektive geschildert.72 Hier finden wir außerdem das klassische Motiv von der

Liebe auf den ersten Blick.73

“Die Art, wie sie den Kopf nach allen Seiten drehte, wenn sie Blätter von den Büschen

zupfte, erinnerte mich an eine graziöse, kokette junge Frau, die aus feuchten braunen Augen

über die Schulter blickt. Ich schloß die Kuh sofort ins Herz, ihr Anblick war zu erfreulich.“ 74

Das große Interesse der Ich-Erzählerin für Augen scheint aber nicht die Augen ihrer selten

vorkommenden Mitmenschen einzuschließen. Eine Ausnahme sind die Augen eines Jägers,

„ein ehrlicher, ordentlicher Mann“75 der den Jagdhund Luchs gut abgerichtet hat. „Das

auffallendste an ihm waren seine sehr hellen, grünlichblauen Augen, die besonders scharf

waren und auf die sich dieser bescheidene Mann sehr viel einzubilden schien. Er benutzte das

Fernglas nie anders als mit verächtlichem Lächeln.“76 Man könnte es so interpretieren, dass

seine Augen geschildert werden, weil sein Schauen sich von dem Schauen der anderen

Menschen im Roman unterscheidet. Er kennt sich gut in der wilden Natur aus, er weiß mit

Tieren umzugehen und verlässt sich eher auf seine eigenen Augen als auf ein Fernglas, ein

typischer „Augenmensch“. Die Sonderstellung des Jägers passt auch zu dem

zivilisationskritischen Interpretationsansatz des Romans.

Als die Protagonistin, in der Mitte des Romans, von ihren eigenen Augen erzählt, wird die

große Komplexität des Augenmotivs in einem Satz zusammengefasst: “Ich war immer stolz

auf meine Augen, obgleich es dumm ist, auf einen körperlichen Vorzug stolz zu sein. Etwas

71 Haushofer: Die Wand, S.74.

72 Vlg Kapitel 3.9.

73 Vgl Kapitel 3.5.

74 Haushofer: Die Wand, S. 36.

75 Ebd, S. 35.

76 Ebd, S. 67.

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Schlimmeres als blind zu werden, konnte ich mir nie vorstellen.“77 Die äußere Schönheit der

Augen wird der Protagonistin, als einziger Mensch in der wilden Natur, nichts mehr nützen.

Die gute Sehkraft, hingegen, könnte den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.

4.2 Augenmetaphorik

Das Motiv Augen ist also in diesem Roman sehr betont. Manchmal bekommt man den

Eindruck, dass es sich selbst, auf eine Metaebene durch die Sprache, dem Leser zeigen

möchte, wie z.B in der Schilderung des Kätzchens Perle: „Ihr Fell leuchtete weithin in der

Sonne, und jeder, der Augen im Kopf hatte, mußte sie sehen.“78

Auch durch den Gebrauch von Metaphern wird das Motiv Augen hervorgehoben: „Die

Veilchen hielten mir ihre kleinen violetten Gesichter entgegen, aber ich konnte sie nicht

anfassen.“79 Es ist, als ob die Natur selbst auf die Protagonistin zurückblickt.

Wenn man Metaphern des Auges im Text sucht, wird bald deutlich, dass die Ich-Erzählerin

oft sowohl vom Öffnen als auch vom Verschließen der Fenstern und Türen berichtet, das man

sowohl mit den Themen Angst und Hoffnung als auch mit dem Augenmotiv verknüpfen

könnte. Im folgenden Abschnitt tobt ein erschreckendes Gewitter: „Ich schloß das Fenster und

die Läden, und die Schwüle wurde erstickend. Dann erhob sich in den Wolken ein tobendes

Gebrüll.“80

Die Ich-Erzählerin hat vor allem vor Menschen Angst, in erster Linie vor den Menschen, die

für die Wand und für den Massentod verantwortlich sind. Auch wenn sie glaubt, dass es keine

Menschen mehr gibt. Das Gewehr hängt geladen neben dem Bett und nachts werden Fenster

und Türe verschlossen.

Die Ich-Erzählerin schließt erschreckt die Augen, als sie am ersten Morgen hinter der Wand

erwacht. Aber der Hund Luchs begrüßt sie freudig und bald steht sie auf und öffnet die

Fensterläden: „Ein strahlender Tag erwachte.“81 Schon am folgenden Morgen fällt ihr das

77 Haushofer: Die Wand, S. 151.

78 Ebd, S. 111.

79 Ebd, S. 167.

80 Ebd, S. 90.

81 Ebd, S. 26.

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Erwachen nicht mehr so schwer: „denn sowie ich die Augen aufschlug, fiel mir die Kuh

ein.”82

Das Öffnen der Fenster und Türe in den verschiedenen Jagdhütten könnte man in diesem

Roman auch mit der Vergangenheitsbewältigung assoziieren, als möchte die Protagonistin das

historisch belastete Österreich durchlüften und das enthüllende Licht hineinlassen.

Am Ende des Romans ist ihr höchster Traum, eine Tür ins Freie aufbrechen zu können,

damit sie in der Kammer einen Stall für Bella einrichten könnte und das geliebte Tier nie aus

den Augen verlieren zu müssen. Dieser Traum, den sie aus Mangel körperlicher Kräfte

schwer zu verwirklichen betrachtet, scheint mehrere Themen des Romans zu verbinden – den

Ermächtigungsprozess und die Emanzipation der Frau, das teilnehmende, mitfühlende

Schauen, und die unüberquerbare Grenze zwischen Mensch und Tier, deren die Ich-Erzählerin

sich stets bewusst ist: „Das einzige Wesen im Wald, das wirklich recht oder unrecht tun kann,

bin ich. (...)Manchmal wünsche ich mir, diese Last der Entscheidung liege nicht auf mir.“83

In dem nächsten Abschnitt wird untersucht werden, wie die Protagonistin als einziger

Mensch mit den Tieren kommuniziert.

4.3. Bedeutende Blicke als Dialog zwischen Mensch und Tier

Die ganze Geschichte wird aus dem Blick der Ich-Erzählerin berichtet, aber sie registriert und

vermittelt häufig die Blickerfahrungen ihrer Tiere. Weil sämtliche Mitbewohner der Frau

hinter der durchsichtigen Wand im Wald Tiere sind, wird der Blick ein zentrales Mittel zur

Kommunikation. Die verantwortungsvollen Augen des Hundes Luchs hüten Tag und Nacht

das Haus und weichen nie von seinem neuen Frauchen oder den anderen Haustieren. „Luchs

stand trinkend am Brunnen, ohne ein Auge von seinen Schützlingen zu lassen. Ich lobte und

streichelte ihn, und er war sichtlich froh, von der Wache abgelöst zu werden.“84

Die Blicke der Tiere beindrucken die Protagonistin und bringen sie dazu, sich um die Tiere zu

kümmern: „Die Katze starrt aus gelben Augen in die Ferne. Manchmal kommt sie plötzlich zu

mir zurück, und ihre Augen zwingen mich, die Hand auszustrecken und den runden Kopf mit

dem schwarzen M auf der Stirn zu streicheln.“85 Umgekehrt kümmern sich auch die Tiere um 82 Haushofer: Die Wand, S. 34.

83 Ebd, S. 128.

84 Ebd, S. 171.

85 Ebd, S. 149.

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die Frau: „Luchs sah, daß ich krank war, und überschwemmte mich mit

Liebesbezeugungen.“86 Dem wortlosen Dialog von sprechenden Blicken gelingt es Gefühle

wie Mitleid, Verantwortung und Liebe hervorzubringen. Mit Hilfe sprechender Blicke kann

Marlen Haushofer die verschiedenen Persönlichkeiten in der „Familie“ und die Beziehungen

die sich entwickeln, dem Leser anschaulich vorstellen. Die Katze wird beispielsweise als ein

starkes Individuum geschildert mit sowohl Instinkt als auch Intelligenz: „Die Katze sah ihm

zu, und wenn ich jemals eine Katze schadenfroh lächeln gesehen habe, dann war sie es.“87 „Es

sah aus, als lachte sie über meine Blindheit.“88

Durch sprechende Blicke versteht die Protagonistin, dass die junge Mutter Bella mit ihrem

Kalb ein bisschen Abgeschiedenheit braucht. „In ihren feuchten Augen konnte ich lesen, daß

sie in warmem Glück schwamm. Mir wurde ganz sonderbar zumute, und ich mußte aus dem

Stall flüchten.“89 Die Haustiere im Roman sind nicht Objekte sondern Mitsubjekte, oder

„Spiegelprotagonisten“90 der Protagonistin. Sie machen ihre eigenen Erfahrungen der

Umwelt, die hinter der Wand, in der wilden Natur, auch der menschlichen Heldin sichtbar

wird. Dadurch wird deutlich, wie der moderne Mensch sich von der Natur distanziert hat, und

das passt zu den zivilisationskritischen/anthropologischen Interpretationen des Romans. Weil

die Tiere noch Teil der Natur sind, kann sich die Protagonistin durch die Augen und den

Instinkt der Tiere außerhalb der Zivilisation besser orientieren: „Luchs empfing mich

winselnd und sah besorgt und voll Unruhe zum Himmel auf. Er fühlte das nahende

Gewitter.“91 Und dank Bellas Instinkt verzichtet die Ich-Erzählerin darauf, ihren Hunger mit

den unbekannten Pilzen auf der Wiese zu stillen: „Sie sahen sehr verlockend aus, aber da

Bella sie nicht anrührte, bezwang ich meinen Hunger.“92 Die Blicke von Tier und Mensch

haben außerdem die am Anfang erwähnte erzähltechnische Funktion, indem die

Blickerfahrungen die Handlung antreiben und die Romanwelt dem Leser sichtbar machen.

86 Haushofer: Die Wand, S. 156.

87 Ebd, S. 158.

88 Ebd, S. 241.

89 Ebd, S. 145.

90 Bunzel, Wolfgang: „Ich glaube, es hat niemals ein Paradies gegeben“ In: Eine geheime Schrift aus diesem Splitterwerk zu enträtseln –

Marlen Haushofers Werk im Kontext, (Hg) Bosse, Anke und Ruthner, Clemens, Francke Verlag 2000, S. 105.

91 Haushofer: Die Wand, S. 88.

92 Ebd, S. 20.

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4.4 Menschenaugen versus Tieraugen

Die Hierarchie, die sich manchmal im Blickwechsel zwischen Mensch und Tier in der

Literatur manifestiert, beispielsweise in Rudyard Kiplings Das Dschungelbuch93, findet man

im Roman Die Wand nicht, auch wenn Haushofer sich auf den Gedankengang Kiplings zu

beziehen scheint:

Auch Luchs mußte die Augen abwenden, wenn ich ihn lange ansah. Ich glaube

nicht, daß Menschenaugen hypnotisch wirken, ich kann mir aber vorstellen, daß

sie einfach zu groß und leuchtend sind, um einem kleineren Tier angenehm zu

sein. Ich ließe mich auch nicht gern von untertassengroßen Augen anstarren.94

Der Unterschied zwischen Mensch und Tier wird mit Hilfe der Augenmotivik zwar behandelt,

aber die Blicke, die die Ich-Erzählerin auf die Tiere wirft, drücken eher Respekt und Achtung

als Überlegenheit aus. Bald wird es der Protagonistin auch deutlich, dass es Dinge gibt, die

für die Tiere sichtbar sind, die ihr aber verborgen bleiben. Der visuelle Kosmos der Katze

bleibt für die Protagonistin ein Mysterium. „Während ich das schreibe, liegt sie vor mir auf

dem Tisch und sieht aus großen, gelben Augen über meine Schulter auf einen Fleck der

Wand. Dreimal habe ich mich schon umgedreht und kann dort nichts sehen als das alte dunkle

Holz.“95

Obwohl sich die Protagonistin mit den Tieren eng befreundet fühlt, bleibt sie, als einziger

Mensch, eine Außenstehende. Dies manifestiert sich manchmal in Episoden, die an den

animalischen Voyeurismus96 erinnern. In der folgenden Szene, in der die Protagonistin die

Paarung der Kuh mit dem Stierkalb beobachtet, wird außerdem der große Unterschied

zwischen Mensch und Tier veranschaulicht: „als ich gegen Abend mit Luchs aus dem Wald

zurückkam, sah ich, wie Stier Bella bestieg ( … ) als ich die beiden großen Geschöpfe vor

93 Vgl Kapitel 3.9.

94 Haushofer: Die Wand, S. 51.

95 Ebd, S. 50.

96 Vgl Kapitel 3.6.

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dem rosigen Abendhimmel miteinander verschmelzen sah, glaubte ich zu wissen, daß es

diesmal ein Kalb geben würde.“97

4.5. Blindheit und verdeckte Sicht

Im Roman Die Wand werden häufig Dichotomien zum Thema Sichtbarkeit benutzt, z.B

Augen schließen-Augen öffnen, Finsternis-Licht, blind-sehend. Das Thema Blindheit kommt

öfters vor, sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinn. Die Protagonistin vergleicht

sich mit einem blinden Maulwurf,98 hat Angst blind zu werden und phantasiert von blinden

Fischen,99 während unter den wilden Tieren im Wald eine erblindende Epidemie wütet. An

einigen Stellen in der Geschichte, oft bevor etwas Schlimmes passiert, beschreibt die Ich-

Erzählerin, wie ihr die Sicht verdeckt oder versperrt wird. Sie muss sich dann bemühen, um

das Geschehene zu überblicken. So ist es beispielsweise bei erster Entdeckung der

durchsichtigen Wand, bei Entdeckung des versteinerten Mannes jenseits der Wand, bei der

Entdeckung der toten, blinden Gemse, und nicht zuletzt, bei der grausamen Erscheinung des

Fremden, der gerade das Stierkalb getötet hat. Die Ich-Erzählerin wird von den vielen

schmerzlichen Anblicken bedrückt, aber ihr Blick ist immer voll Mitgefühl und sie schaut

nicht weg. Selbst die durchsichtige Wand gehört zu den schlimmen, versteckten

Gegenständen in der neuen Welt der Ich-Erzählerin: „Es störte mich, daß ich die Wand nicht

sehen konnte, und so brach ich einen Arm voll Haselzweige ab und fing an, sie an der Wand

in die Erde zu stecken.“100 Die verdeckte Sicht dient nicht nur als ein erzähltechnischer Griff,

der Dramatik und Spannung in die Handlung bringt. Durch das Motiv der verdeckten Sicht

und das Thema Blindheit werden sowohl das Sichtbare als auch das Verborgene des Daseins

in diesem Roman betont als auch die Bedingungen des sehenden Menschen.

„Als Kind hatte ich immer unter der närrischen Angst gelitten, daß alles, was ich sah,

verschwand, sobald ich ihm den Rücken kehrte. Alle Vernunft hat nicht vermocht, mich ganz

von dieser Angst zu heilen.“101 Die Ich-Erzählerin ist sich ihrer eigenen begrenzten

Perspektive äußerst bewusst und bemüht sich, die Perzeption des anderen, des Tieres,

vorzustellen: „Ich weiß nicht, was geschieht, wenn ich den Stall verlasse. Blickt Bella mir

97 Haushofer: Die Wand, S. 265.

98 Ebd, S. 76.

99 Ebd, S. 103.

100 Ebd, S. 20.

101 Ebd, S. 186.

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lange nach, oder sinkt sie bis zum Abend in einen ruhigen Halbschlaf?“102 Das Motiv der

verdeckten Sicht lässt sich auch zum Thema Vergangenheitsbewältigung interpretieren – wer

das Böse nicht sehen möchte, sieht schlicht vorbei, das Übersehen der Bosheit ist einfach und

bequem. Es gibt mehrere Zitate und Szenen, die man mit Vergangenheitsbewältigung

verknüpfen könnte, z.B. eine Erinnerung an das getötete Kätzchen Perle: „Der Blutfleck auf

dem Fußboden wollte nicht verblassen. Ich hatte beschlossen, ihn nicht zu verdecken. Ich

mußte mich an ihn gewöhnen und mit ihm leben.“103

4.6. Trugwahrnehmung und optische Täuschung Mit dem Fernglas glaubt die Frau einen Überblick über die Umwelt bekommen zu können

und endlich eine Antwort auf ihre Fragen zu erhalten. Und sie sieht zwar weit, die Fernsicht

ist gut, aber das Bild ist trügerisch. „Manchmal benutzte ich das Glas, aber lieber sah ich in

den Himmel mit freiem Auge. Ich konnte so das Ganze überblicken, der Blick durch das Glas

war eher verwirrend“.104 Das Fernglas könnte man hier als Gegenstand eines unnatürlichen,

künstlerischen Sehens betrachten. Man sieht damit zwar sehr scharf, aber es verstellt und

täuscht. Hier schließt sich Haushofer der klassischen Funktion des Fernglases in der

Literaturgeschichte an, z.B in E.T.A Hoffmanns Der Sandmann und Meister Floh, und in

Franz Kafkas Amerika.105 Vergleicht man mit dem schon erwähnten Fernglasmotiv im Roman

Die Klavierspielerin wird noch ein Aspekt deutlich, der als Teil des Ermächtigungsprozesses

der Frau interpretiert werden könnte. Die beiden Frauen benutzen ein Fernglas, das früher

einem Mann gehört hat, ersetzen dadurch den männlichen Blick106 mit einem weiblichen und

übernehmen den Vorrang zur Deutung ihrer Umwelt. Diese Funktion des Fernglasmotivs

passt zu den schon erwähnten feministischen Interpretationen des Romans Die Wand. Nicht

unerwartet findet man auch mehrere Spiegel in diesem Roman; Eisflächen, Wasserspiegel und

große Katzenaugen dienen als Reflektoren, und in der Jagdhütte gibt es auch noch den alten

Frisierspiegel der Kusine, der hinter der Wand eine besondere Bedeutung bekommt. In der

wilden Natur, von lauter Tieraugen umgeben, wird die Ich-Erzählerin nicht mehr von ihrer

Erscheinung her beurteilt und sie hört auf, an ihr Aussehen zu denken, was auch zu der

feministischen Lesart des Romans passt. Selbst die durchsichtige Wand kann übrigens mit

102 Haushofer: Die Wand, S. 106.

103 Ebd, S.157.

104 Ebd, S. 190.

105 Vgl. Kapitel 3.4.

106 Vgl. Kapitel 3.5.

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dem Motiv von optischen Geräten verknüpft werden. Wir werden untersuchen, was mit den

Augen der Protagonistin hinter der Wand geschehen.

4.7. Vertiefte Wahrnehmung

Als wäre die durchsichtige Wand eine optische Linse, scheinen die Augen der Protagonistin

hinter der Wand sich langsam zu verändern. „Seit einigen Wochen scheinen meine Augen

nicht ganz in Ordnung zu sein. In die Ferne sehe ich ausgezeichnet, aber beim Schreiben

verschwimmen mir oft die Zeilen vor den Augen.“107

Das Schauen der Frau durchgeht eine Verwandlung. Die Erscheinungen der Wirklichkeit

werden klarer und lebendiger, die Gegenstände ihrer Umwelt – Bäume, Blumen, Schlangen –

erscheinen ihr neu und anders. Nur das Lesen und Schreiben fällt ihr schwer. Man könnte es

so interpretieren, dass solche Tätigkeiten des Auges, ohne Mitmenschen hinter der Wand,

keinen Sinn mehr haben. Jedoch wird dem Schreiben eine Metafunktion gegeben, ähnlich den

früheren erwähnten Textabschnitt aus dem Roman Die Klavierspielerin.108

Seit einigen Tagen ist mir klargeworden, daß ich immer noch hoffe, ein Mensch

werde diesen Bericht lesen. Ich weiß nicht, warum ich es wünsche, es macht doch

keinen Unterschied. Aber mein Herz klopft rascher, wenn ich mir vorstelle, daß

Menschenaugen auf diesen Zeilen ruhen und Menschenhände die Blätter wenden

werden.109

Das Menschenauge, zeigt es sich, ist zur Anpassung fähig und kalibriert sich nach der

Umgebung, beispielsweise oben auf der Alm: „Meine Augen mußten sich erst an die Weite

gewöhnen, nach einem Jahr, das ich im engen Talkessel verbracht hatte.“110

Man könnte es so interpretieren, dass hier, außerhalb der Zivilisation, die Protagonistin ganz

ihrer eigenen subjektiven Perzeption ausgeliefert ist. Genau wie die Protagonistin in ihrem

früheren Leben von ihrer Freiheit wenig Gebrauch gemacht hatte, hat sie das ganze Potenzial

ihres Gesichtssinnes früher wenig erforscht. Die Protagonistin entdeckt jetzt, dass die Krähen

weder trostlos noch schmutzig sind, sondern pünktlich und treu. Sie lernt „ihre“ Hirsche von

fremden Hirschen zu unterscheiden. Die Nacht, die sie immer gefürchtet hat, ist nicht finster,

107 Haushofer: Die Wand, S.151.

108 Vgl. Kapitel 3.8.

109 Haushofer: Die Wand, S. 84.

110 Ebd, S.174.

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sondern schön. Und die Sterne sind eigentlich nicht weiß – sie enthalten alle Farben:

“Immer waren sie ja da, auch bei Tag, wenn ich sie nicht sehen konnte.“111

Diese vertiefte Erkenntnisfähigkeit, von der wilden Natur beeinflusst, lässt u.a an Tiecks

schon erwähntes Märchen Der Runenberg denken112.

Langsam wird das Schauen eine eigene konzentrierte Tätigkeit, die den heutigen Leser etwa

an Meditation und Mindfulness denken lässt. „Ich hörte auf mir Sorgen zu machen, und neigte

dazu, auf der Bank vor der Hütte zu sitzen und einfach in die blaue Luft zu schauen.“113

Dieser neue Sinneszustand wirkt angenehm wie „ein sanftes Betäubungsmittel“ aber auch

bedrohend wie „eine Art Lähmung“.114 „Es gab keine Gedanken, keine Erinnerungen, nur das

große stille Schneelicht. Ich wußte, daß diese Vorstellung für einen einsamen Menschen

gefärlich war, aber ich brachte nicht die Kraft auf, mich dagegen zu wehren.“115

Die Perzeption der Ich-Erzählerin oben auf der Alm erinnert an Thomas Manns Roman der

Zauberberg116, in dem der Protagonist seinen Vetter im Sanatorium oben auf einem Berg

besucht. Da wird er selbst als krank diagnostiziert und muss sieben Jahre bleiben. Oben auf

dem Berg bekommt er eine neue Einstellung zum Leben unten im Tal und er geht in eine

andere Zeitrechnung hinein. Etwas ähnliches passiert der Heldin im Roman die Wand oben

auf der Alm. „Wahrscheinlich machte ich auch keine Aufzeichnungen darüber, weil mir alles

ein wenig unwirklich erschien. Die Alm lag außerhalb der Zeit.“117

Nicht nur kann die Protagonistin auf der Alm die Umwelt besser überblicken, ihre

Wahrnehmung ändert sich auch als sie sich bemüht, sich einem unbewussten Schauen

hinzugeben:

Seit meiner Kindheit hatte ich es verlernt, die Dinge mit eigenen Augen zu sehen

(…) Ich konnte nicht mehr zurückfinden, ich war ja kein Kind mehr und nicht

mehr fähig, zu erleben wie ein Kind, aber die Einsamkeit brachte mich dazu, für

111 Haushofer: Die Wand, S. 191. 112 Vgl. Kapitel 3.3.

113 Haushofer: Die Wand, S. 182.

114 Ebd, S. 182.

115 Ebd, S. 148.

116 Mann, Thomas: Der Zauberberg. [1924] S Fischer 2003.

117 Haushofer: Die Wand, S. 182.

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Augenblicke ohne Erinnerung und Bewußtsein noch einmal den großen Glanz des

Lebens zu sehen.118

Das neue Schauen der Ich-Erzählerin zeigt phänomenologische119 Züge auf, da die

Protagonistin eine Wahrnehmung ohne Reflektion anstrebt: „Fast immer waren die Gedanken

schneller als die Augen und verfälschten das wahre Bild.“120

4.8. Augen in Die Wand und Der Fremde

Die ersten Zeilen im Roman Die Wand scheinen der Einleitung von Albert Camus’ Roman

Der Fremde zu ähneln – die Ich-Erzählerin und der Ich-Erzähler sind sich des richtigen Tages

nicht sicher: „Heute, am fünften November, beginne ich mit meinem Bericht. Ich werde alles

so genau aufschreiben, wie es mir möglich ist. Aber ich weiß nicht einmal, ob heute wirklich

der fünfte November ist.“121 „Heute ist Mama gestorben. Vielleicht auch gestern, ich weiß

nicht“122

Da die Einleitung in Der Fremde weltberühmt ist123 und da Camus’ Werke Die Pest und

Der Mythos des Sisyphos in der Literaturwissenschaft wiederholt zur Inspiration für

Haushofer gelten,124 scheint es hier um einen absichtlichen Bezug Haushofers auf den Roman

Der Fremde zu handeln.125 Der Ich-Erzähler Meursault möchte seine tote Mutter im Sarg

nicht sehen. Später, geblendet von der starken Sonne, mit Schweiß in den Augen, erschießt er

einen unbekannten Mann. Im Gericht wird er vor vielen starrenden Zuschauern zum Tode

verurteilt, hauptsächlich weil er bei der Beerdigung seiner Mutter keine Tränen in den Augen

hatte.126 Später, in der Todeszelle, wird er von dem Anstaltsgeistlichen angeklagt, weil er das

Antlitz Gottes nicht hervortreten sehen kann.127

118 Haushofer: Die Wand, S. 211.

119 Vgl. Kapitel 3.3.

120 Haushofer: Die Wand, S. 210.

121 Ebd, S. 7.

122 Camus: Der Fremde, S. 7.

123 Auf Platz Nummer 28 von den 100 besten Buch-Anfänge der Welt, laut www.americanbookreview.org, (zuletzt besucht am 30. September 2018).

124 Brandtner und Kaukoreit: S. 93, Saur: S.13 und Strigl: S. 127.

125 Haushofer hat auch in anderen Texten augenfällige Anspielungen auf berühmte Werke gemacht, z.B auf Franz Kafkas Die Verwandlung. (Brandtner und Kaukoreit, S. 36.)

126 Camus: Der Fremde, S. 158.

127 Ebd, S. 154.

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Die beiden Romane zeigen mehrere auffallende Ähnlichkeiten auf, sowohl Einzelheiten als

auch thematisch. In beiden Erzählungen kommt z.B die Räude vor, unter welcher Tiere leiden

und die zwei Hornissen128 die von den Hauptpersonen gesichtet werden. Weiter wird das

Erschießen der ProtagonistInnen eines unbekannten Mannes erwähnt. Im Roman Die Wand

wird das Mordopfer „Der Fremde“ genannt. Themen wie Angst, Langeweile, Entfremdung,

Absurdität, Freiheit, Verantwortung und Nichtigkeit, die oft mit dem Existentialismus

verknüpft werden,129 findet man in beiden Romanen, gleichwie den Mangel der

Hauptpersonen sozial erwarteter Gefühle für Angehörige, und das unreligiöse Akzeptieren in

einer Grenzsituation.130 Hinsichtlich dieser Ähnlichkeiten ist es umso interessanter, dass das

Motiv Augen auch im Roman Der Fremde auffallend ist. Der Protagonist ist, genau wie

Haushofers Ich-Erzählerin, ein aufmerksamer „Augenmensch“, und es wird beispielsweise in

der Szene im Altersheim deutlich: „Was mir an ihren Gesichtern auffiel, war, dass ich ihre

Augen nicht sah, sondern nur einen glanzlosen Schimmer mitten in einem Faltennest.“131

Die Sterne werden häufig von sowohl Meursault als auch von der Frau betrachtet. Und das

Betrachten von den „Augen der Nacht“132 hat eine aufklärerische Wirkung auf die beiden

Hauptpersonen. Die Frau wartet ungeduldig den ganzen Tag auf die Sternstunden:

“Es waren die einzigen Stunden, in denen ich fähig war, ganz ohne Illusionen und mit großer

Klarheit zu denken. Ich suchte nicht mehr nach einem Sinn, der mir das Leben erträglicher

machen sollte.“133

Diese Szene erinnert an den Abschnitt, ganz am Ende im Roman Der Fremde, in dem

Meursault, allein in seiner Todeszelle, erleuchtet den Sternenhimmel betrachtet.

“Als hätte diese große Wut mich vom Bösen geläutert, von Hoffnung entleert, öffnete ich

mich angesichts dieser Nacht voller Zeichen und Sterne zum ersten Mal der zärtlichen

Gleichgültigkeit der Welt.“134

Auch das Fenster als Augenmetapher findet man in beiden Romanen. Man könnte z.B das

Verstecken hinter geschlossenen Fensterläden als ein Wegschauen interpretieren. Beim

128 Camus: Der Fremde, S. 12 und Haushofer: Die Wand, S. 87.

129 Crowell, Steven: Existentialism, Stanford Encyklopedia of Philosophy, 2017. Plato.stanford.edu/entries/existentialism

130 Philosophischer Terminus aus Karl Jaspers Existenzphilosophie. Situationen, die nicht verändert oder umgangen werden können, von Pamela S Saur in Kapitel 2 erwähnt.

131 Camus: Der Fremde, S. 16.

132 Vgl. Kapitel 3.

133 Haushofer: Die Wand, S. 209.

134 Camus: Der Fremde, S. 158.

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heftiges Gewitter im Roman Die Wand: „Durch die Spalten der Fensterläden sah ich es

gleißendgelb niederzucken.“135

Und bei Meursaults Bekannten, der seine Freundin schlägt: „Ich versohlte sie, aber

liebevoll sozusagen. Sie schrie ein bißchen. Ich schloß die Fensterläden, und es endete wie

immer“.136 Das Motiv der verdeckten Sicht137 finden wir auch in Schlüsselszenen im Roman

Der Fremde, beispielsweise am Strand, als Meursault den Araber erschießt:

Im selben Augenblick ist der in meinen Brauen angesammelte Schweiß mit einem

Mal über die Lider gelaufen und hat sie mit einem warmen, zähen Schleier

überzogen. Meine Augen waren hinter diesem Vorhang aus Tränen und Salz

blind. (…) Da habe ich noch viermal auf einen leblosen Körper geschossen, in den

die Kugeln eindrangen, ohne dass man es ihm ansah.138

Der große Fokus auf Sinneseindrücke sowohl im Roman Die Wand als auch im Roman Der

Fremde machen beide Romane interessant, um sie mit phänomenologischen Brillen zu

analysieren. Robert C Solomon meint sogar, dass der Aufbau des Romans Der Fremde sich

auf phänomenologische Ideen gründet:

In French phenomenology, which Camus knew well enough when he wrote The

Stranger, this reflection-and-feeling duality was well summarized in Sartres

distinction between reflection and prereflective ‚lived experience’ (le vécu),

adapted from Heidegger’s distinction between the ‚ontological’ and the ‚ontic’

and repeated by Merleau-Ponty. These distinctions provide the two part structure

of Camus’ novel.139

Der Fremde gilt als ein literarisches Hauptwerk des französischen Existentialismus, als

dessen Gründer u.a Jean-Paul Sartre angesehen wird. Berühmt ist Sartres Gedanke: „Der

Mensch ist zur Freiheit verurteilt“.140 135 Haushofer: Die Wand, S. 90.

136 Camus: Der Fremde, S. 42.

137 Vgl. Kapitel 4.5.

138 Camus: Der Fremde, S.78.

139 Solomon, Robert C: Dark feelings, Grim thoughts: Experience and Reflection in Camus and Sartre, Oxford University Press 2006, S.16.

140 Priest, Stephen: Jean-Paul Sartre: Basic Writings. Routledge, London, 2001, S.16.

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Die Phänomenologie ist ein bedeutender Teil Sartres Existentialismus141 und das

präreflexive Bewusstsein ist ein wichtiger Teil Sartres Phänomenologie.142 Die unreflektierte

Wahrnehmung wird sowohl im Roman Der Fremde als auch im Roman Die Wand

geschildert. Im ersten Teil des Romans Der Fremde ist Meursaults Leben ein bequemes,

unproblematisches Dasein, von reinen Sinneseindrücken und Trieben geprägt, nicht unähnlich

der sorglosen, augenblicklichen Existenz der Tiere in Rilkes schon erwähntem Werk Die

achte Elegie.143 Im zweiten Teil, nach dem Mord, beginnt Meursault zu reflektieren und sieht,

mit Gefühlen wie Schuld und Angst, anders auf sein Leben. Hinter der durchsichtigen Wand

sieht auch die Ich-Erzählerin alles mit neuen Augen und erlebt manchmal ein unreflektiertes

Schauen, dass ihr sowohl scharf und angenehm als auch bedrohend scheint. Man bekommt

das Gefühl, dass sie Angst hat, durch diese unreflektierte Wahrnehmung gleichgültig zu

werden.

Wenn man die Motivik Augen und Schauen in den beiden Romanen studiert, werden zwar

Ähnlichkeiten aber auch viele Unterschiede deutlich, nicht zuletzt der offenbarste

Unterschied, dass die Ich-Erzählerin statt von Menschenaugen von Tieraugen umgeben ist.

Die Augen der Mitmenschen, die Meursault beschreibt, dienen ihm in erster Linie als

Zuschauer, die ihn zum Objekt machen, in Übereinstimmung mit den Gedanken Sartres in

dem berühmten Blick-Kapitel144 im Werk Das Sein und das Nichts – Versuch einer

phänomenologischen Ontologie.145

Die zwischenmenschlichen Blicke im Roman Der Fremde werden mit wenigen Ausnahmen

als sehr distanziert und gefühllos geschildert, während die empfindsamen Blicke im Roman

Die Wand ein bedeutungsvolles Kommunikationsmittel ausmachen, das Teilnahme, Mitgefühl

und sogar Liebe hervorbringt.

Das Schauen der Ich-Erzählerin ist eng mit Gefühlen verknüpft, während Meursault eher

teilnahmslos schaut. Meursault sieht weg, wenn sein Nachbar seinen Hund prügelt und sein

Bekannter seine Freundin schlägt. Das Böse anzusehen scheint bei Meursault kein Mitgefühl

zu wecken. Die Protagonistin im Roman Die Wand kann keinen Schmerz mitansehen ohne

Mitleid zu fühlen, jedenfalls wenn es um Tiere geht.

141 Priest: Jean-Paul Sartre: Basic Writings, S.10.

142 Uken, Agnes: Der Mensch ist Freiheit – Der Existentialismus Jean-Paul Sartres. Das Präreflexive Bewusstsein als Ausgangspunkt der Freiheit. Hamburg: Diplomika Verlag 2015, Kapitel. 2.4.

143 Vgl. Kapitel 3.9.

144 Vgl. Kapitel 3.5.

145 Sartres Werk Das Sein und das Nichts wurde doch erst ein Jahr nach dem Roman Der Fremde veröffentlicht.

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„Ich machte mir Sorgen um das Wild. Es lag mehr als ein Meter Schnee, und es gab keine

Fütterung mehr.“146

Vielleicht erzählen uns die Träume der Protagonistin etwas Wichtiges über ihr besonderes

Mitgefühl mit den Tieren: „In meinen Träumen waren die Menschen nie freundlich zu mir,

bestenfalls waren sie teilnahmslos. Die Traumtiere sind immer freundlich und immer voll

Leben. Aber ich glaube, das ist nicht so besonders merkwürdig, es zeigt nur, was ich immer

von Menschen und Tieren erwartete.“147

Man könnte es so interpretieren, dass Meursault ein Teil der gleichgültigen Zivilisation ist,

die die Ich-Erzählerin verlassen hat. Durch die Anspielungen an den weltberühmten Roman

Der Fremde von 1942 schreibt sich Die Wand in einen existentialistischen Kontext hinein.

Wenn man sich vorstellt, dass Haushofer schon 1958 in der Novelle Wir töten Stella eine

weltberühmte Titelfigur „getötet“ hat, nämlich Goethes Stella aus dem Drama mit gleichem

Namen,148 könnte man es so interpretieren, dass der Fremde im Roman Die Wand, der von der

Ich-Erzählerin am Ende erschossen wird, Camus’ Meursault ist, und die menschliche

Gleichgültigkeit symbolisiert.

5. Schluss

Die Wand ist ohne Zweifel ein Roman des Schauens. Die Augen der Frau durchgehen in

diesem Roman eine große Veränderung. Viele Dinge, die für die Protagonistin früher

verborgen waren, werden ihr jetzt sichtbar. Das ewige Thema der Wahrnehmung der wahren

Wirklichkeit kann durch das Augenmotiv im Roman behandelt werden und mit Hilfe

optischer Geräte, wie dem Fernglas, wird auch eine trügerische Wahrnehmung geschildert.

Marlen Haushofer gelingt es, einen spannenden Roman ohne Gespräche zu schreiben, in

dem trotzdem ein ständiger, wortloser Dialog von vielsagenden Blicken geführt wird. Blicke,

die nicht nur den Leser fesseln und berühren, sondern auch die Handlung antreiben, indem die

aufmerksamen Augen von Tier und Mensch erneut auf die Spuren von Ereignissen,

Veränderungen und Gefahren dies- und jenseits der Wand weisen.

Die ausführlich geschilderten Tieraugen sind nicht Objekte, sondern zurückblickende

Mitsubjekte und Spiegelprotagonisten der Ich-Erzählerin. Durch die sprechenden Blicke

146 Haushofer: Die Wand, S.138.

147 Ebd, S. 149.

148 Henn, Marianne und Hufeisen, Britta: Alles um Liebe und so nun auch den Tod. Liebendes Sprechen und tödliches Schweigen in

„Stella“ von Goethe und „Wir töten Stella“ von Marlen Haushofer In: Frauen: MitSprechen MitSchreiben. Beiträge zur literatur- und

sprachwissenschaftlichen Frauenforschung. Stuttgart: Hans-Dieter Heinz/Akademischer Verlag 1997. S. 128–147.

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gelingt es der wortlosen Kommunikation über die Gattungsgrenzen Gefühle wie

Verantwortung, Mitleid und Liebe hervorzubringen. Die Ich-Erzählerin öffnet ihre Augen für

sowohl Schlimmes als auch Schönes in ihrer neuen Welt. Sie sieht nicht weg und schaltet nie

ihre Gefühle ab. Im Gegenteil, sie bemüht sich zu sehen, auch wenn der Anblick sie

beängstigt oder sie in trübe Stimmung versetzt. Nie ist sie eine gleichgültige Zuschauerin. Ihre

Augen sind voller Mitgefühl, das sie zu guten Handlungen treibt und ihrem Leben Sinn gibt.

Durch das betonte Augenmotiv, besonders deutlich durch die verdeckte Sicht und Blicke als

Dialog, werden die Themen Gleichgültigkeit, Teilnahme und Mitgefühl erfolgreich im Roman

Die Wand behandelt. Durch einen intertextuellen Vergleich zwischen den Romanen Die

Wand und Der Fremde wird es dem Leser noch deutlicher, wie eng Augen und Schauen in

Haushofers Roman mit Teilnahme und Mitgefühl verbunden sind.

Die schönen Augen der Ich-Erzählerin, auf die sie immer stolz war, dienen ihr hinter der

Wand, außerhalb der Zivilisation, nicht mehr als ein körperlicher Vorzug. Die Tiere kümmern

sich nicht darum, wie die Protagonistin aussieht, und sie kann ruhig damit aufhören, an ihr

Aussehen zu denken. Dieses Motiv von Augen in Bezug auf Sehen und Gesehenwerden und

das Schönheitsideal der Frau, lässt sich in diesem Roman aus einer feministischen Perspektive

analysieren. Das Anschauen von zurückblickenden Tieren veranschaulicht aber viel mehr als

die Bedingungen der österreichischen Frau in den 60er Jahren. Mit Hilfe des Augenmotivs

gelingt es dem Roman Die Wand ein größeres und allgemeineres Thema zu schildern, und

zwar, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.

An diese Studie ließen sich zwei weitere äußerst interessante Untersuchungen anschließen.

Erstens wäre eine Untersuchung des Motivs Augen in Marlen Haushofers anderen Werken

interessant, insbesondere des Motivs zu der verdeckten Sicht. Zweitens könnte eine weitere

intertextuelle Studie von den Romanen Camus´ und den anderen Werken von Haushofer sich

als sinnvoll erweisen, und sowohl thematische als auch motivische Ähnlichkeiten aufweisen.

Ich werde die Augen offenhalten.

6. Literaturverzeichnis

6.1 Primärquellen (alphabetisch)

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München: Piper 2005. Psalm aus dem Lyrikband Die gestundete Zeit. [1953] München: Piper

2011.

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Anthology, (Hg) Stedman, Edmund Clarence, Cambridge Riverside Press, 1895.

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2018.

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Werke, herausgegeben im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen, Weimar 1887 ff.

Abt II. Bd. 5, 2. Die Leiden des jungen Werther. [1774] Köln: Anaconda Verlag 2005.

HAUSHOFER, MARLEN: Die Wand. [1963] Berlin: List Taschenbuch Verlag 2016.

HEGEL, GEORG WILHELM FRIEDRICH: Vorlesungen über die Ästhetik, 1835–1838,

Kapitel III.A.1 Die schöne Individualität. Berlin: Duncker und Humblot 1842.

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MANN, THOMAS: Der Zauberberg. [1924] Frankfurt am Main: S Fischer 2003.

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Verlag Dr. Madaus & Co 1930.

RILKE, RAINER MARIA: Der Panther. [1908] In: Gedichte. Stuttgart: Reclam 1997. Die

Achte Elegie. [1923] In: Gedichte. Stuttgart: Reclam 1997.

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SOPHOKLES: König Ödipus [Etwa 427 vor Chr.) Reclam XL 2015.

TIECK, LUDWIG: Der Runenberg. [1804] Stuttgart: Reclam, 2018.

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TRAKL, GEORG: Kindheit. [1915] In: Sämtliche Gedichte. Köln: Anaconda, 2017.

6.2 Sekundärliteratur (alphabetisch)

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und Held, Klaus: Perspektiven transzendentalphänomenologischer Forschung,

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Digitale Quellen

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