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Post on 30-Apr-2020
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Jahresbericht
2018
Editorial
Sehr geehrte Damen und Herren
Gemeinsam sind wir stark. Was abgedroschen klingt, hat wie viele Redewendungen einen wahren Kern. Dass die Macht der grossen Zahl etwas bewegen und verändern kann, zeigt sich jedenfalls immer wieder.
Brot für alle setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Schweizer Unternehmen ihren Beitrag zu einer gerechteren Welt leisten und auch im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards respektieren. Dieses Ziel verfolgt auch die Konzernverantwortungsinitiative, die Brot für alle zusammen mit über hundert anderen Organisationen unterstützt. Das beharrliche Engagement dieser Koalition hat im Parlament eine intensive Debatte ausgelöst und zu einem Gegenvorschlag geführt. Wie aktuell und wichtig die Thematik ist, haben Recherchen von Brot für alle zu den Geschäften von Schweizer Konzernen in Uganda und der Demokratischen Republik Kongo 2018 erneut dargelegt.
Die wachsende Skepsis gegenüber einer Wirtschaft, die nur Wachstum und Profit im Auge hat, äusserst sich aber nicht nur auf politischer Ebene. Viele Menschen
sind bereit, selbst zu handeln und neue Geschäfts, Konsum und Lebensmodelle zu wagen. Der «Tag des Wandels» im Rahmen der Ökumenischen Kampagne 2018 zeigte auf, wie vielfältig diese Ideen sind.
Wollen wir die Welt in eine gerechte und nachhaltige Zukunft führen, muss der gesellschaftliche Wandel gelingen. Er kann glücken, wenn wir Wohlstand, Zufriedenheit und Reichtum weniger materiell zu definieren beginnen. Die Verantwortung dafür liegt primär bei uns im Norden, der viel zu den globalen ökologischen und sozialen Problemen beigetragen hat, unter der die Menschheit heute leidet. Nehmen wir sie wahr. Und vertrauen wir auf die Macht der grossen Zahl.
Bernard DuPasquierGeschäftsleiter
Jeanne Pestalozzi-RacineStiftungsratspräsidentin
Die Macht der grossen Zahl
Finanzen
Betriebsertrag 2018 2017Spenden und Legate 11 208 640 12 030 737 davon Legate 598 717 1 476 505 DEZA-Programmbeitrag 6 342 916 6 291 000 Erlöse aus Lieferungen und Leistungen 321 849 681 547
Betriebsertrag 17 873 405 19 003 284
Betriebsaufwand
Programm- und Projektbeiträge – 9 092 129 – 8 744 752 Projektsekretariat und Qualitätsmanagement – 250 104 – 218 804 Information und Sensibilisierung –1 993 184 –1 876 613 Entwicklungspolitik – 2 829 863 – 2 745 231 Fundraising und Administration – 2 718 507 – 2 824 704
Betriebsaufwand –16 883 787 –16 410 104
Fonds- und ausserordentliches Ergebnis – 358 324 –1 176 391
Jahresergebnis* 631 294 1 416 789
Betriebsrechnung
Die revidierte Jahresrechnung kann unter www.brotfueralle.ch/jahresbericht heruntergeladen werden.
Sammlung / Kirchgemeinden
Privatspender/innen (inkl. Legate)
Behörden, Beiträge Mitgliedkirchen
Programmbeitrag DEZA Erlöse aus Lieferungen und Leistungen
Programm- und Projektbeiträge
Projektsekretariat und Qualitätsmanagement
Information und Sensibilisierung
Entwicklungspolitik Fundraising und Administration
Herkunft der Mittel Verwendung der Mittel 2 %
1 %12 %
17 %
54 %
35 %
23 %4 %
36 %
16 %
* Das Jahresergebnis ist dem Organisationskapital zugewiesen worden.
entscheidend ist. Das Angebot, die Initiative zurückzuziehen, gilt nur, wenn beim Gegenvorschlag nicht weitere Abstriche gemacht werden.
Um den parlamentarischen Prozess voranzutreiben, bleibt öffentlicher Druck zentral. Die Kirchen können dabei eine wichtige Rolle spielen. Mit Unterstützung von Brot für alle wurde deshalb Anfang 2018 die OnlinePlattform «Kirche für Konzernverantwortung» gegründet, die dem Verein Kirche – Wirtschaft – Ethik angeschlossen ist. Bis Ende 2018 haben sich 393 Personen, 61 kirchennahe
Ethisch Wirtschaften
Die Konzernverantwortungsinitiative hat auch 2018 für rege Diskussionen gesorgt. Überraschend deutlich hat der Nationalrat im Juni einen Gegenvorschlag angenommen. Dieser beinhaltet zwar Abstriche. Doch das Initiativkomitee, zu dem auch Brot für alle gehört, hat im Sinne eines breit abgestützten Kompromisses angekündigt, die Initiative zurückzuziehen, sollte der Gegenvorschlag angenommen werden. Denn damit stünden die Unternehmen viel schneller in der Pflicht, was für Opfer von Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen
Ein Jahr im Zeichen der Konzernverantwortung
Der Rohstoffkonzern Glencore beeinträchtigt mit seinen Minen nach wie vor die Umwelt rund um die Stadt Kolwezi: Kinder vor der Abräumhalde der Kamoto Copper Company.
Arbeiter vor einer Fabrik in Chongqing, in der die Apple Watch produziert wird.
Organisationen sowie 44 Kirchgemeinden und Pfarreien – darunter auch sechs Landeskirchen (VD, NE, LU, BEJUSO, SH, GR) – auf der Plattform öffentlich für die Initiative ausgesprochen.
Rohstoffbranche in der KritikWie wichtig eine gesetzliche Regelung wäre, stellte Brot für alle mit einer quantitativen Auswertung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen durch Schweizer Konzerne unter Beweis. Sie zeigte, dass 32 Schweizer Unternehmen in den letzten sechs Jahren in mindestens 64 Fälle verwickelt waren. Am meisten Missstände liessen sich in der Rohstoffbranche dokumentieren, gefolgt von den Banken, der Nahrungsmittelindustrie und den Bauzulieferern.
Im November 2018 veröffentlichte Brot für alle den vierten Bericht zu den Aktivitäten von Glencore in der Demokratischen Republik Kongo. Dieser deckte auf, dass der Schweizer Rohstoffkonzern mit seinen Kupfer und Kobaltminen nach wie vor Luft und Böden rund um die Stadt Kolwezi verschmutzt. Die Lage bei der Wasserversorgung und verschmutzung hat sich zwar verbessert. Trotzdem ist das Fazit klar: Glencore nimmt seine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht nur ungenügend wahr.
Verletzte ArbeitsrechteDas Gleiche gilt für LafargeHolcim. Auch zwei Jahre nach der Dokumentation eines KinderarbeitsSkandals in Uganda haben der französischschweizerische Zementkonzern und seine Zulieferer fast nichts unternommen, um den Opfern zu
helfen. Brot für alle machte dies mit VideoStatements der Betroffenen öffentlich und forderte die Firma an der Generalversammlung im Mai 2018 auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und den ehemaligen Kinderarbeitern die verpasste Schulbildung zu ermöglichen.
Auch bei der Herstellung elektronischer Geräte werden regelmässig Arbeitsrechte verletzt. So beutet der chinesische Produzent der Apple Watch 16 bis 18jährige Studierende als billige Hilfskräfte aus. Erzwungene Arbeit, 12StundenTage und Nachtschichten sind gemäss dem im November publizierten Bericht von Sacom, dem chinesischen Partner von Brot für alle, gang und gäbe, obwohl dies gegen chinesische Arbeitsgesetze und die Richtlinien von Apple verstösst. Der USKonzern hat bereits reagiert und eine interne Untersuchung der Vorwürfe angeordnet.
Recht auf Nahrung
Weniger Palmöl in den Produkten der Schweizer Grossverteiler: Dies forderten im Herbst 2017 rund 12 500 Menschen in einer von Brot für alle und Fastenopfer lancierten Petition. Denn das Pflanzenöl verursacht in den Anbauländern massive Umweltschäden und führt oft zu Landraub. Die Kampagne hatte Erfolg: Schon im Juni 2018 gab Coop bekannt, Palmöl bei Eigenmarken durch andere Öle zu ersetzen. Wo dies nicht möglich und sinnvoll ist, soll eine kleinbäuerliche Liefer
kette mit FairTrade und BioPalmöl aufgebaut und nur noch solches Palmöl verwendet werden. Aldi Suisse versprach, bis Ende 2018 alle eigenen Bioprodukte palmölfrei anzubieten und in anderen Eigenmarken Palmöl zu reduzieren.
Breite politische KoalitionPalmöl geriet 2018 auch politisch unter Druck. Eine Motion und mehrere Standesinitiativen verlangten, das Öl aus den Freihandelsabkommen mit Malaysia und
Der Einsatz gegenPalmöl zeitigt erste Erfolge
Palmöl richtet in den Anbauländern grossen Schaden an: Industrielle Plantage in Indonesien.
Indonesien auszuschliessen. Trotz einer breiten Koalition aus Bauern, Entwicklungs, Konsum und Umweltorganisationen, in der Brot für alle eine zentrale Rolle spielte, scheiterten die Vorstösse äusserst knapp im Ständerat. Dennoch gab es Fortschritte: In dem im Dezember 2018 unterzeichneten Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und Indonesien wurde der Import von Palmöl mit Nachhaltigkeitsbedingungen versehen.
In den Anbauländern von Palmöl konnte Brot für alle 2018 ebenfalls Erfolge erzielen. Im November entschied das Oberste Gericht in Sierra Leone, eine Firma aus Singapur müsse einer Dorfgemeinschaft 41 500 Hektar Land – fast die Fläche des Kantons Obwalden – zurückgeben und 250 000 Dollar zahlen. Das Unternehmen hatte auf dem Land Ölpalmen angebaut, aber die Pachtzinsen nicht gezahlt. Grain, eine Partnerorganisation von Brot für alle, hatte den Prozess angestossen, welcher der Gemeinschaft zu ihrem Recht verhalf.
Recht auf Saatgut geschütztDas gleiche Ziel – auf einer anderen Ebene – verfolgt die Deklaration zum Schutz der Rechte von Kleinbauern und bäuerinnen, die im Dezember 2018 von der UnoGeneralversammlung verabschiedet wurde. Sie schützt unter anderem ihre Rechte auf Land und Saatgut und gibt den Staaten damit Instrumente für eine Politik in die Hand, die Hunger und Armut effizient bekämpft. Die Deklaration ist ein grosser Erfolg für die auch von Brot für alle unterstützte globale Bauernbewegung La Via Campesina, die seit Jahren dafür gekämpft hat.
Die Durchsetzung dieser Rechte wird aber nicht einfach sein. Dies zeigte sich im Oktober 2018 an dem von Brot für alle mitorganisierten SaatgutTreffen in Guatemala. Erstmals kamen dort rund 50 Vertreterinnen und Vertreter indigener Völker aus neun lateinamerikanischen Ländern zusammen. Zentrale Themen waren die Privatisierung des Saatguts durch Agrarkonzerne und dessen Verunreinigung durch Gentechsorten.
Klimatrainings gehen onlineDer Hitzesommer 2018 machte erneut deutlich, dass wir uns an den Klimawandel anpassen müssen. Wie das geht, vermittelte Brot für alle seit 2008 in über 30 Klimatrainings in 23 Ländern. Mit einem eigens dafür entwickelten Instrument lernten Partnerorganisationen, Klimaanalysen durchzuführen und Anpassungs strategien zu entwickeln. Um die Informationen und Erfahrungen zu teilen, wurde 2018 eine Website lanciert (www.pacdr.net), auf der dieses «Tool» nun allen interessierten Nutzern zugänglich gemacht wird.
Erfolgreiches Instrument:Klimatraining in Benin.
Transition in der Wirtschaft
Weniger ist Mehrwert
Die Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche schreitet immer schneller voran. Sie treibt die globalisierte Wirtschaft an und versorgt sie mit jenen Stoffen, nach denen sie längst süchtig ist: massloser Konsum, maximaler Profit, materielles Wachstum.
Doch die Erde ist endlich, und so kann es kein unendliches Wachstum geben. Wollen wir unseren Kindern und Enkelkindern eine Welt hinterlassen, die ökologisch und sozial lebenswert bleibt, haben wir keine Wahl: Wir müssen eine neue Art des Wirtschaftens schaffen.
Solidarität, Gerechtigkeit, Bescheidenheit heissen die Stichworte. Mit anderen Worten: Weniger ist Mehrwert. Gefordert sind die Politik wie auch Unternehmerinnen und Konsumenten. Optimistisch stimmt, dass es nicht an Ideen mangelt, wie man das Steuer herumreissen könnte. Die folgenden Porträts belegen dies.
Nicole Bardet leitet die Alternative Bank (ABS) in Lausanne und ist Mitglied des Verwaltungsrats der Bank. Ihr Spezialgebiet ist die Beratung bei der Finanzierung von ökologischen und sozialen Unternehmen. Daneben engagiert sie sich auch für einen verantwortungsvollen Konsum beim Westschweizer Konsumentenverband FRC. Seit 2017 ist sie Mitglied des Stiftungsrates von Brot für alle.
« Eine Wirtschaft, die Mensch und Umwelt respektiert, ist möglich. Wir alle sind Akteurinnen der Wirtschaft und beein-flussen sie durch unsere Einkäufe und unsere Lebensweise. Ich setze mich dafür ein, dass Unternehmen und Verbraucher den Übergang zu einer nach- haltigen Wirtschaft schaffen können.»
Andreas Nufer ist Pfarrer an der Heiliggeistkirche in Bern. Als Co-Präsident des Vereins Kirche-Wirt-schaft-Ethik engagiert er sich für die Konzernverantwor-tungsinitiative, die von Brot für alle mitgetragen wird. Auch Veränderungen auf lokaler Ebene sind ihm wichtig: Er beherbergt zuhause das Gemüsedepot einer solidarischen Landwirtschafts-Initiative und ist Mitgrün-der des Berner Foodsave-Banketts.
« Ökonomie, Ökologie und Öku-mene gehören zusammen. Alle haben das ganze bewohnte ‹Haus› (oikos) im Blick – die ganze bewohnte Erde, die heute wie kaum je zuvor bedroht ist. Als ökumenisch denkender und fühlender Christ und Theo-loge ist es darum für mich selbstverständlich, mich für ein nachhaltiges, gerech tes Wirtschaften zu engagieren.»
« Ich kann die Armut und das Elend in meinem Land nur schwer ertragen. Denn ich bin überzeugt, dass wir alle ein Recht auf Glück, Frieden und Gerechtigkeit haben. Ich kann deshalb nicht weg-schauen: Es ist meine Pflicht, den Schwä-cheren zu ihrem Recht zu verhelfen und ihnen so ihre Würde zurückzugeben.»
Schwester Nathalie Kangaji ist Rechtsanwältin und Ordensfrau. Als Koordinatorin der juristischen Bera-tungsstelle CAJJ, einer Partnerorganisation von Brot für alle und Fastenopfer in der Demokratischen Republik Kongo, leistet sie Opfern von Menschenrechtsverlet-zungen im Umfeld der Rohstoffminen Rechtsbeistand. Daneben führt CAJJ auch Informationsanlässe und Schulungen durch.
Elke Fassbender ist Betriebswirtin und koordiniert bei Brot für alle den Bereich Marketing und Fundraising. Ihre Führungsposition hat sie mit einem neuen Organisationsmodell, das auf Eigenverantwortung setzt, selbst mit abgeschafft. Bei übergeordneten strategischen Fragen entscheidet sie jedoch weiter mit. Das neue Modell gefällt ihr, denn es betont vernetztes Denken, fördert die Zusammenarbeit und wirkt sich positiv auf das Arbeitsklima aus.
« Die Welt verändert sich immer rasanter, und Entscheide müssen schneller getroffen werden. Um auf Veränderungen flexibel reagieren zu können, haben wir ein agiles System gesucht und die ‹Bfacracy› entwickelt. Seither sind wir kreativer und warten nicht mehr, bis eine Lösung perfekt ist, sondern einfach ‹safe enough to try›.»
Brot für alle ist die Entwicklungsorganisation der Evan gelischen Kirchen der Schweiz. Wir engagieren uns im Norden wie im Süden für einen Wandel hin zu neuen Modellen der Nahrungsmittelprodukti-on und der Wirtschaft. Diese setzen auf Koope-ration zwischen den Menschen und fördern den Respekt gegenüber den natürlichen Ressour-cen. Mit Sensibilisierungsarbeit und hoffnungs-vollen Alternativen motivieren wir Menschen dazu, selber Teil des nötigen Wandels zu werden.
Brot für alleBürenstrasse 12Postfach 32703001 Bern+41 31 380 65 65www.brotfueralle.chSpendenkonto 40-984-9
Stiftungsrat: Jeanne Pestalozzi-Racine (Stiftungsratspräsidentin), Nicole Bardet, Dr. Elisabeth Bürgi Bonanomi, Dr. Angelika Hilbeck, Maja Ingold, Pierre Jacot, Daniel Reuter, Andreas Thöny, Dr. Florian Wettstein
Geschäftsleitung: Bernard DuPasquier (Geschäftsleiter), Miges Baumann, Elke Fassbender, Regula Reidhaar, Christoph Ochsenbein
ImpressumTexte und Redaktion: Lorenz Kummer, Pascale Schnyder, Stephan TschirrenLayout und Illustrationen: Karin HutterBilder: Patrik Kummer, Meinrad Schade, Shutterstock, zvgDruck: Cavelti
Brot für alle – Wir bewegen Menschen
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