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Infektionskrankheiten und Biodiversität
in anthropogen veränderten Gewässern
Zusammenfassungen des Workshops vom 24. und 25. November 2011
in Berlin
Brigitte Bannert, Klaus Knopf & Katrin Vohland (Eds.)
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 1 / 45
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern
Zusammenfassungen des Workshops vom 24. und 25. November 2011 in Berlin
Brigitte Bannert, Klaus Knopf & Katrin Vohland (Eds.)
Organisation: Brigitte Bannert, Klaus Knopf
Dr. Brigitte Bannert
Institut für Biologie, Abteilung Molekulare Parasitologie
Humboldt-Universität zu Berlin
Philippstr. 13, D-10115 Berlin
e-mail: brigitte.bannert@hu-berlin.de
PD. Dr. Klaus Knopf
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
Müggelseedamm 310, 12587 Berlin
e-mail: klaus.knopf@igb-berlin.de
Dr. Katrin Vohland
Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland
Museum für Naturkunde
Invalidenstr. 43, 10115 Berlin
e-mail: katrin.vohland@mfn-berlin.de
Bildnachweise:
http://phil.cdc.gov: Titelseite: Culex quinquefasciatus (Moskito); Giardia
lamblia (Einzeller)
http://www.pixelio.de: Titelseite: Fischadler; Motive S. 2 (links), 14, 19, 32, 36, 38
http://de.wikipedia.org: S. 6 (See)
http://uni-duesseldorf.de: S. 2 (Grafik Nahrungsnetz)
Bannert, B.: S. 5 (Blume)
Clausnitzer, V.: Titelseite: Chlorocypha curta (Libelle)
Knopf, K.: Titelseite: Aal (Anguilla anguilla), Myxobolus sp.
(Myxozoa), Bunodera luciopercae (Saugwurm)
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 2 / 45
Infektionskrankheiten und Biodiversität
in anthropogen veränderten Gewässern
Vorwort
Wasser hat bei der Übertragung einer Vielzahl von Pathogenen von Mensch, Haus- und Wildtieren eine
herausragende Bedeutung. Wasserbürtige Krankheiten wie Cholera, Amöbenruhr, Onchozerkose und
Bilharziose gehören zu den wichtigsten Infektionskrankheiten des Menschen in den Tropen und
Subtropen. Aber auch in den Industrieländern der temperierten und borealen Klimazonen sind
humanpathogene Parasiten1, trotz hoher Hygienestandards eine permanente Herausforderung für die
(Trink-) Wasserwirtschaft.
Parasiten sind aber auch ein integraler Bestandteil von Ökosystemen. Es wird geschätzt, dass mehr als
50% aller Lebewesen parasitär leben. Allein schon deswegen sind diese oftmals im Verborgenen
lebenden Organismen eine große Herausforderung für die Biodiversitätsforschung. Evolutionsbiologische
Forschungsergebnisse zeigen, dass Parasiten als Selektionsfaktor einen wichtigen Beitrag zur Schaffung
und Erhaltung der Diversität frei lebender Organismen leisten. Mit oftmals komplizierten
Entwicklungszyklen haben sie Einfluss auf Nahrungsnetze und Populationsdynamiken. Diese Effekte
sind jedoch häufig nicht so offensichtlich wie etwa Räuber-Beute Interaktionen. Dies ist sicherlich ein
Grund, weshalb Parasiten in den meisten Biodiversitätsstudien und Nahrungsnetzanalysen fehlen.
In zunehmend anthropogen veränderten Gewässern (z. B. durch Wasserbau, Nährstoffeintrag,
Verschleppung und Einwanderung gebietsfremder Arten) kommt es zwangsläufig auch zu Veränderungen
der Parasitenfauna, die im Hinblick auf ihre Bedeutung im Ökosystem kaum untersucht sind. Mit der
weltweit zunehmenden Verfrachtung von Haus- und Nutztieren (auch Fischen!) besteht die Gefahr, dass
deren Krankheitserreger in neue Verbreitungsgebiete eingeschleppt werden.
Insbesondere wasserassoziierte Erreger von Infektionskrankheiten von Mensch und Tier bedürfen
deutlich größerer Aufmerksamkeit. Von ökologisch motivierten Forschungsansätzen ist ein signifikanter
Informationsbeitrag sowohl für biodiversitätsrelevante als auch für gesundheitspolitische
Entscheidungsprozesse zu erwarten. Der Workshop hat Experten verschiedenster Fachgebiete
zusammengebracht, um einen Beitrag zu leisten, Forschungsbedarf zu konkretisieren und die
Entwicklung innovativer, interdisziplinärer Forschungskonzepte anzustoßen. Weiterhin wurde diskutiert,
wie die Forschungsergebnisse auch einem breiten Publikum und politischen Entscheidungsträgern
zugänglich gemacht werden können. Die Ergebnisse der Diskussionen werden in einem Positionspapier
zusammengefasst.
Die Organisatoren danken allen Teilnehmern für Ihre Beiträge und dem Netzwerkforum zur
Biodiversitätsforschung Deutschland (NeFo) für die Unterstützung.
Brigitte Bannert und Klaus Knopf, Berlin im Februar 2012
1 wir verwenden diesen Begriff wie im anglophonen Sprachbereich für Viren, pathogene Mikroorganismen und eukaryotische
Parasiten
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 3 / 45
Inhaltsverzeichnis
0. Begrüßung und Moderation
Bannert, Brigitte (Institut für Biologie, Molekulare Parasitologie, Humboldt-Universität zu Berlin)
Knopf, Klaus (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin)
Vohland, Katrin (Netzwerkforum zur Biodiversitätsforschung Deutschland NeFo, Museum für
Naturkunde Berlin)
Sures, Bernd (Universität Duisburg-Essen)
1. Parasiten und Biodiversität in aquatischen Ökosystemen
Thieltges, David (NIOZ Royal Netherlands Institute for Sea Research, Niederlande): Wie Biodiversität
Parasiten und Parasiten Biodiversität beeinflussen - aktueller Kenntnisstand in Makroökologie,
Biogeographie, Nahrungsnetzanalysen und experimenteller Ökologie
Behrmann-Godel, Jasminca (Universität Konstanz): Heterogenität von Parasitengemeinschaften in
Ökosystemen
Kalbe, Martin (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie, Plön): Habitat-spezifische Parasitenfauna
als mögliche Barriere zwischen Populationen – lokale Adaptationen bei Stichlingen
Selbach, Christian1; Soldánová, Miroslava
2; Kostadinova, Aneta
2; Pérez-del-Olmo, Ana
1,3; Sures, Bernd
1
(1Universität Duisburg-Essen,
2Academy of Sciences of the Czech Republic, České Budějovice,
3Universitat Autònoma de Barcelona): Trematodeninfektionen in urbanen Gewässern: Parasiten als
integrale Bestandteile von Ökosystemen
Clausnitzer, Viola (Senckenberg Museum für Naturkunde, Görlitz): Biodiversität aquatischer
Ökosysteme in Afrika und Auswirkungen auf Seuchen-Kontrollmaßnahmen
Dziallas, Claudia; Grossart, Hans-Peter (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei,
Berlin): Partikelassoziierte, potentiell pathogene Bakterien
2. Wasserbürtige Infektionskrankheiten von Mensch und Tier
Aebischer, Anton; Klotz, Christian (Robert Koch-Institut, Berlin): Schaffung der Grundlagen für eine
funktionelle Epidemiologie der Erreger der Giardiasis in Deutschland
Karanis, Panagiotis (Universitätsklinikum Köln): Übertragung wasserbürtiger parasitischer
Protozoen und Übersicht weltweiter Epidemien – Ein Update 1900-2010
Lendner, Matthias (Universität Leipzig): Cryptosporidium: die veterinärmedizinische Perspektive
Klimpel, Sven (Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main): Anisakidosis:
Verbreitung, Artbestimmung, Modellierung
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Dangel, Kerstin1; Sures, Bernd
1; Knopf, Klaus
2 (
1Universität Duisburg-Essen,
2Leibniz-Institut für
Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin): Parasiten als Bedrohung für den Bestand des
Europäischen Aals?
Krone, Oliver (Leibniz Institut für Zoo und Wildtierforschung, Berlin): Wasserbürtige Endoparasiten
bei Greifvögeln
3. Aquatische Parasiten und ihre Wirte unter dem Einfluss von Klimawandel,
Landnutzung, Wasserbau, Wasserwirtschaft und Globalisierung
Taraschewski, Horst; Petney, Trevor (Karlsruher Institut für Technologie): Intensivierte Wassernutzung
und Globalisierung: Wie Parasiten profitieren
Sattmann, Helmut; Hörweg, Christoph (Naturhistorisches Museum Wien): Neueröffnung: Neue Gäste,
neue Wirte. Epidemiologie von Parasiten-Neobiota am Beispiel des Amerikanischen
Riesenleberegels
Palm, Harry (Universität Rostock): Biodiversität metazoischer Fischparasiten: Eine vernachlässigte
Größe am Beispiel des Zentralen Pazifiks
Sures, Bernd1; Thielen, Frankie
2; Knopf, Klaus
3; Pérez-del-Olmo, Ana
4; Horst Taraschewski
5
(1Universität Duisburg-Essen;
2 Fondation Hëllef fir d'Natur, Heinerscheid, Luxembourg;
3Leibniz-Institut
für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin; 4Universitat Autònoma de Barcelona, Spain;
5Karlsruher Institut für Technologie): Parasitengemeinschaften als Indikatoren ökosystemarer
Veränderungen
Fichtner, Dieter; Bergmann, Sven; Granzow, Harald (Friedrich-Loeffler-Institut Greifswald, Insel Riems):
Nachweis von Viren bei Wildfischen und Beziehungen zur Aquakultur
Bräuer, Grit (Sächsische Tierseuchenkasse, Dresden): Die Koi-Herpesvirusinfektion im Spannungsfeld
von Naturschutz und Teichwirtschaft
Dangel, Daniel1; Pérez-del-Olmo, Ana
2; Hering, Daniel
1; Sures, Bernd
1 (
1Universität Duisburg-Essen;
2Universitat Autònoma de Barcelona, Spain): Diversität in Fließgewässern, nichts für Parasiten?
4. Was ist zu tun? Forschungsbedarf, Innovationen, Öffentlichkeitsarbeit
Behrmann-Godel, Jasminca (Universität Konstanz): Negative Auswirkungen durch
Parasiteninfektionen bei sehr frühen Entwicklungsstadien von Fischen
Knopf, Klaus; Steinbach, Christoph; Schreiber, Jürgen (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und
Binnenfischerei, Berlin): Zwischenwirt-abhängige, kleinräumige Heterogenität der Parasitenfauna
von Flussbarschen (Perca fluciatilis)
Karanis, Panagiotis (Universitätsklinikum Köln): Neues aus der Cryptosporidium-Forschung und
Forschungsbedarf für wasserbedingte Parasitosen
5. Autoren- und Teilnehmerverzeichnis
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0. Begrüßung
Vorstellung des Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NeFo)
Katrin Vohland, Museum für Naturkunde, Berlin
Parasiten werden in der Öffentlichkeit gemeinhin als Verursacher von Infektionskrankheiten
wahrgenommen. In der Tat verursachen manche Parasiten katastrophale Epidemien bei Menschen, Haus-
und Wildtieren. Oft übersehen wird aber, dass Parasiten auch natürliche Bestandteile von Ökosystemen
sind. Welche Bedeutung haben Parasiten für die Biodiversitätsforschung? Die Erforschung der
Zusammenhänge zwischen dem Zustand eines Ökosystems, Übertragungswegen von Krankheiten, der
Rolle von Parasiten im Ökosystem sowie eine der Öffentlichkeit zugängliche Aufbereitung dieser
Erkenntnisse stehen noch ganz am Anfang.
Das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NeFo; www.biodiversity.de) freut sich
daher, den innovativen Workshop, organisiert von PD Dr. Knopf vom Leibniz-Institut für
Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und Frau Dr. Bannert von der Humboldt Universität zu
Berlin, zu Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern unterstützen
und begleiten zu können. Ziel von NeFo ist die interdisziplinäre Vernetzung von WissenschaftlerInnen
unterschiedlicher Disziplinen, um gesellschaftlich relevante Fragestellungen zu bearbeiten, und die
Ergebnisse mit Akteuren in Praxis und Politik zu diskutieren. Biodiversitätsforschung findet im engen
Dialog zwischen Wissenschaft und anderen gesellschaftlichen Akteuren wie insbesondere der Politik
statt.
Dieser Workshop konnte zeigen, wie eng die Rückkopplungen zwischen dem Zustand von Gewässern,
etwa in Bezug auf Nährstoffgehalt, Temperatur oder eingeschleppten Arten, und der Populationsdynamik
und räumlichen Verteilung von Parasiten und Wirten sind, und wie sich diese Dynamik auch auf den
Menschen und vom Menschen genutzte Arten auswirkt. Es wurde deutlich, wie groß der Bedarf an
Forschung anhand von ökosystemaren Ansätzen ist, um das gesamte System zu verstehen, und wie
wichtig es ist, geeignete Kommunikationsstrategien zu entwickeln.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 6 / 45
1. Parasiten und Biodiversität in aquatischen Ökosystemen
Wie Biodiversität Parasiten und Parasiten Biodiversität beeinflussen - aktueller Kenntnisstand in Makroökologie, Biogeographie, Nahrungsnetzanalysen und experimenteller Ökologie
David Thieltges, NIOZ Royal Institute for Sea Research, Texel,
In den vergangenen Jahren haben die Zusammenhänge zwischen Biodiversität und Parasitismus
verstärkte Aufmerksamkeit gefunden. Studien aus so verschiedenen Forschungsrichtungen wie
Makroökologie, Biogeographie, Nahrungsnetzanalysen und experimenteller Ökologie haben drei
verschiedene Aspekte heraus gearbeitet: 1) Wirtsdiversität bedingt Parasitendiversität auf allen möglichen
Skalen. So korreliert zum Beispiel die Diversität von Trematoden in Süßwassersystemen in 25
biogeographischen Regionen in Europa positiv mit der Diversität der Vertebraten, die als Endwirte für
diese Parasitengruppe fungieren. Ähnliche Zusammenhänge von Wirt- und Parasitendiversität finden sich
auch in regionalen oder lokalen Studien. Aufgrund dieser Zusammenhänge eignen sich Parasiten
möglicherweise als biogeographische Marker für Wirtspopulationen und als Indikatoren für
Wirtsdiversität und Ökosysteme. Diese Zusammenhänge weisen aber auch auf die enorme Bedeutung von
eingeschleppten Arten hin, die als neue Wirte neue Parasiten einführen können, die dann auch auf die
heimische Fauna übergehen (so genannter spill-over effect). 2) Parasiten können im Gegenzug die
Diversität von frei lebenden Organismen beeinflussen. Das geschieht vor allem über indirekte Effekte
(auch so genannte trait-mediated effects). Zum Beispiel verringern schalenbohrende Parasiten die
Schalenstärke von marinen Schnecken. Dieser direkte Effekt tritt eine ganze Kaskade von indirekten
Effekten los: ein verstärkter Prädationsdruck auf parasitierte Schnecken durch Krabben bewirkt eine
verringerte Dichte von Schnecken im ständig wasserbedeckten Bereich von Muschelbänken im Vergleich
zu den im Wechsel der Gezeiten frei fallenden Bereichen, wo der Parasit nicht vorkommt. Diese
unterschiedliche Schneckendichte bewirkt wiederum eine unterschiedliche Beweidungsstärke durch
Schnecken in den beiden Bereichen und hat damit Auswirkungen auf die Zusammensetzung der
jeweiligen Aufwuchsfauna auf den Muscheln. Parasiten beeinflussen die Diversität frei lebender
Organismen zudem auch über ihre Effekte in Nahrungsnetzen, wo sie vermutlich eine stabilisierende
Funktion haben, und über ihre Wirkung als Selektionsfaktor. 3) Auch Nicht-Wirte können Parasiten
beeinflussen, zum Bespiel indem sie die Übertragung von Infektionsstadien beeinträchtigen und damit zu
geringeren Parasitierungsraten in Wirte führen (so genannte dilution effects). Diese Effekte sind
vermutlich verbreiteter als bisher gedacht.
Obwohl Studien zu diesen drei Aspekten einige generelle Muster nahe legen, sind die genauen
Zusammenhänge für die meisten Wirt-Parasit-Interaktionen und Ökosysteme allerdings unbekannt. Hier
besteht dringender Forschungsbedarf vor allem im Hinblick auf die Relevanz dieser Zusammenhänge für
die aktuellen Diskussion über die Auswirkungen von globalen Veränderungen wie beispielsweise
Klimawandel, Intensivierung anthropogener Nutzungen und Arteneinschleppungen auf Parasitismus
sowie den möglichen Anwendungsbezug von Parasiten als biogeographische Marker und Indikatoren für
Ökosysteme.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 7 / 45
Abb. 1: Der Bodensee mit den
Fangorten für Flussbarsche,
n = 199 (gelbe und rote
Punkte) und Kaulbarsche,
n = 61 (nur rote Punkte).
Heterogenität von Parasitengemeinschaften in Ökosystemen - Parasiten als selektiver Faktor?
Jasminca Behrmann-Godel, Universität Konstanz
Parasiten sind ein allgegenwärtiger Bestandteil der Umwelt. Toleranz oder Resistenz gegen Parasiten und
Pathogene sind wichtige Faktoren, welche die Fitness der Wirte beeinflussen und einer ständigen
Evolution unterliegen. Parasiten sind nicht gleichmäßig verteilt, und Parasiten-Infragemeinschaften
(infracommunities) lokaler Wirtspopulationen können sehr heterogen sein. Mögliche Ursachen für diese
Variabilität sind die geographische Distanz zwischen Wirtspopulationen, die Größe der Streifgebiete und
die Verbreitung der Wirte, Unterschiede in der Individuendichte der Wirte und Parasiten oder lokale
Restriktionen durch spezifische Lebenszyklen und das Verhalten der Parasiten. Auch Variabilität in der
Sensitivität gegenüber Parasiteninfektionen zwischen lokalen Wirtspopulationen kann zu Unterschieden
in den Parasitengemeinschaften führen. Hierbei spielen mehrere Komponenten der Immunsystems sowohl
bei der Empfänglichkeit gegenüber Parasiteninfektionen als auch bei deren Auswirkung auf die Fitness
der Wirte eine zentrale Rolle. Insbesondere die Genprodukte des MHC II (major histocompatibility
complex class II) stellten sich hier als wichtige Komponenten in der Parasit-Wirt Koevolution heraus. Sie
codieren für Zelloberflächenproteine, welche den Zellen des Immunsystems parasitenbürtige Antigene
präsentieren. MHC II Gen-Allele sind mit der Empfänglichkeit und der Resistenz gegen Parasiten in
vielen Spezies assoziiert und stehen unter ausgleichender Selektion.
In dieser Studie wurden verschiedene Probestellen im großen präalpinen Bodensee dahingehend
ausgesucht, ob sie sich in abiotischen und biotischen Parametern, der Wind- und Wellenexposition und
im Vorkommen von Zwischenwirten unterschieden (Abb. 1).
An diesen Probestellen wurden dann für die beiden Fischwirtsarten Flussbarsch (Perca fluviatilis) und
Kaulbarsch (Gymnocephalus cernuus) sämtliche Makroparasiten bestimmt, um zu testen, ob die
Heterogenität der lokalen Habitate sich auch in einer Heterogenität der lokalen Parasiten-
Infragemeinschaften widerspiegelt. Zusätzlich wurde die Variation an neutralen genetischen Markern (10
Mikrosatelliten Loci) und die Variabilität der MHC II Gen-Allele (individuelle Genotypisierung durch
KTBL
RMSZ2 SZ16
MS
RH
LA
MB
HA
Upper lake
Lower lake
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 8 / 45
e)f)
reference strand conformation analysis RSCA) der lokalen Flussbarschpopulationen untersucht und
verglichen. Neben einer Analyse der Populationsstruktur erlaubte dieses Vorgehen auch eine Korrelation
der Ähnlichkeiten zwischen der individuellen MHC II Gen-Allel Struktur und der individuellen Parasiten-
Infragemeinschaft der Flussbarsche.
Die Resultate bestätigten die Erwartungen: Mit 19 und 20 Makroparasitenarten beim Flussbarsch
respektive dem Kaulbarsch wurde eine starke räumliche Heterogenität der Parasiten-Infragemeinschaften
gefunden. Der Artenreichtum und die Abundanz der Parasiten variierten zwischen mehreren Fangorten
(Abb. 2).
Abb. 2: Artenreichtum und Parasitenabundanz an den Fangorten für Kaulbarsch (a und c) und Flussbarsch (b und d).
Signifikante Unterschiede werden durch verschiedene Großbuchstaben angezeigt, berechnet mittels KW-ANOVA und MW
U-Tests. Signifikante Unterschiede der Parasitengemeinschaften zwischen lokalen Populationen von Kaulbarschen (e) und
Flussbarschen (f) sind durch Pfeile dargestellt (Anosim mit R ≥ 0.3 und p < 0.05, berechnet in Primer).
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Interessanterweise konnte keine weitere Populationsstruktur zwischen allen 10 untersuchten Fangorten
der Flussbarsche gefunden werden. Die Berechnung der FST-Werte resultierte nur in zwei signifikanten
paarweisen Vergleichen (Tab. 1). Somit gehören alle Flussbarsche des Bodensees zu einer panmiktischen
Population; es gab keinen Hinweis auf eine geografische Populationsaufspaltung. Die paarweisen
Vergleiche der MHC II Gen-Allel Struktur dagegen zeigte ein etwas anderes Bild. Hier wurden sechs
signifikante Werte gefunden, welche alle paarweise Vergleiche mit zwei bestimmten Fangorten (SZ16
und MS, s. Tab. 1.) beinhalteten. Dieser Befund deutet auf lokale Unterschiede in der MHC II Gen-Allel
Struktur der Flussbarsche im Bodensee hin.
RM SZ2 HA MS BL SZ16 KT RH ME LA
RM -0.010 -0.004 -0.012 -0.001 -0.001 -0.012 -0.008 -0.008 -0.006
SZ2 1.26 -0.003 -0.008 -0.007 0.016* -0.008 -0.007 0.001 -0.008
HA 0.78 1.22 -0.006 0.008 0.009 -0.001 -0.005 0.010 0.006
MS 0.38 2.13* 1.86 -0.006 0.005 -0.012 -0.011 -0.001 -0.007
BL 1.29 0.93 1.09 1.96 0.009 -0.004 -0.004 -0.002 -0.012
SZ16 1.46 1.70 2.33* 2.87* 1.89 -0.002 0.015* 0.009 -0.002
KT 1.09 0.55 0.64 1.59 0.50 1.86 -0.011 -0.012 -0.010
RH 1.32 0.41 1.16 2.30* 0.85 2.19* 0.85 -0.007 -0.001
ME 1.21 0.50 1.41 2.33* 0.47 1.07 0.64 0.82 -0.003
LA 0.57 0.90 1.51 1.43 1.40 1.01 1.35 0.86 0.98
Tab. 1: Paarweise Vergleiche der Mikrosatelliten- und MHC II Gen-Allel Daten zwischen den Fangorten für Flussbarsche.
Über der Diagonalen: paarweise FST Werte basierend auf einer Analyse von 10 Mikrosatelliten Loci, berechnet in ARLEQUIN,
unter der Diagonalen: paarweise F-model Werte (PerMANOVA) basierend auf lokalen MHC II Allel Mustern, berechnet in
“R”. Fettschrift und Sternchen markieren signifikante Unterschiede (p ≤ 0.05).
Außerdem konnte eine signifikante positive Korrelation zwischen den individuellen Ähnlichkeiten in den
Parasitengemeinschaften (Jaccard Index) und der MHC II Gen-Allel Struktur (Bray-Curtis Index)
gefunden werden (Mantel´s Test: r=0.29, perm=10.000; p<0.001, berechnet mit dem “vegan” Paket in
“R”). Somit wurde gefunden, dass zwei Flussbarsche, die eine ähnliche Parasitengemeinschaft hatten,
auch eine ähnliche MHC II Gen-Allel Ausstattung besaßen.
Als Fazit konnte gezeigt werden, dass Fluss- und Kaulbarsche von heterogenen Fangorten innerhalb eines
Ökosystems auch heterogene Parasitengemeinschaften besaßen, was zunächst die Existenz lokaler stabiler
Wirtspopulationen vermuten lässt. Bei den Flussbarschen konnte allerdings anhand neutraler genetischer
Marker keine Subpopulationsstruktur gefunden werden, was auf eine panmiktische Populationsstruktur
hindeutet. Im Gegensatz dazu wurden lokale Unterschiede in den MHC II Gen-Allel Strukturen der
Flussbarsche gefunden. Die positive Korrelation zwischen der individuellen Parasitengemeinschaft und
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 10 / 45
der MHC II Gen-Allel Ausstattung weist auf einen Einfluss von MHC II Gen-Allelen auf die
Prasitenresistenz hin.
Ich nehme an, dass die frühe Migration der larvalen Flussbarsche, welche kurz nach dem Schlupf vom
Litoral des Bodensees in das Pelagial wandern, zu einer Durchmischung der Flussbarschpopulation von
verschiedenen geografischen Orten führt. Nach ca. zwei Monaten kehren die juvenilen Flussbarsche in
das Litoral zurück, wo sie lokale Bestände ausbilden. Hier werden sie durch die lokal auftretenden
Parasiten infiziert. Basierend auf der geographischen Variabilität im Auftreten der Parasiten und
individuellen Unterschieden in der MHC II Allel Ausstattung der Flussbarsche beginnt hier ein
„Sortierprozess“ durch die Parasiten, welcher in Unterschieden in der MHC II Gen-Allel Struktur der
lokalen Flussbarschbestände resultiert. In zukünftigen Studien soll diese Hypothese untersucht werden.
Zusammenfassend deuten die Resultate dieser Studie in der Tat darauf hin, dass die Heterogenität in
Ökosystemen und die daraus resultierende Variabilität der Makroparasiten einen selektiven Faktor für den
Erhalt der Diversität von Immungenen wie z. B. der MHC II Gen-Produkte in Wirtspopulationen
darstellen.
Habitat-spezifische Parasitenfauna als mögliche Barriere zwischen Populationen – lokale Adaptationen bei Stichlingen
Martin Kalbe, Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie, Plön
Alle freilebenden Organismen müssen sich ständig mit der Parasitenfauna ihrer Umgebung
auseinandersetzen, wie auch die Parasiten sich wiederum ständig an ihre Wirte bzw. deren
Immunsystemen anpassen müssen. Dabei üben die beiden Gegenspieler einen starken gegenseitigen
Selektionsdruck aufeinander aus. Dies führt zu einem kontinuierlichen „Wettrüsten“, bei dem die Wirte
ihre Immunfunktionen optimieren und Parasiten wiederum Strategien zur Umgehung der Immunabwehr
und gleichzeitig zur effektiven Nutzung von Ressourcen ihrer Wirte weiterentwickeln müssen. Daher
können sich verschiedene Populationen einer Wirtsart in ihrer Anpassung an die sympatrische
Parasitenfauna deutlich unterscheiden. Diese lokalen Adaptationen bieten hervorragende experimentelle
Möglichkeiten, um die Bandbreite möglicher immunologischer Anpassungen von Organismen zu
bestimmen. Gleichzeitig können sie als Modell für Untersuchungen der Auswirkung von Neozoen auf
Wirt-Parasit-Interaktionen dienen, sowohl für die Ausbreitung von neuen Parasiten, als auch neuer
Wirtsarten.
Wir untersuchen lokale Adaptionen bei einem kleinen Fisch, dem dreistacheligen Stichling, und seiner
natürlichen Makroparasitenfauna. In Schleswig-Holstein haben die ursprünglich marinen Stichlinge nach
der letzten Eiszeit küstennahe Süßgewässer besiedelt. Dabei unterscheiden sich die Fische in Flüssen und
Seen genetisch nicht nur von den ancestralen Populationen in Nord- und Ostsee, sondern auch
untereinander. Obwohl im Untersuchungsgebiet viele Flüsse und Seen direkt miteinander verbunden sind,
für die Stichlinge also keine physikalischen Barrieren bestehen, scheint es kaum Genfluss zwischen den
Stichlingspopulationen der beiden Gewässertypen zu geben. Sie können im Labor gekreuzt werden,
bilden aber in der Natur unterschiedliche genetische Ökotypen. Gleichzeitig unterscheiden sie sich in
ihrer Parasitenfauna: in Seen sind Stichlinge mit deutlich mehr Parasiten (insgesamt kommen bis zu 30
Arten vor) befallen als in Flüssen.
Experimentelle Infektionen mit drei häufigen Parasitenarten (einem digenen Trematoden und zwei
Nematoden) sowie immunologische Untersuchungen mit laborgezüchteten Stichlingen beider
Habitattypen zeigten bei Fischen aus Seepopulationen höhere Parasitenresistenz und effektivere
Immunfunktionen als bei Flussfischen. Bei ökologischen Transplantationsexperimenten wurden
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 11 / 45
laborgezüchtete Stichlinge aus beiden Habitattypen in Käfigen (enclosures) jeweils einige Monate in dem
entsprechenden Fluss und dem See der Elternfische gehalten und so dem gesamten Spektrum der
natürlichen Parasiten ausgesetzt. Auch hierbei zeigte sich, dass die Stichlinge in ihrem (genetischen)
Ursprungshabitat weniger stark von Parasiten befallen wurden und in besserer Kondition waren als in
dem jeweils fremden Habitat. Dies beweist eine (immun-) genetische Adaptation an die sympatrische
Parasitenfauna, die Fische haben also so etwas wie einen genetischen „Heimvorteil“. Dies bedeutet
gleichzeitig, wenn Stichlinge z. B. aus einem Fluss in den See einwandern, sind sie weniger
konkurrenzfähig gegenüber der lokal angepassten Population, werden dort also weniger Nachkommen
und somit eine geringere Fitness haben. In anderen Worten, Parasiten könnten hier als eine
Fortpflanzungsbarriere fungieren, die Populationen aus unterschiedlichen Habitattypen trennt und somit
langfristig zur Aufspaltung in verschiedene Arten führen könnte.
Parasiten sind also mit ihrer enorm hohen Artenzahl nicht nur selbst ein wichtiger Bestandteil der
Biodiversität, sie tragen durch lokale Anpassungen in der Wirt-Parasit-Koevolution möglicherweise auch
direkt zur Aufrechterhaltung der Biodiversität ihrer Wirte bei.
Abb. 1: Diversität von Parasiten in dreistacheligen Stichlingen (Gasterosteus aculeatus) in Flüssen und Seen in
Norddeutschland. Die Artenzusammensetzung der Parasitengemeinschaften und die Häufigkeit der einzelnen Arten, sowie
die Infektionsintensität der einzelnen Fische variiert beträchtlich zwischen verschiedenen Populationen und von einer
Stichlingsgeneration zur nächsten.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 12 / 45
Trematodeninfektionen in urbanen Gewässern: Parasiten als integrale Bestandteile von Ökosystemen
Christian Selbach1; Miroslava Soldánová
2; Aneta Kostadinova
2; Ana Pérez-del-Olmo
1,3 & Bernd
Sures1,
1Universität Duisburg-Essen,
2Academy of Sciences of the Czech Republic, České Budějovice,
3Universitat Autònoma de Barcelona
Parasiten sind als integrale Bestandteile von Ökosystemen lange Zeit ignoriert worden, da sie häufig nicht
sichtbar sind. Dabei machen sie einen erheblichen Teil ökosystemarer Biodiversität aus und spielen
aufgrund ihrer engen Verstrickung in Nahrungsnetzen sowie ihrer Gesamtbiomasse eine zentrale Rolle in
Lebensgemeinschaften (vgl. Lafferty et al. 2006; Sukhdeo 2010). Entsprechend können sie
strukturierende Einflüsse auf ganze Ökosysteme haben. Diese Tatsache gewinnt vor dem Hintergrund
anthropogener Umwelteinflüsse häufig eine besondere Brisanz. So hat das massive Vorkommen der
Trematodenart Ribeiroia ondatrae infolge hoher Nährstoffbelastungen zum Aussterben ganzer
Froschpopulationen in Gewässern Nordamerikas geführt (Johnson & Chase 2004). Auch das Vorkommen
von Vogelschistosomen wird durch fortschreitende Gewässereutrophierung begünstigt und führt zu
regelmäßigen Fällen von Badedermatitis in Europa (Ferté et al. 2005).
Neben solch drastischen Fällen stellen Parasiten jedoch einen integralen und wichtigen Bestandteil
aquatischer Ökosysteme dar. In unseren Untersuchungen von Trematodengemeinschaften in Stauseen der
Ruhr konnten wir 17 Trematodenarten in zwei als Zwischenwirte genutzten Schneckenarten, Lymnaea
stagnalis und Radix auricularia, identifizieren (Soldánová et al. 2010; unveröffentlichte Daten 2011). Die
heterogene Verteilung der Trematoden innerhalb der Gewässer sowie zwischen einzelnen Probestellen
legt mögliche Eutrophierungsunterschiede an den Sammelstellen, und somit verschiedene Bedingungen
für die Ausbreitung der Trematoden, nahe. Aufgrund ihrer Abundanz, Diversität und komplexen
Beziehung zu den Wirten müssen Parasiten als integrale Bestandteile von Ökosystemen betrachtet
werden, in denen sie eine wichtige, in vielen Fällen aber nur unzureichend bekannte Rolle spielen.
Abb. 2: Dreistacheliger Stichling (Gasterosteus aculeatus), infiziert mit neun Bandwürmern (Schistocephalus solidus), die
sich in dessen Bauchhöhle entwickeln. Wird der Stichling von einem Vogel gefressen, verpaaren sich die Würmer in dessen
Darm und produzieren Eier, die mit dem Kot ins Wasser gelangen müssen. Aus diesen schlüpfen dann zunächst
freischwimmende Larvenstadien, die von Hüpferlingen (kleine planktische Krebstiere) aufgenommen werden müssen. Darin
entwickelt sich der Parasit zu einem weiteren Stadium, das dann infektiös für Stichlinge ist, wenn diese wiederum die
Hüpferlinge fressen.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 13 / 45
Abb. 1: Notocotylus attenuatus, Redie und Zerkarie.
Literatur:
Ferté, H.; Depaquit, J.; Carré, S.; Villena, I. & Léger, N. (2005): Presence of Trichobilharzia szidati in Lymnaea stagnalis and
T. franki in Radix auricularia in northeastern France: molecular evidence. Parasitology Research, 95(2), 150-4
Johnson, P. T. J. & Chase, J. M. (2004): Parasites in the food web: linking amphibian malformations and aquatic
eutrophication. Ecology Letters, 7(7), 521-526
Lafferty, K. D.; Dobson, A. P. & Kuris, A. M. (2006): Parasites dominate food web links. Proceedings of the National
Academy of Sciences of the United States of America, 103(30). 11211-11216
Soldánová, M.; Selbach, C.; Sures, B.; Kostadinova, A. & Perez-Del-Olmo, A. (2010): Larval trematode communities in Radix
auricularia and Lymnaea stagnalis in a reservoir system of the Ruhr River. Parasites & Vectors, 3(1), 56
Sukhdeo, M. V. K. (2010): Food webs for parasitologists: a review. The Journal of Parasitology, 96(2), 273-84
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 14 / 45
Abb. 1: Chlorocypha curta (Blue tipped Jewel) ein
Bewohner von Regenwaldbächen in Afrika.
Abb. 2: Trithemis annulata (Violet Dropwing) auf
Ictinogomphus ferox (Common Tigertail): beides häufige
Arten der afrikanischen Savannen und Woodlands.
Biodiversität aquatischer Ökosysteme in Afrika und Auswirkungen auf Seuchen-Kontrollmaßnahmen
Viola Clausnitzer, Naturkundemuseum Görlitz
Die aquatische Biodiversität in Afrika ist nicht nur sehr hoch, sondern auch von herausragender
Bedeutung für Lebensbedingungen, Ökonomie und Gesundheit von Mensch und Ökosystemen.
Gleichzeitig ist sie durch die wirtschaftliche Entwicklung und ein rasantes Bevölkerungswachstum
extrem gefährdet und wird bei allgemeinen Biodiversitäts-Erfassungen oft vernachlässigt. Ein häufig
genannter Grund für diese Unterrepräsentation in Gutachten und Umweltplanungen ist das Fehlen von
Informationen und Grundlagendaten für aquatische Organismen in tropischen Bereichen. Um diese Lücke
in Afrika zu schließen, wurde von dem Species Programme der IUCN (www.iucn.org) ein "Pan Africa
Freshwater Biodiversity Assessment" durchgeführt, wofür alle Arten der Süßwasserfische,
Süßwasserschnecken, Süßwasserkrebse, Libellen und ausgewählte Familien der Wasserpflanzen erfasst
wurden. Insgesamt wurden 4.989 Arten erfasst und die Verbreitungen kartiert.
Im Rahmen dieses Projektes wurde die Libellenfauna des afrikanischen Kontinents taxonomisch revidiert
und eine Datenbank erstellt, die Literatur-, Museums- und Felddaten enthält. Zurzeit sind dort über
90.000 Datensätze der 709 bekannten Libellenarten des afrikanischen Kontinents enthalten. Zusätzlich
wurden alle Arten anhand der Kriterien der globalen Roten Liste der IUCN bewertet
(www.iucnredlist.org). Diese Ergebnisse wurden dann auf kontinentaler und globaler Ebene verglichen
und ausgewertet. Von den Libellen des kontinentalen Afrikas sind 9,2% in eine der
Gefährdungskategorien „Vulnerable“, „Endangered“ und „Critically Endangered“ und 15% als „Data
Deficient“ eingestuft.
Die Nutzung von Libellen zur Kontrolle von Krankheitsvektoren, hier vor allem die Malaria-Mücke, ist in
künstlichen Gewässern (Regentonnen, Bewässerungskanälen etc.) schon erfolgreich durch das gezielte
Aussetzen von Larven durchgeführt worden. In natürlichen Ökosystemen ist eine nachhaltige Reduktion
von einzelnen Beute Gruppen nicht möglich, da Libellen opportunistische Prädatoren sind.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 15 / 45
Partikelassoziierte, potentiell pathogene Bakterien
Claudia Dziallas & Hans-Peter Grossart, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei,
Berlin
Es ist bekannt, dass Krankheitserreger wie Vibrio cholerae auf Zooplankton oder anderen Partikeln
vorkommen können. Trotzdem wurden die bakteriellen Gemeinschaften vieler Organismen und Partikel
bisher nur wenig untersucht. Wir analysierten die Mikroorganismen, die mit Cyanobakterien und
Zooplankton assoziiert sind und fanden dabei zahlreiche potentielle Pathogene.
Bei dem Cyanobakterium Microcystis aeruginosa nahm dabei die Diversität potentieller
Krankheitserreger mit der Wassertemperatur zu – genauso wie das Risiko toxischer Blüten. Beim
Zooplankton zeigte sich eine Abhängigkeit von der Nahrung – allerdings konnten selbst bei axenischem
Futter noch potentielle Pathogene nachgewiesen werden. Des Weiteren konnten wir zeigen, dass
Zooplankton zur Verbreitung von Bakterien - inklusive eventueller Krankheitserreger - dienen kann und
auch einen Schutz vor Stress bietet, wie er beispielsweise bei der Sterilisierung mit Hilfe von UV-
Bestrahlung oder Ozonierung von Ballastwasser von Schiffen auftritt.
Unsere Untersuchungen deuten auf die wichtige Rolle von Cyanobakterien und Zooplankton, aber auch
von anderen Partikeln für das Vorhandensein und die Verbreitung potentieller Pathogene hin. Um
zuverlässige Vorhersagen zur Verbreitung pathogener Bakterien in Gewässern zu ermöglichen, sollten
alle Habitate sowie Ausbreitungswege pathogener Bakterien und der zugrunde liegenden Mechanismen
bekannt sein.
Abb. 2: Bakterien (grün) auf einem Wasserfloh. Abb. 1: Bakterien (grün) in einem Aggregat von
Cyanobakterien.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 16 / 45
2. Wasserbürtige Infektionskrankheiten von Mensch und Tier
Schaffung der Grundlagen für eine funktionelle Epidemiologie der Erreger der
Giardiasis in Deutschland
Anton Aebischer & Christian Klotz, Robert Koch-Institut, Berlin
Giardiasis (Diagnose Code: ICD-10 A07.1) ist mit 3000-4000 Fällen die häufigste meldepflichtige
Parasitose in Deutschland. Der Erreger Giardia duodenalis ist ein einzelliger begeisselter Parasit, der den
Dünndarm besiedelt. Eine symptomatische Infektion führt innerhalb von 1-2 Wochen zu einer
Durchfallerkrankung, die chronisch werden kann. Die Infektion erfolgt durch Aufnahme der Erreger in
Form von relativ resistenten Zysten mit damit kontaminiertem Wasser oder mit verseuchten
Lebensmitteln. Die Erreger befallen auch andere Säuger, wie etwa Hunde, Katzen, Nutz- und Wildtiere.
Ungefähr die Hälfte der Fälle in Deutschland sind autochthone Infektionen. Obwohl man den
wahrscheinlichen Infektionsweg und das Infektionsvehikel kennt, sind die relevanten Infektionsquellen
nicht wirklich bekannt und es ist unklar, ob es sich um eine Zoonose handelt oder nicht. Weiter ist die
Krankheit zwar i.d.R. behandelbar, aber Therapie-refraktäre Infektionen werden häufig beobachtet. Die
Gründe dafür sind ebenfalls unklar. Wir stellen hier unser Vorhaben vor, eine Giardia-Genotypdaten- und
-Biobank von in Deutschland kursierenden G. duodenalis Erregern aufzubauen. Ziel ist es, damit den
Nachweis für oder wider eine Zoonose zu führen und die Grundlagen zu schaffen, epidemiologisch
relevante Stämme funktionell zu charakterisieren.
Übertragung wasserbürtiger parasitischer Protozoen und Übersicht weltweiter Epidemien – Ein Update 1900-2010
Panagiotis Karanis, Universitätsklinikum Köln
Im Zeitraum von etwa hundert Jahren, zwischen 1900-2004, sind weltweit 325 Ausbrüche von
wasserbürtigen, durch parasitische Protozoen verursachte Infektionskrankheiten registriert worden
(Karanis et al. 2007). In dem erheblich kürzeren, siebenjährigen Zeitraum von 2004 bis 2010 wurden 199
solcher wasserbürtigen Infektionskrankheiten registriert (Baldursson und Karanis 2011). Dieser
signifikante Unterschied in der Anzahl der gemeldeten Ausbrüche geht auf die erheblichen
Verbesserungen der Datenerhebung und die Einrichtung von Überwachungssystemen in den entwickelten
Ländern zurück. Da die Sammlung der Daten von der Aufdeckung, Untersuchung und dem
Erfassungssystem der Ausbrüche abhängt, bleiben viele Ausbrüche wasserbürtiger Infektionskrankheiten
unerkannt, oder sie werden nicht gemeldet.
1900-2004: Auf Europa und Nordamerika entfielen 93% der Ausbrüche, fast zwei Drittel der Ausbrüche
sind in Nordamerika aufgetreten. Über 30% aller Ausbrüche wurden aus Europa dokumentiert, auf das
Vereinigte Königreich entfielen 24% der Ausbrüche weltweit. Giardia lamblia und Cryptosporidium
parvum waren für die Mehrzahl der Ausbrüche verantwortlich (132; 40,6% bzw. 165; 50,8%)
(Tab. 1 & 2). Während Entamoeba histolytica und Cyclospora cayetanensis das ätiologische Agens in
neun (2,8%) bzw. sechs (1,8%) Ausbrüchen waren, sind Toxoplasma gondii und Isospora belli für drei
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 17 / 45
Abb. 1: Zwei Cryptosporidium – Oozysten.
„Bananenförmige“ Sporozoiten sind während der
Exzystierung außerhalb der Zysten zu sehen.
Abb. 2: Giardia lamblia - Trophozoit aus der Kultur
(Patientenisolat) nach Giemsa gefärbt.
Ausbrüche (jeweils 0,9%) verantwortlich gewesen. Blastocystis hominis war die Ursache von zwei
Ausbrüchen (0,6%). Balantidium coli, Mikrosporidien, Acanthamoeba und Naegleria fowleri waren
verantwortlich für jeweils einen Ausbruch (0,3%) (Tab. 1). Ihr Vorkommen in aquatischen Ökosystemen
macht es zwingend erforderlich, Präventionsstrategien zur Wasser- und Lebensmittelsicherheit zu
entwickeln. Studien zu Inzidenz und Prävalenz bei Menschen liefern Basisdaten für Risikofaktoren, die
mit wasser- und lebensmittelbedingten Übertragungen assoziiert sind und identifiziert werden können
(Karanis et al. 2007).
2004-2010: 46,7% der dokumentierten Ausbrüche sind auf dem australischen Kontinent, 30,6% in
Nordamerika und 16,5% in Europa aufgetreten. Cryptosporidium spp. waren die Erreger in 60,3% (120)
der Ausbrüche, Giardia lamblia in 35,2% (70) und andere Protozoen in 4,5% (9) (Tab. 1 & 2). Vier
Ausbrüche (2%) wurden durch Toxoplasma gondii, drei (1,5%) durch Cyclospora cayetanensis
verursacht. Für zwei Ausbrüche (1%) wurden Acanthamoeba spp. als Erreger identifiziert. In einem Fall
sind G. lamblia (in 17,6% der Stuhlproben) und C. parvum (in 2,7% der Stuhlproben) sowie Entamoeba
histolytica (in 9,4% der Stuhlproben) und B. hominis (in 8,1% der Stuhlproben) nachgewiesen worden.
Europa trägt mit 16,5% (33) zu den weltweiten Ausbrüchen bei (Tab. 2). Der Beitrag der europäischen
Länder zu den weltweiten Ausbrüchen ist wie folgt: Irland 6,5% (13), Großbritannien 5,5% (11),
Norwegen 2% (4), Schweden 1% (2) und mit jeweils 0,5% (1) Finnland, Dänemark und Deutschland
(Tab. 2).
Die höchste Prävalenz wasserbürtiger Protozoen-Infektionen ist aufgrund niedriger Hygienestandards in
Entwicklungsländern zu erwarten. Wir fanden jedoch eine höhere Rate der gemeldeten wasserbürtigen
Protozoen-Ausbrüche in den entwickelten Ländern. Diese Ergebnisse gehen auf die besseren technischen
und logistischen Möglichkeiten in den entwickelten Ländern zurück.
Weiterhin fällt auf, dass Überwachungssysteme in Ländern fehlen, die vermutlich am stärksten betroffen
sind. Länder, die Überwachungssysteme etabliert haben, verfügen jedoch meist nicht über ein
internationales Standardisierungs- und Meldesystem. Daher werden Methoden benötigt, um die
Überwachung der öffentlichen Gesundheit zu verbessern. Wie uns die Ausbrüche gelehrt haben, liefert
ein gutes Meldesystem einen besseren Einblick in die Auswirkungen von wasserbürtigen pathogenen
Protozoen auf die Gesundheit der Bevölkerung.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 18 / 45
Tab. 1: Überblick über die weltweiten Ausbrüche wasserbürtiger, durch parasitische Protozoen verursachte
Infektionskrankheiten von 1900 – 2010.
1900 - 2004 2004 – 2010
Protozoon Anzahl der Ausbrüche Anzahl der Ausbrüche
Cryptosporidium spp. 165 (50,8 %) 120 (60,3 %)
Giardia lamblia 132 (40,6 %) 70 (35,2 %)
Toxoplasma gondii 3 (0,9 %) 4 (2 %)
Isospora belli 3 (0,9 %)
Blastocystis hominis 2 (0,6 %)
Andere Protozoen: 9 (4,5 %)
Entamoeba histolytica 9 (2,8 %)
Cyclospora cayetanensis 6 (1,8 %)
Balantidium coli 1 (0,3 %)
Microsporidium 1 (0,3 %)
Acanthamoeba 1 (0,3 %)
Naegleria fowleri 1 (0,3 %)
Summe Ausbrüche 325 199
Tab. 2: Überblick über die prozentuale Verteilung der Ausbrüche wasserbürtiger, durch parasitische Protozoen
verursachte Infektionskrankheiten von 2004-2010 auf Kontinenten und in Ländern.
Periode 1900 - 2004 2004 – 2010
Nordamerika 60% 30,6 %
Europa 32,6% 16,5%
Großbritannien 24% 5,5%
Irland - 6,5%
Norwegen - 2%
Schweden - 1%
Finnland - 0,5%
Dänemark - 0,5%
Deutschland - 0,5%
Japan, Australien, Neuseeland 7% -
Australien & Neuseeland - 46,7%
Literatur:
Karanis, P.; Kourenti, C. & Smith, H. (2007): Waterborne transmission of protozoan parasites: a review of worldwide
outbreaks and lessons we learnt. Journal Water and Health 5, 1-38
Baldursson, S. & Karanis, P. (2011): Waterborne transmission of protozoan parasites: Review of worldwide outbreaks - An
update 2004-2010. Water Research 45, 6603-6614
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 19 / 45
Cryptosporidium: die veterinärmedizinische Perspektive
Matthias Lendner, Universität Leipzig
Kryptosporidien sind zoonotische Parasiten, die eine ganze Reihe von Wirbeltieren befallen können. Aus
veterinärmedizinischer Sicht spielt dabei vor allem Cryptosporidium parvum als Erreger der Kälber-
Kryptosporidiose eine wichtige Rolle. C. parvum befällt vorwiegend neugeborene und sehr junge Kälber
mit noch nicht entwickeltem Immunsystem, bei denen sie starke Durchfälle und damit einhergehende
Dehydratation verursachen. Die Prävalenz von C. parvum liegt in Deutschland innerhalb der
Rinderbestände bei über 20%, wobei diese innerhalb der Saugkälber deutlich höher liegen dürfte. Neben
den wirtschaftlichen Verlusten in der Kälberindustrie kommt C. parvum vor allem in Europa eine
Bedeutung als meldepflichtige Erkrankung beim Menschen zu. Beim Menschen wie beim Rind handelt es
sich bei immunkompetenten Individuen um eine selbstlimitierende Erkrankung, gegen die ein gewisser
Immunschutz aufgebaut wird. Immunsupprimierte Individuen (HIV-, Transplantations-Patienten) können
dagegen eine chronische Kryptosporidiose entwickeln, die nicht selten auch zum Tode führen kann. Eine
Infektion des Menschen erfolgt meistens über kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel. Aufgrund ihrer
geringen Größe sind Kryptosporidien schwer nachzuweisen bzw. aus dem Trinkwasser zu entfernen.
Hinzu kommt eine hohe Resistenz gegenüber den gängigen Desinfektionsverfahren und -mitteln.
Infizierte Kälber scheiden während der Patenz bis zu 107 Oozysten pro Gramm Kot aus und können somit
in kürzester Zeit ihre Umgebung kontaminieren. Gelangen die Oozysten durch das Ausbringen von Gülle
oder direkt durch die Haltung von Mutterkuhherden in die Umwelt, werden sie häufig durch starke
Regenfälle in Oberflächengewässer geschwemmt und so verbreitet.
Die anthropogene Veränderung der Gewässerlandschaft, einhergehend mit dem globalen Klimawandel,
unterstützt die Verbreitung der Kryptosporidiose. Während Kryptosporidieninfektionen bei Kälbern die
Regel darstellen und wetterunabhängig sind (Stallinfektionen), sind Ausbrüche beim Menschen häufig an
starke Regenfälle gekoppelt. Epidemiologische Studien zeigen, dass der Eintrag von Oozysten in
Oberflächengewässer, aber auch in das Grundwasser, durch extreme Wetterlagen, in denen sich sehr
heiße und trockene Perioden mit starken Regenfällen abwechseln, gefördert wird. Unterstützt wird dies
durch den Rückbau der Randvegetation von Gewässern, die als Filterzone wirkt. Die Begradigung von
Flüssen sorgt zudem für eine erhöhte Fließgeschwindigkeit. Dies verhindert ein Absetzen der Oozysten
und fördert eine schnellere Verbreitung. Hinzu kommt die Trockenlegung von natürlichen
Überschwemmungsgebieten, die in Hochwasserzeiten als Puffer und natürlicher Filter wirken.
Neben dem Oberflächenwasser kann es auch zur Kontamination von Grundwasser kommen. Hierbei ist
sowohl die geologische Beschaffenheit des Untergrundes (z. B. Karstgestein) als auch die Lage der
Förderstationen von Bedeutung. Bei den bisher beschriebenen Ausbrüchen, die durch Grundwasser
verursacht wurden, war entweder der Untergrund porös genug, um ein Eindringen der Oozysten in tiefere
Gesteinsschichten zu erlauben, oder die Förderstation war so gelegen, dass es bei starken Regenfällen zu
einer Kontamination der Brunnen kam. Diese Kontaminationswege werden ebenfalls durch extreme
Trockenheit, bei der der Boden seine Reservoireigenschaften bzw. Filterwirkung verliert, gefolgt von
starken Regenfällen, gefördert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kryptosporidien in Ermangelung effektiver Desinfektionsmittel
und wirksamer Therapien auch weiterhin eine medizinische Herausforderung darstellen, die sich mit dem
Klimawandel und der anthropogenen Veränderung von Gewässern noch vergrößern wird. Insbesondere in
Entwicklungsländern, allen voran Afrika mit 22,5 Millionen HIV-Patienten und unzureichendem
Wassermanagement, spielt die Kryptosporidiose hinsichtlich Morbidität und Mortalität eine bedeutende
Rolle.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 20 / 45
Anisakidosis: Verbreitung, Artbestimmung, Modellierung
Sven Klimpel, Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main
Parasitische Nematoden gelten als bedeutende Krankheitserreger für Mensch und Tier. Besonders in
marinen Habitaten sind sie weit verbreitet und befallen dort eine Vielzahl unterschiedlicher Wirte. Die
Nematoden der Gattungen Anisakis, Contracaecum und Pseudoterranova werden häufig als so genannte
zoonotische Erreger über die Nahrung (z. B. Crustacea, Cephalopoda, Fisch) vom Tier auf den Menschen
übertragen und nehmen daher unter den marinen Arten eine Sonderstellung ein. Während sie als Adulte
den Verdauungstrakt mariner Säugetiere befallen, sind sie als Larven in einer Vielzahl aquatischer
Inverbraten- und Verbraten-Zwischenwirten nachgewiesen. Der Lebenszyklus der sehr weit verbreiteten
Walwurm-Gattung Anisakis schließt beispielsweise Wale und Delphine (Cetacea) als Endwirte, sowie
planktische Copepoda, Euphausiacea, Cephalopoda und Knochenfische als Zwischen- bzw. paratenische
Zwischenwirte ein. Durch den Verzehr larvenhaltigen Gewebes in Form von unzureichend gekochten
Fischprodukten kann es beim Menschen zu einer schmerzhaften Entzündung des Magen-Darm-Traktes
kommen, eine Krankheit, die auch als Anisakidosis bezeichnet wird.
Neueren molekularen Untersuchungen zufolge umfasst die Gattung Anisakis neun kryptische Arten
(„sibling species„), die sich zwar morphologisch sehr ähnlich sind, sich aber in ihrer Genetik und vor
allem in ihrer Ökologie deutlich voneinander unterscheiden. Die Art Anisakis simplex (sensu stricto) ist
dabei für die größte Zahl menschlicher Infektionen verantwortlich. In molekularen Studien konnte
ebenfalls gezeigt werden, dass die anisakiden Larven unterschiedlichen Verbreitungsmustern innerhalb
verschiedener Bereiche der Weltmeere folgen. Die Verbreitung von Anisakis simplex (s. s.) scheint dabei
auf die nördliche Hemisphäre beschränkt zu sein, während A. typica, eine Art, die bislang nicht als
humanpathogen nachgewiesen wurde, vor allem in tropischen Regionen entlang des Äquators vorkommt.
Das Wissen um die Verbreitung anisakider Nematoden ist essentiell, um die Wahrscheinlichkeit von
Infektionen (Anisakidosis) in bestimmten Gebieten beurteilen zu können.
Abb. 1: Zahlreiche anisakide Nematoden-Larven in den Eingeweiden des
Eisfisches Chaenocephalus aceratus.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 21 / 45
Abb. 1: Anguillicoloides crassus in der geöffneten Schwimmblase eines Aals.
Parasiten als Bedrohung für den Bestand des Europäischen Aals?
Kerstin Dangel1; Bernd Sures
1 & Klaus Knopf
2,
1Universität Duisburg-Essen,
2Leibniz-Institut für
Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin
Aale sind Lebensraum für eine Vielzahl an Parasiten. Durch globalen Handel mit Aalen wurde der
aalspezifische Schwimmblasenparasit Anguillicoloides crassus von Asien nach Europa verschleppt und
ist heute als neozoischer Parasit in annähernd allen Beständen des Europäischen Aals (Anguilla anguilla)
vertreten.
Durch die fehlende Koevolution dieses Parasit-Wirt-Systems werden Europäische Aale sowohl mit
höherer Prävalenz also auch höherer Intensität infiziert als der Japanische Aal (Anguilla japonica), dem
natürlichen Endwirt. Auch die pathologischen Veränderungen der Schwimmblasenwand infolge einer
Infektion mit A. crassus sind beim europäischen Aal offensichtlich stärker ausgeprägt als beim
japanischen Aal. Das Schwimmblasenlumen kann vollständig mit den Parasiten gefüllt sein, und es
kommt zu morphologischen Veränderungen und funktionellen Beeinträchtigungen der Schwimmblase bis
hin zum kompletten Funktionsverlust. Die besondere Bedeutung des eingeschleppten Parasiten auf die
Population des Europäischen Aals besteht darin, dass die Aale als katadrome Wanderfische zum
Ablaichen mehrere tausend Kilometer bis zu ihrem Laichgebiet in der Sargasso-See zurücklegen müssen.
Die Schädigung der Schwimmblase als hydrostatisches Organ könnte dazu führen, dass stark infizierte
Aale das Laichgebiet nicht erreichen.
Darüber hinaus stellen die massive Zunahme der Befischung seit den 1980ern Jahren, Querbauwerke als
Migrationshindernisse sowie Wasserverschmutzungen weitere entscheidende Faktoren für die Bedrohung
der Bestände des Europäischen Aals dar. Der Rückgang der Aalbestände weltweit ist somit sehr
wahrscheinlich multifaktoriell verursacht.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 22 / 45
Wasserbürtige Endoparasiten bei Greifvögeln
Oliver Krone, Leibniz-Institut für Zoo und Wildtierforschung, Berlin
Wasserbürtige Endoparasiten befallen Greifvögel entweder über die Nahrungskette im Fall von
Trematoden oder im Fall von Blutparasiten über Insekten als Vektor hauptsächlich während der
Reproduktionsphase des Greifvogels. Trematoden, die Greifvögel befallen, haben den komplexesten
Lebenszyklus aller Tierparasiten entwickelt. Dies macht sie zu interessanten Bioindikatoren für eine
intakte Nahrungskette und für die Biodiversität im Lebensraum der Greifvögel. Eine epidemiologische
Studie über Strigea falconispalumbi in Mäusebussarden aus verschiedenen Regionen wies auf
Unterschiede im Vorkommen von Zwischenwirten wie zum Beispiel Amphibien im Vorkommensgebiet
der Greifvögel hin (Krone & Streich 2000). Leberegel (Metorchis sp., Abb. 2) werden mit einer
Häufigkeit von 62% in Seeadlern (Abb. 1) diagnostiziert, wo sie Gallengänge und Gallenblase der
piscivoren Vögel befallen. Dort können sie das Lumen durch Obstruktionen und Hyperplasien verstopfen,
was zu Funktionsstörung von Leber und Verdauungsapparat führen kann.
Blutparasiten von Vögeln sind in der Vergangenheit bereits intensiv untersucht worden, wobei die
verwendeten morphologischen Methoden nur begrenzt Aussagen zur Wirtsspezifität oder zum
taxonomischen Status der Parasiten zulassen. Molekularparasitologische Methoden, die z. B. das
mitochondriale Cytochrom b Gen von aviären Haemosporidien-Spezies, wie etwa Haemoproteus,
Plasmodium und Leukozytozoon, verwenden, bieten neue Möglichkeiten, die Spezifität und den Status
des jeweiligen Parasiten zu bestimmen. Im Vergleich haben morphologische und genetische Methoden
sowohl Stärken als auch Schwächen. So wird einerseits bei einem geringen Befall die Infektion mit dem
Mikroskop leichter übersehen, jedoch mit der PCR nachgewiesen, und andererseits müssen die mit PCR
nachgewiesenen Stämme zusätzlich durch morphologische Merkmale bestätigt werden (Krone et al.
2008).
Literatur:
Krone, O. & Streich, J. (2000): Strigea falconispalumbi in Eurasian buzzards from Germany. Journal of Wildlife Diseases,
36(3), 559-561
Krone, O.; Waldenström, J.; Valkiūnas, G.; Lessow, O.; Müller, K.; Iezhova, T. A.; Fickel, J. & Bensch, S. (2008):
Haemosporidian blood parasites (Haemosporida, Haemoproteidae) in European birds of prey and owls. Journal of Parasitology
94(3), 709–715
Abb. 1: Seeadler (Haliaeetus albicilla) mit seiner typischen
Beute, einem Weißfisch.
Abb. 2: Der Gallengangsegel
(Metorchis bilis) aus der Gallenblase
eines Seeadlers.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 23 / 45
3. Aquatische Parasiten und ihre Wirte
unter dem Einfluss von Klimawandel, Landnutzung,
Wasserbau, Wasserwirtschaft und Globalisierung
Intensivierte Wassernutzung und Globalisierung: Wie Parasiten profitieren
Horst Taraschewski & Trevor Petney, Karlsruher Institut für Technologie
In den letzten Jahrzehnten wurden die Gewässer in den meisten Regionen der Erde in hohem Maße
anthropogen überformt. Meist hatten die Eingriffe eine Verbesserung der Ökonomie und des
Lebensstandards der Menschen in den jeweiligen Ländern zum Ziel. Die oft weit reichenden
ökologischen Auswirkungen der Eingriffe wurden indes in der Regel weder von den Geldgebern noch
von den vor Ort Verantwortlichen bedacht. Wohlgemeinte Entwicklungshilfe bringt den betroffenen
Menschen somit nicht nur Nutzen, sondern erweist sich oft als zweischneidiges Schwert, indem sie die
Bedrohung durch Malaria, Bilharziose und andere Geißeln der Menschheit verschlimmert oder lokal erst
ermöglicht.
Die Krankheitsübertragung durch intensivierte Wassernutzung wird außerdem oft durch die allgemeine
Globalisierung verschärft, da im Rahmen dieses allgegenwärtigen Prozesses Zwischenwirte, Vektoren
oder Reservoirwirte von Krankheitserregern und/oder die Pathogene selbst in neue Areale eingeschleppt
werden. Die negativen Effekte des Wasserbaus werden dadurch in vielen Fällen gesteigert. Durch beide
Effekte, wasserbauliche Eingriffe und biologische Globalisierung, verringert sich oft die Biodiversität in
den betreffenden Gewässern, kann sich aber auch in Form von „Xenodiversität“ erhöhen, was man z. B.
im Rhein bei den Flohkrebsen (Gammariden) beobachten kann. Als Folge der Eröffnung des Main-
Donau-Kanals kam es zur Einwanderung mehrerer Arten aus Südosteuropa, wobei allerdings der ponto-
kaspische Höckerkrebs Dikerogammarus villosus ca. 80% der Flohkrebsfauna ausmacht.
Im Weiteren wird anhand wichtiger Humanparasiten dargestellt, wie deren Epidemiologie durch
Bewässerungsprojekte und Dammbau beeinflusst wird und wie sich in dieser Hinsicht die Abholzung von
Wäldern, Änderungen in der menschlichen Siedlungsweise und auch die Verschleppung von Biota
auswirken. Zum Schluss geht es darum, wie die Globalisierung die Parasitengemeinschaften in Fischen
moduliert. Ozeanische Inseln sind für solche Betrachtungen besonders geeignet, da ihre
Lebensgemeinschaften unter natürlichen Bedingungen artenarm und daher für invasive Spezies sehr
empfänglich sind. Außerdem zeigt die Artenvielfalt der nicht-indigenen Parasiten interessante Bezüge zur
politischen Anbindung der jeweiligen Inseln bzw. Inselgruppen.
Die in knapper Form zusammengefassten Informationen entstammen zwei Reviews und
Einzelpublikationen (s. u.). Alle vier Artikel enthalten zahlreiche Grafiken, Fotos und zwei Tabellen.
Plasmodium spp.:
Die Erreger der Malaria (Abb. 1) profitieren in Afrika von der Anlage von Bewässerungssystemen und
Dämmen, da dort die Larven ihrer Vektoren, Stechmückenarten der Gattung Anopheles, gute Brutstätten
finden. Das gilt allerdings nur für Gebiete mit instabiler Malaria; im Hochendemiegebiet werden die
Malaria-Erreger dagegen nicht durch Bewässerungsprojekte gefördert oder werden sogar leicht
zurückgedrängt, wenn eine vorherrschende Anopheles-Art mit hoher Vektorkompetenz durch eine mit
niedrigerer verdrängt wird.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 24 / 45
Aus Afrika und Südamerika liegen Daten vor, die dokumentieren, wie die Bedrohung durch Malaria
durch Abholzungen vergrößert wird, da voll besonnte Kleingewässer mit hohen Temperaturen entstehen!
Urbanisierung fördert dagegen nicht die Abundanz von Malaria.
Abb. 1. Entwicklungszyklus von Plasmodium spp. (Quelle: CDC: http://phil.cdc.gov).
Beim Stich durch eine Anopheles-Mücke werden Sporozoiten übertragen (1), die sich in Leberzellen zu Schizonten entwickeln
(2-4). Es folgen Schizogonien in Erythrozyten (5-6). Später entwickeln sich die Gamonten (7). Die humanspezifischen Arten
unterscheiden sich in der Form der Gamonten, was in gefärbten Blutausstrichen diagnostisch nutzbar ist. Nach Aufnahme der
Gamonten durch die Mücke (8) differenzieren sich diese zu Mikro- und Makrogameten (9). In der resultierenden Zygote (10)
bilden sich Sporozoiten (11-12), die für den Menschen infektiös sind und per Mückenstich übertragen werden (1). Larven und
Puppen der Anopheles-Mücken entwickeln sich in stehenden, temporären Gewässern ohne Fische.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 25 / 45
Wuchereria bancrofti:
Der die lymphatische Filariose hervorrufende Nematode (Abb. 2) wird regional von verschiedenen
Stechmücken übertragen, z. B. Anopheles gambiae, einem bedeutenden Malaria-Vektor. Die Prävalenz
des Parasiten steigt nach Errichtung von Bewässerungskanälen deutlich an, wobei sie in unmittelbarer
Nähe zu den neuen Kanälen am höchsten wird. Verstädterung kommt dem Erreger zugute, da die
ausufernden Quartiere der Armen zahlreiche verschmutzte Kleinstgewässer aufweisen, die von der
invasiven, urbanophilen Stechmücke Culex quinquefasciatus, die als Vektor dient, zur Vermehrung
genutzt werden können.
Abb. 2. Entwicklungszyklus von Wuchereria bancrofti (Quelle: CDC: http://phil.cdc.gov).
Beim Saugakt der Stechmücken verschiedener Arten und Gattungen gelangen die L3-Larven des Parasiten in die menschliche
Haut (1). Sie entwickeln sich in Lymphgefäßen zu adulten Filarien (2), was bei einigen Patienten zum Krankheitsbild der
Elephantiasis führt. Nach der Paarung der Parasiten werden L1-Mikrofilarien abgegeben, die in Lymph- und Blutgefäße
einwandern (3). Sie können von einer Stechmücke aufgenommen werden (4). In der Mücke entwickeln sie sich zu L3-Larven
(5-8), die beim Blutsaugen auf den Menschen übertragen werden (1).
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 26 / 45
Fasciola hepatica:
Wie die meisten digenen Trematoden, wird auch der große Leberegel von Schnecken übertragen (Abb. 3).
Im Falle von F. hepatica sind dies Schlammschnecken, meist zur Gattung Lymnaea gehörend. Der
europäische Zwischenwirt Lymnaea (Galba) truncatula wurde – wie der Parasit selbst – weltweit
verschleppt. Der pathogene Leberegel profitiert aber auch davon, dass ein gleichermaßen geeigneter
Schneckenwirt, die hoch invasive, an temperiertes Klima angepasste, amerikanische Lymnaea
(Pseudosuccinea) columella dichte Populationen in vielen Kolonisationsgebieten bildet.
Die Abundanz von F. hepatica schnellt signifikant in die Höhe, sobald Bewässerungssysteme etabliert
werden, sowohl bei Weidetieren wie freigehaltenen Rindern oder Schafen als auch bei Menschen.
Menschliche Infektionen sind sowohl im südamerikanischen Altiplano als auch in Ägypten ein
bedeutendes Problem. Auch von anderen digenen Trematoden (z. B. Schistosoma spp.) kennt man den
Zusammenhang von Bewässerung und menschlicher Erkrankung.
Abb. 3. Entwicklungszyklus von Fasciola hepatica (Quelle: CDC: http://phil.cdc.gov).
Auf Pflanzen enzystierte Metacercarien des Parasiten gelangen mit ungekochtem Gemüse oder über Salat in den menschlichen
Darmtrakt (6). Alternativ werden auf der Wasseroberfläche flottierende, enzystierte Metacercarien aufgenommen. Die
Exzystierung erfolgt im Dünndarm (7). Die Gallengänge der Leber, das Mikrohabitat der Adultegel, werden nach einer
Wanderung durch die Leibeshöhle erreicht (8). Domestizierte Weidetiere und Wildtiere stellen wichtige Reservoirwirte dar (7,
8). Die über den Gallengang und den Darm der Wirte ausgeschiedenen Eier sind zunächst unembryoniert (1). In ihnen
entwickelt sich im Gewässer die Miracidium-Larve (2, 3), die in eine Schlammschnecke eindringt (4), wo die weitere
Entwicklung und Vermehrung über das Sporocysten- (4a) und Redien-Stadium (4b) bis hin zur schwimmfähigen Cercarie (4c)
erfolgt. Diese verlässt die Schnecke (5), um zu enzystieren (6).
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 27 / 45
Veränderte Diversität von Parasitengemeinschaften durch Globalisierung
Durch Handelsaktivitäten des Menschen wurden neben vielen Humanparasiten auch viele Arten, die
Nutz- und Wildtiere befallen, weltweit ausgebreitet. Die auf der französischen Insel La Réunion im
Indischen Ozean vorkommenden Aalarten Anguilla marmorata, A. bicolor und A. mossambica
beherbergten früher wahrscheinlich extrem artenarme Parasitengemeinschaften. Jetzt wurden in ihnen ein
afrikanischer, drei ostasiatische und zwei europäische Aalhelminthen nachgewiesen. Die Einschleppung
der meisten Parasiten erfolgte offenbar durch Lebendimporte von Europäischen Aalen aus dem
französischen Mutterland.
Auf den Hawaii-Inseln gibt es 23 Fischarten, darunter 16 Neozoen. In ausgebauten Gewässern ist die
Dominanz der Aliens am auffälligsten. Früher fungierten die (indigenen) Fische nur als Zwischenwirte
von Helminthen, inzwischen dienen sie den eingeschleppten Parasiten meist als Endwirte. In den
einheimischen wie eingebürgerten Fischarten dominieren zwei „Global Players“, der Nematode
Camallanus cotti, der durch den Handel mit Zierfischen verbreitet wurde und der Bandwurm
Bothriocephalus acheilognathi, dessen Areal sich durch Aquakulturen mit Karpfenfischen vergrößerte.
Fazit:
Zahllose wasserübertragene Parasiten des Menschen, seiner Nutztiere und von Wildtieren profitieren von
intensivierter Wassernutzung, hauptsächlich von Bewässerungssystemen. Auch die weltweite
Ausbreitung dieser und anderer Parasiten wird durch den Menschen gefördert, wobei ozeanische Inseln
mit Anbindung an Industrienationen durch den starken Handel mit dem jeweiligen Mutterland am
exponiertesten sind. Durch Maßnahmen auf politischer und administrativer Ebene sollte die Expansion
der Pathogene stärker als bisher eingeschränkt werden. Wasserbauliche Projekte, vor allem im Rahmen
von Entwicklungshilfe, sollten während der Planung, Ausführung und in den ersten Jahren nach ihrer
Fertigstellung parasitologisch begleitet werden, um die Gefährdung der betreffenden Bevölkerung durch
wasserübertragene Erreger und Parasiten auf ein Mindestmaß zu begrenzen.
Literatur:
Brasher, A. M. D.; Luton, C. D.; Goodbred, S. L. & Reuben, H. W. (2006): Invasion patterns along elevation and urbanization
gradients in streams. Transactions of the American Fisheries Society 135, 1109-1129
Petney, T. N. & Taraschewski, H. (2011): Water-borne parasitic diseases: hydrology, regional development and control. In:
Wilderer, P. A., A treatise on water science Vol. III, Frimmel, F. H. ed., Water chemistry and microbiology, p 303-366,
Elsevier Science
Sasal, P.; Taraschewski, H.; Valade, P.; Grondin, H.; Wielgoss, S. & Moravec, F. (2008): Parasite communities in eels of the
island of Reunion (Indian Ocean): a lesson in parasite introduction. Parasitology Research 102, 1343-1350
Taraschewski, H. (2006): Hosts and parasites as aliens. Journal of Helminthology 80, 99-129
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 28 / 45
Abb. 1: Hirschleber infiziert mit dem Amerikanischen
Riesenleberegel (Fascioloides magna).
Abb. 2: Leberegelschnecke (Galba truncatula).
Neueröffnung: Neue Gäste, neue Wirte. Epidemiologie von Parasiten-Neobiota am Beispiel des Amerikanischen Riesenleberegels
Helmut Sattmann & Christoph Hörweg, Naturhistorisches Museum Wien
Der Amerikanische Riesenleberegel (Fascioloides magna BASSI, 1875) ist eine invasive digene
Trematoden-Art, die Ende des 19. Jahrhunderts vermutlich mit importierten Hirschen aus Nordamerika
nach Europa eingeschleppt wurde. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Art entlang der mittleren und
unteren Donau ausgebreitet. In Europa hat der Riesenleberegel in erster Linie den Rothirsch (Cervus
elaphus) als passenden Endwirt und die aquatische Leberegelschnecke (Galba truncatula) als
hauptsächlichen Zwischenwirt besiedelt. Der erste Ausbruch der Parasitose in freier Wildbahn in
Österreich ist im Jahr 2000 in den Donau Auen östlich von Wien belegt. Die Epidemiologie des Parasiten
im Endwirt sowie im Zwischenwirt wurde in den letzten 10 Jahren untersucht. Die Prävalenzen beim
Rothirsch (wie beim Reh) waren, trotz Medikation in einzelnen Revieren, recht hoch, während die
Prävalenz bei den Schnecken lediglich zwischen 0,003 % und 0,3 % lag. Jagdliche Maßnahmen, die
darauf auszielen, die Wanderungen der Rothirsche zu fördern, um den genetischen Austausch mit
entfernten Populationen zu ermögliche, könnten auch die Ausbreitung der Parasiten fördern.
Anthropogene Eingriffe in die Lebensräume, verbunden mit einer Veränderung des Klimas, erhöhen das
Risiko der weiteren Ausbreitung des Krankheitserregers. Daher bedarf es einer genauen Beobachtung der
Wanderbewegungen der Hirsche und der (vor allem passiven) Ausbreitungsdynamik der
Zwischenwirtsschnecken. Monitoringprogramme, welche die Hirsche, die Zwischenwirtschnecken und
den Riesenleberegel umfassen, sollten daher in bestimmten Lebensräumen und Regionen weiter geführt
werden.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 29 / 45
Literatur:
Bassi, R. (1875): Sulla cachessia itterio-verminosa, o marciaia die cervi, causata dal Distomum magnum. Il Medico Veterinario
4, 497-515
Winkelmayer, R. & Prosl, H. (2001): Riesenleberegel – jetzt auch bei uns? Weidwerk 3, 42-44
Haider, M.; Hörweg, C.; Liesinger, K.; Sattmann, H. & Walochnik, J. (2012): Recovery of Fascioloides magna (Digenea)
population in spite of treatment programme? Screening of Galba truncatula (Gastropoda, Lymnaeidae) from Lower Austria.
Veterinary Parasitology, doi:10.1016/j.vetpar.2012.01.032
Hörweg, C.; Prosl, H.; Wille-Piazzai, W.; Joachim, A. & Sattmann, H. (2011): Prevalence of Fascioloides magna in Galba
truncatula in the Danube backwater area east of Vienna, Austria Wien. Tierärztl. Mschr. - Vet. Med. Austria 98 (2011), 261-
267
Ursprung, J. (2002): Der Amerikanische Riesenleberegel Fascioloides magna (Digenea, Trematoda). In: Essl, F. & Rabitsch,
W.: Neobiota in Österreich. Umweltbundesamt, Wien, 225-227
Ursprung, J.; Joachim, A. & Prosl, H. (2006): Vorkommen und Bekämpfung des Amerikanischen Riesenleberegels,
Fascioloides magna, in einer Schalenwildpopulation in den Donauauen östlich von Wien. Berliner Münchner Tierärztliche
Wochenschrift 119, 316-323
Ursprung, J. & Prosl, H. (2011): Vorkommen und Bekämpfung des Amerikanischen Riesenleberegels (Fascioloides magna) in
den österreichischen Donauauen östlich von Wien 2000 – 2010. Wiener Tierärztl. Mschr. - Vet. Med. Austria 98 (2011), 275-
284
Abb. 5: Redie mit Zerkarien des
Amerikanischen Riesenleberegels
(Fascioloides magna)
Abb. 4: Zerkarie des Amerikanischen
Riesenleberegels (Fascioloides magna)
Abb. 3: Ei mit Mirazidium des
Amerikanischen Riesenleberegels
(Fascioloides magna)
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 30 / 45
Biodiversität metazoischer Fischparasiten: Eine vernachlässigte Größe am Beispiel des Zentralen Pazifiks
Harry Palm, Universität Rostock
Fischparasiten sind ein integraler Bestandteil der aquatischen Biodiversität. Aufgrund von umfassenden
Wirts-Parasitenlisten wurde bereits belegt, dass die Anzahl an Fischparasiten diejenige ihrer Wirte
deutlich übersteigt. Die Nutzung dieser Biodiversität für die Beschreibung und Bewertung von
Ökosystemen bzw. deren kurz- und langfristige Änderungen sind somit ein aktuelles Forschungsgebiet in
der aquatischen Parasitologie (Palm et al. 2011). Je nach Auswahl geeigneter Parasitenarten und Stadien
lassen sich diese als biologische Indikatoren für ihre Wirte, Umweltzustandsindikatoren sowie als
Akkumulationsindikatoren verwenden (Palm 2011). Voraussetzung dafür ist eine taxonomische
Bearbeitung und Erfassung der existierenden Parasitenbiodiversität in dem jeweils zu betrachtenden
Ökosystem.
Die marine Fischparasitologie unterliegt der Schwierigkeit, dass auch die ca. 70% der Weltoberfläche
umfassenden Ozeane vielfach genutzt und über menschliche Aktivitäten stark beeinflusst worden sind.
Insbesondere die Fischerei und Verschmutzung der Küstenökosysteme haben bereits zu Veränderung der
natürlichen Parasitengemeinschaft geführt. Für eine Bewertung dieses Einflusses liegt ein einzigartiger
und umfassender parasitologischer Datensatz aus den 1960er Jahren im Zentralen Pazifik vor, welcher
über 2600 untersuchte Fische aus über 200 Arten umfasst. Die von dem berühmten japanischen
Fischparasitologen S. Yamaguti erstellten detaillierten Protokolle lassen sich auch 50 Jahre nach der
eigentlichen Parasitensammlung auswerten und zeigen die Parasitenzusammensetzung im Zentralen
Pazifik im Vergleich zu heute (Palm et al. in prep.).
Abzüglich der Insekten stellten marine metazoische Fischparasiten vor 50 Jahren alleine 8 % der bis heute
bekannten Tierarten von den Hawaii Inseln. Die Digeneen hatten einen über 50 %igen und die
Nematoden einen etwas über 3 %igen Anteil an dieser Biodiversität. Zu diesem Zeitpunkt lag der
Weltfischereiertrag bei 45 % der heutigen Fischereiproduktion. In vielen Küstenregionen hat heutzutage
die mit Raten von knapp 9% ständig wachsende Aquakultur einen zunehmenden Einfluss auf das
Vorkommen und die Verbreitung von Fischparasiten. Globale Klimaveränderungen kommen als weiterer
Faktor hinzu. Diese Zusammenhänge machen einen Nachweis sowie die Bewertung von
Artenverschiebungen aufgrund von Globalen Klimaänderungen in vielen Küstenlebensräumen „nahezu
unmöglich“. Für derartige Untersuchungen sind zukünftig Extremstandorte wie beispielsweise die
Antarktis oder Gebiete mit Vergleichsdatensätzen wie die Gewässer um Hawaii im Zentralen Pazifik als
bevorzugte Untersuchungsstandorte heranzuziehen (Palm 2011). Der Datensatz aus Hawaii macht einen
aktuellen Vergleich möglich.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 31 / 45
Literatur:
Palm, H. W. (2011): Fish parasites as biological indicators in a changing world: Can we monitor environmental impact and
climate change? In: Progress in Parasitology (ed. Mehlhorn, H.), Springer Verlag
Palm, H. W.; Kleinertz, S. & Rückert, S. (2011): Parasite diversity as an indicator of environmental change? An example from
tropical grouper mariculture in Indonesia. Parasitology 138, 1793-1803
Palm, H. W.; Bray, R. A. & Iwaki, T. (in prep.): Marine fish parasitology in Hawaii.
Abb. 2: Bandwürmer der Ordnung Tetraphyllidea aus
der Sammlung von S. Yamaguti aus Hawaii.
Abb. 1: Beispiele von Fischillustrationen in den
Originalprotokollen der Untersuchungen von S. Yamaguti.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 32 / 45
Parasitengemeinschaften als Indikatoren ökosystemarer Veränderungen
Bernd Sures1, Frankie Thielen
2, Klaus Knopf
3, Ana Pérez-del-Olmo
4, Horst Taraschewski
5,
1Universität Duisburg-Essen;
2 Fondation Hëllef fir d'Natur, Heinerscheid, Luxembourg;
3Leibniz-Institut
für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin; 4Universitat Autònoma de Barcelona, Spain;
5Karlsruher Institut für Technologie
Die Eröffnung des Main-Donau-Kanals im Jahre 1992 bildete die Grundlage für einen Faunenaustausch
zwischen dem Donau- und dem Rhein/Main-System, der sich besonders in der Einwanderung
pontokaspischer Amphipoden wie der Art Dikerogammarus villosus manifestierte. Die starke
interspezifische Konkurrenz zwischen den einwandernden und den zuvor schon vorhandenen
Gammariden führte nach kurzer Zeit dazu, dass Dikerogammarus villosus die dominante Art wurde und
andere Amphipodenarten (nahezu) auslöschte. Unter den ausgelöschten Arten findet sich beispielsweise
auch der ursprünglich aus Nordamerika eingebürgerte Amphipode Gammarus tigrinus. Die
Einwanderung freilebender, nicht-einheimischer Makroinvertebratenarten in den Rhein verändert aber
nicht nur die Biozönose benthischer Organismen, sondern wirkt sich auch auf die Lebensgemeinschaften
anderer Organismengruppen aus. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich daher mit dem Einfluss der
einwandernden Makroinvertebraten auf die Diversität der Aalparasiten aus dem Rhein nahe Karlsruhe.
Hierzu wurden zwischen den Jahren 1995 bis 2005 jährlich im Sommer etwa 20 Aale im Hinblick auf
ihre Parasitengemeinschaft untersucht. Die Studie zeigt, dass Europäische Aale von einer vielfältigen
Parasitenfauna begleitet werden. Insgesamt fanden sich 26 Parasitenarten verschiedenster systematischer
Zugehörigkeit (Abb. 1). Ferner zeigt sich aus der zeitlichen Analyse, dass es zu einem starken Anstieg der
Diversitätsmaße (Shannon-Wiener- & Simpson-Index) in der intestinalen Parasitengemeinschaft kommt,
obwohl die Anzahl der Parasitenarten relativ konstant bleibt. Erklären lässt sich die Verdreifachung der
Diversitätsmaße bei den intestinalen Aalparasiten dadurch, dass die ehemals dominante, aalspezische
Acanthocephalenart Paratenuisentis ambiguus durch das Verschwinden ihres einzigen obligaten
Zwischenwirtes (dem Amphipoden Gammarus tigrinus) aus der Aalparasitengemeinschaft eliminiert
wurde. Die hierdurch freiwerdende Nische gab nachfolgend verschiedenen Parasitenarten die
Möglichkeit, die Rolle des dominanten, intestinalen Parasiten zu übernehmen. Zunächst führte dies zu
einem starken Anstieg der Prävalenz und Intensität von Raphidascaris acus, einem unspezifischen
Nematoden, der in einer Reihe verschiedener Raubfische vorkommt. Seit dem Jahr 2002 wurde diese
Rolle jedoch durch den aalspezifischen Nematoden Paraquimperia tenerrima übernommen, dessen
Prävalenz und Intensität in den nachfolgenden Jahren stark anstieg. Nachdem nun wieder ein
Aalspezialist die Rolle des dominanten intestinalen Aalparasiten übernommen hatte, sinkt die Diversität
wieder ab, verbleibt jedoch auf einem Wert, der im Jahr 2005 ca. doppelt so hoch war wie zu Beginn der
Untersuchung.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass Invasionen freilebender Arten immer unmittelbar auch
einen Effekt auf Parasitozönosen haben. Die Auswirkungen können vielfältig und schlecht
prognostizierbar sein. Andererseits ist es möglich, die Veränderung von Parasitengemeinschaften
ursächlich auf ökosystemare Veränderungen zurückzuführen, weshalb Parasitengemeinschaften in
Umweltstudien einen großen Indikationswert haben.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 33 / 45
Nachweis von Viren bei Wildfischen und Beziehungen zur Aquakultur
Dieter Fichtner; Sven Bergmann & Harald Granzow, Friedrich-Loeffler-Institut Greifswald, Insel
Riems
Die Nationalen Referenzlaboratorien (NRL) für Fischseuchen haben die Diagnose virusbedingter
Krankheiten der Fische auf der Grundlage der Fischseuchen-Verordnung und der Gesetzgebung der
Europäischen Union (EU) zu koordinieren und zu sichern. Anzeigepflichtige Fischseuchen sind die Virale
Hämorrhagische Septikämie (VHS) und die Infektiöse Hämatopoetische Nekrose (IHN), zwei für
Forellen bedeutsame Seuchen, die Infektiöse Anämie der Lachse (ISA) und die Koi-Herpesvirus (KHV)-
Infektion (KHV-I) der Karpfen. Sie sind in der Liste der nicht-exotischen Krankheiten der Fische in der
„EU-Richtlinie 2006/88/EG“ aufgeführt. Anzeigepflicht besteht in Deutschland auch für die in der Liste
der exotischen Fischkrankheiten dieser Richtlinie genannten Fischseuchen Epizootische Hämatopoetische
Nekrose (EHN) und das Epizootische Ulzerative Syndrom (EUS).
In den NRLen werden neben den Erregern von Fischseuchen weitere Einsendungen von Fischen
bearbeitet. Wildfische wurden auf Virusinfektionen untersucht. 17 verschiedene Viren von Wildfischen
wurden seit 1995 isoliert, identifiziert und charakterisiert. Ein neuartiges Virus, bezeichnet als White
Bream Virus (WBV) wurde aus verschiedenen Wildfischen isoliert. Nutzkarpfen, die mit dem WBV
experimentell infiziert wurden, zeigten nur milde Krankheitssymptome. Zahlreiche Viren konnten beim
Europäischen Aal (Anguilla anguilla) nachgewiesen werden. Das Herpesvirus anguillae (HVA), Erreger
der so genannten „Rotkopfkrankheit“ (Abb. 1 und 2), das Aal-Rhabdovirus, auch bezeichnet als Eel Virus
European X (EVEX), und Reoviren wurden aus Aalen isoliert und identifiziert. Bei Aalen gelang auch die
Isolierung von Birnaviren, die sich als IPNV like-Viren mit Beziehungen zum Serotyp “Spjarup”
erwiesen. Die aus Aalen isolierten Picornaviren verursachten in einem Infektionsversuch bei Glasaalen
eine Mortalität von 43 %.
Abb. 1: Der Aal als Ökosystem: Darstellung der bisher für Rheinaale nachgewiesenen Parasiten.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 34 / 45
Abb. 1: HVA-infizierte Aale „Rotköpfe“.
Abb. 2: Experimentell mit HVA infizierter Aal.
Abb. 3: Massensterben nach Ausbruch
einer KHV-Infektion 2004 in Thüringen.
Das KHV verursacht weiterhin verlustreiche Krankheitsgeschehen bei Nutzkarpfen (Abb. 3) und Kois
(Cyprinus carpio). KHV konnte bei zahlreichen Wildfischen nachgewiesen werden. Die Fische können
als Carrier fungieren und stellen eine Gefahr für die Verbreitung der KHV-Infektion dar.
Forschungsbedarf bei der Infektionsforschung besteht in folgenden Punkten:
Erweiterung der Untersuchungen der Wildfische auf Pathogene, beim FLI vorrangig virale Erreger,
Charakterisierung der Erreger, z. B. Relevanz für Gefährdung der Biodiversität oder Gefahr für
Aquakultur,
Ausweitung der Untersuchungen zur molekularen Epidemiologie (Genomanalyse,
Genotypisierung), um die Infektionsketten zwischen Aquakultur und Wildfischen aufzudecken.
Unser Beitrag zum Schutz der Biodiversität ist die Forderung: Gesunde Fische in der Aquakultur und in
natürlichen Gewässern.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 35 / 45
Abb. 1: Massensterben von Karpfen nach einem KHV-
Ausbruch.
Abb. 2: Massive Kiemenschäden infolge einer KHV-
Infektion.
Die Koi-Herpesvirusinfektion im Spannungsfeld von Naturschutz und Teichwirtschaft
Grit Bräuer, Sächsische Tierseuchenkasse, Dresden
Die Teichwirtschaft in Sachsen wird traditionell betrieben. Ein Großteil der von den ca. 30 bis 800 ha
großen Haupterwerbsbetrieben bewirtschafteten Flächen hat eine enorme Bedeutung für den Natur- und
Artenschutz und wurde deshalb als FFH Gebiete eingestuft. Zunehmend werden die Flächen für den
sanften Naturschutz erschlossen. 2003 wurde erstmalig die bis dahin in Deutschland weitgehend
unbekannte Koi-Herpesvirusinfektion (KHV-I) nachgewiesen. Die Erkrankung besitzt Seuchencharakter
und ist inzwischen nahezu weltweit nachgewiesen worden. In betroffenen Fischbeständen verenden 40 bis
100% der Fische (Abb. 1) aufgrund massiver Kiemen- und Hautschäden (Abb. 2). Bis 2008 breitete sich
die Erkrankung insbesondere durch den Handel mit latent infizierten Fischen und über kurze Distanzen
durch Prädatoren zügig aus. Die ökonomischen Schäden in Sachsen bewegen sich inzwischen im
Millionenbereich. Auf Grund der Besonderheiten der naturnahen Teichwirtschaft schienen die
Möglichkeiten der klassischen Seuchenbekämpfung wie Entfernung sämtlicher Fische, längerfristige
Trockenlegung und Desinfektionskalkung großer Flächen (Abb. 3) schnell erreicht zu sein. Immer
wiederkehrende Seuchenausbrüche, die Existenz gefährdende Auswirkungen auf die sächsische
Karpfenteichwirtschaft und damit den Erhalt der Kulturlandschaft haben, führten dazu, dass Interessen
übergreifende Tilgungskonzepte erarbeitet wurden und durch ein EU genehmigtes Programm des
Freistaates Sachsen finanziell unterstützt werden können. Auswirkungen der KHV-I und entsprechender
Bekämpfungsmaßnahmen auf den Natur- und Artenschutz sowie die ökonomischen Auswirkungen der
Erkrankung wurden in verschiedenen Projekten erforscht.
Abb. 3: Trockenlegung und Desinfektionskalkung.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 36 / 45
Diversität in Fließgewässern, nichts für Parasiten?
Daniel Dangel1, Ana Pérez-del-Olmo
2, Daniel Hering
1 & Bernd Sures
1,
1Universität Duisburg-Essen;
2Universitat Autònoma de Barcelona, Spanien
Die Artenvielfalt natürlicher Ökosysteme ist durch zunehmende menschliche Eingriffe in den letzten
Jahrhunderten stark bedroht. Wichtige Voraussetzung für eine effiziente Planung von Erhaltungs- und
Förderungsmaßnahmen zum Schutz der Biodiversität ist ein fundiertes Wissen über die genetische
Vielfalt, die ökologischen Funktionen und Interaktionen der unterschiedlichen Lebensräume.
Obwohl in Süßwasserökosystemen rund 10 % aller weltweit bekannten Arten vorkommen, sind die
Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf die Artenvielfalt von Süßwasserökosystemen und deren
Prozesse weitestgehend noch unerforscht. Insbesondere in Fließgewässern werden Parasiten in
ökosystemaren Betrachtungen kaum oder gar nicht berücksichtigt.
In aquatischen Ökosystemen ist die Wassertemperatur einer der wesentlichen Faktoren, welcher sich
maßgeblich auf die Ausbildung, Zusammensetzung und Verteilung der Lebensgemeinschaften auswirkt.
Thermische Belastungen und damit einhergehende Änderungen der Wassertemperatur stellen
Fließgewässer vor Herausforderungen, welche sich im Zuge der Auswirkungen des Klimawandels noch
verstärken werden. In den Fließgewässern der gemäßigten Breiten wird dies zu einer fortschreitenden
Angleichung der Lebensgemeinschaften im Oberlauf der Gewässer (Rhithral) an diejenigen des
Unterlaufes (Potamon) führen. Davon sind besonders kaltstenotherme Arten betroffen, da ihnen
Ausweich- und Rückzugsmöglichkeiten nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. An zwei
Mittelgebirgsflüssen in Nordrhein-Westfalen, der Ruhr und der Lenne, wurden an vergleichbaren
Abschnitten ober- und unterhalb einer thermischen Belastung Parasitengemeinschaften der Bachforelle
(Salmo trutta fario) untersucht.
Die Diversität der Parasiten dieser Fischart (die Komponentengemeinschaft) nimmt bei einer mittleren
jährlichen Differenz der Wassertemperatur von 0,66 K (Ruhr) bzw. 1,99 K (Lenne) um das 0,3- bzw. 0,5-
fache ab. In den kälteren Abschnitten sinkt die mittlere Anzahl an Parasiten je Fisch (die mittlere
Intensität, MI) signifikant für die in den Augen des Fisches lebenden Larvenstadien des Saugwurms
Diplostomum sp. sowie die im Darm der Fische vorkommenden Raphidascaris acus, Pseudocapillaria
salvelini (Fadenwürmer) und Echinorhynchus truttae (Kratzwürmer). Für den ebenfalls im Darm seines
Wirtes lebenden Saugwurm Crepidostomum metoecus steigt hingegen die MI mit sinkender
Wassertemperatur hochsignifikant.
Erste Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass eine Veränderung der Wassertemperatur sowohl qualitative
als auch quantitative Veränderungen der Parasitengemeinschaften der Bachforelle bewirkt. Dies
dokumentiert sich sowohl in einer Abnahme der Diversität in der Komponentengemeinschaft, als auch in
signifikanten Veränderungen der Infektionsintensitäten bei einem Großteil der gefundenen
Fischparasitenarten. Dies unterstreicht die Forderung, aquatische Parasiten in zukünftige ökosystemare
Betrachtungen mit einzubeziehen.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 37 / 45
4. Was ist zu tun?
Forschungsbedarf, Innovationen, Öffentlichkeitsarbeit
Negative Auswirkungen durch Parasiteninfektionen bei sehr frühen Entwicklungsstadien von Fischen
Behrmann-Godel, Jasminca, Universität Konstanz
Über die Auswirkungen von Parasiteninfektionen bei larvalen und juvenilen Fischen ist bisher kaum
etwas bekannt. Nach einer allgemeinen Hypothese sollten negative Auswirkungen durch Parasitenbefall
jedoch stärker ausfallen als bei adulten Fischen, da sie die allgemeine Kondition schwächen und das
Verhalten verändern können. Diese beiden Faktoren führen bei larvalen und juvenilen Fischen
unweigerlich zu einem erhöhten Prädationsrisiko. In den wenigen durchgeführten Studien konnten
Hinweise auf Wachstumseinbußen und eine erhöhte Mortalität bei infizierten gegenüber parasitenfreien
Fischlarven gefunden werden. In dieser Studie wurden zwei Versuche zum Einfluss parasitärer
Infektionen auf Larven und juvenile Fischen in sehr frühen Entwicklungsstadien durchgeführt.
Versuch 1:
Frisch geschlüpften Flussbarschlarven (Perca fluiviatilits) wurde im Labor über einen Zeitraum von
sieben Wochen lebendes Zooplankton aus dem Bodensee gefüttert. Nach diesem Zeitraum erfolgte eine
Umstellung auf gefrorene Mückenlarven, um die Infektion und die Etablierung der über die
Nahrungskette aufgenommenen Makroparasiten zu studieren. Zu sechs verschiedenen Zeitpunkten
(Wochen 2, 3, 5, 7, 15 und 23 nach Schlupf) wurden je 50 Flussbarsche auf Parasiten untersucht.
Zusätzlich wurden alle nach der siebenten Woche im Versuch verendeten Flussbarsche abgesammelt und
analysiert. Neben Prävalenz und Intensität der Parasiten wurden der Zeitraum der Erstinfektion und die
spezifische Artabfolge der infizierenden Parasiten ermittelt sowie das Wachstum der Flussbarsche erfasst.
Bereits zwei Wochen nach dem Schlupf konnten erste Infektionen mit dem Cestoden Proteocephalus sp.
nachgewiesen werden (Abb. 1, A). Ab Woche fünf waren dann zusätzlich Infektionen mit den Cestoden
Triaenophorus nodulosus und Eubothrium crassum und dem Trematoden Bunodera luciopercae zu
verzeichnen. Die Prävalenzen stiegen bis Woche sieben stetig an und blieben dann nach der
Nahrungsumstellung auf Chironomiden für Triaenophorus nodulosus und Bunodera luciopercae auf dem
gleichen Niveau. Für Infektionen mit Proteocephalus sp. und Eubothrium crassum kam es nach der
Nahrungsumstellung zu einer stetigen Reduktion der Prävalenzen bis bei der letzten Probenahme (Woche
23) keine mit diesen Arten infizierten Fische mehr gefunden werden konnten (Abb. 1, A). Bei den
während des Experiments verendeten Fischen wurde nur der Befall mit Triaenophorus nodulosus
analysiert. Triaenophorus nodulosus nutzt den Flussbarsch als zweiten Zwischenwirt und wird in der
Leber enzystiert. Durch dieses Verhalten kann er auch nach dem Tod des Wirtes noch nachgewiesen
werden, da er diesen nicht, wie es von Darmparasiten wie z. B. den drei anderen gefundenen Arten
bekannt ist, über den Anus verlassen kann. Die Intensität von Triaenophorus nodulosus war bei den
verendeten Fischen signifikant höher als bei den für den selben Zeitraum zur Untersuchung getöteten
Fischen (Abb. 1, B). Dieses Ergebnis deutet auf eine erhöhte Mortalität der larvalen und juvenilen
Flussbarsche bei einem starken Befall mit Triaenophorus nodulosus hin.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 38 / 45
Abb. 1: A. Prävalenzen verschiedener Parasitenarten in mit Zooplankton gefütterten Flussbarschlarven (n= 601).
Rote Punkte Trianophorus nodulosus, offene Punkte Proteocephalus sp., Schwarze Dreiecke Eubothrium crassum,
offene Dreiecke Bunodera luciopercae. B. Intensität (Outlier box plot) der Infektion mit Trianophorus nodulosus bei
Flussbarschen, die während des Zeitraums 42 – 152 Tage nach Schlupf untersucht wurden (a) und der während des
gleichen Zeitraums im Versuch verendeten Fische (b); n = 135; * Signifikanter Unterschied nach Welch-ANOVA, p
= 0.038.
Versuch 2:
Um die Auswirkungen der Penetration von Invasionslarven der Parasiten durch die Haut bei Fischen in
sehr frühen Entwicklungsstadien zu untersuchen, wurden Fluss- und Kaulbarsche (Gymnocephalus
cernuus) kurz nach dem Schlupf mit Cercarien der Trematoden Ichthyocotylurus variegatus und
Tylodelphys clavata, zwei häufigen Parasiten von Fluss- und Kaulbarsch, in verschiedenen Dosen (1-10
Cercarien pro Fisch) infiziert. Nach ca. 24 Stunden wurden die Mortalitätsraten der Fische bestimmt. Die
Cercarien stammten aus infizierten Schnecken, welche im Bodensee gesammelt wurden. Bei Fischlarven
traten nach Penetration der Cercarien häufig Blutungen und Verhaltensänderungen (Trudeln,
Herumschießen) auf, und es wurden hohe dosisabhängige Mortalitätsraten verzeichnet (Abb. 2 und 3).
Je älter die Flussbarschlarven bei der Infektion waren, desto geringer waren die Mortalitätsraten (Abb. 2).
Interessanterweise unterschieden sich die Mortalitätsraten bei verschiedenen Fischarten so wurden bei
zwei Tage alten Flussbarschlarven wesentlich höhere Mortalitätsraten verzeichnet als bei gleich alten
alten Kaulbarschlarven (Abb. 3).
Fazit:
Frühe Entwicklungsstadien von Fischen können bereits kurz nach dem Schlupf von verschiedenen
Parasitenarten infiziert werden. Dabei treten negative Auswirkungen sowohl bei über die Nahrungskette
übertragenen Parasiten (trophische Transmission) als auch bei aktiv die Haut penetrierenden Parasiten
auf. Bei letzteren konnten als negative Auswirkungen Blutungen, Verhaltensänderungen und Tod der
Wirte beobachtet werden. Die Ergebnisse der hier beschriebenen Versuche weisen darauf hin, dass bei
larvalen und juvenilen Fischen neben der Prädation, die allgemein als Hauptmortalitätsfaktor anerkannt
ist, auch die bislang in diesem Zusammenhang kaum berücksichtigten Parasiteninfektionen ein
entscheidender Mortalitätsfaktor sind.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 39 / 45
Abb. 2 Mortalitätsraten von Flussbarschen durch Infektion mit Cercarien von Ichthyocotylurus variegatus
in verschiedenen Dosen. A: 9 Tage nach Schlupf (n=24); B: 14 Tage nach Schlupf (n=48); C: 16 Tage
nach Schlupf (n=56); D: 19 Tage nach Schlupf (n =49).
Abb. 3 Mortalitätsraten von 2 Tage alten Flussbarschen (A; n=36) und Kaulbarschen (B; n=36)
durch Infektion mit Cercarien von Thylodelphys clavata in verschiedenen Dosen.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 40 / 45
Abb. 1: Mit Haken bewehrte Proboscis von
Acanthocephalus lucii, einem Darmparasiten des
Flussbarsches.
Abb. 2: Mit Acanthocephalus lucii infizierte Wasserasseln
sind an ihrem dunkel gefärbten Operculum zu erkennen.
Rechts das für den Flussbarsch infektiöse Stadium von A. lucii.
Zwischenwirt-abhängige, kleinräumige Heterogenität der Parasitenfauna von Flussbarschen (Perca fluciatilis)
Klaus Knopf, Christoph Steinbach & Jürgen Schreiber, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und
Binnenfischerei, Berlin
Parasiten mit komplexen, mehrere Wirte umfassenden Entwicklungszyklen sind eng in das Nahrungsnetz
verflochten. Daher ist wahrscheinlich, dass sie empfindlich auf Störungen wie z. B. durch Neozoen
verursachte Veränderungen in der Faunenzusammensetzung reagieren.
Die vergleichende parasitologische Untersuchung von Flussbarschen (Perca fluciatilis) aus dem
Müggelsee (Berlin) und aus dem Mündungsbereich eines kleinen, in den See mündenden Baches ergaben
signifikante Unterschiede in der Prävalenz und Abundanz des Acanthocephalen Acanthocephalus lucii
(Abb. 1). Dieser Unterschied ist mit dem Fehlen der Wasserassel (Asellus aquaticus) im See zu erklären,
da diese für A. lucii der einzige geeignete Zwischenwirt ist (Abb. 2). In dem untersuchten Bachabschnitt
hingegen finden sich Wasserasseln mit flussaufwärts zunehmender Häufigkeit.
Es ist bekannt, dass der um das Jahr 2000 in den Müggelsee eingewanderte invasive Flohkrebs
Dikerogammarus villosus (Amphipoda) für den dramatischen Rückgang einheimischer
Benthosorganismen und eine Umstrukturierung der Lebensgemeinschaft auf dem Boden unserer
Gewässer verantwortlich ist. Vor dem Erscheinen von D. villosus waren Wasserasseln auch ein fester
Bestandteil des Makrozoobenthos im Müggelsee. So belegen im Jahr 1992 durchgeführte
Mageninhaltsanalysen von Aalen aus dem Litoral des Müggelsees, dass sich die Aale zu nahezu 70% von
Wasserasseln ernährt hatten. Heute wird diese Rolle von D. villosus und einigen anderen neozoischen
Amphipoden eingenommen. Auch die Flussbarsche im Müggelsee ernähren sich heute neben Fischen
überwiegend von neozoischen Amphipoden. Die Funktion als Zwischenwirt für A. lucii können die
gebietsfremden Amphipoden jedoch nicht ersetzen, wodurch die Transmission dieser Parasiten
unterbunden wird.
Diese Fallstudie zeigt, dass die umfassende Umstrukturierung benthischer Lebensgemeinschaften durch
invasive Arten auch die Diversität aquatischer Parasitozönosen beeinflusst. Möglicherweise können
solche Prozesse sogar unbemerkt zum Verschwinden von Parasitenarten führen. Angesichts der Rolle, die
Parasiten bei der Strukturierung von Lebensgemeinschaften spielen können, sind weiter reichende
Auswirkungen dieses Prozesses auf das gesamte Ökosystem nicht auszuschließen.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 41 / 45
Neues aus der Cryptosporidium-Forschung und Forschungsbedarf für wasserbedingte Parasitosen
Panagiotis Karanis, Universitätsklinikum Köln
Systematische Laborstudien zum Lebenszyklus des Einzellers Cryptosporidium spp. berücksichtigen
physiologische, biochemische und genetische Aspekte. Ein solch vielseitiger Ansatz kann die zukünftige
Cryptosporidium – Forschung erleichtern. Verschiedene Aspekte wurden im Vortrag anhand der
Originaldaten diskutiert. Beobachtungen und Entwicklungen der letzten Jahre zur in vitro Kultivierung
von Cryptosporidium bestätigten, dass sich Cryptosporidium in vitro ohne Wirtszellen entwickeln kann,
oder dass zumindest Stadien des merogonischen Lebenszyklus in der Lage sind, sich in der axenischen in
vitro Kultur zu entwickeln. Verschiedene Lebensstadien (Sporozoiten, Trophozoiten und Merozoiten) von
Cryptosporidium wurden in zellfreien Medien beobachtet und mikroskopisch dokumentiert. Stadien wie
Gamonten und Zygoten sowie Gregarinen-ähnliche Stadien wurden ebenfalls in den verwendeten Medien
gefunden. Diese Untersuchungen geben einen Hinweis darauf, dass die Differenzierung der Sporozoiten
zu Merozoiten nicht durch den komplexen Prozess der Bindung an die Wirtszellen ausgelöst wird,
sondern durch die Reifung der Oozysten und durch das Milieu, in dem sich die Sporozoiten nach der
Inkubation in einem bestimmten Medium befinden. Die Erkenntnisse der letzten Jahre zur Kultivierung
von Cryptosporidium spp. in zellfreien und in axenische Kulturen sowie die Faktoren, die die
Entwicklung der Parasiten beeinflussen, wurden diskutiert. Kritische Einblicke hinsichtlich einiger
wichtiger Aspekte zur Cryptosporidium - Forschung in der internationalen Gemeinschaft wurden
präsentiert.
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 42 / 45
4. Autoren- und Teilnehmerverzeichnis
Dr. Anton Aebischer
Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionskrankheiten, Fachgebiet 16: Mykologie / Parasitologie,
Nordufer 20, 13353 Berlin, AebischerA@rki.de
Dr. Brigitte Bannert
Institut für Biologie, Abteilung Molekulare Parasitologie, Humboldt-Universität zu Berlin, Philippstr. 13,
10115 Berlin, brigitte.bannert@hu-berlin.de
Amir Abbas Bazyar Lakeh
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Müggelseedamm 310, 12587 Berlin
bazyar@igb-berlin.de
Dr. Jasminca Behrmann-Godel
Limnologisches Institut, Universität Konstanz, Mainaustr. 252, 78464 Konstanz
Jasminca.Behrmann@uni-Konstanz.de
Dr. Grit Bräuer
FGD der Sächsischen Tierseuchenkasse, Löwenstr. 7A, 01099 Dresden
braeuer@tsk-sachsen.de
Dr. Viola Clausnitzer
Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz, PF 300154, 02806 Görlitz
viola.clausnitzer@senckenberg.de
Daniel Dangel
Universität Duisburg-Essen, Angewandte Zoologie / Hydrobiologie, Universitätsstr. 5, 45141 Essen
daniel.dangel@uni-due.de
Kerstin Dangel
Universität Duisburg-Essen, Angewandte Zoologie / Hydrobiologie, Universitätsstr. 5, 45141 Essen
kerstin.dangel@uni-due.de
Dr. Claudia Dziallas
Marine Biological Section, University of Copenhagen, Strandpromenaden 5, 3000 Helsingør, Denmark,
cdziallas@bio.ku.dk
Michaela Engel
Hatzfeldzallee 2-4, 13509 Berlin, engel.humboldt-schule@hotmail.de
Dr. Dieter Fichtner
Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Institut für Infektionsmedizin,
Südufer 10, 17493 Greifswald – Insel Riems, dieter.fichtner@fli.bund.de
Infektionskrankheiten und Biodiversität in anthropogen veränderten Gewässern 43 / 45
Dr. Hans-Peter Grossart
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Alte Fischerhütte 2, OT Neuglobsow,
16775 Stechlin, hgrossart@igb-berlin.de
Prof. Dr. Theodor Hiepe
Institut für Biologie, Abteilung Molekulare Parasitologie, Humboldt-Universität zu Berlin, Philippstr. 13,
10115 Berlin, theodor.hiepe@hu-berlin.de
Dr. Martin Kalbe
Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie, August-Thinemann-Str. 2, 24306 Plön
kalbe@evolbio.mpg.de
Prof. Dr. Panagiotis Karanis
Universität Köln, Institut II für Anatomie, Joseph-Stelzmann-Straße 9, Geb. 35, 50931 Köln
panagiotis.karanis@uk-koeln.de
Michelle Keppel
Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Biologie, Universitätsstr. 5, 45141 Essen
michelle-keppel@uni-due.de
Prof. Dr. Sven Klimpel
Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Senckenberganlage 25, 60325 Frankfurt am Main
sven.klimpel@senckenberg.de
PD Dr. Klaus Knopf
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Müggelseedamm 310, 12587 Berlin
klaus.knopf@igb-berlin.de
Dr. Oliver Krone
Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung, P.O. Box 60113, 10252 Berlin
krone@izw-berlin.de
Christina Kuhlmann
Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland, Museum für Naturkunde, Invalidenstr. 43,
10115 Berlin, christina.kuhlmann@mfn-berlin.de
Dr. Matthias Lendner
Institut für Parasitologie, Universität Leipzig, An den Tierkliniken 35, 04103 Leipzig
matthias.lendner@vetmed.uni-leipzig.de
Prof. Dr. Harry W. Palm
Lehrstuhl für Aquakultur und Sea-Ranching, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Universität
Rostock, Justus-von-Liebig-Weg 6, 18059 Rostock
harry.palm@uni-rostock.de
Torsten Preuer
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Müggelseedamm 310, 12587 Berlin
preuer@igb-berlin.de
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Dr. Peter Renner
Umweltbundesamt, FG II 3.5 DG Bad Elster, H.-Heine-Str. 12, 08645 Bad Elster
peter.renner@uba.de
Dr. Helmut Sattmann
Naturhistorisches Museum Wien, Burgring 7, A-1010 Wien, Österreich
helmut.sattmann@NHM-Wien.AC.AT
Daniela Schrudde
Stiftung Artenschutz, Sentruperstr. 315, 48161 Münster
schrudde@stiftung-artenschutz.de
Christian Selbach
Universität Duisburg-Essen, Angewandte Zoologie / Hydrobiologie, Universitätsstr. 5, 45141 Essen
christian.selbach@uni-due.de
Prof. Dr. Bernd Sures
Universität Duisburg-Essen, Angewandte Zoologie/Hydrobiologie, 45117 Essen
bernd.sures@uni-due.de
Prof. Dr. Horst Taraschewski
Universität Karlsruhe, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Zoologisches Institut, Geb. 07.01,
Kornblumenstr. 13, 76131 Karlsruhe, horst.taraschewski@kit.de
Dr. David W. Thieltges
NIOZ Royal Netherlands Institute for Sea Research, P.O. Box 59, 1790 AB Den Burg Texel, Niederlande
david.thieltges@nioz.nl
Achim Trubiroha
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Müggelseedamm 310, 12587 Berlin
trubiroha@igb-berlin.de
Dr. Katrin Vohland
Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland, Museum für Naturkunde, Invalidenstr. 43,
10115 Berlin, katrin.vohland@mfn-berlin.de
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Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland ist ein Projekt im Rahmen von DIVERSITAS-Deutschland e.V.
(www.diversitas-deutschland.de), gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das Projekt wird
maßgeblich durchgeführt durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ in Leipzig, das Museum für Naturkunde
Berlin und die Universität Potsdam sowie die Mitglieder des DIVERSITAS-Deutschland Beirates.
Weitere Informationen und Hinweise zum NeFo-Projekt und Team unter www.biodiversity.de.
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