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Aus der
Abteilung für Schmerztherapie (Ltd. Arzt Prof. Dr. C. Maier)
in der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerzmedizin
des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil
der Ruhr-Universität Bochum
Direktor: Prof. Dr. med. M. Zenz
Untersuchung zur diagnostischen Verwertbarkeit von Sympathikusblockaden zum
Nachweis eines sympathisch unterhaltenen Schmerzes
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin
einer
Hohen Medizinischen Fakultät
der Ruhr-Universität Bochum
Vorgelegt von
Johann Christoph Gussone
aus Duisburg
2010
Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr
Referent: Prof. Dr. med. C. Maier
Koreferent: Prof. Dr. med. W. Schregel
Tag der mündlichen Prüfung: 22.06.2010
1
Inhaltsverzeichnis
1.1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
2.2.1
2.2
2.3
2.3.1
2.3.2
2.3.3
2.4
2.4.1
2.4.2
2.4.3
2.4.4
2.5
2.5.1
2.5.2
2.6
2.7
EinleitungBlockaden des sympathischen Nervensystems in der
Schmerztherapie und sympathisch unterhaltener Schmerz
(Sympathetically Maintained Pain, SMP)
Sympathisch unterhaltener Schmerz (Sympathetically
Maintained Pain, SMP)
Sekundäre Hypästhesie
Nachweis der Sympathikolyse nach Blockade
Nachweis von veränderten Wahrnehmungs- und
Schmerzschwellen nach Blockade durch die quantitative
sensorische Testung
Fragestellung
Patienten und MethodeStudienablauf
Patienten
Techniken zur Blockade des sympathischen Nervensystems
Ganglion stellatum (cervicothoracicum)
Thorakale Grenzstrangblockade
Lumbale Grenzstrangblockade und –neurolyse
Quantitative Sensorische Testung (QST)
Einführung
QST-Geräteliste gemäß DFNS-Protokoll
Parameter und Durchführung gemäß DFNS-Protokoll
Auswertung
Langzeittemperaturmessung
Messgerät
Auswertung
Schmerzmessung
Statistik
Seite
5
5
6
7
8
9
10
1111
12
14
15
15
16
17
17
18
19
21
22
22
23
24
24
2
3.3.1
3.2
3.3.
3.4
4.4.1
4.1.1
4.1.2
4.1.3
4.2
4.3
4.4
4.5
5.
ErgebnissePatienten
Veränderungen der akralen Hauttemperatur nach Blockaden
des Sympathikus
Quantitative sensorische Testung (QST)
Veränderungen der Schmerzsymptomatik nach Blockade
DiskussionEffektivität der Sympathikusblockaden
Darstellung der Erfolgsquoten in der Literatur
Darstellung eigener Erfolgsraten und Diskussion derselben vor
dem Hintergrund der Literatur
Diskussion möglicher Ursachen für ineffektive Blockaden
Häufigkeit unbeabsichtigter Blockade sensibler Nervenfasern
Beeinflussung der funktionellen Hypästhesie durch Blockaden
des Sympathikus
Beeinflussung der Schmerzintensität durch
Sympathikusblockaden
Schlussfolgerungen
ZusammenfassungLiteraturverzeichnis
Anhang
Danksagung
Lebenslauf
2525
25
35
37
3940
40
41
44
46
48
49
51
5254
60
3
Verzeichnis der Abkürzungen
CDT: Cold Detection Threshold
CPT: Cold Pain Threshold
CT: Computertomografie
DMA: Dynamic Mechanical Allodynia
GSB: Grenzstrangblockade
GSN: Grenzstrang Neurolyse
HPT: Heat Pain Threshold
lGSB: lumbale Grenzsrangblockade
LWK: Lumbaler Wirbelkörper
Th: Thorakaler Wirbelkörper
thGSB: thorakale Grenzstrangblockade
MDT: Mechanical Detection Threshold
MPS: Mechanical Pain Sensitivity
MPT: Mechanical Pain Threshold
MW: Mittelwert
PHS: Paradox Heat Sensation
PPT: Pressure Pain Threshold
QST: Quantitative Sensorische Testung
SB: Sympathikusblockaden
SGB: Ganglion Stellatum Blockade
SD: Standardabweichung
SIP: Sympathetically Independent Pain
SMP: Sympathetically Maintained Pain
TSL: Thermal Sensory Limen
VDT: Vibration Detection Threshold
WDT: Warm Detection Threshold
WUR: Wind-Up Ratio
4
Verzeichnis der Tabellen im Anhang Seite
Tabelle A1
Tabelle A2
Tabelle A3
Tabelle A4
Demographische und klinische Daten
Langzeitmessung der Hauttemperatur vor und nach
Blockade
Wahrnehmungsschwellen der QST vor und nach Blockade
Schmerzintensität vor und nach Blockade
60
61
62
63
Verzeichnis der Abbildungen Seite
Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3
Abbildung 4
Abbildung 5
Abbildung 6
Abbildung 7
Abbildung 8
Langzeittemperaturmessung Stellatumblockade Nr. 42
Langzeittemperaturmessung Stellatumblockade Nr. 41
Langzeittemperaturmessung Stellatumblockade
Langzeittemperaturmessunglumbale Grenzstrangblockade
Nr 39
Langzeittemperaturmessung Stellatumblockade Nr. 7
Langzeittemperaturmessung Stellatumblockade Nr. 44
Langzeittemperaturmessung Stellatumblockade Nr. 33
Langzeittemperaturmessung Stellatumblockade Nr. 6
27
28
29
30
31
32
33
34
Verzeichnis der Abbildungen im Anhang Seite
Abbildung A1
Abbildung A2
Abbildung A3
Abbildung A4
Übersicht der Sympathikusblockaden mit Einteilung der
Gruppen nach Temperaturmessung und QST
Z-Profil der QST von Test- und Kontrollseite aller
Patienten vor Blockade
Z-Profil der QST von Test- und Kontrollseite aller Fälle
nach Blockade
Z-Profil der Testseiten aller Fälle in der QST vor und
nach Blockade
64
65
66
67
5
Untersuchung zur diagnostischen Verwertbarkeit von Sympathikusblockaden zum Nachweis eines sympathisch unterhaltenen Schmerzes
1. Einleitung
1.1 Blockaden des sympathischen Nervensystems in der Schmerztherapie und sympathisch unterhaltener Schmerz (Sympathetically Maintained Pain, SMP)
Nach der ersten Beschreibung der Physiologie des sympathischen
Nervensystems 1852 und dessen Kartierung 1859 fanden ab Ende des 19.
Jahrhunderts zunächst operative Sympathektomien Eingang in die Therapie
verschiedenster Erkrankungen von der Epilepsie bis zur arteriellen Hypertonie,
seit Anfang des 20. Jahrhunderts nach der Erstsynthese von Procain 1905 auch
lokalanästhetische Sympathikusblockaden (De Salles et al., 2003). Nicht zuletzt
aus Mangel an Alternativen fanden Sympathikusblockaden auch in der
Schmerztherapie weite Verbreitung und sind bis heute etablierte
Behandlungsmethoden bei neuropathischen Schmerzsyndromen, bei denen
eine schmerzunterhaltende Wirkung des sympathischen Nervensystems
postuliert wird (SMP). Zu diesen Schmerzsyndromen, die durch Dysfunktion
oder Verletzungen von Nerven verursacht werden, zählen u.a. Neuralgien und
das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS).
Trotz der weiten Verbreitung dieses historisch begründeten Therapiekonzeptes
und beeindruckender Ergebnisse in kleineren, meist unkontrollierten Studien
(Maier et al., 1998; Price et al., 1998, Meier et al., 2009) ist bisher weder die
Übertragbarkeit des tierexperimentell nachgewiesenen Models des SMP
(Chung et al., 2001) auf den Menschen noch der Nachweis der Wirksamkeit im
Sinne der evidenzbasierten Medizin gesichert. Die Autoren einer in „Cochrane
Database of Systematic Reviews“ (Mailis et al., 2003) veröffentlichten
Übersichtsarbeit über die Behandlung neuropathischer Schmerzen mittels
6
Sympathektomie kommen zu dem Ergebnis, dass der Einsatz sowohl der
chemischen als auch der operativen Sympathektomie auf mangelhafter
Evidenz, unkontrollierten Studien und persönlicher Erfahrung beruhe und
mahnen die Durchführung entsprechender Studien zum Nachweis der
Wirksamkeit und zur Aufdeckung der Risiken an. Zu einem gleichen Ergebnis
kommen Übersichtsarbeiten zu lokalanästhetischen Sympathikusblockaden bei
komplexen regionalen Schmerzsyndrom (Cepeda et al., 2005) und zu
Blockaden und Neurolysen des Sympathikus bei diversen Schmerzsyndromen
(Day, 2008). Ebenso fehlen etablierte und definierte Standards und Verfahren
zum Monitoring der erwünschten Wirkung, der Sympathikolyse, aber auch der
unerwünschten Wirkungen, wie z.B. der unbeabsichtigten Ausschaltung
sensibler Nervenfasern (Blumberg et al., 1997).
1.2 Sympathisch unterhaltener Schmerz (Sympathetically Maintained Pain, SMP)
Der Begriff SMP geht auf W. Roberts zurück, der damit 1984 einen
gemeinsamen pathophysiologischen Mechanismus verschiedener
Schmerzerkrankungen beschrieb (Roberts, 1984). Nach der 1994 erschienenen
IASP-Taxonomie chronischer Schmerzen wird der sympathisch unterhaltene
Schmerz (SMP) als Symptom oder krankheitsassoziiertes Merkmal
verschiedener Schmerzsyndrome aufgefasst, nicht mehr als eigenständige
Diagnose oder Entität. Anhand des Ansprechens auf Sympathikusblockaden
unterteilt man sympathisch unterhaltenen Schmerz (SMP) und sympathisch
unabhängigen Schmerz (SIP) (Mersky et al., 1994).
Zu den Schmerzsyndromen, die eine sympathische Komponente aufweisen
können, zählen das komplexe regionale Schmerzsyndrom, Zosterneuralgie,
periphere Neuropathien, Phantomschmerzen oder zentrale neuropathische
Schmerzsyndrome anderer Genese, z.B. nach Schlaganfällen.
Verlässliche klinische Zeichen für das Vorliegen eines SMP gibt es nicht, auch
Symptome einer autonomen Dysregulation mit einer Seitendifferenz von
Hauttemperatur, Sudomotorik, Nagel- und Haarwachstum zeigen keine enge
7
Korrelation (Schattschneider et al., 2003). Fakultative, aber unspezifische
Prädiktoren sind die dynamische Allodynie und die Kälteallodynie, ein das
Versorgungsgebiet des verletzten Nerven überschreitender Schmerz sowie ein
Quadrantensyndrom. Als irrelevant eingestuft wird die Angabe von brennendem
Schmerz. Die Schmerzlinderung durch Blockaden oder Neurolysen des
Sympathikus gilt als obligatorisches, einzig verlässliches Merkmal für das
Vorliegen eines SMP, für das Ausmaß der geforderten Schmerzlinderung fehlen
einheitliche Angaben. Der schmerzlindernde Effekt sollte jedoch mindestens die
Dauer der pharmakokinetisch zu erwartenden Halbwertzeit des verwendeten
Lokalanästhetikums betragen und bei mehreren, nachfolgenden Blockaden
reproduzierbar bleiben (Maier et al., 2003).
Tierexperimentell konnte eine Interaktion des sympathischen Nervensystems
mit sensiblen Nerven nach Nervenläsion bewiesen werden: eine Expression
von Katecholaminrezeptoren (α-1/α-2) an nozizeptiven Hautafferenzen (Jänig et
al., 1996), das Aussprossen („Sprouting“) sympathischer Nervenfasern in
oberste Epidermisschichten (Ruocco et al., 2000) und in Ganglien der
Hinterwurzel (McLachlan et al., 1993; Chung et al., 1996; Chung et al., 2001).
Auch durch inflammatorische Prozesse konnte eine sympathisch-afferente
Kopplung intakter Nozizeptoren induziert werden (Levine et al., 1986). Durch
frühzeitige lokalanästhetische Sympathikusblockaden konnte das Ausmaß des
Aussprossens verringert werden (Xie et al., 2007).
In klinischen Untersuchungen gibt es Hinweise, die die Übertragbarkeit des
Tiermodells auf den Menschen möglich erscheinen lassen. Diese Hinweise sind
eine erhöhte Expression von Katecholamin Rezeptoren im schmerzhaften Areal
von Patienten (Raja et al., 1992) und die Beeinflussbarkeit des nozizeptiven
Systems durch Modulation des sympathischen Nervensystems
(Schattschneider et al., 2003).
1.3 Sekundäre Hypästhesie
Das Auftreten einer mechanischen Allodynie in einem Areal verminderter taktiler
Wahrnehmung bei chronischen Schmerzsyndromen, v.a. nach Läsion des
8
peripheren oder zentralen Nervensystems, ist ein seit längerem bekanntes
Phänomen (Lindblom et al., 1979). Diese taktile Hypästhesie kann unterteilt
werden in eine funktionelle Hypästhesie, die nach Schmerzlinderung teilweise
oder komplett verschwindet, und in eine Hypästhesie nach Deafferenzierung,
die auch nach Schmerzreduktion persistiert (Moriwaki et al., 1998). Auch bei
experimentellem, chemisch oder elektrisch induzierten Schmerz konnte eine
funktionelle Hypästhesie bei gesunden Probanden nachgewiesen werden. Als
Mechanismus wurde eine präsynaptische Hemmung niedrigschwelliger
Mechanorezeptoren nach Depolarisation afferenter C-Fasern auf spinaler
Ebene diskutiert (Magerl et al., 2003; Geber et al, 2008). Eine signifikante
Verbesserung der taktilen Wahrnehmung nach Sympathikusblockaden wurde
beschrieben (Kissin et al., 1987). Auch für das gleichzeitige Auftreten von
thermischer Hypästhesie und Allodynie sowie deren Besserung durch
intravenöse, sympathikolytische Injektion von Guanethidin finden sich Hinweise
in der Literatur (Wahren et al., 1990).
1.4 Nachweis der Sympathikolyse nach Blockade
Falsch-negative Befunde, verursacht z.B. durch Fehlinjektionen, sollten durch
den Nachweis oder Ausschluss einer eingetretenen Sympathikolyse identifiziert
werden. Klinische, wenig verlässliche Zeichen an der oberen Extremität sind
das Auftreten eines Horner-Syndroms, eine konjunktivale Gefäßinjektion und
ein Anschwellen der Nasenschleimhaut, an oberer und unterer Extremität eine
trockenere und wärmere Haut der blockierten Seite.
Aufwändigere, apparative und objektivierbare Methoden sind die Messung der
Veränderung der Temperatur mittels Langzeitmessung, der Durchblutung
mittels Doppleruntersuchung, der Sudomotororik mittels Ninhydrin-Test und die
Messung des Hautwiderstandes.
Ein Temperaturanstieg ist jedoch auch durch eine partielle Sympathikolyse zu
erzielen: Bei Patienten mit CRPS wurde nach Stellatumblockade neben zeitlich
-punktuellen Temperaturmessungen auch der Vasokonstriktorenreflex auf
sympathische Stimuli dopplersonographisch getestet. Dieser war noch bei der
9
Hälfte der Patienten mit Temperaturanstieg > 1.5°C in der Seitendifferenz
zugunsten der blockierten Seite nachzuweisen (Schürmann et al., 2001). Erst
ein Temperaturanstieg größer als 2°C korreliert relativ sicher mit einer
aufgehobenen Sudomotorik als Nachweis einer Sympathikolyse (Stevens et al.,
1998). Gerade bei zeitlich-punktuellen Messungen führt der vielfältigen äußeren
Störfaktoren unterliegende Temperaturverlauf leicht zu Fehleinschätzungen, die
durch eine Langzeittemperaturmessung und ein Patientenprotokoll mit
Erfassung dieser Einflüsse vermieden werden können.
1.5 Nachweis von veränderten Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen nach Blockade durch die quantitative sensorische Testung (QST)
Die unbeabsichtigte Ausschaltung sensibler Nervenfasern ist bei Blockaden des
Ganglion stellatums bisweilen auf Grund der anatomischen Nähe zu zervikalen
Nervenwurzeln zu beobachten. Eine nach Blockade eingetretene
Schmerzreduktion könnte auch darauf zurückzuführen sein. Der Ausschluss
einer unbeabsichtigten Ausschaltung sensibler Afferenzen wäre jedoch die
Voraussetzung für die korrekte Beurteilung des Therapieerfolges und für die
richtige Klassifizierung in sympathisch unterhaltenen oder unabhängigen
Schmerz, insbesondere hinsichtlich wissenschaftlicher Schlussfolgerungen.
Hinweise zu der Beeinflussung einzelner Wahrnehmungs- und
Schmerzschwellen nach Sympathikusblockade finden sich in der Literatur
(Procacci et al., 1974; Kissin et al., 1987; Wahren et al., 1990; Treede et al.,
1992; Dellemijn et al., 1994); komplette und standardisierte Untersuchungen
aller Qualitäten der Sensorik wurden dabei nicht durchgeführt. Ein solches
Untersuchungsverfahren stellt das 2006 etablierte, für das BMBF-Netzwerk
"Deutscher Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz" (DFNS).entwickelte,
standardisierte Protokoll zur Durchführung der quantitativen sensorischen
Testung dar. Dieses erfasst mit 7 Tests und 13 dabei gemessenen Parametern
nahezu alle Submodalitäten der Somatosensorik in einem auch im klinischen
Alltag praktikabel erscheinenden Zeitrahmen, auch erfolgte die Erhebung von
Normwerten (Rolke et al., 2006).
10
1.6 Fragestellung
In dieser Arbeit sollen in der spezialisierten schmerztherapeutischen Einrichtung
die Selektivität und die Effektivität von Blockaden des sympathischen
Nervensystems untersucht werden.
1. Wie häufig tritt nach Sympathikusblockade eine komplette
Sympathikolyse auf, nachgewiesen durch den Anstieg der
Hauttemperatur der blockierten Seite?
2. Wie häufig sind unbeabsichtigte Blockaden sensibler Afferenzen und ist
die Schmerzreduktion nach Blockade des sympathischen
Nervensystems auch dadurch bedingt?
3. Führen Blockaden des sympathischen Nervensystems zur Beeinflussung
der funktionellen Hypästhesie, also der schmerzinduzierten
Verminderung der thermischen oder taktilen Wahrnehmung?
11
2. Methodik
2.1 Studienablauf
Der Ethikkommission der Ruhr-Universität Bochum wurde der Studienplan zur
Begutachtung vorgelegt und positiv beschieden (Reg.-Nr. 2223). Alle Patienten
und Probanden gaben nach eingehender Aufklärung über die Durchführung und
den Zweck der Studie ihr schriftliches Einverständnis zur Teilnahme.
In einer offenen, prospektiven Studie ohne Verblindung wurden Patienten mit
neuropathischen Schmerzen und klinischen, in der Liste der Einschlusskriterien
aufgeführten Hinweisen auf einen sympathisch unterhaltenen Schmerz
(Sympathetically Maintained Pain; SMP) untersucht. Bei allen Patienten wurde
der folgende Ablauf eingehalten: Anhand einer ausführlichen Anamnese und
körperlichen Untersuchung wurden Ausschlusskriterien (s. Liste 1) überprüft.
Nach Einschluss (Kriterien s. Liste 2) erfolgte entsprechend der
Schmerzlokalisation eine QST, dann die Sympathikusblockade unter
Langzeittemperatur- und Schmerzmessung (Numeric Rating Scale NRS; 0 =
kein Schmerz, 10 = maximal vorstellbarer Schmerz) und im Anschluss eine
erneute QST zu einem Zeitpunkt, an dem entsprechend der Wirkdauer der
Medikamente noch sicher eine Sympathikolyse zu erwarten war.
Bei Blockaden mit Bupivacain wurde bei einer Wirkdauer von mindestens 3
Stunden die Durchführung der QST innerhalb dieses Zeitfensters von 3
Stunden nach Blockade angestrebt. War dies aus organisatorischen Gründen
nicht möglich, wurde retrospektiv anhand des Temperaturverlaufes in der
Langzeittemperaturmessung mit den in 2.3 genannten Kriterien beurteilt, ob zu
diesem Zeitpunkt noch eine Sympathikolyse vorlag, ansonsten wurde die
Blockade von der weiteren Analyse ausgeschlossen.
Nach Neurolysen oder bei kontinuierlicher Blockade mit Lokalanästhetika über
einen Katheter mit nachgewiesener Sympathikolyse konnte die Durchführung
der zweiten QST auch an den folgenden Tagen stattfinden.
Anhand der Ergebnisse der Temperatur- und Schmerzmessung (Numeric
12
Rating Scale NRS; 0 = kein Schmerz, 10 = maximal vorstellbarer Schmerz)
wurden die Patienten in drei Gruppen eingeteilt: Patienten der ersten Gruppe
mit einem Temperaturanstieg nach Blockade < 2°C galten als Blockadeversager
und wurden von der weiteren Auswertung ausgeschlossen, die verbleibenden
mit einem Temperaturanstieg > 2°C wurden anhand der Schmerzreduktion in
Subgruppen mit Sympathetically Maintained Pain (SMP) und Sympathetically
Indepedent Pain (SIP) eingeteilt.
Bei jeder Blockade wurde eine Langzeittemperaturmessung von Haut- und
Umgebungstemperatur mit einminütigem Aufzeichnungsintervall durchgeführt,
die von mindestens 30 Minuten vor bis mindestens 2 Stunden nach der
Intervention reichte. Das Unterschreiten der o.g. Messdauer führte zum
Ausschluss von der Studie.
2.2 Patienten
In die Studie aufgenommen wurden konsekutiv 19 Patienten (10 weibliche, 9
männliche) im Alter von 29 bis 73 Jahren, (Median 44,9 ± 11,6 Jahre) mit
Neuralgie oder komplexem regionalem Schmerzsyndrom (CRPS) sowie
klinischen, in den Einschlusskriterien aufgeführten Hinweisen auf einen
sympathisch unterhaltenen Schmerz (SMP). Diese Patienten befanden sich im
Zeitraum von September 2005 bis Dezember 2007 ambulant oder stationär in
Behandlung der Abteilung für Schmerztherapie (Leitender Arzt: Prof. Dr. med.
C. Maier) der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und
Schmerzmedizin der Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinik
Bergmannsheil GmbH in Bochum.
Bei 12 der Patienten lag eine Neuralgie nach Nervenverletzung durch ein
Trauma oder eine Operation vor (N. medianus: n = 2; N. ulnaris: n = 1; Ramus
superficialis Nn. radii: n = 1; N. peroneus communis: n = 1; N. peroneus
superficialis: n = 3; N. peroneus profundus: n = 1; N. tarsalis: n= 1; N. peroneus
communis und N. tibialis: n= 1; Plexus lumbosakralis: n = 1), bei 7 ein
komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS Typ I n= 6; CRPS Typ II n = 1
mit Läsion des N. peroneus communis ). Alle 19 Patienten (100%) wiesen
13
sensorische Symptome mit gesteigerter oder verminderter thermischer oder
taktiler Wahrnehmung auf. 11 Patienten (57,9%) zeigten eine thermische oder
mechanische Allodynie, 13 (68,4%) vaso- oder sudomotorische Störungen
(Unterschiede der Hauttemperatur oder --farbe bzw. der Schweißproduktion).
Bei 17 Patienten (89,5%) fanden sich trophische Störungen (Haare, Nägel,
Haut) oder motorische Symptome (Verminderung des Bewegungsumfanges
und der Kraft, Tremor, Dystonie).
Die Dauer der Schmerzerkrankung betrug zum Zeitpunkt der Behandlung im
Mittel 23 Monate (2 bis 150 Monate). Alle Patienten wurden zum Zeitpunkt der
Untersuchung mit Schmerzmedikamenten behandelt, davon 9 mit Opioiden, 11
mit trizyklischen Antidepressiva und 11 mit Antikonvulsiva.
Bei den 19 eingeschlossenen Patienten wurden insgesamt 26 Blockaden des
sympathischen Nervensystems durchgeführt (Ganglion stellatum: 9, lumbaler
Grenzstrang: 12 Blockaden, 3 Neurolysen, thorakaler Grenzstrang: 2
Blockaden).
Liste 1: Ausschlusskriterien
1. Ablehnung durch den Patienten
2. Kommunikation: sprachliche (mangelnde Deutschkenntnisse) und
intellektuelle Defizite (z.B. Demenz)
3. Kontraindikationen zur Durchführung einer Blockade aufgrund von
lokalen oder systemischen Infektionen oder Antikoagulantientherapie
analog der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und
Intensivmedizin (DGAI) für rückenmarksnahe Regionalanästhesie
(Gogarten et al., 2007)
4. QST nicht durchführ- oder auswertbar: Fehlende Referenzwerte
aufgrund der Schmerzlokalisation (z.B. Genitalschmerz) oder
Unmöglichkeit des Seitenvergleiches (z.B. wegen Amputation)
5. Langzeittemperatur nicht auswertbar: Durchblutungsstörungen aufgrund
einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, Endarteriitis obliterans
oder Sklerodermie, da hier der Nachweis der Effektivität der
14
sympathischen Blockade über den Anstieg der akralen Hauttemperatur
durch die Gefäßweitstellung und damit verbesserte akrale Perfusion
unmöglich ist
6. Verletzung des Studienablaufes (s.o.)
Liste 2: Einschlusskriterien1. Neuropathische Schmerzen bei Neuralgie nach Nervenverletzung oder
komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
2. Klinische Hinweise auf einen sympathisch unterhaltenen Schmerz
(Sympathetically Maintained Pain; SMP): Mechanische oder thermische
Allodynie, ein das Versorgungsgebiet des verletzten Nerven
überschreitender Schmerz oder Symptome einer autonomen
Dysregulation wie seitendifferente Hauttemperatur, Sudomotorik, Haar-
oder Nagelwachstum
2.3 Techniken zur Blockade des sympathischen Nervensystems
Die Auswahl der Blockadetechnik erfolgte in Abhängigkeit von der Lokalisation
der Schmerzen und der Festlegung einer diagnostischen (single shot) oder
therapeutischen (Neurolyse oder Kathetertechnik) Zielsetzung. Bei allen
Blockaden und Neurolysen wurde ein intravenöser Zugang angelegt. Während
der Intervention erfolgte das Monitoring der peripheren Sauerstoffsättigung
mittels Pulsoxymetrie, der elektrischen Herzaktivität mittels EKG, des
Blutdruckes durch intermittierende, manuelle Blutdruckmessung nach Riva-
Rocci sowie des Bewusstseins mittels verbalen Kontaktes. Ebenso
obligatorisch war das Einhalten strenger steriler Kautelen.
Die Lokalanästhesie der Haut erfolgte jeweils mit Xylonest® 2% (Prilocain,
Firma Astra Zeneca), die lokalanästhetische Sympathikolyse mit Bupivacain
0,5% (Carbostesin®, Fa. Astra-Zeneca), die Neurolyse mit 95% Äthanol (Fa.
Braun). Als Kontrastmittel wurde Solutrast 200® (Firma Altana Pharma AG)
verwendet, intravenös appliziert zur Darstellung des Ureters, lokal appliziert zur
Überprüfung der korrekten Ausbreitung des injizierten Alkohols oder
15
Lokalanästhetikums. Es handelt sich dabei um ein nicht-ionisches
Kontrastmittel, der Wirkstoff Iopamidol liegt in einer Konzentration von 408 mg /
ml vor, der Iodgehalt beträgt 200 mg / ml. Die intravenöse Applikation erfolgte
unverdünnt, die lokale verdünnt mit NaCl 0,9% im Verhältnis 1 : 2.
2.3.1 Ganglion stellatum (cervicothoracicum)
Das durch Verschmelzung der untersten zervikalen und obersten thorakalen
sympathischen Ganglien entstandene Ganglion stellatum liegt in Höhe C 7/Th1
auf der Faszie des Musculus transversus colli lateral der Trachea und medio-
dorsal der A. carotis communis und der V. jugularis. Die Blockade erfolgte nach
der 1934 von Leriche beschriebenen, paratrachealen Technik auf Höhe C 6
(Smith, 1951; Carron et al., 1975). Der Kopf wird dabei überstreckt gelagert,
unterstützt durch ein unter den Schulterblättern platziertes Kissen. Nach
Lokalisation des Querfortsatzes C 6 auf Höhe des Ringknorpels drängen kranial
und kaudal Zeige- und Mitelfinger der linken Hand zwischen Trachea und M.
sternocleidomastoideus die Blutgefäße nach lateral, die Punktion erfolgt
zwischen den beiden Fingern (Kanüle Sterican® Firma B. Braun 25 G / 40 mm,
Lanzettenschliff) streng vertikal auf den Processus transversus. Nach
Knochenkontakt in 2-4 cm Tiefe wird die Kanüle ca. 1 mm zurückgezogen, nach
Aspiration in 2 Ebenen erfolgte die langsame, von mehreren weiteren
Aspirationen unterbrochene Injektion von 15 ml Bupivacain 0,5%
(Carbostesin®, Fa. Astra-Zeneca) durch eine Hilfsperson über eine mit der
Nadel verbundene Perfusorleitung nach dem Prinzip der immobilen Nadel. Um
die für eine sympathische Blockade des Armes erforderliche, kaudale
Ausbreitung des Lokalanästhetikums bis Th 4 zu gewährleisten, wird der
Patient nach Injektion für 20 Minuten in eine sitzende Position gebracht.
2.3.2 Thorakale Grenzstrangblockade
Bei Unwirksamkeit von Stellatumblockaden (z.B. aufgrund eines Kuntz`schen
Nerves) und / oder der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Blockade erfolgte
16
die CT gesteuerte Blockade des sympathischen thorakalen Grenzstranges in
Höhe Th 3 per Single Shot oder in Kathetertechnik. Die Punktion erfolgte
modifiziert nach der von Schneider beschriebenen Technik (Schneider et al.,
1996). Dazu werden die Patienten in Bauchlage gebracht, Becken und
Brustkorb unterpolstert, der Kopf in Neutralposition gelagert, die Arme zur
Vermeidung von Überlagerungsartefakten nach vorne geführt. Nach einer
Übersichtsspirale der unteren HWS und oberen BWS erfolgt die Bestimmung
der optimalen Punktionsebene und -richtung. Unter Schonung der Wurzel und
der Pleura wird die Spitze einer Spinalnadel (Sterican® 21 G / 120 mm Firma B.
Braun, Quincke-Schliff) bei einem Single Shot bzw. einer Periduralnadel nach
Tuohy (18 G, 80 mm) bei Anlage eines Katheters vor das Rippenköpfchen
seitlich des Wirbelkörpers geführt. Die korrekte Lage der Nadelspitze und die
korrekte Ausbreitung des Injektats wird mittels Kontrastmittel verifiziert.
2.3.3 Lumbale Grenzstrangblockade und -neurolyse
Die Blockade des an der Vorder-Seitenkante der Wirbelkörper gelegenen
lumbalen Grenzstranges erfolgte CT-gesteuert in Bauchlage in Anlehnung an
die von Schneider beschriebene translumbale Punktionstechnik (Schneider et
al., 1996). Das Becken wird unterpolstert, um eine Entlordosierung der LWS
und damit einen verbesserten Punktionswinkel zu erreichen. Durch zusätzliche
Unterpolsterung des Brustkorbes wird die freie Bauchatmung ermöglicht. Nach
einer Übersichtsspirale der LWS erfolgt nach Bestimmung der optimalen
Nadelführung auf Höhe des Dornfortsatzes L 4 die Punktion von dorsolateral in
einem Winkel von ca. 45°. Die Spitze einer Spinalnadel (Sterican® 21 G / 120
mm oder 20 G / 152mm, Firma B. Braun, Quincke-Schliff) wird unter
mehrfacher Lagekontrolle durch die CT unter Schonung der großen,
paravertebral gelegenen Gefäße an die Vorder-Seitenkante des Wirbelkörpers
navigiert. Zur Sicherung der Effektivität und zur Vermeidung von ungewollten
Neurolysen des auf dem M. psoas gelegenen N. genitofemoralis wird vor der
Injektion von 3-5 ml Bupivacain 0,5% (Carbostesin®, Fa. Astra-Zeneca) bzw.
1,5 ml 95% Äthanol (Fa. Braun) bei Neurolyse die korrekte Lage der
17
Nadelspitze und die korrekte Ausbreitung des Injektates mittels Kontrastmittel
überprüft. Zusätzlich erfolgt bei der Neurolyse 10 Minuten vor der
Übersichtsspirale die Injektion von 10 ml Solutrast 200®, welches nach renaler
Eliminierung eine Kontrastierung und damit sichere Identifikation des
Harnleiters ermöglicht, dessen Schonung zur Vermeidung von Strikturen und
konsekutivem Verlust der Niere unabdingbar ist.
2.4 Quantitative Sensorische Testung (QST)
2.4.1 Einführung
Die quantitative sensorische Testung (QST) ist ein diagnostisches Werkzeug,
das die Lücke schließt zwischen der klinisch-neurologischen Untersuchung
einerseits und klassischen elektrophysiologischen Untersuchungsmethoden wie
z.B. der Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG) und der
somatosensorisch evozierten Potentiale (SSEP) andererseits. Erstere vermag
lediglich die Funktion der dicken, myelinisierten Nervenfasern zu erfassen, die
nur etwa 20% aller peripheren Nervenfasern ausmachen (Baron et al., 1998),
letztere ist aufgrund mangelnder Standardisierung und subjektiver Bewertung
diagnostisch nur eingeschränkt von Wert. Auch bleibt sie unvollständig, da es
für die Prüfung der thermischen Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen kein
einfaches klinisches Verfahren gibt. In der Literatur jedoch finden sich
zahlreiche, unter der Bezeichnung QST firmierende Untersuchungstechniken
und -protokolle, die zum Teil nur auf einzelne Aspekte der Sensorik fokussieren,
unterschiedliche Testinstrumente benutzen, aber auch bei Verwendung
desselben Testinstrumentes durch unterschiedliche Untersuchungsgänge zu
unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Dies führt dazu, dass eine
Vergleichbarkeit oder Reproduzierbarkeit von Studien nicht gegeben ist.
Die Etablierung eines standardisierten Protokolls zur Durchführung der
quantitativen sensorischen Testung, welches alle Qualitäten der Sensorik in
einem Zeitrahmen erfasst, der auch im klinischen Alltag praktikabel erscheint,
sowie die Erhebung von Normwerten, erfolgte von Rolke et al. für das BMBF-
Netzwerk "Deutscher Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz" (DFNS)
18
(Rolke et al, 2006). Bei diesem Protokoll werden in 7 Tests und 13 dabei
gemessenen Parametern nahezu alle Submodalitäten der Somatosensorik
erfasst: thermische Wahrnehmungsschwellen (Kälte, Wärme, TSL, paradoxe
Hitzewahrnehmung), thermische Schmerzschwellen (Kälte, Hitze),
mechanische Wahrnehmungsschwellen (Berührung, Vibration) und
mechanische Schmerzschwellen (Pinprick, Druckschmerz, stimulus-response-
function for pinprick sensivity, dynamische mechanische Allodynie und Wind-up
auf wiederholte pinprick-Reize). Aus dem Muster gesteigerter (Plussymptome)
oder verminderter (Minussymptome) Empfindlichkeit von Propriozeption,
Temperatursinn, Tastsinn und Nozizeption lassen sich unter Einbeziehung von
Lokalisation und Ausdehnung der betroffenen Areale gewisse Rückschlüsse auf
ursächliche pathophysiologische Mechanismen ziehen. Diese können
Verletzungen afferenter dick myelinisierter Fasern bzw. des
Hinterstrangsystems oder afferenter dünner Fasern bzw. des
Vorderseitenstrangsystems, zentrale oder periphere Sensibilisierung oder
Störungen der schmerzhemmenden Systeme sein. Bei der peripheren
Sensibilisierung finden sich als Leitsymptom verminderte
Hitzeschmerzschwellen und bei der zentralen Sensibilisierung mechanische
Hyperalgesie für Nadelreize, erniedrigte Kälteschmerzschwellen und
mechanische Allodynie. Erhöhte thermische und taktile
Wahrnehmungsschwellen belegen ein sensibles Defizit.
Aufgrund der hohen Anforderung an die Konzentrationsfähigkeit der Patienten
ist ein ruhig gelegener Messort, ein spezielles Labor, erforderlich. Die
Messareale werden entsprechend des Versorgungsgebietes der verletzten
Nerven gewählt, zum Seitenvergleich wird auch die gesunde Seite gemessen.
2.4.2 QST-Geräteliste gemäß DFNS-Protokoll
Thermische Testung: Die Bestimmung der Wahrnehmungsschwellen für Kälte
(CDT, Cold Detection Threshold) und Wärme (WDT, Warm Detection
Threshold), der Schmerzschwellen für Kälte (CPT, Cold Pain Threshold) und
Hitze (HPT, Heat Pain Threshold) sowie der thermischen Unterschiedsschwelle
19
(TSL, Thermal Sensory Limen) erfolgt über den PC-gesteuerten Thermotester
TSA 2001 II (Medoc, Israel. Deutsche Generalvertretung: Medizinelektronik
Petersdorff Vertriebs GmbH Kirchbachweg 2, 81479 München)
Für die Bestimmung der mechanischen Wahrnehmungsschwelle (MDT,
Mechanical Detection Treshold) wird das Von-Frey-Filamente Optihair 2 - Set
(MARSTOCK Nervtest, Dr. H. Fruhstorfer, Ketzerbach 47, D-35037 Marburg,
Germany) verwendet.
Die Bestimmung der mechanischen Schmerzschwelle (MPT, Mechanical Pain
Treshold) erfolgt mit einem „Pin-Prick“-Set, gefertigt an der Johannes
Gutenberg Universität Mainz, erhältlich über Prof. Dr. R.-D. Treede und Dr.
Walter Magerl (Lehrstuhl für Neurophysiologie Zentrum für Biomedizin und
Medizintechnik Mannheim (CBTM) Fakultät Mannheim der Ruprecht-Karls-
Universität Heidelberg, Ludolf-Krehl Str. 13-17, 68167 Mannheim
Das Vibrationsempfinden (VDT, Vibration Detection Treshold) wird mittels einer
konventionellen 64Hz-Stimmgabel mit 8/8-Skala getestet.
Die Druckschmerzschwelle (PPT, Pressure Pain Treshold) wird mit dem
Druckalgometer FDN 200 (Wagner Instruments, Greenwich, USA) mit
Gummispitze (1 cm2) oder Somedic Algometer (Bo Johansson Somedic Sales
AB, Schweden) bestimmt.
Die Testung der Allodynie (DMA, Dynamic Mechanical Allodynia) erfolgt mit
einem Q-Tip, einem Wattebausch und einem standardisiertem Pinsel (Somedic
brush, Sweden) in randomisierter Reihenfolge.
Zur Taktung (1/s) der Anwendung für Schmerzsummation (Wind-up Ratio,
WUR) wird ein beliebiges Metronom benötigt, z.B. das Korg MA30 oder
alternative Geräte, die in Musikalienhandlungen erhältlich sind.
2.4.3 Parameter und Durchführung gemäß DFNS-Protokoll
Zur Überprüfung der Funktionen der kleinkalibrigen A-δ und C-Fasern erfolgt
die Bestimmung der Wahrnehmungsschwellen für Kälte (CDT) und Wärme
(WDT), der Schmerzschwellen für Kälte (CPT) und Hitze (HPT) sowie der
20
thermischen Unterschiedsschwelle (TSL) über den PC-gesteuerten
Thermotester TSA 2001 II. Dazu wird die mit dem PC verbundene Thermode
(Kontaktfläche 3x3 cm) mit elastischen Gummibändern an dem zu testenden
Areal befestigt. Ausgehend von einer Temperatur von 32°C erfolgen 3
Abkühlungen der Thermode bis maximal 0°C, dann 3 Erwärmungen bis
maximal 50°C, jeweils mit einer Rampe von 1°C/s. Nach Beendigung jeder
Messung, entweder durch Drücken eines entsprechenden Knopfes bei
Wahrnehmung der Temperaturänderung durch den Patienten oder bei
Erreichen der jeweiligen Grenztemperatur, kehrt die Thermode zur
Grundtemperatur von 32 °C zurück.
Die Bestimmung der mechanischen Wahrnehmungsschwelle (MDT), mit der die
Funktion der A-β Fasern überprüft wird, wird mit dem standardisiertem Set von
aus optischen Glasfasern gefertigten Von-Frey-Filamenten durchgeführt, das 12
logarithmisch kalibrierte Filamente beinhaltet. Bei jedem der Schritte von 0,25
bis 512 Nm wird die Kraft um den Faktor 2 gesteigert. Das Aufsetzen auf die
unbehaarte Haut bis zur Beugung der Filamente bewirkt die Übertragung einer
relativ genau definierten Kraft, die auch durch weitere Beugung nicht steigerbar
ist. Die Erregung von Nozizeptoren (A-δ oder C) wird durch die Verwendung
von Filamenten mit einer Epoxyperle (Durchmesser von 0,5 mm) an der Spitze
vermieden. Mit jeweils 5 Serien von Stimuli auf- und absteigender Intensität
werden die Wahrnehmungsschwellen für punktförmige Berührung erfasst.
Die mechanische Schmerzschwelle (MPT) zur Testung von durch A-δ –Fasern
vermittelter Hyper- oder Hypoalgesie wird durch ein Set von 7 Pin-Prick-Stimuli
ermittelt, bei denen über eine flache Kontaktfläche mit einem Durchmesser von
0,2 mm eine Kraft zwischen 8 und 512 mN übertragen wird. 5 Messreihen auf-
und absteigender Intensität werden jeweils bis zur Schmerzauslösung
durchgeführt.
Die Stimulus-response-Funktionen „Empfindlichkeit für mechanischen Schmerz“
(MPS) und „dynamische mechanische Allodynie“ (DMA) erfassen die
Empfindlichkeit für spitze Reize mittels Pinprick über A-δ-Fasern und für leichte
Berührung durch Q-Tip, Wattebausch und Pinsel über A-β-Fasern.
Die Bestimmung der MPS erfolgt durch je 5 Applikationen der o.g. 7 Pin-Pricks
21
in variierter, vorher festgelegter Reihenfolge. Der Patient ordnet jedem Reiz
eine Schmerzstärke auf der Numeric Rating Scale zu (NRS 0 = kein Schmerz,
NRS 100 = maximal vorstellbarer Schmerz).
Die Testung der DMA erfolgt durch das Bestreichen der Haut über eine Strecke
von ca. 1-2 cm mit 3 leichten, taktilen Reizen, jeweils 5 Mal durchgeführt in
variierter, vorher festgelegter Reihenfolge, unterbrochen von Pinprick Reizen
und Zuordnen einer Schmerzstärke. Mit einem Wattebausch wird dabei eine
Kraft von ca. 3mN, mit einem Q-Tip eine Kraft von ca. 10mN und mit einem
standardisierten Pinsel (Somedic, Schweden) eine Kraft von ca. 200 bis 400mN
übertragen.
Die Wind-up Ratio (WUR) beschreibt die Summation von Schmerzen bei einer
Serie von 10 Pinprick Reizen, appliziert im Abstand von 1 Sekunde in einem
Areal von 1 cm², im Vergleich zum Einzelreiz gleicher Intensität. Die Auswahl
des Pinpricks ist dabei abhängig vom Messareal, an Hand und Fuß werden 256
mN, im Gesicht 128 mN verwendet. Jeweils 5 Messreihen werden an
verschiedenen Orten des gleichen Areals durchgeführt. Die WUR errechnet sich
aus dem Quotient des Mittelwertes der Serien und dem der Einzelreize.
Das Vibrationsempfinden (VDT) als Test für die Funktion der A-β-Fasern wird
mit einer Stimmgabel (64 Hertz, 8/8 Skalierung) ermittelt, aufgesetzt auf
Knochenvorsprüngen wie z.B. den Außenknöcheln. Jeweils 3 Messungen
werden durchgeführt und gemittelt.
Mit dem Druckalgometer wird das tiefe Schmerzempfinden (PPT) gemessen,
geleitet über muskuläre C- und A-δ-Fasern. Über eine Kontaktfläche von 1 cm²
kann ein Druck von bis zu 20 kg ausgeübt und der Wert auf einer Skala
abgelesen werden. 3 Serien mit einer ansteigenden Intensität (50 KPa/s)
werden durchgeführt, jeweils bis zur Angabe von Schmerzen.
2.4.4 Auswertung
Nach dem QST Protokoll für klinische Versuche (Rolke.et al. 2006) wurden für
die Auswertung zunächst die Mittelwerte der Messergebnisse von CDT, WDT,
TSL, MDT, MPT, MPS, DMA, WUR und PPT einer logarithmischen
22
Transformation unterzogen, die Mittelwerte der Messergebnisse von PHS, CPT,
HPT und VDT wurden unverändert belassen. Zur alters- und
geschlechtskorrigierten Beurteilung der individuellen Messwerte der Patienten
erfolgte die sogenannte Z-Transformation nach der folgenden, in o.g. Protokoll
verwendeten Formel:
Z-Wert = (Mittelwert Patient – Mittelwert Kontrollgruppe) / (Standardabweichung
Kontrollgruppe)
Nicht darstellbar als Z-Wert sind PHS und DMA, da diese bei Gesunden nicht
vorhanden sind. Die Z-Werte der übrigen 11 QST - Parameter ergeben ein Z-
Wert Profil, welches sensible Plus- oder Minus-Symptome sehr übersichtlich
abzubilden vermag. Eine gesteigerte Empfindlichkeit wird durch positive Z-
Werte verdeutlicht, eine verminderte durch negative. Z-Werte > ± 1,96 werden
als sicher pathologisch gewertet.
Als Grundlage für die Bewertung der Veränderungen, die intraindividuell in der
QST nach Blockade im Vergleich zu der QST vor Blockade auftraten, wurden
Korrekturfaktoren verwendet, die aus einer Studie zur Realibilität der
Ergebnisse von wiederholten QST durch unterschiedliche Untersucher in einem
Kollektiv von Schmerzpatienten ermittelt wurden (Geber et al., 2009).
2.5. Langzeittemperaturmessung
2.5.1 Messgerät
Die kontinuierliche Temperaturmessung erfolgte mit einem zur medizinischen
Anwendung zugelassenen Gerät (SVEA® TDL, CE 0366), das den Datenexport
und die anschließende Weiterverarbeitung in einem üblichen
Auswertungsprogramm (EXCEL®, SPSS®) ermöglicht. Der Speicher ermöglicht
die Aufzeichnung der Temperatur von bis zu 5 Messsonden an maximal 480
Zeitpunkten. Bei einminütiger Registrierung kann also ein Zeitraum von 8
Stunden erfasst werden. Die knopfförmigen Sonden weisen eine
unbeschichtete und eine zur thermischen Isolation mit Epoxidharz beschichtete
Seite auf. Die unbeschichtete Seite wurde an der Beugeseite des Endgliedes
23
von Finger oder Zehen der erkrankten und nicht erkrankten Extremität mit 2,5
cm breitem Leukosilk® befestigt, eine weitere Messsonde diente zur
Aufzeichnung der Außentemperatur. Kabel mit einer Länge von 2 m verbanden
die Temperatursonden über Klinkenstecker mit dem Aufzeichnungsgerät und
ermöglichten eine weitestgehend uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Die
Patienten erhielten dezidierte Anweisungen zur Vermeidung von Störfaktoren,
wie z.B. der Isolation der Sonden durch Kleidung oder erhöhte Wärmeleitung
durch Nass werden der Elektroden. Sie wurden außerdem gebeten, ein
Protokoll ihrer Aktivitäten während des Messzeitraumes zu erstellen, um die
Auswertung der Temperaturkurven zu erleichtern. Nach Beendigung der
Messung wurden die Daten via Schnittstelle vom Messgerät in das Programm
Microsoft® Excel übertragen, graphisch dargestellt und ausgewertet.
2.5.2 Auswertung
Für den Zeitraum von mindestens 30 Minuten vor und von der 30. bis 120.
Minute nach der Blockade wurden jeweils für die erkrankte Seite und für die
Kontrollseite die Mittelwerte der Temperaturen berechnet und die Differenz der
Mittelwerte der Seitendifferenzen (erkrankte Seite minus Kontrollseite) nach und
vor der Blockade gebildet. Bei einem Anstieg der Seitendifferenz nach der
Blockade zugunsten der erkrankten und blockierten Seite ((MW erkrankte Seite
post Block - MW Kontrollseite post Block) - (MW erkrankte Seite prä Block - MW
Kontrollseite prä Block)) von ≥ 2°C als Zeichen für eine Sympathikolyse wurde
die Blockade als effektiv eingestuft. Eine effektive Blockade wurde ebenfalls
postuliert, wenn die blockierte Extremität über den o.g. Zeitraum eine
Temperatur von über 34°C mit einer Amplitude von kleiner als 1,5°C aufwies.
Dieses zusätzliche Kriterium kam bei hohen Umgebungstemperaturen mit
entsprechender peripherer Vasodilatation und Körpertemperatur zur
Anwendung, da eine Temperaturdifferenz von 2°C nicht erreichbar war.
24
2.6 Schmerzmessung
Zur Beurteilung der schmerzreduzierenden Wirkung der Sympathikusblockaden
wurden die Patienten gebeten, zu definierten Zeitpunkten eine Schätzung der
Intensität des Ruheschmerzes der erkrankten Extremität mittels der
numerischen Schätzskala (Numeric Rating Scale, NRS) vorzunehmen.
Vorgegeben war eine Skala von 0 bis 10, wobei 0 Schmerzfreiheit und 10
maximal vorstellbaren Schmerz bedeutet. Die Zeitpunkte waren: 10 Minuten vor
der Blockade sowie 1 Stunde, 2, 3 und 6 Stunden nach der Blockade. Die
Mittelwerte der Schmerzintensitäten vor und nach der Blockade wurden
gebildet. Bei einer Schmerzreduktion von mehr als 30% nach effektiver
Blockade wurde ein SMP konstatiert, bei kleinerer oder fehlender
Schmerzreduktion ein SIP.
2.7 Statistik
Die Aufbereitung der demographischen Daten, der Daten der Schmerzmessung
mittels numerischer Schätzskala, der Daten der QST, der Daten und
graphischen Darstellung der Langzeittemperaturmessung erfolgte mit dem
Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel®. Bestimmt wurden die
Mittelwerte, Standardabweichungen, Minimum und Maximum.
Die statistische Auswertung erfolgte über SPSS®. Zur Auswertung der
Wahrnehmungsschwellen und der Schmerzintensität wurde aufgrund der
kleinen Gruppengröße und der fehlenden Normalverteilung der Wilcoxon-
Vorzeichen-Rang-Test verwendet. Eine statistische Signifikanz wurde bei P-
Werten unter 0.05 angenommen.
25
3. Ergebnisse
3.1 Patienten
Bei 19 Patienten (10 weibliche und 9 männliche) wurden 26 Blockaden des
sympathischen Nervensystems durchgeführt, davon 9 des Ganglion stellatums
(SGB), 2 des thorakalen Grenzstranges (thGSB), 12 des lumbalen
Grenzstranges (lGSB) und 3 Neurolysen des lumbalen Grenzstranges (lGSN).
Nach Auswertung der Langzeittemperaturmessung wurden 4 Blockaden wegen
eines inadäquaten Temperaturanstieges als Zeichen einer ausgebliebenen
Sympathikolyse von der weiteren SMP-Diagnostik ausgeschlossen, die
Temperaturkurven werden in 3.2 besprochen. Weitere 7 Blockaden wurden
wegen einer in der QST nach Blockade erfassten Ausschaltung sensibler
Nervenfasern von der SMP-Diagnostik ausgeschlossen, die Gründe werden
unter 3.3 erläutert.
Die verbleibenden 15 Blockaden bei 12 Patienten wurden anhand der
Schmerzreduktion in SMP (n=5) und SIP (n=10) eingeteilt (s. 3.4). In beiden
Gruppen war die Geschlechtsverteilung ausgeglichen. Eine statistische
Aussage zu der Verteilung von Alter, Grunderkrankung und Erkrankungsdauer
sowie zu der Art der medikamentösen Schmerztherapie, die jeder Patient
erhielt, war aufgrund der Gruppengröße nicht möglich (Tabelle 1).
Abbildung 1 (s. Anhang) zeigt in einem Flussdiagramm die ein- und
ausgeschlossenen Patienten sowie die Gruppeneinteilung.
3.2 Veränderungen der akralen Hauttemperatur nach Blockaden desSympathikus
Mindestens 30 Minuten vor bis 120 Minuten nach Blockade wurde die an der
Beugeseite von Finger oder Zeh in einminütigem Intervall gemessene
Hauttemperatur aufgezeichnet, in Excel® importiert und ausgewertet (s. 2.5.1).
Berechnet wurden die durchschnittliche Messdauer vor und nach Blockade, die
durchschnittliche Hauttemperatur der Test- und Kontrollseite, die Seitendifferenz
26
vor und nach Blockade sowie die Seitendifferenz des durchschnittlichen
Temperaturanstieges nach Blockade. Diese Werte sind in Tabelle 2 aufgeführt.
Nach den unter 2.5.2 genannten Kriterien wurden die Blockaden in effektive,
d.h. mit adäquatem Temperaturanstieg, und in ineffektive, d.h. mit inadäquatem
Temperaturanstieg, eingeteilt.
Demnach führten 22 Sympathikusblockaden (5 SGB, 2 thGBS, 12 lGBS, 3
lGSN) zu einem adäquaten Temperaturanstieg, durchschnittlich um 7,4°C (SD ±
4,6, max. 15,7°C, min. 2°C).
4 Blockaden des Ganglion stellatums führten zu einem inadäquaten Anstieg der
Hauttemperatur nach den unter 2.5.2 genannten Kriterien und wurden von der
weiteren Auswertung ausgeschlossen. In diesen Fällen wies die blockierte
Extremität nach der Blockade zwar einen deutlichen Temperaturanstieg auf
(durchschnittlich 3,5°C, SD ± 2,1, max. 6,6°c; min. 2,2°C) ), ebenfalls aber die
nichtblockierte Extremität (durchschnittlich 2,9 °C, SD ± 1,3, max. 4,6°C, min.
1,6°C), der Anstieg in der Seitendifferenz nach Blockade betrug durchschnittlich
lediglich 0,6°C (SD ± 1,0, max. 1,9°C, min. - 0,3°C).
Bei näherer Betrachtung der in die Auswertung eingeschlossenen, 15 effektiven
Blockaden mit Sympathikolyse wies in der Untergruppe mit Schmerzreduktion
(SMP) die Testseite vor Blockade eine durchschnittlich 3,2°C (SD ± 2,2, max. -
5,9°C, min. 1,1°C) kühlere Temperatur auf als die Kontrollseite, nach Blockade
stieg die durchschnittliche Hauttemperatur der Testseite um 7,9°C (SD ± 3,5,
max. 11,5°C, min. 2,1°C) an, die der Kontrollseite sank um durchschnittlich
2,7°C (SD ± 4,0, max. -8,3°C, min. 2,1°C). In der Untergruppe ohne
Schmerzreduktion (SIP) betrug die Differenz der Hauttemperatur vor Blockade -
0,1°C (SD ± 2,5, max. -3,4°C, min. 4,7°C) zu Ungunsten der Testseite. Nach
Blockade stieg an der Testseite die Temperatur um durchschnittlich 6,6°C (SD ±
2,1, max. 9,9°C, min. 3,5°C), an der Kontrollseite nur geringfügig um 0,9°C (SD
1,7, max. 3,7°C, min. -1,9°C).
Beispielhafte Temperaturverläufe für effektive Blockaden mit Temperaturanstieg
(Abb. 2 bis 5) und für nichteffektive Blockaden ohne Temperaturanstieg (Abb. 6
bis 9) werden im folgenden anhand der graphischen Darstellung der
27
Temperatur der blockierten und nicht blockierten Extremität und der Umgebung
erläutert.
Abb.1; Blockade Nr 42; Stellatumblockade rechtsBlockadezeitpunkt: 12:25h; Beginn QST 13:55
19202122232425262728293031323334353637
11:10 11:38 12:07 12:36 13:05 13:34 14:02 14:31 15:00 15:29 15:58 16:26 16:55 17:24 17:53 18:22 18:50 19:19
Messzeit/h:min
Hauttemperatur/°C
Tes tseite Hand reKontrollseite Hand liUm gebungstem peratur
Blockade
Abb. 1: Temperaturkurven von Test-, Kontrollseite und Umgebung
während einer Stellatumblockade (Blockade Nr. 42).
Abbildung 2 zeigt den Temperaturverlauf einer effektiven Blockade des
Ganglion stellatums Auf der blockierten Seite steigt die Hauttemperatur nach
Blockade rasch an, von durchschnittlich 28,6°C vor Blockade um 6,7°C auf
durchschnittlich 35,3°C im Zeitraum von 30 bis 120 Minuten danach. Mit nur
geringer Schwankung, von der Umgebungstemperatur unbeeinflusst, bleibt die
Hauttemperatur im gesamten erfassten Messzeitraum auf diesem Niveau. An
der Kontrollseite ist nach Blockade ebenfalls ein steiler Anstieg der
Hauttemperatur bis auf 34°C zu beobachten, der aber mit deutlicher
Verzögerung von ca. 30 Minuten auftritt und nach weiteren 30 Minuten wieder
steil abfällt bis auf 24°C. Von durchschnittlich 24°C vor Blockade steigt die
Hauttemperatur 30 bis 120 Minuten nach Blockade um 3,6 °C auf
durchschnittlich 27,6°C. In dem insgesamt aufgezeichneten Messzeitraum von
28
ca. 7 Stunden nach Blockade treten ausgeprägte, an den Verlauf der
Umgebungstemperatur gekoppelte Schwankungen zwischen 20°C bis 34°C auf.
Mit einer Seitendifferenz des Temperaturanstieges von 3,1°C zugunsten der
Testseite nach Blockade ist das erste Kriterium für eine effektive Blockade
erfüllt. Auch das zweite Kriterium wird erfüllt, da die Testseite nach Blockade,
unbeeinflusst von Schwankungen der Umgebungstemperatur, durchschnittlich
35,2°C aufweist und die Schwankungsbreite kleiner als 1,5°C ist.
Abb. 2; Blockade Nr 41; Stellatumblockade rechtsBlockadezeitpunkt: 08:05h; Beginn QST 11:00
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
06:15 06:43 07:12 07:41 08:10 08:39 09:07 09:36 10:05 10:34 11:03 11:31 12:00 12:29 12:58 13:27 13:55
Messzeit/h:min
Hauttemperatur/°C
Tes tseite Hand reKontrollseite Hand liUm gebungstem peratur
Blockade
Abb. 2: Temperaturkurven von Test-, Kontrollseite und Umgebung
während einer Stellatumblockade (Blockade Nr. 41).
Auch Abbildung 3 zeigt den Temperaturverlauf einer effektiven Blockade des
Ganglion stellatums. Vor der Blockade ist die Änderung der Hauttemperatur
beider Seiten auf Schwankungen der Umgebungstemperatur hin gleichsinnig
und ohne zeitliche Verzögerung, wenn auch an der Kontrollseite ausgeprägter
als an der Testseite. Nach der Blockade steigt die Temperatur beider Seiten
29
rasch an, an der Testseite durchschnittlich um 3,8°C von 31,4°C auf 34,9°C, an
der Kontrollseite durchschnittlich um 1,5°C von 30,8°C auf 32,3°C. Nach
Blockade finden Schwankungen der Umgebungstemperatur weiterhin
beiderseits Ausdruck in gleichsinnigen Änderungen, an der Testseite jedoch in
weit geringerem Ausmaß als vor Blockade. Der relative Anstieg der
Hauttemperatur nach Blockade beträgt in der Seitendifferenz 2,6°C zugunsten
der blockierten Extremität, daher wird diese Blockade als effektiv bewertet.
Abb. 3; Stellatumblockade rechtsBlockadezeitpunkt 12:25h; kein QST
2122
2324
2526
2728
2930
3132
3334
3536
37
11:40 12:08 12:37 13:06 13:35 14:04 14:32 15:01 15:30 15:59 16:28 16:56 17:25 17:54 18:23 18:52 19:20 19:49
Messzeit/h:min
Hauttemperatur/°C
Tes tseite
Kontrollseite
Um gebungstem peratur
Blockade
Abb. 3: Temperaturkurven von Test-, Kontrollseite und Umgebung
während einer Stellatumblockade.
Abbildung 4 zeigt den Verlauf der Hauttemperatur nach einer effektiven
Stellatumblockade, die zwar wegen fehlender QST nach Blockade nicht
eingeschlossen wurde, aber sehr exemplarisch das 2. Kriterium einer effektiven
Blockade darstellt und daher besprochen wird. Die Ausgangstemperatur der
erkrankten Testseite beträgt vor Blockade bereits durchschnittlich 33,6°C, die
der nicht erkrankten Kontrollseite 27,1°C, die Seitendifferenz ist also 6,5°C
30
zugunsten der zu blockierenden Extremität, so dass ein seitendifferenter
Anstieg von ≥ 2°C im Zeitraum von 30 bis 120 Minuten nach Blockade nicht zu
erreichen ist und somit das erste Kriterium für eine effektive Blockade nicht
erfüllt ist. Der Anstieg beträgt nach Blockade an der Testseite 1,6°C, an der
Kontrollseite 6,2°C, die Seitendifferenz sinkt auf durchschnittlich 1,9°C
zugunsten der blockierten Extremität. Wie in Abb. 2 reagiert die blockierte Seite
auf Schwankungen der Umgebungstemperatur kaum, die Schwankungsbreite
beträgt 0,8°C (34,8-35,4°C), das zweite Kriterium für eine effektive Blockade ist
also erfüllt und die Blockade wurde daher als effektiv gewertet.
Abb. 4; Blockade Nr. 39; lumbale GrenzsstrangblockadeBlockadezeitpunkt: 13:32; 25.04.2006
24252627282930313233343536
11:30
11:58
12:27
12:56
13:25
13:54
14:22
14:51
15:20
15:49
16:18
16:46
17:15
17:44
18:13
18:42
19:10
Messzeit/h:min
Hauttemperatur / °C
Testseite li FußKontrollseite re FußUm gebungs tem peratur
Blockade
Abb. 4: Temperaturkurven von Test-, Kontrollseite und Umgebung
während einer lumbalen Grenzstrangblockade (Blockade Nr. 39).
In Abbildung 5 ist die erkrankte Testseite vor Blockade mit durchschnittlich
24,6°C 4,5°C kühler als die Kontrollseite mit durchschnittlich 29,1°C. Nach
Blockade steigt die Temperatur der Testseite rasch an und beträgt 30 bis 120
31
Minuten nach Blockade durchschnittlich 34,3°C, also 9,7°C mehr als vor
Blockade. An der Kontrollseite fällt die durchschnittliche Temperatur im gleichen
Zeitraum um 2,8°C auf 26,3°. Die Seitendifferenz nach Blockade beträgt 8,0°C
zugunsten der erkrankten Extremität, der Anstieg der Seitendifferenz 12,5°C.
Abb. 5; Blockade Nr. 7; Stellatum blockade rechtsBlockadezeitpunkt: 14:34; Beginn QST: 16:37
20
22
24
26
28
30
32
34
36
11:00 11:28 11:57 12:26 12:55 13:24 13:52 14:21 14:50 15:19 15:48 16:16 16:45 17:14 17:43
Messzeit / h:m in
Hauttem peratur / °C
TestseiteDII re
Kontrollseite DII li
Um gebungstem peratur
Abb. 5: Temperaturkurven von Test-, Kontrollseite und Umgebung
während einer Stellatumblockade (Blockade Nr. 7).
Der Temperaturverlauf in Abb. 6 bei einer Blockade des Ganglion stellatum
zeigt einen beidseitigen Temperaturanstieg nach Blockade. Die Häufigkeit und
die Ausprägung der Temperaturschwankungen erscheinen unverändert. Die
durchschnittliche Temperatur der Testseite beträgt vor Blockade 30,3°C, die der
Kontrollseite 28,5°C, nach Blockade an der Testseite 33,3°C und an der
Kontrollseite 31,2°C. Die Seitendifferenz zugunsten der Testseite ist folglich vor
Blockade 1,8°C, nach Blockade 2,6°C, der Anstieg der Seitendifferenz 0,8°C.
Die Amplitude der Temperaturänderung der Testseite erscheint nach Blockade
unverändert und überschreitet 1,5°C deutlich. Damit wurden beide Kriterien
32
nicht erfüllt und die Blockade als ineffektiv bewertet.
Abb. 6; Blockade Nr. 44; StellatumblockadeBlockadezeitpunkt 12:35; Beginn QST 15:04
28
29
30
31
32
33
34
35
36
11:15 11:43 12:12 12:41 13:10 13:39 14:07 14:36 15:05 15:34 16:03 16:31 17:00 17:29 17:58 18:27 18:55 19:24
Messzeit/h:min
Hauttemperatur/°C
Tes tseite re Hand
Kontrollseite li Hand
Um gebungstem peratur
Abb. 6: Temperaturkurven von Test-, Kontrollseite und Umgebung
während einer Stellatumblockade (Blockade Nr. 44).
Nach einer Stellatumblockade (Abb. 7) steigt die Hauttemperatur beidseitig an,
Temperaturschwankungen erfolgen nahezu seitengleich und ohne Verzögerung.
An der Testseite steigt die durchschnittliche Hauttemperatur um 2,1°C von
32,8°C auf 34,9°C, an der Kontrollseite um 2,5°C von 31,8°C auf 34,3°C. Die
Seitendifferenz des Temperaturanstieges beträgt 0,4°C zugunsten der
Kontrollseite. Die Amplitude der Temperatur der Testseite 30 bis 120 Minuten
nach Blockade beträgt 2,9°C (Minimum 32,6°C, Maximum 35,5°C). Diese
Blockade ist somit als ineffektiv zu werten.
Bei ausschließlicher Betrachtung des Temperaturverlaufes der Testseite
spräche der Anstieg und das geänderte Undulationsmuster für eine effektive
Sympathikolyse. Die gleichsinnigen Änderungen der kontralateralen Extremität
und der Anstieg der Umgebungstemperatur um durchschnittlich 1,4°C auf
32,7°C lassen die Schlussfolgerung zu, dass es sich um einen der
33
Umgebungstemperatur geschuldeten Effekt handelt.
Abb. 7; Blockade Nr 33; StellatumblockadeBlockadezeitpunkt 12:10h; Beginn QST 15:48
8
10
12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
09:30
09:58
10:27
10:56
11:25
11:54
12:22
12:51
13:20
13:49
14:18
14:46
15:15
15:44
16:13
16:42
17:10
Messzeit/h:min
Hauttemperatur/°C
Tes tseite: Hand liKontrollseite: Hand reUm gebungstem peratur
Abb. 7: Temperaturkurven von Test-, Kontrollseite und Umgebung
während einer Stellatumblockade (Blockade Nr. 33).
Auch Abb. 8 zeigt eine ineffektive Stellatumblockade. An der Testseite ist um
14:02 Uhr, also ca. 2 Stunden nach Blockade, ein verspäteter Anstieg der
Hauttemperatur zu beobachten. Nur kurzfristig, für 47 min. (14:06 bis 14:53),
wird die vor Blockade bestehende Seitendifferenz der Temperatur von
durchschnittlich 0,65°C um mehr als 2°C überschritten. Ansonsten verlaufen die
Temperaturänderungen beider Hände nahezu synchron.
34
Abb. 8; Blockade Nr. 6; Stellatumblockade rechtsZeitpunkt Blockckade12:20h; Beginn QST 16:43
20
22
24
26
28
30
32
34
36
10:00 10:28 10:57 11:26 11:55 12:24 12:52 13:21 13:50 14:19 14:48 15:16 15:45 16:14 16:43
Messzeit/h:min
Hauttemperatur/°C
Testseite: Dig II reKontrollseite: Dig II liUm gebung
Abb. 8: Temperaturkurven von Test-, Kontrollseite und Umgebung
während einer Stellatumblockade (Blockade Nr. 6).
Vor der Blockade in Abb. 9 zeigt der Verlauf der Temperatur von Test- und
Kontrollseite nahezu synchrone Bewegungen. Nach Blockade um 12:20 Uhr
erfolgt gegen 12:31 Uhr ein rascher und steiler Anstieg der Testseite auf 34°C
bei nahezu gleich bleibender Umgebungstemperatur von etwa 22°C. Der
Anstieg der Kontrollseite erfolgt mit deutlicher Verzögerung, dem Anstieg der
Umgebungstemperatur folgend. Gegen 13:40 Uhr fällt nach einem Abfall der
Umgebungstemperatur auch die Temperatur der Testseite deutlich ab und
gleicht sich dem Verlauf der Kontrollseite wieder an, eine geringe Differenz
zugunsten der Testseite bleibt jedoch über den Messzeitraum bestehen. Wegen
des kurzen Zeitraumes von lediglich ungefähr 70 Minuten, in dem die
Sympathikolyse nachweisbar ist, wurde diese Blockade als ineffektiv eingestuft.
35
3.3 Quantitative sensorische Testung (QST)
Vor und nach Blockade wurde eine quantitative sensorische Testung (QST)
durchgeführt. Nach Blockaden mit Lokalanästhetika begann die Durchführung
der QST im Mittel nach 2 Stunden und 36 Minuten (45 Minuten bis 5 Stunden 3
Minuten), nach Neurolysen oder Anlage von Grenzstrangkathetern im Mittel
nach 35 Stunden und 20 Minuten (5 Stunden 2 Minuten bis 93 Stunden 2
Minuten).
Ausgewertet wurden die QST der 22 Blockaden, die zu einer effektiven
Ausschaltung der sympathischen Funktion der blockierten Extremität geführt
hatten. Da die Fragestellung der Untersuchung einerseits auf der Erfassung von
Hypästhesien durch unbeabsichtigte Blockaden sensibler Nervenfasern und
damit auf die Bewertbarkeit für die SMP-Diagnostik und andererseits auf die
Beeinflussung der funktionellen Hypästhesie bei neuropathischen
Schmerzsyndromen abzielte, beschränkt sich die Darstellung im folgenden auf
die Wahrnehmungsschwellen für Kälte und Wärme (bestimmt mittels eines PC-
gesteuerten Thermotesters), taktile Stimuli (bestimmt mittels Von-Frey-Haaren)
und Vibration (bestimmt mittels einer Stimmgabel). Für die interindividuelle
Bewertung wurden Referenzwerte des standardisierten Protokolls des DFNS
(Deutscher Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz) für QST
herangezogen (Rolke et al., 2006), für den intraindividuellen Vergleich
Korrekturfaktoren für Messwiederholungen nach einer Studie zur Reliabilität
wiederholter QST (Geber et al., 2009). Die Abbildungen 10 bis 12 (s. Anhang)
zeigen die Z-Wert Profile (s.a. 2.4.5) von Test- und Kontrollseite in der QST vor
und nach Blockade sowie der Testseiten aller Fälle in den QST vor und nach
Blockade (jeweils Mittelwerte aller Patienten).
Im Durchschnitt aller Patienten lagen die Wahrnehmungsschwellen für Kälte,
Wärme, Berührung und Vibration an der Test- und an der Kontrollseite vor
Blockade im Normbereich. Es zeigte sich eine geringfügige, jedoch nicht
signifikante Seitendifferenz der Z-Werte für die Parameter der thermischen und
36
taktilen Detektion (Testseite versus Kontrollseite). Bei der CDT mit -1,41 (SD ±
1,07) gegenüber -0,77 (SD ± 0.98), bei der WDT mit -1,10 (SD ± 1,11)
gegenüber -0,54 (SD ± 0,89), bei der MDT mit -0,40 (SD ± 1,78) gegenüber
0,22 (SD ± 0,99), bei der VDT mit -1,58 (SD ± 2,64) gegenüber 1,23 (SD ±
1,30). In 3 Fällen war die Messung der VDT schmerzbedingt nicht möglich.
Nach Blockade blieb diese Seitendifferenz der Parameter CDT, WD, MDT
(Testseite versus Kontrollseite) bestehen. Bei der CDT mit -1,07 (SD ± 1,44)
gegenüber -0,84 (SD ± 1,05), bei WDT mit -1,24 (SD ± 1,14) gegenüber -0,47
(SD ± 0,97) und bei der MDT mit -0,20 (SD ± 1,26). Die VDT der Testseite
verbesserte sich geringfügig auf -1,40 (SD ± 2,64), die VDT der Kontrollseite
verschlechterte sich geringfügig auf -1,69 (SD ± 2,38). Diese Veränderungen
waren nicht signifikant. In 2 Fällen war die Messung der VDT schmerzbedingt
nicht möglich.
Unterteilt in Gruppen mit (SMP) und ohne Schmerzreduktion (SIP) zeigte sich
kein Gruppenunterschied in der Seitendifferenz der Detektionsparameter (s.
Tabelle 3).
Bei Betrachtung intraindividueller Veränderungen der Messungen vor und nach
Blockade fanden sich dagegen deutliche Änderungen der
Wahrnehmungsschwellen.
Eine verschlechterte thermische und/oder taktile Wahrnehmung an der
Testseite wiesen 5 Patienten nach 7 Blockaden auf: Nach einer thorakalen GSB
verschlechterte sich die Kältewahrnehmung, der Z-Wert der CDT sank von
-0,43 auf -2,83. Nach 5 lumbalen GSB und 1 lumbalen GSN verschlechterte
sich die Wahrnehmung taktiler Reize, der Z-Wert der MDT nahm von
durchschnittlich 0,46 (SD ± 0,87) auf -1,72 (SD ± 0,24) ab. Diese 7 Blockaden
wurden daher, wie in 3.4 näher erläutert, für die weitere Unterteilung in SMP
und SIP ausgeschlossen, da nicht differenzierbar war, ob eine eingetretene
Schmerzreduktion durch die erfolgreiche Ausschaltung sympathischer oder
sensibler Afferenzen verursacht wurde.
Auf der Kontrollseite verschlechterte sich nach lumbaler GSB in 1 Fall die taktile
37
Wahrnehmung mit einer Abnahme des Z-Wertes der MDT von -0,48 auf -2,02
und in 1 Fall die Kältewahrnehmung, der Z-Wert der CDT sank von von 0,86 auf
-1,65.
Eine verbesserte thermische und/oder taktile Wahrnehmung wurde nach 4
lumbalen GSB und 1 lumbalen GSN bei 4 Patienten beobachtet. In 2 Fällen
verbesserte sich die Wahrnehmung der Testseite für taktile Reize, was sich
anhand der Z-Werte der MDT darstellen ließ (von -3,7 bzw. -1,61 auf -1,06 bzw.
1,2). In 1 Fall nahm die Kältewahrnehmung der Testseite (Z-Werte CDT von
-0,95 auf 1,42) und die Wärmewahrnehmung der Kontrollseite zu (Z-Werte
WDT von –1,03 auf 1,08). In den anderen 2 Fällen war die verbesserte
Kältewahrnehmung der Testseite (Z-Werte CDT von -2,85 bzw.-1,37 auf 0,24
bzw. 0,74) mit einer verschlechterten Wahrnehmung für taktile Reize
verbunden, davon in 1 Fall nur auf der Testseite (Z-Werte MDT von 0,41 auf
-2,05), im anderen Fall bilateral (Z-Werte MDT testseitig von 2,18 auf -1,54;
kontrollseitig von -0,48 auf -2,02).
3.4 Veränderungen der Schmerzsymptomatik nach Blockade
Aus den Mittelwerten der Schmerzmessung mittels der Numerischen Schätz
Skala NRS (0 = kein Schmerz; 10 = maximal vorstellbarer Schmerz) vor sowie
1 Stunde, 2, 3 und 6 Stunden nach der Blockade wurde die Schmerzreduktion
berechnet. Bei einer Schmerzreduktion ≥ 30% nach Blockade wurde das
Vorliegen eines SMP konstatiert (Tabelle 2).
7 der 22 Blockaden mit adäquatem Temperaturanstieg wiesen im
intraindividuellen Vergleich nach Blockade im QST verminderte
Wahrnehmungsschwellen auf (s. 3.3). 3 dieser Blockaden bewirkten eine
eindrucksvolle Schmerzreduktion von 44%, 57% und 75%. Diese
Schmerzreduktion konnte sowohl auf die Ausschaltung sensibler Nervenfasern
als auch auf die Blockade des Sympathikus zurückgeführt werden. Da die
Schmerzreduktion, die als einziges zuverlässiges Kriterium für eine
sympathische Komponente der Schmerzerkrankung gilt, der sympathischen
38
Blockade nicht eindeutig zuzuordnen war, waren diese 7 Blockaden zur
Diagnose eines SMP nicht verwertbar und wurden für die weitere Unterteilung
in SMP und SIP ausgeschlossen.
Von den verbleibenden, einen adäquaten Temperaturanstieg und
unbeeinträchtigte Sensibilität aufweisenden 12 Patienten mit 15 Blockaden
berichteten 4 Patienten nach 5 Blockaden (lumbale GSB n = 2, lumbale GSN n
= 2, SB n = 1) von einer Schmerzreduktion von durchschnittlich 40,9% (SD ±
8,1; min. 30%; max. 52,9%). Diese war signifikant im Wilcoxon-Test (p = 0,042).
Das Kriterium einer sympathische Komponente ihrer Schmerzerkrankung war
somit erfüllt.
Nach 8 Blockaden (lumbale GSB n = 3, thorakale GSB n = 1, SB n = 4) wurde
eine nur geringe oder keine Schmerzreduktion, nach 2 lumbalen GSB sogar
eine Zunahme der Schmerzintensität von 10% und 30% angegeben. Die
durchschnittliche Schmerzreduktion betrug 8,9% (SD ± 17,3; min. - 30%; max.
25%) und war damit im Wilcoxon-Test nicht signifikant (p = 0,052). Bei diesen
10 Fällen war somit keine sympathische Komponente ihrer Schmerzerkrankung
nachweisbar, sie wurden als SIP klassifiziert.
39
4. Diskussion
Ziel dieser Arbeit war es zu erheben, wie viele der durchgeführten
Sympathikusblockaden zu einer effektiven Sympathikolyse führten und wie
häufig unbeabsichtigte Blockaden sensibler Afferenzen auftraten. Hierzu
wurden in einer prospektiven Untersuchung 19 Patienten, die 26 Blockaden des
Sympathikus erhielten, vor, während und nach Blockade untersucht, die
Schmerzen erfasst und mittels einer kontinuierlichen Langzeitmessung der
Hauttemperatur sowie einer standardisierten quantitativen sensorischen
Testung (QST) die Effekte der Blockade auf das sympathische und
somatosensorische Nervensystem untersucht.
Von 26 Sympathikusblockaden wurden 22 (85%) anhand eines adäquaten
Anstiegs der Hauttemperatur als effektiv klassifiziert. In der QST nach Blockade
konnte keine systematische Änderung der Wahrnehmungsschwellen
nachgewiesen werden, in 7 Fällen zeigte sich jedoch eine verschlechterte
taktile und/oder thermische Wahrnehmung als Zeichen einer Blockade sensibler
Afferenzen.
Zusammengefasst waren 4 (15%) der Sympathikusblockaden ineffektiv und
weitere 7 (27%) nicht selektiv, sie wiesen eine Blockade sensibler Nervenfasern
auf. Letzteres ist insofern problematisch, als dass eine eingetretene
Schmerzreduktion, die als einziges zuverlässiges Kriterium für eine
sympathische Komponente der Schmerzerkrankung gilt, diagnostisch nicht
einzuordnen ist. Diese Schmerzreduktion könnte bei einer vorhandenen
sympathisch unterhaltenen Komponente der Schmerzerkrankung (SMP) auf die
effektiven sympathische Blockade zurückzuführen sein, ebenso könnte sie aber
Folge der sensiblen Blockade sein.
Insgesamt 42 % der 26 Blockaden erwiesen sich also als ungeeignet zur
Diagnostik eines SMP.
40
4.1 Effektivität der Sympathikusblockaden
4.1.1 Darstellung der Erfolgsquoten in der Literatur
Die unzureichende Unterbrechung der sympathischen Aktivität der oberen
Extremität nach Stellatumblockaden (SGB) ist ein bekanntes Problem. In der
Literatur schwanken die Angaben zur Erfolgsquote hinsichtlich der effektiven
Sympathikolyse in Abhängigkeit von den Untersuchungsbedingungen, dem
Monitoring und der Definition der Erfolgskriterien von 27% bis 92%.
Bei Vorliegen eines Horner-Syndroms sowie einer Vasodilatation an Gesicht und
an der oberen Extremität als Erfolgskriterien bezeichnete Kapral 92% der SGB
als effektiv (Kapral et al., 1995). Wurde ein Temperaturanstieg der Testseite ≥
1,5°C nach Blockade im Vergleich zu Kontrollseite als Kriterium zugrunde gelegt,
fand sich bei Hogan (Hogan et al., 1994) eine Erfolgsquote von 27%, bei
Stevens (Stevens RA et al, 1998) eine von 49% und bei Schürmann (Schürmann
et al., 2001) eine von 70%. Hogan verwendete eine kontinuierliche Aufzeichnung
der Temperatur (Hogan et al., 1994), bei Stevens und Schürmann fehlten
Angaben zu Messzeitpunkten, dafür wurden aber zusätzliche Untersuchungen
der Sympathikusfunktion durchgeführt. So konnte Schürmann bei 48% der nach
dem Kriterium des Temperaturanstieges effektiven Blockaden mittels Laser
Doppler Flowmetry eine unbeeinträchtigte Sympathikusfunktion nachweisen
(Schürmann et al., 2001). Die Erfolgsrate betrug somit noch lediglich 33%.
Stevens korrigierte die Erfolgsquote nach Kombination mit einem Kobalt-Blau
Schweißtest von 49% auf 36%. Eine gute Korrelation mit einem negativen
Schweißtest fand sich erst bei einem Temperaturanstieg ≥ 2°C in der
Seitendifferenz (Stevens et al., 1998).
Ein Horner-Syndrom, das eine Unterbrechung der sympathischen Innervation
des Gesichtes, nicht aber der oberen Extremität anzeigt, beobachtete Hogan bei
allen effektiven und bei immerhin 57% der ineffektiven Blockaden, Stevens bei
91% der effektiven und 50% der ineffektiven Blockaden.
Eine der häufigsten Indikationen für den Einsatz der lumbalen GSB stellen der
41
Ischämieschmerz und/oder Ulzeration auf dem Boden einer arteriellen
Verschlusskrankheit dar, die meisten Arbeiten beschäftigen sich daher mit
diesem Einsatzgebiet. Die Effektivität hinsichtlich der Sympathikolyse ist dabei
schwierig zu überprüfen, da auch bei technisch einwandfreier Blockade eine
Sympathikolyse aufgrund der starren Gefäßwände nicht unbedingt eine
verbesserte Durchblutung und damit einen Anstieg der Hauttemperatur zur Folge
hat. Daher finden v.a. die subjektive Besserung der Beschwerden und die
Vermeidung einer Amputation Verwendung als Erfolgskriterien, diesbezüglich
besteht jedoch eine starke Abhängigkeit von der Verteilung der Stadien
(Schneider et al., 1996). In Arbeiten zum Einsatz der lumbalen GSB bei
Schmerzerkrankungen werden Erfolgsquoten hinsichtlich der Effektivität der
Sympathikolyse von 66% bis 83% beschrieben (Sayson et al., 1995; Schmid et
al., 2006). Die Punktion erfolgte bei Sayson unter Durchleuchtung, das
Monitoring der sympathischen Funktion über den Anstieg der Hauttemperatur.
Schmid punktierte CT-gesteuert und verwendete zur Prüfung der
Sympathikusfunktion zusätzlich zur Hauttemperatur die Änderung des
Hautwiderstandes nach elektrischer Stimulation.
Die thorakale GSB bzw. GSN wird zumeist bei palmarer oder axillärer
Hyperhidrose oder bei Raynaud-Symptomatik der oberen Extremität eingesetzt.
Während die Sympathikolyse bei fast allen Patienten mit Hyperhidrose
erfolgreich ist, gemessen an der Zufriedenheit der Patienten (Adler et al., 1990),
ist sie es bei Patienten mit Raynaud nur bei 50% bis 70% (Schneider et al.,
1996).
4.1.2 Darstellung eigener Erfolgsraten und Diskussion derselben vor dem Hintergrund der Literatur
Die Erfolgsquote bei Blockaden des Ganglion stellatum hinsichtlich der effektiven
Sympathikolyse liegt in dieser Untersuchung bei 56%.
Höhere Erfolgsquoten finden sich bei Arbeiten, bei denen ein ungeeignetes
Monitoring der sympathischen Funktion verwendet wurde. Ein Horner-Syndrom
42
und die verbesserte Durchblutung von Kopf und Hals (Kapral et al., 1995)
können als Nachweis einer kompletten Blockade der sympathischen Afferenzen
zervikaler Ganglien dienen, nicht aber zum Nachweis einer Blockade der den
Plexus brachialis ebenfalls begleitenden, sympathischen Afferenzen thorakaler
Ganglien. Ebenfalls ungeeignet ist eine zeitlich-punktuelle Erfassung der akralen
Hauttemperatur an wenigen Messzeitpunkten, z.B. einmal vor und einmal nach
Blockade, wie von Stevens und Schurmann (Stevens et al., 1998; Schürmann et
al., 2001) verwendet. Die solchermaßen erzielten, hohen Erfolgsquoten von 49%
bzw. 70% mussten nach Kombination mit einem aufwändigeren Messverfahren
der sympathischen Funktion auf 36% bzw. 33% korrigiert werden. Bei
Verwendung einer kontinuierlichen Temperaturmessung wurde eine
Versagerquote von 73% beschrieben (Hogan et al., 1994). Das legt den Schluss
nahe, dass eine hohe Versagerquote mit einer hohen Sensitivität des
Messerfahrens einher zugehen scheint, und dass durch die kontinuierliche
Messung der Temperatur eine vergleichbar hohe Sensitivität wie durch
Verwendung einer Laser Doppler Flowmetry oder eines Schweißtests erzielt
werden kann. Die Überlegenheit der kontinuierlichen Temperaturmessung, die
sich auch als wertvolles diagnostisches Instrument in der Diagnostik des CRPS
erwiesen hat (Krumova et al., 2008), gegenüber der zeitlich-punktuellen
Messung lässt sich anhand der Temperaturkurven in den Abbildungen 2 und 8
(s. 3.2) gut demonstrieren.
Die erkrankte Extremität weist zwar im Idealfall nach Blockade eine nur wenig
variierende, akrale Hauttemperatur auf, nicht aber die nicht erkrankte Extremität.
Die Umgebungstemperatur und der systemische Sympathikotonus führen hier zu
deutlichen Temperaturschwankungen. Dieser Umstand kann in Abhängigkeit von
den gewählten Messzeitpunkten zu einer erhöhten Rate an falsch negativen
oder falsch positiven Wertungen führen.
Eine falsch negative Klassifizierung wäre bei der Stellatumblockade erfolgt,
deren Temperaturverlauf in Abbildung 2 dargestellt ist, wäre die Temperatur
einmalig in dem Zeitraum von 30 bis 60 Minuten nach Blockade gemessen
worden. In diesem Zeitraum besteht eine Umgebungstemperatur von bis zu
30°C, die Hauttemperatur der Kontrollseite steigt entsprechend bis 34°C an, die
43
Seitendifferenz der Hauttemperatur vor Blockade wird sogar unterschritten.
Der umgekehrte Fall einer falsch positiven Klassifizierung ist in Abbildung 8
nachzuvollziehen. Nur bis 47 Minuten nach Blockade beträgt der Anstieg der
Seitendifferenz mehr als 2°C zugunsten der Testseite, eine in diesem Zeitraum
stattfindende, zeitlich-punktuelle Temperaturmessung würde fälschlicherweise
auf eine effektive Blockade hinweisen, obwohl tatsächlich aufgrund der nur
kurzen Dauer des Temperaturanstieges eine ineffektive Blockade vorliegt.
Die vorliegende Untersuchung weist bei Stellatumblockaden mit 56% eine
höhere Erfolgsquote auf als die Arbeiten von Hogan, Stevens und Schürmann
mit 27%, 36% und 33%. In allen Arbeiten erfolgte die Punktion durch erfahrene
Ärzte oder unter deren Aufsicht, es wurde die gleiche Punktionstechnik und
nahezu gleiche Volumina von Lokalanästhetikum von 12 bis 15 ml verwendet.
Auch in der Empfindlichkeit der Methode zur Überprüfung der sympathischen
Funktion ist die Ursache nicht zu suchen. Denn in dieser Untersuchung wurde
eine Kombination des Grenzwertes des seitendifferenten Temperaturanstieges
von ≥ 2°C, der auch bei punktueller Messung eine gute Korrelation zu einer
effektiven sympathischen Blockade zeigte (Stevens et al., 1998; Schürmann et
al., 2001), und einer kontinuierlichen Messung, wie bei Hogan (Hogan et al.,
1994), verwendet.
Die Ursache der höheren Erfolgsquote in dieser Untersuchung ist am
wahrscheinlichsten in der geringen Anzahl der insgesamt 9 durchgeführten
Stellatumblockaden zu suchen.
Alle in dieser Untersuchung durchgeführten lumbalen GSB waren effektiv
(100%). In der Literatur werden Raten der effektiven Sympathikolyse von 66%
bis 85% der Blockaden angegeben. In einer Arbeit wurde jedoch anstelle einer
CT eine Durchleuchtung verwendet (Sayson et al., 1995), in der anderen wurde
die Überprüfung der sympathischen Funktion mittels der Messung des
elektrischen Widerstandes lediglich bis 12 Minuten nach Injektion fortgeführt. Ein
verzögerter Wirkungseintritt wäre somit nicht erfasst und die betreffenden
Blockaden wären fälschlicherweise als ineffektiv eingeordnet worden (Schmid et
al., 2006). Um diese Blockaden korrekt klassifizieren zu können wurde der
44
Zeitraum der Auswertung nach Blockade in dieser Untersuchung entsprechend
gewählt, und zwar von der 30. bis zur 120. Minute.
In diese Untersuchung wurden 2 thorakale GSB eingeschlossen, beide wurden
anhand des Anstiegs der Hauttemperatur als effektiv klassifiziert. Wie oben
ausgeführt finden sich in der Literatur keine vergleichbaren Angaben zur
Effektivität. Das untersuchte Patientengut bestand aus Patienten mit
Hyperhidrose oder Raynaud-Symptomatik, der Erfolg wurde an der subjektiven
und klinischen Verbesserung festgemacht. Des weiteren wären schon aufgrund
der geringen Fallzahl statistisch haltbare Vergleiche nicht möglich.
4.1.3 Diskussion möglicher Ursachen für ineffektive Blockaden
Als maßgebliche Ursachen für ineffektive Sympathikusblockaden werden in der
Literatur zum einen die Punktionstechnik und die damit verbundene Genauigkeit
der Injektion an den Zielort und zum anderen die anatomischen Varianten der
sympathischen Versorgung, v.a. an der oberen Extremität, diskutiert.
Bei der zur Stellatumblockade (SGB) verwendeten, „blinden“, an Landmarken
orientierten Punktionstechnik wird in Rückenlage bei überstrecktem Kopf die
Nadel paratracheal unter Wegdrängen der Halsgefäße auf den Querfortsatz von
HWK 6 geführt, nach Knochenkontakt wenige mm zurückgezogen und nach
negativer Aspiration injiziert (Smith, 1951, Carron et al., 1975). Durch das
Zurückziehen der Nadel soll die Injektion nicht in den Musculus longus colli ,
sondern auf die den Muskel bedeckende Faszie gelangen, um sich von dort,
durch Aufsetzen des Patienten gefördert, in Richtung des Ganglion stellatum und
der oberen thorakalen Grenzstrangganglien auszubreiten.
Die Ausbreitung des Injektats nach SGB wurde in mehreren Arbeiten durch
Sektion von Leichen und CT- oder MRT-Bildgebung bei Probanden untersucht.
Dabei wurde das Ganglion stellatum oder der thorakale Grenzstrang selten
erreicht, die injizierte Flüssigkeit fand sich medial, anterior oder posterior der
Zielstrukturen, z.T. auch im hinteren Mediastinum und der apikalen Pleura
45
(Guntamukkala et al., 1991; Christie et al., 1995; Hogan et al., 1992). Die
Injektion zwischen vordere und hintere Lamina der prävertebralen Faszie
erreichte in immerhin 2/3 der Fälle das Ganglion stellatum (Honma et al., 2000).
Die variable Dicke des Musculus longus colli (Ates et al., 2009) bedingt eine
unkalkulierbare Position der Nadelspitze, die Injektion erfolgt nicht sicher in der
angestrebten Schicht. Dadurch kann es zu einer Ausbreitung in Richtung der
Wurzel und zu sensiblen Blockaden kommen, wie in der Nachkontrolle von SGB
mittels Ultraschall bei 25% der Fälle nachgewiesen wurde (Kapral et al., 1995).
Durch den Einsatz bildgebender Verfahren, wie Ultraschall oder CT, scheinen
zielgenauere Injektionen mit höherer Erfolgsquote und Reduktion von
Komplikationen möglich zu sein (Erickson et al., 1993, Kapral et al., 1995).
Bei lumbalen und thorakalen GSB gilt die CT-gesteuerte Punktion mittlerweile als
das Verfahren der Wahl. Diese ermöglicht eine genauere und
komplikationsärmere Positionierung der Nadelspitze und damit der Injektion,
auch ist die Ausbreitung der injizierten Substanz überprüfbar. Komplikationen
durch die Punktion, z.B. ein Pneumothorax, oder durch Fehlinjektion des
Medikamentes, z.B. Strikturen des Urethers durch Äthanol oder sensible
Blockaden des N. genitofemoralis durch Lokalanästhetika, sind dadurch seltener,
die Erfolgsrate ist höher (Adler et al., 1990; Schneider et al., 1996; Schmid et al.,
2006).
Zahlreiche anatomische Untersuchungen haben sich seit den 30er Jahren des
letzten Jahrhunderts mit der Variabilität des sympathischen Nervensystems
beschäftigt, v.a. mit der Versorgung der oberen Extremität. Gesucht wurde die
Ursache der Misserfolge der häufig und für ein breitgefächertes Spektrum an
Erkrankungen eingesetzten chirurgischen Sympathektomien. Gefunden wurde
eine hohe Variabilität des Auftretens sympathischer Ganglien und zusätzlicher
sympathischer Verbindungen thorakaler Grenzstrangganglien zum Plexus
brachialis. Das durch Verschmelzung des Ganglion cervikale inferior und des
Ganglion thoracicum I entstandene Ganglion cervicothoracicum, meist Ganglion
stellatum genannt, fand sich in 80% bis 92%, ein persistierendes Ganglion
cervikale inferior in bis zu 8%, ein Fusion des Ganglion stellatums mit dem
Ganglion thoracicum II in bis zu 9% der untersuchten Leichen. Zusätzliche
46
sympathische Verbindungen von thorakalem Grenzstrang und Plexus brachialis
unter Umgehung des Ganglion stellatums wurden in bis zu 46% dargestellt, der
klassische, 1927 beschriebene Kuntz`sche Nerv (Kuntz, 1927), eine
intrathorakale Verbindung des 2. Interkostalnerven und des Ramus ventralis des
1. Spinalnerven, in 34% (Ramasaroop et al., 2001; Wang et al., 2002; Chung et
al., 2002; Zhang et al., 2009).
Eine geringere anatomische Variabilität findet sich beim thorakalen und lumbalen
Grenzstrang. Thorakal sind Grenzstrang und Ganglien mit geringer Varianz
ventral der Rippenköpfchen lokalisiert (Ramasaroop et al., 2001). Lumbal liegt
der Grenzstrang immer ventral des Musculus psoas. Die Lage der Ganglien ist
variabler als thorakal, bei LWK III liegt das Ganglion jedoch mit hoher Konstanz
1,8 bis 3 cm lateral der Mittellinie (Rocco et al., 1995).
4.2 Häufigkeit unbeabsichtigter Blockade sensibler Nervenfasern
In dieser Untersuchung kam es nach den effektiven Blockaden mit adäquatem
Anstieg der Hauttemperatur zu keiner systematischen Änderung der
Wahrnehmungsschwellen. Im intraindividuellen Vergleich dagegen wurde in der
QST nach Blockade an der Testseite bei 1 thorakalen GSB eine signifikante
Verschlechterung der Kältewahrnehmung festgestellt, bei 5 lumbalen GSB und 1
GSN eine verschlechterte Wahrnehmung taktiler Stimuli, bei 2 der lumbalen GSB
war auch kontrollseitig eine taktile oder thermische Hypästhesie festzustellen.
Diese 7 Blockaden waren damit unbrauchbar für die diagnostische Einordnung in
SMP und SIP. Eine Schmerzreduktion nach Blockade, die als einziges
zuverlässiges Kriterium für eine sympathische Komponente der
Schmerzerkrankung gilt, könnte dann sowohl die Folge der sympathischen als
auch der sensiblen Blockade sein. Tatsächlich gaben 3 der Patienten eine
deutlichen Schmerzreduktion an.
Bei lumbalen GSB ist die sensible Blockade des über den M. psoas ziehenden
N. genitofemoralis eine bekannte unerwünschte Wirkung, je nach Punktionshöhe
47
und Bildgebung wurde eine Inzidenz von bis zu 40% beschrieben (Sayson et al.,
1995, Ohno et al., 1997). Berichte über das Auftreten anderer sensibler
Blockaden nach lumbaler GSB sind in der Literatur nicht zu finden.
Bei Stellatumblockaden sind sensible Blockaden durch Ausbreitung des
Lokalanästhetikums in Richtung Nervenwurzel häufig und konnten in einer
Untersuchung mittels Ultraschall in 25% der Fälle nachgewiesen werden (Kapral
et al.,1995). Sehr seltene Komplikationen stellen die subarachnoidale bzw. die
epidurale Fehlinjektion dar, die in einer Erhebung mittels Fragebogen bei 45.000
Stellatumblockaden in 0,01% bzw. 0,007% der Fälle auftraten (Wulf et al., 1992).
In dieser Studie war jedoch bei keiner der 9 Stellatumblockaden eine thermische
oder taktile Hypästhesie nach Blockade nachweisbar.
Untersuchungen an gesunden Probanden konnten belegen, dass das Abkühlen
einer Extremität zu verminderter Wahrnehmung von Vibration und taktilen Stimuli
führte, nicht aber das Erwärmen (Thyagarajan et al., 1994; Gescheider et al.,
1997, Harazin et al., 2007). Die in dieser Untersuchung nachgewiesenen
Hypästhesien nach Blockade können also nicht auf die erhöhte Temperatur der
Testseite durch Sympathikolyse zurückgeführt werden.
Auch die systemische Wirkung der Lokalanästhetika durch Absorption wird in der
Literatur als Ursache diskutiert (Dellemijn PL et al, 1994). Die Plasmaspiegel von
Lokalanästhetika waren bei gleicher Dosierung (maximal 50 mg Bupivacain)
nach Stellatumblockaden signifikant höher als nach lumbalen GSB, toxische
Plasmakonzentrationen wurden nicht erreicht. Dies ist auf die hohe
Vaskularisierung der Halsregion zurückzuführen, die einerseits eine bessere
Absorption und andererseits eine höhere Rate an intravasalen Injektionen zur
Folge hat (Hardy et al., 1990; Wulf et al., 1991; Wulf et al., 1994, Dick et al.,
1996; Yokoyama M, 1998). In dieser Untersuchung wurden die Plasmaspiegel
der Lokalanästhetika nicht gemessen. Für die Stellatumblockaden wurden mit 75
mg Bupivacain (15 ml 0,5%) eine dreifach höhere Dosierung als für die lumbalen
oder thorakalen GSB verwendetet, höher auch als in den oben zitierten Studien.
Bei der nachgewiesenermaßen höheren Absorptionsrate der Halsregion wären
die Hypästhesien vermehrt nach Stellatumblockaden zu erwarten gewesen. Dies
48
war jedoch nach keiner Stellatumblockade dieser Untersuchung der Fall. Zudem
müssten bei einem systemischen Effekt die Hypästhesien bilateral auftreten.
Nach Ausschluss anderer Ursachen für die Hypästhesie nach lumbalen und
thorakalen GSB ist eine Umverteilung von Lokalanästhetika hin zu den
Nervenwurzeln die wahrscheinlichste. In der Übersichtspirale nach Punktion und
Injektion war in keinem Fall ein Abfluss von Lokalanästhetikum in Richtung der
Nervenwurzeln nachweisbar, daher ist diese wahrscheinlich nach Umlagerung
oder Mobilisation erfolgt.
4.3 Beeinflussung der funktionellen Hypästhesie durch Blockaden des Sympathikus
In dieser Untersuchung konnte nach 5 Blockaden in der QST eine verbesserte
taktile oder thermische Wahrnehmung nachgewiesen werden.
Bei chronischen Schmerzsyndromen, u.a. nach Läsion des peripheren oder
zentralen Nervensystems, können eine mechanische oder thermische Allodynie
in einem Areal verminderter taktiler oder thermischer Wahrnehmung auftreten
(Lindblom et al., 1979). Eine verbesserte Wahrnehmung und eine verminderte
oder aufgehobene Allodynie konnten durch Sympathikusblockaden erzielt
werden (Kissin et al., 1987; Wahren et al., 1990). Diese taktile Hypästhesie ist
unterteilbar in funktionelle Hypästhesie, die nach Schmerzlinderung teilweise
oder komplett verschwindet, und in Hypästhesie nach Deafferenzierung, die
auch nach Schmerzreduktion persistiert (Moriwaki, 1998). Auch bei
experimentellem, chemisch oder elektrisch induzierten Schmerz konnte die
funktionelle Hypästhesie bei gesunden Probanden nachgewiesen werden. Als
Mechanismus wurde eine präsynaptische Hemmung niedrigschwelliger
Mechanorezeptoren nach Depolarisation afferenter C-Fasern auf spinaler
Ebene diskutiert (Magerl et al., 2003; Geber C et al., 2008). Eine prospektive,
randomisierte Doppelblindstudie untersuchte die thermische Wahrnehmungs-
und Schmerzschwellen vor und nach einer lumbalen Grenzstrangblockade,
signifikante Veränderungen waren nicht nachweisbar (Meier et al., 2009).
49
In dieser Untersuchung fanden sich zwar in der QST vor Blockade an der
Testseite im Vergleich zur Kontrollseite erhöhte thermische und vibrotaktile
Wahrnehmungsschwellen, diese waren jedoch nach den Referenzwerten des
Deutschen Forschungsverbundes für Neuropathischen Schmerz DFNS (Rolke
et al., 2006) nicht signifikant. Diese nicht signifikante Tendenz blieb auch nach
den Sympathikusblockaden weiterhin nachweisbar.
Bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen konnte hier eine taktile und/oder
thermische Hypästhesie im Unterschied zur Arbeit von Lindblom (Lindblom et
al., 1979) nicht nachgewiesen werden, ebenso wenig wie die Verbesserung
derselben, im Unterschied zu der Arbeit von Kissin (Kissin et al., 1987). In allen
Arbeiten wurden Patienten mit neuropathischen Schmerzsyndromen
untersucht, allerdings nach unterschiedlichen und daher nicht vergleichbaren
Protokollen. Die vorhandenen, wenn auch nicht signifikanten Defizite in der
Wahrnehmung sind aufgrund ihrer Persistenz nach Blockade daher nicht als
funktionell, sondern als strukturell aufzufassen, bedingt durch die erlittene
Nervenverletzung.
4.4 Beeinflussung der Schmerzintensität durch Sympathikusblockaden
In einer älteren Übersichtsarbeit (Maier et al., 1998) wurden die Raten der
Schmerzreduktion nach Sympathikusblockaden zusammengetragen. Bei
Patienten mit Neuralgien fand sich eine initiale Schmerzreduktion im Rahmen
von 37,5% bis 51%, bei Patienten mit CRPS eine im Rahmen von 70% bis
96%. In der Literatur der letzten Jahre finden sich 3 systematische Reviews, die
der Frage der Wirksamkeit von Sympathikusblockaden oder Sympathektomien
hinsichtlich der Schmerzlinderung mit Methoden der evidenz-basierten Medizin
nachgehen. Mailis beschäftigte sich mit dem Einsatz von chemischen und
operativen Sympathektomien zur Therapie neuropathischer Schmerzen (Mailis
et al., 2003), Cepeda mit dem Einsatz von Sympathikusblockaden mittels
Lokalanästhetika bei dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom CRPS
(Cepeda et al., 2005). Beide Autoren kommen zu dem Schluss, dass keine
50
ausreichende Evidenz für die Wirksamkeit der therapeutischer Interventionen
am sympathischen Nervensystem bei neuropathischen Schmerzerkrankungen
besteht, und fordern die Durchführung entsprechender Studien zum Nachweis
der Wirksamkeit und zum Aufdecken der Risiken an.
Auch ein 2008 erschienenes Review (Day, 2008), das (englischsprachige)
Studien über lokalanästhetische Sympathikusblockaden und Neurolysen bei
diversen Schmerzsyndromen analysiert, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.
Für Blockaden des Ganglion stellatum wurde lediglich eine prospektive,
randomisierte Doppelblindstudie gefunden, die nur 4 Patienten mit CRPS der
oberen Extremität (und 3 der unteren) einschloss. Diese erhielten im Abstand
von 7 bis 10 Tagen je eine Blockade mit Kochsalz und eine mit
Lokalanästhetikum. Ein statistisch signifikanter Unterschied zeigte sich dabei
nicht bei der Höhe der Schmerzreduktion, die bei 3 der 4 Patienten nach
Blockade mit Kochsalz oder Lokalanästhetikum eintrat, sondern bei der Dauer
(Price et al., 1998). Bei der thorakalen GSB wurden 2 Arbeiten gefunden, davon
war eine als Fallstudie bei 2 Patienten angelegt (Wilkinson et al., 1984), bei der
anderen wurden zwar Indikation und Technik, nicht aber die Ergebnisse
diskutiert (Skaebuland et al., 1999). Studien zu Blockaden oder Neurolysen des
lumbalen Grenzstranges wurden meist bei Patienten mit Ischämieschmerz oder
Hyperhidrosis durchgeführt. Neben der Arbeit von Price et al. gibt es eine
weitere, 2009 veröffentlichte, prospektive, randomisierte Doppelblindstudie bei
Patienten mit CRPS oder Neuralgie (Meier et al., 2009). 23 Kinder im Alter von
10 bis 18 Jahren mit CRPS der unteren Extremität erhielten dabei im Abstand
von 12 Stunden über einen in Allgemeinanästhesie gelegten
Grenzstrangkatheter je eine lumbale Injektion mit Lidocain kombiniert mit einer
i.v. Gabe von Kochsalzlösung und eine lumbale Injektion mit Kochsalz
kombiniert mit einer i.v. Gabe von Lidocain. 39% der Kinder gaben nach GSB
mit Lokalanästhetikum eine Reduktion des Ruheschmerzes an.
In dieser Studie gaben 3 (33%) von 9 Patienten mit Neuropathie und 1 (33%)
von 3 Patienten mit CRPS eine signifikante Schmerzreduktion an. Patienten mit
Neuropathie profitierten damit geringfügig seltener von einer
Sympathikusblockade als nach Literaturangaben zu erwarten gewesen wäre,
51
Patienten mit CRPS hingegen deutlich seltener. Allerdings lässt in beiden
Gruppen die geringe Anzahl an Patienten keine statistisch signifikanten
Schlussfolgerungen zu.
4.5 Schlussfolgerungen
Eine unerwartet hohe Rate von insgesamt 11 (42 %) der 26 Blockaden erwies
sich als ungeeignet zur Diagnostik eines SMP. Die unzureichende
Unterbrechung der sympathischen Aktivität der oberen Extremität nach 4
Stellatumblockaden (44%) ist nicht überraschend und deckt sich mit den
klinischen Erfahrungen und mit den in der Literatur beschriebenen Raten. Die
variable sympathische Versorgung mit einer hohen Rate an akzessorischen
Afferenzen vom thorakalen Grenzstrang zum Plexus brachialis unter Umgehung
der Ganglion stellatums sowie die „blinde“, an Landmarken orientierte
Punktionstechnik erklären dieses Ergebnis in ausreichendem Maße. Bei der CT
gesteuerten GSB ist bei korrekter Position der Nadelspitze und korrekter
Ausbreitung des Lokalanästhetikums der Nachweis von thermischer und/oder
taktiler Hypästhesie dagegen überraschend. In der Literatur finden sich dazu
bislang weder Hinweise noch systematische Untersuchungen.
Für die Diagnostik sympathisch unterhaltener Schmerzen, v.a. im Rahmen
wissenschaftlicher Untersuchungen, ergeben sich folgende Implikationen:
1. Für die Prüfung der Effektivität von Sympathikusblockaden ist ein suffizientes
Monitoring der sympathischen Funktion unverzichtbar, denn eine unentdeckt
bleibende, ineffektive Blockade mit konsekutiv ausbleibender Schmerzreduktion
würde falsch negativ als SIP klassifiziert. Die Langzeitmessung der Temperatur
stellt ein zu diesem Zweck geeignetes Verfahren dar.
2. Zur Prüfung der Selektivität sollte eine vergleichende, standardisierte
Sensibilitätsprüfung (QST) erfolgen, denn eine nicht entdeckte Hypästhesie
durch Ausschaltung sensibler Nervenfasern mit konsekutiver Schmerzreduktion
könnte zur falsch positiven Diagnose eines SMP führen.
52
5. Zusammenfassung
Einleitung: Blockaden des sympathischen Nervensystems haben historisch
begründet einen festen Platz in der Behandlung neuropathischer Schmerzen
mit vermuteter sympathisch unterhaltener Komponente (Sympathetically
Maintained Pain - SMP). Bis heute fehlen Belege für die schmerzlindernde
Wirkung sowie Standards für den Nachweis der Effektivität (d.h. der
eingetretenen Sympathikolyse nach Blockade) und der Selektivität (d.h. der
Beschränkung der Blockade auf den Sympathikus ohne unbeabsichtigte
Ausschaltung sensibler Nervenfasern). Taktile und thermischen Hypästhesie bei
neuropathischen Schmerzsyndromen kann strukturell (durch Nervenläsion)
oder funktionell (durch Inhibition auf spinaler Ebene) bedingt sein. In dieser
Studie soll die Häufigkeit effektiv sympathikolytischer Blockaden durch einen
adäquaten Anstieg der Hauttemperatur in der Langzeitmessung sowie die
Häufigkeit von unbeabsichtigten Blockaden sensibler Afferenzen und die
Beeinflussung der funktionellen Hypästhesie anhand einer standardisierten
quantitativen sensorischen Testung (QST) untersucht werden.
Methodik: 19 Patienten mit neuropathischen Schmerzen und Hinweisen auf
das Vorliegen eines SMP erhielten insgesamt 26 Blockaden des sympathischen
Nervensystems (Ganglion stellatum (SGB): 9, thorakaler Grenzstrang (thGSB):
2; lumbaler Grenzstrang (lGSB / lGSN): 12 Blockaden, 3 Neurolysen). Zur SGB
wurde die ventrale, paratracheale Punktionstechnik nach Leriche verwendetet;
für die thGSB und lGSB / lGSN der CT gesteuerte, dorsolaterale Zugang. Die
Hauttemperatur wurde von mindestens 30 Minuten vor bis 120 Minuten nach
Blockade einminütig registriert. Ein Anstieg der Seitendifferenz der
Hauttemperatur nach Blockade ≥ 2°C zugunsten der blockierten Extremität
wurde als Zeichen einer kompletten Sympathikolyse gewertet. Thermische und
mechanische Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen wurden durch eine
standardisierte Quantitative Sensorische Testung (QST) mit validierten
Grenzwerten für Seitendifferenzen und Messwiederholungen vor und nach der
Blockade bestimmt. Eine Schmerzreduktion ≥ 30%, berechnet anhand der
53
Ruheschmerzmessungen mittels der Numerischen Schätzskala vor und 1, 2, 3
und 6 Stunden nach Blockade, wurde als das Vorliegen eines SMP gewertet.
Ergebnisse: 11 (42%) von 26 Sympathikusblockaden waren ungeeignet zur
Diagnostik eines SMP, davon 4 (15%) SGB wegen unzureichenden Anstiegs
der Hauttemperatur und 7 (27%) wegen thermischer oder taktiler Hypästhesie
der erkrankten Extremität. Nach Blockade fanden sich keine systematischen
Änderungen der thermischen und taktilen Wahrnehmungsschwellen der
erkrankten Extremität, in 4 Fällen jedoch eine verbesserte und in 7 (27 %, s.o.)
eine verschlechterte Wahrnehmung. Eine Schmerzlinderung ≥ 30% und somit
ein SMP fand sich nach 5 effektiven Blockaden bei 4 Patienten.
Schlussfolgerungen: Eine hohe Rate (42 %) der 26 Blockaden erwies sich als
ungeeignet zur Diagnostik eines SMP. Die unzureichende Unterbrechung der
sympathischen Aktivität der oberen Extremität nach 4 SGB ist ausreichend
erklärbar durch die variable sympathische Versorgung mit einer hohen Rate an
akzessorischen Afferenzen vom thorakalen Grenzstrang zum Plexus brachialis
unter Umgehung der Ganglion stellatums sowie durch die „blinde“, an
Landmarken orientierte Punktionstechnik. Bei der CT gesteuerten GSB ist bei
korrekter Position der Nadelspitze und korrekter Ausbreitung des
Lokalanästhetikums der Nachweis von thermischer oder taktiler Hypästhesie
dagegen überraschend. Diese Ergebnisse verdeutlichen die Unverzichtbarkeit
des Monitorings der sympathischen Funktion zur Prüfung der Effektivität und
der vergleichenden standardisierten Sensibilitätsprüfung zur Prüfung der
Selektivität für die Diagnostik eines SMP, v.a. im Rahmen wissenschaftlicher
Untersuchungen, denn eine nicht entdeckte Hypästhesie könnte durch
Ausschaltung sensibler Afferenzen mit konsekutiver Schmerzreduktion einen
SMP vortäuschen, eine unentdeckte, ineffektive Blockade mit konsekutiv
ausbleibender Schmerzreduktion einen SIP.
Eine Verbesserung der funktionellen Hypästhesie durch Sympathikusblockaden
ist in dieser Untersuchung nicht zu belegen.
54
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60
Tabelle A1: Demographische und klinische Daten (Mittelwert ±
Standardabweichung)
SSRI: selective serotonin reuptake inhibitors, tNSAID: traditional non-steroidal
anti-inflammatory drugs, WHO II / III: schwach- / starkwirksame Opiode nach
dem Stufenschema der WHO
Eingeschlossene Patienten gesamtn = 12
Patienten mit Schmerz reduktion n = 4
Patienten ohne Schmerz reduktion n = 8
Alter (Jahre) (Min - Max) 44,8 ± 10,7(29 - 71)
43,5± 13,9 (29 - 51)
45,4 ± 11,5 (32 - 71)
Geschlecht Anzahl weiblich 6 2 4GrunderkrankungAnzahl
Neuralgie 9 3 6CRPS 3 1 2
Erkrankungsdauer in Monaten (Min - Max)
31,2 ± 39,7(4 – 150)
26,3 ± 33,1 (7-55)
30,8 ± 49,3 (4–150)
Betroffene Extremität Anzahl
Arm 6 1 5Bein 6 3 3
Schmerzmedikation Anzahl (Mehrfachnennung)WHO II: Tramadol, Tilidin-Naloxon
2 1 1
WHO III: Oxycodon, Hydromorphon, Buprenorphin
4 0 4
Antidepressiva: Amitriptyllin, Mirtazapin, Doxepin
8 4 5
SSRI: Escitalopram (%) 2 1 1 Antikonvulsiva:Gabapentin / Pregabalin
8 3 5
tNSAID: Ibuprofen 1 0 1 Coxibe: Celecoxib 2 1 2 Andere Nicht Opioid Analgetika: Metamizol, Paracetamol
5 3 3
61
Tabelle A2: Langzeitmessung der Hautemperatur von Test- und Kontrollseite vor und nach Blockade (Mittelwert ± Standardabweichung)
Blockaden mit Schmerz-reduktionn = 5
Blockaden ohne Schmerz-reduktionn = 10
Zur SMP- Diagnostik nicht verwertbareBlockaden n =11Anstieg Temperaturnicht adäquatBlockaden n = 4
Nachweis sensibler Blockade in der QSTBlockaden n= 7
Messdauer vor / nach Blockade (min)
130,8 ± 42,9 /324,4 ± 67,2
149,4 ± 65,3/ 281,5 ± 79,4
132,0 ± 56,8/ 279,3 ± 96,4
141,1 ± 24,4298,4 ± 35,0
Anstieg der Hautemperatur ipsilateral nach Blockade (°C)
7,9 ± 3,5 6,6 ± 2,1 3,5 ± 2,1 7,1 ± 4,0
Anstieg der Hautemperatur kontralateral nach Blockade (°C)
-2,7 ± 4,0 0,9 ± 1,7 2,9 ± 1,3 -0,1 ± 1,1
Seitendifferenz (ipsilateral - kontralateral) der Hauttemperatur (°C) vor Blockade
-3,2 ± 2,2 -0,1 ± 2,5 0,9 ± 0,7 - 0,4 ± 3,0
Seitendifferenz (ipsilateral - kontralateral) der Hauttemperatur (°C) 30-120 min nach Blockade
7,4 ± 4,0 4,8 ± 2,7 1,5 ± 0,7 6,8 ± 2,4
Differenz der Seitendifferenzen der Hauttemperatur (°C) vor und nach Blockade
10,6 ± 5,9 5,7 ± 2,9 0,6 ± 1,0 7,2 ± 3,7
62
Tabelle A3: Wahrnehmungsschwellen (Mittelwert ± Standardabweichung nach
Z-Transformation) der QST vor und nach Sympathikusblockade. *VDT: In 3
Fällen schmerzbedingte Undurchführbarkeit des Testes.
Erkranktes, ipsilaterales Areal Kontralaterales ArealVor Blockade Nach Blockade Vor Blockade Nach Blockade
CDT -1.41 ± 1.07 -1.07 ± 1.44 -0.77 ± 0.98 -0.84 ± 1.05SMP -1.18 ± 1.07 -1.16 ± 0.87 -0.64 ± 0.72 -0.60 ± 0.93SIP -1.53 ± 1.09 -1.02 ± 1.71 -0.84 ±1.12 -0.98 ±1.13
WDT -1.10 ± 1.11 -1.24 ± 1.14 -0.54 ± 0.89 -0.47 ± 0.97SMP -0.64 ± 0.73 -0.94 ± 0.80 -0.46 ± 0.95 -0.51 ± 0.86SIP -1.36 ± 1.23 -1.41 ± 1.29 -0.59 ± 0.88 -0.44 ± 1.05
MDT -0.40 ± 1.78 -0.96 ± 1.58 0.22 ± 0.99 -0.20 ± 1.26SMP -0.42 ± 1.62 -0.65 ± 1.07 0.42 ± 0.80 0.15 ± 1.01SIP -0.38 ± 1.92 -1.14 ± 1.82 0.11 ±1.09 -0.23 ± 1.43
VDT * -1.58 ± 2.64 -1.40 ± 1.96 -1.23 ± 1.30 -1.69 ± 2.38SMP -1.60 ± 1.46 -1.22 ± 1.41 -1.79 ±0.65 -1.55 ±0.86SIP -1.57 ± 3.10 -1.49 ± 2.21 -0.98 ± 1.46 -1.76 ± 2.93
CDT: cold detection threshold, WDT: warm detection threshold, MDT:
mechanical detection threshold, VDT: vibration detection threshold, SMP:
sympathetically maintained pain, SIP: sympathetically independent pain, SD:
Standardabweichung.
63
Tabelle A4: Schmerzintensität vor und nach Blockade (Numeric Rating Skale NRS 0-10; Mittelwert ± Standardabweichung); absolute (NRS 0-10) und relative (%) Schmerzreduktion nach Blockade (Mittelwert ± Standardabweichung)
Blockaden mit Schmerzreduktion n = 5
Blockaden ohne Schmerzreduktionn = 10
Schmerzen vor BlockadeNRS 0-10 (Min - Max)
5,2 ± 1,3 (4 - 7)
6,7 ± 1,3 (5 - 9)
Schmerzen 30 min bis 6 h nach Blockade NRS 0-10 (Min - Max)
3,0 ± 0,6 (2,4 - 3,5)
6,0 ± 1,3 (4,5 - 8,8)
Absolute Schmerzreduktion 30 min bis 6h nach Blockade NRS 0-10 (Min - Max)
2,2 ± 0,9 (1,5 - 3,7)
0,7 ± 1,1 (-1,5 - 1,6)
Relative Schmerzreduktion in % 30 min bis 6h nach Blockade NRS 0-10 (Min - Max)
40,9 ± 8,1 (30,0 - 52,9)
8,9 ± 17,3(-30,0 - 25,0)
Signifikanz der Schmerzreduktion vor versus nach der Blockade(Wilcoxon-Test)
0,042 0,052
64
Abb. A1: Übersicht zur Gruppeneinteilung der Sympathikusblockaden
Kein adäquater Temperaturanstieg
4 SB bei 3 Pat(4 SGB)
Adäquater Temperaturanstieg
22 SB bei 16 Pat(5 SGB, 2 thGSB, 12
lGSB, 3 lGSN)
Schmerzreduktion > 30%
5 SB bei 4 Pat(1SGB, 2lGSB, 2 lGSN)
Schmerzreduktion < 30%
10 SGB bei 9 Pat(4 SGB, 5 lGSB,1 thGSN)
Verbesserte Wahrnehmung
2 SB bei 2 Pat
(1 lGSB, 1 lGSN)
Unveränderte Wahrnehmung3 SB bei 2 Pat
(1 SGB, 1 lGSB, 1 lGSN)
Verbesserte Wahrnehmung2 SB bei 2 Pat
(1 thGSB, 1 lGSB)
Unveränderte Wahrnehmung8 SB bei 8 Pat
(4 SGB, 4 lGSB)
Verschlechterte Wahrnehmung 7 SGB bei 5 Pat
(1 th GSB, 5 lGSB, 1 lGSN)
19 Patienten (Pat) mit 26 Sympathikusblockaden (SB), davon:
- 9 Stellatumblockaden (SGB) mit 15 ml Bupivacain 0,5%
- 2 CT-gesteuerte thorakale Grenzstrangblockaden (thGSB) mit 5 ml Bupivacain 0,5%
- 12 CT-gesteuerte lumbale Grenzstrangblockaden (lGSB) mit 5 ml Bupivacain 0,5 %
- 3 CT-gesteuerte lumbale Grenzstrangneurolysen (lGSN)mit 2 ml Äthanol 95%
Danksagung
Ich möchte mich bei Prof. Dr. med. C. Maier für die Überlassung des Themas,
für die Betreuung, insbesondere aber für den klinischen Unterricht bedanken.
Mein Dank gilt auch Dr. med. Elena Krumova und Dr. med. Andrea Scherens für
die Mithilfe bei der Durchführung des praktischen Teils, für die Beratung und
Hilfe bei der statistischen Auswertung und für die zahlreichen Anregungen und
Diskussionen.
Ebenso bedanken möchte ich mich bei Ilona Raith und bei der Abteilung für
Radiologie unseres Krankenhauses für die Mithilfe bei der Durchführung der
CT-gesteuerten Blockaden.
Sehr herzlich bedanken möchte ich mich auch bei meiner Familie für die
Geduld und Unterstützung.
Lebenslauf
Persönliche Daten :
Name: Johann Christoph Gussone
Geburtsdatum: 18.05.1965
Geburtsort: Duisburg
Staatsangehörigkeit: Deutsch
Familienstand: verheiratet, 3 Kinder
Schulausbildung:
1971 - 1975 Katholische Grundschule Grevenbroich
1975 - 1984 Erasmus-Gymnasium Grevenbroich
28.05.1984 Abitur
Zivildienst:
09/1984 - 04/1986 Lebenshilfe e.V., Hochneukirch
Berufsausbildung:
10/1986 - 09/1987 Krankenpflegeschule Lukaskrankenhaus, Neuss
Hochschulausbildung:
10/1987 - 04/1994 Studium der Humanmedizin, RWTH Aachen
04/1994 - 05/1995 PJ Knappschaftskrankenhaus Bardenberg
12.05.1995 3. Staatsexamen
10/1995 - 06/1996 Musikstudium am Lemmensinstituut, Leuven
Berufliche Tätigkeit:
10/1996 - 04/1998 Arzt im Praktikum in der Anästhesie, St. Josef Krankenhaus
Linnich
05/1998 - 09/1998 Weiterbildungsassistent in der Anästhesie, St. Josef
Krankenhaus Linnich
10/1998 - 05/2000 Erziehungszeit, Notarzttätigkeit im Kreis Heinsberg
05/2000 - 06/2002 Weiterbildungsassistent in der Anästhesie, Hermann-Josef-
Krankenhaus, Erkelenz
07/2002 - 12/2004 Weiterbildungsassistent der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-,
Palliativ- und Schmerzmedizin an den BG Universitätskliniken
Bergmannsheil, Bochum
04.12.2004 Facharzt für Anästhesiologie
14.10.2006 Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“
05.07.2008 Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“
10.07.2010 Zusatzbezeichnung „Palliativmedizin“
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