festschrift: produktion und logistik im 21. jahrhundert · fachdisziplinen der fabrikbetriebslehre...
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F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F Ü R F A B R I K B E T R I E B U N D - A U T O M AT I S I E R U N G I F F, M A G D E B U R G
EHRENKOLLOQUIUM
PRODUKTION UND LOGISTIK IM 21. JAHRHUNDERTanlässlich des 75. Geburtstages von Prof. Dr. Dr.-Ing. Prof. E. h. Eberhard Gottschalk
24. Januar 2011, Magdeburg
ehrenkolloquium_umschlag.indd 1 21.12.2010 14:02:52Prozessfarbe CyanProzessfarbe MagentaProzessfarbe GelbProzessfarbe Schwarz
EHRENKOLLOQUIUM
PRODUKTION UND LOGISTIK IM 21. JAHRHUNDERT
INHALT
Geleitwort 7
Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult.
Michael Schenk, Institutsleiter des Fraunhofer-Institut
für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
Geleitwort 8
Detthold Aden, Vorstandsvorsitzender der BLG
LOGISTICS GROUP, Bremen
Fraunhofer kommt nach Sachsen-Anhalt 10
Unser eigenes Institutsgebäude 12
Der Forschungsstandort Magdeburg wächst:
Das VDTC kommt 14
Besucher aus Politik und Wissenschaft 16
Ehrenkolloquium: Wandel in Produktion und
Logistik 18
Produktion und Logistik im 21. Jahrhundert
Fabrikplanung und -betrieb – Bilanz und
Blick in die Zukunft 21
Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult.
Michael Schenk, Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts
für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
Auswirkungen des Wandels in der Produktion
auf Fabrik und Logistik 53
Prof. Dr. Dr.-Ing. Siegfried Wirth, Technische
Universität Chemnitz
Produzieren in Deutschland – aber was? 59
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Hans-Peter Wiendahl,
Leibniz Universität Hannover
Logistiksysteme der Zukunft – Impulse der
wirtschaftlichen Dynamik 65
Dr. Hanspeter Stabenau, Ehrenvorsitzender der Bundes-
vereinigung Logistik e. V.
Ein spätes Erwachen – Gesellschaft liche
Verantwortung der Logistik 69
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Baumgarten, TU Berlin
Das psychologistische Prinzip – ein interdisziplinärer
Ansatz für erfolgreiches Change Management 75
o. Univ. Prof. Dr. mont. Siegfried Augustin,
Montanuniversität Leoben, Österreich; Prof. Dr. Elisabeth
von Hornstein, Fachhochschule Erding
That is what we expected: chances of
economic catch-up in Hungary 83
Prof. Dr. György Kocziszky, Head of Institute,
Dean of Faculty of Economics, University of
Miskolc, Hungary
Auch alles eine Frage der Qualität 87
Dr.-Ing. Elke Glistau, Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg
Früher – Schneller – Sicherer: Nutzung der
Digitalen Fabrik in frühen Phasen des
Produktentstehungsprozesses 94
Prof. Dr.-Ing. Heike Mrech, Hochschule Merseburg
Dipl.-Ing. (FH) Thomas Flucke, Volkswagen AG
Impressum 100
Ehrenkolloquium 2011 5
6 Ehrenkolloquium 2011
GELEITWORT
Ehrenkolloquium 2011 7
Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult.
Michael Schenk
Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts
für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
Foto: Viktoria Kühne
Mit dieser Festschrift wollen wir
Herrn Prof. Dr. Dr.-Ing. Prof. E.h. Eberhard Gottschalk
anlässlich seines 75. Geburtstages ehren und zugleich
Dank sagen.
Wir, das sind die akademischen Schülerinnen und Schüler
eines Hochschullehrers, der es wie kein Anderer verstand,
fachliche Quali� zierung und Ausbildung mit kultureller und
gesellschaftlicher Prägung zu verbinden.
Wir, die das Glück hatten durch diese Lehre zu gehen, spre-
chen noch heute von der »Gottschalk‘schen« Schule. Hohe
fachliche Kompetenz in Verbindung mit großem pädago-
gischen Geschick haben uns nicht nur viel lernen lassen,
sondern uns auch in hervorragender Art und Weise auf das
zukünftige Berufsleben in Industrie, Hochschule oder For-
schungseinrichtungen vorbereitet. Dabei konnten wir stets von
Deinem großen Erfahrungsschatz aus einer vielfältigen Berufs-
praxis partizipieren und mit den unterschiedlichsten und kom-
pliziert scheinenden Lebenssituationen bis heute erfolgreich
umgehen und diese meistern.
Wir, das sind ebenso die Hochschullehrer aus vielen Universitä-
ten als auch die Fachkollegen aus der Wirtschaft bzw. aus den
Gremien der Bundesvereinigung Logistik BVL, denen die fach-
lichen Diskurse zu den verschiedenen Fragestellungen der
Logistik bis heute unvergessen sind. Deine scharfe Logik sowie
die Fähigkeit, in komplexen Zusammenhängen zu denken,
prägen bis heute.
In zahlreichen Fachveröffentlichungen und Fachbüchern sind
wesentliche Grundlagen enthalten, die sich noch heute in den
Fachdisziplinen der Fabrikbetriebslehre und der Logistik wider-
spiegeln. Wem es vergönnt war, an einem der vielen Vorträge
von Dir teilzunehmen, der erinnert sich daran, wie Du einen
ganzen Saal fesseln, mitreißen, provozieren und begeistern
konntest. Ein Beweis dafür, dass Wissenschaft nichts Trockenes
ist, sondern etwas sehr Lebendiges. Diese Lebendigkeit prägte.
Wir, das sind aber natürlich auch alle Kolleginnen und Kolle-
gen aus der Fraunhofer-Gesellschaft, insbesondere Deine Mit-
arbeiter im Fraunhofer IFF. Mut und Zuversicht waren nötig,
um – nach dem bescheidenen Anfang 1991/92 – überzeugt
zu sein, dass aus diesen 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
ein selbstständiges Institut erwachsen würde. Diese Zuversicht
hast Du allen gegeben, denn Du hast sie vorgelebt. Überzeugt
von der eigenen Leistungsfähigkeit und ausgestattet mit ei-
nem großen Leistungswillen ist es bereits im Jahr 1994 gelun-
gen, eine positive fachliche und wirtschaftliche Bilanz zu zie-
hen. Das Ergebnis war die Überführung in ein eigenständiges
Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung, was damals
nur unter Deiner Führung möglich war. Unser Institut ist heute
prägend für den Wissenschaftsstandort Magdeburg, eine feste
Größe in der Fraunhofer-Gesellschaft und inzwischen ausge-
zeichnet international vernetzt.
Lieber Eberhard,
im Namen aller dürfen wir Dir Dank sagen und Dich für
Dein erfolgreiches beru� iches Lebenswerk ehren.
Herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag,
in Dankbarkeit und Freundschaft
Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult.
Michael Schenk
8 Ehrenkolloquium 2011
GELEITWORT
Apropos Herr Professor ...
Kurz vor der Emeritierung hat der gefragte Professor keine
Lust mehr, die vielen zugesagten Vorträge immer noch selbst
zu halten. So gibt er auf der Fahrt zum Veranstaltungsort sei-
nem Fahrer das Manuskript mit der Bitte, den Vortrag für ihn
zu halten. Der willigt ein, zumal der Professor für den Notfall
auch im Publikum selbst anwesend sein will. Der Vortrag läuft
perfekt und es gibt respektablen Applaus. Doch dann kommt
aus dem Auditorium eine fachspezi� sche Frage. Daraufhin der
Redner: »Eine derart simple Frage ist mir noch nie gestellt wor-
den. Die kann ja selbst mein Fahrer hier beantworten.«
Ist das ein angemessener Einstieg für einen Beitrag zu einer
Festschrift? Man kann sich bei Professoren schnell mal in die
Nesseln setzen. Für die Autoritäten war es zumindest früher ja
durchaus üblich, dusselige oder faule Studenten öffentlich im
Hörsaal zu rüffeln. Auch ich selbst habe diese bittere Erfah-
rung machen müssen – und das, obwohl ich nie Student war
und in Universitäten oder andere wissenschaftliche Einrichtun-
gen erst nach beru� ich erfolgreichen Jahren eingeladen wur-
de.
So kam eines Tages die Bitte, ob ich nicht zum of� ziellen Ab-
schied eines Professors, der die Entwicklung der Logistikbran-
che mit großem Interesse verfolgte, eine Grußbotschaft über-
bringen könnte. Ich habe zugesagt – leichtfertigerweise! Als
ich ihm zum Schluss mit warmen Worten so etwas wie alles
Gute im Ruhestand wünschte, erhob er sich gewichtig von
seinem Ehrenplatz in der ersten Reihe und kommentierte mit
unüberhörbar spöttischem Unterton: »Ich bin nicht irgendein
pensionierter Beamter und trete keineswegs in den Ruhestand.
Ein Emeritus bleibt sein Leben lang der ernsthaften wissen-
schaftlichen Arbeit gewidmet.« Das gesamte Auditorium hatte
das gehört. Zurückhaltendes Gelächter füllte den ehrwürdigen
Saal.
Das war mir schon sehr peinlich. Gott sei Dank neige ich nicht
zum Rotwerden und irgendwie habe ich dann die Kurve bis
zum »Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!« noch hinbe-
kommen. Immerhin reichte der Professor mir anschließend
doch noch großmütig dankend seine Hand – voller Verständnis
für den jungen wissenschaftlichen Laien. Beim anschließenden
Sektempfang erfuhr ich aus seinem universitären Umfeld, dass
das Gelächter allenfalls zum Teil mir und der vermeintlichen
Bloßstellung gegolten hatte. Die meisten hatten sich über den
Professor selbst amüsiert. So kannte man ihn. Ein zu gering
ausgeprägtes Selbstwertgefühl gehörte eben nicht zu seinen
Schwächen.
Das ist über 20 Jahre her und war wohl bislang mein einziger
Fauxpas in dieser Hinsicht. So konnte ich in der langen Zwi-
schenzeit frischen Mut schöpfen und mich nun wieder an ei-
nen Beitrag für eine Festschrift zu Ehren eines verdienten Pro-
fessors wagen. Professor Gottschalk selbst wird mir sicherlich
eine mögliche Nachlässigkeit oder Unwissenheit nachsehen.
Ich habe ihn in vielen Jahren innerhalb und außerhalb der Ar-
beit nicht nur als engagierten Wissenschaftler, sondern insbe-
sondere auch als humorvollen Menschen erlebt und schätzen
gelernt.
Nun unterstellen zahllose Anekdoten und zuweilen auch recht
derbe Witze Professoren eine gewisse Vergesslichkeit, wenn
nicht gar Schusseligkeit. Hinsichtlich seiner langjährigen wis-
senschaftlichen Arbeit kann und will ich mir über Professor
Eberhard Gottschalk kein kompetentes Urteil anmaßen. Das
werden in dieser Festschrift sicherlich andere, besser dazu Be-
rufene, tun. Hinsichtlich seines Humors aber kann ich ihm nur
einen ausgesprochen aufmerksamen und außerordentlich
merkfähigen Kopf bescheinigen. Was er an Anekdoten und
Witzen der unterschiedlichsten Ausprägung dort gespeichert
hatte, war bemerkenswert – eine wohl in die Wiege gelegte
Begabung, die uns beiden gemeinsam gegeben ist, wenn auch
in unterschiedlicher Ausprägung. So hatten wir bei unseren
gelegentlichen Treffen immer wieder Gelegenheit, uns diese
Gabe gegenseitig zu beweisen.
Ehrenkolloquium 2011 9
Detthold Aden, Vorstandsvorsitzender
der BLG LOGISTICS GROUP, Bremen
Allerdings habe ich dabei ein Problem und ich weiß nicht, ob
ich auch dieses Problem mit unserem verehrten Professor ge-
meinsam habe. Ich kann mir fast jeden Blödsinn merken, weiß
aber schon nach kurzer Zeit nicht mehr, woher ich ihn habe.
Wer hat wann was wo wem erzählt? Wiederhole ich mich viel-
leicht, was immer dumm ist, wenn einem die Leute sagen:
»Den kennen wir schon.« Aber selbst auf die Gefahr hin,
lieber Professor Eberhard Gottschalk, dass ich die folgenden
Geschichten möglicherweise sogar von Dir selbst habe, möch-
te ich sie hier doch noch einmal vom Munde geben – und sei
es, um die geneigten Leser dieser Schrift zu amüsieren oder –
hoffentlich nicht – zu brüskieren. Aber auch eine eventuell
negative Resonanz werde ich mit Würde zu tragen wissen.
Schließlich bin auch ich inzwischen etwas älter geworden und
mein Fell ist sichtbar dicker. Wie auch immer, die folgenden
kleinen Geschichten � nde ich nach wie vor zum Schenkelklop-
fen:
Ein Psychologiestudent fragt den Professor: »Wie stellen Sie ei-
gentlich fest, ob jemand verrückt ist?« »Ganz einfach«, meint
der Professor. »Wir führen die Person in ein Zimmer, in dem
sich eine Badewanne voll Wasser be� ndet, und zeigen ihr drei
Gegenstände: einen Eimer, eine Kaffeetasse und einen Kaffee-
löffel. Dann bitten wir die Person zu entscheiden, womit sie
am besten die Wanne leer bekommt.« »Verstehe«, sagt der
Student: »Die Normalen nehmen natürlich den Eimer, um die
Wanne leer zu schöpfen, da dieser ja viel größer ist als Tasse
oder gar Löffel«. »Nein«, sagt der Professor, »die Normalen
ziehen den Stöpsel.«
In der Germanistikvorlesung fällt der Begriff »a priori«. Der
Professor bemerkt in der ersten Sitzreihe eine stirnrunzelnde
Studentin. Professor: »Na, junge Kollegin, Sie wissen wohl
nicht, was das heißt?« Studentin: »Leider nicht.« Professor:
»Das heißt: Von vorn herein!« Daraufhin die Studentin: »Aha,
jetzt weiß ich auch, was apropos heißt.«
FRAUNHOFER KOMMT NACH
10 Ehrenkolloquium 2011
1992
Magdeburg, knapp drei Jahre nach den großen politischen
Veränderungen in Deutschland. Die Stadt mit einer langjähri-
gen Tradition im Schwermaschinenbau hat sich auf den Weg
in eine neue Zukunft begeben.
An der Konzeption zum Aufbau dieses Fraunhofer-Instituts
arbeitet seit 1990 Prof. Dr.-Ing. Eberhard Gottschalk gemein-
sam mit der Technischen Universität »Otto-von-Guericke«.
Mit Erfolg – die Keimzelle für die zukünftige Fraunhofer-Ein-
richtung wird am 1. Juni 1991 mit der Bildung einer Arbeits-
gruppe der Fraunhofer-Gesellschaft und dem Forschungs- und
Entwicklungsdienstleister FER gelegt. Ein halbes Jahr später
wird das Ergebnis sichtbar: Am 1. Januar 1992 wird die befris-
tete Fraunhofer-Einrichtung für Fabrikbetrieb und -auto-
matisierung IFF unter der Leitung von Herrn Prof. Eberhard
Gottschalk in Magdeburg gegründet.
SACHSEN-ANHALT
Ehrenkolloquium 2011 11
1993
1994Die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten
Forschung e.V. nimmt damit nach der Wiedervereinigung
Deutschlands ihre gesellschaftliche Verantwortung in den neu-
en Bundesländern wahr.
Die zunächst 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kamen
überwiegend aus dem Universitätsinstitut Fabrikautomatisie-
rung und Fabrikbetrieb der TU Magdeburg, der FER sowie aus
Unternehmen aus dem industriellen Großraum Magdeburg.
Diese Symbiose aus Wissenschaftlern, praxisnahen Entwicklern
und Industrieerfahrenen zeigte sich als Schlüssel zum Erfolg
für ein wirtschaftliches Arbeiten.
Es war ein schwieriger, aber gelungener Start in eine neue
Zukunft.
Das Fraunhofer IFF platzt aus allen Nähten: An drei Standorten
arbeiten die Wissenschaftler so erfolgreich, dass das ständige
Wachstum echte räumliche Schwierigkeiten mit sich bringt.
Seit der Gründung im Jahr 1992 hat sich die Zahl der Beschäf-
tigten auf über neunzig verdreifacht. Eine Verbesserung der
Lage steht glücklicherweise in Aussicht: Ende 1995 fand der
Baustart für ein neues Institutsgebäude am Askanischen Platz
statt.
Im folgenden Jahr am 19. Juni 1996 feiert die Fraunhofer-
Gesellschaft zusammen mit Mitarbeitern, Baubeteiligten und
Gästen die Grundsteinlegung für das neue Institutsgebäude
des Fraunhofer-Instituts IFF in der Magdeburger Sandtorstraße.
Bisher auf verschiedene Standorte in Magdeburg und Barleben
verteilt, � ndet das Fraunhofer IFF sich nun unter einem Dach in
einem eigenen, hochmodernen Institutsgebäude vereint.
UNSER EIGEN INSTITUTS
12 Ehrenkolloquium 2011
1995
1997
Innerhalb eines Jahres ist die gesamte Bauphase so gut wie
ab geschlossen, sodass nach der Grundsteinlegung nun am
3. Dezember 1996 das Richtfest zur Fertigstellung des Gebäu-
des und zukünftigen Fraunhofer IFF gefeiert wird.
Die Entwicklung des Fraunhofer-Instituts in Magdeburg wird
von der Bundesregierung interessiert beobachtet. So besucht
Außenminister Klaus Kinkel im April 1998 das Forschungsinsti-
tut. In den folgenden Jahren werden immer wieder Minister
der verschiedenen Ressorts zu Gast am Fraunhofer IFF sein.
ES GEBÄUDE
Ehrenkolloquium 2011 13
1996
1998
DER FORSCHUNGS MAGDEBURG DAS
14 Ehrenkolloquium 2011
Ein Meilenstein in der Institutsgeschichte ist der geplante Auf-
bau des Virtual Development and Training Centre VDTC. Be-
reits im Dezember 2003 begannen die Planungsarbeiten für
das neue Gebäude im Magdeburger Wissenschaftshafen.
Direkt an der Elbe gelegen, erstreckt sich die Grundstücks-
� äche auf 8 975 m2, die Hauptnutz� äche auf ca. 2 755 m2.
Mit dem VDTC erweitert das Fraunhofer IFF seine Kompeten-
zen auf dem Gebiet der virtuellen Technologien und deren An-
wendungen für die Produkt- und Prozessentwicklung. Das
Richtfest fand im Dezember 2005 statt: Mit dem traditionellen
Fest bedankt sich der Bauherr bei allen Baubeteiligten und
wünscht einen glücklichen Abschluss.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, Fraun-
hofer Forschungsvorstand Dr. Ulrich Buller und Institutsleiter
2002 2005
2006
STANDORT WÄCHST:VDTC KOMMT
Ehrenkolloquium 2011 15
Prof. Michael Schenk eröffnen am 22. November 2006
das neue Forschungszentrum des Magdeburger Fraunhofer-
Instituts.
Das VDTC bietet Auftraggebern aus der Wirtschaft virtuell-
interaktive Szenarien zum Planen, Testen und Betreiben techni-
scher Systeme, die auf einer Großprojektions� äche täuschend
echt abgebildet werden können. Zum ersten Mal wurde der
Öffentlichkeit das laserbasierte Großprojektionssystem vorge-
stellt. In dem Festakt wurde das VDTC als ein »ausgewählter
Ort im Land der Ideen« ausgezeichnet. »Deutschland – Land
der Ideen« ist die gemeinsame Standortinitiative der Bundes-
regierung und der deutschen Wirtschaft, vertreten durch den
Bundesverband der Deutschen Industrie.
BESUCHER AUS UND
16 Ehrenkolloquium 2011
Das Fraunhofer IFF hat in seiner erfolgreichen Geschichte als
regionaler, nationaler und internationaler Partner seine gesell-
schaftliche Verantwortung immer sehr ernst genommen,
Höchstleistungen in der anwendungsorientierten Forschung
immer zum unmittelbaren Nutzen für Wirtschaft und zum Vor-
teil der Gesellschaft angesehen.
Einen genauen Eindruck über das junge Forschungsinstitut aus
Magdeburg wollten sich daher auch hochrangige Vertreter aus
Politik und Wissenschaft gern selbst machen, wie auf einigen
ausgewählten Bildern zu sehen ist.
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder versicherte bei
seinem Besuch im Januar 2004 seine Unterstützung bei der
Realisierung des Fraunhofer IFF-Zukunftsthemas Virtual Reality.
2000 2002
2004
POLITIK WISSENSCHAFT
Ehrenkolloquium 2011 17
Nicht nur in technologischer Hinsicht konnte das Fraunhofer-
Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF schon mehr-
fach eine Vorreiterrolle übernehmen. Die erste Green Card in
Sachsen-Anhalt erhielt Ende 2000 der Jordanier Waleed Sa-
lem, der in der damaligen Abteilung Planungs- und Visualisie-
rungstechniken einen weiteren Mosaikstein für den Aufbau
des einzigartigen Virtual and Development and Training Centre
VDTC bildete.
So machte sich Anfang 2007 auch Bundes� nanzminister
Peer Steinbrück ein Bild vom etablierten Forschungsstandort
für Virtuelle Technologien, nicht zuletzt dem Elbe Dom.
Landeswirtschaftsminister Dr. Reiner Haseloff und Landes-
verkehrsminister Dr. Karl-Heinz Daehre sind im Laufe der
Jahre zu besonderen Gelegenheiten immer wieder Gäste im
Fraunhofer IFF gewesen, sowohl an der Sandtorstraße als auch
an der Joseph-von-Fraunhofer-Straße.
1999
2007
????
Prof. Dr. Dr.-Ing. Prof. E. h. Eberhard Gottschalk, Jg. 1936
Nach dem Abitur 1954 absolvierte Prof. Gottschalk zunächst
eine Ausbildung als Flieger und Flugzeugtech niker und an-
schließend ein Studium der Kraft- und Ar beitsmaschinen. Seit
1961 arbeitete er als Qualitätssicherungsingenieur, Pro dukti-
onsleiter und Haupttechnologe in den ehemaligen Pumpen-
werken Halle. Parallel dazu absolvierte er ein siebenjähriges
Fernstu dium an der TU Dresden, das er 1969 als Diplominge-
nieur auf dem Gebiet der Produktionstechnik abschloss.
Danach übernahm Prof. Gott schalk eine leitende Funktion im
Ingenieurbüro des Industriezweigs Pumpen und Verdichter.
Schwerpunkt seiner Tätigkeit war die Fabrikplanung von zwei
neuen Werken. Bei Prof. Rockstroh war er Aspirant an der TU
Dresden. Er promovierte 1973 zum Doktor-Ingenieur mit einer
EHRENKOLLOQUIUM: PRODUKTION
18 Ehrenkolloquium 2011
Arbeit zur »Fabrikplanung unter Berücksichtigung stochas-
tischer Eingansgrößen im Planungsprozess«. 1975 erteilte die
TU Magdeburg Prof. Gottschalk die Fakultas docendi auf dem
Gebiet der »Betriebsgestaltung«. 1976 wurde er zum Hoch-
schuldozenten auf dem Gebiet »Modellierung sto chas tischer
Prozesse« an der TU Magdeburg berufen. 1979 folgte die Pro-
motion zum Dr. sc. techn. mit einer Arbeit zur dynamischen
und stochastischen Modellierung des Projektierungsprozesses.
1983 wurde er zum ordentlichen Professor für Produktionspro-
zesssteuerung berufen.
1991 entwickelte er das Konzept für ein Fraunhofer-Institut in
Magdeburg. Mit der Gründung einer Einrichtung für Fabrikbe-
trieb und -automatisierung übernahm er 1992 deren Leitung
und überführte diese schon nach zwei Jahren erfolgreich in ein
eigenständiges Institut.
WANDEL IN UND LOGISTIK
Ehrenkolloquium 2011 19
P R O D U K T I O N U N D L O G I S T I K I M 2 1 . J A H R H U N D E R T
FABRIKPLANUNG UND -BETRIEB – BILANZ UND BLICK IN DIE ZUKUNFTProf. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult. Michael Schenk, Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF
Wurzeln der Fabrikplanung
Mit der rasanten Industrialisierung Ende des 19. bzw. Anfang
des 20. Jahrhunderts entstanden Fabriken mit komplexen Aus-
maßen. Beispielhaft sind hier die Produktionsstätten von ehe-
mals SKET in Magdeburg zu nennen.
Die Komplexität wurde dabei durch eine hohe eigene Wert-
schöpfungstiefe über fast alle Schritte des Herstellungsprozes-
ses bestimmt. Die Folge davon bestand u. a. darin, dass sich
die Betriebswissenschaften mit dem Teilgebiet Fabrikbetrieb als
aufstrebendes Wissenschaftsgebiet in den 1920er Jahren
rasant entwickelten. Die Forschung und damit die wissen-
schaftliche Durchdringung von Fabrikplanung und -betrieb
nahmen somit ihren Anfang an den Hochschulen und Univer-
sitäten mit ingenieurtechnischer Prägung. (Spur 1994, 2003)
Mit der Komplexität galt es, die überdimensionale Produkti-
onsmaschine »Fabrik« zu planen und zu betreiben. Deshalb
wurde bereits von Rockstroh die Fabrikplanung aus funktionel-
ler Sicht als Projektierung bzw. Betriebsgestaltung geprägt.
Aus diesem Grund wurden Methoden und Werkzeuge zur
»Technologischen Betriebsgestaltung« und »Technologischen
Betriebsprojektierung« systematisiert, entwickelt und praktisch
erprobt. Dabei standen die technologisch-funktionellen Ab-
läufe mit der entsprechenden Anlagen- und Gebäudetechnik
im Mittelpunkt.
»Das Projektieren ist immer auf die Zukunft orientiert; es ist
das Vorausdenken, das Strukturieren und Gestalten zu reali-
sierender oder rekonstruierender Prozesse der Produktion
materieller, energetischer oder informationeller Güter«
(Rockstroh 1973, S. 9).
Ehrenkolloquium 2011 21
22 Ehrenkolloquium 2011
Auch Kettner de� niert die Aufgabe der Fabrikplanung aus ei-
ner ähnlichen Sichtweise heraus: »Aufgabe der Fabrikplanung
ist es, unter Berücksichtigung zahlreicher Rahmen- und Rand-
bedingungen zur Erfüllung der betrieblichen Ziele sowie der
sozialen und volkswirtschaftlichen Funktionen eine Fabrik zu
schaffen« (Kettner et al. 1984, S. 3).
Aggteleky hat die Fabrikplanung als ein vielseitiges, komplexes
und weitläu� ges Planungsfeld, in dem die verschiedenen Teil-
aufgaben durch eine einheitliche Zielstellung zu einem ge-
schlossenen Ganzen zusammengefasst werden, beschrieben
und stellte dabei das Unternehmen in den Vordergrund
(Aggteleky 1987).
Während die Fabrikplanung zu dieser Zeit vorrangig der Ge-
staltung »großtechnischer Systeme« diente, befasste sich die
Fabrikorganisation mit der Gestaltung der Aufbau- und Ab-
lauforganisation innerhalb einer vorgegebenen Fabrik- und
Unternehmensstruktur. (Schenk, Wirth 2004)
Wandel von Fabriken
In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für
die Produktion auf vielfältige Weise verändert. Veränderungs-
treiber sind aus heutiger Sicht u. a. die:
– Globalisierung der Märkte mit Produktionssystemen (local
content), speziellen Produkten und Dienstleistungen,
– Individualisierung der Kundenwünsche und das Anwachsen
der Variantenvielfalt und Komplexität bei hohem Service-
grad und hohen Qualitätsanforderungen,
– Verkürzung der Produktlebenszyklen bei gleichzeitiger
Neuentwicklung von Technologien und Verfahren sowie
durch zahlreiche Prozessinnovationen,
– Verknappung der Ressourcen mit Entwicklung neuer
Beschaffungsarten und Lieferpartnerschaften und
– fortschreitende Verbreitung von Informations- und Kom-
munikationstechnologien zur Vernetzung von Produktions-
und Logistiksystemen einschließlich der Kunden.
Diese Veränderungen haben dazu geführt, dass neben funk-
tionalen Fabriken segmentierte Fabriken entstanden sind.
Diese Segmentierung hat zu zahlreichen Fabriktypen geführt
(Schulte 1997, Wiendahl und Harms 2001, Schenk und
Schulte 2003).
Sie richten sich nach einer vorgegebenen Zielfokussierung. Die
nachfolgenden acht Typen werden im Allgemeinen. (Schulte
1997, Wiendahl u. Harms 2001) de� niert.
Die High-Tech-Fabrik stellt hoch innovative Produkte her und
setzt dabei häu� g innovative Technologien und fortschrittliche
Produktionsprozesse ein (z. B. in Chip-, Elektronik- oder Bio-
Technologien).
Die Low-Cost-Fabrik zielt auf die Minimierung der Herstel-
lungskosten ab, um auf dem Markt als Kostenführer aufzu-
treten. Die Faktoren Termintreue und Qualität treten dem-
gegenüber in den Hintergrund. Bei ihrer Konzeption und
Planung ist daher ein striktes Target-Costing und eine Produkt-
fokussierung durchzuführen (z. B. Billigprodukte).
Die variantenflexible Fabrik zeichnet sich durch die Fähigkeit
aus, ein durch eine hohe Varianz gekennzeichnetes Pro-
duktspektrum zu geringen Selbstkosten herzustellen. Sie kom-
men vorwiegend für Fabriken der Produktionsendstufe bei
modularer Produktionsstruktur zur Anwendung (z. B. Auto-
mobile, Schaltschränke).
Die atmende Fabrik orientiert auf schwankende Marktnachfra-
gen und Produkte, die nicht auf Lager gefertigt werden und
realisiert eine Anpassung des Produktionsprozesses an die
Nachfrageentwicklung. Sie besitzt eine hohe Ressourcen� exi-
bilität, die wirtschaftlich erweitert und reduziert werden kann
(z. B. Kühlschrank- und Waschmaschinenproduktion).
Die schnelle Fabrik ermöglicht trotz geforderter reaktions-
schneller Lieferfähigkeit die Auftragsfertigung mit geringen
Kapitalbindungs- und Lagerhaltungskosten. Sie ist grenzwert-
und marktorientiert und verlangt eine hohe Logistikleistung
(z. B. Zulieferprodukte).
Die Know-how-Fabrik ist durch Mitarbeiter mit entsprechen-
den Ressourcen gekennzeichnet, die ganz spezi� sche Kompe-
tenzen zur Realisierung von speziellen Technologien und Pro-
dukten besitzen.
Die Kunden-Event-Fabrik legt ihren Fokus auf das Kundener-
lebnis bei der Herstellung von (Luxus-)Produkten. Die kunden-
gerechte Zulieferung der Baugruppen und Systembaugruppen
wird über Logistikzentren gesteuert. Neben der Beteiligung
des Kunden am Produktherstellungsprozess wird ihm ein be-
sonderes Kultur- und Freizeitangebot bereitgestellt (z. B. glä-
serne Manufaktur).
Die motivierte Fabrik ist durch die Emotionalität des Personals
zur Akquisition und Erfüllung eines Kundenwunsches(-auf-
trags) geprägt. Hierbei spielen partnerschaftliche Kunden-
Lieferanten-Beziehungen mit beiderseitigen Lerneffekten bei
ausgeprägter Personalpartizipation unter attraktiven Arbeits-
Ehrenkolloquium 2011 23
bedingungen eine dominierende Rolle (z. B. Entwicklungs-,
Test- und Unikatprodukte).
Die Segmentierung unter organisationsmethodischer Sicht
führt darüber hinaus zu solchen Ansätzen wie die fraktale
Fabrik (Warnecke 1992, 1995).
Mit dieser Segmentierung war und ist eine jeweilige Konzen-
tration auf Kernkompetenzen verbunden, was mit einer Ver-
ringerung der Wertschöpfungstiefe verbunden ist und dem-
zufolge zu einer höheren Vernetzung von Fabriken und Dienst-
leistern führt (Schenk und Wirth 2004). Im Ergebnis spricht
man von vernetzten bzw. virtuellen Fabriken (Dawidow und
Malone 1993, Schuh et al. 1998; Reinhard 2000, Wirth 2000
a und b)
Nimmt man als Unterscheidungsmerkmal die Stellung der Part-
ner in einem solchen Netzwerk, so kann man nach Wiendahl
und Harms 2001 unterscheiden in folgende Fabriktypen:
Die Zuliefer-Fabrik ist durch ein klassisches Kunden-Lieferan-
ten-Verhältnis mit geringer Verantwortung für das Endprodukt
gekennzeichnet.
Die Fabrik als Systemlieferant ist durch die Herstellung komple-
xer Produkte mit Systemverantwortung und intensiver Kun-
denbindung gekennzeichnet
Die Fabrik als Betreibermodell ist durch die Betreuung komple-
xer Produktionsanlagen mit Prozessverantwortung und lang-
fristiger Kundenbindung gekennzeichnet.
Die kooperative Fabrik ist durch die Betreuung kompletter
Geschäftsprozesse bei verschiedenen Prozessabläufen mit
vertikaler und horizontaler Kooperation gekennzeichnet.
Abb. 1: Fabriktypen der Unternehmens- und Prozessebene i.A. (Wiendahl u. Harms 2001)
Daraus ergibt sich in Anlehnung an Wiendahl und Harms
2001 Abb. 1 (Schenk und Wirth 2004):
24 Ehrenkolloquium 2011
Aufbauend auf Schmigalla (1995), Grundig (2009) sowie
Wiendahl, Reichardt u. Nyhuis (2009) ergibt sich der Betrach-
tungsraum für die Fabrikplanung und dem Fabrikbetrieb in
Abb. 2 (Schenk, Wirth 2004).
Bilanz aus Magdeburger Sicht
Wenn man von der Produktionsmaschine »Fabrik« ausgeht, so
müssen alle Planungen zum Ziel haben, dieses komplexe
System mit allen Teilsystemen in ihrer Funktionalität, Dimen-
sion, Struktur und Gestaltung aufeinander abgestimmt sein.
Dazu mussten Methoden und Verfahren entwickelt werden,
die eine solche Abstimmung über alle Prozessstufen, wie
Schmieden, Gießen, Zuschneiden, mechanisch Bearbeiten und
Montieren ermöglichen. Hierzu sind in Magdeburg grundle-
gende Instrumentarien und Werkzeuge entwickelt worden.
Tabelle 1 gibt eine Übersicht über dazu erarbeitete Lehrbriefe,
die sowohl den Studierenden als auch den Praktikern Vorge-
hensweisen zur Planung gegeben haben:
Diese grundlegenden Arbeiten fanden in Woithe (1977) ihre
Zusammenfassung.
Wechselnde bzw. schwankende Marktanforderungen machten
es notwendig, die einzelnen Funktionsbereiche den Verän-
derungen jeweils neu anzupassen bzw. sie anpassbar zu
Abb. 2: Betrachtungsraum – Fabrikplanung und Fabrikbetrieb
planen. Neue Planungsmethodiken mit der Zielsetzung nach
Flexibilität, Variabilität und Mobilität von Betriebsmitteln waren
notwendig.
Dissertation Schulze (1978) »Analyse der Auswirkungen sto-
chastischer Veränderungen von Produktions pro grammen auf
den Arbeitszeitaufwand und die technologische Struktur von
Betrieben der metallverarbeitenden Industrie«.
Dissertation Freund (1977) »Ein Beitrag zur Dimensionierung
von Stückgutlagern in Maschinenbaubetrieben unter Berück-
sichtigung stochastischer Ein� ussgrößen«.
Damit hielt die Rechnerunterstützung in die Fabrikplanung
Einzug (Gottschalk, Schenk u. Jetschny, 1987). Die Arbeiten
von Gottschalk (1978) und Schenk (1983) bilden hierzu die
Grundlagen.
Mit dieser Betrachtungsweise werden neue Modelle notwen-
dig, die die Simulation von Prozessen in den Fabriken ermög-
lichen und Basis fundierter Planungen sind. Dazu sind in Mag-
deburg neue Planungsinstrumentarien und Werkzeuge erar-
beitet worden, wie z. B. das Programmsystem SIDIBA (Simulati-
on zur Dimensionierung von Betriebsanlagen).
Abb. 3 zeigt eine Übersicht über die Vorgehensweise der
� exiblen Planung in Gießereien.
Ehrenkolloquium 2011 25
Woithe, G.
Projektierung von Betriebsanlagen des Maschinenbaubetriebes.
Lehrbrief 1: Gegenstand und Systemcharakter der Betriebsprojektierung.
1. veränd. Ausgabe, Dresden: Zentralstelle für das Hochschulfernstudium, 1985 (Erste Au� age 1965)
Lehrbrief 2: Funktionsbestimmung und Arbeitszeitaufwand
2. Ausgabe, 3. Au� age, Dresden : Zentralstelle für das Hochschulfernstudium, 1988 (Erste Au� age 1965)
Lehrbrief 3: Dimensionierung
2. Ausgabe, 3. Au� age, Dresden : Zentralstelle für das Hochschulfernstudium, 1988 (Erste Au� age 1965)
Lehrbrief 4: Die Projektierung der technisch-organisatorischen Struktur der Hilfsabteilungen und
Versorgungseinrichtungen.
2. unv. Nachdruck, Leipzig, Reprocolor, 1970 (Erste Au� age 1965)
Lehrbrief 5: Die Projektierung der technisch-organisatorischen Struktur der Hilfsabteilungen und
Versorgungseinrichtungen. Leipzig, 1980 (Erste Au� age 1970)
Lehrbrief 6: Der Generalplan und der Standort des Betriebes.
2. Ausgabe, 3. Au� age, Dresden : Zentralstelle für das Hochschulfernstudium, 1988 (Erste Au� age 1972)
Henning, D.; Czichun, F.;
Woithe, G.
Gesamttitel: Projektierung spezieller Hauptabteilungen des Maschinenbaubetriebes.
Lehrbrief 1: Projektierung von Schmieden.
Dresden : Zentralstelle für das Hochschulfernstudium, (Erste Au� age 1973)
Lehrbrief 2: Projektierung von Gesenkschmieden.
2. Ausgabe, 1. Au� age, Dresden: Zentralstelle für das Hochschulfernstudium, 1988
Lehrbrief 3: Projektierung von Montageabteilungen.
unv. Nachdruck, Dresden: Zentralstelle für das Hochschulfernstudium, 1974
Lehrbrief 4: Projektierung von Farbgebungsabteilungen.
1. Ausgabe, 2. Au� age, Dresden : Zentralstelle für das Hochschulfernstudium, 1984
Lehrbrief 5: Projektierung von Wärmebehandlungsabteilungen.
1. Ausgabe, 2. Au� age, Dresden : Zentralstelle für das Hochschulfernstudium, 1990
Tabelle 1: Lehrunterlagen
26 Ehrenkolloquium 2011
Abb. 3: Schematische Darstellung der Vorgehensweise der � exiblen Planung
(Gießereien mit verlorenen Formen)
Ehrenkolloquium 2011 27
Tabelle 2: Grundlegende Arbeiten von Gottschalk
Klein, W.
Gottschalk, E.
1. Lehrbrief Voraussetzung und Grundlagen zur Produktionsprozesssteuerung 1983
2. Lehrbrief Niveaustufen und Funktionsrealisierung der Produktionsprozesssteuerung 1983
3. Lehrbrief Projektierung von Lösungen der Produktionsprozesssteuerung 1983
4. Lehrbrief Produktionsprozesssteuerung in Gießereien 1986
5. Lehrbrief Produktionssteuerung für Montagen – Teil I 1987
6. Lehrbrief Produktionssteuerung für Montagen – Teil II 1987
Dresden: Zentralstelle für das Hochschulfernstudium
Gottschalk, E.
Schenk, M.
Produktionsprozesssteuerung in Gießereien
Leipzig: Deutscher Verlag für Grundstof� ndustrie, 1987
Gottschalk, E. Rechnergestützte Produktionsplanung und -steuerung
Berlin: Verlag Technik, 1989
Gottschalk, E. Bausteine der rechnerintegrierten Produktion
München, Wien: Hauser, 1990
Gottschalk, E.
Schenk, M.
Programmbeispiele für dezentrale Rechentechnik in Gießereien
Leipzig Stuttgart: Deutscher Verlag für Grundstof� ndustrie, 1992
Müller, G.: Beurteilung von Projektierungsergeb nissen bei der
Erarbeitung von Generalplänen für Maschinenbau betriebe.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Hochsch., Diss. A, 1986
Kläbsch, R. A.: Bildung und Vorausbestimmung von
Niveaustufen zur rationellen Gestaltung autonomer Ferti-
gungsstrukturen der Teilefertigung.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Hochsch., Diss. A, 1986
Scharrer, J.: Zur Niveauanpassung von Anlagentechnik und
Produktionsprozesssteuerung bei Integrierten Teilefertigungs-
systemen.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Hochsch., Diss. A, 1987
Glistau, E.: Produktionsprozesssteuerung bei
Indus trieroboter-Einsatz.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Univ., Diss. A, 1988
Diese Arbeiten ermöglichten, � exible Produktionssysteme zu
planen und zu gestalten. Mit der weiteren Integration von
Prozess- und Qualitätsüberwachung, Werkzeugversorgung so-
wie -transport als auch des Einsatzes von Robotersystemen für
das Handling, ist in den 1980er Jahren ein weiterer Schritt der
durchgängigen Automatisierung und damit der Prozessorien-
tierung erfolgt. Diese Entwicklungen, die von der Industrie
vorangetrieben wurden, machten neue Formen des Fabrikbe-
triebs notwendig, die rechnerunterstützte bzw. rechnerinteg-
rierte Fabrik. Hierzu sind von Gottschalk grundlegende Arbei-
ten geschaffen worden. Diese sind in Tabelle 2 auszugsweise
zusammengestellt:
Darüber hinaus prägten folgende Dissertationsschriften die
Magdeburger Schule:
Schreiber, H.: Vorausbestimmung gerätetechnischer
Niveaustufen der Produktionsprozesssteuerung in der
Klein- und Mittelserienfertigung.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Hochsch., Diss., 1984
28 Ehrenkolloquium 2011
Kriegenburg, H.-J.: (Entwicklung einer Methodik zur
Projektierung von rechnergestützten Steuerungslösungen für
Integrierte Fertigungen, dargestellt am Beispiel der zentralen
Fertigung »Rota« der VEB SKET Magdeburg.
Magdeburg: Techn. Univ., Diss. A, 1988
Freiboth, S.: Möglichkeiten der Zuverlässigkeitserhöhung
und die rechnergestützte Instandhaltungsorganisation in
Gesenkschmieden.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Univ., Diss. A, 1989
Leistner, H.: Produktionsplanung und -steuerung als Baustein
des rechnerintegrierten Betriebes.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Univ., Diss. A, 1989
Fietz, R.: Rechnergestützte Auswahl und Vordimen sionierung
automatisierter Transportlösungen in � exiblen
Teilefertigungen.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Univ., Diss. A, 1990
Enseleit, J.: Betriebsdatenerfassung in der Gießereihauptabtei-
lung Gußnachbehandlung.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Univ., Diss. A, 1990
Meyer, A.: Modelle und Programme zur rechnergestützten Di-
mensionierung von Formanlagen und Schmelzbetrieb.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Univ., Diss. A., 1990
Wiemer, H.: Disposition der Formenherstellung.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Univ., Diss. A, 1990
Bärecke, W.: Einsatz dezentraler Rechentechnik zur
Produktionsplanung und -steuerung von Giessereien.
Hochschulschrift: Magdeburg: Techn. Univ., Diss. A, 1990
Diese Arbeiten wurden national und international stark beach-
tet und führten noch zu Zeiten der deutschen Spaltung zu ei-
nem regen Erfahrungsaustausch. Zum einen war Magdeburg
mit seinem Projektierungskolloquium der Betriebs- und
Arbeits gestaltung eine feste Adresse für die internationalen
Partner und zum anderen fand eine aktive Beteiligung von
Gottschalk auf solchen Tagungen statt, wie z. B.:
»Praxis der belastungsorientierten Fertigungssteuerung«
Hans-Peter Wiendahl 1986, München
»Demonstration zu den Ausbildungskomplexen der rechnerge-
stützten Produktionsprozeßsteuerung – Exkursion in das Labor
für Produktionsprozeßsteuerung«, 1986
»Rechnergestützte Reihenfolgebestimmung für eine automati-
sche Formanlage«, Fachtagung Arbeitsgestaltung in Gießerei-
en, Leipzig 1986
»Seminar zur rechnergestützten Produktionsplanung und
-steuerung (PPS) mit dem Thema PC-Einsatz in Gießereien«,
Fachtagung Praxis der belastungsorientierten Fertigungssteue-
rung, international, 1988
Damit wurde Magdeburg zu einem wichtigen Bestandteil im
Rahmen des deutsch-deutschen Kulturabkommens. Diese
fachliche und persönliche Anerkennung der »Betriebsgestal-
tung Fabrikplanung und -betrieb« war die Basis für die
Gründung einer Projektgruppe der Fraunhofer-Gesellschaft
1991/92 mit eben diesem Namen unter Leitung von Professor
Gottschalk. Die Struktur ist in Abb. 4 aufgeführt und folgt der
hier dargestellten Pro� lierung:
Abb. 4: Projektgruppe der Fraunhofer-Gesellschaft 1991/92
Ehrenkolloquium 2011 29
Gegenwärtige Forschungsarbeiten
Geht man vom Betrachtungsraum der Fabrikplanung und des
Fabrikbetriebs in Abb. 2 aus, so sind die heutigen wissen-
schaftlichen Arbeiten des Fraunhofer IFF in Kooperation mit
der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg von folgenden
Forschungsaufgaben geprägt:
Ausgehend vom Objektbereich ist die Frage zu beantworten,
wie der Arbeitsplatz geprägt sein wird, wenn wir vor dem Hin-
tergrund der demogra� schen Entwicklung auch in Zukunft in
Deutschland und Europa produzieren wollen (trotz hoher
Lohnkosten!). Der Wettbewerbsvorteil liegt in einer weiteren
Automatisierung. Deshalb entwickeln wir Arbeitsplatzstruktu-
ren, die ein einvernehmliches, gemeinsames Handeln von
Mensch und Roboter ermöglichen. Dazu werden folgende
Forschungsarbeiten unter Leitung von Dr. Elkmann (siehe Ver-
öffentlichungen Abschnitt I) durchgeführt (Abb. 5, 6 und 7).
Abb. 5: Roboter als »dritte Hand« zur Werkerunterstützung
(Programmierung durch Vormachen, sichere Mensch-Roboter-Inter-
aktion)
Abb. 6: Entwicklung neuartiger, auf bionischen Prinzipien beruhen-
den Roboterkinematiken für die direkte Mensch-Roboter-Interaktion
Abb. 7: taktile Sensoren zur sicheren und intuitiven Interaktion
zwischen Menschen, Maschinen und Robotern
Abb. 8: Funktionsweise des Assistenzsystems
(Werkzeugbau)
30 Ehrenkolloquium 2011
Diese Forschungsarbeiten sind u. a. dadurch geprägt, neue Pla-
nungsmethoden und -verfahren zu entwickeln, um innovative
Arbeitssysteme auszulegen. Dazu kommen Techniken der vir-
tuellen Realität zum Einsatz, die später in der Betriebsphase
zugleich als Unterstützungs- und Controllingsystem dienen,
um solche Mensch-Maschine-Kooperationen zu ermöglichen.
Augehend davon, dass unsere Stärke auch weiterhin in der
Beherrschung der Produktkomplexität und -vielfalt besteht,
benötigen wir hierzu neue Formen von Assistenzsystemen.
Abb. 9: Montagearbeitsplatz für Spannmittel
Abb. 10: Interaktives Bedienertraining an einer virtuellen
Kernschießmaschine
Diese müssen die handelnden Personen an ihren jeweiligen
Arbeitsplätzen unterstützen, um die Vielfalt bei Beibehaltung
und Ausbau bestehender Qualitätsansprüche bewältigen zu
können. Diese Arbeiten werden von Dr. Berndt (siehe Veröf-
fentlichungen Abschnitt II) geleitet. Die Realisierung solcher
Systeme und die erfolgreiche Überführung in die Praxis zeigen
die Abb. 8 und 9.
Auch diese Forschungsarbeiten bauen auf digitalen Modellen
auf, erfassen die jeweiligen Prozessschritte und überprüfen im
Abgleich zwischen Realität und digitaler Planung die richtige
Umsetzung bzw. unterstützen bei notwendigen Nachbesse-
rungen. Diese neuen Werkzeuge und Instrumentarien werden
ebenso unter dem Einsatz virtueller Techniken geplant und für
den Betrieb als Unterstützungssystem ausgelegt. Wenn darü-
ber hinaus Arbeitsplätze in der Produktion in immer kürzeren
Zeiträumen neu gestaltet werden müssen, weil neue Produkte
und/oder Technologien sowie Betriebsmittel zum Einsatz kom-
men, ist damit ein ständiger Veränderungs- und Lernprozess
verbunden. Dieser Lernprozess muss zugleich sowohl voraus-
gehende Planungen durch die Beteiligten erprobbar machen
als auch ständige Veränderungsprozesse der Beteiligten unter-
stützen sowie das Personal befähigen, diesen neuen Aufgaben
gerecht zu werden. Unter Leitung von Dr. Blümel werden dazu
unterschiedliche Autorensysteme entwickelt, die es den Nut-
zern erlauben, in virtuellen Welten zu interagieren und selbst-
Ehrenkolloquium 2011 31
ständig auch an eigenen Fehlern lernen zu können. Dazu lie-
gen umfangreiche Erfahrungen und neue wissenschaftliche
Erkenntnisse vor (siehe Veröffentlichungen Abschnitt III). Die
Abb. 10 bis 12 zeigen dazu Beispiele zur Illustration.
Geht man nun vom Arbeitsplatz auf Bereichs- und Gebäude-
strukturen und betrachtet die Planung und den Betrieb von
Produktionssystemen, so muss man noch heute von folgender
Tatsache ausgehen (siehe Abb. 2):
Die Digitalisierung von Produkten, Betriebsmitteln, Prozessen
und handelnden Menschen wird unter dem Begriff »Digitale
Fabrik« zusammengefasst. Folgt man der De� nition der VDI
Richtlinie 4499, Blatt 1 so � ndet man:
»Die digitale Fabrik ist der Oberbegriff für ein umfassendes
Netzwerk von digitalen Modellen und Methoden unter ande-
rem der Simulation und 3-D-Visualisierung. Ihr Zweck ist die
ganzheitliche Planung, Realisierung, Steuerung und laufende
Verbesserung aller wesentlichen Fabrikprozesse und -ressour-
cen in Verbindung mit dem Produkt.«
Derzeit können jedoch erst ca. 30 Prozent aller Prozessschritte
eines Produktionssystems digital abgebildet werden. Die ein-
gesetzten Werkzeuge sind lediglich Planungstools, für die
versucht wird, eine Datenintegration herzustellen. Eine Infor-
mations- und Wissensintegration existiert kaum und ist für die
Betriebsphase bis heute nicht geeignet. Deshalb wird am
Fraunhofer IFF in Kooperation mit der Otto-von-Guericke-
Universität Magdeburg das »Digital Engineering« aufgebaut.
Das Digital Engineering orientiert sich am gesamten Lebens-
zyklus des Systems, verbindet Werkzeuge auf Basis neuer inte-
roperabler Werkzeuge mit nutzerübergreifenden Interaktons-
möglichkeiten unter Einbeziehung unterschiedlicher Medien-
unterstützungen.
Die fachliche Leitung seitens des Fraunhofer IFF liegt bei
Dr. Schumann. Unter Digital Engineering verstehen wir die
Summe aller digitalen Werkzeuge, Methoden und Prozesse in
der Entwicklung, Fertigung und Nutzung von Produkten und
Produktionsmitteln über den gesamten Produktlebenszyklus.
Auf Basis dieser Arbeiten ergeben sich im Virtual Development
and Training Centre VDTC folgende Interaktionsmöglichkeiten
(Abb. 13):
Abb. 11: Umgang mit explosiven Flüssigkeiten -präventiver
Arbeitsschutz
Abb. 12: Interaktive Demontageanleitung von Transformatoren
32 Ehrenkolloquium 2011
Mit dem integrierten Infrarot-Trackingsystem können markier-
te Objekte im gesamten Elbe Dom des VDTC ohne Einschrän-
kung der Freiheitsgrade verfolgt werden. Das ermöglicht den
Einsatz sowohl zur Positions- und Orientierungserfassung von
statischen Objekten, wie Bauteilen, Werkzeugen und Interakti-
onsgeräten, als auch zur Bewegungsaufnahme von dynami-
schen Objekten und komplexen kinematischen Ketten, wie
Menschen und Robotern. Dies erlaubt die zukünftige Auswer-
tung natürlicher menschlicher Ausdrucksmittel wie Gestig und
Abb. 13: Schematische und beispielhafte Dar stellung der zur Verfügung stehenden Inter aktionsmittel.
Körpersprache durch Computer. Wenn diese Möglichkeiten
mit klassischen Interaktionen mithilfe von Maus und Tastatur
sowie durch kraftrückgekoppelte Eingabegeräte und/oder
gyroskopische Trackingkomponenten in modernen Hand-Held-
Systemen kombiniert werden, ergeben sich umfangreiche
Testszenarien und -formen für das Digineering. Die derzeitige
Integration der Akustik erweitert die Interaktion um einen
wesentlichen Bestandteil.
Ehrenkolloquium 2011 33
Durch die gleichzeitige Interaktion mehrerer Nutzer mit virtuel-
len Maschinen und Anlagen können domänenübergreifende
Arbeitsprozesse gestaltet und ihre organisationalen Auswir-
kungen überprüft werden. Dazu werden einfache Single-User-
Interaktionsmetaphern durch Multi-User-Konzepte ergänzt.
Hierzu ist eine automatische Verwaltung von Interaktions- und
Manipulationsrechten verschiedener Nutzer in der VR-Welt
notwendig, um problematische parallele Bedienvorgänge aus-
zuschließen und darüber hinaus die Schaffung von Schnitt-
stellen zur Anbindung verteilter Nutzer und Arbeitsumgebun-
gen sowie die Unterstützung jedes einzelnen Nutzers/einzelner
Gruppen bei der Lösung individueller Aufgaben durch Bild-in-
Bild-Verfahren und Aufteilung der Projektions� äche realisieren
zu können.
Abb. 14: Schematische und beispielhafte Darstellung eines kooperativen Multi-User Szenarios.
34 Ehrenkolloquium 2011
Durch die bidirektionale Kopplung realer physischer Anlagen-
komponenten (beispielsweise einer Maschinensteuerung wie
in Abb. 16) mit virtuellen Modellen einer Anlage, werden Ent-
wicklungs- und Testumgebungen geschaffen, die die Ef� zienz
der Engineeringprozesse wesentlich verbessern sowie Inter-
aktionsformen mit den realen Arbeitsmitteln (z. B. Werk zeugen
oder Bedienkonsolen) entwickeln, die für die Akzeptanz
notwendig sind. Reale Arbeitsplätze können so mit virtuellen
Anlagenkomponenten kombiniert werden, um in
geeigneter Weise der Komplexität im Digineeringprozess zu
begegnen. Beim Testen der Wechselwirkung zwischen der
realen und der virtuellen Welt ist eine Optimierung der Anlage
sowie der Mensch-Maschine-Kommunikation möglich.
Abb. 15: Schematische und beispielhafte Darstellung eines Mixed Reality Szenarios.
Ehrenkolloquium 2011 35
In komplexen Arbeitssystemen werden zukünftig Menschen
und multifunktionale autonome Systeme (z. B. Assistenz-
roboter) zusammenarbeiten. Sicherheitsanforderungen, Steue-
rungssysteme und Sensorsysteme zur Umgebungserfassung
können in Mixed-Reality-Arbeitsräumen, in denen Menschen
und mobile autonome Roboter miteinander interagieren, ge-
testet als auch Lernumgebungen für den Menschen und das
System geschaffen werden.
Abb. 16: Schematische und beispielhafte Darstellung eines Automated Mixed Reality Szenarios
36 Ehrenkolloquium 2011
Damit wird deutlich, welche neuen Perspektiven sich für die
Planung und den Betrieb bzw. den Um- oder Erweiterungsbau
von Produktionssystemen ergeben. Wir wissen, dass beim
Aufbau neuer Produktionssysteme im Anlauf dieser automati-
sierten Systeme sehr komplexe Aufgaben liegen. Deshalb
werden diese Prozesse mit der Industrie gegenwärtig in zahl-
reichen Projekten gelöst, wobei dazu die unterschiedlichsten
Interaktionsformen bereits zum Einsatz kommen. Beispiele
dazu zeigen die Abb. 17 bis 19.
Abb. 19: Interaktive dynamische Testumgebung (Bewegungsplatt-
form) für Komfort- und Ergonomieuntersuchungen
Abb. 17: Interaktive Montageplanung für einen AEM-Generator am
immersiven Ingenieursarbeitsplatz
Abb. 18: Nutzer interagiert über reale Werzeuge und haptische
Ein- und Ausgabegeräte mit einem virtuellen Modell
Abb. 20: Anwendungen VR-Techniken in der Entwicklung und
Konstruktion einer Anlage des SM Calvörde Sondermaschinenbau
GmbH & Co. KG, VIDET
Ehrenkolloquium 2011 37
Die Forschungsarbeiten des Fraunhofer IFF werden u. a. durch
das Innovationscluster »Virtual Development, Engineering and
Training VIDET« unterstützt (Abb. 20 und siehe Veröffent-
lichungen Abschnitt IV und V). Diese Arbeiten werden von
Prof. Schmucker geleitet. Sie ermöglichen verkettete hochau-
tomatisierte Systeme zu entwickeln, zu planen und zu steuern.
Forschungsseitig partizipieren diese Arbeiten sehr von der I
nnovationsallianz Virtuelle Techniken. Hier spielt das Fraun-
hofer IFF eine entscheidende Rolle (Abb. 21).
Abb. 22: Identi� kation der Kenndaten (Typenschild) eines
VEM-Motors
Abb. 21: Einsatz von Augmented Reality zur Montageunterstützung
Abb. 23: Behältermanagement im weltweiten Produktionskreislauf
bei Siemens Power Generation
Wenden wir uns nun den Unternehmensnetzen zu. Wenn
man heute von einer durchschnittlichen Wertschöpfungstiefe
über alle Branchen von ca. 40 bis 20 Prozent ausgeht, so wird
deutlich, wie umfangreich die Beschaffungs- bzw. Distributi-
onsprozesse sind. Dabei spielt im zunehmenden Maße die Si-
cherheit der Warenkette, deren Transparenz sowie die Rück-
verfolgbarkeit eine herausragende Rolle. Da die Logistik schon
heute eine Anteil von ca. 2,5 bis 3 Prozent an der Wertschöp-
fung besitzt und dieser zukünftig noch zunehmen wird, wer-
den hierbei die gleichen Qualitätsanforderungen wie im Pro-
duktionsprozess Einzug halten. Deshalb widmet sich das
Fraunhofer IFF in Kooperation mit dem Institut für Logistik und
Material� ußtechnik ILM der Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg dieser Problematik unter Leitung von Herrn Seidel
und Prof. Richter. Dazu werden Identi� kations-, Kommunika-
tions- und Ortungstechnologien entwickelt, die für die unter-
schiedlichsten Produktionssysteme in Verbindung mit den je-
weiligen Gebäudetechniken sowie für unterschiedliche Logis-
tikknoten und Transport- sowie Verkehrssysteme geeignet
sind. Zur Illus tra tion dienen die Beispiele in Abb. 22 bis 35.
38 Ehrenkolloquium 2011
Dabei kommen unterschiedliche Informations- und
Kommunikationstechniken als auch -arten zum Einsatz
Abb. 24: Werzeugverwaltung – Erfassen und Auslesen
der Kalibrierdaten und Zerti� zierungsinformationen
Abb. 25: Kennzeichnung an den Verpackungen und Ladehilfsmitteln Abb. 27: Intelligente Smart-Box signalisiert alle
Entnahmen von Paketen
Abb. 26: Palette mit Kennzeichnungs- und Identi� kationsdaten
Ehrenkolloquium 2011 39
Diese Forschungsergebnisse sind in zahlreichen Projekten mit
der Industrie bereits umgesetzt und erfolgreich im Einsatz.
(siehe Veröffntlichungen Abschnitt VI)
Des Weiteren dient das Galileo-Testfeld in Kooperation mit der
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und dem ifak als
Test- und Erprobungsplattform. (Abb. 32-35)
Abb. 30: Intelligenter Wechselbehälter kommuniziert mit
dem Fahrzeug
Abb. 28: Handschuh identi� ziert das Paket Abb. 31: Daten der Palette werden durch das Gate ausgelesen
Abb. 29: Auslesen von Frachtinformationen des Containers
Abb. 32: Pulkerfassung von Gebinden im Galoleo-Entwicklungslabor
– Wissenschaftshafen Magdeburg
40 Ehrenkolloquium 2011
Es ist logisch, dass der Einsatz dieser Technologien für Produk-
tions- und Logistiksysteme eine neue Informations- und Kom-
munikations-Infrastruktur benötigt. Gegenwärtig werden neue
digitale Modelle entwickelt, die eine Simulation dieser Funktio-
Abb.33: Telematik- und Logistiktestfeld des regionalen Verkehrsmanagementnetzwerks Flughafen Halle/Leipzig
Abb.34: Containerumschlag im Magdeburger Hafen mit
Hanse-Terminal
Abb. 35: Verladung eines Containers im Magdeburger Hafen
nen ermöglichen, was neue Planungsmethoden und -verfah-
ren zum Ergebnis haben wird.
All diese digitalen Methoden und Verfahren über die genann-
ten Objektbereiche für Planung und Betrieb werden u. a. im
Spitzenforschungsprojekt »Virtuelle und Erweiterte Realität für
höchste Sicherheit und Zuverlässigkeit von Eingebetteten
Systemen ViERforES« entwickelt und erprobt (Abb. 36).
z. B.
Ehrenkolloquium 2011 41
Mit dem Center for Digital Engineering CDE in Kooperation
mit dem Fraunhofer IFF ist es gelungen, sechs Fakultäten der
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zur interdiszipli-
Abb. 36: Thematische Verknüpfung in der Innovationsallianz Virtuelle Techniken
Abb. 37: Struktur Center for Digital Engineering CDE ©2009
nären Arbeit auf diesem Gebiet zusammenzuführen und
eine Schwerpunktsetzung in Magdeburg vorzunehmen
Abb. 37).
42 Ehrenkolloquium 2011
Abb. 38: Makro-, Mikro- und mesoskopische Sichten bei der Simulation
Abb. 39: Aggregation von Mengenströmen in einem mehrkanaligen Trichter
Mit dem Masterstudiengang Digital Engineering setzt Magde-
burg in der Nachwuchsrekrutierung und -entwicklung auf
dem, für die Wirtschaft strategisch wichtigen Gebiet, neue
Maßstäbe. Wenn man davon ausgeht, dass diese Unterneh-
mensnetzwerke an Dynamik zunehmen werden, so sind neue
Modelle notwendig, die eine Online-Planung und -Steuerung
möglich machen. Diesem Thema stellt sich das Institut für
Logistik und Material� usstechnik ILM in Kooperation
mit dem Fraunhofer IFF unter Leitung von Prof. Tolujew.
Mit den Modellen zur mesoskopischen Simulation ist
heute schon eine Online-Simulation von komplexen dy-
namischen Netzen möglich, was zahlreiche Veröffentli-
chungen zeigen. Diese Methode wird in den Abb. 38
bis 40 erklärt
Ehrenkolloquium 2011 43
Abb. 40: Praktische Ergebnisse: Ableitung von Maßnahmen bei Störungen eines Logistikprozesses
Abb. 41: Elektromobilitätsleitstand mit Komponenten und Ebenen
Damit wird eine wichtige Basis dafür geschaffen, diese Sys-
teme zukünftig zu beherrschen und ereignis- und zustands-
orientiert (siehe fühlende Kisten!) zu steuern.
Die Produktions- und Logistiksysteme müssen sich darüber
hinaus den Themen Energieef� zienz, dezentrale Energiewand-
lung und -speicherung, neue Formen des Energiemanage-
ments als auch in diesem Zusammenhang der Elektromobilität
stellen. Dieses umfangreiche Gebiet wird von der Energieseite
von Dr. Gohla in Kooperation mit Herrn Seidel und Prof. Rich-
ter geleitet. Deshalb wird an dieser Stelle besonders das
Projekt Harz.EE-mobility für die Modellregion Harz herausge-
griffen:
44 Ehrenkolloquium 2011
Abb. 43: Entwicklungsprozess der Netzintegration von Elektromobilen
Abb. 42: Vision von Harz.EE-mobility: Regenerative Energien mit Lastmanagement für die Elektromobilität
Ehrenkolloquium 2011 45
Diese gegenwärtigen Arbeiten zeigen (siehe auch Veröffentli-
chungen Abschnitt VII), wie das Fraunhofer IFF in enger Ko-
operation mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
den Betrachtungsraum der Fabrikplanung und des -betriebs
ausfüllt und prägt. Deutlich werden zum einen die fachliche
Entwicklung und der Ausbau des Instituts und zum anderen
die Notwendigkeit der Industrie gegenüber als Systemanbieter
aufzutreten. Diesem Anspruch wird das Fraunhofer IFF durch
zahlreiche nationale und internationale Projekte bereits heute
in großem Maße gerecht.
Blick in die Zukunft
Aus Sicht des Fraunhofer IFF ergeben sich folgende
wesentliche Zukunftsfelder:
Das Digital Engineering wird für Deutschland als Entwickler
und Produzent von strategischer Bedeutung. Dabei wird es da-
rauf ankommen, Lösungen zu erarbeiten, die bei der interdis-
ziplinären Zusammenarbeit neue Formen und Ausprägungen
der organisatorischen, semantischen und technischen Intero-
perabilität bieten. Diese Forschungen und Entwicklungen sind
anwendungsspezi� sch. Somit stellen sie den entscheidenden
Wettbewerbs- und Wissensvorsprung für das jeweilige Unter-
nehmen dar. Hierzu sind neue Formen der Partnerschaft mit
der Industrie zu � nden.
Produzieren in Deutschland ist eng mit neuen Produktionssys-
temen und deren Automatisierungen verbunden. Neue For-
men der Gestaltung von Arbeitsplätzen als auch der Informa-
tions- und Kommunikations-Infrastruktur müssen entwickelt
werden, um Wettbewerbsvorteile immer wieder erzielen zu
können.
Das Digital Engineering wird hierzu neue Entwicklungs-, Test-
und Lernplattformen bieten. Die Digitalisierung wird alle logis-
tischen Objekte (Produkte, Ladungsträger, Verkehrsträger
usw.) mit dynamischen Informationen versehen, sodass sowohl
eine Selbststeuerung in Produktions- und Logistiksystemen als
auch zwischen ihnen möglich wird. Wir werden nicht mehr
nur von vorauseilenden Informationen, sondern von vorausei-
lendem Wissen sprechen. Damit werden zukünftige Systeme
nicht mehr reaktiv, sondern proaktiv gestaltet.
Automatisierungslösungen werden sich an demogra� schen
Bedingungen in Europa orientieren und benötigen neue For-
men der Mensch-Maschine-Schnittstellen. Diese müssen indivi-
duell und organisatorisch anpassbar und adaptierbar sein.
Ressourcenef� zienz werden Produktions- und Logistiksysteme
in entscheidendem Maße beein� ussen. Neue Gestaltungs-
lösungen, Techniken und Technologien sind dazu zu entwi-
ckeln.
Literaturverzeichnis
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Fachbuchverlag Leipzig, 1994, ISBN 344612537X
Spur, G.; Janetschek, R. H.; Federspiel, R.: Produktionstechnische
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Aggteleky, B.: Fabrikplanung – Werksentwicklung und Betriebsrationalisie-
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Warnecke, H. J.: Die fraktale Fabrik,
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Scharrer, J.: Zur Niveauanpassung von Anlagentechnik und Produktionspro-
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rechnergestützte Instandhaltungsorganisation in Gesenkschmieden,
Hochschulschrift: Magdeburg, Techn. Univ., 1989
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Hochschulschrift: Magdeburg, Techn. Univ., Diss., 1990
Meyer, A.: Modelle und Programme zur rechnergestützten Dimensionie-
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Hochschulschrift: Magdeburg, Techn. Univ., Diss. A, 1990
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Hochschulschrift: Magdeburg, Techn. Univ., Diss. A, 1990
Veröffentlichungen der Fraunhofer IFF – Forschungser-
gebnisse
Abschnitt I
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Elkmann, N.; Fritzsche, M.: RoboTouch – An arti� cial skin for
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48 Ehrenkolloquium 2011
Abschnitt II
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Virtual Reality; 6 (Magdeburg): 2009.06.16-18
Berndt, D.; Mecke, R.; Teutsch, C.; Tümler, J.: Montageassistenz mit Aug-
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Abschnitt III
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Springer-Verlag Gmbh; 2010
Beuting ,J.; Haase, T.; Termath, W.: Quali� zierung von technischen
Fachkräften in der Instandhaltung von Hochspannungsbetriebsmitteln
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In: lernen & lehren, S. 26-32, 25. Jahrgang 2010, Heckner Druck- und
Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Blümel, E.: Stand und Entwicklungstrends des Einsatzes von VR/AR-Techni-
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In: Kompetenzentwicklung in realen und virtuellen Arbeitssystemen,
Dortmund: GfA-Press, 241-244
Blümel, E.; Termath, W.; Haase, T.: Virtual Reality Platforms for Education
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In: International Journal of Advanced Corporate Learning (iJAC) (2009) No.
2, ISSN 1867-5565, Amman (Jordanien)
Haase, T.; Termath, W.; Blümel, E.: Interactive 3-D Training System for
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In: Tagungsband, S.69-79, eLearning Baltics 2009, 2nd eLBa Science
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In: Springer Berlin / Heidelberg (Hrsg.): Tagungsband, S.294-296, Internati-
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Schumann, M.; Schenk, M.; Blümel, E.: Numerically Controlled Virtual
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In: Tagungsband, The 2nd Sino-German Workshop »Virtual reality & Aug-
mented Reality in industry« (Science & Technology Museum, Shanghai/Chi-
na 16.04.2009 - 17.04.2009)
Blümel, E.; Schenk, M.; Schumann, M.; Böhme, T.: Virtuelle
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In: wt Werkstatttechnik online, 96 (2006) 7/8
Blümel, E.; Schumann, M.; Schenk, M.: ViVERA – Network of Competence
for Virtual and Augmented Reality.
In: University of Miskolc, Miskolc: microCAD 2006 – International Scienti� c
Conference, 16.-17. März 2006, Miskolc / Ungarn
Blümel, E.; Hintze, A.; Schumann, M.; Schulz, T.; Stuering, S.: Virtual Envi-
ronments for the Training of Maintenance and Service Tasks. Proceedings
of the Winter Simulation Conference, December 7 – 10, 2003, New Orle-
ans, LA / USA
Blümel, E.; Schumann, M.: Using Virtual Design, Test and Training Platforms
during the Life Cycle of Complex Technical Systems.
In: 4th International Conference on Computer Applications and Informati-
on Technology in the Maritime Industries (Hamburg 08.-11. Mai 2005) - Ta-
gungsband, S. 377-380
Blümel, E.; Schenk, M.; Müller, G.; Belardinelli, C.: Making the virtual more
real: research at the Fraunhofer IFF Virtual Development and Training Cen-
tre. Cogn Process 2008, Laboratory Note, Springer-Verlag
Ehrenkolloquium 2011 49
Abschnitt IV
Schenk, M.; Schmucker, U.: Durchgängiges Virtual Engineering
für Maschinen und Anlagen.
Industrie Management 1/2009, S. 53-56
Schmucker, U.; Juhász, T.: CAD to SIM: CAD Model Conversion for Dymo-
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Abschnitt V
Adler, S.; Mönch, T.; Mecke, R.: Krankheitsfallspezi� sche Organmodelle für
die interaktive Chirurgiesimulation. Magdeburg: IFF Wissenschaftstage;
Hrsg. Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E.h. Dr. h.c. mult. Schenk, Juni 2010
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Adler, S.; Salah, Z.; Mecke, R.; Preim, B.; Rose, G.: Overlay of patient speci-
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In: International Workshop on Digital Engineering, Magdeburg, 2010
Abschnitt VI
Richter, K; Kirch, M.: Mit gutem Gefühl abheben. Lösungen für mehr Si-
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Produktionstechnik – ADB –: Instandhaltungs-Performance im Focus: 27.
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Und 17. Mai 2006, Düsseldorf: VDI Verlag, VDI-Berichte 1927, pp. 65-74,
ISBN 3-18-091927-2
Plate, C.; Röben, H.; Hanisch, A.: Intelligente Instandhaltungsobjekte - Ein-
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Oktober 2006, Klagenfurt: Syssec, 2006 (IT Security & IT Management) pp.
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Abschnitt VII
Unger, C.; Naumann, A.; Styczynski, Z. A.; Komarnicki, P.: Auswirkungen
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Niederspannungsnetzen. VDE Kongress 2010: »E-Mobility: Technologien –
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Geske, M.; Lipiec, K.; Komarnicki, P.: In� uence of electric mobility on
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schaftliches Kolloquium, Ilmenau, September 2010
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Wenge, M.; Komarnicki, P.; Styczynski, Z. A.: Models and boundaries of
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practical realization. Modern Electric Power Systems 2010 (MEPS‘10),
Wroclaw, Poland, September 2010
Lipiec, K.; Komarnicki, P.: Modeling Storage Characteristics of Electric
Vehicles in the Grid. IEEE Vehicle Power and Propulsion Conference /VPCC
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Komarnicki, P.; Müller, G.: E-car as an active component of electrical
network. Proceedings of Blackout Conference 2010, 4th International
Blackout Conference (Blackout a Krajowy System Energetyczny), Poznan-
Rosnowko, Poland; Juni 2010
Geske, M.; Winkler, T.; Komarnicki, P.; Heideck, G.: Controlled Battery
Charger for Electric Vehicles, 28th Symposium of Progress in Electromagne-
tics Research (PIERS) 2010, Cambridge, USA, July 2010
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P R O D U K T I O N U N D L O G I S T I K I M 2 1 . J A H R H U N D E R T
Ehrenkolloquium 2011 53
AUSWIRKUNGEN DES WANDELS IN DER PRODUKTION AUF FABRIK UND LOGISTIKProf. Dr. Dr.-Ing. Siegfried Wirth, Technische Universität Chemnitz
Ich widme den nachfolgenden Beitrag meinem lieben Freund,
Mitstreiter, hochgeschätzten Fachmann, Hochschullehrer und
Wissenschaftler, dem ersten Professor für Produktionsplanung
und -steuerung, dem Jubilar Eberhard Gottschalk anlässlich
seines 75. Geburtstags.
»Früher waren die klügsten Leute Ärzte und Ingenieure, heute
werden sie Berater und suchen nach Unzuläng lichkeiten im
Gesetz.«
Zitat: Prof. U. H. Schneider, TU Darmstadt, VDI 2010
Die Vision der »Rechnerintegrierten Fabrik«
Prof. Eberhard Gottschalk zählt zur 1. Kategorie. Aus seinem
abwechslungsreichen, vielseitigen und arbeitsintensiven Leben
möchte ich heute auf einige visionäre Ideen von damals und
ihre Wirkungen auf die Zukunft eingehen. Seine Visionen zur
»Rechnerintegrierten Produktion« sind in einer Vielzahl von
Vorlesungen, Veröffentlichungen, Lehrbriefen und Vor trägen
dokumentiert. Auf zwei Werke, in denen die vorausschauende
Entwicklung von Produktion und Logistik zum Ausdruck
kommt, soll exemplarisch verwiesen werden.
Es sind die »Rechnergestützte Produktionsplanung und -steue-
rung« und die »Bausteine der rechnerintegrierten Produk-
tion«, die beide im Verlag Technik 1989 erschienen sind. Hier
wurden die Merkmale und Gesetzmäßigkeiten der zu planen-
den und steuernden Produktionsprozesse in Verbindung mit
Kriterien wie der Flexibilität, der Stabilität, der Zuverlässigkeit,
der Modellbildung für PPS-Lösungen und vor allen Dingen die
Systematisierung von Funktionen und Schnittstellen aller be-
trieblichen Abläufe erstmals ganzheitlich betrachtet.
Die entwickelten Bausteine der Informationsverarbeitung in
der Produktionsvorbereitung und -durchführung, die Bausteine
der integrierten und automatisierten Fertigung, der Kommuni-
kationsprozesse sowie der wissensbasierten CIM-Konzepte
waren schon damals Zukunftsvisionen. Sie bildeten eine theo-
retische Grundlage für die Praxis. Letztere zeigten zwar vor ca.
20 Jahren die Grenzen der Beherrschbarkeit großer komplexer
CIM-Lösungen auf, öffneten jedoch den langen Weg zur Digi-
talisierung über den gesamten Lebenszyklus von den Prozes-
sen der Entwicklung, der Konstruktion, der Planung und Steu-
erung der Produktion bis hin zur Instandhaltung und zum Ser-
vice.
Die »CIM-Fabrik«, der wir uns verschrieben hatten, scheiterte
damals an der Beherrschbarkeit der Daten� ut, den permanen-
ten Aktualisierungen bei Änderungen, den ungenügenden
software- und hardwareseitigen Voraussetzungen, der Quali� -
kation der Mitarbeiter sowie an der Wirtschaftlichkeit in Ver-
bindung mit den sich abzeichnenden Wandlungsprozessen.
Für die heutige »digitale Fabrik« sind die Forschungsarbeiten
zu CIM-Bausteinen eine entscheidende Grundlage. Nicht zu-
letzt dafür wurden durch die »Magdeburger Schule« wichtige
Grundlagen für die digitale Entwicklung, Produktionsplanung
und -steuerung geschaffen. Sie wird heute u. a. durch den
Schwerpunkt »Digital Engineering« von Prof. Schenk weiter-
geführt. Diese Entwicklung ist mit ein Verdienst unseres Jubi-
lars!
Globalisierung verändert Produktion und Logistik
Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wird in einer glo-
balisierten Welt durch innovative Produkte und Technologien
sowie durch die Innovationstreiber Wandlungsfähigkeit, Res-
sourcenef� zienz und IuK-Technologien zur Digitalisierbarkeit
von Prozessen und Objekten vorangetrieben. Dabei unterlie-
gen Produktions-, Kooperations- und Fabrikstrukturen einem
permanenten Wandel. Aus Sicht der Produktion zeichnen sich
ganz allgemein vier ineinander übergehende Entwicklungs-
etappen ab. Sie sind mit ihren Merkmalen in Abb. 1 darge-
stellt.
54 Ehrenkolloquium 2011
Abb. 1: Etappen der Produktion (Schenk, Wirth, Müller, 2011)
Ehrenkolloquium 2011 55
Parallel zu den Etappen der Produktion kommen auch neuste
Erkenntnisse für neue Produkte und Herstellungstechnologien
sowie digitale Methoden zum Tragen, die in kürzester Zeit die
Planung und Steuerung einer nahezu realen Fabrik ermögli-
chen. Dies gilt im besonderen Maße für die Logistik, die diese
Entwicklungen mit beein� ussen und sich den Herausforderun-
gen neuer Technologien stellen muss. Während die Entwick-
lungsetappen 1 und 2 die realisierte Praxis in der Fabrikgestal-
tung und Logistik beinhalten, sind die zukunftsorientierten
Etappen 3 und 4 durch Wandlungsfähigkeit und die ressour-
cenef� ziente Fabrik gekennzeichnet, deren Planungs- und
Steuerungslösungen in sehr kurzer Zeit erstellt werden kön-
nen. Das traditionelle Produktionspro� l verschiebt sich zuguns-
ten erneuerbarer Energien und neuer, vorwiegend nichtmetal-
lischer Werkstoffe für innovative leichte Produkte. Es kristalli-
sieren sich neue Fabrikarten und -typen in unterschiedlichen
Branchen heraus.
Innovative Produkte und Technologien verändern
Fabriken der Schlüsselindustrie
Die Entwicklung neuer Werkstoffe und neuer Technologien
der Fertigungs- und Verfahrenstechnik ermöglichen die Gestal-
tung neuer Produkte. Dies bedarf intelligenter Ausrüstungen
der Be- und Verarbeitung für diese neuen Produkte. Das sind
beispielsweise Erzeugnisse der Mikroelektrotechnik, der Kom-
munikations- und Informationstechnik, veredelte mate rial-,
energie- und kostensparende Produkte sowie Produkte der
Biotechnik/Bionik und der Elektromobilität. Die Schlüssel-
industrie beschleunigt dabei die Veränderung der Produktions-
strukturen. Die Minimierung von Maßen und Massen kenn-
zeichnet diese Entwicklung. Zwei ausgewählte Beispiele sollen
dies verdeutlichen:
a) Neue Werkstoffe für neue Produkte
Neue Werkstoffe führen zu neuen Be- und Verarbeitungs-
technologien und damit zu neuen Betriebsmitteln. Abb. 2
zeigt neue Einsatzgebiete für Verbundwerkstoffe in unter-
schiedlichen Branchen der deutschen Exportindustrie.
b) Neue Fabrikanlagen zur Gütererzeugung
Jede Gütererzeugung führt zu einem Produkt über den tech-
nologischen Prozess mit der dafür notwendigen Anlagen-
technik in der Fabrik. Nach den Haupttechniken der Güter-
erzeugung lassen sich die Fabriken gemäß Abb. 3 gliedern.
In der Praxis kommen die spezi� schen technologischen Verfah-
ren der einzelnen Haupttechniken zum Tragen. Branchenüber-
greifende Technologien und Maschinen gewinnen an Bedeu-
tung. Prinzipielle Unterschiede in der Anlagengestaltung be-
stehen bei Anlagen für Stückgut- und Fließgutprozesse. Die
Technologie verfahrenstechnischer Prozesse beruht vorwie-
gend auf der Stoffwandlung (stoffwandelnde Industrie), die
der Fertigungstechnik vorwiegend auf formwandelnde/form-
gebende Prozesse. Beide Haupttechniken sind z. B. notwendig
zur Gewährleistung von Bauteilen für die Elektromobilität. Die
Energie- und IuK-Technik bedienen sich sowohl verfahrens-
technischer als auch fertigungstechnischer Produkte (Maschi-
nen und Anlagen).
Ein Beispiel zu anlagentechnischen Lösungen sind erneuerbare
Energien, die Komponenten der vier Haupttechniken enthalten
(Abb. 4).
Abb. 2: Neue Werkstoffe – neue Technologien
(Quelle: LVW, TUC)
Abb. 3: Haupttechniken der Gütererzeugung
56 Ehrenkolloquium 2011
Zusammenfassend kann festgestellt werden: Innovative Pro-
dukte erfordern neue Werkstoffe. Neue Werkstoffe erfordern
neue Herstellungsverfahren und die dafür benötigten Anlagen
bzw. Betriebsmittel. Die Logistik hat sich dieser Entwicklung zu
stellen. Dies gilt insbesondere für die logistische Verknüpfung
der spezi� schen technologischen Verfahren und Prozesse aus
den vier Haupttechniken zu wettbewerbs fähigen Wertschöp-
fungsketten und -netzen.
Logistikstrukturen und IuK-Technologien
a) Logistikstrukturen folgen neuen Produktionsabläufen
Die Gestaltung von Logistikstrukturen hat nach wie vor aus
zwei Sichtweisen zu erfolgen, zum einen aus der Sicht der in-
ternen Unternehmensstruktur und zum anderen aus der exter-
nen Struktur mit der Vernetzung nach außen.
Früher galt für die interne Sichtweise die Faustregel: Material-
� ussstrukturen sind dann richtig ausgebildet, wenn sich die
räumliche Anordnung der technologischen Abfolge anpasst,
d. h., die räumliche Anordnung folgt dem Material� uss. Die
neuen Möglichkeiten der Produktionsprozesssteuerung heben
diese Faustregel auf.
Die externe Sicht erweitert den Blickwinkel der Strukturierung.
Jede Produktion dient der Erfüllung von Kundenbedürfnissen
und Kundenaufträgen. Deshalb geben die Kundenauftrags-
merkmale und -anforderungen entscheidende Inputs zur
Strukturbildung. Der Ein� uss des Unternehmensumfeldes
(Kunden, Mitwettbewerber, Lieferanten etc.) � ndet heute bei
der Strukturierung eine stärkere Berücksichtigung. Im Sinne
der Ganzheitlichkeit werden ausgehend vom Kunden die
Abhängigkeiten zur Distribution, zur Produktion (auch zu ver-
teilten, vernetzten Produktionen) und zur Beschaffung mit
beachtet. Wichtig ist die Festlegung des Kundenentkopplungs-
punktes, der vorwiegend nach logistischen Aspekten auszu-
richten ist.
b) IuK-Technologien in der digitalen Fabrik
Die rechnergestützte Planung und Steuerung basiert heute
und in Zukunft auf der Digitalisierung von Produkten, Prozes-
sen, Anlagen und Systemen lebenszyklusorientiert entlang der
Wertschöpfungskette. Die Darstellungsmöglichkeiten von Pro-
zessen und Objekten erfolgen über Daten(-banken) und ent-
sprechende Software als VR-, AR- und Multimediaanwendun-
gen. Bei Virtual Reality (VR) werden in den Bereichen der digi-
talen Fabrik/Produktionsstätte sämtliche Fertigungs- und Logis-
tikprozesse, die die reale Fabrik kennzeichnen, in einem Rech-
nermodell über Datenbanken abgebildet. Ein weiterer Schritt
ist die Planung mit Augmented Reality (AR). Er wird durch die
Anreicherung der realen Umgebung mit virtuellen Objekten
erreicht, sodass der Anwender den Realitätsbezug nie verliert
und nicht komplett in eine künstliche Welt eintaucht. Ziel der
AR ist es, die menschliche Wahrnehmung sinnvoll mit virtuel-
len Informationen zu ergänzen und somit die Leistungsfähig-
keit der realen Fabrik zu steigern.
Die digitale Fabrik bildet alle Aspekte einer Fabrik als digitales
Modell ab. IT-Plattformen ermöglichen die computergestützte
Entwicklung, den Aufbau und Anlauf sowie den Betrieb von
Produktions- und Dienstleistungsstätten unter dem Aspekt ei-
ner logistikgerechten Prozessplanung.
Es gibt in der heutigen Zeit eine Vielzahl von IT-Systemen, die
eine Fabrik über den gesamten (Produkt-)Lebenszyklus abbil-
den können. Beispiele für Systeme mit internationaler Verbrei-
tung sind SAP, Oracle oder Microsoft Navision. Daneben exis-
tiert eine Vielzahl von speziellen – oft auf einzelne Branchen
oder Länder begrenzten – Systemen, wie z. B. IFAK, infor, PSI
oder proAlpha. Auf der Unternehmensebene kommen stan-
dardisierte ERP-Systeme zum Einsatz, die in den Produktions-
stätten durch Speziallösungen untersetzt werden.
In der Produktionsplanung und der Produktion selbst wird eine
vollständige Transparenz des Datenaustausches angestrebt.
Dies erfolgt problem- und aufgabenbezogen durch Kombinati-
on und Vernetzung von Informationssystemen über deren
Software. Beispielsweise werden mittels SAP-zerti� zierten
Coscom-Software-Modulen die Prozessketten von der Leit-
standsfeinplanung, MDE/BDE (Maschinen-/Betriebsdatenerfas-
sung), FDM (Fertigungsdatenmanagement), CAM/Simulation,
DNC (Direct Numerical Control) und Werkzeugverwaltung zu
einer kompletten Prozesskette verknüpft. Dafür werden in der
Praxis zunehmend RFID-Systeme eingesetzt. Da für Informati-
onssysteme unterschiedliche Softwarekomponenten angebo-
Abb. 4: Erneuerbare Energien (Auswahl)
Ehrenkolloquium 2011 57
ten werden, ist eine vergleichende Betrachtung der Soft-
warevarianten notwendig.
Ausführliche Betrachtungen zur Anwendung von Logistik- und
IT-Systemen sind im Praxis-Buch »Factory Planning Manual«,
Springer Verlag 2010 enthalten.
Fazit
Wissenschaft und Praxis müssen sich den Fragen der Aus-
wirkungen des Wandels in der Produktion auf die Fabrik und
die Logistik stellen. Die Schlüsselindustrie in Deutschland ver-
schiebt das bisherige Produktionspro� l innerhalb und zwischen
den Branchen durch die Herstellung neuer ressourcen- und
energieef� zienter Produkte. Diese erfordern neue technologi-
sche Verfahren und damit eine neue Generation von Maschi-
nen und Anlagen.
Durch Anwendung neuer Methoden und Modelle des »Digital
Engineerings« wird es möglich, logistikgerechtes Planen und
Betreiben von Fabriken ganzheitlich und durchgängig sowie
realitätsnah in sehr kurzer Zeit durchführen zu können. Her-
kömmliche Planungs- und Steuerungsmethoden verlieren an
Bedeutung.
Unternehmensentscheidungen zu Wandlungsprozessen kön-
nen besser als bisher durch kurzfristige Variantenoptimierung
und -simulation in höherer Qualität getroffen werden. Dies ist
umso notwendiger, da sich nahezu alle Unternehmen den Ent-
wicklungen der 4. Etappe hin zur ressourcenef� zienten Fabrik
stellen müssen.
So gesehen haben Ideen und Komponenten der ehemaligen
»CIM-Philosophie« einen nachhaltigen Beitrag für die Zukunft
geleistet.
P R O D U K T I O N U N D L O G I S T I K I M 2 1 . J A H R H U N D E R T
?
Ehrenkolloquium 2011 59
PRODUZIEREN IN DEUTSCHLAND – ABER WAS?Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Hans-Peter Wiendahl, Leibniz Universität Hannover
Einführung
Die Globalisierung der Wirtschaft ist seit Beginn der 1990er
Jahre in weniger als zwei Jahrzehnten Realität geworden. Da-
her verteilt sich die Produktion eines Unternehmens häu� g auf
Standorte in mehreren Ländern. Das gilt längst nicht mehr nur
für Großunternehmen, sondern zunehmend auch für kleine
und mittlere Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus,
der Elektrotechnik und Elektronik sowie der KFZ-Zulieferindus-
trie, deren Umsatz häu� g nur noch zu 20 bis 30 Prozent aus
dem einheimischen Markt stammt.
Generell lassen sich folgende Entwicklungen beobachten:
– Produkte werden weiter ausdifferenziert bis hin zu perso-
nalisierten Produkten
– produktbegleitende Dienstleistungen im Lebenszyklus
werden Standard
– Lieferzeiten im Tagebereich und Liefertreue im Stunden-
bereich werden erwartet
– Globalisierung nach den Strategien Kostenreduktion,
Markterschließung, Großkundenverbund und Technologie-
zugang setzt sich fort
– Veränderungsgeschwindigkeit und -ausmaß nehmen zu
– verbleibende Reaktionszeit auf Veränderungen nimmt ab
– Ressourcen- und Energieef� zienz erhalten einen hohen
Stellenwert
Der damit notwendige Paradigmenwechsel besteht im We-
sentlichen in der Umkehrung der Sichtweise auf eine Fabrik.
Wurden früher Produktentwicklung, Produktion und Auftrags-
abwicklung als primäre Prozesse des Stammhauses betrachtet
und die Beschaffung und Verteilung der Fertigprodukte an die
Kunden eher als Hilfsfunktionen gesehen, steht nunmehr die
zuverlässige Versorgung global verteilter Märkte mit funktional
und wirtschaftlich überlegenen Produkten aus dem jeweils
günstigsten Standort im Vordergrund.
Als wesentliche Leitsätze eines derartigen Produktionsansatzes
lassen sich formulieren:
– Die Gestaltung von Geschäftsprozessen und Lieferketten
erfolgt primär aus Sicht des global verteilten Marktbedarfs.
– Statt zentraler Fabriken mit hoher Fertigungstiefe sind
marktnahe, wandlungsfähige und ggf. temporäre Produkti-
onseinheiten erforderlich.
– Fabriken werden damit zum Lösungsraum für sich rasch
verändernde Produkte mit unterschiedlichen Lebenszyklen.
– Planungs- und Steuerungsverfahren müssen unterschied-
liche Auftragstypen in derselben Fabrik beherrschen.
– Produktstrukturen müssen sich den wechselnden Erforder-
nissen einer international verteilten Produktion rasch anpas-
sen können.
– Fertigungs- und Montageverfahren sind mengenskalierbar
zu gestalten und können damit lokale Gesichtspunkte hin-
sichtlich Know-how, Lohnkosten und Local-Content-Vor-
schriften berücksichtigen.
– Fabriken sind ressourcenschonend und energieef� zient aus-
zulegen.
– Produktionsstätten müssen den sozialen Standards genü-
gen, die eine Ausbeutung von Menschen ausschließen.
Entwicklung von Standortpro� len
Die wesentliche Frage ist in diesem Zusammenhang, was denn
am deutschen Stammort und was an den übrigen Standorten
produziert werden soll. Abb. 1 zeigt als Beispiel ein verein-
fachtes Produktionsnetz, das in Zusammenarbeit mit ausge-
wählten Lieferanten von drei Standorten aus Kunden in Euro-
pa, Asien und Amerika versorgt. Die realen Verknüpfungen
sind naturgemäß komplexer.
60 Ehrenkolloquium 2011
Da das Marktangebot eines Unternehmens meist aus mehre-
ren Produktgruppen besteht, ist für jeden Standort ein Stand-
ortpro� l festzulegen, das für die nächsten drei bis max. fünf
Jahre Bestand hat. Diese Festlegung erfolgt im Rahmen der
strategischen Unternehmensplanung. Abb. 2a zeigt exempla-
risch die Umsatzaufteilung der Produktgruppen PG1 bis PG4
auf die hier angenommenen drei Standorte S1 bis S3 und
Abb.�2b verdeutlicht die jeweiligen Anteile der Hauptfunktio-
nen Beschaffung, Fertigung, Montage und Lieferung.
Für die Beschaffung sind die Artikelgruppen zu bestimmen, die
jeweils lokal oder auch zentral beschafft werden. Hier sind
mögliche Mengenrabatte durch Zusammenfassung örtlicher
Bedarfe den Risiken einer lokalen Unterversorgung gegenüber-
zustellen. Die Fertigung umfasst die Eigenfertigung von Teilen,
die nach strategischen Gesichtspunkten ausgewählt werden.
Hierbei sind neben den konkurrenzfähigen Herstellungskosten
die technische Bedeutung des Teils für die Produktfunktion so-
wie die technologische Kompetenz zu deren Herstellung zu
beachten. Die Montage betrifft teils Baugruppen, die an ande-
ren Standorten weiter verbaut werden (sogenannte kompe-
tenzorientierte Kernbaugruppen). Überwiegend werden aber
verkaufsfähige Produkte für den jeweiligen Absatzmarkt kom-
plettiert. Die Lieferung erfolgt je nach Lieferkonzept als Direkt-
lieferung, auf ein Auslieferungslager oder auch z. B. in ein
beim Kunden unterhaltenes Konsignationslager.
Abb. 1: Produktionsnetz für eine Produktgruppe (Darstellung nach K. Windt)
Abb. 2: Produktionsprogramme der Standorte
eines Produktionsnetzes
Ehrenkolloquium 2011 61
Für den einzelnen Standort ist diese Aufteilung jedoch zu
grob. Eine Produktgruppe bedient meist unterschiedliche Kun-
dengruppen in unterschiedlichen Marktsegmenten, die teilwei-
se unterschiedliche Modelle der Beschaffung, Produktion und
Lieferung erfordern. Abb. 3 zeigt das daraus entwickelte logis-
tische Pro� l der einzelnen Standorte. Dabei stehen sechs un-
terschiedliche Beschaffungs- und Liefermodelle sowie fünf
Produktionsmodelle zur Auswahl, deren Ausprägungen in der
Literatur ausführlich beschrieben sind (Wiendahl, Reichardt,
Nyhuis, 2009, S. 262 ff). Sie werden je nach den Anforderun-
gen der einzelnen Kunden-Markt-Segmente ausgewählt.
Globales Varianten-Produktionssystem
In den bisherigen Ausführungen zur Suche eines neuen Pro-
duktionsstandorts wurde nicht näher auf die Frage einge-
gangen, welche Bestandteile eines Produkts oder einer Pro-
duktgruppe dort zu fertigen sind.
Generell sind dabei folgende Fragen zu beantworten:
– Welche Produktkomponenten sind lohnintensiv und
welche sind materialintensiv?
– Wo � ndet die Komplettierung des Endprodukts statt?
– Welche Technologien sind am Stammort und welche am
neuen Standort unter dem Gesichtspunkt Kostenreduktion
und Know-how-Schutz sinnvoll?
– Welche Konsequenzen hat eine verteilte Produktion auf die
Logistikprozesse und das Supply Chain Management?
– Wie werden die bisherigen und ggf. neuen Zulieferer einge-
bunden?
– Genügt die Produktstruktur den Anforderungen einer ver-
teilten Produktion?
Als Lösungsansatz wurde das in einem vom BMBF geförderten
Projekt entwickelte Produktionsstufenkonzept (Wiendahl,
Gerst, Keunecke, 2004) auf seine Anwendung in einem globa-
len Produktionsnetzwerk ausgeweitet und zu einem Globalen
Varianten-Produktionssystem GVP weiterentwickelt (Nyhuis,
Nickel, Tullius, 2008). Der Ansatz bedingt zunächst eine Identi-
� zierung von Kernbaugruppen, die sowohl marktrelevant als
auch Know-how-intensiv sind, und in denen sich die technolo-
gischen Kernkompetenzen des Unternehmens bündeln. Dar-
aus ergeben sich die drei Produktionsstufen Beschaffung, Ei-
genproduktion und marktnahe Komplettierung, die logistisch
zu verknüpfen sind. Abb. 4 zeigt die hierzu entwickelten GVP-
Abb. 3: Logistikpro� l eines Standortes
62 Ehrenkolloquium 2011
Module. Die einzelnen Schritte sind in (Nyhuis, Nickel, Tullius,
2008) ausführlich beschrieben.
Bei der Produktstrukturierung geht es darum, die funktions-
bezogene Kernkompetenz auf Kernkomponenten zu konzent-
rieren, die zum Schutz des Know-hows in Eigenfertigung
produziert werden. Ein zweiter Schwerpunkt liegt in der Mini-
mierung der internen Produktvielfalt gegenüber der vom
Markt geforderten externen Vielfalt.
Bevor über die endgültige Verteilung der Wertschöpfung auf
unterschiedliche Standorte entschieden werden kann, sind im
Rahmen der internationalen Kooperationsbeziehungen Anfor-
derungen an mögliche Kooperationspartner sowie deren Stär-
ken und Schwächen zu analysieren und zu bewerten.
Auf Basis der Produkt- und Kooperationsanalyse kann nun ge-
mäß Abb. 4 die sogenannte Technologiedifferenzierung in ei-
nem sogenannten Technologieportfolio erfolgen. Sie dient der
Analyse der zur Produktherstellung notwendigen standort-
übergreifenden Prozessketten auf Basis der Technologiekom-
petenz und -attraktivität. Als Technologiekompetenz werden
die vom Unternehmen beein� ussbaren produktionstechni-
schen Fähigkeiten sowie die dazugehörigen Betriebseinrich-
tungen und das personalgebundene Know-how zur Erfüllung
eines bestimmten Prozessschrittes bezeichnet.
Demgegenüber beschreibt die Technologieattraktivität das
Weiterentwicklungspotenzial der jeweiligen Fähigkeiten. Die
Positionierung der Prozesse in einer Matrix nach Abb. 5a er-
laubt die Unterscheidung in Kernkompetenz-, Differenzie-
rungs- und Standardprozesse. Für jeden Prozesstyp stehen
Normstrategien zu deren Behandlung zur Verfügung, die
Abb.�5b andeutet (Wiendahl, Reichardt, Nyhuis, 2009, S. 412).
Kernkompetenzprozesse stellen herausragende Fähigkeiten
mit dem Ziel der Technologieführerschaft dar, die durch Inves-
titionsmaßnahmen zu stützen und auf möglichst viele Ge-
schäftsfelder anzuwenden sind. Die eigentliche Technologiedif-
ferenzierung besteht darin, dass man versucht, durch eine ent-
sprechende konstruktive Umgestaltung des Produkts dessen
Komponenten aufzuteilen. Derjenige Teil der Komponenten,
die das funktionale Kern-Know-how enthalten, werden mit ei-
ner Kernkompetenz erstellt, während die anderen Teile, die
eine Standardfunktion erfüllen, möglichst mit einer Standard-
technologie hergestellt werden und damit je nach Kostensitu-
ation auch verlagerbar sind.
Schließlich ist in der Produktionsstufen- und Logistikgestaltung
die kompetenzorientierte Aufteilung der Produktion auf die
verschiedenen Standorte zu bestimmen.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich dann die in Abb. 4 ange-
deutete Aufteilung der Beschaffung, Produktion und Komplet-
tierung, Abb. 6.
Hierzu sind natürlich wirtschaftliche Überlegungen über die
Gesamtkosten eines Produkts im Netzwerk erforderlich. Diese
Gesamtkosten werden auch als Total Cost of Ownership be-
zeichnet und umfassen neben den Einstandskosten noch
Handlingskosten, Kosten mangelnder logistischer Prozess-
sicherheit, Steuerungs- und Systemkosten, Transaktionskosten,
Transportkosten, Währungskurseffekte sowie Bestands- und
Qualitätskosten.
Abb. 4: Globales Varianten-Produktionssystem
(Darstellung nach Nyhuis, et al.)
Abb. 5: Technologieportfolio mit Normstrategien
(Darstellung nach Behrens und Specht)
Ehrenkolloquium 2011 63
Die im Titel dieses Beitrags gestellte Frage, was in Deutschland
produziert werden sollte, lässt sich demnach vereinfacht wie
folgt beantworten: Am Stammort sind die Know-how-intensi-
ven Teile und Komponenten zu fertigen, deren funktionale Be-
deutung für das Produkt wesentlich ist. Dort � ndet auch in en-
ger Zusammenarbeit mit der Produktentwicklung in der Regel
die Weiterentwicklung der Fertigungs- und Montagetechnolo-
gie statt. Darüber hinaus komplettiert der Stammort die Pro-
dukte, deren Abnehmer geogra� sch kostengünstig erreichbar
sind. In den Satellitenfabriken � nden demgegenüber die kos-
tengünstige Fertigung nichtkritischer Komponenten und die
marktnahe Komplettierung der Endprodukte für die regiona-
len Märkte statt.
Schlussfolgerungen für die Fabrikplanung
Für die Fabrikplanung ergeben sich aus den skizzierten Überle-
gungen zu einer global verteilten Produktion neue Herausfor-
derungen, deren Ausgangspunkt die folgende Vision ist:
– Die zukünftige Produktion stellt einen adaptiven Lösungs-
raum für ein de� niertes Produktspektrum mit beliebigen
Varianten in beliebigen Stückzahlen in beliebiger Reihenfol-
ge bereit.
– Sie reagiert auf Veränderungen des Marktbedarfs durch ra-
sche Anpassung der Produkte und der Produktion sowohl
kurz- als auch langfristig.
– Sie schützt ihr Know-how durch Technologiedifferenzierung
und eine verteilte Produktion, verknüpft durch eine Hoch-
leistungslogistik und hochverfügbare IT.
Abb. 6: Produktionsstufenbildung
(Darstellung nach Große-Heitmeyer)
Aus dieser Vision erwächst eine Reihe von Handlungsfeldern,
die noch einer vertieften Forschung bedürfen:
– Technologie: Fertigungsverfahren müssen in einer Perlen-
kette für beliebige Folgen von Varianten synchronisiert wer-
den können.
– Planung und Steuerung: Die Aufträge steuern sich selbst-
ständig durch die Produktion.
– Werkzeuge: Der Produktionsprozess ist vor der tatsächli-
chen Durchführung virtuell vollständig erprobt.
– Wandlungsfähigkeit: Die Hemmnisse für eine rasche Verän-
derung der Produktion sind gezielt zu beseitigen. Dies be-
trifft die Produktionseinrichtungen, die Gebäude und den
Einsatz der Arbeitskräfte.
Literatur
Nyhuis, P.; Nickel, R.; Tullius, K. (Hrsg.): Globales Varianten Produktions-sys-
tem. Globalisierung mit System. Garbsen: Verlag PZH Produktions-
technisches Zentrum GmbH, 2008
Wiendahl, H.-P.; Gerst, D.; Keunecke, L. (Hrsg.): Variantenbeherrschung in
der Montage. Konzept und Praxis der � exiblen Produktionsendstufe. Berlin
Heidelberg: Springer Verlag, 2004
Wiendahl, H.-P.; Reichardt, J.; Nyhuis, P.: Handbuch Fabrikplanung. Kon-
zept, Gestaltung und Umsetzung wandlungsfähiger Produktionsstätten.
München, Wien: Hanser Verlag, 2009
P R O D U K T I O N U N D L O G I S T I K I M 2 1 . J A H R H U N D E R T
Ehrenkolloquium 2011 65
LOGISTIKSYSTEME DER ZUKUNFT – IMPULSE DER WIRTSCHAFTLICHEN DYNAMIKDr. Hanspeter Stabenau, Ehrenvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik e. V.
Vorbemerkung
Es war am 5. Februar 1990, als Professor Dr. Dr. Eberhard
Gottschalk zu einem ersten intensiven Gespräch über die Zu-
kunft des Themas Logistik nach Bremen kam. Er war bereits
auf dem Deutschen Logistikkongress 1998 als Referent aufge-
treten und von den Teilnehmern als bester Referent bewertet
worden. Für die Gesprächspartner der Bundesvereinigung
Logistik (BVL) ging es darum, in welcher Weise die Thematik
Logistik in dem anstehenden Integrationsprozess der Wirt-
schaft in den neuen Bundesländern eine Rolle spielen sollte.
Er brachte zu dem Gespräch eine solche Fülle von Ideen mit,
die ihn eindeutig als Wegweiser insbesondere für die Produkti-
onslogistik ausgewiesen haben. Er wurde Vorstandsmitglied
der BVL und gründete bereits vor der Wiedervereinigung dort
die ersten drei Regionalgruppen. Dies wird hier deshalb beson-
ders erwähnt, weil Prof. Gottschalk bereits damals die Bedeu-
tung einer ganzheitlichen Systembetrachtung als Impulsgeber
der Logistik für die Gesamtwirtschaft nachdrücklich betonte.
Die Frage die sich heute stellt ist: Status der Logistik heute und
die Zukunftsperspektiven?
Aktueller Status der Logistik
Die Logistikbranche erreichte im Jahr 2007 den dritten Platz in
der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung (nach Automobil-
industrie und Maschinenbau) mit 210 Milliarden Euro Umsatz
und 2,7 Millionen Beschäftigten. Studien belegen, dass
80�Prozent der Logistikleistungen in Industrie und Handel aus-
gelagert werden können. 2007 waren es 45 Prozent. Das be-
deutet, dass spätestens 2020 die Logistikindustrie auf Platz�1
dieser Rangliste steht!
Diese Zahlen belegen, dass die Logistik einen sehr hohen An-
teil an den die Produktivität der Gesamtwirtschaft bewirken-
den Impulsen hat. Sie ist die wesentliche Querschnittsfunktion
für die Gestaltung der horizontalen und vertikalen Netzwerke
in Beschaffung, Produktion, Distribution und Entsorgung. Aus-
gangspunkt hierfür sind die zunehmende Individualisierung
der Nachfrage mit der Folge der Ausweitung der Sortimente
und entsprechend steigenden Artikelzahlen im Handel sowie
der Steigerung der Variantenvielfalt insbesondere bei Ge-
brauchsgütern mit der anhaltenden Tendenz zur Herabsetzung
der Fertigungstiefe und dem dadurch induzierten Outsourcing-
prozess in der Industrie.
Produktivität wird erhöht durch Umsetzung des technischen
Fortschritts und Arbeitsteilung – funktional und regional. Die
funktionale Arbeitsteilung ergibt sich aus der aufgezeigten In-
dividualisierung der Nachfrage, die regionale durch die Aus-
nutzung von Standortvorteilen für die Produktion. Die Globali-
sierung der Wirtschaftsprozesse beruht aber auf beiden Fak-
ten. Das Wachstum der weltweiten Nachfrage nach Industrie-
gütern ergibt sich aus der anhaltenden Steigerung der Weltbe-
völkerung, insbesondere durch die damit verbundene zuneh-
mende Zahl von Konsumenten, vor allem in den industriellen
Schwellenländern. Dort gibt es zurzeit jährlich rund 60�Millio-
nen mehr Konsumenten, im Jahr 2020 werden es 100 Millio-
nen sein. Das ist die eigentliche Herausforderung für die Logis-
tik!
Logistik als Wachstumsfaktor
Es gibt drei Faktoren, die die Bedeutung der Logistik als
Wachstumsfaktor bestimmen werden:
– Ökonomie: Bereits heute sprechen wir von der Logistik-
INDUSTRIE. Das bedeutet, dass es sich insbesondere bei den
KULT-Funktionen (Kommissionierung, Umschlag, Lagerung,
Transport) um einen Industrialisierungsprozess handelt.
Die Entwicklung zu logistischen Megazentren führt zu in-
66 Ehrenkolloquium 2011
dustriellen Produktionsverfahren durch den Einsatz der Au-
tomatisierung, auch über Robotik. Hinzu kommt die Erwei-
terung der Produktionspalette mit über 200 individuellen
Dienstleistungen. Produktentwicklung, Planung, Organisati-
on, Realisierung, Controlling, Finanzierung, Personalent-
wicklung usw. sind davon betroffen.
– Technologie: All die genannten Faktoren erfordern eine ge-
naue Abstimmung des Technologieeinsatzes, der systemge-
rechten Planung der Logistikzentren, der Produktionssyste-
me, der Produktionsplanung, der Standardisierung usw.
Dies setzt auch die Beteiligung der Praxispartner an For-
schungsprojekten voraus.
– Informatik: Die Optimierung der Intralogistik bedingt eine
enge Vernetzung mit den Kunden und den anderen betei-
ligten Dienstleistern zur Datenerfassung, Datenverfügbar-
keit, für unternehmensübergreifende Informationssysteme,
zur Standardisierung, für Simulationssysteme usw. Auch
hier spielt die Beteiligung an der Entwicklung neuer Syste-
me eine große Rolle.
Es gibt aber auch eine Reihe weiterer Faktoren, die als Rah-
menbedingungen die Wachstumsimpulse beein� ussen:
– Recht: insbesondere internationales Vertragsrecht
– Ökologie: Green Logistics
– Soziologie: interkulturelle Aspekte
– Security: Internationale Sicherheitsanforderungen
– Infrastruktur. Anforderungen an die Leistungsfähigkeit
der Verkehrssysteme
All diese Elemente bestimmen die Produktivität bei der kun-
denbezogenen hohen Individualität der Leistungskombination
und damit Leistungsqualität.
Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die interdisziplinäre
Forschung damit eine immer größere Bedeutung erlangt!
Unternehmensübergreifendes Logistikmanagement
Es wird viel von der Notwendigkeit eines voll integrierten Pro-
zessmanagements gesprochen, Aber die Realität sieht leider
anders aus. Nur etwa 30 Prozent der Unternehmen in Industrie
und Handel haben das Thema Logistik im Vorstand oder der
Geschäftsführung verankert. Daraus ergibt sich die Feststel-
lung, dass auf im Durchschnitt 30 Prozent Produktivitätsreser-
ve bei der Realisierung logistischer Prozesse verzichtet wird –
rund 1,5 bis 4 Prozent der Gesamtkosten. Um diese Kostenre-
serve zu gewinnen, ist es dringend für die Zukunft notwendig,
unter Anwendung der Systemanalyse diese Reserven zu ge-
winnen. Das kann wettbewerbsentscheidend sein!
Also weg von der Funktionsbetrachtung hin zur Systembe-
trachtung und die bezogen auf alle Partner in den jeweiligen
Prozessen. Die ist besonders wichtig bei der zunehmenden
Komplexität in der optimalen Gestaltung der logistischen Ab-
läufe.
Die Systemanalyse geschieht in drei Arbeitsschritten:
– De� nition und Abgrenzung der einzelnen Faktoren – als
Systemelemente –, die in die jeweils zu untersuchenden
Abläufe mit einbezogen werden müssen,
– Erkennung der Eigengesetzlichkeiten, unter denen diese
Faktoren ihre höchste Leistungsfähigkeit entwickeln können
und
– Ermittlung der Wechselwirkungen (Rückkopplungen) auf
das Gesamtsystem bei quantitativen und qualitativen Ver-
änderungen einzelner Faktoren.
In jedem Geschäftsprozess der Zukunft steigt die Zahl der be-
teiligten Unternehmen, demgemäß sinkt der Wertschöpfungs-
anteil an der gemeinsam erstellten Leistung. Das unterneh-
mensübergreifende Management zur Gestaltung der Prozess-
ketten hat daher primär die Aufgabe, den Integrationsgrad der
so zu gestaltenden Systeme zu erhöhen. Auf diese Weise wer-
den die in dem Zusammenspiel der Unternehmen vorhande-
nen Produktivitätsreserven gewonnen.
Das ist die Herausforderung an das Management der Zukunft!
Es gibt also noch viel zu tun. Die Perspektiven für die wachsen-
de Bedeutung der Logistik sind positiv.
P R O D U K T I O N U N D L O G I S T I K I M 2 1 . J A H R H U N D E R T
Ehrenkolloquium 2011 69
EIN SPÄTES ERWACHEN – GESELLSCHAFT-LICHE VERANTWORTUNG DER LOGISTIKProf. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Baumgarten, TU Berlin
Einleitung
Logistikpraxis und Logistikwissenschaft haben in den letzten
Jahrzehnten eine explosionsartige Ausweitung erfahren. Logis-
tik ist heute der drittstärkste Wirtschaftszweig nach der Auto-
mobil- und Gesundheitswirtschaft mit rund 200 Milliarden
Euro Umsatz pro Jahr in Deutschland. Der deutsche Logistik-
markt hat gleichzeitig mit 20 Prozent den größten Anteil am
europäischen Logistikmarkt. Das Umsatzwachstum in den letz-
ten Jahren betrug durchschnittlich 4,5 Prozent. Damit zählt der
Logistikbereich zu den wachstumsstärksten in Deutschland.
Die Vorzüge des Logistikstandortes Deutschland werden durch
eine Studie der Weltbank von 2010 bestätigt. Bei rund 150
untersuchten Ländern errechnet sich beim »Logistik Perfor-
mance Index« für Deutschland der erste Platz vor Singapur
und Schweden. Die Spitzenstellung der Logistik Deutschlands
weltweit und in Europa basiert auf einer Reihe von Standort-
vorteilen, so dem hohen Industrialisierungsgrad, der zentralen
Lage, seiner polyzentrischen Wirtschaftsstruktur sowie der ver-
gleichsweise sehr guten Verkehrsinfrastruktur.
Die logistische Durchdringung von Beschaffung, Produktion
und Distribution und vielem mehr in den Unternehmen ist in
den wichtigsten Branchen weitgehend erfolgt. Kunden, Kos-
ten, Qualität, Zeit, Service und globaler Wettbewerb stehen –
überlagert vom Denken in Prozessen – im Vordergrund als
Handlungsprämissen.
Gleiches gilt analog für den Bereich der Wissenschaft, vor
allem in der Aus- und Weiterbildung sowie der Forschung.
Allein an rund 45 Universitäten, 70 Fachhochschulen und
15�Berufsakademien ist Logistik in Lehre und Forschung ver-
treten (Baumgarten, Hildebrand, 2008). Der jährliche Output
von rund 12 000 Absolventen deckt den größten Teil des Be-
darfs in den Unternehmen, Quereinsteiger aus anderen Studi-
engängen füllen die Nachfragelücke auf.
Heute ist eine zunehmend enge Verzahnung zwischen den in-
novativen Projektthemen der Praxis und den Forschungsinhal-
ten der Hochschulen festzustellen. Die Zusammenarbeit reicht
von gemeinsamen Forschungsprojekten und Arbeitskreisen
über konkrete Forschungsaufträge bis hin zu Stiftungsprofes-
suren der Wirtschaft.
Gesellschaftliche Verantwortung
Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Unternehmens-
praxis wird über ein Zunehmen der Globalisierung diskutiert.
Es scheint oft, als habe der Prozess der Globalisierung kein
Ende und nichts wirke diesem hemmend entgegen.
Ein wichtiges Anzeichen für die Verstärkung des internationa-
len Handels ist der Aufbau logistikspezi� scher Kapazitäten. So
ist in den letzten Jahren ein gravierender Anstieg der Bestel-
lungen von Fracht� ugzeugen zu verzeichnen. Bei der Entwick-
lung der Größe der Frachter� otte zeichnet sich eine Verdopp-
lung bis 2025 ab.
Weiteres Indiz für steigende Handelsvolumina ist der weltweite
Bau von Tiefseehäfen, z. B. in Yangshan (China) und in Wil-
helmshaven, um Containerschiffe mit 13 000 Standard con-
tainern (TEU) und mehr abfertigen zu können. Für den Luft-
transport kann der Ausbau der Flughäfen der Vereinigten
Arabischen Emirate, insbesondere des Drehkreuzes Dubai Jebel
Ali, als Indikator für eine wachsende Handelsbereitschaft die-
nen. Dieser für den Nahen Osten wichtige Ausbau mit inter-
modaler Anbindung an den Seeverkehr erleichtert den Handel
in der gesamten Region.
Zu welchen Ergebnissen logistische Kostenef� zienz führt, lässt
sich am Beispiel des Logistiknetzes von Herrensocken eines
deutschen Herstellers verdeutlichen, deren Weg vom Baum-
wollfeld bis zum Endverbraucher folgend nachgezeichnet
wird:
70 Ehrenkolloquium 2011
1. Ein Paar Herrensocken enthält etwa 35 Gramm Baumwol-
le. Wegen besonders hochwertigem Material mit langen
Fasern stammt der Rohstoff aus dem westafrikanischen
Staat Benin.
2. Per Schiff und Lkw gelangt die Baumwolle in eine Garn-
fabrik nach Indien. Größter Standortvorteil für Indien sind
hierbei die geringen Arbeitskosten.
3. Anschließend werden im 6 000 Kilometer von Indien ent-
fernten Marokko die Socken gestrickt.
4. Folgend kommen die Herrensocken nach Deutschland in
ein Hochregallager mit modernster Technologie, aus dem
per Lkw 5 000 Händler beliefert werden.
5. Das Paar Socken wird im Handel für ca. 10,00 Euro an den
Endverbraucher verkauft. Der Baumwollbauer in Benin
erhält davon nur 2 Cent.
Das Sockenbeispiel zeigt, dass Logistik so hochef� zient ist,
dass sich die »Globalisierung« von 35 Gramm Baumwolle zu
lohnen scheint. Allerdings wirft das Beispiel die Frage auf, ob
Kostenef� zienz langfristig die einzige Dimension der Logistik
bleiben kann.
Angesichts weltweit rund einer Milliarde hungernder Men-
schen, einer wachsenden Zahl von Naturkatastrophen und
steigender Umweltbelastungen sind der Wirtschaftlichkeit und
Pro� tabilität von Unternehmen vermehrt und nachdrücklich
gesellschaftliche Werte, darunter Nachhaltigkeit, Umweltver-
träglichkeit und humanitäre Verantwortung gegenüberzustel-
len.
Erstes Aktionsfeld: nachhaltige Logistik
Die wachsende internationale Arbeitsteilung bedeutet einen
steigenden Schadstoff-Ausstoß und zunehmenden Ressour-
cenverbrauch durch den Verkehr. So ist der Verkehr verant-
wortlich für über 27 Prozent der CO2-Emissionen in der EU.
Gleichzeitig verknappen sich die Vorräte fossiler Energieträger
mittel- bis langfristig.
Um Logistik unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ökologisch
zu gestalten, müssen Ressourcen daher ef� zienter genutzt und
Emissionen reduziert werden (Baumgarten, 2008). Die Ver-
knappung der fossilen Energieträger wird direkte Auswirkun-
gen auf die Entscheidungen von Unternehmen haben, z. B. auf
Standorte im Ausland eventuell zu verzichten bzw. durch die
verschobenen Kostenvorteile das Produktionsnetzwerk, Zulie-
ferer und Kunden, geogra� sch zusammenrücken zu lassen.
Bei der Wahl der Verkehrsträger sind nicht nur deren system-
spezi� sche Vorteile zu sehen, sondern auch deren Ökobilanz
ist zu berücksichtigen. So braucht der Lkw durchschnittlich das
Dreifache an Energie pro Tonnenkilometer wie die Bahn oder
das Schiff. Die Bilanz in Sachen Kohlenstoffdioxid, Stickstoff-
oxid und Rußpartikel fällt noch drastischer zu Ungunsten des
Straßengüterverkehrs aus.
Containerschiffe werden bezüglich Emissionen und Ressour-
cenverbrauch zu den umweltfreundlicheren Verkehrsträgern
gezählt, allerdings stoßen die neuen Superschiffe wie die
»Emma Maersk« mit rund 200 000 Tonnen CO2 pro Jahr enor-
me Mengen aus. Zur Verwirklichung einer nachhaltigen Logis-
tik gehören somit auch bei vermeintlich umweltfreundlichen
Verkehrsträgern Ef� zienzsteigerungen wie z. B. die Unterstüt-
zung des regulären Antriebs von Containerschiffen durch Se-
gel (Beispiel: die 140 Meter lange »MS Beluga SkySails«) sowie
die Geschwindigkeitsreduktion der Schiffe. So halbiert eine
Verringerung der durchschnittlichen Fahrtgeschwindigkeit von
Containerschiffen von 23,5 auf 20 Knoten die CO2-Emissio-
nen.
Die Logistik steht unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit also
vor gewaltigen Herausforderungen, doch bieten einige Praxis-
beispiele schon gute Ansätze, die Modellcharakter für die rest-
liche Wirtschaft entfalten können. So hat z. B. Tchibo in einer
internen Vergleichsrechnung entdeckt, dass das bis zum Jahr
2002/03 gefahrene Zentrallagerkonzept die Transportvolumen
künstlich aufbläht. Um die Zahl der gefahrenen Tonnenkilome-
ter und damit den CO2-Ausstoß sowie den Ressourcenver-
brauch zu senken, wurden ein weiteres Zen trallager und zwei
Distributionszentren gebaut. Diese wurden zudem in der Nähe
großer Güterverkehrszentren errichtet, sodass Komplettla-
dungsverkehre wann immer möglich auf die Bahn verlagert
und nur auf der letzten Meile durch den Lkw transportiert
werden.
In Zukunft sind ökologische Gesichtspunkte somit viel mehr als
bisher bei der Liefergeschwindigkeit, der Auswahl von Part-
nern, Standorten und Routen mit einzubeziehen. Die Logistik
muss ihrer Verantwortung in Fragen der Nachhaltigkeit ge-
recht werden.
Ehrenkolloquium 2011 71
Zweites Aktionsfeld: humanitäre Logistik
Seit 1995 ist die Zahl der Hunger leidenden Menschen auf
rund eine Milliarde Menschen gestiegen und betrifft nunmehr
rund 15 Prozent der Weltbevölkerung. Die Zahlen des Welt-
hungerindex (WHI) 2009 listen auf den letzten 30 Plätzen al-
lein 20 afrikanische Länder auf (Welthungerhilfe 2009). Wie
viele Menschen auf der Welt an den Folgen von Unterernäh-
rung und fehlender medizinischer Hilfe sterben, ist nicht be-
kannt. Nach Schätzungen von UNICEF sterben pro Jahr rund
drei Millionen Kinder an den Folgen von Unterernährung. Bei-
nahe ein Drittel der Weltbevölkerung hat zudem unzureichen-
den oder keinen Zugang zu lebensnotwendigen Medikamen-
ten. Ein deutlicher Schatten fällt auch auf die Logistik der
hochentwickelten Industrieländer, weil sie weitgehend tatenlos
zusieht.
Bezüglich der Bekämpfung der Symptome kann die Logistik ei-
nen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Effektivität beste-
hender Hilfsgüterströme leisten. Auch können durch Einspa-
rungen bei Logistikkosten zusätzliche Mittel für die Versor-
gung von Hilfsbedürftigen freigelegt werden.
Potenzial bieten hierbei die Instrumente des Technologietrans-
fers zwischen kommerzieller und humanitärer Logistik, wie
z. B. durch geographische, infrastrukturelle und verkehrslogisti-
sche Alternativen. So kann die Routenplanung für die Versor-
gung des östlichen und südlichen Afrikas aus Europa über drei
Alternativen erfolgen: über Direktverkehre nach Kenia, Tansa-
nia, Mosambik und Südafrika; über ein Zentralhub in Dubai
oder über Regionalhubs in Afrika (Baumgarten et al. 2010).
Die erste Variante der Direktverkehre bietet den Vorteil, � exi-
bel auf politische Instabilitäten oder eine Naturkatastrophe in
einem der Länder reagieren zu können. Andererseits stellen sie
vergleichsweise hohe Anforderungen an die Infrastruktur und
sind zudem kostenintensiv. Die zweite Alternative des Zentral-
hubs in Dubai hingegen kann die notwendige Infrastruktur für
Transport, Lager, Umschlag und Kühlkette bereitstellen und ist
Hungerregionen wie Sudan, Äthiopien oder Eritrea geogra-
phisch nah gelegen. Die dritte Möglichkeit bietet das Potenzi-
al, durch den Ausbau der lokalen Infrastruktur in einem afrika-
nischen Hafen, wie z. B. Containerbrücken, Kühlhäuser oder
Dry Ports, einen Regionalhub zu schaffen, der die umliegen-
den Häfen über Feederverkehre anläuft. Neben der zeitnahen
Reaktion auf eine Veränderung der Versorgungslage in einem
der Länder kann durch diese Variante auch regionales Wirt-
schaftswachstum erzeugt werden.
Der Transfer von Technologien und Konzepten aus der kom-
merziellen Logistik bietet weiteres großes Potenzial, z. B. durch
die Nutzung von Leertransporten, die Ertüchtigung von vor-
handenen Infrastrukturen wie Eisenbahnen sowie Lager- und
Umschlageinrichtungen, die organisatorische Restrukturierung
der Versorgungsketten oder die Einbeziehung von unkonventi-
onellen Verkehrsträgern auf der letzten Meile, um nur ein paar
Möglichkeiten zu nennen.
Hilfslieferungen allein führen allerdings nicht zur Beseitigung
der Ursachen für Hungersnot. Vielmehr ist dazu »Hilfe zur
Selbsthilfe« zu leisten. Um Eigeninitiativen der Bevölkerung zur
Verbesserung der Versorgungssituation überhaupt erst zu er-
möglichen, ist ihnen das logistische Know-how zur Verfügung
zu stellen. Wissen ist ein wichtiger Rohstoff, die dortigen Prob-
leme zu bewältigen.
Der Transfer von logistischem Wissen liegt in der gesellschaft-
lichen Verantwortung der Industrieländer. Dazu sollten Univer-
sitäten, Bildungseinrichtungen und andere Institutionen in be-
troffenen Regionen beim Aufbau von logistischen Aus- und
Weiterbildungsprogrammen helfen. Ein Austausch von Lehr-
kräften und Studierenden unterstützt den Wissenstransfer.
Ausgehend vom vollzogenen Wissenstransfer kann das Wissen
anschließend durch die vor Ort Ausgebildeten gebündelt und
angewendet werden. Es wird den bedürftigen Staaten und
Menschen ermöglicht, selbstständig infrastrukturelle und logis-
tische Problemstellungen zu lösen und eigene Konzepte zur
Verbesserung der Lage zu erarbeiten (Baumgarten, 2010).
Diese und weitere Einsatzgebiete des Technologie- und Wis-
senstransfers für Hungerregionen Afrikas untersucht ein von
der Kühne-Stiftung gefördertes und durchgeführtes For-
schungsprojekt mit den Pilotländern Tansania und Malawi. Da-
bei stehen Gestaltungsmöglichkeiten für Versorgungsketten
und Infrastruktur sowie Aus- und Weiterbildungsprogramme
für angepasste Logistikprozesse im Vordergrund, die gemein-
sam mit lokalen Institutionen erarbeitet werden.
Der Thematik der humanitären Logistik widmet sich auch die
Bundesvereinigung Logistik (BVL) als eine der größten Konzen-
trationen von Logistikexperten weltweit. Mit dem Arbeitskreis
»Humanitäre Logistik« richtete sie im vergangenen Jahr eine
Plattform ein, auf der ca. 25 Experten aus Logistikdienstleis-
tung, Industrie, Hilfsorganisationen und Hochschulen Konzep-
te für eine ef� zientere und effektivere humanitäre Hilfe entwi-
ckeln. Die humanitäre Logistik bildete auch eines der Leitthe-
men für den 27. Deutschen Logistik-Kongress im Oktober
2010, auf dem in einer Fachsequenz die ersten Zwischener-
gebnisse des Arbeitskreises vorgestellt wurden.
72 Ehrenkolloquium 2011
Ausblick
Exzellente Logistik, das ist heute weit mehr als nur Best Prac-
tice in operativen Prozessen. Dazu gehört, dass der Kunde als
Ausgangspunkt der Leistungserstellung erkannt wird. Die Eck-
pfeiler der Logistik – Kundenorientierung, Prozessorientierung
und ganzheitlicher integrierter Ansatz – haben heute eine
hohe Wertigkeit erreicht. Logistik ist präsent in den Köpfen –
von der operativen bis zur strategischen Ebene.
Die ökonomische Seite der Logistik hat weitere Optimierungs-
reserven. Die gegenseitige Befruchtung von Wissenschaft und
Praxis ist der Nährboden für weitere Innovationen. So werden
auch zukünftig neue Technologien sowie Forschungs- und Er-
klärungsansätze die Entwicklung vorantreiben und für weitere
Ef� zienzgewinne sorgen.
Allerdings wird für die Zukunft eine alleinige Fokussierung auf
ökonomische Zielkriterien nicht mehr ausreichen. Das Be-
wusstsein für die gesellschaftliche Verantwortung der Logistik
ist noch zu schwach ausgeprägt. Zu dieser Verantwortung
zählen die angesprochenen ökologischen und humanitären
Problemstellungen. Die Logistik kann hierbei keine Universal-
verantwortung übernehmen, aber aufgrund ihrer globalen
Netze im Produktions-, Handels- und Verkehrsbereich einen
großen Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaft und humani-
tären Hilfe leisten. Hierfür muss der Globalisierung der Wirt-
schaft die Globalisierung der gesellschaftlichen Verantwortung
folgen.
Literatur
Baumgarten, H.: Die gesellschaftliche Verantwortung der Logistik. Vortrag
an der European Business School (EBS) in Oestrich Winkel, 21. November
2008
Baumgarten, H.: Potenziale der Logistik – Katastrophenmanagement und
langfristige Versorgungssicherheit. Kongressband zum 27. Deutscher Logis-
tik-Kongress. Berlin, 2010
Baumgarten, H.; Hildebrand, W.-C.: Studium Logistik - Akademische Aus-
bildung und Führungskräftenachwuchs in der Zukunftsbranche Logistik.
Berlin, 2008
Baumgarten, H.; Keßler, M.; Schwarz, J.: Jenseits der kommerziellen Logis-
tik – Die humanitäre Hilfe logistisch unterstützen. In Schönberger R.; Elbert,
R. (Hrsg.), Dimensionen der Logistik: Funktionen, Institutionen und Hand-
lungsebenen, S. 451-476. Wiesbaden: Gabler Verlag, 2010
Welthungerhilfe: Welthungerindex 2009 – Herausforderung Hunger: Wie
die Finanzkrise den Hunger verschärft und warum es auf die Frauen an-
kommt. Welthungerhilfe: Bonn.
P R O D U K T I O N U N D L O G I S T I K I M 2 1 . J A H R H U N D E R T
Ehrenkolloquium 2011 75
Prinzipiell gibt es für Unternehmen zwei Möglichkeiten, in ge-
spannten Wirtschaftssituationen auf die damit verbundenen
Herausforderungen zu reagieren: Vor den Problemen zu � ie-
hen, was – wenn überhaupt – meist nur kurzfristig Entlastung
schafft, oder sich den Problemen zu stellen und sie mehr oder
weniger aus eigener Kraft zu lösen. Es zeigt sich, dass verant-
wortungsvolle Unternehmensführer den zweiten Weg wählen.
Dieser macht es allerdings notwendig, die Situation gründlich
zu analysieren und die anstehenden Probleme ganzheitlich –
und nicht nur partiell – zu lösen. Es sollen dabei nicht nur die
Symptome bekämpft, sondern auch die Ursachen beseitigt
werden, und zwar so, dass die Wirkung mittel- und langfristig
gewährleistet ist. Der eingeschlagene Weg muss dem Unter-
nehmen und seinen wichtigsten Partnern – z. B. im Rahmen ei-
ner Supply Chain – eine ausreichend hohe Flexibilität verlei-
hen, um mit der Dynamik und Turbulenz des Wettbewerbs
mithalten zu können. Außerdem muss eine ausreichend hohe
Stabilität des Unternehmens erreicht werden, um einem be-
stimmten Maß an Turbulenz auch auf Dauer standhalten zu
können.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde aus Pra-
xiserfahrungen heraus ein neuer Ansatz entwickelt, der sich
mittlerweile mehrfach bewährt hat. Er basiert auf dem Grund-
gedanken, dass Veränderungen in einem so emp� ndlichen Or-
ganismus, wie ihn ein Unternehmen darstellt, evolutionär und
schrittweise durchgeführt werden müssen. Etwas pointiert
lässt sich dies in dem Satz ausdrücken: Unternehmen sind
durch Prozesse erfolgreich, Prozesse sind durch ihre Mitarbei-
ter erfolgreich.
Grundidee des psychologistischen Prinzips
Der Grundgedanke der Psychologistik besteht in einer evoluti-
onären, schrittweisen Durchführung von Veränderungen,
kombiniert mit dem Gestalten und Lenken wertschöpfender
Prozesse, wie es dem modernen Logistikverständnis entspricht.
Damit kann eine systematisch geplante, von der Unterneh-
mensspitze initiierte Veränderung herbeigeführt werden, bei
der in höchstem Maße der Mensch als gestaltendes Element
im Unternehmen betrachtet wird. Gleichzeitig wird aber das
Denken und Handeln in Prozessen als entscheidende Voraus-
setzung für die Außenwirkung eines Unternehmens berück-
sichtigt. Um die Prozesse im Unternehmen leistungsfähig, � e-
xibel und anpassungsfähig zu machen, ist es in der Praxis ent-
scheidend, die Mitarbeiter an der Veränderung zu beteiligen
und ihnen damit nicht nur die Möglichkeit zum Lernen aus Er-
fahrung zu geben, sondern auch ihre Persönlichkeitsentwick-
lung zu fördern.
Über die Prozesse wird die Leistungsfähigkeit eines Unterneh-
mens für den Kunden bzw. den Markt spürbar und messbar.
Das Denken und Handeln in Prozessen, also die Logistik, ist so-
mit einer der prägenden Wettbewerbsfaktoren. In Branchen,
bei denen ein mehr oder weniger ausgewogenes Preis-Leis-
tungs-Verhältnis für Produkte und Dienstleistungen besteht, ist
die Logistik sogar zum primären Wettbewerbsfaktor gewor-
den. Ein Prozess dient also dazu, Kundenerwartungen in Kun-
denzufriedenheit umzusetzen. Prozessorientierung ist neben
Mensch und Technologie der dritte Erfolgsfaktor für die hohe
Leistungsfähigkeit eines Unternehmens.
Die Psychologistik ist eine spezielle Kombination von Wirt-
schaftspsychologie und Logistik. Diese interdisziplinäre Ver-
knüpfung ist geprägt durch eine zeitgleiche Betrachtung von
Menschen und Prozessen bei Veränderungen. Sie hat somit
den Stellenwert eines Prinzips, das für qualitativ hochwertige
Veränderungen eingesetzt werden kann, die hohe Anforde-
rungen an die Akzeptanz im Unternehmen und die Anpas-
sungsfähigkeit an die Unternehmensumwelt stellen.
DAS PSYCHOLOGISTISCHE PRINZIP – EIN INTERDISZIPLINÄRER ANSATZ FÜR ERFOLG-REICHES CHANGE MANAGEMENTo. Univ. Prof. Dr. mont. Siegfried Augustin, Montanuniversität Leoben, Österreich
Prof. Dr. Elisabeth von Hornstein, Fachhochschule Erding
76 Ehrenkolloquium 2011
Unter Zuhilfenahme von betriebswirtschaftlichen und psycho-
logischen Erkenntnissen werden sowohl personell-organisato-
rische als auch strukturell-technologische Aspekte verändert.
Wesentlich ist dabei, dass die Veränderung einer Organisation
und ihrer Prozesse durch die Führungskräfte und Mitarbeiter
mitgestaltet werden kann und nicht von außen – beispiels-
weise durch eine Konzernleitung – »verordnet« wird. Die Rolle
interner oder auch externer Berater besteht darin, die Entwick-
lungsdynamik aufrechtzuerhalten und die Mitglieder der Orga-
nisation darin zu befähigen und zu unterstützen, die Verände-
rungsprozesse selbstständig zu gestalten und zu steuern.
Entscheidend für das Gelingen ist einerseits die ganzheitliche
Betrachtungsweise der Veränderung, wofür der aus der Sys-
temtheorie abgeleitete Aspektsystemansatz herangezogen
wird, der sich bei der Analyse und (Um-)Gestaltung komplexer
Systeme bewährt hat. Dieser Ansatz wurde zuerst für komple-
xe Produktionsmanagementsysteme erfolgreich eingesetzt
(Augustin, 1990, S. 38 ff). Er besagt, dass Veränderungen
nicht durch die Zerteilung eines Systems in Subsysteme und
die Umgestaltung der einzelnen Subsysteme vorgenommen
werden sollte, sondern durch das Anlegen verschiedener As-
pekte und deren Umgestaltung bei voller Beibehaltung der
Systemgrenzen. Dies sei an einem einfachen Beispiel erläutert:
Es soll die Verkehrsinfrastruktur eines Staates, also eines de� -
nierten Systems, verbessert oder neu gestaltet werden. Bei ei-
nem Vorgehen nach dem Subsystemansatz würde jedes Bun-
desland für sich ein Verkehrskonzept erarbeiten und realisieren
– mit der Gefahr von Schnittstellenproblemen an den Grenzen
durch unterschiedliche Zielsetzungen, Interessen lagen, Metho-
den etc. Im Gegensatz dazu stünde das Vorgehen nach dem
Aspektsystemansatz. Hier würde jeweils für das gesamte
Staatsgebiet ein Konzept für einzelne Aspekte entwickelt wer-
den, die je nach Bedarf und Zielsetzung ausgewählt werden.
Relevant wären in diesem Fall etwa Straßennetz, Schienen-
netz, Binnenschifffahrt, Luftlinien etc. Die einzelnen Konzepte
erstrecken sich immer auf das gesamte System, wodurch
Schnittstellen zwischen den Ländern vermieden werden.
Die Konzepte werden abschließend miteinander harmonisiert.
Dabei ist es natürlich sinnvoll, diesen Abstimmvorgang durch
Vertreter der einzelnen Konzeptteams durchführen zu lassen.
Würde als System Europa de� niert werden, so ließe sich der
Ansatz in analoger Weise verwirklichen.
Größere Veränderungen in Unternehmen werden üblicherwei-
se nach und nach in verschiedenen Subsystemen durchge-
führt, allenfalls werden Dienstleistungsaufgaben wie das Per-
sonalwesen oder der unternehmensweite Einsatz von IT als
Aspektsysteme behandelt. Zuerst wird also beispielsweise der
Vertrieb umgestaltet, dann die Produktion, die Entwicklung
etc. Wenn alle Subsysteme – Organisationseinheiten, Bereiche
oder Abteilungen – durchgearbeitet sind, müsste die Verände-
rung im gesamten System – sprich Unternehmen – vollzogen
sein. In der Praxis werden diese Teilprojekte meist voneinander
zeitlich und disziplinarisch entkoppelt und oft noch von unter-
schiedlichen Projektteams mithilfe unterschiedlicher Methoden
durchgeführt. Dadurch entstehen zwangsläu� g Schnittstellen,
die eines genau nicht bewirken: Einen kontinuierlichen Fluss in
der Abwicklung von Prozessen.
Dem psychologistischen Prinzip liegt also eine Vorgehensweise
nach dem Aspektsystemansatz zugrunde. Natürlich können
die Beweggründe, Veränderungen im Unternehmen vorzuneh-
men, gänzlich unterschiedlich sein. Sie betreffen aber erfah-
rungsgemäß immer ganz bestimmte, gleichbleibende Aspekte,
die analysiert und verändert werden müssen. Aus diesen Er-
fahrungen wurde, aufbauend auf dem Modell von Hornstein/
Rosenstiel (Hornstein, Rosenstiel, 2000, S. 156 ff) das psycho-
logistische Prinzip entwickelt, das in Folgendem beschrieben
wird.
1. Ressourcenaspekt:
Kernkompetenzen und Erfolgs potenziale
Kenntnis und kontinuierliche Re� exion der eigenen Stärken
sowie Kernkompetenzen sind Voraussetzungen für den Unter-
nehmenserfolg. Sie müssen Hand in Hand gehen mit der Iden-
ti� zierung künftiger Erfolgspotenziale, aus denen die erforder-
lichen Ziele und Leitbilder abzuleiten sind, deren Erreichung
eine nachhaltige Sicherung des Erfolgs ermöglicht.
Abb. 1: Das Prinzip der Psychologistik
Ehrenkolloquium 2011 77
2. Zielaspekt:
Visionen, Ziele, Strategien und Leitbild
Visionen stehen am Beginn des unternehmerischen Handelns
und repräsentieren eine langfristige, aus den Kernkompeten-
zen abgeleitete Richtungsentscheidung: Wie will man am
Wirtschaftsprozess teilnehmen und wie positioniert man sich
dort? Die Umsetzung der Visionen erfolgt durch die Ableitung
und De� nition konkreter Ziele, zu deren Erreichung Strategien
festgelegt werden müssen. Im Leitbild müssen vor allem unter-
nehmenskulturelle Aspekte, wie Führung und Zusammenar-
beit, konkret formuliert sein, damit sich hieraus die erforderli-
chen Sozial- und Persönlichkeitskompetenzen von Führungs-
kräften und Mitarbeitern ableiten lassen.
3. Prozessaspekt:
Aufgaben, Funktionen und Prozesse
In Form von Prozessen werden die Aufgaben eines Unterneh-
mens durchgeführt und seine Leistungen für die Kunden bzw.
Märkte spürbar, sichtbar und messbar gemacht. Daher gilt das
Prinzip »Die Organisation folgt dem Prozess«. Im Vordergrund
muss somit eine prozessorientierte Sichtweise stehen, da sich
Entscheidungen in einem Bereich oftmals auf zahlreiche ande-
re Bereiche auswirken. Eine Aufbauorganisation beschreibt die
Stellen und Funktionen. Sie muss so gestaltet sein, dass sie die
Prozesse unterstützt und nicht behindert.
4. Mitarbeiteraspekt:
Personalgewinnung, Personalentwicklung und
Personalbeurteilung
Aus den Stellen- bzw. Funktionsbeschreibungen leiten sich die
Anforderungen an die Mitarbeiter sowie deren erforderlichen
Kompetenzen ab. Die Anforderungs- bzw. Kompetenzpro� le
dienen neben der zielgerichteten Personalgewinnung zudem
der gezielten Mitarbeiterentwicklung. In einem schlüssigen
Beurteilungs- und Anreizsystem müssen nicht nur die Kriterien
festgehalten sein, die die erwünschte Leistung widerspiegeln,
sondern auch die, die das gewünschte Verhalten beschreiben.
Das kontinuierliche Feedback über den Erreichungsstand der
Ergebnis- und Verhaltensziele ist dabei ein unabdingbarer Mo-
tivationsfaktor.
5. Controllingaspekt:
Strategiere� exion und Zielcontrolling
Die kontinuierliche Erfolgsmessung betrifft nicht nur die Errei-
chung der Unternehmensziele, sondern auch die Re� exion der
zugrunde liegenden Strategien und Leitlinien. Darüber hinaus
stellen die Erkenntnisse aus Re� exion und Controlling eine
wertvolle Basis für die kontinuierliche Weiterentwicklung der
Kernkompetenzen und die kontinuierliche Verbesserung der
Kernprozesse dar. Damit wird auch die Identi� kation künftiger
Erfolgspotenziale sichergestellt.
Diese fünf Aspekte der Veränderung sind als Scheinwerfer zu
interpretieren, die jeweils einen Teil des Problems sichtbar ma-
chen. Es müssen allerdings alle fünf Scheinwerfer eingeschal-
tet werden, um das Problem vollständig zu erkennen bzw. zu
lösen.
Abb. 2: Psychologistische Problemsicht: »Volle
Beleuchtung« durch die fünf Aspekt-Scheinwerfer
(Darstellung nach Augustin, 1990, S. 40 ff)
Abb. 3: Die einzelnen Aspekt-Scheinwerfer der
Psychologistik (Darstellung nach Augustin, 1990,
S. 40 ff)
78 Ehrenkolloquium 2011
Wenn lediglich einzelne Aspekte eines Unternehmens betrach-
tet würden – auch wenn sie veränderungsrelevant sind –
,könnte ein Veränderungsproblem nicht in seiner vollen Trag-
weite erkannt und somit auch nicht nachhaltig wirksam gelöst
werden. Wird auch nur einer der genannten Aspekte nicht be-
rücksichtigt, dann ist das Ergebnis nur Stückwerk.
Die Aspekte sind, wie erwähnt, einerseits Analysekriterien und
andererseits Handlungsfelder für Veränderungen. Wichtig da-
bei ist allerdings, dass die Kausalität zwischen den Aspekten
berücksichtigt wird. Kernkompetenzen ermöglichen die Ver-
wirklichung von Visionen und Zielen etc.. Diese schlagen sich
wiederum in Aufgaben, Funktionen und Prozessen nieder. Zu
deren Durchführung sind geeignete Mitarbeiter und Führungs-
kräfte erforderlich. Durch ein Controlling der Ziele und eine
Re� exion der Strategien ist zu prüfen und sicherzustellen, dass
die eingesetzten Mittel richtig waren und zu den angestrebten
Ergebnissen führen.
Anwendung des psychologistischen Prinzips
Tiefgreifende Eingriffe in eine Organisation sind nicht durch
den Hinzukauf von Standardlösungen zu bewältigen. Unter-
nehmensunabhängig wirksame Erfolgsrezepte, die meist von
selbsternannten Managementgurus angeboten werden und
mit einer dazugehörigen »bombensicheren Bedienungsanlei-
tung« einhergehen, berücksichtigen die Spezi� ka der eigenen
Organisation und Kultur nur unzureichend (Hornstein, Rosen-
stiel, 2000, S. 156). Um das geschilderte psychologistische
Prinzip in der Praxis anwenden zu können, muss es in ein prak-
tikables, ganzheitlich ausgelegtes Vorgehensmodell umgewan-
delt werden, in dem die beschriebenen Aspekte sowohl als
Leitlinien für eine Ist-Analyse der angetroffenen Situation als
auch zur De� nition eines angestrebten Soll-Zustands und da-
mit zur Neu- oder Umgestaltung eines zu verändernden Unter-
nehmens eingesetzt werden können.
In diesem Aspektmodell werden die genannten Anforderun-
gen umgesetzt. Es dient einer ganzheitlichen, aspektweisen
Erfassung des Ist- und Soll-Status des Unternehmens und der
Kennzeichnung des daraus abgeleiteten Handlungsbedarfes.
Dies macht es in einem frühen Stadium eines Veränderungs-
projekts bereits möglich, abzuschätzen, inwieweit dieser
Handlungsbedarf aus eigener Kraft abgedeckt werden kann,
ohne aus einer isolierten Einzelbetrachtung in vorschnellen
Aktionismus zu verfallen und allenfalls nur suboptimale Lösun-
gen zu kreieren.
Im Weiteren ermöglicht dieses Modell die Entwicklung eines
ganzheitlichen und individuellen Veränderungskonzepts, das
die Wechselwirkungen der Unternehmensprozesse und deren
Schnittstellen berücksichtigt. Die oben beschriebenen einzel-
nen Aspekte sind systematisch aufeinander abgestimmt, so
dass ein einheitlicher Bezugsrahmen hergestellt wird. Dies er-
möglicht eine durchgängige und konsistente Sichtweise. Maß-
nahmen können so aufeinander abgestimmt und in eine stra-
tegische Gesamtsicht eingebettet werden. Dieser Bezugsrah-
men spiegelt den vollständigen Kreislauf einer psychologisti-
schen Entwicklung wider. Je nach Ausgangssituation kann je-
doch mit dem dringlichsten Aspekt, d. h. mit dem Aspekt, der
den größten Handlungsbedarf erfordert, begonnen und an-
schließend der restliche Zyklus durchlaufen werden. Aspekte,
die bereits abgehandelt wurden, können integriert und auf
ihre Verträglichkeit mit dem Gesamtsystem überprüft werden.
Für die effektive und ef� ziente Anwendung des Modells
emp� ehlt es sich, in einem ersten Schritt einen Selbstcheck in
Form eines moderierten Workshops mit sorgfältig ausgewähl-
ten Schlüsselpersonen, wie beispielsweise der Geschäftsfüh-
rung, Mitarbeitern aus dem Führungskreis, Stabsstellen, etc.
durchzuführen. Hierbei werden die einzelnen Aspekte des
Modells gemeinsam auf die folgenden drei Fragestellungen
hin beleuchtet:
– Was läuft bereits gut und sollte beibehalten werden?
– Was muss noch verändert werden?
– Wo ist externe Unterstützung erforderlich?
Es wird im Praxisfall allerdings nicht immer notwendig sein,
sämtliche Aspekte um- oder neuzugestalten. Dies richtet sich
nach der konkret vorgefundenen bzw. analysierten Situation.
Dazu ein Beispiel:
Ein Kernprozess jedes Unternehmens ist der Auftragsabwick-
lungsprozess, gern die »Hauptschlagader des Unternehmens
genannt. Durch ihn werden Anforderungen des Kunden in
Kundenzufriedenheit umgesetzt. Seine Ziele setzen sich aus
Zeitzielen (z. B. Lieferzeit), Kostenzielen und Qualitätszielen zu-
sammen, die alle erreicht werden müssen, um den Kunden zu-
friedenzustellen. Wenn nun eine Analyse der Prozesse in ei-
nem Unternehmen zu dem Ergebnis kommt, dass im Auftrags-
abwicklungsprozess nicht alle Ziele erreicht werden, so dass
die Kundenzufriedenheit darunter leidet, kann dies bedeuten,
dass auf der Ebene des Prozessaspekts strukturelle Verände-
rungen im Prozess vorgenommen werden müssen. In der
Regel muss im selben Zusammenhang geprüft werden, ob für
den veränderten Prozess beispielsweise andere Kompetenzen
bei den beteiligten Mitarbeitern oder sogar neue Mitarbeiter
erforderlich sind.
Ehrenkolloquium 2011 79
Einer der wichtigsten Nutzenfaktoren von Prozessen besteht
darin, dass die darin beschriebene Abfolge von Tätigkeiten je-
derzeit wiederholbar ist, dass also »das Rad nicht immer von
Neuem erfunden werden muss«. Natürlich gilt dies auch für
ein methodisches Vorgehen bei der Veränderung von Unter-
nehmen, unabhängig davon, mit welcher Zielsetzung diese er-
folgen soll. Um die bei einer Veränderung typischen Probleme
des Widerstandes von Mitarbeitern gegen Neuerungen zu ver-
meiden, ist bei dem Wandel von Einstellungen und Verhaltens-
weisen eine solche standardisierte Vorgehensweise zu wählen.
Gerade der Wandel von einer traditionellen Funktionsorientie-
rung, die in vielen Unternehmen bisher Bestand hatte und von
den Mitarbeitern und auch Vorgesetzten gelebt wurde, hin zu
einer prozessorientierten Einstellung zählt zu den schwierigs-
ten Aufgaben, die zur Sicherstellung der Lebens- und Überle-
bensfähigkeit eines Unternehmens bewältigt werden müssen.
Unter Funktionsorientierung ist in diesem Zusammenhang ein
Denken in den Grenzen von Abteilungen zu verstehen, die
traditionellerweise nicht nach Prozessen, sondern nach der
Übereinstimmung ihrer Verrichtungen (Verrichtungsprinzip)
de� niert werden (z. B. Kaufmännische Abteilung, Technische
Abteilung, Planungsabteilung etc.).
Bei der Entscheidung über die Anwendung des psychologisti-
schen Prinzips sollte Klarheit darüber bestehen, ob die vorhan-
dene Unternehmenskultur die für dieses Prinzip unverzichtbare
Einbeziehung der Mitarbeiter in die Veränderung überhaupt
zulässt und unterstützt. In einer reinen Misstrauens- und Zah-
lenüberwachungskultur wird sich dieser Ansatz nicht erfolg-
reich realisieren lassen, ja er wird vielmehr gänzlich ungeeignet
sein.
Dementsprechend wird entschieden, ob die Veränderung nach
diesem Prinzip durchgeführt werden kann, wie schnell und
effektiv die Umsetzung verlaufen würde und wie der Einstieg
konkret im Unternehmen, in einem bestimmten Geschäftsbe-
reich oder in einer Abteilung aussehen sollte.
Wichtig ist auch die Festlegung des Freiraums, den die Mitar-
beiter für ihre eigene Entwicklung erhalten und innerhalb des-
sen sie einen Beitrag zur Veränderung leisten können. Hierzu
sind Zeit und Entscheidungsbefugnisse notwendig. In Abhän-
gigkeit von der Quali� kation der Mitarbeiter kann sich dadurch
die Qualität von Entscheidungen verbessern und das Engage-
ment vergrößert werden. Inwiefern der Gestaltungsspielraum
tatsächlich genutzt wird, hängt von der verantwortlichen Un-
ternehmensspitze ab. Diese muss die Mentalität der Verände-
rung vorleben und eher als Coach und nicht als »Vorgesetz-
ter« die Veränderung vorantreiben. Die Selbststeuerung bzw.
Selbstentfaltung der Mitarbeiter erfordert ihre Einbindung,
ohne jedoch in eine bloße »Gefälligkeitsdemokratie« abzuglei-
ten. Die notwendige Anpassungsfähigkeit der Organisation an
Umfeldveränderungen erfordert schnelle Entscheidungen und
ein Mitdenken der Mitarbeiter, die nur durch Partizipation ge-
sichert werden kann. Bei aller Planungsqualität ist die Verände-
rung ein Prozess, der sich ständig weiterentwickeln muss.
Trotz der potenziellen Nachhaltigkeit und Qualität von Verän-
derungen bei der Anwendung des psychologistischen Prinzips,
bei denen mit wenig Akzeptanzproblemen und daher mit ra-
scher Umsetzung gerechnet werden kann, ist dennoch der
Zeitbedarf hierfür sehr groß. Eine genaue Planung des Zeitbe-
darfs von Veränderungen ist oftmals kaum möglich. Aufgrund
von Unternehmensgröße und Vielfalt von involvierten Abtei-
lungen, Werken oder Unternehmensbereichen stößt die Betei-
ligungsmöglichkeit der Mitarbeiter an Grenzen. Die Entschei-
dung, wer primär an der Lösungs� ndung und Veränderung
teilnimmt, sollte den Mitarbeitern transparent gemacht wer-
den, um jeden Eindruck der Willkür zu vermeiden.
Die für die Veränderung zur Verfügung stehende Zeit spielt
natürlich bei der Entscheidung über ein Vorgehen nach dem
psychologistischen Prinzip eine wesentliche Rolle. Wenn die
Zeit drängt – etwa in Krisensituationen – ,besteht für ein Un-
ternehmen natürlich auch die prinzipielle Möglichkeit, sich der
»Strategie des Bombenwurfs« zu bedienen.
Das schlagartige Inkraftsetzen eines meist von wenigen Ent-
scheidungsträgern erstellten Konzepts der Veränderung ohne
Einbeziehung von Mitarbeitern und ohne langwierigen Pla-
nungsvorlauf, widerspricht dem psychologistischen Prinzip
grundsätzlich. In der Praxis wird diese »Bombenwurf-Strate-
gie« allerdings nicht nur in Fällen, in denen rasches Handeln
erforderlich ist, eingesetzt, sondern oft auch aus Gründen der
Bequemlichkeit, wenn sich die Führungskräfte lange Diskussio-
nen mit Mitarbeitern und die lästige Berücksichtigung »frem-
der« Argumente ersparen wollen. Diese vermeintliche Zeit-
und auch Kostenersparnis bei der Durchführung einer Verän-
derung führt jedoch oft zu extremen Akzeptanz- und Motivati-
onsproblemen bei den Mitarbeitern.
Projektwirkungscontrolling
Untersuchungen, die in den vergangenen Jahren über die
Gründe von Projektmisserfolgen durchgeführt wurden, haben
ergeben, dass ein Hauptgrund darin besteht, dass der Haupt-
schwerpunkt eines konventionellen Projektcontrollings auf der
planerischen und operativen Phase eines Projekts liegt, in der
der Hauptanteil der Projektressourcen eingesetzt und ver-
braucht wird. Am Ende der operativen Phase scheint das Pro-
80 Ehrenkolloquium 2011
jekt dann abgeschlossen, Projektteams werden aufgelöst, die
Mitarbeiter werden für neue Aufgaben oder Projekte einge-
setzt. Ob die durch das Projekt angestrebten Wirkungen ein-
treten, wird häu� g gar nicht oder nur am Rande geprüft.
Der Grundgedanke des Projektwirkungscontrollings besteht
nun darin, dass bereits in der Projektplanung die Wirkungs-
ziele des Projekts klar als Messwerte de� niert und als
Controlling-System noch während des Projekts installiert wer-
den müssen. Selbstverständlich sind dabei die Wirkungsziele
aus den Unternehmenszielen abgeleitet (Hochrainer, 2004,
S.�96 ff).
Welche Risikofaktoren sind nun die wichtigsten, die speziell
bei Veränderungsprojekten zu beobachten sind und oft den
vollen Erfolg von Veränderungsprojekten, also die volle Errei-
chung der Implementierungsqualität, verhindern?
– mangelnde Akzeptanz bei den Betroffenen
– unpräzise Zielvorgaben
– mangelnde Quanti� zierung der Wirkungsziele
– fehlende Verantwortung für die Zielerreichung
– mangelnde Beachtung bzw. Kenntnis der Projektumwelt
Die beschriebenen Risiken sind nur ein Teil der Ursachen für
die mangelnde Implementierungsqualität, sie sind jedoch
symp tomatisch für viele Veränderungsprojekte. Eine hundert-
prozentige Implementierungsqualität ist dann gegeben, wenn
die durch die Veränderung angestrebten Wirkungen voll ein-
getreten sind.
Das Projektwirkungscontrolling baut auf einem ganzheitlichen
Projektverständnis auf. Gleich zu Beginn müssen die Voraus-
setzungen de� niert und die Weichen für eine höchstmögliche
Implementierungsqualität gestellt werden. Im Wesentlichen
besteht das Wirkungscontrolling aus vier Kernelementen:
– detaillierte Projektzielde� nition inkl. der Projektwirkungen
– Abschätzung der Maßnahmenwirkungen
– Ableitung von Messgrößen bzw. einer Mess-Systematik aus
den Projektzielen, Maßnahmen und -wirkungen
– Verfolgung des Wirkungshochlaufs
Die aktuellen Projektziele einer Veränderung müssen mit der
gesamten Ziellandschaft des Unternehmens sowie ggf. mit
den Zielen gerade laufender anderer Projekte abgestimmt wer-
den, d. h., man muss sich im Klaren darüber sein, wie die Pro-
jektziele in die Unternehmenszielhierarchie passen, um Aus-
maß und Richtung der Beein� ussung der über-, unter-, und
nebengeordneten Ziele abschätzen zu können. Bei einem Vor-
gehen nach dem psychologistischen Prinzip ist diese Zielab-
stimmung bereits erfolgt.
Das Wirkungscontrolling wird als durchgehender, projektbe-
gleitender Prozess gestaltet und muss damit integraler Be-
standteil des gesamten Veränderungsprojekts sein. Dieser Pro-
zess beginnt mit der Veränderungsidee, endet mit der nachge-
wiesenen Wirkung der Veränderung und erfordert die frühzei-
tige Einbindung aller von der Veränderung Betroffenen.
Erfahrungsgemäß braucht das Projektwirkungscontrolling
nach Abschluss der Implementierungsphase des Verände-
rungsprojekts nicht mehr im vollen Umfang durchgeführt wer-
den. Synchron zum zunehmenden Erreichungsgrad der Pro-
jektwirkung ist im Sinn einer regelmäßigen »Projektwartung«
nunmehr ein komprimiertes Controlling, eine Art turnusmäßi-
ger Wirkungscheck, erforderlich.
Abb. 4: Zielbeziehungen und Beein� ussungsrich-
tungen (Darstellung nach Hochrainer, 2004, S. 35)
Abb. 4: Zielbeziehungen und Beein� ussungsrich-
tungen (Darstellung nach Hochrainer, 2004, S. 35)
Ehrenkolloquium 2011 81
Es geht dabei nicht um eine bloße Kontrolle der erreichten
Ziele und Wirkungen, sondern vielmehr darum, lenkend,
unterstützend und beschleunigend in das Projektgeschehen
einzugreifen, um die gewünschten Wirkungen innerhalb der
vereinbarten Zeit und im Rahmen der Kostenlimits und der zur
Verfügung stehenden Ressourcen zu erreichen. Da die Projekt-
wirkung Bestandteil jedes Projekts sein muss, ist das Projek-
tende erst dann erreicht, wenn die Wirkung zu 100�Prozent
eingetreten ist.
Durch die Anwendung des auf dem Aspektsystemansatz auf-
bauenden psychologistischen Prinzips in Verbindung mit einem
Projektwirkungscontrolling kann das erfahrungsgemäß hohe
Risiko, dass Change Management-Projekte entweder aus
Akzeptanzgründen scheitern oder nicht die erwarteten Wir-
kungen im Unternehmen bringen, stark reduziert werden.
Literatur:
Augustin, S.: Erfolgsfaktor Informationswirtschaft.
Verlag Industrielle Organisation, Zürich 1990
Augustin, S.; Hochrainer, P.: Projektwirkungscontrolling.
In: Gassmann, O.; et al.:High Risk Projekte. Berlin, München, New York:
Springer Verlag, 2003
Hochrainer, P.: Verbesserung der Implementierungsqualität von industriel-
len Projekten – Konzeption, Messgrößen und Einführung eines Projektwir-
kungscontrollings. Dissertation an der Otto-von-Guericke-Universität Mag-
deburg 2004
Kilian, D.; Reinhardt, R.: SAPO – Methode. In: Bäck, S.; Biedermann, H.; En-
gelhardt, C.: Prozessorientiertes Gestalten und Lenken von Flüssen.
(Ein Jubiläumsband für Prof. Dr. Siegfried Augustin), Edition LMS 2006
v. Hornstein, E.: Von der »Psycho-Logik des Misslingens« zur »Psycho-Lo-
gistik des Gelingens« – ein Praxisbeispiel.
In: Bäck, S.; Biedermann, H., Engelhardt, C.: Prozessorientiertes Gestalten
und Lenken von Flüssen.
(Ein Jubiläumsband für Prof. Dr. Siegfried Augustin), Edition LMS 2006
v. Hornstein, E.; v. Rosenstiel, L.: Ziele vereinbaren Leistung bewerten.
München: Wirtschaftsverlag Langen Müller/Herbig, 2000
P R O D U K T I O N U N D L O G I S T I K I M 2 1 . J A H R H U N D E R T
Ehrenkolloquium 2011 83
THAT IS WHAT WE EXPECTED: CHANCES OF ECONOMIC CATCH-UP IN HUNGARYProf. Dr. György Kocziszky, Head of Institute, Dean of Faculty of Economics, University of Miskolc, Hungary
The author wishes good health with this paper to Professor
Dr. Eberhard Gottschalk, his advisor (1980-1982) as the lack
of his friendship would probably make the author poorer.
Hungarian Economic Development
Hungarian economic history is more or less in agreement
about drawing up the periods of the Hungarian economic de-
velopment.
The nearly � fty years (»balmy days of peace«) between 1867
and 1914 (Austro-Hungarian Monarchy) is in general positively
evaluated, although opinions are divided on the economic
growth rate of the period. It remains a fact, however, that
Hungary developed from a backward agrarian country (with a
semi-peripheral position) into an agrarian-industrial country
with a developed food industry in that period. As a result, the
growth rate of the economy accelerated; between 1870 and
1913 (at a growth rate of 2-3.5 percent/year) the per capita
GDP was nearly trebled (Figure 1).
This growth rate was broken by World War I. Although the
governments succeeding each other took serious steps to pro-
Figure 1: Per capita GDP in Hungary, 1870-2009 (Maddison, 1994)
84 Ehrenkolloquium 2011
tect to economy (repayment of foreign debts was halted, the
industry was given considerable military orders, etc.), the re-
sources had been depleted by 1918 and the economic perfor-
mance of the country suffered a signi� cant setback.
Opinions are greatly divided on the economic performance of
the period between the two World Wars as well as on that of
the subsequent period (1945-1989). Unbiased empirical analy-
ses have been published only recently.
The change in political orientation taking place after 1989 has
exerted a signi� cant in� uence on the Hungarian economy. Pri-
vatisation, the decline of state interventions, opening up the
markets, the indebtedness of the country, etc. have put a ran-
ge of companies in dif� cult situations, and industries have de-
clined. The dramatic decline in added value and output had
the direct consequence that the speci� c performance of Hun-
gary underwent a decline. Between 1989 and 1993, GDP de-
creased signi� cantly, by 18 percent exactly (Figure 2).
At the beginning of the new millenary (between 2000 and
2003), the hopes were born again and economic growth re-
appeared. The global economic crisis breaking out in the
spring of 2008 shook the Hungarian economy dramatically.
Although there are differences concerning the causes accor-
ding to political commitments, there is hardly any dispute
about the fact that the Hungarian economy suffered the nega-
tive external effect in a state of ill health, and thus the conse-
quences are far more serious than in terms of the Union ave-
rage.
As also shown by data of the Statistics Of� ce of the European
Union, the per capita GDP at purchasing power parity in Hun-
gary in the year of accession was 63.2 percent of the EU ave-
rage, in 2007 it was only 62.6 percent, in 2008 60.3 percent,
and in July 2009 it reached only 59.8 percent.
Thus the real convergence indicators of Hungary showed a re-
lative decline in the past four years. (As opposed to the period
2000-2004, when a convergence was registered with the va-
lue of the indicator rising from 56.1 percent to 63.2 percent. It
is worth noting that in Slovakia, which joined the Union at the
same time as Hungary, 50.1 percent in 2000 rose to 55.5 per-
cent at the time of accession and to 67 percent in 2007; bet-
ween the turn of the millenary and 2008 the same indicator
rose from 68.5 percent to 80.2 percent in the Czech Republic,
from 48.3 percent to 53.3 percent in Poland, and from 44.6
percent to 67.9 percent in Estonia).
According to Eurostat cumulative data, Hungary ranks ninth of
the ten countries which joined the Union in 2004 in terms of
Figure 2: Relative development of per capita GDP in Hungary (1870-2009)
(Based on � gures by Maddison, et al. 1995
Ehrenkolloquium 2011 85
real convergence in the period 2000 to 2007, and last when
considering the period since the accession (http://epp.eurostat.
ec.europea.eu).
This means that our economic performance is weak not only
in an absolute sense, but also when compared to the new
members.
According to Eurostat data, in the � eld of industry and servi-
ces, the annual gross income of full-time employees in compa-
nies employing at least ten persons in Hungary was 12.8 per-
cent of the average of the 15 old members in 1998. This ratio
increased to 21.7 percent by 2008, with the major part of the
increase taking place between 2000 (13.51 percent) and 2004
(20.56 percent).
In 2006, the value of the indicator was 22.93 percent in the
Czech Republic, 10.28 percent in Rumania, 19.49 percent in
Slovakia and 17.67 percent in Poland (the last � gure is for
2005). In Hungary the annual gross income grew by 10 per-
cent in 2006 as compared to 2004, and in 2007 the increase
in incomes was 26 percent as compared to the year of the ac-
cession.
At the same time, the data available show that in 2006 the
annual gross income in Hungary amounted to 21.7 percent of
the average income of the 15 old members and 25 percent of
the EU-27. Nevertheless, foreign direct investments of non-re-
sident companies in Hungary have visibly increased since the
accession, although economic analysts are doubtful about the
causal relationship. According to data of the Hungarian Natio-
nal Bank, FDI remained between 1995 and 2000 in a narrow
band between 2.63 billion Euro and 3.70 billion Euro, while in
the three years preceding the accession it showed a de� nite
decreasing tendency: from 4.39 billion Euro in 2001 to 3.19
billion Euro in 2002 and then to 1.89 billion Euro in 2003.
In the year of accession this tendency changed: FDI increased
to 3.63 billion Euro in 2004, then to 6.17 billion Euro in 2005
and also exceeded 6 billion Euro in 2006. In the last two years
it decreased to a level around 4.5 billion Euro, with its average
amounting to 4.93 billion Euro between 2004 and 2008. Me-
anwhile the public debt increased, with the highest rate of
debt service in the region.
To sum up: the economic statistical data of the past 150 years
have proved that Hungary continues to belong to the semi-pe-
ripheral countries of the world economy. Our positions obvi-
ously undergo changes, for the system itself is dynamic. At the
moment it seems that Hungary is sliding downwards rather
than climbing towards the centre.
What is next?
There is hardly any chance for real or nominal convergence
when there is a lack of stable moral conditions or the will to
improve the moral situation.
The general moral situation exerts its effect both on � scal and
real processes. The larger the proportion of the black (hidden)
economy, the higher the budgetary revenue lost. The proporti-
on lost in this way can be replaced by increasing the budgeta-
ry revenues (taxes and contributions by the white economy),
selling assets of the national wealth (»denationalisation«), and
reducing the state expenditure or by credits.
In the case when the political elite violates the written and un-
written legal regulations or although abiding by them, takes
the liberties to take steps infringing public morals, then a
»simple« citizen will also regard tax evasion as a forgivable sin
(e.g. work without invoice, etc.).
The connections between black economy, corruption and real
processes are at least that serious. Part or all of the state inter-
vention intended for increasing capacity, improving productivi-
ty, improving ef� ciency, i.e. the convergence of real processes,
may disappear in the current system without having achieved
its purpose.
Without improving our public moral conditions and states it is
a vain hope to increase the performance of the economy or to
create the nominal equilibrium.
Sources:
Maddison, A.: Monitoring the World Economy 1820-1992.
Paris: OECD, 1994 and author’s own calculation based on CSO data
Maddison, A. and author’s calculations, 1995
P R O D U K T I O N U N D L O G I S T I K I M 2 1 . J A H R H U N D E R T
Ehrenkolloquium 2011 87
AUCH ALLES EINE FRAGE DER QUALITÄTDr.-Ing. Elke Glistau, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Veränderung der Anforderungen
Wenn im Winter bei einer für Mitteleuropa normalen Schnee-
und Kältesituation Straßenbahnen und Reisezüge nicht fah-
ren,. Flughäfen schließen und der normale Straßenverkehr
massiv behindert ist, erhält die Technik- und Technologiebe-
wertung eine altbekannte, aber wichtige Dimension: Robust-
heit. Der Ruf nach Robustheit ist für das Qualitätsmanagement
an sich nichts Neues. Robustheit ist seit Jahrzehnten mit dem
Namen von Genichi Taguchi verbunden. Bei der aktuellen Wet-
terlage und insbesondere auch bei der von Experten prognos-
tizierten Zunahme von extremen Witterungssituationen sowie
von Terrorismus sind die Robustheit von Prozessen, die Robust-
heit von Technologien und die Robustheit der Technik jedoch
Gebote der Stunde. Auch kritische Infrastrukturen müssen ro-
bust gestaltet werden. Diese Sicherheits- und Robustheitsan-
forderungen erweisen sich als Wachstumsmotor für die soge-
nannten Sicherheitstechnologien ebenso wie für die Umgestal-
tung bekannter und bereits genutzter Technologien als Einzel-
technologie oder als Technologiebündel.
Neben der hervorgehobenen Robustheit spielen natürlich u. a.
auch rechtliche, ethische und wirtschaftliche Aspekte bei Tech-
nik- und Technologiebewertungen eine große Rolle. Einen gro-
ßen Ein� uss gewinnen zunehmend zudem ökologische Aspek-
te wie die Energieef� zienz. So mag sich der Transport von Holz
aus Brasilien wirtschaftlich rechnen und Gewinn für die betei-
ligten Unternehmen erwirtschaften, unter Berücksichtigung
der Energieef� zienz wird er jedoch zu einer reinen Farce. Neu
hinzugekommen sind in den letzten Jahren auch die Anforde-
rungen nach Transparenz, nach Identi� kation und Rückverfolg-
barkeit logistischer Objekte jeglicher Art. Diese Anforderungen
an die Güte technischer Lösungen de� nieren in Gänze das
Soll, an dem sich die Qualität messen lassen muss.
Qualitätsmanagement und Logistik als Weg
Das letzte Jahrhundert war auch ganz wesentlich das Jahr-
hundert der Logistik: Logistiktechnologien wie z. B. der Con-
tainertransport und der Containerumschlag ermöglichen seit
mehr als 50 Jahren, von der breiten Öffentlichkeit fast unbe-
merkt, einen wirtschaftlichen, globalen Warenhandel. Logistik
hat sich sowohl als Wirtschaftsbranche als auch als Wissen-
schaftsdisziplin etabliert. Das 21. Jahrhundert steht nun vor
neuen Herausforderungen zur Erfüllung der veränderten Kun-
denanforderungen. Dabei leistet die synergetische Verbindung
von getrennten Wissenschaftsdisziplinen, wie dem Qualitäts-
management und der Logistik unter Einbeziehung wirtschafts-
wissenschaftlicher Erkenntnisse einen wesentlichen Beitrag,
um den aktuellen Anforderungen mit innovativen Lösungen
effektiv und ef� zient zu entsprechen.
Zu den einzelnen Qualitätsmanagementmethoden vergl. u. a.
Bhote 1990, Bhote 2000, Imai 2001, Kleppmann 2001, Mag-
nusson 2004, Masing 2007, Rehbein 2003, Rother 2000,
Schenk 2010, Shainin 1988, Steiner 2008 und zu den Normen
und Richtlinien die angehängte Literaturliste.
Auf dem Gebiet der Verbindung von Qualitätsmanagement
(QM) und Logistik haben bereits in der Vergangenheit Hans-
Peter Wiendahl und Eberhard Gottschalk intensiv gearbeitet
und publiziert. Bereits Mitte der 1990er Jahre wurde begon-
nen, beide Disziplinen enger zusammenzuführen. In den letz-
ten sechs Jahren wurde aufbauend auf diesen wegweisenden
Arbeiten der Modell- und Methodenvorrat des Qualitätsma-
nagements weiter für die Logistik erschlossen. Dabei erfolgte
auch eine internationale Zusammenarbeit mit anderen Univer-
sitäten (Miskolc, Ungarn, und Santa Clara, Kuba). Es wurde die
Anwendbarkeit des Methodenvorrats in der Logistik getestet,
modi� ziert, neu entwickelt oder auch vereinfacht, Referenzlö-
sungen wurden geschaffen und in Form von Anwendungen in
unterschiedlichen Branchen wurde die Notwendigkeit, der
Sinn und der Erfolg dieses Vorgehens praktisch nachgewiesen.
88 Ehrenkolloquium 2011
Qualitätsmanagementmethoden für die Logistik stehen heute
als Methodenvorrat für praktische Anwendungen in der Logis-
tik zur Verfügung. Dabei beginnt Qualität nicht bei der Lö-
sung, sondern oft zunächst bei der Strategie.
Zusammenhang von Strategie und Technologie
Ausgangspunkt nachfolgender Ausführungen sind die für Un-
ternehmen bzw. auch für Unternehmensnetzwerke existenziell
wichtigen Produktions- und Logistikstrategien. Sie de� nieren,
bezogen auf einen lang- bis mittelfristigen Zeithorizont (heute
oft nur Weichen stellend für einen Zeitraum von zwei bis vier
Jahren), die sogenannten »W‘s«. Wie aus Abb.�1 ersichtlich,
gibt es dabei zu beachtende Abhängigkeiten zwischen den
einzelnen Aspekten der Strategie� ndung.
Tabelle 1 enthält eine Erläuterung der relevanten Aspekte, wo-
bei exemplarisch eine Differenzierung in Produktions- und Lo-
gistikstrategien vorgenommen wird. Ein wesentlicher Betrach-
tungsaspekt ist das »Wie«. Darunter verbergen sich die strate-
gischen Technologien und die grundsätzlichen, organisatori-
schen Lösungen.
Produktions- und Logistikstrategie sind Teil der Unternehmens-
strategie, die z. B. den Fabriktyp festlegt. Andere Strategiefel-
der sind z. B. die Forschungs- und Entwicklungsstrategie, die
Marketingstrategie oder auch die Finanzierungsstrategie.
Ein ganzheitliches Qualitätsmanagement für die Logistik be-
ginnt damit bereits im strategischen Bereich und umfasst u. a.
die in der Tabelle 1 genannten Aspekte. Dabei sind auch
Wechselbeziehungen zwischen den Logistikstrategien und den
anderen Strategiefeldern zu berücksichtigen.
Aus der Tabelle 1 kann man ableiten, dass Identi� kation, Navi-
gation, Kommunikation, DV-Techniken und Virtuelle Techniken
maßgeblich die Informations� üsse und damit auch die gesam-
te Informationslogistik und die Qualitätslenkung verändern
und verbessern.
Bewertung von Innovationen mit Logistikfokus
Alle großen Industrienationen suchen derzeit auf ähnlichen
Wegen zukünftige Schlüsseltechnologien, um langfristige
Marktvorteile zu erarbeiten. Die kurzzyklisch zu wiederholen-
den Technologiebewertungen führen zu Investitionsentschei-
dungen in Forschung und Entwicklung, de� nieren den Beteili-
gungsgrad von der Eigenentwicklung über die Beteiligung an
Forschungspartnerschaften bis hin zum Fremdbezug sowie das
zeitliche Wirken als Pionier, als »Früher Folger« oder auch als
»Später Folger«. Dies wiederum erfordert zuvor folgende Be-
wertungen:
– Bewertung des Nutzungspotenzials einer neuen Technik/
Technologie,
– Bewertung des Reifegrades einer neuen Technik/
Technologie,
– Bewertung des zu leistenden Forschungs- und Entwick-
lungsaufwandes in den kommenden Monaten/Jahren,
– Bewertung des Zeitpunkts der Nutzung einer neuen
Technik/Technologie und
– Bewertung der perspektivischen Nutzungsdauer.
Die Tabelle 2 enthält exemplarisch einige logistikrelevante
Technologien bezogen auf den Informations� uss.
Es werden altbekannte und neue strategische Werkzeuge zur
Bewertung und Ableitung des Handelns genutzt. Bewährt ist
die TOWS-Matrix (Abb. 2) und die verschiedenen S-Kurven.
Neue Bewertungsansätze berücksichtigen besonders stark die
Energieef� zienz.
Exemplarisch soll die in Logistikkreisen nicht so bekannte
TOWS-Matrix kurz erläutert werden. TOWS de� niert die Rei-
henfolge der Betrachtung: von außen nach innen. Anhand der
externen Anforderungen und Bedingungen wird ein Stärken-
und Schwächenpro� l erstellt. Die für den Markt entscheiden-
den Wettbewerbsvorteile werden so systematisch genannt so-
Abb. 1: Aspekte zur De� nition von Strategien
Ehrenkolloquium 2011 89
Tabelle 1: Kurzcharakteristik von Produktions- und Logistikstrategien
P L
PRODUKTIONSSTRATEGIEN LOGISTIKSTRATEGIEN
Zielsetzung Vision, Produktionsziele Vision, Logistikziele
Umfeld Gesetze, Regelungen, Chancen, Risiken,
Konkurrenz
Gesetze, Regelungen, Chancen, Risiken, Konkurrenz
Kenngrößen Produktionskennzahlen
(Teil einer Balanced Scorecard)
Logistikkennzahlen
(Teil einer Balanced Scorecard)
Produkt
(Was)
Produktionsprogramm Leistungsportfolio
– Produktmerkmale
– Fertigungstiefe
– Kernkompetenzen
– Add ons
Dienstleistungsprogramm Dienstleistungs portfolio
– Servicemerkmale
– Leistungstiefe
– Kernkompetenzen
– Add ons
Kunden und Anforderungen
(Für Wen)
Kunden, Kundenstruktur, Kundenanforderungen
Nachfrageentwicklung
Kunden, Kundenstruktur, Kundenanforderungen
Nachfrageentwicklung
Menge
(Wieviel)
Produktionsmenge, Durchsatz (Was),
Produktionskapazität (Wo)
Logistikmenge, Durchsatz, Lagergüter, Bestand, Reich-
weite (Was), Logistikkapazität (Wo)
Standort, Standortstruktur
(Wo)
Produktionsstandorte (Anzahl, Lage, Größe),
Produktionsnetzwerke, Generalplan
Logistikstandorte (Anzahl, Lage, Größe),
Logistiknetzwerke, Generalplan
Beteiligte
(Wer, mit wem)
Unternehmenstyp, Personal (Quali� kation, An-
zahl), Kooperationspartner, Strategische Allian-
zen, Lieferanten, Langfristverträge
Unternehmenstyp, Personal (Quali� kation, Anzahl),
Kooperationspartner, Strategische Allianzen,
Lieferanten, Langfristverträge
Zeitliche Gestaltung
(Wann, wie lange)
Produktionszeitpunkte, Produktionszeitraum
Lebenszyklusbetrachtung
Leistungszeitpunkte, Leistungszeitraum
Lebenszyklusbetrachtung
Technologie, Organisation
(Wie) und Technik (Womit)
bezogen auf Material� uss
und Informations� uss
Organisationsformen, Prozesse und Technologien
der Fertigung, der Montage, der Demontage
und der sichernden und Zusatzfunktionen, Kun-
denentkopplungspunkt
Organisationsformen, Prozesse und Technologien des
Transports, des Umschlags, der Lagerung und von di-
versen Zusatzfunktionen, Lage der Bereitstellungs-
punkte Input/Output
Technologien der Identi� kation, der Navigation, der Kommunikation, der Datenerfassung, des Datentransports,
der Datenverarbeitung, der Datensicherung, der Datenspeicherung, der Datenaufbereitung, der Datenausgabe,
Virtuelle Techniken
Technik (Automatisierung, Flexibilität, Standardisierung, Spezialisierung, Modularität, Variabilität, Homogenität
bzw. Heterogenität, Kompatibilität)
90 Ehrenkolloquium 2011
wie objektivierte Stärken des Unternehmens bzw. des Unter-
nehmensnetzwerks ermittelt und quali� ziert.
Die Matrix bildet die Basis für eine Ordnung und gibt den Rah-
men für Handlungsoptionen. Solche Handlungsoptionen sind
z. B. neue Technologien. Diese Technologien eröffnen neue an-
cen in der Gestaltung logistischer Prozesse und Systeme und
auch in der Qualitätslenkung, in der die Anforderungen effek-
tiv und ef� zient realisiert werden sollen.
Einige Beispiele dafür sind im Kontext mit RFID-Technologien
und Qualitätslenkung:
– Bildung von Versandeinheiten und Transporteinheiten und
-überprüfung auf Richtigkeit,
– Überwachung des Versandprozesses im Warenausgang
(Zustellqualität),
– Zutrittskontrolle z. B. in speziellen Lagerbereichen,
– Behälteridenti� kation für Mehrwegbehälter,
– die Produktrückverfolgbarkeit und Dokumentation sowie
– Herkunftsnachweis und Fälschungssicherheit für Medika-
mente.
So verknüpfen sich Technologien der Informationslogistik mit
der Qualitätslenkung von Prozessen.
Anwendung des Qualitätsmanagements
Neben dem bereits ausgeführten ganzheitlichen und strate-
gischen Charakter besitzt das Qualitätsmanagement somit
eine wesentlich auf die Prozesssicht orientierte Ausrichtung
mit den Schwerpunkten: Anforderungserfüllung, Wertschöp-
fung, Prozessleistung und Prozesswirksamkeit sowie ständige
Verbesserung (DIN EN ISO 9000:2005 und DIN EN ISO
9001:2008). Neben Neuem werden natürlich auch nach wie
vor klassische Methoden mit großem Effekt für die Praxis ein-
gesetzt (Abb. 2). Insgesamt gesehen, sind die vorgestellten
Methoden Typenvertreter einer Methodengruppe und können
durch viele andere geeignete Methoden ersetzt oder ergänzt
werden.
Neben Prü� isten/Strichlisten sind z. B. auch alle anderen Arten
der Betriebsdatenerfassung für die Datensammlung nutzbar.
Es sind Hilfsmittel, die eine systematische Analyse unterstützen
und eine schnelle und richtige Interpretation der Untersu-
chungsergebnisse begünstigen. So können mit einfachen
Strichlisten Fehler und Fehlermerkmale in logistischen Prozes-
sen, wie z. B. Verpackungsschäden, Transportschäden, verspä-
tete Wareneingänge u. a., erfasst werden.
Statistische Berechnungen liefern Lagemaße (Minimum, Maxi-
mum, Arithmetischer Mittelwert, Median, Quartile etc.) und
Streuungsmaße (Spannweite, Quartilabstand, Standardabwei-
chung, Varianz etc.), um daraus Maßnahmen abzuleiten. Über
Histogramme werden Fehlerhäu� gkeiten sichtbar. Aus Streu-
ungsdiagrammen lassen sich Ein� üsse von Störungsursachen
ablesen, die nachfolgend über Regressionsanalysen quanti� -
ziert werden können.
Über Pareto- und Lorenz-Pareto-Analysen lassen sich Fehler
nachvollziehbar priorisieren und damit gezielt die Haupt-
schwachstellen eines Prozesses oder eines Systems in Angriff
nehmen. Fähigkeitsanalysen und speziell das Ursache-Wir-
kungs-Diagramm bieten gute Möglichkeiten, Fehlerursachen
in Logistikprozessen rechtzeitig zu erkennen, sie systematisch
zu analysieren und sie regelnd zu beherrschen.
Häu� g diskutiert werden in letzter Zeit speziell Six Sigma und
der Nachweis der Prozessfähigkeit. Dabei geht es im Kern um
das Erreichen von fähigen und beherrschten Prozessen durch
Quanti� zierung und gezielte Beein� ussung. Die Fähigkeitsana-
Tabelle 2: Einige Beispiele für logistikrelevante
Technologien für den Informations� uss
Technologieart Einige Beispiele
Zukunfts- oder Schritt-
macher technologien
– frühes Stadium der For-
schung
– Marktwert noch nicht
festgestellt
Erfassen der mikroskopischen
Ober� ächenstruktur durch
Laser-Streulicht
Schlüsseltechnologie
– schwer beschaffbar
– Grundlage von Wettbe-
werbsvorteilen
RFID, Hologramme, Spezialtin-
ten, Spezielle Sicherheitsmerk-
male insbesondere in Kombina-
tion, Elektronisches Tendering
beim europaweiten Einkauf von
Frachtraum Simulation, AR
(Augmented Reality)
Basistechnologie
– leicht beschaffbar
– notwendige Grundlage
der Logistik
Barcode, Data Matrix Code,
Wassermarken, OCR
Ehrenkolloquium 2011 91
lysen beruhen auf einer Prozessbewertung. Die Prozessfähig-
keit ist zunächst von der Streuung der Merkmale abhängig. Ist
die Streuung im Vergleich zu den Grenzwertvorgaben hoch,
wird die Vorgabe vermutlich relativ oft überschritten. Die Maß-
nahmen müssen dementsprechend darauf ausgerichtet wer-
den, die Streuung zu verkleinern.
Daneben wird die Prozessfähigkeit auch durch das Verschieben
der Prozesslage beein� usst. Das Verschieben der Prozesslage
bedeutet, dass der aktuelle Merkmalswert eine Verschiebung
(keine zufällige Streuung!) gegenüber dem Mittelwert der
Merkmale (Mitte der Toleranz) aus der Vorperiode aufweist.
Auslöser dieser Verschiebung können systematische Ein� üsse,
Trends (Wartungsintervalle, Alterung von Komponenten),
Schichtwechsel etc. sein. Neue Prozessfähigkeitsindizes be-
rücksichtigen auch die Tiefe.
Tabelle 3: Einige Poka-Yoke-Lösungen (Illés 2007a,b)
Abb. 2: Überblick über ausgewählte Methoden zur Fehleranalyse und -vermeidung
(Darstellung nach Wisweh, 2002)
Poka-Yoke-Lösungen zum Erkennen von Fehlern
Kontakt-
methode
– Lichtraumpro� le zur Geometrieprüfung von
Paketen
– Lichtraumpro� le vor Brücken
Fixwert-
methode
– Zählen der Behälter durch elektronische Zähler
– Fixe Anzahl von Teilen (z. B. Bierkasten) erleich-
tert Erkennen fehlender Teile
Schritt-
folgen-
prinzip
– Kommissionierliste nach Route des Kommissio-
nierers
– Pick by voice (Kommissionierauftrag in der Rei-
henfolge der Entnahmen und Quittierung
durch Spracheingabe)
92 Ehrenkolloquium 2011
Die präventiven Verfahren dienen u. a. zur:
– Aufnahme und gezielten Umsetzung von Kundenerwar-
tungen in Produkte (z. B. QFD)
– Fehlervermeidung, Fehlerreduzierung und Nutzung von
Erfahrungswissen über Ursachen von Fehlern (z. B. FMEA)
– Ermittlung entscheidender Ein� ussfaktoren und Quanti� zie-
rung der sich daraus ergebenden Wirkungen (alle Arten der
Versuchsplanung)
– De� nition von Qualitätsmerkmalen und Messgrößen, mit
deren Hilfe Logistikprozesse bewertet werden können.
Wichtige Kennzahlen der Logistik enthält die VDI-Richtlinie
4400.
Ein weiteres kleines Beispiel betrifft Poka-Yoke-Lösungen. Die-
se zielen auf das Verhindern oder Vermeiden von unbeabsich-
tigten Fehlern mit dem Grundgedanken, dass kein Mitarbeiter
und kein System ohne besondere Vorkehrungen fehlerfrei ar-
beiten kann.
Handlungen des Mitarbeiters, die zu Fehlern führen können,
sind unter anderem Unaufmerksamkeit, Vergessen, Fehlinter-
pretation, Verwechseln, Vertauschen oder fehlerhaftes Able-
sen. Verstärkt werden diese Vorgänge durch schlechte Arbeits-
bedingungen und maßgeblich durch Stress.
Ein Leitbild und ein gemeinsames Ziel von Qualitätsmanage-
ment und Logistik sind ef� ziente, sichere, stabile, robuste, re-
produzierbare, transparente und � exible Prozesse. Das Know-
how dazu ist am Fraunhofer IFF und am ILM der Otto-von-
Guericke-Universität Magdeburg vorhanden.
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Bhote, K. R.; Bhote, A. K.: World Class Quality – Using Design of Experi-
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Illés, B.; Glistau, E.; Coello Machado, N. I.: Logistik und Qualitätsmanage-
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Illés, B.; Glistau, E.; Coello Machado, N. I.: Logisztika és Minöségmenedz-
sment. Miskolc: 2007, 1. Au� ., 196 Seiten, ISBN 978-963-87738-0-7 (un-
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Ullstein List Verlag, 2001, 1. Au� ., 394 Seiten, ISBN: 3-548-70019-5
Kleppmann, W.: Taschenbuch Versuchsplanung – Produkte und Prozesse
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ISBN 3-446-21615-4
Magnusson, K.; Kroslid, D.; Bergman, B.: Six Sigma umsetzen. Hanser
Fachbuch 2004, ISBN 3446216332
Masing, W.: Handbuch Qualitätsmanagement. Herausgegeben von Tilo
Pfeiffer und Robert Schmitt. München: Carl Hanser Verlag, 2007, 5. voll-
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In: Dimensionen der Logistik. Wiesbaden : Gabler, 2010, S. 821-844,
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Shainin, D.; Shainin, P.: Better than Taguchi Orthogonal Tables. In: Quality
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System™ for Quality Improvement. – Quality Engineering, 2008, Vol. 20,
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Wiendahl, H.-P. (Hrsg.): Erfolgsfaktor Logistikqualität: Vorgehen, Methoden
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New York: Springer Verlag, 2002
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Clara (Kuba), ISBN 959-250-050-9
Normen und Technische Regeln:
DIN EN ISO 9000:2005: Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und
Begriffe; Dezember 2005; Deutsches Institut für Normung, Beuth-Verlag
DIN EN ISO 9001:2008-12: Qualitätsmanagementsysteme – Anforderun-
gen (ISO 9001:2008); dreisprachige Fassung
Ehrenkolloquium 2011 93
EN ISO 9004:2009: Leiten und Lenken für den nachhaltigen Erfolg einer
Organisation – Ein Qualitätsmanagementansatz (ISO 9004:2009); deutsche
und englische Fassung
DIN EN 1325-2, Ausg. 2004-11: Value Management. Wertanalyse.
Funktionenanalyse. Wörterbuch – Teil 2: Value Management.
Deutsche Fassung EN 1325-2:2004
DIN EN 12973, Ausg. 2002-02: Value Management.
Deutsche Fassung EN 12973.2:2004
DIN EN 60812: Analysetechniken für die Funktionsfähigkeit von Systemen
– Verfahren für die Fehlerzustandsart- und -auswirkungsanalyse (FMEA)
(IEC 60812:2006) Deutsche Fassung EN 60812:2006 (Ersatz für DIN 25448)
VDA4.4: Qualität in der Automobilindustrie, Bd. 4: Sicherung der Qualität
während der Produktrealisierung Methoden und Verfahren. Kap. 4: Fehler-
baumanalyse. Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA): Februar 2003, 1.
Au� .
VDA4.5: Qualität in der Automobilindustrie. Bd. 4: Sicherung der Qualität
während der Produktrealisierung Methoden und Verfahren. Kap. 5: Ver-
suchsmethodik. Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA): Februar 2003,
1. Au� .
VDI-Richtlinie 4400, Blatt 1:2001-05: Logistikkennzahlen für die Beschaf-
fung.; Blatt 2:2004-12: Logistikkennzahlen für die Produktion.; Blatt
3:2002-07 Logistikkennzahlen für die Distribution.
VDI 4006, Blatt 1:2002-11: Menschliche Zuverlässigkeit – Ergonomische
Forderungen und Methoden der Bewertung.
VDI 4006, Blatt 2:2003-02: Menschliche Zuverlässigkeit – Methoden zur
quantitativen Bewertung menschlicher Zuverlässigkeit.
P R O D U K T I O N U N D L O G I S T I K I M 2 1 . J A H R H U N D E R T
Ehrenkolloquium 2011 95
FRÜHER – SCHNELLER – SICHERER: NUTZUNG DER DIGITALEN FABRIK IN FRÜHEN PHASEN DES PRODUKTENTSTEHUNGSPROZESSESProf. Dr.-Ing. Heike Mrech, Hochschule Merseburg
Dipl.-Ing. (FH) Thomas Flucke, Volkswagen AG
Die Automobilindustrie im Wandel
Das 21. Jahrhundert ist für die Global Player der Automobilin-
dustrie bisher ein spannungsgeladenes Zeitalter zwischen
Wettbewerb und Kooperation, alten und neuen Märkten,
Wirtschaftskrise und Branchenwachstum und der ewigen Fra-
ge nach der besten Strategie für die Fortführung der eigenen
Erfolgsgeschichte. Als eines der größten Wirtschaftssegmente
weltweit bringt es die Automobilindustrie auf einen Anteil am
Welt-Bruttosozialprodukt von 15 Prozent (2008). Der wach-
sende Trend zur Globalisierung und die Wachstumsraten der
Fahrzeugzulassungen im Bereich der neuen Märkte legen den
Schluss nahe, dass dieser Anteil in Zukunft weiter zunehmen
wird. (Hab, et al., 2010)
Trotz der steigenden Fahrzeugzahlen in allen Teilen unserer
Welt ist das Autoverkaufen durchaus nicht einfacher gewor-
den. Die Herausforderungen wachsen stetig und der Kampf
um Kunden ist härter denn je. Dabei haben alle OEMs1 mit
einer Vielzahl von Problemfeldern zu kämpfen:
– Das Ökologiebewusstsein der Kunden steigt durch die
öffentliche Diskussion um Klimawandel und CO2-Ausstoß
stetig und erfordert Weiterentwicklungen in allen Bereichen
der Fahrzeugtechnik.
– Trotz der steigenden Anzahl von Sicherheits- und Assistenz-
systemen ist das Preisniveau für neue Fahrzeuge (in� ations-
bereinigt) in den letzten Jahrzehnten konstant geblieben.
– Die Entwicklung neuer Technologien ist zwar ein Garant für
die Konkurrenzfähigkeit der Hersteller, steigert jedoch
gleichzeitig die Komplexität und Variabilität der Fahrzeuge
und somit auch der Produktionsstätten.
– Der demogra� sche Wandel fordert die Umsetzung neuer
Fahrzeug-, Komfort- und Bedienkonzepte.
– Gesetzliche Vorgaben in Bezug auf Sicherheit und Ökologie
der Fahrzeuge werden mit bekannter Regelmäßigkeit ver-
schärft und erweitert.
– Steigende Rohstoffkosten erhöhen den betriebswirtschaft-
lichen Druck auf die OEMs.
– Zusätzlich zeigen Kunden ein gesteigertes Bedürfnis an in-
dividualisierten Produkten.
(Wallentowitz, et al., 2009)
Zusammenfassend lässt sich also mit Fug und Recht behaup-
ten, dass der Druck auf die Automobilhersteller in allen Berei-
chen steigt und nur die � exible und ef� ziente Produktentwick-
lung, Planung und Produktion das langfristige Überleben der
Hersteller sichern kann.
Folgen für die Entwicklung und Produktion
Betrachtet man die Herausforderungen, so lassen sich tiefgrei-
fende Konsequenzen für die Entwicklungs- und Produktions-
prozesse neuer Fahrzeuge feststellen. In immer kürzerer Zeit
sollen neue, innovative Produkte auf den Markt gebracht wer-
den. Die Variantenvielfalt hat sich geradezu explosionsartig
entwickelt. Abb. 1 zeigt dies am Beispiel der Produktanläufe
des VW Golf.
Abb. 1: Produktanläufe VW Golf
(Quelle: Volkswagen AG)
96 Ehrenkolloquium 2011
Neue Kundenwünsche, weltweite Märkte mit landesspezi� -
schen Anforderungen, der Individualitätsanspruch und der Ein-
satz immer weiterer Assistenz- und Komfortsysteme führen zu
einer stetig steigenden Anzahl an Produktderivaten und -vari-
anten. Für die Fahrzeugentwicklung und Produktionsplanung
bedeutet dies eine Erhöhung der parallel abzuarbeitenden
Projekte und eine Komplexitätssteigerung während der Pro-
duktentstehungsphase. Der Forderung nach einem immer
schnelleren, wirtschaftlichen Produktionsanlauf neuer Pro-
dukte kann man nur durch eine Beschleunigung der Entwick-
lungs- und Planungsprozesse bei gleichzeitiger Sicherstellung
einer hohen Planungsqualität und Beherrschung der Komplexi-
tät gerecht werden.
Vorhandene Lösungen
Das Zeitalter der Informationstechnologie hat den Produktent-
stehungsprozess radikal verändert. Moderne digitale Werkzeu-
ge haben in allen Bereichen der Produktentstehung Einzug ge-
halten und die Prozesse nachhaltig verändert. Die eingesetzten
Technologien reichen heute von CAD²-Systemen über PDM³-
Systeme bis hin zu Werkzeugen aus den Bereichen VR4 und
AR5. Zusammen mit der Straffung der Entwicklungs- und Pla-
nungsprozesse, dem Simultaneous Engineering und dem
Frontloading gelang es allen Herstellern, den Produktent-
stehungsprozess dramatisch zu verkürzen.
Im Produktentstehungsprozess � nden insbesondere die Werk-
zeuge der Digitalen Fabrik immer mehr Anwendung. Ziel ist
es, möglichst alle essenziellen Bestandteile und Parameter der
realen Fabrik in einem oder in mehreren untergliederten digi-
talen Datenmodellen abzubilden. Auf Basis dieser Modelle sol-
len in der Planungsphase umfassende Simulationen, Vorhersa-
gen und Bewertungen der Abläufe der Fabrik erfolgen, die
den Planungsprozess vor der Einführung in die Realität be-
schleunigen und absichern.
Neue Handlungsfelder
Trotz der Erfolge in der Straffung des Produktentstehungspro-
zesses ist dessen Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen.
Betrachtet man die Auswirkungen der Entwicklung und Pla-
nung neuer Produkte auf die Fertigungsanlagen, so wird deut-
lich, dass die grundlegenden Eigenschaften der zukünftigen
Anlagen in einer sehr frühen Phase der Produktentstehung,
Konzeptphase genannt, festgelegt werden. In dieser Phase
trifft man auf ein sehr dynamisches Produktmodell, dass man-
nigfaltigen Entscheidungsprozessen unterworfen und einem
ständigen Wandel unterzogen ist. Viele aktuelle Bestrebungen
sind darauf ausgerichtet, die Beein� ussungsspielräume dieser
Phase effektiver zu nutzen und dafür neue Methoden und
Werkzeuge zu entwickeln.
Im Rahmen eines Promotionsvorhabens6 wird intensiv an der
Entwicklung von in die Digitale Fabrik integrierten, automati-
schen Prognosemodellen gearbeitet, die eine � exible und ef-
fektive Vorhersage von produktseitig ausgelösten Konsequen-
zen auf die zukünftigen Fertigungsanlagen erlauben. Häu� ge
Produktänderungen und die geringe Datenmenge während
der frühen Phase stellen dabei eine besondere Herausforde-
rung dar.
Es werden Methoden erforscht, die auf Basis empirisch ermit-
telter Prognoseparameter und Transformationsvorschriften die
Ermittlung der Kernparameter zukünftiger Produktionsstätten
erlauben. Besonderer Wert wird auf die Verwendungsmöglich-
Abb. 2: Klassische 2-D-Layoutplanung oben und
3-D-Layoutplanung unten mit digitalen Werkzeu-
gen. (Quelle: Volkswagen AG)
Ehrenkolloquium 2011 97
keit unscharfer Eingangsdaten und die statistische Absiche-
rung der Ergebnisse auf Basis realer Produktionsanlagen ge-
legt.
Mithilfe der daraus entstehenden Werkzeuge können Ent-
scheidungen zur Beein� ussung der Produkte und damit der
Prozesse sowie der Betriebsmittel der zukünftigen Produkti-
onsstätten in frühen Planungsphasen durch eine systematische
Risikobewertung unterstützt und damit abgesichert werden.
Die Werkzeuge stellen gleichzeitig ein Mittel zur Integration
von Methoden des Wissensmanagements in die Digitale Fabrik
dar.
Literatur:
Hab, G.; Wagner, R.: Projektmanagement in der Automobilindustrie.
Wiesbaden: Gabler Verlag, 2010
Wallentowitz, H.; Olschewski, I.: Strategien in der Automobilindus trie –
Technologietrends und Marktentwicklungen. Wiesbaden: Vieweg+Teubner,
2009
1 OEM – engl.: Original Equipment Manufacturer – Endprodukthersteller
(im Gegensatz zu Zulieferern)
2 CAD – engl.: Computer Aided Design – rechnerunterstützte Konstruktion
3 PDM – Produktdatenmanagement – Ergebnisse der Produktentwicklung
speichern und verwalten
4 VR – Virtual Reality – Wahrnehmung einer, in Echtzeit generierten,
interaktiven Wirklichkeit
5 AR – Augmented Reality – computergestützte Erweiterung der Realität –
Bindeglied zwischen Realität und VR
6 Promotionsvorhaben von Dipl.-Ing. (FH) Thomas Flucke; Hochschule
Merseburg an der Universität Magdeburg in Kooperation mit der Volks -
wagen AG; 2008 bis 2011
Abb. 4 und 5: AR-Anwendungen.
(Quelle: Volkswagen AG)
Abb. 6: Prognosemodell für die Konzeptphase
(Quelle: Volkswagen AG)
Wenn du ein Schiff bauen willst,
so trommle nicht Männer zusammen,
um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten,
Aufgaben zu vergeben und die Arbeit ein zuteilen,
sondern lehre die Männer die Sehnsucht
nach dem weiten endlosen Meer.
Antoine de Saint-Exupéry
Ehrenkolloquium 2011 99
IMPRESSUM
Ehrenkolloquium
Produktion und Logistik im 21. Jahrhundert
anlässlich des 75. Geburtstags von Prof. Dr. Dr.-Ing. Prof. E. h.
Eberhard Gottschalk, 24. Januar 2011, Magdeburg
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
Herausgeber:
Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult. Michael Schenk
Sandtorstraße 22 | 39106 Magdeburg
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Redaktion: Dipl.-Ing. Sabine Conert
Fotos, Bilder, Gra� ken:
© Fraunhofer IFF, Seite 21, Kretschmann, Christoph, Magdeburg-Buckau –
Marienstraße 20 – seit 1869 eine gute Adresse, Magdeburg, Verlag DELTA-D,
1. Au� age 2010, Seite 60 (Krupp-Gruson 1910)
Seiten 20, 52 ,58 ,64 , 68, 74, 82,86, 94, © PhotoDisc
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100 Ehrenkolloquium 2011
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