altern ohne alt zu werden – zwischen wunsch und realitäternestine shepherd, 80 jahre alt •...
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Lebensqualität im hohen und höchsten Alter: Gerechtfertigte und ungerechtfertigte Erwartungen
Dr. phil. Christoph Rott
Symposium Altern zwischen Botox und DemenzAG Altern und Ethik, Institut Neumünster, Zentrum für
Gerontologie der Universität Zürich
Zürich, 09. Februar 2017
Altern ohne alt zu werden –
zwischen Wunsch und Realität
Hundertjährigenkultim 17. und 18. Jahrhundert
The old Thomas Parr, 152 years.Died in 1635. Buried in Westminster. Engraving by C.V. Dalen.
Christian Jacobsen Drakenberg, 145 years 10 months and 2 days. Died in 1772.
Fake!
Hochaltrige heute
Wang Deshun, 80 Jahre alt
Ernestine Shepherd, 80 Jahre alt
• Halte dich fit!
• Bleibe gesund!
• Sei aktiv!
• Sei attraktiv!
• Nutze deinPräventionspotenzial!
• Optimiere dich!
• Altere erfolgreich!
• Hör auf zu altern!
Imperative des Alterns –auch für das hohe und höchste Alter?
Folgten und folgen Höchstaltrige
(100-Jährige) diesen Imperativen?
Johannes Heesters, 100+x Jahre
Dr. Gerta Scharffenorth, 100 Jahre alt
Rainer Schmidtke Photoart
Ergebnisse aus zwei populationsbasierten Hundertjährigen-Studien in Heidelberg und
Umgebung in den Jahren 2000/01 und 2011/12 mit 91 bzw. 95/112Teilnehmern
(HD100-I und HD100-II)
Jopp et al., 2013
Aktivitäten Hundertjähriger im Lebenslauf – sichtbare Anzeichen der Imperative
aktuell früher Alter Aufgabe
Fernsehen 97%
Geistige Aktivitäten 91%
Radio 80%
Private soziale Aktivitäten 89%
Entspannung 92%
Spiele 63%
Körperliche Aktivität / Sport 84%
Handwerkliche Tätigkeiten 49%
Ehrenamt 30%
Internet 0%
Im Durchschnitt 7,0 Aktivitäten
Aktivitäten im Alter von 100 Jahren –reduzierte Anzeichen der Imperative
aktuell früher Alter Aufgabe
Fernsehen 76% 97% 94 (78-100)
Geistige Aktivitäten 46% 91% 91 (25-100)
Radio 38% 80% 88 (29-100)
Private soziale Aktivitäten 36% 89% 92 (74-100)
Entspannung 23% 92% 85 (26-99)
Spiele 23% 63% 83 (5-100)
Körperliche Aktivität / Sport 20% 84% 79 (19-100)
Handwerkliche Tätigkeiten 5% 49% 80 (10-99)
Ehrenamt 4% 30% 78 (24-99)
Internet 0% 0%
Im Durchschnitt 2,5 Aktivitäten
Sind Hundertjährige „gut“ gealtert?
Gesundheitsbeschwerden/Erkrankungen
HD100-II
Seh- und/oder Hörprobleme 94%
Mobilitätsprobleme (u.a. Stürze) 72%
Muskuloskelettale Erkrankungen 60%
Herz-Kreislauf-Beschwerden 57%
Harnwegsbeschwerden 55%
Neurologische/Gehirnerkrankungen 40%
Atemwegserkrankungen 15%
Magen-Darm-Erkrankungen 14%
Im Durchschnitt 5,2 GesundheitsproblemeJopp et al., 2016
* p < .05; *** p < .001
HD100-I HD100-II
Essen 61% 83%***
Gang zur Toilette 41% 44%
Gehen 36% 30%
Aufstehen/sich ins Bett legen 34% 53%*
Sich ums Aussehen kümmern 32% 51%*
An- und Auskleiden 30% 38%
Baden / Duschen 12% 13%
Basale Selbstständigkeit (ADLs) –Fremdbeurteilung
Ganggeschwindigkeit Hundertjährige –Funktionstest
68%
26%
3% 3%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
sehr langsam langsam normal schnell
HD100-II: 31 Teilnehmer
Nur 30% können selbstständig gehen.
41%
31%28%
52%
26%22%
0%
20%
40%
60%
keine/geringe
Einschränkungen
mäßige
Einschränkungen
starke
Einschränkungen
HD100-I HD100-II
Kognitive Ressourcen –Global Deterioration Scale
Kann man erwarten, dass
Hundertjährige erfolgreich altern?
Schnittmenge aus drei Elementen:
1) Vermeidung von Krankheiten und funktionalen Beeinträchtigungen
2) Maximierung des geistigen und körperlichen Funktionsniveaus
3) Aktives Engagement (soziale Beziehungen und produktive Aktivitäten)
„Successful Aging“
Rowe & Kahn, 1997, 1998
„Successful Aging“ –kein Modell für Hundertjährige!
Cho et al., 2012
Unerwartete Befunde zur Lebens-
qualität im hohen und höchsten Alter
„Postfaktische“ Bewertung von Gesundheitseinschränkungen
48%44%
8%13%
56%
31%
13%
57%
30%
0%
20%
40%
60%
80%
nie eingeschränkt manchmal
eingeschränkt
immer eingeschränkt
65-79-Jährige
80-94-Jährige
Hundertjährige
65–94-Jährige: Teilnehmer von "Aktiv-in-Heidelberg", Cihlar & Rott, 2012
Alternative Kriterien für alternatives Modell:
1) Gute subjektiv eingeschätzte Gesundheit
2) Zufriedenheit mit eigenem ökonomischen Status
3) Hohes Glücksempfinden
Die Macht der Bewertung/Anpassung
Cho et al., 2012
Alternatives Modell für Hundertjährige
Cho et al., 2012
Glücksempfinden bei Hundertjährigen
Jopp & Rott, 2006
Jopp & Rott, 2006
Hohes Glücksempfinden bei 100-Jährigen
80
0
10
20
30
40
50
60
70
Pro
zen
t (%
)
Die meiste Zeit
glücklich
So glücklich wie
früher
Leicht zum Lachen
zu bringen
Nein
Ja
?Nein
Ja
?
Nein
Ja
?
80
0
10
20
30
40
50
60
70
Pro
zen
t (%
)
Die meiste Zeit
glücklich
So glücklich wie
früher
Leicht zum Lachen
zu bringen
Nein
Ja
?Nein
Ja
?
Nein
Ja
?
Resources and Beliefs/Attitudesas Predictors of Happiness
Jopp & Rott, 2006
Lebensqualität als Lebensbewertung
im sehr hohen Alter
Das Konstrukt der Positiven Lebens-bewertung (Valuation of Life, VOL)
• Abgrenzung zur gesundheitsbezogenen Lebens-qualität. Gesundheit keine oder untergeordnete Rolle.
• Geistige und gefühlsmäßige Integration der vielen Quellen von positiven und negativen Bestandteilen des Lebens.
• Subjektiv erfahrener Wert des eigenen Lebens und aktive Bindung an das gegenwärtige Leben.
• Positiv formuliert! Nicht Abwesenheit von Befürch-tungen, Sorgen, Ängsten, etc.
Lawton et al., 1999, 2001, 2002
1
6
11
16
21
26
99 99,5 100 100,5 101 101,5 102
HD100-I HD100-II
HD100-I: M = 19.3, SD = 5.4HD100-II: M = 18.2, SD = 5.8p = .35
Hohes Niveau an Positiver Lebens-bewertung bei Hundertjährigen
Anmerkung: HD100-I: n = 56; HD100-II: n = 48
Einzelaspekte der Positiven Lebensbewertungbei Hundertjährigen (HD 100-I und HD100-II)
Altersgruppe
100
1. Aus Leben das Beste machen 1,84
2. Prinzipiell hoffnungsvoll 1,67
3. Erreichen selbstgesetzter Ziele 1,63
4. Im Moment optimistisch 1,54
5. Leben hat Sinn 1,53
6. Religiöse u. moral. Grundsätze 1,52
7. Starker Lebenswille 1,50
8. Dinge, auf die man sich freut 1,49
Anmerkung: n zwischen 90 und 104
32%29%
36%
3%
32%
45%
21%
2%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
Stufe 0 Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3
HD100-I HD100-II
Zwei Drittel sind pflegebedürftignach SGB XI (nur VOL-Beantworter)
Altersunterschiede in Einzelaspekten der Positiven Lebensbewertung
Altersgruppe
65-79 80-94 100
Aus Leben das Beste machen 1,91 1,83 1,84
Prinzipiell hoffnungsvoll 1,78 1,48 1,67
Erreichen selbstgesetzter Ziele 1,75 1,65 1,63
Im Moment optimistisch 1,67 1,25 1,54
Leben hat Sinn 1,88 1,67 1,53
Religiöse u. moral. Grundsätze 0,99 1,21 1,52
Starker Lebenswille 1,81 1,54 1,50
Dinge, auf die man sich freut 1,76 1,41 1,49
65–94-Jährige: Teilnehmer von "Aktiv-in-Heidelberg", Cihlar & Rott, 2012
1
6
11
16
21
26
65 70 75 80 85 90 95 100
HD100-I HD100-II A-i-H
Kein Unterschied in VOL zwischen Hochaltrigen (80-94) und Hundertjährigen
Anmerkung: HD100-I+II: n = 104; Aktiv-in-Heidelberg (A-i-H): n = 295
• Die Imperative für das hohe und höchste Alter müssen erst noch geschrieben werden.
• Gängige Vorstellungen von Gesundheit, Funktionalität und Optimierung sind für das höchste Alter eher unangemessen.
• Hoch- und Höchstaltrige handeln wohl nach sehr individuellen, bisher wenig erforschten Imperativen, um die Grenzsituation ihres Lebens zu bewältigen.
• Schlüsselkonzepte sind Introversion, Offenheit, Gene-rativität (A. Kruse) und Spiritualität (Nina Streeck).
Schlussfolgerungen
Kontakt:Dr. Christoph RottInstitut für Gerontologie, Universität HeidelbergBergheimer Str. 2069115 HeidelbergTel.: 06221-548129E-Mail: christoph.rott@gero.uni-heidelberg.dehttp://www.gero.uni-heidelberg.de
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