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Seminararbeit
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in
der Schweiz und ein rechtsvergleichender
Blick auf die Praxis in Dänemark
Seminar: Migrationsrecht
(Ausländer- und Asylrecht, Schengen, Freizügigkeitsrecht)
unter der Leitung von
Prof. Dr. Breitenmoser
PD Dr. Uebersax
Cecilie Moser
An der Auhalde 22
4125 Riehen
0794437982
cecilie.moser@stud.unibas.ch
7. Semester
Abgabedatum: 16. Januar 2012
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
I
Inhaltsverzeichnis
LITERATURVERZEICHNIS.........................................................................................................III
MATERIALIENVERZEICHNIS...................................................................................................VII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS.....................................................................................................IX
A. EINLEITUNG................................................................................................................... 1
B. BEGRIFF UND FUNKTION DER INTEGRATION.................................................................... 1
I. Definition ................................................................................................................... 1
II. Inhalt der Integration ................................................................................................ 2
1. Die kulturelle Integration........................................................................................... 3
a. Die Bedeutung von Sprachkenntnissen ....................................................................... 3
2. Die soziale Integration............................................................................................... 4
3. Die strukturelle Integration........................................................................................ 4
4. Die rechtliche Integration .......................................................................................... 4
5. Die politische Integration........................................................................................... 4
III. Funktion................................................................................................................... 4
1. Abgrenzung von der Assimilation............................................................................... 4
C. INTEGRATION UND EINBÜRGERUNG IN DER SCHWEIZ ...................................................... 5
I. Schweizer Bürgerrecht................................................................................................ 5
II. Einbürgerung ............................................................................................................ 6
1. Erwerb des Bürgerrechts ........................................................................................... 6
a. Erwerb von Gesetzes wegen ....................................................................................... 6
b. Erwerb durch behördlichen Beschluss: die ordentliche Einbürgerung........................ 6
2. Totalrevision des BüG................................................................................................ 8
III. Integrationsbestimmungen im geltenden Recht ......................................................... 8
1. Integration im Bürgerrechtsgesetz (BüG)................................................................... 9
a. Bedeutung der Integration.......................................................................................... 9
2. Integration im Ausländergesetz (AuG) ......................................................................10
a. Das Integrationskapitel.............................................................................................10
aa. Vorzeitige Niederlassungsbewilligung bei erfolgreicher Integration...................... ..11
bb. Integrationsvereinbarungen, Integration als Kriterium bei
Bewilligungsentscheiden...................................................................................................12
3. Integration in der Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und
Ausländer (VIntA).........................................................................................................13
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
II
4. Integration in der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit
(VZAE) .........................................................................................................................13
IV. Die schweizerische Integrationspolitik ....................................................................14
1. Integration in den Regelstrukturen ............................................................................16
2. Akteure der integrationspolitischen Bemühungen......................................................17
a. Die Rolle des Staates.................................................................................................17
b. Die Rolle der Kantone und Gemeinden .....................................................................18
c. Fazit..........................................................................................................................19
3. Weiterentwicklung der Integrationspolitik.................................................................19
4. Ansätze für eine erfolgreiche Integration...................................................................20
D. INTEGRATION UND EINBÜRGERUNG IN DÄNEMARK........................................................21
I. Dänische Staatsbürgerschaft .....................................................................................21
II. Einbürgerung ...........................................................................................................22
1. Einbürgerungsverfahren ...........................................................................................22
III. Integration in Dänemark.........................................................................................22
1. Bedeutung der Integration.........................................................................................22
2. Die dänische Integrationspolitik................................................................................23
3. Integrationsgesetz .....................................................................................................23
a. Ziel ...........................................................................................................................24
b. Zielgruppe ................................................................................................................24
c. Integrationsprogramm ..............................................................................................24
d. Integrationsvertrag ...................................................................................................25
4. Akteure der Integrationsförderung ............................................................................26
IV. Ausblick ..................................................................................................................26
E. RECHTSVERGLEICH ZWISCHEN DER SCHWEIZ UND DÄNEMARK BEZÜGLICH DER
EINBÜRGERUNGS- UND INTEGRATIONSPRAXIS....................................................................27
F. SCHLUSSWORT ..............................................................................................................29
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
III
Literaturverzeichnis
Literatur:
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Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
VII
Materialienverzeichnis
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BUNDESAMT FÜR MIGRATION: Probleme der Integration von Ausländerinnen und Ausländern
in der Schweiz, Juli 2006, 9 (zit. BFM, 2006)
BUNDESAMT FÜR MIGRATION: Bundesrat will Integration verstärken, Medienmitteilungen,
EJPD, 5.3.2010 (zit. BFM, 5.3.2010)
Botschaften:
Botschaft des Bundesrates and die Bundesversammlung zum Entwurf zu einem Bundesgesetz
über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 23. August 1951, BBl 1951 II 705,
SR 6088
Botschaft zu Änderung des Bürgerrechtsgesetzes vom 26. August 1987, BBl 1987 III 304, SR
87.055
Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002,
BBl 2002 3796, 3797, 3800, SR 02.024
Botschaft des Bundesrats zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das Schweizer
Bürgerrecht vom 4. März 2011, BBl 2011 2826, 2836, SR 11.022
Bundesverfassung, Bundesgesetze und Bundesverordnungen:
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV), SR 101
Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952
(Bürgerrechtsgesetz, BüG), SR 141.0
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Ausländergesetz vom 16. Dezember
2005 (AuG), SR 142.20
Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländer vom 24. Oktober 2007
(VIntA), SR 142.205
Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 (VZAE),
SR 142.201
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
VIII
Entscheide:
BGE 119 Ia 178; Urteil des Bundesgerichts E. 4c vom 18. Juli 1993
BGE 129 I 232; Urteil des Bundesgerichts 1P.1/2003 vom 9. Juli 2003
BGE 131 I 18; Urteil des Bundesgerichts 1P.468/2004 vom 4. Januar 2005
BGE 134 I 56; Urteil des Bundesgerichts 1D_11/2007 vom 27. Februar 2008
BGE 135 I 79; Urteil des Bundesgerichts 2C_149/2008 vom 24. Oktober 2008
BVGE Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-2466/2008 vom 27. Juni 2011
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
IX
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
Art. Artikel
Aufl. Auflage
AuG Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer,
Ausländergesetz vom 16. Dezember 2005, SR 142.20
BaZ Basler Zeitung
BBl Bundesblatt
BFM Bundesamt für Migration
BüG Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer
Bürgerrechts, Bürgerrechtsgesetz vom 29. September 1952, SR
141.0
BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom
18. April 1999, SR 101
bzw. beziehungsweise
Diss. Dissertation
EFTA Europäische Freihandelsassoziation
EKM Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen
EU Europäische Union
f. folgende
ff. fortfolgende
Hrsg. herausgegeben
IntV Integrationsvereinbarung
i.V.m. in Verbindung mit
KMU Kleine und mittlere Unternehmen
m.E. meines Erachtens
MIPEX Migrant Integration Policy Index
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
X
NRO Nichtregierungsorganisation
NZZ Neue Zürcher Zeitung
SFH Schweizerische Flüchtlingshilfe
SZIER Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches
Recht
u.a. unter anderem
v.a. vor allem
VIntA Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und
Ausländer vom 24. Oktober 2007, SR 142.205
VZAE Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit
vom 24. Oktober 2007, SR 142.201
Ziff. Ziffer
zit. zitiert
ZStöR Zürcher Studien zum öffentlichen Recht
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
1
A. Einleitung
Die Integration von Ausländerinnen und Ausländern ist in den westeuropäischen Ländern ein
aktuell heiss und emotional diskutiertes Thema. Die Integrationsfrage hat in den
Gerichtssälen, in der Politik sowie in der Bevölkerung in der letzten Zeit immer mehr an
Bedeutung gewonnen. Das war nicht immer so. Die schweizerische Ausländerpolitik der
Nachkriegszeit basierte bis in die 1960er Jahre auf dem sogenannten Rotationsprinzip,
welches ausländische Arbeiter willkommen hiess, ihre Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung
jedoch auf wenige Jahre begrenzte. Integration war kein Thema, obschon die Zahl der
ausländischen Bevölkerung im Laufe der Jahre rasant zunahm. Diese Vernachlässigung der
Integration zeigt sich heutzutage u.a. durch schlechte Sprachkenntnisse der Ausländer,
patriarchalische Familienverhältnisse, Parallelgesellschaften, Ghettobildungen sowie durch
erschwerte Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten. Diese Probleme müssen nun durch
effektive Förderungsmassnahmen gelöst werden. Gefordert wird von den
Einbürgerungswilligen viel Selbstverantwortung, um die an sie gestellten Forderungen zu
erfüllen. Gleichzeitig fördert der Staat ihre Integration in den Regelstrukturen sowie mit
spezifischen Massnahmen. Mit der Integration soll das Zusammenleben der einheimischen
und ausländischen Wohnbevölkerung auf der Grundlage der Werte der Bundesverfassung und
gegenseitiger Achtung und Toleranz erreicht werden (Art. 4 Abs. 1 AuG). Doch was genau ist
Integration? Wo findet die Integration statt und wie kann sie am besten gefördert werden?
Wie ist die schweizerische Integrationspolitik und ihre Praxis zu beurteilen? Welche
Bedeutung hat die Integration bei der Einbürgerung? Wie sieht die Lage im Ausland, zum
Beispiel in Dänemark aus? Wie geht das nordische Land mit der Integrationsfrage um und
welche Massnahmen werden ergriffen, um eine erfolgreiche Integration zu erreichen? Welche
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Schweiz und Dänemark sind festzustellen?
Die Arbeit soll u.a. auf diese Fragen eine Antwort geben. Sie gibt einen Einblick ins Thema
Einbürgerung und Integration von Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz und wirft
zudem einen rechtsvergleichenden Blick auf die Praxis in Dänemark.
B. Begriff und Funktion der Integration
I. Definition
Das Wort Integration ist vom lateinischen integratio abgeleitet und meint „die
Wiederherstellung eines Ganzen“.1 Integration ist ein vielschichtiger und facettenreicher 1 DROSDOWSKI, 223.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
2
Begriff, der verschiedene Vorstellungen und Erwartungen mit sich bringt. Es gibt bis heute
keine einheitliche Definition dafür. Integration bedeutet für die Einen das friedliche
Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft und Andere setzen den Begriff mit
der Assimilation gleich.2 Integration wird vorherrschend als Gegensatz der Ab- und
Ausgrenzung, der sogenannten Desintegration, bezeichnet und somit als individuelle und
gesellschaftliche Teilhabe und Zugehörigkeit angesehen.3 Der Begriff Integration findet
seinen Ursprung in der Soziologie und beschreibt einen gesellschaftlichen Prozess sowie ein
gesellschaftliches Ziel. Der Prozess besteht in der Eingliederung und Akzeptanz von
Individuen in eine Gruppe oder in ein übergeordnetes Ganzes.4 Diese so genannte
Sozialintegration bezeichnet die Partizipation von einzelnen Akteuren an bereits existierenden
sozialen Systemen und den daraus resultierenden Eigenschaften, Fertigkeiten und
Ressourcen.5 Die Integration wird zudem als ein gesellschaftliches Ziel angesehen, das eine
stabile, gleichgewichtige Kooperation von Einzelnen in einem sozialen System anstrebt.6
Diese Systemintegration bezieht sich folglich auf den Zusammenhalt des Systems.7 Die
Integration von Ausländerinnen und Ausländern schliesst beide Aspekte des soziologischen
Integrationsbegriffs mit ein, in dem sie den dauerhaften Einschluss von Ausländerinnen und
Ausländern in die Bevölkerung, in den Staat und in die Gesellschaft anstrebt.8
II. Inhalt der Integration
Integration ist ein dynamischer, lang währender und überaus differenzierter Prozess des
Zusammenfügens und Zusammenwachsens. Dieser Prozess zwischen Zugewanderten und
Aufnahmegesellschaft besteht aus dem Aufeinanderzugehen, sich miteinander
auseinandersetzen, Gemeinsamkeiten finden, Unterschiede feststellen und gemeinschaftliche
Verantwortung übernehmen. Der zweiseitige Prozess beinhaltet zudem die Klärung und
Lösung entstandener Konflikte.9 Die Integration von Einbürgerungswilligen stellt einen
Prozess der Eingliederung in mehrere gesellschaftliche Bereiche dar und umfasst die
kulturelle, soziale, strukturelle sowie die rechtliche Integration.
2 http://www.ekm.admin.ch/de/themen/integration.php. 3 SÜSSMUTH, 138; vgl. DROSDOWSKI, 223. 4 CARONI, 121. 5 ESSER, 23. 6 CARONI, 121. 7 ESSER, 30. 8 CARONI, 121. 9 HUBER, 348.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
3
1. Die kulturelle Integration
Die kulturelle Integration kann als individuell-subjektiver Lernvorgang des Ausländers
angesehen werden. Dabei lernt er wie die Aufnahmegesellschaft funktioniert, indem er sich
Kenntnisse über die Sprache, die Gewohnheiten, die sozialen Rollen sowie die Ordnung in
der Arbeitswelt, im Bildungswesen, in der Politik und in der Freizeit aneignet. Diese neu
erworbenen Kenntnisse ermöglichen ihm eine gute Orientierung, ein Zurechtfinden und eine
gute Kommunikation sowie eine Beteiligung im gesellschaftlichen Leben.10
a. Die Bedeutung von Sprachkenntnissen
Die Sprachkenntnisse sind fundamental für die Integration von Ausländerinnen und
Ausländern. Die Sprache selbst ist Teil wie auch Bedingung und Folge anderer Prozesse der
Integration. Die wichtige Bedeutung der Sprache hat mit ihrer mehrfachen Funktionalität zu
tun. Nach ESSER lassen sich drei spezielle Funktionen der Sprache angeben: Erstens stellt die
Sprache eine wertvolle Ressource dar, mit welcher andere Ressourcen gewonnen werden
können und in die investiert werden kann. Zweitens ist sie ein Symbol, das Dinge beschreibt,
innere Zustände ausdrückt, Aufforderungen transportiert und Situationen bezeichnet. Drittens
ist die Sprache ein Medium der Kommunikation und der darüber verlaufenden
Transaktionen.11 Fraglich ist, auf welche Art und Weise die Sprachkenntnisse am
effizientesten gefördert und geprüft werden sollen und inwiefern Zwang dabei behilflich ist.
Experten sind der Ansicht, dass Sprachexamen eine bedrohliche Wirkung haben können und
die Förderung der Sprache eher hemmen. Beim Aufstellen der Anforderungen müsste die
individuelle Situation des Migranten beachtet werden. Je länger und verfestigter der
Aufenthalt des Migranten ist, desto höhere Anforderungen an die Sprachkenntnisse können
folglich gestellt werden. Zudem sind das Alter und die Berufstätigkeit des Migranten zu
berücksichtigen.12 Gemäss der Botschaft des Bundesrates ist es von grosser Bedeutung, dass
der Einbürgerungswillige die Sprache versteht und sich darin angemessen ausdrücken kann,
so dass er sich im alltäglichen Leben gut verständigen kann und in der Lage ist die politischen
Rechte auszuüben.13 Das Aneignen von Sprachkenntnissen ist eine conditio sine qua non für
die Integration. Für eine erfolgreiche Integration bedarf es dennoch zusätzlich der Förderung
10 BIANCHI, 27; CARONI, 14. 11 ESSER, 23; 52. 12 ACHERMANN, 127 f. 13 BBl 2011 2825.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
4
weiterer Bereiche, wie die Eingliederung in die Gesellschaft, Politik und Beruf sowie die
aktive Teilhabe an der Aufnahmegesellschaft.14
2. Die soziale Integration
Die soziale Integration umfasst die privaten und sozialen Beziehungen zwischen Ausländern
und Einheimischen, die sich im Bereich des Zusammenlebens abspielen.
3. Die strukturelle Integration
Die strukturelle Integration bezieht sich auf den Zugang zu den bestehenden Strukturen, wie
Schule, Berufsbildung, Arbeitsmarkt und Gesundheitswesen.15
4. Die rechtliche Integration
Die rechtliche Integration bezieht sich auf die Rechtstellung der Ausländerinnen und
Ausländer im Aufnahmeland. Sie soll den Rechtsstatus der Ausländer im Aufnahmeland
zunehmend verbessern und deren Rechte schrittweise an jene der einheimischen Bevölkerung
anpassen.
5. Die politische Integration
Die politische Integration erfolgt durch die Partizipation an gesellschaftlichen und politischen
Entscheidungsprozessen und den Besitz politischer Rechte. In der Schweiz kann die
ausländische Bevölkerung zwar am politischen Diskurs partizipieren, jedoch hat sie mit
Ausnahme einzelner Kantone16 kein Stimm- und Wahlrecht.17
III. Funktion
Die Funktion der Integration besteht darin, ein Zusammenleben von Einheimischen und
Ausländern zu ermöglichen, das durch gegenseitige Achtung und Toleranz geprägt ist. Mit
diesem Ziel soll es den Ausländern ermöglicht werden, am wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Leben der Aufnahmegesellschaft teilzuhaben.18
1. Abgrenzung von der Assimilation
Im Zusammenhang mit Integration taucht immer die Bezeichnung der Assimilation auf.
Assimilation bedeutet die vollständige Aufgabe eigener Traditionen und Werte und die
Übernahme der einheimischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Bräuche, Wertvorstellungen 14 HUBER, 351. 15 BFM, 2006, 9. 16 Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Waadt. 17 BIANCHI, 29. 18 CARONI, 121.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
5
sowie Denkweise. Zusammenfassend ist Assimilation also die komplette Identifikation der
Ausländer mit der Kultur der Einheimischen.19 Die Bürgerrechtspolitik nach dem Ersten
Weltkrieg folgte einem Konzept, das eine Einbürgerung ohne Assimilation nicht erlaubte.20
Bis zum Jahre 1987 wurde die Assimilation explizit als Eignungskriterium für die
Einbürgerungsbewilligung bezeichnet.21 In einer Botschaft des BüG des Jahres 1987 betonte
der Bundesrat erstmals, dass von den Einbürgerungswilligen keine Aufgabe der
angestammten kulturellen Eigenart und Staatsangehörigkeit verlangt würde.22 Damit hat sich
der Bundesrat von der Assimilation deutlich distanziert. Die Leiterin der Fachstelle Diversität
und Integration im Kanton Basel-Stadt, Nicole von Jacobs, schliesst sich diesem Standpunkt
an und befürwortet Integration, während sie Assimilation ablehnt. Sie hält es zudem für
wichtig ebenfalls die Landessprache der Migranten zu fördern, weil es ihrer Ansicht nach für
die Identität eines Menschen von grosser Bedeutung ist.23 Dennoch sehen heute immer noch
einige Kantone die Assimilation als Voraussetzung für die ordentliche Einbürgerung vor.24
C. Integration und Einbürgerung in der Schweiz
I. Schweizer Bürgerrecht
Der Erwerb einer Staatsangehörigkeit eines Staates kann durch zwei unterschiedliche Systeme
erfolgen: Es gibt das ius soli, das Recht des Bodens, nach welchem die Staatsangehörigkeit
aufgrund Geburt im entsprechenden Land erteilt wird, wie in den bekannten
Einwanderungsländern USA, Kanada und Australien. Die Schweiz kennt das andere System,
nämlich das ius sanguinis, das Recht des Blutes, was soviel bedeutet wie der Erwerb der
Nationalität durch väterliche oder mütterliche Abstammung. Diesem Konzept gehen auch
Deutschland, Österreich und Dänemark nach.25 Das Schweizer Bürgerrecht hat die besondere
Eigenschaft, dass die Schweizerinnen und Schweizer gleichzeitig drei verschiedene
Bürgerrechte haben: das Bürgerrecht einer Gemeinde, das Bürgerrecht des entsprechenden
Kantons und das Bürgerrecht des Bundes (Art. 37 Abs. 1 BV). Diese drei Bürgerrechte stellen
eine untrennbare Einheit dar.26 Das Schweizer Bürgerrecht ist mit Rechten und Pflichten
19 BIANCHI, 27; CARONI, 121; SPRENGER, 276. 20 ARGAST, 291. 21 STUDER, 107. 22 BBl 1987 III 304. 23 ROTH, 15. 24 BIANCHI, 24. 25 http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/buergerrecht.html. 26 CARONI, 233.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
6
verbunden. Zu den Rechten gehören die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen sowie das
Aufstellen zur Wahl in den Gemeinden, Kantonen und im Bund. Des Weiteren können sie
diplomatischen Schutz im Ausland beanspruchen. Sie dürfen weder ausgewiesen und noch
ausgeliefert werden (Art. 25 Abs. 1 BV). Schliesslich geniessen die Schweizer eine
schweizweite Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV). Zu den Pflichten zählt das Leisten des
obligatorischen Militär- oder zivilen Ersatzdienstes (Art. 59 BV). Die Kantone und
Gemeinden sind ausserdem befugt weitere Bürgerpflichten aufzustellen. Seit dem 1. Januar
1992 ist nach schweizerischem Recht das Doppelbürgerrecht ohne Einschränkungen erlaubt.
Für den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts sind die Bestimmungen des Bundes
im Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts, das
Bürgerrechtsgesetz (BüG), sowie die kantonalen und kommunalen
Bürgerrechtsbestimmungen massgebend.27
II. Einbürgerung
1. Erwerb des Bürgerrechts
Das Schweizer Bürgerrecht kann von Gesetzes wegen durch Abstammung oder Adoption von
einem schweizerischen Elternteil erworben werden oder durch behördlichen Beschluss,
nämlich durch die Einbürgerung.
a. Erwerb von Gesetzes wegen
Der Bund regelt nach Art. 38 Abs. 1 BV den Erwerb und den Verlust des Bürgerrechts durch
Abstammung, Heirat und Adoption. Laut Art. 1 Abs. 1 lit. a BüG erwirbt das Kind das
Schweizer Bürgerrecht von Gesetzes wegen, wenn die Eltern miteinander verheiratet sind und
zumindest ein Elternteil Schweizer oder Schweizerin ist. Falls die Eltern nicht verheiratet
sind, muss die Mutter nach lit. b Schweizerin sein. Ist lediglich der Vater Schweizer und nicht
mit der Mutter verheiratet, so kann das minderjährige Kind durch Begründung des
Kindesverhältnisses zum Vater das Schweizer Bürgerrecht erwerben (Art. 1 Abs. 2 BüG).
Durch Adoption eines unmündigen, ausländischen Kindes durch einen Schweizer Bürger
erwirbt das Kind nach Art. 7 BüG ebenfalls das schweizerische Bürgerrecht.28
b. Erwerb durch behördlichen Beschluss: die ordentliche Einbürgerung
Der Erwerb des Bürgerrechts durch behördlichen Beschluss kann durch die ordentliche oder
erleichterte Einbürgerung erfolgen. Die ordentliche Einbürgerung stellt dabei den Regelfall
27 SPESCHA, 315. 28 CARONI, 234.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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dar. Die erleichterte Einbürgerung betrifft vor allem die ausländischen Ehepartner von
Schweizern und Kinder von eingebürgerten Eltern.29 Auf die erleichtere Einbürgerung wird
im Folgenden nicht näher eingegangen.
Die ordentliche Einbürgerung ist für alle Ausländerinnen und Ausländer möglich, sofern sie
die dafür erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen erfüllen. Das Einbürgerungsverfahren
der Schweiz ist dreistufig, denn nach Art. 12 BüG benötigt es für die Einbürgerung eine
Bewilligung des Bundes, des Kantons und der Gemeinde. Der Bund legt in Art. 14 und Art.
15 BüG seine Voraussetzugen fest. Art. 15 BüG regelt die Wohnsitzanforderungen, wonach
ein zwölfjähriger Wohnsitz in der Schweiz gefordert wird. Die Zeit zwischen dem
vollendeten 10. und 20. Lebensjahr werden dabei doppelt gezählt.30 Art. 14 BüG regelt die
Eignungsvoraussetzungen für die Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung.
Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass die einbürgerungswillige Person:
• in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist,
• mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist,
• die schweizerische Rechtsordnung beachtet, durch Vorweisen leerer Straf- und
Betreibungsregister,
• die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet.
Die Prüfung dieser genannten Voraussetzungen erfolgt im Auftrag des BFM durch die
Kantone und Gemeinden. Der Bund überprüft lediglich, ob die Rechtsordnung beachtet wird
und keinerlei Sicherheitsrisiko besteht. Die Prüfung der weiteren
Einbürgerungsvoraussetzungen erfolgt in den Schweizer Kantonen und Gemeinden auf
unterschiedliche Art und Weise. In einigen Kantonen und Gemeinden werden mündliche
Befragungen durchgeführt, um die Sprachkenntnisse und das Vorliegen der Integration zu
prüfen. In anderen Kantonen und Gemeinden wird eine schriftliche Prüfung der Sprach- und
Staatskundekenntnisse verlangt. Je nach Kanton und Gemeinde kann eine eingerichtete
Einbürgerungskommission, die Exekutive oder die Legislative für die Einbürgerung zuständig
sein.31 Das Bundesgericht hat in einem Entscheid eine Initiative für ungültig erklärt, welche
vorsah, dass Einbürgerungsgesuche der Urnenabstimmung unterstellt werden sollten. Das
Bundesgericht hielt fest, dass damit eine Verletzung der verfassungsmässigen
29 CARONI, 235. 30 http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/buergerrecht/einbuergerung/ordentliche_einbuergerun
g.html. 31 http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/die_oe/kontakt/kantonale_behoerden/kantonale_einbuergerun
gsbehoerden.html.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Begründungspflicht vorliegen würde. Ablehnende Einbürgerungsgesuche unterliegen nämlich
der Begründungspflicht nach Art. 29 Abs. 2 BV i.V.m. Art. 8 Abs. 2 BV.32
Wenn die Voraussetzungen des Bundes erfüllt sind, hat der Bewerber einen Anspruch auf
Erteilung der Einbürgerungsbewilligung durch das BFM. Die Gemeinden und Kantone haben
neben den Mindestvorschriften des Bundes jedoch noch die Möglichkeit zusätzlich eigene
Wohnsitz- und Eignungsvoraussetzungen von den Bewerbern zu verlangen. Solche
Eignungskriterien sind zum Beispiel die Beherrschung der Amtsprache des Kantons oder die
Unabhängigkeit von der Sozialhilfe. Erst wenn auch die Voraussetzungen der Kantone und
Gemeinden erfüllt sind, kann das Schweizer Bürgerrecht erworben werden.33
2. Totalrevision des BüG
Laut der Botschaft des Bundesrates soll das BüG demnächst aufgrund grossen Reformbedarfs
einer Totalrevision unterzogen werden. Dabei soll das Einbürgerungsverfahren vereinfacht
werden und anhand einheitlicher Abläufe und einer klaren Rollenverteilung im Verfahren
harmonisiert werden. Der Integrationsbegriff soll an das Ausländerrecht angeglichen werden.
Es sollen dieselben Anforderungen an die Integration gestellt werden wie im AuG. Zudem
soll künftig die Niederlassungsbewilligung als Voraussetzung für die ordentliche
Einbürgerung gelten, die Aufenthaltsdauer von bisher zwölf Jahren soll in Zukunft auf acht
Jahre herabgesetzt werden und die kantonalen und kommunalen Wohnsitzfristen sollen
harmonisiert werden. Mit der Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen soll sichergestellt
werden, dass nur gut integrierte Ausländerinnen und Ausländer das Schweizer Bürgerrecht
erwerben können.34
III. Integrationsbestimmungen im geltenden Recht
Im Gesetz lässt sich keine Definition des Integrationsbegriffs finden. Der Gesetzgeber hat
gemäss der Botschaft des Bundesrates bewusst auf eine Legaldefinition verzichtet, weil das
gesellschaftliche Verständnis und die Vorstellungen über die Integration im Laufe der Zeit
einem Wandel unterworfen sein könnten.35 Integration bezeichne generell „den
Eingliederungsprozess von einzelnen sozialen Gruppen in das gesellschaftliche Ganze im
Sinne eines sich Vertrautmachens und Vertrautwerdens mit den Verhältnissen in der
32 Siehe BGE 129 I 232, E. 3.3 4 5 6; BGE 131 I 18, E. 3. 33 SPESCHA, 317; http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/die_oe/kontakt/kantonale_behoerden/kantonal
e_einbuergerungsbehoerden.html. 34 BBl 2011 2826. 35 BBl 2002 3796.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Schweiz.“36 Integrationsbestimmungen finden sich im geltenden Recht im
Bürgerrechtsgesetz, im Ausländergesetz, in der Integrationsverordnung sowie in der
Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit.
1. Integration im Bürgerrechtsgesetz (BüG)
Im Bürgerrechtsgesetz steht die Bedeutung der Integration der Einbürgerungswilligen für die
Erteilung des Schweizer Bürgerrechts im Zentrum. Zu den essentiellsten
Eignungsvoraussetzungen für die Einbürgerung gehört nämlich die Integration. Der Bund, der
Kanton sowie die Gemeinde prüfen, ob u.a. diese Eignungsvoraussetzung erfüllt ist. Wie
bereits erwähnt, setzt Art. 14 lit. a BüG voraus, dass die einbürgerungswillige Person in die
schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist. Dieses Kriterium wird als soziale Integration
bezeichnet und zeigt sich in der selbständigen Lebensführung sowie im Interesse und der
Teilhabe am sozialen und öffentlichen Leben. Des Weiteren muss nach Art. 14 lit. b BüG
nachgewiesen werden, dass die Person mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten
und Gebräuche vertraut ist. Diese Voraussetzung kann als kulturelle Integration angesehen
werden.37 Das Vertrautsein mit den schweizerischen Lebensverhältnissen zeigt sich darin,
dass die Bewerberin und der Bewerber regelmässige Kontakte mit Schweizerinnen und
Schweizern pflegen oder sich für einen lokalen Verein engagieren. Ein Vertrautsein äussert
sich auch in der Kenntnis über Sprache, Geschichte, Geographie und Politik der Schweiz.38
Die Kantone können neben den Voraussetzungen des Bundes noch zusätzliche und
konkretisierende Eignungskriterien aufstellen.39
a. Bedeutung der Integration
Die Integration steht bei der Einbürgerung im Mittelpunkt. Die Bewilligungserteilung für die
Einbürgerung ist ein Ermessensentscheid, d.h. es liegt im Ermessen der kommunalen
Behörde, ob die soziale und kulturelle Integration beim Einbürgerungswilligen zu bejahen ist
oder nicht.40 Die Ablehnung eines Einbürgerungsgesuches aufgrund fehlender Integration
endet meist beim Bundesgericht.41 Manche sehen die Einbürgerung als krönender Abschluss
der Integration. SCHMID sieht die Einbürgerung dagegen eher als eine relativ zufällig gesetzte
36 BBl 2002 3797. 37 BIANCHI, 24; BVGE C-2466, E.5.3.2. 38 BBl 2011 2836. 39 CARONI, 237. 40 BIANCHI, 25; BBl 1951 II 705. 41 Siehe BGE 131 I 18, E. 3; BGE 134 I 56, E. 3 4.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Marke auf einem langen Weg: Über einen längeren Zeitraum bleiben die Unterschiede
bemerkbar, aber irgendwann ist die Eingliederung, die Integration, beinahe unmerklich
erfolgt.42
2. Integration im Ausländergesetz (AuG)
Die wichtigsten Grundsätze der Integrationspolitik sind auf Gesetzesstufe im Ausländergesetz
verankert. Am 1. Januar 2008 trat das neue AuG in Kraft. Das Ziel der Integration sowie die
Förderungsmassnahmen des Bundes sind hier festgelegt worden. In Art. 4 AuG wird das Ziel
der Integration als das Zusammenleben der einheimischen und ausländischen
Wohnbevölkerung in gegenseitiger Achtung und Toleranz auf der Grundlage der Werte der
BV beschrieben. Zugleich soll eine Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Leben der Gesellschaft ermöglicht werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist
auf der einen Seite der entsprechende Wille der Ausländerinnen und Ausländer, deren
Bereitschaft sich mit den schweizerischen gesellschaftlichen Verhältnissen und
Lebensbedingungen auseinanderzusetzen sowie eine Landessprache zu lernen. Auf der
anderen Seite ist die Offenheit der schweizerischen Bevölkerung massgebend.
a. Das Integrationskapitel
Die Integration bildet das 8. Kapitel im AuG (Art. 53- 58 AuG). Das Gesetz bezeichnet in
Art. 53 AuG die Förderung der Integration als eine staatliche Aufgabe, wobei die Behörden
des Bundes, der Kantone und Gemeinden sowie nichtstaatliche Organisationen, inklusiv
Sozialpartner und Ausländerorganisationen, zusammenarbeiten. Die Integration wird als eine
Querschnittsaufgabe angesehen, die hauptsächlich über die Schule, Berufsbildung und
Arbeitswelt erfolgen soll. Bund, Kantone und Gemeinde schaffen günstige
Rahmenbedingungen für die Chancengleichheit und die Teilhabe der Ausländer am
öffentlichen Leben.43 Durch die Schaffung eines verbindlichen Rahmens wird u.a. verhindert,
dass auf kantonaler und kommunaler Ebene verschiedene Praxen entstehen, wie es
beispielsweise beim Einbürgerungsverfahren der Fall ist. Den Kantonen und Gemeinden wird
dabei nicht die konkrete Umsetzung vorgeschrieben, sondern lediglich die
Rahmenbedingungen werden festgelegt.44 Gefördert wird primär der Spracherwerb, das
berufliche Fortkommen, die Gesundheitsvorsorge sowie Bestrebungen, die dem gegenseitigen
Verständnis zwischen Schweizern und Ausländern helfen und somit das Zusammenleben
42 SCHMID, 14 ff. 43 SPESCHA, Kommentar, 131 ff. 44 BROWN, 4.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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erleichtern. Das Bildungs- und Berufssystem sowie das Gesundheitswesen sind für die
Integration von grosser Bedeutung und demnach zu fördern. Besondere integrative
Förderungsmassnahmen gelten den Frauen, Kindern und Jugendlichen, weil diese speziell
ungünstige Startchancen haben. Diese Integrationsmassnahmen bestehen, gemäss der
Botschaft, aus früh eingesetzten Sprachkursen, Berufsberatungen und Einführungen in die
Grundrechte und Pflichten.45 Nach Art. 55 AuG kann der Bund Integrationsprojekte und
Programme finanziell unterstützen, soweit sich auch die Kantone, Gemeinden oder Dritte
angemessen an den Kosten beteiligen. Gemäss Art. 56 AuG sind Bund, Kantone und
Gemeinden für die Information der Ausländer über die schweizerischen Lebens- und
Arbeitsbedingungen und vor allem über deren Rechte und Pflichten zuständig. Hingewiesen
wird auf Integrationsfachstellen, die personell und fachlich in der Lage sind, auf die
individuellen und spezifischen Informationsbedürfnisse des Ausländers einzugehen. Laut Art.
57 AuG obliegt die Koordinationsaufgabe im Bereich Integration dem BFM. Das BFM
koordiniert die Massnahmen der einzelnen Departemente und Bundesämter, insbesondere in
den Bereichen der AHV, Berufsbildung und des Gesundheitswesens. Zudem sorgt das BFM
für den Informations- und Erfahrungsaustausch mit den Kantonen und Gemeinden. Die
Behörden der Gemeinden treten normalerweise als erstes mit dem Ausländer in Kontakt.
Deshalb muss die Gemeinde den Ausländer auch frühzeitig über Integrations- und
Sprachkursangebote aufklären. Die Kantone müssen eine Ansprechstelle für
Integrationsfragen einrichten und mit dem BFM regelmässig Meinungen und Erfahrungen
austauschen.46
aa. Vorzeitige Niederlassungsbewilligung bei erfolgreicher Integration (Art. 34 Abs.
4 AuG)
Mit der Niederlassungsbewilligung, die unbefristet gilt und nicht an Bedingungen gebunden
ist, wird den Ausländern ein sicheres Anwesenheitsrecht gewährt. Bei Ausländern, die nur
über eine Aufenthaltsbewilligung - die in der Regel befristet ist - verfügen und keinen
Rechtsanspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung nach fünf Jahren Aufenthalt
haben, entscheidet die Behörde nach ihrem Ermessen über eine Erteilung der
Niederlassungsbewilligung. Einen Rechtsanspruch darauf haben die Ausländer auch bei
einem Aufenthalt von zehn Jahren nicht. Allerdings kann nach Art. 34 Abs. 4 AuG bei
erfolgreicher Integration die ermessensweise Erteilung einer vorzeitigen
45 ACHERMANN, 112 f.; BBl 2002 3800. 46 SPESCHA, Kommentar, 131 ff.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Niederlassungsbewilligung nach einem ununterbrochenen Aufenthalt mit
Aufenthaltsbewilligung von fünf Jahren erfolgen. Das Gesetz sieht als Kriterium für eine
erfolgreiche Integration gute Kenntnisse einer Landessprache vor.47
bb. Integrationsvereinbarungen, Integration als Kriterium bei
Bewilligungsentscheiden
Nach Art. 54 AuG kann die Erteilung einer Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung
sowie die Bewilligungserteilung im Rahmen des Familiennachzugs an die Bedingung
geknüpft werden, dass ein Sprach- oder Integrationskurs besucht wird. Die Verpflichtung zum
Kursbesuch kann dabei in einer Integrationsvereinbarung (IntV) festgehalten werden. Die
Integrationsvereinbarung mit verpflichtenden Massnahmen wurde mit dem neuem AuG
eingeführt. Der Bund überlässt es den Kantonen mit einer Kann-Klausel, IntV einzuführen.
Das Ziel der IntV ist nach Art. 5 Abs. 3 VIntA die Förderung des Erwerbs der am Wohnort
gesprochenen Landesprache sowie der Kenntnisse über die gesellschaftlichen Verhältnisse
und Lebensbedingungen, das schweizerische Rechtssystem und die fundamentalen Regeln
und Normen, deren Einhaltung eine notwendige Voraussetzung für ein geordnetes
Zusammenleben ist.48 Der Inhalt einer solchen Vereinbarung können die Verbesserung der
Sprachkenntnisse, das Aufsuchen einer Schuldenberatungsstelle, das Vorweisen von
Arbeitsbemühungen und der Besuch eines Integrationskurses sein.49 In der IntV müssen die
im Einzelfall verfolgten Ziele und die vereinbarten Massnahmen überprüft sowie die
möglichen Konsequenzen bei einer Nichterfüllung, nämlich die Verweigerung der
Aufenthaltsbewilligung, festgehalten werden (Art. 5 Abs. 2 VIntA). Die IntV werden auf der
einen Seite, als effektives Anreizsystem begrüsst und auf der anderen Seite als Droh- und
Druckmittel kritisiert. Das BFM will mit der IntV Anreize für eine nachhaltige und
erfolgreiche Integration der Ausländer schaffen und diese dazu motivieren ihren Beitrag zur
Integration zu leisten. Weitere Befürworter sehen in der Einsetzung dieses Instruments einen
Erfolg, da sie Zugewanderten, die seit vielen Jahren in der Schweiz anwesend sind und
Integrationsdefizite aufweisen, unterstützen würden. IntV werden lediglich mit Ehegatten aus
Drittstaaten, die im Rahmen des Familiennachzugs eingereist sind und Personen, deren
Verhalten zu einer möglichen Nichtverlängerung der Bewilligung führen könnte,
abgeschlossen.50 Die Verpflichtung zum Kursbesuch betrifft somit nur einen kleinen 47 SPESCHA, SZIER, 231 f. 48 ACHERMANN, 120 f. 49 WICHMANN, 5. 50 CARONI, 125.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Personenkreis. Die EU- und EFTA- Bürger, Angehörige von Schweizerinnen und Schweizern
und Niedergelassenen, die meisten Kurzaufenthalter, Asylsuchende und internationale
Funktionäre sind davon ausgenommen. Kritiker sehen darin eine Ungleichbehandlung und
Diskriminierung von einer bestimmten Migrantengruppe.51 Die IntV würde nicht ein
Integrationsinstrument, sondern vielmehr ein Ausgrenzungsinstrument darstellen, denn die
Integrationsleistungen können lediglich bei Ausländern aus Drittstaaten von der Behörde
eingefordert, überprüft, belohnt oder bestraft werden.52 IntV sind nach der Meinung von
SPESCHA tatsächlich Integrationsverpflichtungen, deren praktische Umsetzung Fragen
aufwirft. Fraglich ist beispielsweise, ob bloss ein Kursbesuch gefordert wird oder auch ein
Kurserfolg erreicht werden muss, um den möglichen Konsequenzen der Ausweisung zu
entgehen.53
3. Integration in der Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländer
(VIntA)
Die Integration ist auch auf Verordnungsstufe verankert. In der VIntA steht die Förderung der
Integration im Vordergrund. Die Förderungskompetenzen des Bundes werden konkretisiert,
indem die Aufgaben und die Organisation der EKM sowie das Verfahren für die Gewährung
von Finanzhilfen festgelegt werden. Gemäss Art. 2 Abs. 1 VIntA ist das Ziel der Integration
die chancengleiche Teilhabe der Ausländer an der schweizerischen Gesellschaft. Nach Art. 11
VIntA kann das BFM Finanzhilfen für Integrationsprojekte gestatten. Handelt es sich dabei
um ein kantonales Integrationsprogramm, werden die Beiträge sowie Inhalt und Ziele des
Programms vertraglich mit dem Kanton festgelegt.54
4. Integration in der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
In dieser Verordnung kommt der Integration bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung
eine entscheidende Rolle zu. Nach Art. 60 VZAE wird der Grad der Integration des
Gesuchstellers bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung berücksichtigt. Eine
erfolgreiche Integration wird nach Art. 62 Abs. 1 VZAE bejaht, wenn der Ausländer die
rechtsstaatliche Ordnung und die Werte der BV respektiert, grundsätzlich die am Wohnort
gesprochene Landessprache spricht sowie den Willen zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und
zum Erwerb von Bildung zeigt. Fraglich ist, was konkret unter dem Erwerb von Bildung
51 ACHERMANN, 126; SPESCHA, 231. 52 DAVOLIO, 11. 53 SPESCHA, SZIER, 231. 54 WINTSCH, 63; siehe unten IV. 2.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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verstanden wird.55 Nach der Botschaft des Bundesrates zur Totalrevision des BüG bezweckt
dieses Integrationskriterium die Fähigkeit der wirtschaftlichen Selbsterhaltung, so dass die
Bewerberin oder der Bewerber für seinen Lebensunterhalt selber aufkommen kann und nicht
auf staatliche Sozialleistungen angewiesen ist. Bei dauerhafter und erheblicher
Sozialhilfeabhängigkeit kann nach dem AuG die Niederlassungsbewilligung entzogen werden
(Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG). Wenn einbürgerungswillige Personen aufgrund einer Behinderung
ein Einbürgerungskriterium nicht erfüllen können, soll dies beim Verfahren angemessen
berücksichtigt werden. Diese Sonderfälle setzten voraus, dass kein Selbstverschulden, d.h.
kein Wille zur Nichtteilnahme am Wirtschaftsleben vorliegt.56 Gemäss Art. 62 Abs. 2 VZAE
wird zusätzlich der Integrationsgrad der Familienmitglieder des Ausländers, die älter als 12
Jahre sind, berücksichtigt. Diese Bestimmung wird von SPESCHA als unsachgerecht kritisiert.
Er nimmt das Beispiel eines 15- jährigen ausländischen Schülers, der sehr gut integriert ist
und dessen Erfolgsaussichten auf dem Lehrstellenmarkt mit einer Niederlassungsbewilligung
eindeutig grösser wären als lediglich mit einer Aufenthaltsbewilligung. Der junge Ausländer
würde ausländerrechtlich benachteiligt, nur weil seine Eltern beispielsweise nicht Deutsch
sprechen und sozialhilfeabhängig sind. SPESCHA sieht darin eine Kollektivstrafe und genau
das Gegenteil der eigentlichen Absicht der Integrationsartikel, nämlich der Anreiz für eine
persönliche Integrationsbemühung. Jedes Gesuch um eine vorzeitige Erteilung einer
Niederlassungsbewilligung sollte darum unabhängig von der Integration der
Familienangehörigen beurteilt werden.57 Nach SPESCHA sind die Integrationsartikel darauf
ausgerichtet, Integrationsanstrengungen mit Anreizen zu belohnen und Integrationsdefizite
mit strikten, unverhältnismässigen Massnahmen zu bestrafen.58 Mit der Verknüpfung der
Rechte an den Integrationsgrad einer Person würde ersichtlich, dass Integration ein Instrument
der Migrationskontrolle ist, mit welcher erwünschte Migranten ausgewählt werden und
unerwünschte Zuwanderer ausgewiesen werden. Dieser Selektionsgedanke wird in der Lehre
kritisiert.59
IV. Die schweizerische Integrationspolitik
Die Integrationspolitik der Schweiz wurde über lange Zeit vernachlässigt. Bundesrätin
Sommaruga räumt ein, dass es in der Vergangenheit versäumt wurde, schlecht ausgebildete 55 ACHERMANN, 118. 56 BBl 2011 2825. 57 SPESCHA, SZIER, 231 f. 58 SPESCHA, SZIER, 233. 59 WICHMANN, 3.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Migranten mit Weiterbildung gezielt zu fördern. Daher sind diese in der Berufswelt schlechter
gestellt, teils arbeitslos und sozialhilfeabhängig. Bundesrätin Sommaruga möchte darum
künftig vor allem die Integration von Neuzugewanderten fördern.60 In den vergangenen
Jahren ist jedoch das Bewusstsein, dass die staatlichen Institutionen und die Gesellschaft
einen Beitrag zur Integration der Migranten leisten müssen, gewachsen. So wurde mit dem
neuen AuG die Integration zu einem Gesetzesbegriff.61 Die schweizerische Integrationspolitik
möchte die Integration von Ausländerinnen und Ausländern unterstützen und fördern. Die
Ziele sind dabei im AuG und in der VIntA rechtlich verankert. Die Integrationspolitik folgt
der Formel des Fordern und Förderns. Gefordert wird die Selbstverantwortung von den
Ausländerinnen und Ausländer. Mit den ausländerrechtlichen Erfordernissen, wie die
Respektierung der BV, die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der
Teilhabewille am beruflichen Leben und der Wille zum Bildungserwerb sowie die
Beherrschung einer Landessprache, wird deutlich gemacht, was von ihnen erwartet wird und
dass es ausländerrechtliche Sanktionen haben kann, wenn diese Erfordernisse nicht erfüllt
werden. Gefördert werden Ausländerinnen und Ausländer in den Regelstrukturen, namentlich
in der Berufsbildung, auf dem Arbeitsmarkt und im Gesundheitswesen. Die spezifische
Integrationsförderung wirkt dazu ergänzend und gewährleistet die Qualität der
Integrationsförderung in den Regelstrukturen mit fachlicher Beratung, Expertise und
Projektbegleitung. Zudem soll sie Lücken schliessen, wo die erforderlichen Voraussetzungen
zum Zugang zu den Regelstrukturen fehlen, beispielsweise mit Sprachförderung und der
Förderung der beruflichen Integration von ausgewählten Personengruppen.62 Die spezifische
Integrationsförderung des Bundes wurde laut dem BFM im Jahre 2010 in den Bereichen
Sprache und Bildung, Aufbau von Kompetenzzentren für Integration und in der Unterstützung
von Vermittlungszentren für interkulturelles Übersetzen sowie in der Entwicklung von
Modellvorhaben geleistet.63 Die Förderungskomponente umfasst auch spezifische
Förderungsprojekte, die bei der Überwindung der persönlichen Defizite des Ausländers helfen
sollen. Diese Art der Integrationsförderung zeigt sich beispielsweise im Kanton Basel-Stadt in
der staatlichen Subventionierung verschiedener Sprach-, Alphabethisierungs- und
Integrationskurse. Ausserdem besteht die Förderung der Integration darin,
60 BROWN, 9. 61 ZEUGIN, 20. 62 http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/integration/politik/grundsaetze_ziele.html;
http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/integration/foerderung/spezifisch.html. 63 BFM, 24.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Integrationsschranken in allen gesellschaftlichen Bereichen konsequent abzubauen und
dadurch einen verbesserten Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt zu ermöglichen. Eine
umfassende Chancengleichheit soll geschaffen werden, auch im Bereich der
Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung. Verschiedene Kursprogramme, wie
Frauenschwimm- und Fahrradkurse werden in den Kantonen angeboten.64 Bundesrätin
Sommaruga vertritt die Ansicht, dass das Fordern und Fördern gleich gewichtet werden soll.
Die Tatsache, dass etwas unternommen wird, sei bedeutend, denn eine weitere Verzögerung
der Integration und eine erneute Unterlassung die Ausländer zu integrieren, müsse verhindert
werden.65
1. Integration in den Regelstrukturen
Die Schule, der Lehr- und Arbeitsplatz sind diejenigen Institutionen, durch welche die
Integration von Ausländern am besten gelingt. An diesen Orten können soziale Kontakte
geknüpft werden, ein Einkommen kann ermöglicht und Aufstiegschancen können gewährt
werden.66 Zudem wird die Bildung als Schlüssel für eine erfolgreiche Integration angesehen,
so Bundesrätin Sommaruga.67 Die Schweizer KMUs leisten essentielle Integrationsarbeit. So
tragen die Handwerkerbetriebe mit der Lehrlingsausbildung viel zur Integration bei, da die
Lehrlingsbetreuer und Patrons die jungen Ausländer aktiv unterstützen und fördern. Die
Integration von ausländischen Arbeitern in der Schweiz kann als positiv bewertet werden, da
kaum Spannungen in Schweizer Betrieben konstatiert werden. Die Verteilung der Arbeit
dagegen fällt ziemlich ungleich aus: Die klassischen ausländischen Arbeitskräfte sind bei
Arbeiten mit tiefen Löhnen übervertreten und genauso wie die hochqualifizierten, gut
ausgebildeten Ausländer in Berufen mit hohen Löhnen. Die Schweizer dagegen bewegen sich
im Mittelfeld.68 Ein weiterer Ort, an dem die Integration beobachtet werden kann, sind die
Wohnquartiere. Gelungene oder misslungene Integration wirkt sich im Wohnumfeld
unmittelbar auf die Lebensqualität und Entwicklungschancen der Migranten aus. Darum
müssen Konzentrationen von Migranten in Ausländerquartieren verhindert werden und eine
gute Durchmischung von Ausländer- und Schweizerfamilien unterstützt werden. Dass die
Frage der Integration eng mit der sozialen Schicht zusammenhängt, zeigt sich auch darin, dass
sich Ausländer aus den EU- Staaten, die finanziell eher besser gestellt sind als diejenigen aus 64 WICHMANN, 4 ff. 65 BROWN, 9. 66 BEGLINGER, 33 ff. 67 BROWN, 8. 68 BEGLINGER, 33 ff.
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Drittstaaten, viel weniger um ihre Integration bemühen müssen. Dies kann auch bei der
Einbürgerungspraxis festgestellt werden: Ihre Integration brauchen sie im Gegensatz zu
denjenigen aus der unteren Schicht nicht zu beweisen.69 Die Integrationspolitik konzentriert
sich hauptsächlich auf die klassischen Arbeitsmigranten, die tendenziell eher der unteren
Schicht angehören.70 Die Ungleichbehandlung zwischen hochqualifizierten Ausländern
gegenüber klassischen Arbeitsmigranten wird kritisiert. 71
2. Akteure der integrationspolitischen Bemühungen
Die Integrationspolitik stellt eine Parallelkompetenz von Bund und Kantone dar (Art. 2 Abs. 2
VIntA). Die Integrationsaufgabe ist demnach von allen staatlichen Organen zu erfüllen. Das
BFM ist für die Koordination der verschiedenen Massnahmen auf Bundesebene, vor allem in
den Bereichen der Arbeitslosenversicherung, der Berufsbildung und des Gesundheitswesens,
zuständig und sorgt sich um den Informations- und Erfahrungsaustausch im Verhältnis zu den
Kantonen (Art. 57 AuG).72
a. Die Rolle des Staates
Die Integration ist eine staatspolitische Aufgabe. Diese besteht darin, in allen Bereichen der
Gesellschaft die erforderlichen Bedingungen zu schaffen, damit eine gleichberechtigte und
chancengleiche Teilhabe der Ausländer ermöglicht wird.73 Der Staat kann die gewünschte
Integration nicht behördlich anordnen, denn die Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher
Prozess. Er kann aber Anreize erzeugen und Förderungsmassnahmen einleiten, um das Ganze
zu vereinfachen und zu ermöglichen.74 Integration sucht die Balance zwischen
grösstmöglicher Freiheit und der Beachtung der bedeutenden Prinzipien des demokratischen
Rechtsstaates. Für die Erreichung dieses Ziels müssen Impulse, Antriebe und die
Unterstützung des Integrationsprozesses vom Staat ausgehen. Er kann die Integration fördern,
indem er Integrationsförderungsprojekte finanziell unterstützt und ein förderliches Umfeld
schafft. Eine bedeutsame Rolle spielen dabei die Grundrechte, denn sie können die
Ausgrenzung von Migranten verhindern und einen inneren Zusammenhalt von Staat und
Gesellschaft begünstigen.75 Nach KÄLIN ist zwischen drei Sphären zu unterscheiden, in denen 69 SCHMID, 14 f. 70 GERNY, 15. 71 BROWN, 9. 72 CARONI, 122 f. 73 http://www.ekm.admin.ch/de/themen/integration.php. 74 BROWN, 8. 75 CARONI, terra cognita, 41 f.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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sich der Staat in verschiedenen Rollen an der Integration beteiligt. Dabei bewegt er sich in der
staatlichen, öffentlichen und der privaten Sphäre. Die staatliche Sphäre bezeichnet den Ort,
an welchem der Staat unmittelbar Herrschaft und Macht über den Einzelnen ausübt,
namentlich in Verwaltungs-, Straf- und Gerichtsverfahren. In dieser Sphäre fördert der Staat
das Integrationsanliegen, indem er rechtsgleich, ohne Willkür und Diskriminierung handelt.
Weiter gibt es die öffentliche Sphäre, in welcher die Einzelnen in der Öffentlichkeit
miteinander in Kontakt kommen. Hier ist jedes einzelne Individuum Träger der
Integrationsbemühungen und nicht der Staat. Toleranz, Offenheit und gegenseitige Akzeptanz
werden an dieser Stelle von jedem Einzelnen gefordert. Der Staat beteiligt sich als neutraler
Schiedsrichter und Förderer der Beziehungen der Einzelnen. Die private Sphäre bezieht sich
auf jene Bereiche der Beziehungen, die sich nicht in der Öffentlichkeit zutragen und in der die
zwischenmenschlichen Beziehungen durch Intimität und Vertrauen geschützt sind. Indem der
Staat weitgehende Autonomie gewährleistet sowie prinzipiell nicht einschränkend eingreift,
unterstützt und fördert er die Integration. Das Individuum kann seine kulturelle, religiöse und
soziale Identität innerhalb der Gesellschaft behalten. Der Staat greift jedoch dort ein, wo
fundamentale rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien verletzt werden, namentlich bei
der Zwangsheirat.76
b. Die Rolle der Kantone und Gemeinden
Die Kantone und Gemeinden der Schweiz sind die Hauptakteure der
Integrationsbemühungen. Der Bund ist aber zur aktiven Unterstützung verpflichtet.77 Die
Kantone und Gemeinden führen verschiedene Massnahmen zur Förderung der Integration
durch. Einige Kantone haben Integrationsgesetze, beispielsweise der Kanton Jura. Andere
Kantone haben lediglich Integrationsleitbilder aufgestellt, welche keine Rechtswirkungen
entfalten, aber den Handlungsbedarf aufzeigen, die Integrationspolitik definieren und
Umsetzungsvorschläge liefern. Anhand der Leitbilder soll ein Informationsaustausch von
Öffentlichkeit, Behörden und politischen Akteuren ermöglicht und damit eine sachliche
Diskussion erreicht werden.78 Weitere Kantone verfügen über Integrationskommissionen und
Koordinationsbüros und wiederum andere haben die Schulgesetze angeglichen, damit
ausländische Kinder von Integrationskursen profitieren können.79 Dank des Föderalismus
können auf kantonaler und kommunaler Ebene auch Neuerungen im Bereich der Integration 76 KÄLIN, 80 f. 77 BROWN, 8. 78 BIANCHI, 41 f. 79 CARONI, 123 f.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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vorgenommen und ausgetestet werden, ohne dass zuerst ein gesamtstaatlicher Konsens
darüber gefunden werden muss.80
c. Fazit
Die Integration muss nicht in allen Lebensbereichen des Menschen erfolgen, schliesslich gilt
das Grundrecht der persönlichen Freiheit, die eine freie Lebensgestaltung des Menschen
garantiert (Art. 10 BV). Integration braucht es aber an manchen Schlüsselstellen, die für das
Zusammenleben einer offenen Gesellschaft essentiell sind. Eine dieser Schlüsselstellen ist die
Schule, denn ohne Bildung gibt es keine erfolgreiche Teilhabe an der Gesellschaft. Des
Weiteren ist die Integration am Arbeitsplatz wichtig um auf eigenen Füssen stehen zu können.
Das zwingt zur Anpassung, beispielsweise im Bereich Pünktlichkeit, die eine
Grundsatzvoraussetzung für das Bestehen in einer komplexen, arbeitsteiligen Berufwelt
darstellt. Das Gewaltmonopol des Staates ist für eine offene Gesellschaft sehr wichtig, um der
Bevölkerung Sicherheit zu gewährleisten. Ferner müssen die Gleichberechtigung von Mann
und Frau sowie das Verständnis von Religion als wichtige Grundssätze der BV akzeptiert und
respektiert werden.81 Die Freizeitgestaltung bleibt dagegen eine Sache jedes Einzelnen. Somit
wird gezeigt, dass Integration nicht die umfassende Eingliederung in alle Lebensbereiche ist.
Vielmehr muss bei der Forderung nach Integration klar gemacht werden, dass sich diese nur
auf die für das Funktionieren der Gesellschaft zentralen Bereiche beschränken kann.82 Die
Forderung nach Integration kann zu Konfrontationen mit der Glaubensfreiheit (Art. 15 BV)
führen, wie beispielsweise in den Gerichtsfällen Schwimmunterricht und Schwimmunterricht
in Schaffhausen. Über solche Streitigkeiten, bei welchen Eingriffe in die Glaubensfreiheit
stattfinden, hat nicht zuletzt das Bundesgericht zu beurteilen und entscheiden. Eingriffe in die
Religionsfreiheit können u.a. mit dem öffentlichen Interesse an der Integration gerechtfertigt
sein (Art. 36 Abs. 2 BV) .83
3. Weiterentwicklung der Integrationspolitik
Am 5. März 2010 hat der Bundesrat einen Bericht vorgelegt wie er die Weiterentwicklung der
Integrationspolitik neu gestalten möchte. Es stehen dabei vier Grundsätze im Vordergrund:
die Schaffung von Chancengleichheit, die Nutzung der bestehenden Potenziale und
Ressourcen, die Anerkennung der Vielfalt und die Einforderung von Eigenverantwortung.
80 WEHRLI, 14. 81 BGE 134 I 56, E. 3 4. 82 SCHMID, 15 f. 83 Siehe BGE 119 Ia 178, E. 8 d; BGE 135 I 79, E. 7.2.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
20
Der Bundesrat möchte die geltende Integrationspolitik stärken und gesetzlich verankern,
rechtliche und institutionelle Integrationsschranken abbauen, den Diskriminierungsschutz
verbessert durchsetzen und den gemeinsamen Integrationsdialog intensivieren. Die
Forderungskomponente, insbesondere das Fordern der Integration, soll noch deutlicher
kommuniziert werden und bei Bedarf sind gezielt Integrationsvereinbarungen abzuschliessen
oder Integrationsempfehlungen auszusprechen. In Zukunft soll die Erstinformation für
Neuzuziehende verbessert werden. Diese sollen gut beraten und über ihre Rechte und
Pflichten informiert werden sowie frühzeitig auf die verschiedenen Integrationsangebote
hingewiesen werden. Bundesrätin Sommaruga fordert einen Ausbau von Kinderkrippen und
Tagesschulen, um mit dem schweizerischen Bildungswesen allen Kindern eine faire Chance
auf ein Leben mit Perspektiven zu geben. Durch so genannte kantonale
Integrationsprogramme möchte der Bund künftig die spezifische Integrationsförderung
unterstützen. Die Programme stützen sich auf die Bereiche: Information und Beratung,
Bildung und Arbeit sowie interkulturelles Übersetzen und soziale Integration. Das BFM
unterstützt und begleitet die Kantone bei der Entwicklung der kantonalen
Integrationsprogramme, wobei er sie finanziell unterstützt und eine Mitfinanzierung der
Kantone fordert. Der Bund strebt eine stärkere Verankerung des Gedankens der Integration
als Querschnittsaufgabe an, die Bund, Kantone und Gemeinde zusammen mit den
Sozialpartnern, den NRO und den Ausländerorganisationen wahrnehmen. Im Weitern soll der
Gedanke der Integration als verbindlicher Grundauftrag der zuständigen Regelstrukturen, wie
Schulen, Berufsbildungsinstitutionen, Betriebe oder Institutionen des Gesundheitswesens,
vertieft werden.84 Für Bundesrätin Sommaruga ist die Integration eine der wichtigsten
Investitionen in die Zukunft und eine grosse Herausforderung. Die Integration soll im Alltag
verankert und die Vorteile der kulturellen Vielfalt sollen erkannt und daraus Nutzen gezogen
werden.85
4. Ansätze für eine erfolgreiche Integration
Eine wichtige Aufgabe der Integrationspolitik besteht darin soziale und rechtliche
Zugangsbarrieren zur Schule, Ausbildung, Arbeit, Wohnung und privaten Organisationen zu
durchbrechen. Der Mensch fühlt sich integriert, wenn er die gleichen Chancen und Rechte hat
wie alle anderen und nicht ausgeschlossen ist. Darum ist auch dem Ansatz der Integration
84 BFM, 31; BFM, 5.3.2010; BROWN, 5. 85 BROWN, 9.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
21
durch Partizipation Beachtung zu schenken.86 Jede Person einer Gesellschaft soll sich am
Prozess der Integration beteiligen können, indem der Wille ausgedrückt wird, einen Beitrag
am sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu leisten.87 So wird beispielsweise mit
der Einführung des Ausländerstimmrechts die Einbindung der Migranten gewährleistet.
Durch die Wahrnehmung seiner politischen Rechte fühlt sich der Migrant zum Staat
zugehörig. Die Möglichkeit zur Partizipation in Bereichen, die das Alltagsleben der
Ausländer betrifft, erscheint notwendig und selbstverständlich.88 Allerdings braucht es für die
Integration neben dem Zugang auch ein Gefühl der Akzeptanz und Anerkennung. Darum
muss die Integrationspolitik die Andersartigkeit wertschätzen und eine Anerkennung
verspüren lassen.89 Der Ansatz Integration durch Diversität bedeutet die Achtung der Vielfalt
und somit die Anerkennung von Differenzen, der Abbau struktureller Hindernisse, der
Aufbau von transkulturellen Kompetenzen – die Fähigkeit, Problemlagen zu erkennen und
gerecht und vorurteilsfrei zu handeln- und die stärkere Berücksichtigung des Potenzials der
Individuen. Die Gesellschaft braucht Differenz und muss die Vielfalt anerkennen um sich
weiterentwickeln zu können.90
D. Integration und Einbürgerung in Dänemark
I. Dänische Staatsbürgerschaft
Die dänische Staatsbürgerschaft kann durch Abstammung, Adoption, Erklärung oder durch
Einbürgerung, d.h. durch Gesetz erworben werden.91 Die dänische Staatsbürgerschaft ist für
viele Ausländer aufgrund der restriktiven Ausländerpolitik schwierig zu erwerben.92
Dänemark beteiligt es sich als EU- Mitglied nicht im gemeinsamen Bereich der Asyl- und
Migrationspolitik der EU. Aufgrund dieses opting-outs kann Dänemark restriktivere
Richtlinien verfolgen.93
86 SCHMID, 16. 87 http://www.ekm.admin.ch/de/themen/integration.php. 88 BÜHLER, 5. 89 SCHMID, 16. 90 SCHMID, 16; WICHMANN, 4. 91 https://www.retsinformation.dk/Forms/R0710.aspx?id=28974. 92 BONIN, 90 f. 93 BONIN, 83 ff.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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II. Einbürgerung
1. Einbürgerungsverfahren
Das Parlament verabschiedet zweimal jährlich ein besonderes Gesetz, in welchem es die
Bedingungen für den Erwerb der dänischen Staatsbürgerschaft festlegt.94 Dabei müssen
kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
• Eine schriftliche Erklärung muss unterzeichnet werden, in welcher man Dänemark
und der dänischen Gesellschaft Treue und Loyalität schwört und verspricht das
dänische Gesetz einzuhalten und die grundlegenden dänischen Rechtsprinzipien zu
respektieren.
• Die bisherige Staatsbürgerschaft muss unter Umständen aufgegeben werden.
• Eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung von neun Jahren sowie ein fester Wohnsitz
in Dänemark müssen vorliegen.
• Straffreiheit und Schuldenfreiheit müssen nachgewiesen werden.
• Man muss die Anforderungen zur Selbstversorgung erfüllen.
• Eine dänische Sprachprüfung sowie eine Einbürgerungsprüfung, Indfødsretsprøve,
über die dänische Gesellschaft, Kultur und Geschichte müssen erfolgreich absolviert
worden sein.95
III. Integration in Dänemark
1. Bedeutung der Integration
Im dänischen Gesetz über Staatsangehörigkeitsrecht wird der Begriff Integration nicht
erwähnt. Die Integration ist nicht explizit als Voraussetzung für den Erwerb der dänischen
Staatsbürgerschaft aufgeführt. Ein Einbürgerungskriterium ist jedoch die unbefristete resp.
dauerhafte Aufenthaltsbewilligung. Diese kann im Idealfall nach vier Jahren Aufenthalt erteilt
werden und setzt dabei bereits die Integration voraus.96 Auch in Anbetracht der zu erfüllenden
Voraussetzungen kann auf eine gegebene Integration geschlossen werden, wenn diese erfüllt
sind. Somit kann m.E. festgehalten werden, dass eine Person schon als integriert gelten muss,
wenn sie den Antrag auf Erwerb der dänischen Staatsbürgerschaft stellt.
94 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Ophold/statsborgerskab/saadan_behandles_ansoegninger_om_naturalisation
.htm. 95 http://www.nyidanmark.dk/dadk/Ophold/statsborgerskab/statsborgerskab_ved_naturalisation.htm;
https://www.retsinformation.dk/Forms/R0710.aspx?id=122009. 96 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Ophold/permanent-ophold/permanent-ophold.htm;
https://www.retsinformation.dk/Forms/R0710.aspx?id=122009.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
23
2. Die dänische Integrationspolitik
Die dänische Integrationspolitik ist vor allem auf die neuzugewanderten Migranten gerichtet.
Sie hat sich jedoch in den letzten Jahren vermehrt auch auf die dauerhaft ansässigen
Migranten und Migranten der zweiten Generation konzentriert. Zu den wichtigsten
Einsatzbereichen der Integrationspolitik gehören:
• die Förderung der Integration von Neuzuwanderern
• die Unterstützung bei der Beschäftigung und Ausbildung
• die Vorbeugung von Diskriminierung und Radikalisierung
• die Verhinderung von Gefährdungen in Wohnquartieren.97
Nach der offiziellen Haltung Dänemarks ist jeder neuzugewanderte Ausländer für seine
eigene Integration verantwortlich. Der Staat versucht dabei die Integration und das
gegenseitige Verstehen zwischen Mehrheit und Minderheit zu fördern. Die Regierung
verfolgt mit ihrer Integrationspolitik das Ziel Neuzugewanderten dieselben Möglichkeiten zur
Partizipation in der Gesellschaft zu verschaffen, indem er u.a. individuelle
Integrationsverträge mit ihnen eingeht, kostenlosen Sprachunterricht und sonstige
spezifizierte Aktivitäten im Rahmen des Integrationsgesetzes anbietet.98 Der Staat strebt im
Weiteren das Ziel an, dass Neuzugewanderte durch Aufnahme eines Berufs schnellst
möglichst für ihre Selbstversorgung aufkommen können. Der Staat versucht mit
unterstützenden Massnahmen den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern, indem er auf die
Förderung der Sprachkenntnisse setzt, die Anerkennung ausländischer Qualifikationen
erleichtert und die Weiterbildung unterstützt.99 Zu den Zielen gehört ebenfalls, dass die
Ausländer die grundlegenden demokratischen Werte der dänischen Gesellschaft verstehen
und respektieren. Ein weiteres grundlegendes Ziel ist zudem, dass sich die gesamte
Gesellschaft und ihre Institutionen an der Integration beteiligen.100
3. Integrationsgesetz
Um eine gut funktionierende Integration von Flüchtlingen und Einwanderer, die eine
Aufenthaltsbewilligung erhalten haben, zu erreichen, führte die damalige sozialdemokratische
97 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/ministeren/regeringensintegrationspolitik/?wbcpurpose=BasicSearchStatisti
cs.htmSearchNews.htmSearchFormsSearchNews.htmSearchFormsSearchFormsSearchForms.htmSearchPublic
ations.htmSearchForms.htm. 98 http://www.denstoredanske.dk/Samfund%2c_jura_og_politik/Sociologi/Grupper/indvandrere;
http://www.eukn.org/Denmark/EUKN_dk_english/Dossier/Integration_policy_in_Denmark. 99 BONIN, 78. 100 http://www.eukn.org/Denmark/EUKN_dk_english/Dossier/Integration_policy_in_Denmark.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Regierung im Jahre 1999 das weltweit erste Integrationsgesetz ein.101 Das Integrationsgesetz
legt die Rahmenbedingungen für die Integration von Neuzugewanderten fest. Die Kommunen
sind für die Umsetzung zuständig und erhalten vom Staat finanzielle Mittel, um die Migranten
in die dänische Gesellschaft zu integrieren.102 Eine genaue Definition des Integrationsbegriffs
ist auch im dänischen Integrationsgesetz nicht zu finden.
a. Ziel
Ziel des Integrationsgesetzes ist die gleichberechtigte Teilhabe und aktive Teilnahme der
Ausländer am politischen, wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Leben der
dänischen Gesellschaft sowie am Arbeitsmarkt. Das Integrationsgesetz stellt die Integration in
den Arbeitsmarkt in den Vordergrund. Mit Sprachkursen, Bildungsangeboten und
Arbeitsmarktprogrammen soll die Arbeitssuche effektiv gefördert werden. Mit dem Gesetz
sollen den Migranten zudem die fundamentalen Werte und Normen der Gesellschaft
verständlich vermittelt werden.103 Zusätzlich soll eine gleichmässige Verteilung der
Flüchtlinge auf die Kommunen erfolgen, um die gesellschaftliche Integration zu fördern und
u.a. die mögliche Bildung von sozialen Brennpunkten oder Ghettos zu verhindern.
Zusammengefasst möchte man anhand des Integrationsgesetzes erreichen, dass jeder
Ausländer nach der Durchführung des Integrationsprogramm Dänisch sprechen und einen
bezahlten Beruf ausüben kann.104
b. Zielgruppe
Die Zielgruppe des Integrationsgesetzes sind Flüchtlinge, Einwanderer, die durch die
Familienzusammenführung in Dänemark eingereist sind und arbeits- und bildungssuchende
Ausländer.105
c. Integrationsprogramm
Das Integrationsgesetz sieht ein intensives Einführungsprogramm für neuzugewanderte
Ausländer aus Drittstaaten vor. Die Kommunen sind gesetzlich dazu verpflichtet den
Migranten ein dreijähriges und kostenloses Integrationsprogramm anzubieten, welches
verschiedene Kurse in den Bereichen dänische Sprache, Gesellschaft, Kultur, Geschichte
sowie Möglichkeiten zur Ausbildung oder Schulungen im Arbeitsmarkt beinhaltet. Erzielt
101 http://www.netpublikationer.dk/UM/6437/html/chapter01.htm. 102 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Integration/integration_af_nyankomne/. 103 SFH, 32. 104 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Integration/integration_af_nyankomne/. 105 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Integration/integration_af_nyankomne/.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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werden soll, dass Neuzugewanderte auf die schnellste Art und Weise integriert werden und
dass Neuankömmlinge bei der Aneignung der Kenntnisse über Sprache und Kultur tatkräftig
unterstützt werden, um am Gesellschaftsleben teilnehmen zu können. Mit dem Programm soll
erreicht werden, dass die Ausländer möglichst bald für ihre Selbstversorgung aufkommen
können und nicht auf staatliche Sozialleistungen angewiesen bleiben. Teilnehmer, die über
kein ausreichendes Einkommen verfügen, erhalten während des Programms Sozialhilfe. In
den Kommunen bieten Beratungsstellen Hilfe an bei der Verbesserung der fachlichen
Qualifikationen, der praktischen Arbeitserfahrung und stellen Arbeitsplätze mit Lohnzuschuss
zur Verfügung.106 Arbeitsmigranten werden mit spezifischen Programmen gefördert, wobei
ihre Kompetenzen und Potenziale berücksichtigt werden. Jedem Migranten steht zudem ein
Mentor, der am selben Arbeitsplatz arbeitet, zur Seite.107
d. Integrationsvertrag
Der Inhalt sowie Umfang des Programms wird in einem persönlichen Integrationsvertrag
festgelegt, welcher auf die individuellen Bedürfnisse des Ausländers abgestimmt ist. Die
Kommune und der betroffene Ausländer erarbeiten gemeinsam diesen Kontrakt und
unterzeichnen ihn. Die Bildungs- oder Berufsziele des Migranten werden zudem festgelegt
sowie die Tätigkeiten, welche das Erreichen der Vertragsziele sichern sollen. Der Ausländer
muss gleichzeitig eine Erklärung zur Integration und aktiven Bürgerrolle unterzeichnen. Er
anerkennt damit die Werte und Regeln der dänischen Gesellschaft und die akzeptiert seine
Pflicht einen Integrationseinsatz zu leisten. Der Integrationsvertrag wird in regelmässigen
Abständen aktualisiert und gilt solange bis die betreffende Person eine dauerhafte
Aufenthaltsbewilligung erhalten hat. Das Integrationsprogramm stellt ein Angebot dar,
dennoch ist die Einhaltung des Vertrages wichtig, um später eine unbefristete
Aufenthaltsbewilligung zu erhalten.108 Laut einer Studie herrscht eine weitgehende
Zufriedenheit mit dem Programm. Sie fördert die Integration von Migranten und schafft gute
Voraussetzungen für den Berufs- und Bildungseinstieg.109 Zudem ist es eine Motivation für
die Migranten ein bestimmtes Ziel, das zu erreichen gilt, vor Augen zu haben. Im Weitern
106 https://www.retsinformation.dk/Forms/R0710.aspx?id=114165#Kap4;
http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Integration/integration_af_nyankomne/introduktionsprogrammet/. 107 http://www.eukn.org/Denmark/EUKN_dk_english/Dossier/Integration_policy_in_Denmark 108 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/integration/Medborger_i_danmark/4%20ny%20borger%20i%20danmark.
html. 109 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Integration/integration_af_nyankomne/introduktionsprogrammet/.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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konnte ein deutlicher Rückgang der Arbeitslosenquote von Ausländern aus Drittstaaten
festgestellt werden, was u.a. dem Einsatz der Integrationsprogramme zu verdanken ist. 110
4. Akteure der Integrationsförderung
Das Ministerium für Flüchtlinge, Einwanderer und Integration, Ministeriet for Flygtninge,
Indvandrere og Integration, stellt den staatlichen Akteur im Bereich Integration dar und ist in
vier Abteilungen gegliedert. Eines der Abteilungen ist das Integration Departement, welches
wiederum die Abteilungen für Beruf und Ausbildung, Finanzen, Integrationspolitik,
demokratische Gesellschaft und Vorbeugung von Radikalisierung, Dänischunterricht sowie
Analysen beinhaltet.111 Das Departement ist für die Gesetzgebung und Subventionen im
Integrationsbereich zuständig sowie für die Koordination der Integrationspolitik mit anderen
Ministerien, lokalen Behörden und Flüchtlings- und Migrationsorganisationen.112 Ein weiterer
wichtiger Akteur ist der Rat für Ethnische Minderheiten, Rådet for Etniske Minoriteter,
welcher das Integrationsministerium bei Integrationsanliegen berät. Der Rat setzt sich aus 14
ständigen Mitgliedern mit Migrationshintergrund zusammen. Er trifft sich monatlich um neue
Gesetzesvorschläge, aktuelle Probleme und Ideen von anderen Organisationen zu besprechen.
Die Mitglieder nehmen an Konferenzen, Seminaren und Treffen von ethnischen Minderheiten
teil. Der Rat trifft sich jedes Quartal mit dem Integrationsministerium.113 Auch die
Kommunalverwaltung kann nach dem Integrationsgesetz einen Integrationsrat aufstellen,
welcher die lokalen Behörden bei kommunalen Integrationsleistungen mit qualifizierten
Ratschlägen berät. Im Jahre 2009 waren landesweit 47 kommunale Integrationsräte
registriert.114 Zu den wichtigen integrationsfördernden NROs gehören das Rote Kreuz und die
Dänische Flüchtlingshilfe.115
IV. Ausblick
Bei den Parlamentswahlen vom 15. September 2011 gingen die Sozialdemokraten als
Wahlsieger hervor. Somit ist Dänemarks bürgerliche Dominanz nun zu Ende und die
Linksopposition steht am Start einer neuen Legislaturperiode.116 Die bislang streng geführte
110 http://www.eukn.org/Denmark/EUKN_dk_english/Dossier/Integration_policy_in_Denmark. 111 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Myndigheder/integrationsministeriet/organisation/organisation.htm. 112 SFH, 34. 113 http://www.rem.dk/sw313.asp. 114 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Integration/raadet_for_etniske_minoriteter.htm;
https://www.retsinformation.dk/Forms/R0710.aspx?id=114165#Kap8. 115 BONIN, 80. 116 ÅREBO, 17.9.2011.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Ausländerpolitik soll merkbare Veränderungen erfahren. So sollen zum Beispiel die schweren
Bedingungen der Familienzusammenführung gelockert werden und Asylbewerber sollen die
Möglichkeit haben nach sechs Monaten arbeiten zu können.117 An den gegenwärtigen
Grundpfeilern der Ausländerpolitik wollen die Sozialdemokraten jedoch weiterhin festhalten.
So müssen die Migranten weiterhin die dänische Sprache beherrschen und in der Berufswelt
aktiv sein. Auch von der umstrittenen 24-Jahre-Regel, welches den Nachzug von
ausländischen Ehegatten unter 24 Jahren verweigert, wird erstmal nicht Abstand
genommen.118
E. Rechtsvergleich zwischen der Schweiz und Dänemark bezüglich der
Einbürgerungs- und Integrationspraxis
Die Schweiz und Dänemark weisen im Hinblick auf Landesfläche, Bevölkerungszahl, Klima,
Demokratie und Wohlstand zahlreiche Gemeinsamkeiten auf. Beim Vergleich der beiden
Staatsysteme und der beiden Völker bemerkt man jedoch Unterschiede: Die Schweiz ist ein
föderalistischer Bundesstaat mit einem Volk aus verschiedenen Minderheiten,
unterschiedlichen Landesteilen, Sprachen und Dialekte, Konfessionen und Religionen und
stark kantonal geprägten Identitäten.119 Dänemark präsentiert sich dagegen als konstitutionelle
Monarchie und als ein relativ homogenes Land: Hinsichtlich Sprache, Kultur, Ethnie,
Wohlstand, Landschaft und Religion bestehen in der dänischen Bevölkerung keine grossen
Unterschiede.120 Die Schweiz weist mit 22,3% im Vergleich zu den anderen europäischen
Ländern einen relativ hohen Ausländeranteil auf.121 In Dänemark, wo ein Ausländeranteil von
lediglich 6% aufgewiesen wird, ist die Einwanderung von Migranten im Gegensatz zur
Schweiz ein relativ junges Phänomen.122 Dänemark steht äusseren Einflüssen, wie
beispielsweise der Einwanderung, tendenziell skeptisch gegenüber. Einer der Gründe dafür
könnte darin liegen, dass die Dänen, aufgrund der Bedeutung ihrer gemeinschaftlichen Werte
und Geschichte ein ausserordentliches Zusammengehörigkeitsgefühl zeigen.123
117 ÅREBO, 4.10.2011. 118 GAMILLSCHEG, 4.10.2011. 119 SCHMID, 16. 120 BONIN, 66. 121 http://www.admin.ch/aktuell/00089/?lang=de&msg-id=41631. 122 SFH, 31. 123 BONIN, 66; http://www.migazin.de/2011/07/15/eu-statistik-in-deutschland-leben-die-meisten-auslander/.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Der Migrant Integration Policy Index (MIPEX) vergleicht und bewertet die Integrationspolitik
von den EU- Staaten sowie u.a. der Schweiz. Die Studie wird vom British Council und der
Migration Policy Group geführt und von der EU-Kommission unterstützt. Es werden sechs
Bereiche analysiert, die Migranten auf dem Weg zur Staatsbürgerschaft am stärksten
beeinflussen: die politische Teilhabe, Anti- Diskriminierungsmassnahmen, der Zugang zum
Arbeitsmarkt, der Erwerb der Staatsbürgerschaft, die Familienzusammenführung und das
Aufenthaltsrecht. Die Integrationspolitik wird anhand einer Punktenskala von 0-100 bewertet.
Die Schweiz und Dänemark schnitten dabei mit einer Punktzahl von 43 und 53 relativ ähnlich
ab. Der Zugang zum Arbeitsmarkt erweist sich in Dänemark als deutlich leichter, wobei die
Schweiz im Bereich der Familienzusammenführung von Drittstaaten etwas weniger restriktiv
ist. Laut MIPEX führen beide Länder aufgrund erschwerter Bedingungen für den Erwerb der
Staatsbürgerschaft eine ähnlich strenge Einbürgerungspraxis.124
Obschon weder in den dänischen noch in den schweizerischen Gesetzen und Verordnungen
der Integrationsbegriff eindeutig definiert ist, lässt sich aufgrund der Auslegung feststellen,
dass beide Länder dasselbe Integrationsverständnis teilen und dabei ähnliche Ziele zu dessen
Förderung verfolgen. In Dänemark richtet man sich nach dem Integrationsgesetz, welches
die Rahmenbedingungen festlegt und alle Integrationsfragen in Dänemark einheitlich regelt.
Das schweizerische Recht dagegen kennt kein solches Integrationsgesetz, aber hat seine
Integrationsbestimmungen u.a. im AuG, BüG sowie in der VIntA und VAEZ aufgeführt. Die
Kantone können kantonale Integrationsgesetze einführen.
Beide Regierungen beauftragen und unterstützen die Kantone bzw. Kommunen zur
Umsetzung der Integrationspolitik, wobei den Schweizer Kantonen im Gegensatz zu den
dänischen Kommunen viel Ermessenspielraum eingeräumt wird.
Sowohl die Schweiz als auch Dänemark kennen und wenden Integrationsvereinbarungen resp.
Integrationsverträge an. In der Schweiz überlässt der Bund es den Kantonen mit einer Kann-
Bestimmung konkrete Integrationsvereinbarungen mit dem betroffenen Ausländer
abzuschliessen. In der Lehre wird die Anwendung von Integrationsvereinbarungen teilweise
als wenig sinnvoll und eher diskriminierend angesehen. In Dänemark sind alle Kommunen
gesetzlich dazu verpflichtet neuzugewanderten Ausländern Integrationsverträge anzubieten.
Diese stellen ein Angebot dar, welche jedoch für den späteren Antrag auf eine unbefristete
124 http://www.mipex.eu/play/bar.php?chart_type=bar&countries=15,38&objects=1,2,3,24,70,106,147,180,220&
periods=2010&group_by=country.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Aufenthaltsbewilligung von grosser Wichtigkeit sind.125 In Dänemark stossen die
Integrationsverträge mit den darin enthaltenden Integrationsprogrammen auf ein positives
Echo. Viele Neuzugewanderte, die von diesem Angebot Gebrauch machen, sehen darin eine
Motivation und Unterstützung.
Im schweizerischen BüG stellt die Integration ein wichtiges Einbürgerungskriterium dar. Das
dänische Gesetz über Staatsangehörigkeitsrecht nennt die Integration nicht explizit als
Voraussetzung für den Erwerb der dänischen Staatsbürgerschaft. Als Einbürgerungskriterium
wird jedoch die unbefristete Aufenthaltsbewilligung aufgeführt, welche die Integration bereits
voraussetzt.126 Nach der schweizerischen Einbürgerungspraxis wird das Vorliegen der
Integration nach dem Ermessen der zuständigen kantonalen oder kommunalen Behörde
beurteilt. Die Einbürgerungspraxis in Dänemark kennt dagegen kein Ermessen. Sie stützt sich
u.a. auf Prüfungsresultate. Anhand der Resultate von Examen in Sprache und
Gesellschaftskunde wird vom Parlament entschieden, ob im konkreten Fall die Integration zu
bejahen ist oder nicht. Dänemark ist im Gegensatz zur Schweiz nicht von Föderalismus
geprägt. Somit erfolgt das Einbürgerungsverfahren landesweit einheitlich. In der Schweiz
kann je nach Kanton eine eingerichtete Einbürgerungskommission, die Exekutive oder die
Legislative für die Einbürgerung zuständig sein.
In der Schweiz als auch in Dänemark können die Kantone bzw. Kommunen den Ausländern
ein Wahl- und Stimmrecht einräumen. In Dänemark haben die Ausländer, die mindestens vier
Jahre in Dänemark wohnen, in allen Kommunen ein Ausländerwahl- und stimmrecht.127 In
der Schweiz ist ein Ausländerstimmrecht auf kommunaler Ebene bisher nur vorwiegend in
Westschweizer Kantonen eingeführt worden.128
F. Schlusswort Die Integration von Ausländerinnen und Ausländer ist für den Erwerb der schweizerischen
und dänischen Staatsbürgerschaft eine unabdingbare Voraussetzung. Ohne Integration kann
die Ausländerin und der Ausländer kein Bestandteil der Gesellschaft werden. Die Integration
ist ein lang andauernder Prozess, der nicht von heute auf morgen erfolgen kann, sondern über
einen längeren Zeitraum stattfindet. Die Integration setzt auf der einen Seite den Willen der
125 http://www.nyidanmark.dk/de-DE/medborger_i_danmark_de_DE/4+neubürger+in+dänemark.htm. 126 http://www.nyidanmark.dk/da-dk/Ophold/permanent-ophold/lovligt-oph-mindst-4-aar.htm. 127 https://www.borger.dk/Emner/udlaendinge-i-danmark/medborgerskab/udlaendinges-rettigheder/Sider/valgret-
og-valgbarhed-for-udlaendinge.aspx?#RichHtmlField2Bookmark0. 128 BIANCHI, 29.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Ausländerinnen und Ausländer zur Eingliederung voraus, auf der anderen Seite wird die
Offenheit und Toleranz der einheimischen Bevölkerung gefordert. Die Beherrschung der
Landessprache spielt bei der Integration eine wesentliche Rolle. Es ist wichtig, dass der Staat
die Integration gezielt und umfassend fördert. Weil in der Vergangenheit die Integration von
neuzugewanderten Ausländern vernachlässigt wurde, hat der Staat heute Schwierigkeiten,
diese gealterte Generation erfolgreich zu integrieren. Deshalb muss die Integrationsförderung
v.a. bei der jungen ausländischen Bevölkerung und bei den Neuzugewanderten von
vornherein ansetzen. Sowohl in der Schweiz als auch in Dänemark sind die
Einbürgerungspraktiken streng. Da das Einbürgerungsverfahren in Dänemark landesweit
einheitlich erfolgt, werden generell hohe Anforderungen an die Sprach- und
Staatskundekenntnisse gestellt. Das Parlament entscheidet u.a. anhand von Testresultaten, ob
die Staatsbürgerschaft im konkreten Fall verliehen wird. In der Schweiz können die Kantone
unterschiedlich hohe Anforderungen an die Sprache und Staatskunde stellen und zudem auf
unterschiedliche Art und Weise das Vorliegen der Integration prüfen. In Dänemark wird die
unbefristete Aufenthaltsbewilligung als Voraussetzung für den Erwerb gefordert. Diese
Bedingung könnte sich in Zukunft auch in der Schweizer Bürgerrechtsgesetzgebung
verankern. Mit der Totalrevision des BüG würde neu die Niederlassungsbewilligung im
Voraussetzungskatalog aufgenommen, was m.E. als eine deutliche Verschärfung des
Einbürgerungsverfahrens bedeuten würde. Beim Rechtsvergleich fällt auf, dass die
Integration in beiden Ländern eine wichtige Voraussetzung der Einbürgerung darstellt, deren
Vorliegen jedoch auf unterschiedliche Art und Weise geprüft wird.
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe und nur unter
Verwendung der zulässigen Mittel sowie der angegebenen Literatur angefertigt habe.
[Ort, Datum] [Unterschrift]
Basel, 16. Januar 2012 C. Moser
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