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Page 1: Amerikanismus: Americanism: Weill. Die Suche nach kultureller Identität in der Moderneby Hermann Danuser; Herrmann Gottschewski

Deutsches Volksliedarchiv

Amerikanismus: Americanism: Weill. Die Suche nach kultureller Identität in der Moderne byHermann Danuser; Herrmann GottschewskiReview by: Berndt OstendorfLied und populäre Kultur / Song and Popular Culture, 48. Jahrg. (2003), pp. 271-274Published by: Deutsches VolksliedarchivStable URL: http://www.jstor.org/stable/4147829 .

Accessed: 14/06/2014 11:36

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Rezensionen

Al6ba, Babit61k / Steinhauser, Eva: Kinderlieder der Yoruibd. Yoru~bd Children's songs. Yorz~bd - Deutsch - Englisch. Hg. von Ursula Hemetek. Institut fir Volksmusik-

forschung an der Universitdit for Musik und darstellende Kunst. Wien und Frank- furt a.M.: Brandes & Apsel / Siidwind, 1999. 124 S., mus. Not., Abb., 1 CD mit 42 Musikbsp., ISBN 3-86099-165-6.

Das dreisprachige Kinderliederbuch des nigerianischen Schriftstellers und Musikpdida- gogen Babait61k Al6ba ist in langjiihriger Zusammenarbeit mit dem Institut for Volks- musikforschung in Wien entstanden. Motivation fior die Publikation war fir den zu den Yorib'i geh6rigen A16ba einerseits die Hoffnung, die Lieder so vor dem Aussterben bzw. vor dem Vergessen zu bewahren und andererseits >>Kindern in der Ersten Welt

Zugang zu den Kinderliedern einer afrikanischen Kultur zu erm6glichen<<. Das Lieder- buch stellt in der Tat ein geeignetes Mittel for den Musikunterricht dar; die transkri- bierten Melodien und die H6rbeispiele auf der CD sowie die Erliuterungen und Ge- schichten zu den einzelnen Liedern machen es den Musiklehrer(inne)n leicht, das Lied-

gut den >Kindern in der Ersten Welt<< zu vermitteln. Das Liedrepertoire hat A16ba ausschliegflich aus dem Gedcichtnis (mit Hilfe von Eva Steinhauser) aufgezeichnet. Inwieweit dieses Repertoire bei den fiber 40 Millionen Yoriibai in Nigeria und dem Benin, bei deren Nachkommen in Brasilien, Kuba und der Karibik in Vergessenheit gerdt oder bereits geraten ist, k6nnen wir heute noch nicht beurteilen. Das dreisprachi- ge Liederbuch ist in jedem Fall nicht nur eine geeignete Dokumentation afrikanischer Kultur flir deutschsprachige Kinder, sondern hilt Feste, Rituale, Lieder und Geschich- ten fest, die bei den Yortibai vielleicht eines Tages nicht mehr prdisent sein werden.

Susanne Schedtler, Wien (Osterreich)

Amerikanismus - Americanism - Weill. Die Suche nach kultureller Identitdt in der Moderne. Hg. von Hermann Danuser und Herrmann Gottschewski. Schliengen: Ed. Argus - Verlag Ulrich Schmitt, 2003. 330 S., Abb., ISBN 3-931264-23-8.

Theodor W. Adorno hatte keine gute Meinung von Komponisten, die sich der ameri- kanischen Kulturindustrie andienten. Seine Vorbehalte wurzelten so tief, dass er diese in seinem Nachruf aufWeill nicht leugnen wollte. >>Die Figur des Komponisten, der in Amerika starb, wird vom Begriff des Komponisten kaum recht getroffen.<< Diese elitdire Einstellung Adornos wird ironischerweise von einem Konferenzband - und damit einer Textsorte, die er verabscheute - zuriickgewiesen. Adorno wird mit seinen eigenen Waffen geschlagen: Mit ideologiekritischen Methoden werden niimlich stereotypische Hintergrundannahmen und Vorurteile in der Rezeption von Kurt Weill sichtbar und damit angreifbar gemacht. Weill sei nicht nur als Komponist ernst zu nehmen - so das

einhellige Fazit - sondern das Biindeln unterschiedlicher >>points of view< sei genau die

richtige Methode, um den Briichen in Weills Leben und CEuvre gerecht zu werden. Fur diesen Zweck ist ein Konferenzband - Adorno schalt sie >>Buchbindersynthesen<< - eine passende Textsorte.

Lied und populiire Kultur / Song and Popular Culture 48 (2003) 271

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Rezensionen

Nicht nur Weills eigene Lebenserfahrung war mehrfach gebrochen, auch die Optiken, Zugdinge und Perspektiven auf sein Werk wurden ambivalent rezipiert. Um diese Verwirrung der Aspekte sichtbar zu machen, verfuhr die Konferenz transatlantisch-

doppelperspektivisch, indem emische und ethische, deutsche und amerikanische Er- kenntnisinteressen durcheinander gewirbelt wurden. Es entstand ein Buch im er- kenntnistheoretisch-transatlantischen Spagat: Deutsche schreiben uiber Amerika, Ame- rikaner iiber den Amerikanismus in Weimar und beide ilber die Widerspriiche in Weills Lebensweg und Erbe auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Herausgeber wollen

gerade diese Doppelung erkenntnistheoretisch mobilisieren:

[...] the binary theme of Amerikanismus/Americanism, a two-way meta-

phorical mirror reflecting the geographical dislocation which bissected Weill's own mature career and the aesthetic and sociological agendas which shaped his output for the quarter century between 1925 and 1950.

Das Hauptziel ist trotz der iiberwiiltigenden Vielfalt der Perspektiven erreicht: niimlich Weill als Komponisten unter Beriicksichtigung der lebensweltlichen Widerspriiche, in denen er gefangen war, und der kiinstlerischen Optionen, die ihm jeweils offen stan- den, ernst zu nehmen. Dazu geh6rt eine musikwissenschaftliche Konkretisierung sei- ner Werke und damit seiner Kompositionstechnik, gekoppelt an eine spezifische Ver-

tiefung von Kurt Weills musikalischer Biografie. Diese dreht sich um die Verortung seiner kiinstlerischen Identitiit zwischen partikularem >homme<< und universalem

>>citoyen((. Hinzu kommt die widerspriichliche Rezeption auf beiden Seiten des Atlan- tiks, die von einer gewissen Tyrannei der nationalen Erwartungen gespeist wird. Diese

gait es zu erkennen und aufzul6sen. Daher sind kulturwissenschaftliche Ausfiihrungen zum Amerikanismus/,>Americanism<< in der Spannung zwischen Innen- und Au1gen-

perspektive, Amerikanismus versus >Americanism<<, Selbstbild und Fremdbild und deren jeweilige Projektionen ins Andere n6tig. Im Fall Weill geht es konkret um die zwei lebensweltlichen Perioden des jiidisch-deutschen Brecht-Weill in Weimar gegen- iiber dem jiidisch-amerikanischen Whitman-Weill in den USA.

Um diese vielf'iltigen Fragen zu beantworten, k6nnte der Chor der Fachleute kaum besser selektiert sein. Alles, was Rang und Namen in der Weill-Forschung hat, ist beteiligt. Flankiert werden diese Weill-Spezialisten von Kulturwissenschaftlern aus Deutschland und Amerika. Die drei Abteilungen mit jeweils sechs BeitrAgen tragen die Oberschriften ,,Perspektiven in Okonomie, Gesellschaft und Kultur<,, >Popularisierung und Technisierung der Kiinste<< und >Kurt Weill - Studien zu Leben und Werk<. Diese Themenblbcke werden von der Spannung zwischen Amerikanismus und >Ame- ricanism<( unter Strom gesetzt. Michael Hoenisch beschreibt die Maglichkeiten multi- ethnischer Identitdit in den USA in den juristischen Alternativen zwischen biirgerrecht- lichem Universalismus und ethnischem Partikularismus. Im Kontrapunkt gehen die

folgenden Beitrdige in diesem Block auf das Amerikabild im Weimar der Nachkriegs- zeit ein, insbesondere auf die Aspekte einer >>europiischen Konstruktion< von Ameri- kanismus, der sich vor allem fiber Fragen der Modernisierung einerseits und Kapita- lismuskritik andererseits, beide allerdings eingebettet in eine kulturpessimistische Grundstimmung, artikuliert. Kreneks Jonny spielt auf der gr6f8te Amerikanismus-

Erfolg im deutschsprachigen Raum, sei so amerikanisch wie eine Konditorei auf dem

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Rezensionen

Kurfiirstendamm, meint Herbert Peyser. Andreas Eichhorn erzdihlt die Rezeptions- geschichte dieses Werkes. John Czaplicka zeichnet das ambivalente Amerikabild im friihen deutschen Modernisten am Beispiel des Architekten Mendelsohn nach. Bryan Gilliam untersucht vor allem die mythogene Funktion der Filmtechnologie Holly- woods auf das Musiktheater Weimars. Michael von der Linn charakterisiert die An-

fdilligkeit Europas fiir die in Amerika inzwischen moribunde >>Minstrel Show<, und Gisela Schubert kennzeichnet das Musical als Ausdruck des >melting pot<. Der dritte Teil bleibt ndiher am Ball. Steve Hinton erdffnet grundlegend neue Perspektiven auf Weills Biografle und widerspricht sowohl Adornos Abwertung des >Komponisten<< als auch der Janusk6pfigkeit der Weill-Rezeption, die gerne den deutschen vom amerika- nischen trennt. Tamara Levitz findet die Kontinuitditen in der deutsch-jiidischen Iden- titdit, deren >double consciousness<< und Affinitiit zu Amerika bereits vor 1933 angelegt war. Bradford Robinson legt in bisher unerforschten Quellen sechs Schichten der

Entstehung des Mahagonny Songspiels frei. Giselher Schubert erzdihlt eine musikhistori- sche Kriminalgeschichte iiber das kontraproduktive >networkingo zwischen Hinde- mith, Brecht und Weill zum Thema Lindbergh-Flug. Nils Grosch legt eine ebenso detaillierte wie iiberzeugende Analyse von Die sieben Todsiinden vor, das, fir Paris

geschrieben, dort keinen Erfolg hatte. Der Amerikanismus Weimars war wohl doch zu deutsch. Mit einem souverainen Ausblick auf Weills Suche nach einer amerikanischen

Oper und seine realen Erfolge auf dem Broadway schlie8t Kim Kowalke diesen Band. Weills Lebenswelt war von einer >>double consciousness< als Jude in Deutschland

geprdigt, getrieben von einer Sehnsucht nach Anerkennung und dem Versuch der Assimilation an ein Ideal der Aufldirung, das bereits durch den Deutschnationalismus der Griinderzeit iiberholt war. Weill wendet sich von der anfangs noch unterschditzten Nationalisierung des Deutschen ab und entdeckt zunlichst den Amerikanismus als Fantasie-Alternative, danach im konkreten Amerika die angewandte politische Auf-

kliirung, die ihm in Deutschland gefehlt hatte. (Beide Male hat Adorno diese Sehn- sucht als OJberassimilation des Ausgeschlossenen abserviert.) Seine Zuriicksetzung als

Jude in Deutschland war flankiert von jiidischem Selbsthass, der dazu eine klassen-

spezifische Komponente hatte. Dieser trieb ihn zur Flucht in die kiinstlerische Avant-

garde - ein kosmopolitischer Gestus zur Abwehr der rassistischen Spieifer. Weill hatte

gehofft, diese Identitditshypotheken nach seiner Auswanderung in die USA hinter sich zu lassen. Er hatte nicht mit einer ganz anders gepolten ethnischen >>double conscious- ness(< gerechnet. Denn die lebensweltliche Identitdit in der Spannung zwischen >>ethnic German<< und universalem Bdirger ging in den USA weiter. Im de-essentialisierten Amerika war etwa eine ethnische Zuweisung einigermafien normal. Time sprach von ihm als einem >>German composers, ohne sich viel dabei zu denken. Weill jedoch reagierte pikiert auf diese Zuweisung und wollte als vollgiiltiger >>American composero anerkannt werden. Er blieb also insofern deutsch, als er die Rolle der ,,ethnicity< in den USA missverstand. Auch hier kommt eine gewisse Tendenz zur lJberassimilation zum Vorschein, die in Amerika mehr Aufldirung vermutete, als tatsdichlich vorhanden war. Weill blieb Opfer transatlantischer >>crossed purposes((, die sich auch in der weite- ren Rezeption ausspielten und einer unkontrollierbaren Dialektik, dem Gesetz der unintendierten Folgen, unterliegen. Das fiihrt zu interessanten transatlantischen

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Dissonanzen in der Weill-Rezeption und der populiren Rezeption seines Erbes. Dass gerade der Brecht-Weill, den der Whitman-Weill hinter sich lassen wollte, in den USA eine populire Weill-Renaissance einliutete - mit Hilfe von Lotte Lenya und Louis

Armstrong - ist eine der Ironien seines Lebens. Als Kritik fiillt mir lediglich die ungleichgewichtige Professionalisierung der jewei-

ligen Foki und Erkenntnisinteressen ein, die jedoch bei einem solchen >>omnium

gatherum(< unvermeidlich ist: Jeder Leser wird an diesem Sammelband die Korrektur des jeweils bei ihm unterentwickelten Grundwissens begriigen. Dort, wo er sich besser auskennt, wird er eine gewisse Tendenz zur Verallgemeinerung entdecken. Fir Neu-

linge im Gebiet der Weill-Forschung, also etwa als Textbuch fiir Studenten, ist das Buch hervorragend geeignet. Fiir Amerikaspezialisten werden einige der deutschen

Beitrdige iiber amerikanische Themen vom so genannten Kolumbuseffekt verunziert. Sie sind in eine Aura des gerade pers6nlich entdeckten Amerikas gebettet - das in seiner radikalen Naivitit iibrigens auch Weills Entdeckung Amerikas charakterisiert, der Amerika mit geradezu ungebrochenem Enthusiasmus angenommen hatte. Umso verletzter musste Weill iiber seine erneute Fremdbestimmung als >>German composer<< durch die New York Times sein. Mir flillt hierzu eine eher beiliufige Bemerkung Alec Wilders ein, der sich fiber Weills Versuch, >>amerikanisch<< zu komponieren, mokierte. Weill habe weder seinen Akzent noch seinen deutschen >>haut gout<< verloren und werde wohl nie als Komponist amerikanischer Evergreens satisfaktionsfahig sein. Das

mag ein Fall von zu hoch haingenden Trauben sein, denn Wilder war Weill zwar im Bereich des Evergreens iiberlegen, aber nicht im Bereich der populiren Oper. Diese oft unterschiitzten Qualitditen Kurt Weills in der >>amerikanischen Lebenskurve<< werden von dieser bemerkenswerten Publikation, die auch als Buch isthetisch gelungen ist, sichtbar und nachvollziehbar gemacht. Kein Weill-Forscher wird es sich leisten k6n- nen, diese kollektive Leistung zu ignorieren.

Berndt Ostendorf, Miinchen

Arafjo, Teresa: Subsidios para a Histdria do Romanceiro dos Afores. Angra do Herof- smo:

Direcq.o Regional da Cultura I Lisbon: Instituto de Estudos sobre o Roman-

ceiro Velho e Tradicional, 2002, 161 pp. This book by Teresa Araijo was published in the same year as Joanne Purcell's ballad book,' and both follow the same format and cover design. In a way, Araijo's book offers a deeper contextualization for the fieldwork by Purcell, since (as shown in the title: Subsidies for the History of the Azorean Balladry) it outlines a history of the bal-

ladry in the archipelago of the Azores. The book is divided in six chapters, along which Araiijo traces a detailed chrono-

logical panorama of the fieldwork on and the study of the Azorean ballads. Chapter I is dedicated to Almeida Garrett and his collecting on the island of Terceira in 1832; chapter II considers the important fieldwork undertaken by Teixeira Soares de Sousa on the island of Sao Jorge, which served as the basis for Te6filo Braga's Cantos Popu-

1 See my review about Purcell's book pp. 379ff.

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