katja knauthe christian deindl altersarmut von frauen ... · 3 die these, dass häusliche pflege...
Post on 18-Aug-2020
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Katja Knauthe Christian Deindl
Altersarmut von Frauen durch häusliche PflegeGutachten im Auftrag des Sozialverband Deutschland e. V.
Autor*in:
Katja Knauthe, M.A.
Studierte Soziale Arbeit und im Anschluss Social Work mit der Ausrichtung
auf Sozialpolitik und Management in Jena. Aktuell ist sie als akademische
Mitarbeiterin und Dozentin im Master-Studiengang der Sozialen Geronto-
logie an der Hochschule Zittau/Görlitz tätig. Seit 2017 promoviert sie an
der Technischen Universität Dortmund zur Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf aus einer organisations soziologischen Perspektive. Zudem begleitet
sie seit 2018 als Gastwissenschaftlerin das Projekt „Sustainable Care“ an
der University of Sheffield unter der Leitung von Prof. Sue Yeandle. Ihre
Forschungs schwerpunkte konzentrieren sich auf: Pflege, Sozialpolitik, soziale
Ungleichheit, innovative Versorgungskonzepte, sowie Feminismus- und
Geschlechterdemokratie.
Dr. Christian Deindl
Studierte Soziologie, Philosophie und Mittlere und Neuere Geschichte in Köln
und Leuven. Er promovierte in Zürich und habilitierte in Köln. Aktuell ist er als
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinische Soziologie des
Universitäts klinikums Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf tätig.
Dort arbeitet er im Projekt „Arbeitsmarktteilhabe im höheren Erwerbsalter“
und im Projekt „Integrating Information about Aging Surveys: Enhancing with
Late-Life Cognition and Dementia, End-of Life, and Life-History Data“. Zudem
ist er Teil des internationalen Projekts „IN-CARE: Inequality in Care- How are
varying care systems associated with inequalities in care and wellbeing in later
life?“ mit Kollegen*innen aus Dortmund, München, Amsterdam, Nijmegen und
London. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen: Gesundheit,
Pflege, soziale Ungleichheit, Generationensoziologie, Altern, Lebenslaufsoziolo-
gie und Sozialpolitik.
1
Inhalt
1 Kernaussagen des Gutachtens 3
2 Begriffsdefinitionen 6
3 Einleitung 9
4 Armutsgefährdung und -ursachen von Frauen und Männern im Vergleich 14
4.1 Geschlechtersunspezifische Einkommensarmut 17
4.2 Geschlechterspezifische Einkommensarmut und ihre Ursachen 21
4.3 Der Erwerbszeitfaktor als Erklärung niedriger Einkommen 23
4.4 Armut in der Nacherwerbsphase: Dimensionen eines sozialen Problems 26
4.5 Gender Gaps: Geschlechterspezifische Lohn- und Rentenlücke 30
4.6 Geschlechtereffekt vs. Unterbrechungseffekt 34
4.7 Fazit: Altersarmut ist auch wegen häuslicher Pflege weiblich 37
5 Aktuelle Fakten zu Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen 40
5.1 Was kam zuerst? Die Pflege oder die reduzierte Arbeitszeit? 44
5.2 Ist-Stand: Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in Deutschland 47
5.3 Working Carers: Berufstätige pflegende Angehörige 50
5.4 Staatliche Unterstützung bei Pflegebedürftigkeit 52
5.5 Staatliche Unterstützung für berufstätige pflegende Angehörige 56
5.6 Maßnahmen in den Unternehmen 61
5.7 Geplante staatliche Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehöriger 63
5.8 Fazit: Die Auswirkung von häuslicher Pflege auf den Beruf 68
6 Wohlfahrtsstaatskonstruktion und Ernährermodell 71
6.1 Die Abhängigkeit der Frau im Wohlfahrtsregime 76
6.2 Transaktionskostenansatz in Familien 77
6.3 Fazit: Das Prinzip der Pflegeökonomie (Care Oeconomic) 79
2
7 Schlussbetrachtung: Der lange Schatten der unbezahlten Sorgearbeit 83
8 Systematisches Literaturreview 87
9 Quellen 91
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Armutsgefährdungsquote in Deutschland nach Haushaltstyp im Jahr 2018 19
Abbildung 2: Verteilung der Privathaushalte in Deutschland nach monatl. Haushaltseinkommen 22
Abbildung 3: Teilzeitquote Frauen und Männer nach Alter in Deutschland, 2016 (in %) 33
Abbildung 4: Gender Pension Gap nach Familienstand für die alten und neuen Bundesländer 35
Abbildung 5: Anteil pflegebedürftiger Personen in Deutsch-land nach Alter und Geschlecht 42
Abbildung 6: Anteil pflegebedürftiger Personen nach Alter und Geschlecht 48
Abbildung 7: Teilzeitquote nach Alter und Geschlecht in Prozent (Deutschland, 2018) 74
Abbildung 8: (Alters-)Armut von Frauen in Deutschland 89
Abbildung 9: (Alters-)Armut pflegende Angehörige 90
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Risikogruppen nach (Alters-)Armut nach sozialstrukturellen Merkmalen 25
Tabelle 2: Unterschiede Renteneinkünfte Männer und Frauen pro Monat in Deutschland (2017) 28
Tabelle 3: Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegegrad (2019) 54
Tabelle 4: Rentenbezüge nach 15 Jahren häuslicher Pflege von 2017 bis 2031 57
Tabelle 5: Gesetze zur Pflegezeit 60
3
Die These, dass häusliche Pflege zur Altersarmut von Frauen beiträgt,
liegt zwar nahe, ist aber in der deutschsprachigen Literatur bisher nicht
hinreichend betrachtet und somit nicht umfassend beantwortet. Viele vor-
liegende Publikationen entsprechen keinen wissenschaftlichen Standards
und haben entweder einen Berichts- oder Nachrichtencharakter. Bisher
wurden nur sehr wenige Studien veröffentlicht, die sich ausschließlich
mit Armut häuslich pflegender Frauen beschäftigen. Die meisten Studien
in diesem Zusammen hang konzentrieren sich auf den Zusammenhang
zwischen Mutter schaft und Armut. Die Betreuung von pflegebedürftigen
( älteren) Angehörigen wird dabei nicht näher betrachtet. Es kann also von
einem „ weißen Fleck“ in der Forschungslandschaft gesprochen werden.
Frauen sind mit 70 % nach wie vor Hauptverantwortliche, wenn es zu einem
Pflegefall in der Familie kommt. Sie leisten durchschnittlich 21 Stunden pro
Woche unbezahlte Sorgearbeit und kombinieren diese in 65 % der Fälle
mit Berufstätigkeit. Hierbei kommt es zu den bekannten Problemen der
Vereinbar keit von Familie und Beruf, was zum einen die hohe Teilzeitquote
von Frauen belegt, und sich zum anderen in der geringen Inanspruchnahme
gesetzlicher Maßnahmen wie Pflege- und Familienpflegezeit zeigt. In der
Konsequenz kommt es zum Teil zu einem Rückzug aus dem Arbeitsleben,
mit nicht selten negativen Effekten auf das Alterseinkommen.
Eine ökonomische Bilanzierung des Lebenslaufes von Frauen zeigt Risiko-
faktoren auf, welche sie besonders anfällig für (Alters-)Armut machen. Dazu
zählen Berufswahl, Karriereweg, Mutterschaft und Eintritt eines Pflegefalls
innerhalb der Familie mit den damit verbundenen Zeiten der Erwerbsunter-
brechungen und etwaigen Wiedereinstiegen in den Beruf, Trennung oder
Scheidung sowie der Übergang in den Ruhestand.
Frauen, die Sorgearbeit leisten und dadurch ihre Erwerbsarbeit unterbrechen
oder im Stundenumfang reduzieren, werden dauerhaft finanziell benach-
teiligt. Sie zahlen entweder geringere Beiträge in das Sozialversiche rungs-
system ein oder sind nur über ihren Partner abgesichert. Sozial leistungen
gehen häufig an Haushalte, wodurch Frauen schlechter abgesichert sind,
1 Kernaussagen des Gutachtens
4
wenn der Mann der Hauptverdiener ist. Besonders in Zukunft steht zu
befürchten, dass sich für Frauen das Armutsrisiko erhöht, wenn sich traditio-
nelle Familienstrukturen und Normalarbeitsverhältnisse verändern.
Frauen verdienen deutlich weniger als Männer, was auch an ihrer Haupt-
ver antwortung für unbezahlte Sorgearbeit liegt. Dazu zählt neben der
Betreuung und Pflege von Kindern und älteren Angehörigen auch die
Hausarbeit. Frauen kombinieren häufiger Erwerbs- und Familienarbeit
miteinander und haben dadurch ein wöchentliches Gesamtarbeitsvolumen
von 46 Stunden, was über dem von Männern mit knapp 45 Stunden liegt.
Frauen bringen zudem doppelt so viel Zeit für die direkte Pflegearbeit von
Kindern und ältere Angehörige auf als Männer. Sie arbeiten damit in ihrem
Leben durchschnittlich 18 Jahre mehr als Männer. Die mangelnde finanzielle
Honorierung häuslicher Arbeit führt zu einem erhöhten Armutsrisiko für
Frauen. Eine existenzsichernde Lohnersatzleistung inklusive ihrer Anrech-
nung auf die Rentenanwartschaft besteht aktuell nicht, wird jedoch breit
diskutiert.
Bei beruflichen Unterbrechungen wegen Familienarbeit kommt es unweiger-
lich zu Lohnausfällen, die über den beruflichen Lebenslauf nicht mehr auf-
geholt werden können. Der Effekt verstärkt sich je häufiger und länger
Erwerbs unterbrechungen erfolgen. Damit werden Frauen, die ihren berufli-
chen Werdegang zugunsten der Familie zurückstellen, gegenüber vollzeit-
arbeitenden und durchgängig beschäftigten Personen mit einem geringeren
Einkommen und einer geringeren Rentenanwartschaft „bestraft“.
Die Organisation von Erwerbs- und Sorgearbeit und die damit verbun dene
wirtschaftliche Situation variiert stark zwischen den Geschlechtern.
Familien arbeit folgt immer noch einem traditionellen, konservativen Muster.
Staatliche Regelungen, wie das Ehegattensplitting oder die Grundannahme
des männlichen Ernährer-Modells, führen zu einer Orientierung an vollzeit-
lichen Normalarbeitsverhältnissen und einer Zuschreibung der privaten
Sorge arbeit an Frauen. Das erschwert weibliche Karrieremöglichkeiten und
führt zu einer finanziellen Abhängigkeit von partnerschaftlichen und/oder
staatlichen Transferzahlungen. Durch die staatlich präferierte Ausrichtung
5
auf die familiäre Pflege bleibt die öffentliche Pflegeinfrastruktur auf einem
niedrigen Niveau und fördert die Aufrechterhaltung einer ungleichen Vertei-
lung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern.
Wer in den Familien die Sorgearbeit übernimmt, wird nach einem rationa-
len Prinzip entschieden. Da es darum geht, das Familieneinkommen und
- vermögen sicherzustellen, sind es vor allem materielle Faktoren, die die
pflegeleistende Person bestimmen. Die Wahl fällt häufig auf jene Familien-
mitglieder, die ein geringes Erwerbseinkommen, einen unsicheren Arbeits-
platz und geringere Aufstiegschancen haben. Alle Aspekte treffen eher auf
Frauen als auf Männer zu, was auch in der Berufswahl von Frauen begrün-
det liegt. Ihnen wird in Folge häufig nur die Rolle der Zuverdienerin zuge-
schrieben und der Wegfall ihres Einkommens ist für das Familienbudget
nicht so gravierend, wie der Verlust des Erwerbseinkommens des Mannes.
Stärkere staatliche Anreize für eine partnerschaftliche Ressourcen- und
Arbeitsteilung könnten hier Abhilfe schaffen.
Es bedarf einer höheren Anerkennung und Wertschätzung sowie Aufwer-
tung der unbezahlten Familienarbeit, besonders dann, wenn die Erwerbs-
arbeit aufgrund von Vereinbarkeitsproblemen unterbrochen wird. Das kann
durch einen umfassenden finanziellen Ausgleich in Form einer Lohnersatz-
leistung gelingen. Die finanzielle Vergütung verbessert die benach teiligte
Einkommenssituation von Frauen und schafft gleichzeitig Anreize für Männer,
sich paritätischer an familiären Aufgaben zu beteiligen.
6
PflegeDie Pflege ist eine vielschichtige Aufgabe und beinhaltet unterschiedliche Seg-
mente. Unter den Begriff „Pflege“ fallen generell alle unterstützenden Maßnah-
men, die zur Erhaltung, Wiederherstellung oder Anpassung der physischen und
psychischen Gesundheit sowie sozialer Funktionen und Aktivitäten dienen. Die
wichtigste vorzunehmende Unterscheidung ist die zwischen formeller (professi-
oneller) und informeller (nicht professioneller) Pflege. Die professionelle Pflege
wird von speziell ausgebildetem Pflegepersonal durchgeführt und kann sowohl
ambulant als auch stationär erfolgen. Informelle Pflege findet zumeist im häus-
lichen Bereich der pflegebedürftigen Person statt. Formelle Pflege erfolgt in
einem Krankenhaus oder in einem Pflegeheim. Das ist vor allem dann der Fall,
wenn eine Versorgung in der Häuslichkeit nicht mehr sichergestellt werden
kann. Pflegerische Handlungen haben zum Ziel, die Gesundheit und das Wohl-
befinden zu erhalten oder wiederherzustellen. In dem Gutachten werden häusli-
che und informelle Pflege synonym verwendet.
SelbstpflegeBei der Form der Pflege sind Pflegende und Pflegeempfänger*innen dieselbe
Person. Erst wenn der Mensch vorrübergehend oder dauerhaft nicht mehr für
sich sorgen kann, wird die Übernahme dieser Aufgabe durch Dritte notwendig.
Formelle bzw. professionelle PflegeFormelle bzw. professionelle Pflege umfasst Servicedienstleistungen rund um
die Pflege inner- und außerhalb der häuslichen Umgebung von Menschen mit
Pflege bedarf. Die professionellen Dienstleistungen werden dann not wendig,
wenn die informelle Pflege oder die Selbstpflege nicht mehr ausreicht, um die
täglichen Pflegeerfordernisse zu erfüllen. Generell bezeichnet die formelle
Pflege die berufliche bzw. professionelle Pflege, welche von ausgebildeten
Fachkräften durchgeführt wird. Das Aufgabenspektrum ist umfangreich und
kann neben der körperlichen Pflege auch Beratung und Anleitung von Angehö-
rigen umfassen. Die außerhäusliche bzw. stationäre Pflege wird vorrangig dann
in Anspruch genommen, wenn der Pflegeaufwand allein durch die Angehörigen
nicht mehr zu bewältigen ist oder keine Angehörigen vorhanden sind, z.B. durch
Kinderlosigkeit oder große räumliche Distanz der Familienmitglieder.
2 Begriffsdefinitionen
7
Informelle bzw. häusliche PflegeUnter dem Begriff informelle Pflege ist die häusliche Pflege zu verstehen, die
durch nicht-pflegerisches Personal abgedeckt wird. Hauptleistende dieser
privaten Pflege sind nahe Angehörige, Nachbar*innen, Freund*innen und/oder
bürgerschaftlich engagierte Menschen. Die informell Pflegenden haben in der
Regel keine professionelle Pflegeausbildung und handeln nach dem Prinzip der
Subsidiarität, Gegenseitigkeit oder aus altruistischen Gründen (Nächstenliebe).
Informell pflegende AngehörigeWir definieren eine*n informell pflegende*n Angehörige*n als eine Person, die
bezahlte oder unbezahlte Assistenz und Unterstützung für eine andere Person,
die aus Gründen von Krankheit, Behinderung und/oder Alter, die Verrichtun-
gen des täglichen Lebens nicht mehr selbstständig ausführen kann (Bruhn &
Rebach, 2014: 5). Informelle Pflege beinhaltet neben der körperlichen Pflege,
die Organisation der Pflege, Hilfe im Haushalt, Fahrten zu Terminen bei Ärzt*-
innen, (Lebensmittel-)Einkäufe, das Bezahlen von Rechnungen sowie die Kom-
munikation innerhalb des Familiennetzwerkes. Aufgrund der Vielschichtigkeit der
Aufgaben identifizieren sich bis zu 75 % nicht als pflegende Angehörige (ebd.).
Care-, Sorge- und PflegearbeitFür die sorgende Arbeit existieren mehrere Begriffe, die größtenteils synonym
verwendet werden können. Je nach Fokus, werden die Begriffe unterschied-
lich eingesetzt. Sorge- und Pflegearbeit meint im Prinzip dasselbe. Lediglich die
Adressat*innen unterscheiden sich. Während Sorgearbeit universell für Kinder,
Erwachsene und alte Menschen verwendet wird, bezieht sich die Pflegearbeit
mehr auf die Unterstützung kranker, behinderter oder alter Menschen. Das Wort
„Care“ ins Deutsche übersetzt bedeutet gleichfalls „Pflege“ und meint im enge-
ren Sinn, die Bereitstellung vom dem, für die Gesundheit und das Wohlergehen
notwendig ist. Im Zentrum der Care-Arbeit stehen die Tätigkeiten der Erziehung,
Bildung, Gesundheit und Pflege. Das sind lebensnotwendige Tätigkeiten, ohne
die die Gesellschaft nicht existieren könnte (Madörin, 2010). Besonders im eng-
lischsprachigen Raum kommt der Begriff der Care-Arbeit zur Anwendung und
ersetzte den Begriff der Hausarbeit. Care-Arbeiten müssen nicht zwangsläufig
unbezahlt sein, sondern umfassen gleichfalls bezahlte Betreuungs- und Pflege-
arbeiten von Professionellen und Laien. Brückner (2004) sieht Care-Arbeit als
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die Gesamtheit familiärer Sorgearbeit, die auch Erziehungs- und Betreuungs-
aufgaben in Institutionen beinhaltet. Die Empfänger*innen der Care-Arbeit sind
größtenteils Kinder, kranke und alte Menschen, die auf die Sorge anderer ange-
wiesen sind. Damit entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis unter den Beteiligten,
welches nicht einfach aufgelöst werden kann (Winker, 2015). In dem Gutachten
werden alle drei Begriffe synonym verwendet.
ReproduktionsarbeitDer Begriff steht der Erwerbsarbeit gegenüber und meint alle unbezahlten Tätig-
keiten innerhalb der Familie. Dabei wird die Sorge nicht nur für andere über-
nommen, sondern auch für sich selbst, um die eigene Leistungsfähigkeit zu
erhalten. Die Haus- und Familienarbeit wird als Einheit materieller und psychi-
scher Erhaltung menschlicher Arbeitskraft aufgefasst (Winker, 2015.).
9
Das Bild von Frauen als Mutter und Ehefrau gehört mittlerweile der Vergangen-
heit an. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen hat sich kontinuierlich erhöht, aber
dennoch besteht eine Lohn- und Rentenlücke zwischen Männern und Frauen.
Die Emanzipation der Frau gegenüber rollenspezifischen Zuschreibungen
scheint zwar weit vorangeschritten, aber von einer echten Gleichstellung kön-
nen wir nicht sprechen. Seit Beginn der Genderforschung besteht die Annahme,
dass Frauen aufgrund unbezahlter Familien- und Sorgeverpflichtungen kein exis-
tenzsicherndes Einkommen erzielen können und von dem finanziellen Transfer
ihres Partners über ihren gesamten Lebenslauf abhängig sind. Die Umvertei-
lungsthese versucht dieses Risiko zu entkräften. Sie geht davon aus, dass alle
individuellen Einkommen, die in den Haushalt fließen, existenz sichernd aufgeteilt
werden. Da in den meisten Fällen der männliche Partner besser verdient als die
Frau, muss er für die gerechte Verteilung seines Einkommens an alle Haushalts-
angehörigen sorgen. Das scheint vor allem bei Trennungen zu Problemen zu
führen, wie die hohe Zahl an Frauen und Müttern, die Sozialhilfe oder Unterhalts-
vorschuss beziehen, zeigt. Auch im Rentenalter nehmen staatliche Transferzah-
lungen an Frauen einen höheren Stellenwert ein als für Männer.
Es liegt also nahe anzunehmen, dass Armut und Altersarmut unter bestimmten
Bedingungen ein eher weibliches als männliches Phänomen ist. Einer der wich-
tigsten Gründe dafür ist die individuelle und unentgeltliche Verantwortung für
Kinder und pflegebedürftige Angehörige, welche die konservative Wohlfahrts-
politik voraussetzt. Nach wie vor unterbrechen Frauen mit großer Wahrschein-
lichkeit ihre Erwerbstätigkeit kurz oder langfristig, um unbezahlte (Sorge-)Auf-
gaben innerhalb der Familie zu übernehmen. Nach dem Wiedereinstieg in den
Beruf müssen sie ein Erwerbsarrangement finden, welches die familiären, beruf-
lichen und eigenen Interessen vereint. Zumeist ist das nur mit einer reduzierten
Wochenarbeitszeit möglich. Diesem Modell der traditionellen Aufteilung von
Erwerbs- und Fürsorgearbeit konnten sich die meisten Frauen und Männer
bisher nicht entziehen. Die Übernahme häuslich pflegerischer Tätigkeiten folgt
einer kulturell-symbolischen Ordnung der Geschlechterverhältnisse und einem
gesellschaftlich normativen Erwartungsdruck, dem insbesondere Frauen aus-
gesetzt sind ( Betzelt, 2018: 167). Damit wird das Ausbalancieren von Familie,
Pflege und Beruf zu einem entscheidenden Konzept für Frauen, welche junge,
alte oder kranke Angehörige betreuen. Wie sich im Gutachten zeigen wird, ist
3 Einleitung
10
die Wahl des klassischen modernisierten Versorgermodells, in welchem der
Mann Vollzeit und die Frau Teilzeit arbeiten geht, eine ungünstige Variante. Teil-
zeitarbeit birgt erhebliche ökonomische und berufliche Nachteile, die sich vor
allem auf das Einkommen im höheren Alter auswirken. Im Kontext der gender-
spezifischen Armutsforschung heißt das, dass mit der Sorge für Andere, der
eigene Lebensunterhalt nachhaltig gefährdet wird (Winker, 2015: 56f).
Besonders die Phase der Familiengründung und des Renteneintrittes können
aus einer Lebenslaufperspektive als ökonomisch instabil eingestuft werden
(Giesselmann & Vandecasteele, 2018: 70f). Besonders die erste Phase geht
mit einem erhöhtem Armutsrisiko einher, wenn die Frau traditionellen Mustern
folgend, sich aus der Erwerbsarbeit zurückzieht. Die Lebenslaufperspektive
ermöglicht eine Identifikation biografischer und geschlechtlicher Armutsmuster.
Zu den biografischen Episoden zählt die Erwerbstätigkeit und in ihr vor kom-
mende Unregel mäßigkeiten wie atypische Beschäftigungsverhältnisse oder
Unterbrechungen. Zu den geschlechterspezifischen Mustern lassen sich
demo grafisch individuelle Ereignisse, wie Trennung oder Scheidung, rechnen
(BMAS, 2017; Brettschneider & Klammer, 2016; Leisering, 1995). Der Weg-
fall des vollerwerbs tätigen Partners und damit seines Einkommens führt zu
einem „Zurück geworfen sein“ auf das eigene Einkommen. Im Falle einer gerin-
gen ökonomischen Eigenständigkeit kann hieraus eine gewisse materielle Not
resultieren. Aufhol effekte hängen maß geblich von der Erwerbsbeteiligung, der
im Haushalt lebenden Kinder, dem Bildungs stand sowie weiterer Erwerbsunter-
brechungen ab.
Das Gutachten bietet einen Überblick zu zentralen Einflussfaktoren auf weib -
liche Altersarmut. Neben der am Einkommen gemessenen Armut wird ein
mehr di men sionaler Blick auf typische Lebensverläufe von Frauen gerichtet.
Hauptanliegen ist die Untersuchung der Fragestellung, ob die häusliche Pflege
von abhängigen Familienmitgliedern ein erhöhtes Risiko für Altersarmut birgt.
Da es in Deutschland (und anderenorts) zu Zweidrittel Frauen sind (u.a. DAK,
2018), die diese Aufgaben übernehmen, kommt der Gruppe eine besondere
Beachtung zu. Die Faktoren „Geschlecht“, „Pflege“ und „Armut“ werden aus
diesen Gründen in dem Gutachten summiert aufgegriffen und miteinander ver-
bunden. Da die Phase der Erwerbstätigkeit maßgeblich für die Bezüge im Alter,
11
in Form von Renten ansprüchen verantwortlich ist, sind hier auftretende Unregel-
mäßigkeiten durch die Versorgung von Familienmitgliedern besonders relevant.
Per forierte Erwerbsbiografien können, ohne eine entsprechende private oder
staatliche Absicherung, zur „Armutsfalle“ im Alter werden. Das käme einer
Bestrafung aktiv Sorgeleistender gleich und kann eine (schwerwiegende)
Beeinträchtigung des finanziellen Status im Ruhestand mit sich bringen. In dem
Zusammenhang wird der Vereinbar keits faktor von Familie, Pflege und Beruf
zu einem zentralen Mechanismus, welcher die materielle Einkommenslage im
Lebenslauf direkt beeinflusst.
Der spezifische Zusammenhang von weiblicher Altersarmut durch häusliche
Pflege ist in der deutschsprachigen Literatur nur unzureichend abgebildet. Auf
dem Gebiet gibt es bisher nur sehr marginale Forschungen und die meisten
Aussagen sind thesenartig, die noch statistisch quantifiziert werden müssen.
Auch fehlen Diskurse in der Öffentlichkeit, die das Armutsrisiko von pflegenden
Angehörigen konkret thematisieren. Das vorliegende Gutachten macht sich zur
Aufgabe, die Zusammenhänge von Geschlecht, Pflege und Einkommen auf
mögliche finanzielle Nachteile im Rentenalter hin zu untersuchen. Dazu werden
drei große Themenkomplexe bearbeitet und miteinander verbunden.
Als erstes erfolgt eine vergleichende Analyse der Armutsursachen von Männern
und Frauen. Erwartungsgemäß zeigte sich, dass männliche und weibliche
Lebens läufe sehr unterschiedlich sind und sich daraus jeweils eigene Risiken
für Armut ergeben. Als Untersuchungsindikatoren wurden klassische Mess-
instrumente für Armut und die Unterschiede zwischen Frauen und Männern
gewählt. Für eine kritische Auseinandersetzung der Einflussfaktoren auf (Alters-)
Armut erfolgte eine Betrachtung von Geschlechter- und Unterbrechungs effekten
im Erwerbsverlauf. Es ließ sich ablesen, dass Sorgeverantwortung und durch
sie bedingte Unterbrechungen um ein Vielfaches stärker auf das (Alters-)Ein-
kommen wirken, als geschlechterbedingte Besonderheiten. Da aber Frauen
häufiger Familienarbeit übernehmen als Männer, sind finanzielle Auswirkungen
hauptsächlich auf ihrer Seite festzustellen.
Der zweite Teil stellt einen aktuellen Bericht über die Situation berufstätiger
pflegen der Angehöriger (working carers) dar. Das schließt ihre Merkmale, die
besondere Verantwortung ihrer freiwilligen Tätigkeit und entstehende Heraus-
12
forderungen ein. Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf gilt dabei als
besonderer Schwerpunkt. Mit ihr werden staatliche Förderungsmöglichkeiten
erläutert, bewertet und auf ihre Wirksamkeit hin analysiert. Das Fazit konstatiert
Zusammenhänge der häuslichen Pflege auf die Berufstätigkeit und das
Einkommen.
Im dritten Teil erfolgt ein metatheoretischer Blick auf den deutschen Wohlfahrts-
staat und die Folgen seiner konservativen Ausrichtung. Beschrieben werden
sowohl die Abhängigkeitsstrukturen der Frau vom männlichen Ernährer, als
auch die rationalen Entscheidungskonzepte, welche Frauen und Männer in der
klassische Familiensubsidiarität halten. Das Kapitel schließt mit einem Überblick
zu modernen Handlungsansätzen wie der Care Ökonomie, die klassischen
Rollen konzepten entgegenlaufen. Aus dieser lassen sich Handlungs strategien
ableiten, die aber ein modernes Verständnis von Wohlfahrtsstaatlichkeit,
familiärer Pflege und Geschlechtertypologien voraussetzen.
13
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat das wissenschaftliche
Gut achten mit dem Schwerpunkt „Altersarmut von Frauen durch häusliche
Pflege“ im Juli 2019 in Auftrag gegeben. Ziele des Gutachtens sind:
Theorien zu den Armutsursachen und Armutsrisiken von Frauen darzustel-
len und zu diskutieren. Darunter fallen spezifische Strukturen der Erwerbs-
arbeit und -beteiligung, das Erwerbseinkommen sowie Einkommen aus
staatlichen Transferleistungen ebenso wie (klassische) häusliche Arbeits-
teilung im Bereich der Erziehung und Pflege.
Erscheinungsformen weiblicher Armut aufzuzeigen und mit ihnen materi-
elle Notlagen, die sich über den Lebenslauf ergeben. Dabei soll die häus-
liche Pflege in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt werden, um
mögliche einflussnehmende Effekte auf Armut im Alter aufzudecken.
Für die Bearbeitung des Gutachtens standen 12 Wochen zur Verfügung.
Basierend auf einem systematischen Literaturreview wurden wissenschaft-
liche Publikationen, Studien, Berichte sowie aktuelle Daten aus der sozial-
und genderwissenschaftlichen (Armuts-)Forschung ausgewertet.
Das Gutachten wurde von Katja Knauthe (M.A.) erstellt, die an der Techni-
schen Universität Dortmund zu Vereinbarkeitstheorien von Pflege und
Beruf promoviert. Dr. Christian Deindl, der am Institut für medizinische
Soziologie des Universitätsklinikum Düsseldorf forscht, hat sie bei der
Erstellung des Gutachtens unterstützt. Herausgeber ist der Sozialverband
Deutschland (SoVD).
14
Kernaussagen Zur Definition von geschlechtsspezifischer Armut und ihren Ursachen
wird der sozialwissenschaftliche Lebenslageansatz verwendet. Das multi-
dimensionale Konzept erklärt Armut auf Grundlage von Lebensformen und
-phasen sowie sozialdemografischen und sozialräumlichen Merkmalen.
In Deutschland lebt jeder 12. Haushalt von weniger als 900 Euro im
Monat und somit unter der Armutsgefährdungsquote. Alleinerziehende
sind am stärksten von Armut betroffen. In neun von zehn Fällen sind das
Frauen. Häusliche und pflegerische Aufgaben sind im formellen wie infor-
mellen Bereich weiterhin frauendominiert. Das führt im erwerbs fähigen
Alter zu wenig oder keinem Einkommen aus beruflicher Tätigkeit.
Die Auswirkungen lassen sich am Alterseinkommen von Frauen ablesen,
die hier im Vergleich zu Männern besonders häufig arm sind.
Das Prinzip des männlichen Ernährers ist ungebrochen. Frauen tragen
aufgrund ihrer unstetigen Erwerbsbiografien weniger zum Haushaltsein-
kommen bei und befinden sich mehrheitlich in Teilzeitarbeit. Nur 1,2 %
der Paare mit Kindern in Deutschland gehen paritätisch einer Vollzeit-
beschäftigung nach. Gründe für die konservative Arbeitsteilung sind
familiäre Verpflichtungen, Pflegeübernahme und altersbedingten
Arbeitszeitanpassungen.
Für die Altersarmut von Frauen sind (familienbedingte) Unterbrechun-
gen der beruflichen Tätigkeit ausschlaggebender als existierende
Geschlechter effekte, wie Lohnungleichheit oder Zugangsbarrieren in
manchen Berufszweigen oder Laufbahnen. Je häufiger und länger
Unterbrechungen in der Erwerbsbiografie stattfinden, desto drastischer
sind die Auswirkungen auf das Alterseinkommen.
Es gibt Lebensereignisse und -episoden, die ein höheres soziales Risiko-
potenzial bergen als andere. Zu ihnen gehören lange Zeiten der Ausbildung,
Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung bzw. Trennung sowie familiäre Sorge-
arbeit mit einhergehender Reduktion der Erwerbsarbeit. Damit lässt sich gleich
zu Beginn feststellen, dass Personen, deren Einkommen sich im Lebenslauf
durch die benannten Faktoren schmälert, wahrscheinlich auch im Alter von
Armut bedroht sein werden. Mit anderen Worten droht Altersarmut jenen, die
4 Armutsgefährdung und -ursachen von Frauen und Männern im Vergleich
15
bereits im Erwerbsalter von Armut betroffen sind (Leisering, 1995: 65ff; Lewicki
& Wigger, 2013: 462ff). Das sind vorrangig Geringverdienende, Arbeitslose,
Alleinerziehende und nicht berufstätige Frauen und Männer (BMAS, 2017;
Brettschneider & Klammer, 2016). Mangelnde Bildung sowie ein fehlender
oder erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt sind hier wiederrum als Ursachen
anzuführen.
Armut bezeichnet allgemein einen wirtschaftlichen Mangel, durch den es nicht
möglich ist, ein angemessenes Leben zu führen. Das ist dann der Fall, wenn
das physische Existenzminimum unterschritten wird und eine Versorgung mit
notwendigen Gütern (Nahrung, Wasser, Kleidung, Wohnen) durch materielle
Not nicht gedeckt werden kann (Dittmann & Goebel, 2018: 22). In Deutschland
liegt das durchschnittliche Wohlstandsniveau über dem physischen Existenz-
minimum, weshalb der Begriff relative Armut verwendet wird. Die relative Armut
bestimmt die Armut zum jeweiligen Umfeld eines Menschen und wird gemes-
sen am Durchschnitt des Nettoäquivalenzeinkommens, welches nach Haus-
haltsgröße gewichtet ist. Im Gegensatz zur eingangs beschriebenen absoluten
Armut, die sich auf den grundlegenden Lebensunterhalt bezieht, beruht die rela-
tive Armut auf der Vorstellung sozialer Ungleichheit (ebd.; Deutscher Bundes-
tag, 2016a). Die relative Armut wird verwendet, um den Schwellenwert zur
Armutsgefährdung zu definieren. Dieser liegt bei 60 % des Medians der Haus-
haltsnettoeinkommen der Gesamtbevölkerung in Privathaushalten. Das heißt,
als armutsgefährdet gelten Personen, deren Netto-Äquivalenzeinkommen den
Schwellenwert von 60 % des Median-Äquivalenzeinkommens im Vergleich zur
Mehrheit unterschreitet (Stat. Bundesamt, 2018c).
Mit Identifikation der Armutsgrenze lässt sich bestimmen, wie viele Personen
einer Bevölkerung arm bzw. nicht arm sind. Quantitative Messungen von
Armut ergaben für Deutschland eine Armutsgefährdungsquote von 15,5 %
(Stand 2018). 2005 lag die Quote noch bei 14,7 %, was einen Anstieg von
knapp 10 % bedeutet. Einen großen Unterschied zwischen Männern und
Frauen lässt sich anhand der Armutsgefährdungsquote nicht ablesen. Frauen
liegen mit 16 % Prozentpunkten einen Punkt über den Männern (ebd.). Diese
Durchschnittsbetrachtung verbirgt jedoch das tatsächliche Armutsrisiko von
Frauen, da sie im Haushaltskontext nicht individuell sichtbar sind. Der Median
16
des Haushaltseinkommens, an welchem sich die Armutsgefährdungsquote
nach Geschlecht orientiert, misst sich an der Einkommensposition des jewei-
ligen Haushaltsmitgliedes (Nettoäquivalenzeinkommen). Bei der Bestimmung
des mittleren Haushaltseinkommens erhält aber jedes Mitglied die gleiche Ein-
kommensposition. In Paar- oder Familienhaushalten kann dadurch nicht sichtbar
gemacht werden, wie die Inanspruchnahme von Sozialleistungen ausfällt und
ob persönliche Abhängigkeiten vorliegen. In Haushalten, in denen mindes tens
eine Person erwerbstätig ist, fällt durch die Anrechnung des Einkommens der
Bezug von Sozialleistungen geringer aus als bei Single- und Allein erziehenden-
haushalte. Genau genommen können nur die beiden letztgenannten in der
Armutsgefährdungsquote nach Geschlecht unterschiedenen werden (WSI,
2017a).
Es wird deutlich, dass die Armutsquote allein noch nichts über die Lebens wirk-
lichkeit der betroffenen Menschen aussagt. Um ein umfängliches Verständ-
nis von Armut zu entwickeln, ist nicht nur das absolute und relative Konzept
aus schlag gebend, sondern gleichfalls der Weg in die Armut ( Dittmann &
Goebel, 2018). Hierbei unterscheiden sich direkte und indirekte Zugänge.
Die Einkommensarmut ist ein indirektes Konzept und lässt sich z.B. über die
Armutsgefährdungsquote quantifizieren. Hingegen versuchen direkte Zugänge
die vorliegende Lebenssituation von Menschen zu erfassen und im Hinblick
auf Armut zu untersuchen. Der Zusammenschluss der Konzepte öffnet den
Blick auf die Multidimensionalität von Armut. Das heißt, dass dem physischen
Existenz minimum ein soziales gegenübergestellt wird ( Leisering, 1995; Weisser,
1978). Letztes ist immer vom Wohlstandsniveau und den Wohlstandsvorstel-
lungen einer Gesellschaft abhängig. Daraus ergibt sich das Problem der Ein-
und Abgrenzung von Variablen, welche Armut beeinflussen. Dennoch spricht
vieles für eine mehrdimensionale Betrachtungsweise, da allein materielle
Bestimmungs faktoren für einen Ursachen-Wirkungs-Zusammenhang von Armut
zu kurz greifen. Der Exklusionsansatz (Dittmann & Goebel, 2018: 29f) macht
das besonders deutlich. Demnach bestimmt zum einen die materielle Aus-
stattung einer Person ihre Teilhabemöglichkeiten an der Gesellschaft und zum
anderen die Verwirklichung sozialer Rechte. Hierunter fallen Chancen gleichheit,
faire Arbeitsbedingungen oder gesellschaftliche Partizipation. Im vorliegenden
Gutachten wird sich hauptsächlich auf die quantitativ messbare Armut gestützt,
17
um valide Aussagen treffen zu können. Um aber die Auswirkungen des sozia-
len Geschlechts (Gender) auf Einkommen, Erwerbsarbeitszeiten, unbezahlte
Arbeit und dem Niveau der sozialen Sicherung zu erklären, wird der sozial-
wissenschaftliche Lebenslagenansatz verwendet, der für die Gender-Analyse
von Armut besonders zentral ist (Bäcker, 1995; Betzelt, 2018; Giesselmann
& Vandecasteele, 2018; Leisering, 1995). Neben der Erfassung materieller
Ressourcen werden ebenfalls nicht-materielle, objektive und subjektive Dimen-
sionen beachtet, die vorrangig gruppenspezifische Phänomene erläutern. Der
multi dimensionale Ansatz erlaubt es, „die Betroffenheit von Armut unter Frauen
je nach Lebensform, -phase und weiteren soziodemografischen und sozial-
räumlichen Merkmalen zu differenzieren“ (Betzelt, 2018: 167).
4.1 Geschlechtersunspezifische EinkommensarmutInsgesamt waren in Deutschland im Jahr 2017 19 % der Menschen (entspricht
15,5 Millionen) von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Der EU-Durch-
schnitt lag bei 22,5 %, womit Deutschland etwas besser abschnitt als das Mit-
telfeld. Armut oder soziale Ausgrenzung ist nach EU-SILC (European Union
Statistics on Income and Living Conditions) dann gegeben, wenn eines oder
mehrere der nachfolgenden Kriterien zutreffen (u.a. Stat. Bundesamt, 2019a):
(1) Einkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze
(2) Haushalt erheblich von materieller Entbehrung betroffen
(3) Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung
Der Schwellenwert der Armutsgefährdung liegt wie beschrieben dann vor, wenn
eine Person über weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbe-
völkerung verfügt. Das mittlere Einkommen bei Vollzeit lag 2018 bei 3.880 Euro
brutto monatlich (Stat. Bundesamt, 2018d). Betrachtet man alle Arbeitsverhält-
nisse zusammen, also auch diejenigen in Teilzeit- und Minijobs, ergibt sich
ein Monatsbrutto von 2.948 Euro. Der durchschnittliche Nettolohn aller
Arbeitnehmer*innen belief sich 2018 auf 1.945 Euro (ebd.).
Laut Statistischem Bundesamt (2018c, 2019a) liegt der Schwellenwert für
Armuts gefährdung in Deutschland bei 1.035 Euro und bei zwei Erwachsenen
mit zwei Kindern bei 2.174 Euro monatlich. An dieser unteren Grenze leben
gut 16 % der Menschen und sie werden als „Niedrigeinkommensbezieher*in
18
nen“ bezeichnet (WSI, 2017a). Damit ist jede sechste Person armutsgefährdet.
Erhebliche materielle Entbehrungen müssen 3,4 % der Haushalte hinnehmen,
was bedeutet, dass es für die Personen nicht möglich ist z.B. für anfallende
Rechnungen aufzukommen oder ihre Wohnung ausreichend energietechnisch
mit Strom und Wärme zu versorgen. Ebenfalls können sie sich keine einwö-
chige Urlaubsreise im Jahr leisten. 8,7 % der Personen leben in Haushalten mit
einer sehr geringen Erwerbsbeteiligung von unter 20 % gegenüber dem Vollzeit-
äquivalent (BMF, 2018). Das macht den Bezug von Grundsicherung wahrschein-
lich. Von insgesamt rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland lebt ca. jeder
12 Haushalt (8 %) von weniger als 900 Euro netto monatlich (Stat. Bundesamt,
2018c, 2019a).
Je nach Haushaltstyp unterscheidet sich die Armutsgefährdungsquote. Sin-
gle-Haushalte leben häufiger in Armut als Paar-Haushalte. Alleinerziehenden-
Haushalte sind dabei am stärksten armutsgefährdet. In neun von zehn Fami-
lien ist die Mutter der alleinerziehende Elternteil (BMAS, 2017; BMFSFJ, 2012;
Brettschneider & Klammer, 2016; WSI, 2015). Somit ergibt sich ein spezifisches
Armutsrisiko für alleinerziehende Frauen, da sie durch die Vereinbarkeitsproble-
matik vergleichsweise ungünstigere Erwerbschancen haben, nicht auf partner-
schaftliche Unterstützung zurückgreifen können und die Versorgung von Kin-
dern einen höheren finanziellen Bedarf erfordert (Betzelt, 2018). Das dürfte sich
mit zunehmender Kinderzahl verstärken.
19
Abbildung 1: Armutsgefährdungsquote in Deutschland nach Haushaltstyp im Jahr 2018
Quelle: Stat. Bundesamt, 2018c
Einen weiteren Hinweis auf die von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen
Frauen und Männer stellt der AROPE-Indikator („at risk of poverty or social
exclusion“) bereit. Der Indikator berücksichtigt Armut als ein mehrdimensionales
Phänomen. Zu den gefährdeten Personen zählt, wer:
a) relativ einkommensarm ist oder
b) die Grundbedürfnisse des Haushaltes aus finanzieller Sicht nicht mehr
decken kann oder
c) in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung lebt.
Da eine Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung bereits dann vorliegt, wenn in
einem der Bereiche eine Mangelsituation festgestellt wird, ist die Quote von
AROPE höher als bei der relativen Einkommensarmut. Demnach sind EU-weit
20
47 % der Männer und 53 % der Frauen von Armut oder sozialer Ausgren zung
betroffen. In Deutschland misst der AROPE-Indikator einen Anteil von 20,3 %
Frauen und 17,6 % Männer an der Gesamtbevölkerung (Stat. Bundes amt,
2018c; Stat. Bundesamt, 2019a). In den verschiedenen Altersgruppen unter-
scheidet sich dieser Wert kaum.
Einen merklichen Unterschied nach Altersgruppen liegt bei den Empfängerin-
nen und Empfänger von Transferleistungen vor. Am Jahresende 2017 erhielten
insgesamt 7,6 Millionen Menschen in Deutschland staatlich gewährte Geld- und
Sachleistungen, um ihren grundlegenden Lebensunterhalt zu bestreiten (BMAS,
2017). Dazu zählen aus dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) das Arbeits-
losengeld II („Harz IV“) und das Sozialgeld. Hinzukommen Leistungen aus
dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Form von Hilfe zum Lebensunter-
halt außerhalb und innerhalb von Einrichtungen, Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung („Sozialhilfe“) sowie Regelleistungen nach dem Asylbe-
werberleistungsgesetz. Frauen beziehen etwas seltener Sozialhilfe als Männer.
Das liegt jedoch nicht an einem geringeren Bedarf begründet, sondern daran,
dass die Geldleistung nur gewährt wird, wenn eine Person nicht erwerbsfähig
ist, keine Rente bezieht oder kein anderes Familienmitglied für den Bedarf auf-
kommen kann (ebd.; Stat. Bundesamt, 2018c, 2019a). Frauen sind häufiger über
ihre berufstätigen Männer abgesichert, was den geringeren Sozialhilfebezug
nach Geschlecht erklärt. Der Bezug von Grundsicherung im Alter ist ein wichti-
ger Indikator für Altersarmut. Wer diese Leistung bezieht, kann seinen notwen-
digen Lebensunterhalt allein durch die Renteneinkünfte nicht bestreiten. Mit
Stand vom Dezember 2017 (Stat. Bundesamt, 2018a, 2018c) waren unter den
Empfänger*innen von Grundsicherung im Alter 227.665 Männer (41,8 %) und
316.425 Frauen (58,2 %). Somit sind es vor allem Frauen ab einem Alter von 65
Jahren, die ihr soziokulturelles Existenzminimum ohne die Sozialleistung nicht
decken könnten. Wegen der diskontinuierlichen Berufsverläufe westdeutscher
Frauen, liegt die Inanspruchnahme über der von ostdeutschen Frauen (u.a. WSI,
2017b).
21
4.2 Geschlechterspezifische Einkommensarmut und ihre UrsachenFamilienstand, Kinderzahl und der Umfang der Erwerbsarbeit verbunden mit
einem entsprechenden Einkommen wirken sich auf die sozioökonomischen
Lebenslagen von Männern und Frauen aus. Besonders in Deutschland ist
die Logik des Erwerbssystems eng mit dem sozialen Sicherungs system ver-
schränkt. Veränderungen in der Erwerbsbiografie wirken nachhaltig auf die
Einkommens- und Lebensverhältnisse im erwerbsfähigen Alter sowie in der
Nacherwerbs phase. Ein „Lebensweg“ aus der und in die Armut markiert in
Deutschland nach wie vor die Teilhabe oder Nicht-Teilhabe am Arbeitsmarkt
(Brettschneider & Klammer, 2016: 328). Eine biografische und strukturelle
Analyse (prekärer) Einkommenslagen im erwerbsfähigen Alter lässt einen
Rückschluss auf Determinanten der Armut im nicht-erwerbsfähigen Alter zu.
In fast allen hochentwickelten Ländern verdienen Frauen trotz signifikanter Ver-
besserungen in den letzten Jahrzehnten immer noch weniger als Männer, sind
in Führungspositionen oft unterrepräsentiert und ihre Karriere entwickelt sich
langsamer (u.a. BMFSFJ, 20116; Boll et al., 2016; IAB, 2015; Destatis, 2018;
WSI, 2016). Aus den divergenten Erwerbsverläufen können unterschiedlich
hohe Rentenansprüche entstehen. Ein Schlüsselanliegen bei der Analyse
geschlechterspezifischer Armut ist daher die Auswirkung atypischer Erwerbs-
verläufe im Lebenslauf von Frauen herauszufiltern, die in Verbindung mit einem
einhergehenden Qualifikationsverlust und verlorene Verdienstmöglichkeiten ent-
stehen. Eine wichtige Frage in dem Zusammenhang ist, wie sich beabsichtigte
familiäre Sorgearbeit auf die Art der Berufswahl auswirkt. Das erfordert ein Ver-
ständnis für die Dynamik der Entscheidungen von Frauen und der Interaktion
zwischen der Familienplanung, Karriereentscheidung und Arbeitszeitmodellen.
Der Einkommensunterschied zwischen Mann und Frau wird deutlich, wenn die
Verteilung der Privathaushalte nach monatlichen Haushaltsnettoeinkommen,
Geschlecht und Hauptverdiener*in aufgezeigt wird. Zu den Privathaushalten
zählen per Definition alle in einer wirtschaftlichen Einheit lebenden Personen
sowie alleinlebende Personen.
22
Abbildung 2: Verteilung der Privathaushalte in Deutschland nach monatl. Haushaltseinkommen
Quelle: Stat. Bundesamt, 2018c
Wie zu sehen ist, sind in allen Haushalten, unabhängig vom Nettoeinkommen,
die Männer überproportional häufig Hauptverdienende. Dabei steigt dieser
Anteil kontinuierlich mit der Höhe der Einkünfte. Während in der niedrigsten
Einkommens stufe Männer und Frauen fast gleich viel zum Haushalteinkommen
beitragen, ist der Unterschied bei dem im Schnitt häufigsten Einkommen
(3.200-4.500 Euro) mit 78 % männlichen und nur noch 22 % weiblichen Haupt-
verdienenden sehr deutlich. In der höchsten Einkommensklasse ab 6.000 Euro
pro Haushalt, bringen sich 84 % der Männer und 16 % der Frauen als Hauptver-
dienende ein.
Das geschlechtsspezifische Ungleichgewicht finanzieller Ressourcen im Lebens-
lauf ergibt sich aus den kombinierten Effekten von atypischen Lebensverläu-
fen. Dazu zählen unterbrochene Beschäftigungsverhältnisse und Zeiten der
Pflege genauso, wie die Tatsache, dass sich deutsche Rentenzahlungen an
23
einem kontinuierlichen und vollzeitlichen Arbeitsleben orientieren (Bäcker, 1995;
Brettschneider & Klammer, 2016; WSI, 2015). Unterschiede in den individuellen
finanziellen Möglichkeiten treffen im negativen Sinne vorrangig Frauen und
bestärken die Vermutung, dass Frauen im Vergleich zu Männern häufiger mit
Armut konfrontiert werden. Ein solches Risiko kann für Frauen aufgrund ihrer
durchschnittlich höheren Lebenserwartung über einen längeren Zeitraum
bestehen und Effekte auf ihr Alterseinkommen haben.
4.3 Der Erwerbszeitfaktor als Erklärung niedriger EinkommenDie Erwerbsverläufe von Männern und Frauen können auf ihre Merkmale hin
geclustert und ausgewertet werden. Eine umfangreiche Analyse mit multivaria-
ten Befunden veröffentlichten Eichhorst et al. 2019 im Auftrag der Bertelsmann
Stiftung. Sie betrachtete neben dem „Normalerwerbsverlauf“, die „turbulente
Voll- und Teilzeitarbeit“, die „Nichterwerbstätigkeit“ und die „turbulente mar-
ginale Erwerbstätigkeit“. Einen „normalen“ Erwerbsverlauf in Vollzeit wiesen
dabei überdurchschnittlich viele Männer auf. In den anderen Beschäftigungs-
verhältnissen, die als atypisch bezeichnet werden, fanden sich insbesondere
Frauen. Sie zählen besonders häufig zu der Gruppe, die keiner Erwerbstätig-
keit nachgehen und vorrangig mit ihren vollzeitarbeitenden Partnern, die das
Einkommen der Familie bestreiten, zusammenleben ( Eichhorst et al., 2019).
Im Cluster der marginal Erwerbstätigen finden sich viele Frauen mit einem
Zuverdienerinnenstatus. Auch hier ist der Mann vollzeiterwerbstätig, während
die häufig gering qualifizierten Frauen das Haushalts einkommen ergänzen
(ebd.: 2019: 49). Darin bestätigt sich wiederrum das traditionelle Modell des
männlichen Ernährers sowie der „statistische Teufelskreis“ für Frauen, welcher
aus Arbeitsunterbrechung, Teilzeitarbeit und geringeren beruflichen Perspekti-
ven besteht, was Frauen wiederrum auf die Familienarbeit fixiert, da sie für sich
selbst weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehen.
Die Ergebnisse der Studie zu atypischen Erwerbsverläufen spiegeln sich auch
anderorts wider. Destatis veröffentlichte 2018 Zahlen zur Kernerwerbstätigkeit
in den unterschiedlichen Erwerbsformen nach soziodemografischen Merk malen.
Auf Basis des Mikrozensus lässt sich ablesen, dass sich von den abhängigen
Beschäftigten gut 7,5 Millionen in atypischen Arbeitsverhältnissen befanden.
Davon gingen knapp 4 Millionen Frauen und 700.000 Männer einer Teilzeit-
24
arbeit nach. Die Unterschiede zwischen Ost und West sind dabei beträchtlich.
Während in Westdeutschland insgesamt 4,2 Millionen Männer und Frauen in
Teilzeit erwerbstätig waren, waren es in Ostdeutschland nur 491.000 ( Destatis,
2018). Ebenfalls ergab sich ein Unterschied der Teilzeitbeschäftigten nach
Alters klasse. Von den 25-45-Jährigen gingen 1,75 Millionen Männer und Frauen
nicht in Vollzeit arbeiten. In der Altersgruppe der 45-65-Jährigen waren es mit
knapp 2,8 Millionen weitaus mehr (ebd.). Während die erste Altersspanne, die
Phase der Familiengründung markiert und sich daraus die reduzierten Arbeits-
zeit modelle ableiten lassen, ist es in der zweiten Altersspanne eine Mischung
aus verschiedenen Komponenten, die zu einer (anhaltenden) Teilzeitarbeit
führen:
Verbleib in Teilzeit aufgrund familiärer Verpflichtungen (Zuverdiener*inmodell),
Reduzierung der Arbeitszeit aufgrund der Pflegeübernahme für ältere
Angehörige,
Altersbedingte Arbeitszeitanpassungen (u.a. Eichhorst et al., 2019),
Rückkehr auf Vollzeit nicht möglich (jetzt gibt es zwar das Gesetz, davon
profitieren aber nicht alle).
Für non-lineare Beschäftigungsverläufe lassen sich also statistische Signifikan-
zen abbilden. Wichtig ist, dass dabei nicht nur das Geschlecht und die damit
zusammenhängende Fertilität eine Rolle spielt, sondern auch die Haushalts-
konstellation und der Erwerbsstatus des Partners bzw. der Partnerin, die Region
(Ost- oder Westdeutschland), das Vorhandensein eines Migrationshintergrun-
des und das Qualifikationsniveau (BMFSFJ, 2011; Destatis, 2018; IAB, 2015;
OECD, 2017). Dennoch fällt auf, dass das Geschlecht besonders in der Zeit der
Familiengründung ein wichtiger Grund für die unterschiedlichen Erwerbsverläufe
von Mann und Frau darstellt. Männer haben überwiegend und nach wie vor die
Position des Vollzeitbeschäftigten und Familienernährers inne. Frauen erwirt-
schaften einen weitaus kleineren Teil des Familieneinkommens, da sie nach der
Geburt des ersten Kindes eher Teilzeitbeschäftigungen mit kürzeren Arbeits-
zeiten wählen (BMFSFJ, 2013; OECD, 2017: 49ff; WSI, 2015). Gerade einmal
bei 1,2 % der Paare mit Kindern in Deutschland gehen beide einer Vollzeitarbeit
nach. Das ist im EU weiten Vergleich einer der geringsten Werte. Hingegen fällt
der Anteil der „eineinhalbverdiener Familien“ mit knapp 39 % maßgeblich höher
25
aus, gefolgt von 24 % der Paarfamilien, in denen nur der Mann das Haushalts-
einkommen erwirtschaftet und die Frau erwerbslos ist (ebd.: 56). Familienorien-
tierte Frauen gelten somit als eine prädestinierte Risikogruppe für Altersarmut.
Armut ist aber keine alleinige Frage des Geschlechtes oder des Alters, sondern
ein Aggregat aus sozialen Merkmalen und dem Verlauf der Erwerbsphase. Die
wichtigsten Faktoren und maßgeblichen Einflussvariablen auf Armut sind nach-
stehend aufgelistet.
Tabelle 1: Risikogruppen nach (Alters-)Armut nach sozialstrukturellen Merkmalen
Erwerbsbiografie Bildungsbiografie Familienbiografie
Langzeitarbeitslosigkeitfehlender
Schulabschluss
kinderbedingte
Auszeiten
langer Niedrigverdienstfehlender
BerufsabschlussAngehörigenpflege
lange geringfüge
Beschäftigungkeine Weiterbildungen Scheidung/Trennung
früher Renteneintritt Dequalifizierung Alleinerziehung
Verwittwung
Quelle: Brettschneider und Klammer, 2016
Mit Blick auf die Personengruppen, welche arm oder sozial ausgegrenzt sind,
stellt das European Institute for Gender Equality (Europäisches Institut für
Gleich stellung der Geschlechter) Risikobereiche nach ökonomischer Aktivität
und Geschlecht heraus (EIGE, 2016). Zu den ökonomisch aktiven Frauen und
Männern zählen jene die in Voll- und Teilzeit arbeiten oder gerade arbeits-
suchend sind. Zu den ökonomisch inaktiven Personen zählen Studierende,
Ruhe ständler*innen, Erwerbsunfähige sowie Frauen und Männer, die unbe-
zahlte Haushalts- und Pflegetätigkeit erbringen. Unter der Gruppe der „Akti-
ven“ und dennoch von Armut bedrohten, befanden sich 40 % Frauen und
60 % Männer. In der Gruppe der „Inaktiven“ war das Verhältnis genau umge-
kehrt. Unter den aktiven Frauen sind es die Arbeitssuchenden mit 24 % und
die Teilzeitarbeiten den mit 11 %, die ein besonders hohes Risiko haben arm zu
sein. Am meisten von Armut bedroht sind jedoch die Frauen, die entweder im
26
Rentenalter sind oder einer unbezahlten Haushalts- bzw. Pflegetätigkeit nachge-
hen. Beide „inaktiven“ Tätigkeiten wiesen mit 20 % die höchste Quote auf (EIGE,
2016: 43). Besonders in der Haus- und Pflegearbeit lässt sich ein signifikanter
Unterschied in der Armutsgefährdung zwischen Männern und Frauen ablesen.
Lediglich 1 % der Männer waren hierdurch von Armut bedroht. Damit sind laut
dem European Institute for Gender Equality zwei wesentliche Risikofaktoren
für Frauen ermittelt, die Altersarmut und soziale Ausgrenzung begünstigen:
häusliche und pflege rische Verantwortung („domestic and care responsibility“)
sowie die Nacherwerbsphase („retired“).
4.4 Armut in der Nacherwerbsphase: Dimensionen eines sozialen ProblemsIm November 2012 legte der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie ein Gutachten zum Thema „Altersarmut“ vor.
Der Bericht schlussfolgert: „Altersarmut ist derzeit, von speziellen Gruppen
abgesehen, kein drängendes Problem“ (BMWi, 2012: 19). Das Gutachten zeigte
u.a., dass derzeit die Armutsgefährdungsquote älterer Menschen unter jener für
die Gesamtbevölkerung liegt. Gleiches bildet sich im 5. Armuts- und Reichtums-
bericht von 2017 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ab. Alters-
armut wird hier auch als ein Ergebnis äußerer Umstände gewertet, die teilweise
nur schwer beeinflussbar sind (BMAS, 2017: 489ff). Besonders bedroht von
Armut seien aber in der Zukunft vorrangig geringqualifizierte Menschen und
Menschen mit Migrationshintergrund (ebd.).
Die Einkünfte im Rentenalter werden immer im Verhältnis zu den Einkommen
der Erwerbstätigen bewertet und sind an diese gekoppelt. Im Grund gedanken
des Rentenversicherungssystems führt eine Erhöhung der Löhne zu einer
Erhöhung der Rentenzahlung, um die Partizipation von Rentnerinnen und
Rentnern an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung zu gewährleisten
(Faik & Köhler-Rama, 2013). Die eigentliche Höhe der Altersrente ist abhän-
gig von der individuellen Entgeltposition, Arbeitszeit und Arbeitsdauer während
der Versicherungs biografie. Somit sind vorrangig individuelle Eigenschaften
als Armutsrisiko auszumachen (ebd.). Das heißt, dass das Eintreten von Alters-
armut dann wahrscheinlich wird, wenn es den Menschen im erwerbsfähigen
Alter zukünftig nicht gelingt, die Folgen der Rentenniveauabsenkung und die
27
Anhebung der Regelaltersgrenze durch private Vorsorge und die Verlängerung
der Arbeitszeit zu kompensieren.
Ab einem Alter von 65 Jahren können Männer erwarten, dass sie durchschnitt-
lich noch weitere 14 Jahre leben und Frauen weitere 19 Jahre. Der Gesamtan-
teil, den Männer ihres Lebens in Rente verbringen, beläuft sich auf 18 % und
bei Frauen auf 23 %, wenn man von der aktuellen Lebenserwartung von Män-
nern mit 79 Jahren und von Frauen mit 84 Jahren ausgeht (Stat. Bundesamt,
2019b). Das Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bildet mit
63 % für die 65-Jähringen und Älteren in Deutschland die Haupteinnahmequelle
im Alter (BMAS, 2018; Stat. Bundesamt, 2018d). Der jährliche Bericht der Bun-
desregierung über die Renteneinkünfte weist die Bezüge von Rentnerinnen und
Rentner sondiert aus. Im Jahr 2017 erhielten Männer einen monatlichen Renten-
zahlbetrag von 1.070 Euro und Frauen von 685 Euro. Die Werte stellen einen im
Durchschnitt gebildeten Betrag für Gesamtdeutschland dar. Differenziert nach
Ost und West erhalten Männer aus den neuen Bundesländern 1.129 Euro Rente
und aus den alten Bundesländern 1.057 Euro. Einen monatlichen Betrag in
einer durchschnittlichen Höhe von 902 Euro erhielten Frauen aus Ostdeutsch-
land und 633 Euro Frauen aus Westdeutschland. Maßgeblich verantwortlich für
diese unterschiedlichen Altersbezüge ist der differierende Erwerbsverlauf von
Frauen in Ost und West (BMAS, 2018: 17f). Die nachfolgende Übersicht stellt
die unterschiedlichen Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung
zwischen Männern und Frauen sowie im Ost-West-Vergleich dar.
28
Tabelle 2: Unterschiede Renteneinkünfte Männer und Frauen pro Monat in Deutschland (2017)
Ø Männer Ø Frauen Ø Männer Ø Frauen
Ost West Ost West
Einzelrente 1.070 € 685 € 1.129 € 1.057 € 902 € 633 €
Geschlechter-
differenz
minus 385 €
(Frauen ges.)
minus 72 €
(Männer West)
minus 269 €
(Frauen West)
minus 227 €
(ggü. Männer Ost)
minus 424 €
(ggü. Männer West)
Mehrfachrente 1.460 € 1.318 € 1.640 € 1.379 € 1.603 € 1.237 €
Differenz
gegenüber Ein-
zelrente
+ 390 € + 633 € + 511 € + 322 € + 701 € + 604 €
Geschlechter-
differenz
minus 142 €
(Frauen ges.)
minus 261 €
(Männer West)
minus 366 €
(Frauen West)
minus 37 €
(ggü. Männern Ost)
minus 142 €
(ggü. Männern West)
Quelle: BMAS, 2018
Legt man den Durchschnittswert der Einkünfte aus der gesetzlichen Einzel-
rente zugrunde, erhalten Frauen 22 % weniger Rente als Männer. Dieses
Ergeb nis allein sagt aber noch nichts über eine mögliche Altersarmut von
Frauen aus. Weitere Faktoren müssen in die Betrachtung aufgenommen wer-
den. Zum Beispiel erhöhen sich die monatlichen Renteneinkünfte von Frauen
(und von Männern), wenn ein Mehrfachrentenbezug vorliegt. Hierfür werden
neben der Versichertenrente alle weiteren Einkommen kumuliert. Für Frauen
spielt aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung die Hinterbliebenenrente eine
entscheidende Rolle. 86,5 % der Frauen in Deutschland sind „Mehrfachrente-
rinnen“ (ebd.: 18). Die Bezüge von Mehrfachrentner*innen belaufen sich durch-
schnittlich auf 1.389 Euro monatlich und liegen damit rund 512 Euro über der
29
dem Bezug einer Einzelrente. Aber nicht nur die höhere Lebenserwartung
ist ausschlaggebend für den Bezug der Hinterbliebenenrente, sondern auch
das generelle Renteneinkommen, welches auf die Zusatzrente angerechnet
wird (ebd.).
Betrachtet man die Rente nicht wie dargestellt individuell nach Geschlecht,
sondern im Haushaltskontext, ergibt sich ein anderes Bild. Dann wird bei der
Angabe der Rentenhöhe von Männern und Frauen der Gedanke der Solidar-
gemeinschaft mitberücksichtigt. Die Betrachtung des Haushaltsäquivalenz-
einkommens und nicht nur des Individualeinkommens erscheint „fair“, da in
einem Verbund wie der Familie von einem gemeinsamen Wirtschaften aus zu-
gehen ist. Das Familieneinkommen, sowie die zusätzlichen privaten Absiche-
rungen, sind Ergebnisse partnerschaftlicher Entscheidungen, so Faik und Köhler
(2012: 324). Mit der Prämisse der familiären Solidarität wird begründet, dass die
haushaltsbezogene Rentenlücke gegenüber der individuellen Rente wesent-
lich günstiger ausfällt (ebd.; BMFSFJ, 2011). Zwar weisen viele Gesichtspunkte
darauf hin, dass besonders ältere Menschen, und unter ihnen vorrangig Frauen,
durch geringe Renten von Altersarmut betroffen sind, ihr Alterseinkommen ver-
bessert sich jedoch, wenn man das des im Haushalt lebenden Partners (sofern
dieser vorhanden) mit einbezieht. Dazu zählen sowohl die Rentenansprüche
aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Anspruch auf Witwenrente.
Eine Addition der Werte für die jeweiligen Einzelrenten von Männern und Frauen
als auch die Betrachtung der Mehrfachrenten in der oben angeführten Tabelle
bestätigt die These.
Die Rente ist nach wie vor die wichtigste Altersversorgung in Deutschland.
Jedoch führt der Rückgang des Sicherungsniveaus (vor Steuer) dazu, dass
sich der Lebensstandard des Erwerbslebens im Alter für die Mehrheit nicht
fortführen lässt. Besonders für Frauen soll es zu einer weiteren Verringerung
der Renten einkünfte kommen. Hochrechnungen zeigen, dass bis zu 75 % der
heute 35-50-jährigen Frauen eine gesetzliche Rente unter dem Harz IV-Niveau
beziehen werden (Boll, 2016). Wenngleich das modernisierte Rentensystem
zunehmend die Vielfalt der weiblichen Muster bezahlter und unbezahlter Arbeit
(an)erkennt, z.B. durch die Berücksichtigung von Betreuungszeiten bei der
Berechnung der staatlichen Rente, zeigen sich weiterhin Nachteile für Frauen,
30
die längere Zeit ihres Lebens mit der Betreuung von Kindern oder hilfebedürfti-
gen Erwachsenen innerhalb und außerhalb des Haushalts verbracht haben. Die
Verringerung diesbezüglicher Nachteile wäre besonders wichtig, da es aktuell
keine staatlich finanzierbare Alternative zur familiäre Sorgearbeit gibt und nicht
auf sie verzichtet werden kann.
4.5 Gender Gaps: Geschlechterspezifische Lohn- und RentenlückeLaut Gender Pay Gap und Gender Pension Gap haben Frauen im Erwerbs-
verlauf sowie im Alter erhebliche Einkommensunterschiede im Vergleich zu
Männern. Beide Gaps werden gern zur Abbildung dieses Unterschiedes heran-
gezogen. Jedoch wird den Indikatoren vorgeworfen, dass die durchschnittlich
höheren Löhne von Männern gegenüber Frauen kein Gerechtigkeitsdefizit per
se bedeuten, sondern sich durch Drittvariablen wie Ausbildung, Berufserfahrung
und Berufsunterbrechung erklären ließen (BMFSFJ, 2009; BMFSFJ, 2016; Boll
et al., 2016; Faik & Köhler-Rama, 2012). Damit seien sie nicht objektiv messbar.
Während der Gender Pay Gap die Einkommensverläufe in der aktiven Erwerbs-
phase subsumiert, fasst der Gender Pension Gap die Einkünfte in der passiven
Nacherwerbsphase zusammen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine
Lohnlücke gleichzeitig zu einer Rentenlücke von Frauen führt. Die Berichte zur
Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern in Deutschland des Bundes-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ, 2009, 2018)
bestätigen einen unbereinigten Gender Pay Gap, also einen Verdienstunter-
schied zwischen Männern und Frauen von 21 %. Der durchschnittliche Gender
Pay Gap auf EU-Ebene liegt bei 16,3 % (Eurostat, 2019). Hauptursachen für
den Gender Pay Gap sind:
Rollenstereotype bei Arbeitsbewertungen,
sektorale Ungleichbezahlung bestimmter Berufsbranchen, verbunden mit
geschlechter-stereotyper Berufsorientierung bzw. -beratung,
verminderte Aufstiegschancen von Frauen durch eine horizontale und ver-
tikale Segregation (Ungleichverteilung von Männern und Frauen auf ver-
schiedenen Hierarchieebenen sowie Ungleichverteilung in verschiedenen
beruflichen Branchen),
geringer Stundenlohn,
31
geringere wöchentliche Arbeitszeit in bezahlten Beschäftigungsverhältnissen
und geringere Erwerbstätigenquote (z.B. bei Unterbrechung der Karriere zur
Betreuung von Kindern und Verwandten).
Bei der Aufzählung handelt es sich um strukturelle Unterschiede, die in etwa
Zweidrittel des Gender Pay Gap erklären. Das andere Drittel entspricht dem
bereinigten Gender Pay Gap, also einem unterschiedlichen Bruttostunden-
lohn zwischen Mann und Frau, für den keine statistische Erklärung vorliegt. Der
geschlechterspezifische Gesamteinkommensunterschied ist eine kombinierte
Wirkung aus drei wesentlichen Faktoren (Boll & Lagemann, 2018):
(1) dem durchschnittlichen Stundenverdienst,
(2) den durchschnittlich bezahlten Arbeitsstunden pro Monat und
(3) dem durchschnittlichen Verdienst von Frauen im erwerbsfähigen Alter im
Vergleich zu Männern.
Gender Lifetime Earnings Gap: Geschlechterlücke im LebenserwerbseinkommenNeben dem Gender Pay Gap kann zusätzlich der Gender Lifetime Earnings
Gap (GLEG) für eine präzisere Aussage berufsspezifischer Lohnunterschiede
von Männern und Frauen herangezogen werden. Hierbei wird das akkumulierte
Einkommen ab dem Erwerbseinstieg und dem letzten Beobachtungsjahr einer
Person nach mindestens 30 Jahren Erwerbsspanne definiert (Boll et al., 2016;
Boll, Jahn & Lagemann, 2017). Um die Lohneffekte genauer berechnen zu
können, wird sich zum einen an typischen Erwerbsmustern orientiert und zum
anderen werden Geschlechter-, Berufs- und Unterbrechungseffekte mit ein be-
zogen (ebd.). Die Lebenseinkommensdifferenz von Frauen gegenüber Männern
liegt nach den Berechnungen des GLEG unbereinigt bei 49,8 %. Mit steigendem
Alter wächst auch der Lohnabstand, was auf ein im Zeitverlauf geändertes
Erwerbsmuster zurückzuführen ist (BMFSFJ, 2009: 11). Für Frauen sind
familien be dingte Erwerbsunterbrechung statistisch gesehen sehr wahrschein-
lich. Bereits eine Unterbrechung im Karriereverlauf einer Frau kann sich negativ
auf ihr Einkommensprofil bis ins höhere Alter auswirken. Die damit zusammen-
hängende kontinuierlich steigende Einkommenslücke im Lebenslauf von Frauen
ist mitverantwortlich für eine Einkommensungleichheit im Renten alter (Boll et al.,
32
2016; Boll, Jahn & Lagemann, 2017; BMFSFJ, 2012). Die Unstetig keiten durch
z.B. familienbedingte Auszeiten werden auch als Patchwork-Biografien bezeich-
net, da sie unterbrochen, diskontinuierlich oder perforiert sind (Stat. Bundesamt,
2018a: 338). Durch die Erwerbsunterbrechungen und -reduzierungen aus fami-
liären Gründen, müssen Frauen wesentlich häufiger als Männern Lohneinbußen
(„wage cut“) hinnehmen (BMFSFJ, 2009: 17).
Dreiviertel des unbereinigten Gender Lifetime Earnings Gaps lassen sich wie
der Gender Pay Gap statistisch erklären. Empirisch sind ebenso die Erwerbs-
unterbrechungen und der niedrige Beschäftigungsumfang von großer Relevanz
(BMFSFJ, 2009; Boll, Jahn & Lagemann, 2017). Zudem pausieren Frauen in
frauendominierten Berufen früher, häufiger und länger. Das bestätigt die These,
dass Frauen vermehrt solche Berufe wählen, in welchen sich familienbedingte
Pausen leicht bzw. leichter umsetzen lassen (Beblo & Wolf, 2002; Begall & Mills,
2013; ebd.: 13). Darüber hinaus zeigt eine EU-weite Erhebung, dass der Anteil
von Müttern unter den Frauen in Führungspositionen deutschlandweit lediglich
rund 43 % ausmacht. Mit diesem Wert belegt Deutschland den letzten Platz im
europäischen Vergleich (BMFSFJ, 2009: 15). Familiäre Aufgaben wirken sich
somit nachweislich negativ auf die Karrieremöglichkeiten und Einkünfte von
Frauen aus.
Gender Time Gap: Geschlechterlücke bei der ArbeitszeitErgebnisse aus dem WSI GenderDatenPortal weisen aus, dass Frauen im
Wochen durchschnitt neun Stunden weniger bezahlte Erwerbsarbeit leisten als
Männer. Das entspricht einem Gender Time Gap von 23 % (WSI, 2015, 2016).
Zudem arbeitet jede zweite Frau unter dem Vollzeitniveau und Mütter weisen
eine Teilzeitquote von 70 % auf, die von Vätern hingegen beträgt nur 6 % (ebd.).
Würde man zu den erwerbsmäßigen Arbeitsstunden die unbezahlte Haus-,
Sorge- und Pflegarbeit addieren, ergäben sich andere Werte. Frauen würden
hier im Vergleich zu Männern 18 Jahre mehr arbeiten (BMFSFJ, 2017: 95).
Durchschnittlich entfallen auf Frauen wöchentlich 16 Stunden Erwerbsarbeit und
ca. 30 Stunden Haus- und Familienarbeit. Somit leisten Frauen ein Gesamt-
arbeits volumen von rund 46 Stunden wöchentlich. Männer hingegen arbeiten
eine Stunde weniger, wobei sie von ihrem Gesamtarbeitsvolumen 19 Stunden
für unbezahlte Arbeit verwenden (ebd.). Die Befunde zur überwiegenden Teil-
33
zeitarbeit von Frauen bestätigt das WSI GenderDatenPortal, basierend auf
Daten des Mikrozensus, in einer Längsschnittbetrachtung von 1991 bis 2003.
Die Vollzeiterwerbsquote zeigt einen stetigen Rückgang von Frauen in Beschäf-
tigungsverhältnissen von 36 Wochenstunden und mehr (WSI, 2016). Der Anteil
sank im Beobachtungszeitraum um 20 %. Die Teilzeitquoten von Frauen
unter scheiden sich deutlich gegenüber denen der Männer. Ab einem Alter
von ca. 28 Jahren steigt diese merklich und erreicht bei Frauen im Alter von
ca. 40 Jahren ihren Höhepunkt, bevor sie leicht zurückgeht, um ab einem Alter
von 58 Jahren abermals anzusteigen.
Abbildung 3: Teilzeitquote Frauen und Männer nach Alter in Deutschland, 2016 (in %)
Quelle: WSI, 2016
Die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen bzw. behinderten Ange-
hörigen gaben 26 % der befragten Frauen als wesentlichen Grund für ihre
Teilzeit beschäftigung an. Männer nannten diesen Grund mit nur 3 %. Sie verrin-
gerten ihre Arbeitszeit hauptsächlich zu Weiterbildungszwecken oder weil sie
keine Vollzeitstelle finden konnten (IAB, 2015: 24ff). Generell ist festzuhalten,
dass die Teilzeitquote von Müttern mit sehr jungen Kindern bei über 70 % liegt
(ebd.; WSI, 2015). Bei Frauen ohne Kinder ist sie nur halb so hoch. Damit ist
Elternschaft in Deutschland für die Mehrheit von Frauen ein entscheidender
Grund die Erwerbsarbeit zu reduzieren.
34
Berufsunterbrechungen sowie Kürzungen der Arbeitszeit führen zwangsläufig
zu einem nachhaltig negativen Einkommenseffekt. Auch der Verlust von Weiter-
bildungsmöglichkeiten spielt eine Rolle. Kumuliert man die Effekte, kann das
einen Bildungsnachteil für Frauen bedeuten, der sich über den Lebenslauf fort-
setzt. So ergab eine Auswertung des IAB (2015) das rund 26 % beschäftigter
Arbeitnehmerinnen aus persönlichen und familiären Verpflichtungen keine Voll-
zeitbeschäftigung aufnehmen. Darunter zählten vorrangig die Frauen, in deren
Haushalt keine Kinder mehr lebten und die einen eher geringen Bildungs-
abschluss hatten und einen Mann in Vollzeitbeschäftigung. Die Gruppe derer,
die ihre Berufstätigkeit aus Gründen der Betreuung von Kindern oder pflege-
bedürftigen Angehörigen reduzierten, wurde mit 25,5 % gesondert ausgewiesen.
4.6 Geschlechtereffekt vs. UnterbrechungseffektDer Unterbrechungseffekt ist wie gezeigt im Umfang für eine mögliche (Alters-)
Armut weitaus bedeutsamer als der Geschlechtereffekt (Beblo & Wolf, 2002:
92; BMFSFJ, 2016: 17). Zu den Unterbrechungen zählen alle Phasen der Aus-
zeit und Teilzeit. Die Lohneinkommenslücke erhöht sich ab der zweiten Unter-
brechung der Berufstätigkeit gegenüber jenen Personen, die weiterhin einer
Vollzeitbeschäftigung nachgehen, merklich. Ein Rechenbeispiel aus der Studie
von Boll et al. (2016: 105) plausibilisiert das. Unterbricht z.B. eine Akademikerin
ihre berufliche Laufbahn zweimal, entsteht ein Einkommensnachteil gegenüber
gleichgebildeten Männern in Vollzeit in Höhe von ca. 170.000 Euro und gegen-
über gleichgebildeten Frauen in Höhe von ca. 528.000 Euro. Der Aufholeffekt
nach Wiedereinstieg ist nach wenigen und kurzen Unterbrechungen am höchs-
ten. Es fallen negative Einkommenseffekte also weniger dramatisch aus, wenn
die Frauen einen frühen beruflichen Wiedereinstieg wählen und mit dem Arbeit-
geber während der Auszeit in Verbindung bleiben (Beblo & Wolf, 2002; BMFSFJ,
2013). Generell kann sich jedoch gegen die Empfehlung verwehrt werden, dass
Frauen in männerdominierte Berufe aufrücken sollten, um mehr Einkommen
zu generieren. Denn es hat sich gezeigt, dass Frauen in sozialpflegerischen
Berufen mehr Einkommen erzielen als in männerdominierten gewerblichen
Berufen, wenn sie von einer Unterbrechung ihrer Vollzeitbeschäftigung absehen
35
(Boll et al., 2016). All diese Effekte spiegeln sich in den Renteneinkünften von
Frauen wider.
Je nach Familienstand fällt der Gender Pension Gap, die Rentenlücke zwischen
Männern und Frauen, unterschiedlich hoch aus. Aus der nachstehenden Grafik
ist abzulesen, dass verheiratete und verwitwete Frauen eine höhere Renten-
lücke aufweisen, als geschiedene oder ledige Frauen. Das liegt vorrangig an
dem hohen Niveau eigener Sicherungsleistungen (BMFSFJ, 2011).
Abbildung 4: Gender Pension Gap nach Familienstand für die alten und neuen Bundesländer
Quelle: BMFSFJ, 2011: 15
Die Unterschiede im Gender Pension Gap sind zwischen Ost und West beträcht-
lich, was wiederrum auf die unterschiedlichen Erwerbsverläufe zurückzu führen
ist. Frauen mit Kindern in Westdeutschland haben längere Arbeits unter-
brechungen und arbeiten nach dem Wiedereinstieg in den Beruf vermehrt in
Teilzeit, wohingegen Frauen in Ostdeutschland kürzere Zeiten mit ihren Kindern
zu Hause verbringen und nach der Elternzeit häufig mehr Wochenstunden als
ihre Kolleginnen in Westdeutschland arbeiten (Boll et al., 2016; IAB, 2015). Das
zeigt auch der Gender Pay Gap mit Kindern und ohne Kinder. In den alten
Bundes ländern beträgt er bei verheirateten Frauen mit Kindern 69,9 % und in
36
den neuen Bundesländern 39,6 % (BMFSFJ, 2011: 20). Damit bestätigt auch
diese Analyse den kausalen Zusammenhang zwischen Fertilität und Karriere
oder einen Konflikt zwischen Familie und Beruf. Präferenzen für familienbe-
dingte Unterbrechungen ist neben den bekannten Arbeitsmarkt strukturen eine
konservative Wertehaltung, welche erwerbstätige Mütter insbesondere in West-
deutschland als „Rabenmütter“ stigmatisiert (OECD, 2017: 64).
Durch Erwerbsunterbrechungen bzw. -reduzierungen ergeben sich nicht nur
Ein kommensnachteile während der Familienphase, sondern auch Auswirkun-
gen auf das Alterssicherungseinkommen. Frauen haben in der Regel brüchige
Erwerbsbiografien und scheiden mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens ein-
mal aus dem Arbeitsmarkt aus, um unbezahlte Familienarbeit zu übernehmen
(OECD, 2017). Solche Erwerbspausen verringern wie gezeigt die Renten an-
sprüche und privates Spar- und Vorsorgepotenzial von Frauen. Im Fall einer
Scheidung/Trennung oder durch den Tod des Partners erhöht sich das Armuts-
risiko im Alter abermals, da eine wichtige Einkommensquelle wegfällt. In Studien
werden derartige Einkommensunterschiede hauptsächlich auf familienbedingte
Unterbrechungen durch Geburten zurückgeführt und weniger auf Auszeiten
wegen pflegebedürftigen Kindern oder älteren Angehörigen.
Eine mögliche (Alters-)Armut bei Frauen lässt sich aber nicht ausschließlich
aus dem Einkommensverlauf schlussfolgern, sondern ist eine Summe aus
Entscheidungen im gesamten Erwerbs- und Familienleben (ebd.: 320; BMFSFJ,
2012: 88). Das geringere Erwerbseinkommen von Frauen speist sich demnach
nicht ausschließlich aus einer unterschiedlichen Entlohnung bei gleicher Arbeit,
sondern aus freiwilligen und einvernehmlichen partnerschaftlichen Entschei-
dungen im Familienalltag (Beblo & Wolf, 2002; Boll et al., 2016; Vlachantoni,
2012). Der Entschluss, eine Ehe einzugehen oder nicht, Kinder zu bekommen
oder kinderlos zu bleiben und sich aufgrund eines persönlichen intensiven
Betreuungswunsches von Kindern und älteren Angehörigen gegen eine Vollzeit-
beschäftigung zu entscheiden, sind grundsätzlich individuell und freiwillig.
Jedoch ergeben sich durch familienbedingte Auszeiten und Hausarbeitstätig-
keit sowie Arbeitslosigkeit negative Lohneffekte über den Lebenslauf. Anders
ausgedrückt: Einer der wichtigsten Faktoren für ungleiche Rentenbezüge im
Alter von Männern und Frauen sind kurz- und langfristige Effekte familien be-
37
dingter Erwerbsunterbrechungen. Weiter zu berücksichtigen ist, dass Frauen in
bestimmten Berufszweigen schlechtere Zugangschancen aufweisen oder ihnen
Aufstiegsmöglichkeiten verwehrt bleiben. Auch wechseln Frauen häufiger als
Männer von Voll- in Teilzeit, wenn dieser Schritt mit mehr zeitlicher Flexi bilität
verbunden ist oder in schlechter bezahlte Berufe, sobald Sorgearbeit für ein
Familienmitglied anfällt (Beblo & Wolf, 2002: 84; Begall & Mills, 2013; IAB, 2015).
Damit tauschen Frauen ihr Einkommen gegen eine bessere Vereinbarkeit von
Familie und Beruf.
Faik & Köhler-Rama (2012: 321) konstatieren dazu: „Wenn am Ende eines weib-
lichen Erwerbslebens geringe eigenständige Alterseinkommen zubuche stehen,
ist dies keine Folge von Unfairness, sondern von gemeinsam gewünschten
Entscheidungen im Lebenslauf.“ Ob man diesen Prozess jedoch als komplett
freiwillig betrachten kann, ist zu bezweifeln. Er unterliegt vielmehr einem
Abwägen innerhalb der familiären (Einkommens-)Konstellation, welche für den
wirtschaftlichen Fortbestand der Gesamtfamilie notwendig ist. Zudem ist eine
nicht-flächendeckende Kinderbetreuung genauso zu bemängeln wie die (Fehl-)
Anreize durch das Ehegattensplitting oder die Aufteilung der Elternzeit. Grund-
sätzlich ist ein statistischer Zusammenhang zwischen Familiengründung und
dem Bestehenbleiben unterschiedlicher Verdienstanteile über den gesamten
Erwerbsverlauf zwischen den Geschlechtern anzunehmen.
4.7 Fazit: Altersarmut ist auch wegen häuslicher Pflege weiblichTraditionelle Erwerbs- und Arbeitszeitmuster sind in Deutschland nach wie vor
verbreitet. Eine Verhaltensänderung bei klassischen Erwerbsmodellen könnten
zu einem Wandel der sozialen Norm führen, ist aber hierzulande noch nicht aus-
reichend gefördert bzw. von Familien umgesetzt. Das bringt finanzielle Risiken
über den Lebenslauf in Form von „Lohnstrafen“. Die Höhe der finanziellen Ein-
bußen hängt von dem Zeitpunkt, der Dauer und Ausgestaltung des Erwerbsaus-
bzw. Wiedereintritts ab. Während einer sechsmonatigen Auszeit schmälert sich
der Lohn bereits dauerhaft um 9 %. Bei zwölf Monaten sind es bereits 15 %
(BMFSFJ, 2009: 19ff; Boll et al., 2016; OECD, 2017). Erziehungszeiten wegen
minderjähriger Kinder oder Pflegezeiten, die über einen längeren, als den
gesetzlich angeregten Zeitraum hinausgehen, führen zu einem unaufholbaren
Einkommensunterschied im Vergleich zu Personen, die keine Sorgearbeit über-
38
nehmen (Boll et al., 2016: 115ff.). Demnach wird der negative Kurvenverlauf bei
zusätzlich pflegebedingten Auszeiten im Erwerbslebenslauf noch größer. Das
zeigt u.a. eine kontinuierlich steigende Einkommenslücke über das Alter an, die
ihren Höhepunkt im 50. Lebensjahr erreicht (ebd.). Familienbedingte Aus- und
Teilzeiten sind damit nicht lohnneutral, sondern tragen ganz im Gegenteil zu
beträchtlichen Einkommensverlusten bei. Der Unterbrechungseffekt führt, über
den Lebenslauf betrachtet, zu weitaus höheren finanziellen Verlusten als der
Geschlechtereffekt, da hier logischerweise kein bzw. nur sehr wenig Einkom-
men bezogen werden kann.
Es konnte grundlegend gezeigt werden, dass sich die meisten beruflichen
Unterbrechungen bzw. Arbeitszeitverkürzungen im Kontext der familiären Sorge-
arbeit ergeben. Im Falle der EU-weiten Studie durch das European Institute for
Gender Equality (2016) wird die unbezahlte Haus- und Familienarbeit sogar als
eine der zentralen Faktoren für (Alters-)Armut herausgestellt. Familiäre Sorge
ist damit eine entscheidende Determinante für einseitige Einkommensnachteile
von Frauen, was konsequenterweise negative Effekte auf das Alterseinkommen
hat. Je höher das Alter und die Berufserfahrung, desto drastischer wirken sich
Unterbrechungen der Erwerbsarbeit auf den Lebenslauf aus. Das hängt damit
zusammen, dass in einem höheren Erwerbsalter, das vergleichsweise meiste
Einkommen generiert wird und somit auch höhere Einkommensausfälle zu
verzeichnen sind. Durch institutionell ungünstige Rahmenbedingungen werden
die Nachteile weiterbefördert. So forciert das Ehegattensplitting die Allein-
verdienerehe, großzügige Elternzeit- und Elterngeldregelungen1 regen indirekt
zu längeren beruflichen Pausen an und unflexible Beschäftigungsverhältnisse
behindern die Vereinbarkeit von Familie bzw. Pflege und Beruf. Die Kumulation
der Ursachen-Wirkung-Prinzipien in und durch familiäre Sorge- und Pflege-
settings kann sich zu einer Armutsspirale insbesondere für Frauen entwickeln.
1 Mit Einführung des Elterngeld Plus 2015 kann der Elterngeldanspruch verlängert werden, wenn
der betreffende Elternteil neben der Kinderbetreuung einer Teilzeitarbeit nachgeht. Indirekt soll
damit ein früherer Wiedereinstieg von Müttern in den Beruf gefördert werden und für Väter soll
es den Anreiz bieten, sich neben der Erwerbstätigkeit mehr in die Kinderbetreuung einzubringen.
Jedoch hat das Elterngeld Plus an der typischen Aufteilung der Elternzeit zwischen Müttern und
Vätern bisher nichts verändert (Samtleben, Schäper & Wrohlich, 2019).
39
Frauen entscheiden sich aber nicht bewusst für Altersarmut, sondern sind über
ihren gesamten Lebenslauf hinweg Verarmungsrisiken ausgesetzt. Zu den kom-
plex und kausal zusammenwirkenden Faktoren zählen (u.a. Bäcker, 1995; EIGE,
2016; IAB, 2015; OECD, 2017; Vlachantoni, 2012):
Familienstand: verheiratet, ledig oder geschieden,
Unterbrechung im Erwerbsverlauf oder Abbruch der Berufstätigkeit,
berufliche Stellung als Erwerbstätige oder mithelfende Familienangehörige,
niedriges berufliches Qualifikationsniveau, Niedrigverdienst,
häufige Arbeitslosigkeit,
hohe Kinderanzahl,
Pflege von Angehörigen,
bei Witwen: berufliche Stellung des verstorbenen Mannes.
Die Pflege und Versorgung von minderjährigen, kranken, behinderten
oder alten Familienmitgliedern wird zwar gesellschaftlich, moralisch und
sozial geschätzt, erhält aber ein unvorhersehbares und oft geringes Maß
an wirtschaft licher Belohnung. Verheiratete Frauen und Frauen mit Partner
beziehen häufig einen Teil des Verdienstes ihres Mannes, um ihren eigenen
Einkommensverlust durch zeitliche Aufwendungen für häusliche Pflege zu
kompensieren. Damit wird die Höhe der finanziellen Anerkennung mehr von
dem Ehe- bzw. Lebenspartner einer Frau bestimmt, als von der Zeit, die sie
der Sorge und Pflege um Angehörigen pflege widmet. Dabei ist zu bedenken,
dass die steigende Zahl geschiedener bzw. getrennter Paare sowie Single- und
Alleinerziehenden- Haushalte generell erkennen lässt, dass das Leitbild der
„Normal familie“ erodiert (Bäcker, 1995: 383) und einen Wegfall der lebenslangen
(finanziellen) Absicherung durch den Partner bedeuten kann.
40
Kernaussagen
Mit Stand von 2017 sind in Deutschland 3,4 Millionen Menschen pflege-
bedürftig. Von ihnen werden 68 % ausschließlich durch ihre Angehörigen
versorgt. Da nicht jede*r Pflegebedürftige statistisch erfasst wird, ist von
einer höheren Zahl sowohl der zu Pflegenden als auch der häuslich Pflege-
leistenden auszugehen. So soll es ca. 5,4 Millionen Pflegebedürftige und
zwischen drei und fünf Millionen pflegende Angehörige geben.
Der Umfang familiärer Pflege entspricht 3,2 Millionen Erwerbsarbeits-
plätzen bzw. einer Wertschöpfung von 44 Milliarden Euro jährlich.
Die pflegenden Angehörigen sind durchschnittlich 55-64 Jahre alt, mit
knapp 70 % weiblich und die Mehrheit von ihnen ist verheiratet. Der
Umfang der häuslichen Pflege beläuft sich auf rund 21 Stunden pro Woche
und wird häufig in Kombination mit einer Erwerbstätigkeit in Teilzeit reali-
siert. Die Dauer der Pflegebedürftigkeit beläuft sich im Mittel auf vier Jahre.
65 % aller Personen, die eine häusliche Pflegeaufgabe innehaben, sind
berufstätig. Beinahe jede zweite Person reduziert die Arbeitszeit aufgrund
einer auftretenden familiären Pflegesituation. Generell gilt: Je höher der
Pflegeaufwand desto geringer ist die Erwerbsbeteiligung der pflegenden
Angehörigen. Pflegende haben mit 54 % eine geringere Erwerbsquote
gegenüber den Nicht-Pflegenden mit 76 %.
Gründe für eine unzureichende Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sind
emotionale, körperliche und zeitliche Belastungen auf der privaten Ebene
sowie unflexible Arbeitszeiten, mangelnde finanzielle Ressourcen und die
Befürchtung von Karrierenachteilen auf beruflicher Ebene.
Die Folgekosten mangelnder Vereinbarkeit belaufen sich für deutsche
Unternehmen auf 18,94 Milliarden Euro pro Jahr. Knapp 50 % davon entfal-
len auf Arbeitnehmende, die erschöpft oder krank am Arbeitsplatz erschei-
nen und dadurch nicht voll belastbar sind. Dennoch halten 58 % der Unter-
nehmen keine gesonderten Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf vor.
5 Aktuelle Fakten zu Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen
41
Eine Absicherung gegenüber Armut durch häusliche Pflege erfolgt von
staatlicher Seite nur marginal. Eingeführte gesetzliche Mechanismen
(Pflege zeit, Familienpflegezeit, Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von
Familie, Pflege und Beruf) können den Verdienstausfall nicht vollständig
kompensieren und setzten bisher auf das subsidiäre Umverteilungsprinzip
von Einkommen innerhalb der Familie.
Eine Pflegesituation kann in jeder Phase des Lebens eintreffen. Zum Beispiel
können Kinder oder Erwachsene in die Pflege der Eltern oder Großeltern
invol viert werden oder es kümmern sich Eltern um ihr Kind mit Entwicklungs-
störungen. Die Kosten für die Pflege und der Prozess im Umgang mit staatli-
chen und privaten Unterstützungssystemen kann die Karriere, die Gesundheit
und andere Aspekte im Leben einer unterstützungsleistenden Person beein-
trächtigen (Bruhn & Rebach, 2014: 41). Verschiedene Quer- und Längsschnitt-
studien belegen, dass Menschen mit einer häuslichen Pflegeverantwortung
eine geringere Beschäftigungsquote aufweisen und weniger am sozialen Leben
teilnehmen.
2017 sind 3,4 Millionen Menschen der deutschen Bevölkerung nach den Krite-
rien der Pflegeversicherung im SGB XI pflegebedürftig. In häuslicher Pflege
befinden sich davon 76 %. Von ihnen werden 68 % ausschließlich durch Ange-
hörige versorgt (Stat. Bundesamt, 2018b). Nicht alle Personen, die Hilfe im All-
tag und bei der Selbstpflege benötigen, sind über einen Pflegegrad definiert und
erfasst. Zudem ist eine Pflegesituation nicht prinzipiell angabepflichtig und kann
auch durch das alleinige physische und finanzielle Knowhow der Ange hörigen
bewältigt werden. Somit ist es theoretisch möglich, dass auch ein Familienmit-
glied mit einem hohen Pflegebedarf jedoch ohne Pflegegrad statistisch uner-
fasst bleibt. Schätzungen auf Basis von EU-SILC-Daten des Jahres 2011 gehen
von insgesamt bis zu 5,4 Millionen Menschen mit Pflege- und Hilfebedarf in
häuslichen Pflegesettings aus (Tesch-Römer & Hagen, 2018; Geyer & Schulz,
2014: 295).
Gegenüber den Pflegebedürftigen stehen ihre Angehörigen, die im großen Stil
die pflegerischen Versorgungsleistungen im privaten Umfeld erbringen. Der
Umfang der familiären Pflege macht ca. 3,2 Millionen Erwerbsarbeitsplätze
42
bzw. eine Wertschöpfung von ca. 44 Milliarden Euro pro Jahr aus, wenn ein
mittleres Lohnniveau unterstellt wird (Backes et al., 2008). In Deutschland gibt
es Schätzungen nach zwischen drei und fünf Millionen pflegende Angehörige
(u.a. Geyer & Schulz, 2014; Geyer, 2016; Nowossadeck et al., 2016; Schneekloth
et al., 2016; Tesch-Römer & Hagen, 2018). Ebenso wenig, wie sich die exakte
Zahl der Pflegebedürftigen bestimmt lässt, ist es nicht möglich, die Angehöri-
gen, Freund*innen, Bekannte und Verwandte zahlen mäßig genau zu beziffern,
die informelle Unterstützung bereitstellen. Folgt man den Angaben aus dem
Deutschen Alterssurvey (DEAS) und anknüpfenden Studien, gibt es zwischen
drei und fünf Millionen private Pflegepersonen in Deutschland ( Nowossadeck,
Engstler & Klaus, 2016; Rothgang & Müller, 2018; Tesch-Römer & Hagen,
2018). Die meisten von ihnen sind laut DEAS (2014) in der Altersgruppe der
40-64-Jährigen zu finden, was die nachfolgende Grafik veranschaulicht.
Abbildung 5: Anteil pflegebedürftiger Personen in Deutschland nach Alter und Geschlecht
Quelle: Nowossadeck et al., 2016; gewichtete Daten aus DEAS 2014
Das Profil pflegender Angehöriger lässt sich wie folgt beschreiben: 68 % sind
weiblich, 73 % sind verheiratet und der größte Anteil nach Altersgruppe ist mit
30 % zwischen 55-64 Jahre alt (Schneekloth et al., 2017: 54). Generell unter-
43
stützen demnach Frauen im erwerbsfähigen Alter pflegebedürftige Angehörige
häufiger als Männer. Die Gruppe der 60-64-Jährigen stellt innerhalb der o.g.
Altersspanne den prozentual größten Teil an häuslich Pflegenden. Unter ihnen
leisten vor allem nicht-erwerbstätige oder teilzeitbeschäftigte Frauen mit durch-
schnittlich 21 Stunden pro Woche den größten Umfang an häuslicher Pflege
(Tesch-Römer & Hagen, 2018: 22). Gegenüber Männern verrichten sie fast
doppelt so häufig unbezahlte Pflegetätigkeiten in der Familie. Frauen sind im
frühen Seniorinnenalter eher dazu bereit und fühlen sich auch dazu verpflichtet,
die Pflege für die eigenen Eltern und Schwiegereltern zu übernehmen, da sie
meist im geringeren Umfang berufstätig sind als Männer. Zudem häufen sich in
dieser Altersgruppe besonders bei Frauen die Fälle, eine weitere Minimierung
der Erwerbstätigkeit vorzunehmen bzw. sich ganz aus dieser zurückzuziehen
(ebd.). Vermutlich wird es dadurch erst möglich, sich im erforderlich zeitlichen
Maße, um nahe Angehörige zu kümmern.
Die Mehrzahl der Pflegeverläufe dauert mindestens zwei Jahre. Die Auswer-
tungen von Nowossadeck et al. (2016) ergaben, dass 40 % der Befragten
weniger als ein Jahr pflegen. 20 % verwenden bis zu zwei Jahren für die
Angehörigenpflege, 27 % bis zu vier Jahren und weitere 13 % kümmern sich
über fünf Jahre. Tritt die Pflegebedürftigkeit nach dem 60. Lebensjahr auf,
dauert sie im Mittel vier Jahre an (ebd: 13). Die Zeiten korrelieren mit Berech-
nungen der Barmer GEK (Rothgang & Müller, 2018), die feststellte, dass 15,5 %
der pflegebedürftigen Männer und Frauen in den ersten drei Monaten nach
Pflege beginn versterben. Rund 58 % sind mindestens zwei Jahre auf Unterstüt-
zung angewiesen. Der DAK Pflegereport (2018) und die Generali Altersstudie
(2017) kommen ebenfalls annähernd auf den gleichen Mittelwert von 5 Jahren,
die eine Pflegebedürftigkeit andauert.
Auch in einer Repräsentativerhebung von 2010 (BMFSFJ, 2012; Schneekloth,
2012) befragte man pflegende Angehörige nach ihrer zeitlichen Aufwendung für
häusliche Pflege. Wies die pflegebedürftige Person einen erheblichen Pflege-
bedarf auf, wurden von 27 % der Angehörigen zwischen 20 bis 30 Stunden
wöchentlich für die Pflege benötigt. Von 30 % betrug der Aufwand 40 Stunden
und mehr. Das Zeitkontingent, welches für die häusliche Pflege benötigt wird,
überschreitet den Angaben nach eine Teilzeit- bzw. Vollzeiterwerbstätigkeit.
44
Die Übernahme von häuslichen Pflegeaufgaben und die damit geleisteten
Pflege stunden variiert mit den wöchentlichen Arbeitsstunden aus der beruf-
lichen Tätigkeit. Mehr als doppelt so viele Teilzeitbeschäftigte (7 %) leisteten
unbezahlte Pflege gegenüber den Vollzeiterwerbstätigen (3,2 %) (ebd.: 23).
Geyer & Schulz (2014) werten in ihrem Bericht „Who cares?“ Daten aus dem
Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) aus und stellen fest, dass mit steigen-
dem Alter der Anteil der Pflegeleistenden zunimmt (S. 297). Auch hier sind es
Menschen kurz vor dem Renteneintritt, die im Alter von 55-64 Jahren mit 10 %
am häufigsten Unterstützung für ihre Angehörigen erbringen. Gleichfalls kann
eine Aussage zu der Geschlechterverteilung der berufstätigen pflegenden
Angehörigen („working carers“) getroffen werden, wonach sich Frauen mit 12 %
und Männer mit 8 % neben dem Beruf engagieren (ebd.). Durch die seit Jahren
steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und die stetige Bevölkerungsalterung
ist in den nächsten Jahrzehnten sowohl mit einem Anstieg der häuslich (weibli-
chen) Pflegenden als auch mit den Pflegebedürftigen zu rechnen.
Für alle häuslich Pflegenden endet die Pflegesituation irgendwann. Entweder
durch den Übergang in die professionelle Pflege und somit Umzug in eine
stationäre Einrichtung oder durch den Tot des/der Angehörigen. Auch wenn die
Rolle als aktiv Pflegende*r endet, so halten die Folgen des Pflegeprozesses an.
Der Tod eines Familienmitgliedes ist ein belastendes Lebensereignis, nach wel-
chem Trauer, eine Rollendiffusion, Einsamkeit, gesundheitliche Beschwerden
und finanzielle Deprivation folgen kann. Trotz der nachweislich vorhandenen
Belastungssymptome in der Nach-Pflegephase wird dieser Bereich von der
Forschung wenig beachtet (Bruhn & Rebach, 2014: 42). Ehemals pflegende
Angehörige müssen neben dem Tod einer geliebten Person und gleichfalls mit
den Nachteilen umgehen, welche die Pflegesituation mit sich bringt. Dazu
zählen auch der Verlust von Karrierechancen und sozialen Kontakten.
5.1 Was kam zuerst? Die Pflege oder die reduzierte Arbeitszeit?Eine wichtige Frage, die sich in dem Zusammenhang stellt, ist, ob die Pfle-
genden wegen der Pflege ihre Berufstätigkeit reduzierten bzw. einstellten oder
ob sie die Pflege aufgrund bereits bestehender niedriger Erwerbsbeteiligung
übernommen haben, da hierdurch mehr zeitliche Kapazitäten zur Verfügung
standen? Die Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, da es an zusam-
45
menhängenden quantitativen Erhebungen in diesem Bereich fehlt. Es können
jedoch Rückschlüsse aus der Kombination verschiedener Studien und Unter-
nehmensbefragungen gezogen werden.
Schneekloth et al. (2017) stellten in ihrer Studie zum Pflege-Neuausrichtungsge-
setz und zum ersten Pflege-Stärkungsgesetz fest, dass der Aufwand der häusli-
chen Pflegetätigkeit die Zeiten für die Erwerbstätigkeit einschränkt und reduziert.
Das kann man an den Beschäftigungsverhältnissen der Haupt pflege personen
ablesen. 28 % der „working carers“ sind in Vollzeit beschäftigt, 26 % in Teilzeit
und 10 % lediglich geringfügig. Der Anteil der nicht-erwerbstätigen Hauptpfle-
gepersonen im erwerbsfähigen Alter beansprucht mit 35 % den größten Anteil
(ebd.). Der AOK-Pflegereport von 2016 nimmt ebenfalls die häuslich Pflegenden
in den Fokus und enthält eine Umfrage von Schwinger, Tsiasioti & Klauber
(2016), welche den Unterstützungsbedarf von pflegenden Angehörigen ermitteln.
Sie befragten 1.000 Hauptpflegepersonen, von welchen 74 % weiblich waren
und mit knapp 50 % in einem Alter zwischen 50-65 Jahren. Ob die befragten
Frauen ihre Arbeitszeit der Pflege wegen reduzierten, hing vom Schweregrad
der Pflegebedürftigkeit des/der Angehörigen ab. Generell befinden sich auch in
dieser Untersuchung pflegende Frauen gegenüber pflegenden Männern häufi-
ger in Teilzeitbeschäftigungen oder sind erwerbslos. Jede zweite reduzierte ihre
Arbeitszeit aufgrund der Pflegesituation. Hervorzuheben ist das Ergebnis, dass
70 % der befragten Pflegepersonen, die zum Befragungszeitraum nicht erwerbs-
tätig waren, ihre Berufstätigkeit zuvor für die Übernahme von Pflege aufgaben
(Schwinger et al., 2016: 193). Je höher der Grad der Pflegebedürftigkeit des
Familienmitgliedes ausfiel und je häufiger gemeinsam in einem Haushalt gelebt
wurde, desto geringer war die Erwerbstätigkeit der Frauen. Wiederum Schnee-
kloth et al. (2017: 60) zeigen, dass 54 % der Hauptpflegepersonen ihre Erwerbs-
tätigkeit auch nach Übernahme der Pflegeaufgabe unverändert fortsetzen. 23 %
mussten die Erwerbstätigkeit wegen der Pflege einschränken und 14 % gaben
sie ganz auf.
Im „Fact-Sheet“ des DZA (2018: 28ff) kombinieren die Autorinnen Au und
Hagen die Angaben aus dem SOEP von 2016, auf welche sich auch
Schneekloth und Kolleginnen berufen, mit denen von 2012 und 2007. Sie
prüfen, in wie weit sich ein höherer Pflegeaufwand auf die Erwerbsbeteiligung
46
Pflegender auswirkt. Sie weisen nach, dass Angehörige, die in einem hohen
zeitlichen Umfang pflegen, häufig nicht erwerbstätig sind, wenngleich sie sich
in einem erwerbs fähigen Alter befinden. Von den weiblichen Hauptpflegeperso-
nen im Alter zwischen 16 und 64 Jahren, die weniger als 14 Stunden pro Woche
pflegen, ist jede vierte nicht mehr erwerbstätig. Bei einem Pflegeumfang von
28 Stunden und mehr ist es bereits jede zweite. Geyer (2016: 24ff) bestätigt im
ZQP-Themenreport ebenfalls diese Befunde. Pflegende haben in der Summe
eine niedrigere Erwerbsquote als Personen, die nicht pflegen (Geyer, 2016:
32ff). Gemessen an der Erwerbstätigkeit von informell Pflegenden allgemein
weisen Angehörige, die mit der zu pflegenden Person in einem Haushalt leben
und mehr als eine Stunde pro Tag für Pflege aufbringen, eine Erwerbsquote
von 54 % auf (Geyer, 2016: 32). Personen ohne Pflegeaufgaben hatten dazu im
Vergleich eine Erwerbstätigenquote von 75,9 % (Destatis, 2019).
Neben dem Ausmaß der Erwerbsarbeit übt auch die Berufsposition einen
Ein fluss auf die Häufigkeit der Übernahme von familiärer Pflege aus. In der
Gruppe der Pflegenden befinden sich mehr Menschen mit tieferen und mittle-
rem Bildungs abschluss, als mit einem hohen (Tesch-Römer & Hagen, 2018:
26). Je höher das Qualifizierungsniveau desto geringer fallen die Teilzeitquoten
aus. Unter anderem Keck (2012) zeigte, dass höher Qualifizierte weniger als
14 Stunden pro Woche pflegen, während gering Qualifizierte im deutlich kleine-
ren Umfang einer Erwerbstätigkeit nachgehen, dafür aber öfter umfangreiche
Pflegeaufgaben innerhalb der Familie übernehmen. Demnach sind es vor allem
Frauen und Männer mit höherem Bildungsstand und Einkommen, sowie höherer
Karriereorientierung, von denen eine geringere Pflegebereitschaft zu erwarten
ist. Die Korrelation zwischen Bildungsstand und (reduzierter) Arbeitszeit lässt
Rückschlüsse auf deren Erwerbseinkommen zu. Je intensiver Pflege benötigt
wird und je häufiger die Pflegeperson mit der pflegebedürftigen Person in einem
Haushalt lebt, desto geringer fällt ihr Einkommen aus. Mit hohem Pflegeauf-
wendung und gleichzeitigem Zusammenleben beträgt das durchschnittliche
Einkommen von „working carers“ nur noch 65 % im Vergleich zu Nicht-Pflegen-
den (Geyer, 2016: 34). Ob und in welchem Umfang die Erwerbstätigkeit redu-
ziert wird, kann verschiedene Ursachen haben. Zu den entscheidendsten zäh-
len (u.a. nach Keck, 2012; Leitner & Vukoman, 2015):
47
das räumliche Zusammenleben von Hauptpflegeperson und zu pflegenden
Person,
wie hoch der Pflegegrad und damit das Unterstützungsniveau ausfällt,
ob vor der Übernahme der Pflegetätigkeit bereits eine Teilzeitarbeit bestand,
der Familienstand und das Alter der pflegenden Person,
das Bildungsniveau und die berufliche Position,
die Höhe des Einkommens,
die berufliche Einstellung und konservative Wertvorstellungen und ob
professionelle Unterstützung hinzugezogen wird.
5.2 Ist-Stand: Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in DeutschlandEin überwiegender Teil der Literatur begründet und bewertet den unterschied-
lichen Verlauf von weiblichen zu männlichen Erwerbsbiografien, mit familien-
bedingten Unterbrechungen in den frühen Berufsjahren. Spätere Erwerbs-
unterbrechungen im höheren Alter, meist aufgrund häuslicher Pflegetätigkeiten,
werden weitaus weniger stringent thematisiert und untersucht. Die Diskussionen
stagnieren mehrheitlich im Bereich der partnerschaftlichen Aufgabenteilung von
Arbeitszeiten zwischen den Elternteilen.
Die Pflege von älteren Familienmitgliedern fällt nachweislich in das letzte Jahr-
zehnt der Erwerbstätigkeit und nimmt einen signifikant hohen zeitlichen Stellen-
wert ein. Beachtet man zusätzlich, dass die durchschnittliche Pflegebedürftig keit
drei bis vier Jahre anhält, kann davon ausgegangen werden, dass der Einfluss
auf die „letzte Etappe“ in der Erwerbsphase groß ist. In dieser subsumieren
sich ebenso die Erfahrungsstufen durch die Länge der Berufstätigkeit, wodurch
sich ein relativ hoher Lohnspiegel abzeichnet. Im Schnitt erreichen Männer
und Frauen im Alter von 55 Jahren das höchste Lohnniveau in ihrer Gehalts-
biografie (PMSG, 2018). Das ist auch in etwa das Alter, in welchem die Pflege-
bedürftigkeit älterer Familienmitglieder wahrscheinlich wird. Versucht man das
Risiko zu bestimmen, mit welchem familienbedingte Erwerbsunterbrechungen
für Frauen und Männer eintreffen können, ist das Alter von Kindern und Eltern
entscheidend. Frauen bekommen im Durchschnitt in Deutschland ihr erstes
Kind zwischen dem 25 und 30. Lebensjahr und nehmen in dieser Zeit ihre erste
familien bedingte berufliche Auszeit (u.a. Becker-Stoll et al., 2012; BMFSFJ,
48
2012, 2013; Talley & Montgomery, 2013). Weitere Unterbrechungen können
mit der Geburt jedes weiteren Kindes folgen. Im fortschreitenden Verlauf der
Erwerbs biografie rückt das Alter der Eltern vermehrt in den Blick. Ab einem
Alter von rund 70 Jahren, beginnt eine Pflegebedürftigkeit wahrscheinlicher
zu werden (dazu Abb. 10). Laut dem Pflegereport der DAK (2018: 128) tritt die
Pflegebedürftigkeit im bundesdeutschen Durchschnitt mit 77,3 Jahren ein und
der/die Pflegebedürftige verstirbt im Schnitt mit 82,5 Jahren (ebd.).
Abbildung 6: Anteil pflegebedürftiger Personen nach Alter und Geschlecht
Quelle: Stat. Bundesamt, 2017
Frauen und Männer müssen der Prognose nach damit rechnen, einen Pflegefall
in der Familie zu haben, wenn sie selbst noch im erwerbsfähigen Alter sind. Das
belegen gleichfalls die vorangegangenen Ausführungen zum Altersdurchschnitt
der Hauptpflegepersonen.
Zieht man die unterschiedlichen Studien zur Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf zurate, zeigt sich eine eindeutige Tendenz, wie mit dem Szenario der
Pflege bedürftigkeit von alten Eltern umgegangen wird, während die eigene
49
Erwerbstätigkeit noch besteht. Abermals verfestigt sich das stereotype Verhal-
ten von Frauen, in Bezug auf die familienbedingte Sorgearbeit. Trotz aller Ver-
änderungen überwiegt das klassische Rollenverhalten (BMFSFJ, 2012: 28;
Tesch-Römer & Hagen, 2018; Geyer & Schulz, 2014). Das lässt sich u.a. damit
erklären, dass in den letzten Jahren die Kinderbetreuungs-, Erziehungs- und
Bildungs bemühungen verbessert und vermehrt von Familien in Anspruch
genommen wurden. Hingegen hat sich im Bereich der häuslichen Pflege (im
direkten Vergleich) weniger getan, sodass die professionelle und stationäre
Pflege weit hinter den außerhäuslichen Betreuungsangeboten von Kindern
zurückbleibt (ebd.).
Die verschiedenen Belastungen, die pflegende Angehörige im Verlauf ihrer
häuslichen Pflegetätigkeit ausgesetzt sind, ist seit Mitte der 90er Jahre doku-
mentiert und erforscht (Naegele, 1995; Beck et al., 1997). Die Untersuchungen
zeigen, dass bereits vor über 20 Jahren die Hauptbelastungen in den gleichen
Bereichen wie heute lagen. Im Privatleben sind es vor allem die emotionale
und körperliche Belastung sowie der Zeitmangel. Im Berufsleben wurden auch
damals Arbeitsunterbrechungen, vermindertes Leistungsvermögen, geringere
Karrierechancen, Einkommenseinbußen und die Beendigung der Erwerbs-
tätigkeit als Auswirkungen angeführt. Die meisten Untersuchungen zeigen,
dass Menschen im mittleren Lebensalter überproportional häufig vor der
Heraus forderung stehen, Pflege und Beruf miteinander zu vereinbaren. Die
Hauptlast dabei tragen in Deutschland mit ca. 70 % seit jeher (verheiratete)
Frauen im Alter zwischen 40-64 Jahren (Leitner & Vukoman, 2015; Reichert,
2016). Die Anforderungen an Beschäftigte, Beruf und Pflege miteinander zu
vereinbaren und gleichzeitig die an Arbeitgeber, diese zu fördern, wird weiter
steigen. Das liegt vorrangig an der Entwicklung des demografischen Wandels,
einer höheren Erwerbsquote, einem späteren Renteneintrittsalter und der
Knappheit an professionellen Pflegekräften (ZQP, 2018).
In den deutschen Unternehmen ist das Thema der Vereinbarkeit inzwischen
zwar auf der Tagesordnung, aber aufgrund der starken gesetzlichen Regulie-
rungen in dem Bereich, sind Initiativen, die diese Vereinbarkeit fördern, wenig
vorzufinden. Der übergeordnete gesetzliche Einfluss ist ein Erklärungsansatz
dafür, warum Unternehmen wenig eigene Strategien ausgebildet haben.
50
Unterstützungen, wie eine engagierte Unternehmensleitung, flexible Arbeits-
zeiten oder interne Pflegeauszeiten, sind hauptsächlich in großen Unternehmen
zu finden, die dafür die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen haben.
Starke Lobbyverbände für berufstätig pflegende Angehörige, wie sie beispiels-
weise in Großbritannien existieren ( Employers for Carers, Carers UK), gibt es in
Deutschland in der Form nicht. Es bestehen zwar Interess vertretungen, diese
sind aber (noch) nicht professionell organisiert und beruhen größtenteils auf
ehren amtlichem Engagement. Daher liegt der Fokus in Deutschland aktuell auf
der Anpassung der Gesetze zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und
Beruf.
Diesen Befund unterstützt der erste Bericht des unabhängigen Beirates für die
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, welcher im Juli 2019 erschien. Er erörtert
die bestehenden gesetzlichen Grundlagen, die ein besseres Arrangement von
Pflege- und Erwerbsarbeit unterstützen sollen. In den Handlungsempfehlungen
spricht sich der Beirat für eine Erweiterung der bestehenden Gesetze zur
Pflege zeit und Familienpflegezeit aus und empfiehlt eine finanzielle und zeit-
liche Ausdehnung aller Subventionen für pflegende Angehörige. Im weiteren
Verlauf des Gutachtens werden zum einen die aktuellen gesetzlichen Rege-
lungen (Kapitel 5.4) und zum anderen geplante Maßnahmen zur Unterstützung
( berufstätiger) pflegender Angehöriger vorgestellt (Kapitel 5.7) und ausgewertet.
5.3 Working Carers: Berufstätige pflegende AngehörigeIn Deutschland ist die Datengrundlage zu berufstätigen pflegenden Angehöri-
gen unübersichtlich und uneindeutig. Es fehlt an umfassenden Erhebungen im
Längsschnitt. Die vorhandenen Daten, sind Schätzungen, die das komplette
Ausmaß der Vereinbarkeitsproblematik nicht darlegen können. Dafür gibt es
verschiedene Gründe. Einer der wichtigsten ist, dass nur diejenigen Menschen
mit Pflegebedarf statistisch erfasst werden, die Leistungen aus der Pflege ver-
sicherung beziehen. Nur diese Menschen finden sich in der Statistik wieder
und nur für diese lässt sich das Maß an informeller und formeller Pflegeleistung
bestimmen. Menschen, welche die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllen
und dennoch eine Hilfebedarf aufweisen, werden in der Statistik nicht erfasst
(Geyer & Schulz, 2014; Rothgang & Müller, 2018). Somit können die pflegenden
Angehörigen, welche größtenteils die Hilfestellung geben, nicht präzise abge-
51
bildet werden. Statistische Datensätze aus dem SOEP und DEAS ermitteln je
nach Frage und Sample unterschiedliche Zahlen. Wie viele Menschen neben
ihrem Beruf tatsächlich Pflegeverpflichtungen gegenüber ihren Angehörigen
haben, ist daher nicht genau bekannt. Nachstehende Angaben beruhen auf
Schätzungen.
Schupp und Künemund berechneten 2004, dass 40 % aller Hauptpflegeper-
sonen erwerbstätig sind und 65 % aller Personen, die eine Pflegeaufgabe
ausüben. Von allen Erwerbstätigen in Deutschland seien das 10 %, wobei
dieser Prozentsatz zwischen Branche und Betrieb erheblich variieren kann
(Franke & Reichert, 2010). Auf Datengrundlage des sozio-ökonomischen
Panels (SOEP) konnte gezeigt werden, dass 60 % der Männer und Frauen,
die häuslich pflegen, im erwerbstätigen Alter sind. Das entspricht 2,5 Millionen
pflegende Personen auf insgesamt 4 Millionen informell Pflegende (Geyer &
Schulz, 2014). Die Zahl der häuslich Pflegenden hat sich in den letzten Jahren
in Deutschland erhöht und wird inzwischen auf rund 4,5 Millionen Menschen
geschätzt, die mind. eine Stunde am Tag Pflegeunterstützung für Angehörige
leisten ( Schumann & Kather-Skibbe, 2016; Rothgang et al., 2017: 143). Diese
Zahl stimmt mit der Annahme von Franke und Reichert (2010) überein. Deutsch-
land hat 45 Millionen erwerbstätige Menschen (Stat. Bundesamt, 2019a), wenn
davon 10 % in die familiäre Pflege involviert sind, entspricht das 4,5 Millionen
Menschen, die Pflege und Beruf aufeinander abstimmen müssen.
Von den Pflegeleistenden unter den „working carers“ sind 2,7 Millionen Frauen
und 1,8 Millionen Männer (Rothgang et al., 2017: 143), was wiederrum den
weiblichen Aspekt der Pflege betont. Besonders in den höheren Altersgruppen
der 55-64-jährigen sind mit 12 % vorrangig Frauen im häuslichen Pflegekontext
zu finden, gegenüber den gleichaltrigen Männern mit nur 8 % (Geyer & Schulz,
2014). Die „Dunkelziffer“ der häuslich Pflegenden in Deutschland liegt wie
beschrieben höher. Mangels repräsentativer Vergleichsstudien, kann sich aber
nur auf die o.g. Zahlen berufen werden.
52
In welchem Maße pflegende Angehörige Beruf und Pflege miteinander verein-
baren können, hängt im Wesentlichen von fünf Faktoren ab (u.a. Leitner &
Vukoman, 2015; Reichert, 2016; Schuhmann & Kather-Skippe, 2016):
(1) Arbeitsteilung in Familie und Partnerschaft,
(2) Entwicklungsstand von Vereinbarkeitsmaßnahmen in den Organisationen,
(3) Systeme der sozialen Sicherung,
(4) Verlaufsdynamik der Krankheit oder Behinderung und
(5) Verfügbarkeit von stabilen professionellen Versorgungsleistungen.
In Deutschland existiert lediglich eine valide Betrachtung aus dem Jahr 2011,
die sich explizit mit den Folgekosten mangelnder Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf auseinandersetzt. Basierend auf einer Expert*innenbefragung wurde
ermittelt, dass sich die Kosten auf 18,94 Milliarden Euro pro Jahr belaufen
(Schneider, Heinze & Hering, 2011). Pro Beschäftigten mit Pflegeaufgaben
betragen die betrieblichen Folgekosten 14.154,20 Euro im Jahr. Der größte
Anteil dieser Kosten entfällt nach Schneider et al. (2011) mit 47,3 % auf die
Folgen von Präsentismus. Das sind Kostenbelastungen, die entstehen, wenn
Arbeitnehmende trotz Krankheit oder Erschöpfung an den Arbeitsplatz kom-
men und dadurch nicht voll leistungsfähig sind. Ein Produktivitätsverlust für
das Unternehmen ist die Folge. Zudem häufen sich Fehler und das Risiko für
Arbeitsunfälle steigt. Hält der Belastungszustand für Arbeitnehmende an, kann
daraus eine chronische Erkrankung, Burnout oder die Reduzierung von Arbeits-
stunden bzw. Aufgabe der Berufstätigkeit folgen (Booz & Company, 2011). Die
Kosten, welche Präsentismus verursacht, sind in Deutschland beziffert und
beziehen alle Arbeitnehmer*innen ein. Durch reine Fehlzeiten (Absentismus)
entstehen den Unternehmen ein Verlust von 1.199 Euro pro Mitarbeiter*in und
Jahr. Präsentismus hingegen verursacht 2.399 Euro Kosten pro Jahr und Kopf
(Booz & Company, 2011). Fast man Absent- und Präsentismus zusammen,
entsteht den deutschen Unternehmen ein jährlicher wirtschaftlicher Schaden in
Höhe von rund 225 Milliarden Euro (ebd.).
5.4 Staatliche Unterstützung bei PflegebedürftigkeitEine Säule des deutschen Sozialversicherungssystems ist die soziale Pflege-
versicherung. Sie wurde 1995 als Pflichtversicherung eingeführt und gewährt
53
Personen mit dauerhaftem Pflegebedarf, materielle und immaterielle Unterstüt-
zung. Je nach Höhe des Pflegegrades und nach Art der Versorgung (ambulant
vs. stationär) fällt diese unterschiedlich hoch aus. Die Pflegeversicherung wird
mittels Umlageverfahren finanziert. Der Beitragssatz beträgt seit 2019 3,05 %
und 3,30 % für kinderlose vom Bruttolohn. Der größte Teil der Leistungsausga-
ben entfällt mit 40 % auf die vollstationäre Pflege und es folgt mit 25,6 % das
Pflegegeld (Rothgang & Müller, 2018: 87f). Das Pflegegeld ist eine finanzielle
Leistung, die gezahlt wird, wenn die Pflege privat sichergestellt wird, also ohne
professionelle Hilfe. Die Auszahlung erfolgt direkt an die pflegebedürftige
Person, welche das Geld als Anerkennung an pflegende Angehörige weiter-
geben kann. Die Höhe des Geldes ist vom Pflegegrad, also der vorliegenden
gesundheitlichen Einschränkungen, abhängig. Das Pflegerisiko wird aber nicht
in Gänze abgedeckt (Teilkasko-Prinzip), so dass eine ergänzende Finanzierung
notwendig wird. Das kann auf vier Arten erfolgen:
(1) aus dem Privatvermögen des Pflegebedürftigen,
(2) aus dem Privatvermögen der Angehörigen,
(3) mittels privater Pflegeversicherung oder
(4) durch Sozialhilfe.
Übersteigen die Ausgaben für die professionelle, ambulante oder vollstatio-
näre Pflege die Zuschüsse aus der Pflegeversicherung, muss ein Eigenanteil
erbracht werden. Sollte dazu das Vermögen der Pflegebedürftigen oder der
unterhaltspflichtigen Angehörigen nicht ausreichen (nach dem Subsidiaritäts-
prinzip), erfolgt eine Co-Finanzierung mittels Sozialhilfe. Von 100 Pflegebe-
dürftigen in deutschen Pflegeheimen beziehen 31 % Sozialhilfeleistungen, im
ambulanten Bereich sind es 13 % von 100 Personen (Rothgang & Müller, 2018;
Schneekloth et al., 2017).
Hauptadressat*innen der deutschen Pflegeversicherung sind die Pflegebedürf-
tigen. Sie erhalten bei vorliegender Pflegebedürftigkeit, welche durch den medi-
zinischen Dienst der Krankenversicherung geprüft werden muss, Geld- oder
Sachleistungen. Hierfür ist ein Antrag bei der Pflegekasse notwendig. Die Höhe
der Geldleistung zur Pflege hängt vom Pflegegrad ab. Ziel des Pflegegeldes ist
es, den pflegebedürftigen Personen ein selbstbestimmtes und selbständiges
54
Leben zu ermöglichen. Daher sollten die Wünsche der Betroffenen immer mit
einbezogen werden. Die Masse der älteren Menschen in Deutschland möchte
zuhause durch Angehörige versorgt werden, was laut Pflegestatistik in 2/3 aller
Fälle erfolgt (Stat. Bundesamt, 2018b). Daher werden die pflegeleistenden
Ange hörigen ebenfalls als Adressat*innen erkannt und erhalten neben der finan-
ziellen Zuwendung (Pflegegeld) auch Beratung, Pflegekurse und Pflegesach-
leistungen. Die Pflegesachleistung dient der Finanzierung eines professionellen
ambulanten Pflegedienstes, welche bei der Ernährung und Körperpflege unter-
stützt (Rothgang & Müller, 2018).
Pflegegeld zählt generell nicht als Einkommen, weshalb weder Steuern noch
Sozial abgaben darauf zu entrichten sind. Ebenfalls wird es nicht auf die Rente
oder die Grundsicherung (Harz IV) angerechnet. Das gilt auch dann, wenn das
Geld als Anerkennung für die erbrachte Pflegeleistung an Angehörige oder
Bekannte/Freund*innen weitergegeben wird. Die Höhe des Geldes richtet sich
nach der Pflegebedürftigkeit und der Anerkennung des Pflegegrades. Bei der
Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird nicht zwischen körperlichen, geistigen
und psychischen Beeinträchtigungen differenziert. Ob jemand pflegebedürf-
tig ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Grad der Selbstständigkeit
( Rothgang et al., 2017; Rothgang & Müller, 2018). Ausgehend von der Selbst-
ständigkeit einer Person wird das Stadium der Einschränkung in fünf Grade
eingeteilt, von geringer Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (Pflegegrad 1)
bis zur schwersten Beeinträchtigung, die mit besonderen Anforderungen an die
pflegerische Versorgung einhergeht (Pflegegrad 5).
Tabelle 3: Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegegrad (2019)
Leistungen Pflegegrad 1 Pflegegrad 2 Pflegegrad 3 Pflegegrad 4 Pflegegrad 5
Pflege durch
Angehörige125 € 316 € 545 € 728 € 901 €
Pflege durch
Professionelle- 689 € 1.298 € 1.612 € 1.955 €
Vollstationä-
re Pflege125 € 770 € 1.262 € 1.775 € 2.005 €
Quelle: BMG, 2017
55
Die gezeigte Tabelle ist das Ergebnis verschiedener Reformen der sozialen
Pflegeversicherung des letzten Jahrzehntes. Übergeordnetes Ziel der Reformen
war es, eine Verbesserung der ambulanten Versorgung von Pflegebedürftigen
zu erreichen und die ambulante Pflege durch finanzielle Anreize zu fördern
(Schneekloth et al., 2017: 23). Dieses Ziel entspricht der gesetzlichen Normie-
rung, des elften Sozialgesetzbuches (SGB XI), dass der häuslichen Pflege
Vorrang zu gewähren ist.
„Die Pflegeversicherung soll mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche
Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unter-
stützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen
Umgebung bleiben können. Leistungen der teilstationären Pflege und
der Kurzzeitpflege gehen den Leistungen der vollstationären Pflege vor
(§ 3 SGB XI).“
Dennoch, die Auszahlung des Pflegegeldes an die Hauptpflegeperson ersetzt
kein Einkommen aus beruflicher Tätigkeit. Es mildert zwar den Einkommens-
ausfall, kann ihn aber nicht gänzlich kompensieren, zumal das Geld nicht aus-
schließlich für die pflegenden Angehörigen bestimmt ist, sondern ebenfalls für
die Pflegebedürftigen und deren täglichen Bedarf. Weiterhin ist anzu merken,
dass das Pflegegeld, bei ausschließlich ambulanter Pflege durch Angehö-
rige, nicht mit den Zahlungen konkurrieren kann, die der Staat für die Kinder-
erziehung bereitstellt. Das Elterngeld soll nach Angaben des Bundesfamilien-
ministeriums die Sicherung der Lebensgrundlage junger Familien gewährleisten
(BMFSFJ, 2012, 2013). Es wird als der Faktor nach haltiger Familienpolitik
beworben, da es die wirtschaftliche Existenz von Familien während Erwerbs-
unterbrechungen aufgrund von der Geburt eines Kindes sichern soll. Die maß-
geblichen Ziele des Elterngeldes sind: Wirtschaftliche Stabilität der Familien,
Balance von Familie und Erwerbsarbeit sowie der Nachhaltigkeitsausgleich
zwischen den Familientypen (ebd.). Wenngleich das Elterngeld ebenfalls zahl-
reiche Kritiker*innen findet, ist beim Pflegegeld kein derartig kompensatorischer
Effekt angedacht. So spricht das Bundesgesundheits ministerium beispielsweise
davon, dass das Pflegegeld eine finanzielle Anerkennung an pflegende Ange-
hörige sein kann (BMG, 2017). Eine Auszahlungspflicht an diese besteht jedoch
56
nicht, da das Pflegegeld nicht direkt an die Pflegeperson, sondern an die
Pflege bedürftigen gezahlt wird. Damit bleibt die Weitergabe der finanziellen
Honorierung ein individuelles familiäres Arrangement.
5.5 Staatliche Unterstützung für berufstätige pflegende AngehörigeBegutachtungen der letzten Pflegereform von 2017 zeigen, dass sich Menschen
mit einem geringem Pflegegrad vermehrt für die häusliche Pflege entscheiden
und Menschen mit einem höheren Pflegebedarf auf stationäre Einrichtungen
zurückgreifen (Rothgang & Müller, 2018). Damit erreicht die Reform in diesem
Punkt ihre Vorgaben. Ein Nebeneffekt ist aber gleichzeitig, dass vermehrt
sehr komplexe häusliche Pflegearrangements entstehen können, die für die
pflegenden Angehörigen als herausfordernd einzustufen sind (Schneekloth et
al., 2017: 27). Daher wurden parallel zu den Reformen der sozialen Pflegeversi-
cherung gesetzliche Bestimmungen entwickelt, die vorrangig der Entlastung von
pflegenden Angehörigen dienen sollen.
Rentenzahlbeträge für häusliche PflegeIn der Zeit der Übernahme von Pflege durch Familienangehörige ist die Pflege-
kasse für deren Rentenansprüche zuständig. Wer nicht erwerbsmäßige Pflege
leistet, erhält zwischen 8,30 Euro (West) bzw. 7,96 Euro (Ost) bei Pflegegrad 2
und bis zu 30,90 Euro (West) bzw. 29,48 Euro (Ost) bei Pflegegrad 5 im Monat
als Rentenversicherungsbeiträge (DRV, 2018). Zum Vergleich: Durchschnitts-
verdienende erhalten für einen Rentenpunkt ca. 30 Euro. Voraussetzungen für
den Bezug sind durch die deutsche Rentenversicherung festgelegt:
schriftlicher Antrag auf die Zahlung von Pflichtbeiträgen,
ein eigenes Rentenkonto mit mind. fünf Beitragsjahren,
dass der/die zu pflegende Angehörige mindestens Pflegegrad 2 aufweist,
ein Pflegeaufwand von 10 Stunden oder mehr pro Woche vorliegt,
die berufliche Tätigkeit 30 Stunden nicht überschreitet und
keine professionelle Hilfe hinzugezogen wird. Wer beispielsweise unterstüt-
zend einen Pflegedienst engagiert, reduziert seinen Anspruch um 15 bis 30 %.
57
Von Interessenvertretungen für pflegende Angehörige (z.B. SoVD; Wir pflegen! e. V.)
wird dies begrüßt (SoVD, 2015: 20). Sie kritisieren aber, die, ihrer Meinung nach,
komplizierte Berechnung, und dass die Beiträge nicht armutsfest seien. Zudem
wird keine vollständige Gleichstellung gegenüber einer Erwerbstätigkeit erreicht
(DRV, 2018). Die Partei DIE LINKE stellte eine Anfrage an die Bundesregierung,
inwieweit der Beitrag der Pflegeversicherung an die Rentenversicherung die
Einkommensausfälle aufgrund von Pflege in der Rente ausgleichen. Die
Wirkungs weise der rentenrechtlichen Anerkennung von Pflegearbeit legt die
Bundesregierung in einer Modellrechnung vor (BMAS, 2018). Am Beispiel einer
Frau aus Ostdeutschland, Jahrgang 1964, mit einem monatlichen Bruttolohn-
niveau von 2.806 Euro zeigt sich, dass die Beiträge der Pflegeversicherung an
die Rentenversicherung keinen vollständigen Ausgleich schaffen.
Tabelle 4: Rentenbezüge nach 15 Jahren häuslicher Pflege von 2017 bis 2031 (Beispiel Ostdeutschland)
Rente für Arbeit Rente für Pflege Summe Differenz
Rente für
Vollzeit 100%584,58 € - 584,58 €
Rente 70 %
+ Pflegegrad 2409,21 € 151,63 € 560,84 € -23,47 €
Rente 70 %
+ Pflegegrad 3292,29 € 241,47 € 533,76 € -50,82 €
Quelle: eigene Darstellung nach BMAS, 2018: 4f
Trotz einer Anerkennung in Rentenpunkten für die häusliche Pflege hat die Frau
in dem Rechenbeispiel einen monatlichen Rentenverlust von 23,47 Euro bei
Pflegegrad 2 bzw. 50,82 Euro bei Pflegegrad 3. Summiert auf die angenomme-
nen 15 Pflegejahre bedeutet das ein Minus von gerundet 4.225 Euro (PG 2) bzw.
9.148 Euro auf die gesamten Renteneinkünfte. Darin nicht berücksichtig ist die
Inanspruchnahme professioneller Unterstützung in Form von Pflegesachleistun-
gen (ambulanter Pflegedienst), welche die Rente für die Pflege um bis zu 30 %
verringert. Hinzu kommt der Einkommensverlust, der sich aus der Reduzierung
der Arbeitszeit ergibt. In solchen Fällen kann die familienbedingte Ausfallzeit
als eine wesentliche Ursache für eine niedrige Altersrente (insbesondere für
Frauen) identifiziert werden.
58
Pflegezeitgesetz (PflegeZG)Das Gesetz wurde als Artikel 3 des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes im Mai
2008 vom Bundestag beschlossen. Danach können Arbeitnehmende pro Jahr
in akuten Pflegesituationen kurzfristig für bis zu zehn Arbeitstage freigestellt
werden (kurzzeitige Arbeitsverhinderung). Dieser Zeitraum soll genutzt werden,
um die erforderliche Pflege zu organisieren (Schneekloth et al., 2017). Bei einer
länger andauernden Pflegesituation sieht das Gesetz eine maximal sechsmo-
natige Freistellung (Pflegezeit) vor, die als vollständige oder teilweise Freistel-
lung von der Arbeit erfolgen kann (BMFSFJ, 2018). Letztere Regelung steht in
Abhängigkeit zur Unternehmensgröße und gilt nur dann, wenn mehr als 15 Per-
sonen in dem Unternehmen beschäftigt sind. Das Gesetz schafft dadurch zwar
einen Rechtsanspruch auf eine Reduktion oder Freistellung von der Arbeitszeit
mit einem eingeschlossenen Kündigungsschutz, jedoch ist kein finanzieller
Ausgleich zum Lohnausfall vorgesehen. Zudem ist die Inanspruchnahme nicht
meldepflichtig und Zahlen beruhen nur auf Schätzungen.
Familienpflegezeitgesetz (FPfZG)Um die Inanspruchnahme zu verbessern, wurde 2012 das Familienpflegezeit-
gesetz erlassen, welches ergänzende Regelungen einführte. Die Freistellungs-
möglichkeiten von der Arbeit wurde für pflegende Angehörige, welche im häusli-
chen Setting pflegen, auf 24 Monate erweitert. Einen gesetzlichen Anspruch auf
Familienpflegezeit haben Beschäftigte gegenüber ihren Arbeitgebern mit mehr
als 25 Beschäftigten. Die Mindestarbeitszeit muss 15 Stunden pro Woche betra-
gen und kann durch den Arbeitgeber finanziell abgesichert werden. Der Arbeit-
nehmende bezieht das gleiche Gehalt bei reduziertem Stundenumfang weiter,
indem der Arbeitgeber einen Gehaltsvorschuss zahlt. Diesen Vorschuss muss
der Arbeitnehmende zurückzahlen, wenn er an den Arbeitsplatz zurückkehrt,
indem er bei voller Arbeitsleistung weiterhin ein reduziertes Gehalt bezieht.
Damit besteht zwar eine gesetzliche finanzielle Absicherung in der Pflegezeit,
die Kosten dafür trägt der pflegende Angehörige aber selbst. Auch für das Fami-
lienpflegezeitgesetz gibt es keine Meldepflicht (Schneekloth et al, 2017).
59
Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und BerufUm die finanzielle Absicherung in akuten und länger andauernden Pflege-
situationen zu gewährleisten, wurden 2015 beide Gesetze besser aufeinander
abgestimmt. Eine Änderung betraf die kurzzeitige Arbeitsverhinderung. Für
diese wurde eine Lohnersatzleistung (Pflegeunterstützungsgeld) eingeführt, die
90 % des Nettoarbeitsentgeltes beträgt und von der Pflegekasse übernommen
wird. Auch wurde ein Anspruch auf Arbeitsfreistellung von bis zu drei Monaten
für die Begleitung naher Angehöriger in der letzten Lebensphase eingerichtet.
Weiterhin wurde der Begriff „nahe Angehörige“ im Gesetz zeitgemäß erweitert.
Er umfasst nun gem. § 7 Abs. 3 PflegeZG Stiefeltern, lebenspartnerschaftsähn-
liche Gemeinschaften, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegat-
ten sowie Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner.
Die Freistellungsmöglichkeit von der Arbeit wurde beibehalten und beträgt
6 Monate bei Inanspruchnahme der Pflegezeit und 24 Monate bei Inanspruch-
nahme der Familienpflegezeit. Beide Gesetze können miteinander kombiniert
werden. Sie müssen aber nahtlos ineinander übergehen und dürfen eine Frei-
stellung von insg. 24 Monaten nicht überschreiten (BMFSFJ, 2018). Zur Gegen-
finanzierung des Lohnausfalls haben pflegende Angehörige nun die Möglichkeit
beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ein
zinsloses Darlehn zu beantragen. Damit ist die finanzielle Ausgestaltung der
(Familien-)Pflegezeit abgesichert, die Hauptlast verbleibt aber nach wie vor bei
den pflegenden Angehörigen, weil das Darlehn zurückgezahlt werden muss,
sobald die Zeit der Pflege vorüber ist. Alle Leistungen im Überblick sind in der
nachfolgenden Tabelle dargestellt:
60
Tabelle 5: Gesetze zur Pflegezeit
PflegezeitgesetzFamilienpflege-
zeitgesetz
Kurzeitige Arbeits-
verhinderungPflegezeit Sterbebegleitung Familien pflegezeit
Rechtsan-spruch Ja
ja (ab 16 Beschäf-
tigten)
ja (ab 16 Beschäf-
tigten)
ja (ab 26 Beschäf-
tigten)
Voraus-setzung
Ärztliche Beschei-nigung Pflegegrad Ärztliche Beschei-
nigung Pflegegrad
Dauer max. 10 Tage max.6 Monate max. 3 Monate max. 24 Monate
LohnersatzPflegeunter-
stützungsgeld (Pflegekasse)
zinsloses Darlehn (BAFzA)
zinsloses Darlehn (BAFzA)
zinsloses Darlehn (BAFzA)
Ankündi-gungsfrist Keine 10 Tage 10 Tage 8 Wochen
Kündi-gungs-schutz
Ja ja Ja Ja
Mindestar-beitszeit Nein nein Nein 15 Stunden
Quelle: BMFSFJ, 2018
Die größten Kritikpunkte an den jetzigen gesetzlichen Regelungen können
folgen dermaßen zusammengefasst werden (nach Hielscher et al., 2017;
Schneekloth et al, 2017; Rothgang & Müller, 2018):
Für pflegende Angehörige besteht ein hohes finanzielles Risiko, da entweder
auf Einkommen verzichtet wird oder eine Verschuldung durch die Aufnahme
eines Darlehns entsteht. Der Rechtsanspruch gilt erst ab einer Unterneh-
mensgröße von über 15 bzw. 25 Mitarbeitenden. Pflegende Angehörige in
kleinen bzw. Kleinstunternehmen können diese daher nicht nutzen.
Die Regelungen sind für Langzeitpflegende nicht ausreichend. Die Mehrheit
der pflegenden Angehörigen gaben eine durchschnittliche Pflegedauer von
vier Jahren an.
61
Das jetzige System setzt keine Anreize für eine partnerschaftliche Auftei-
lung der Pflege und verfestigt die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit, da
Frauen häufig weniger verdienen und ihre Einbußen beim Gehalt häufig
geringe Auswirkungen auf das Familieneinkommen haben.
Die wenigen Wirkungsforschungen, die zu Vereinbarkeitsmaßnahmen in
Deutschland existieren, zeigen einen sehr geringen Effekt der pflegepolitischen
Bemühungen auf die Partizipation und das Arbeitsvolumen der pflegenden
Angehörigen. Insgesamt gibt es bisher keine empirische Evidenz dafür, dass
die Pflegepolitik signi fikant zu einer besseren Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf beigetragen hat. Die Zahlen zur Nutzung der bestehenden gesetzlichen
Ansprüche zeigt, dass 2016 lediglich 6 % der pflegenden Angehörigen die
Pflegezeit und 1 % die kurzzeitige Arbeitsverhinderung genutzt haben
(Hielscher et al., 2017). Eine längere Auszeit für die Pflege, im Sinne des
Familien pflegezeitgesetzes, beantragten im Jahr 2016 lediglich 168 Menschen
( Deutscher Bundestag, 2016b). Aktuelle Zahlen legte der Beirat zur Vereinbar-
keit von Pflege und Beruf (2019: 44) vor. Durch die Ergänzung zu Fragen der
Inanspruchnahme des Pflegezeit gesetzes und Familienpflegezeitgesetzes im
Mikrozensus, konnten für 2017 rund 82.000 Personen ermittelt werden, welche
die gesetzlichen Unterstützungen nutzten. Aber auch der Beirat bemängelt eine
unzureichende Datengrundlage. Generell lassen sich die Zahlen dahingehend
interpretieren, dass sich der Bedarf pflegender Angehöriger nicht mittels der
gesetzlichen Vorgaben abdecken lässt bzw. diese nicht am Bedarf orientiert
sind. Ebenfalls wenig bekannt darüber ist, wie kleine und Kleinstunternehmen
mit der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf umgehen. Ein Rechtsanspruch auf
Pflegezeit besteht erst ab einer Unternehmensgröße von 16 Mitarbeitenden und
ein Anspruch auf Familien pflegezeit ab einer Größe von 26 Mitarbeitenden. Die
verwehrte Partizipation an gesetzlichen Maßnahmen und fehlende Quer- und
Längsschnitt erhebungen verwehren den Einblick in das Handeln dieser betrieb-
lichen Akteur*innen.
5.6 Maßnahmen in den UnternehmenDas Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) erhebt seit 2012 quantitative
Daten darüber, mit welchen Mitteln die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in
deutschen Unternehmen umgesetzt wird und damit im Umkehrschluss „working
62
carers“ unterstützt werden. Die letztveröffentlichte Studie von 2018 befragte 401
Unternehmen ab einer Größe von 26 Mitarbeitenden nach ihren angebotenen
Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Die Ergebnisse zeigen,
dass mehr als die Hälfte (59 %) der Mitarbeitenden in den befragten Unterneh-
men keine gesetzlichen Angebote genutzt haben. In 42 % der Fälle wusste die
Unternehmensleitung nicht, ob es pflegende Angehörige im Unternehmen gibt
oder gab und konnten dadurch keine Angaben zur Inanspruchnahme gesetzli-
cher Angebote machen. Auf die Frage, welche betriebsinternen Maßnahmen zu
einer besseren Vereinbarkeit bereitgehalten werden, antworteten 58 %, dass
solche Angebote weder etabliert noch geplant sind. Als Gründe hierfür wurde
angegeben:
(1) die Einführung von Angeboten sei zu aufwendig und andere Belange drin-
gender (43 %),
(2) die Umsetzung sei zu teuer (34 %),
(3) mangelndes Wissen, welche Angebote den Betroffenen helfen können (63 %),
(4) mangelndes Wissen, welche Mitarbeitenden Unterstützungsbedarf haben (62 %).
Die Befragungsergebnisse zeigen, dass Unternehmen mehr Beratung und
Unter stützung benötigen, um passende Angebote für ihre Mitarbeitenden zu
finden und zu etablieren. Aktuell werden vorrangig individuelle Lösungen
gesucht, um den berufstätigen pflegenden Angehörigen Entlastung anzubieten.
Welche hierunter fallen, ist in der Studie nicht angeführt und bedarf weiteren
(qualitativen) Forschungsbedarf. Weiterhin wurden keine Unternehmen befragt,
die weniger als 26 Mitarbeitende haben, da diesen ein Zugang zu gesetzlichen
Regelungen verwehrt bleibt und somit keine Wirkungsstudie durchgeführt
werden kann. Wie diese Unternehmenstypen die Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf auf einer individuellen Basis handhaben, wäre relevant zu erfragen, da
immerhin 61 % aller Arbeitnehmer*innen in kleinen bzw. Kleinstunternehmen in
Deutschland arbeiten, darunter mehrheitlich Frauen (Reichert, 2016; ZQP, 2016).
Trotz großen Fortschritten seit Einführung der sozialen Pflegeversicherungen
und den Gesetzen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, bleibt die Frage der
Balance zwischen privater und gesellschaftlicher Verantwortung für pflege-
bedürftige Menschen offen. Die o.g. Kritikpunkte beziehen sich auf die Gren-
63
zen der Leistungsfähigkeit privater Pflege. Die Förderung häuslicher Pflege
(§ 3 SGB XI) setzt das Subsidiaritätsprinzip und damit die familiäre Solidar-
gemeinschaft voraus (Hielscher et al., 2017: 105). Die bestehenden Angebote
für die Unterstützung pflegender Angehöriger sind aber nicht bedarfsgerecht,
was die mangelnde Inanspruchnahme zeigt. Zudem stehen die Pflege reformen
dem Anspruch zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit konträr gegenüber
(Booz & Company, 2011; Leitner & Vukoman, 2015; BMAS, 2018). Um pflegen-
den Angehörigen die Erwerbsarbeit zu ermöglichen, könnten flächendeckende
ambulante und stationäre Angebote beitragen. Die Reduzierung der Arbeitszeit
oder die Aufgabe des Berufes resultiert vor allem daher, dass die häusliche
Pflege in einem hohen Maße zeit- und kraftaufwendig ist und eine geregelte
Berufstätigkeit daneben kaum oder nicht mehr möglich ist.
5.7 Geplante staatliche Maßnahmen zur Entlastung pflegender AngehörigerDie vorangegangenen Ausführungen verdeutlichen, dass die bisher in Kraft
getretenen Gesetze pflegende Angehörige (finanziell) entlasten sollen und vor
allem eine Fortführung der Berufstätigkeit zum Ziel haben. Das gelingt biswei-
len aber nur suboptimal, wie die Zahlen der Inanspruchnahme zeigten. Viele
Studien (u.a. ZQP, Bericht des Beirates zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf,
Report der Barmer GEK) kommen zu dem Schluss, dass viele von Pflegeauf-
gaben tangierten Personen mit den gesetzlichen Leistungen unzufrieden sind,
da sie mögliche Verdienstausfälle durch Arbeitszeiteinschränkungen nicht
existenzsichernd abdecken. Auch bieten sie keinen Anreiz zur geschlechter-
gerechten Aufteilung der Sorgearbeit und bergen dadurch ein indirektes Risiko
für Frauen, sich entweder von der finanziellen Unterstützung ihres Partners
oder dem Einkommen der pflegebedürftigen Person, während und nach der
Pflegephase, abhängig zu machen. Nachfolgend werden aktuelle Überlegun-
gen vorgestellt, die Angehörige in ihrer Pflegetätigkeit vorrangig finanziell
entlasten sollen. Bei einer erfolgreichen Implementierung und Umsetzung der
Gesetzesentwürfe, könnte es zu einer nachhaltig besseren Situation für private
Hauptpflege personen kommen.
64
Angehörigen-EntlastungsgesetzMenschen, die sich in der häuslichen Pflege engagieren, sahen sich mit zwei
widersprüchlichen Gesetzeslagen konfrontiert. Auf der einen Seite definiert
die Bestimmung der Pflegeversicherung (§ 1 und § 2 SGB XI), dass den
Pflegebedürftigen solidarische Absicherung und Unterstützung zukommen
soll, damit ihnen ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben erhalten
bleibt. Auf der anderen Seite aber sollen nach § 3 SGB XI die Angehörigen
und Nachbar*innen der pflegebedürftigen Person eine Versorgung in der Häus-
lichkeit nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ ermöglichen und sicher-
stellen. In dem Zusammenhang wird auch immer wieder der Elternunterhalt
als wichtiger Bestandteil in der Diskussion um die Pflegekosten thematisiert.
Zwischen Eltern und Kindern besteht generell eine Unterhaltspflicht. In welchem
Ausmaß Kinder für ihre Eltern einstehen müssen, hängt von deren Einkommen
ab. Der monatliche Selbstbehalt für Erwerbstätige liegt bei 1.080 Euro und für
Menschen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, bei 880 Euro. Der Selbstbe-
halt erhöht sich für beide Gruppen auf 1.800 Euro, wenn eine Unterhaltspflicht
gegenüber einem abhängigen Familienmitglied besteht (nach Düsseldorfer
Tabelle). Was über dem Schwellenwert von 1.800 Euro liegt, kann vom Sozial-
amt für Unterhaltsforderungen in Höhe von 50 % verlangt werden. Das ist dann
der Fall, wenn das Einkommen und Vermögen der pflegebedürftigen Person
nicht ausreichen, um den eigenen Lebensunterhalt und die Aufwendungen für
Pflegeleistungen zu bestreiten. Hierdurch entsteht eine Diskrepanz zwischen
solidarisch-gesellschaftlicher und subsidiärer-familiärer Verantwortung bei der
Angehörigenpflege. Ein neues Gesetz soll diesem Umstand entgegenwirken.
Das Angehörigen-Entlastungsgesetz soll die Zuzahlungspflicht von Kindern
hilfebedürftiger Eltern beenden, wenn deren Geld und die Mittel aus der gesetz-
lichen (und ggf. privaten) Pflegeversicherung nicht ausreichen. Das heißt, dass
sich Kinder erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro an den
Pflegeausgaben ihrer Angehörigen beteiligen müssen (BMAS, 2019).
Im Jahr 2015 hatten 2 % der Männer und 1 % der Frauen in Deutschland ein
Jahreseinkommen von 100.000 Euro und mehr; weitere 3 % der Männer bzw.
2 % der Frauen verdienten zwischen 81.000-100.000 Euro (Stat. Bundesamt,
2018d). Die Zuzahlungsbefreiung auf Pflegekosten hätte damit eine flächen-
deckende Wirkung. Auch Eltern sollen entlastet werden, die nach SGB XII
65
unterhaltspflichtig sind. Das betrifft z.B. Kinder mit einer Behinderung bei der
Wiedereingliederungshilfe und dem Wohnungsumbau. Mit der hohen Einkom-
mensgrenze ist im Umkehrschluss in vielen Fällen auch keine Prüfung des
Vermögens mehr notwendig. Der Gesetzesentwurf zitiert dazu: „Mit Einführung
einer 100.000-Euro-Grenze sowie einer entsprechenden Vermutungsregel ent-
fällt für diese Personengruppe bezüglich ihrer Inanspruchnahme als Unterhalts-
verpflichtete in der Regel der Aufwand, Angaben über vorhandenes Vermögen
und Einkommen zu machen (Gesetzesentwurf, S. 6)“.
Sollte das Gesetz wie geplant ab dem 01.01.2020 in Kraft treten, würde damit
das Solidaritätsprinzip des Sozialhilferechts aufgehoben und es verschiebt sich
der Schwerpunkt der Angehörigenpflege, als genereller Subsidiaritätsanspruch,
hin zur wohlfahrtsstaatlichen Solidarität. Es wird geschätzt, dass Eltern und
Kinder dadurch in einem Umfang von 422.125 Stunden bei der familiären Pflege
entlasten würden (BMAS, 2019). Auf was sich diese Zahl genau bezieht, ist im
Gesetzesentwurf jedoch nicht detailliert ausgewiesen.
Kritische Stimmen zu dem Vorhaben kommen vor allem aus den Kommunen,
die eine Mehrbelastung in Milliardenhöhe befürchten. Weitere Kritik äußerte
der Vorstand der Deutschen Stiftung für Patientenschutz. Er betonte, dass das
Gesetz nur eine Art Symbolpolitik darstellt und das Armutsrisiko nicht an allen
Stellen lindern kann. So müsste weiterhin ein steigender Anteil pflegebedürftiger
Menschen Sozialhilfe beantragen, da ihr Einkommen aus Rente und Vermögen
für eine adäquate Pflege nicht ausreicht. Nur ein Teil der zuzahlungspflichtigen
Angehörigen wird künftig finanziell entlastet. Neben der ökonomischen Debatte,
die sich daraus ergibt, kann zudem die Frage formuliert werden, ob es grund-
sätzlich zumutbar ist, dass Kinder und Eltern gegenseitig füreinander einstehen?
Handlungsempfehlungen des unabhängigen Beirates zur Vereinbarkeit von Pflege und BerufAus dem ersten Bericht des Beirates geht die Forderung hervor, die Situa-
tion berufstätiger pflegender Angehöriger mehr in den öffentlichen Fokus zu
rücken. Daneben stellt die Kommission fest, dass die vorhandenen staatlichen
Unterstützungs angebote regelmäßig zu evaluieren sind, um deren Wirksamkeit
66
festzustellen. Zentral ist auch, dass sich der Beirat für eine geschlechterge-
rechte Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ausspricht. Die Empfehlungen basie-
ren zusammengefasst auf fünf Schwerpunkten:
(1) Allgemeine Verbesserung der Situation von pflegenden Angehörigen,
(2) nachhaltige finanzielle Unterstützung sowie Freistellungsregelungen,
(3) umfangreiche Information und Beratung,
(4) eine verbesserte Pflegeinfrastruktur und
(5) die Digitalisierung und damit technische Assistenzsysteme unterstützend
und entlastend für pflegende Angehörige einzubeziehen.
Für die Vermeidung eines höheren Armutsrisikos durch häusliche Pflege zielen
insbesondere Punkte zwei, drei und vier ab. Ein zukunftsweisender Vorschlag
ist, das Darlehen aus der Pflege- und Familienpflegezeit durch eine Lohn ersatz-
leistung für erwerbstätige Angehörige zu ersetzen. Vorgeschlagen wird eine
Regelung analog zum Elterngeld, die als staatliche steuerfinanzierte Unterstüt-
zung aufgebaut wird (Erster Bericht Vereinbarkeit Pflege und Beruf, 2019: 45f).
Zudem sollen die Freistellungsregelungen von den jetzigen 24 Monaten auf 36
erweitert werden, wobei eine Mindestarbeitszeit von 15 Stunden pro Woche
möglich sein soll. Über diesen gesamten Zeitraum, soll die Lohnersatzleistung
gezahlt werden. Zudem soll der Vorschlag zu einer besseren Aufteilung der
Sorge arbeit führen, da zum einen durch die fortlaufende Berufstätigkeit nicht
rund um die Uhr gepflegt werden kann und zum anderen sollen sich Männer
durch den finanziellen Anreiz häufiger an der Pflege beteiligen als bisher. Mit
der Einführung einer steuerbasierten Lohnersatzleistung wäre die Pflege älterer
und behinderter Menschen erstmals existenzsichernd abgedeckt. Die Anerken-
nung der Sorgearbeit auf die Rentenbezüge wird aber weiterhin dafür entschei-
dend bleiben, inwieweit sich die Phasen der Pflege auf das Alterseinkommen
von Frauen (und Männern) auswirkt.
Für eine konstante Entlastung von (berufstätigen) pflegenden Angehörigen müs-
sen gesetzliche Maßnahmen und alle Formen der Unterstützung bekannt sein.
Zwar gibt es zahlreiche Formen der Beratung, jedoch sind diese je nach Region
unterschiedlich, nicht dauerhaft finanziell gesichert und vielen pflegenden Ange-
hörigen nicht in Gänze bekannt (ebd., 54). Eine umfassende, neutrale, barriere-
67
freie sowie geschlechterneutrale Beratung mit Beginn der Pflege situation ist
wichtig, um alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, den
Pflegeprozess leichter zu gestalten und nicht zuletzt die Aufrechterhaltung der
Berufstätigkeit zu unterstützen. Der Beirat regt in dem Zusammenhang einen
Rechtsanspruch auf Pflegeberatung an, der im Elften Sozialgesetzbuch
(SGB XI) verankert werden soll (ebd., 55).
Weiterhin erkennt der Beirat, dass die Pflegeinfrastruktur zu verbessern und
auszubauen ist, um pflegenden Angehörigen zu ermöglichen, erwerbstätig zu
bleiben. Wenn es keine ausreichenden und qualitativ hochwertigen Angebote
gibt, die Angehörigen bei der Betreuung maßgeblich entlasten, ist der Ausstieg
aus der beruflichen Tätigkeit häufig die einzige Möglichkeit, der Pflegesituation
gerecht zu werden (ebd., 57). Durch die nicht flächendeckenden Angebote von
ambulanten Diensten, Tages- und Nachtpflege oder Kurzzeitpflege entstehen
Lücken in der Versorgung pflegebedürftiger Menschen und bringt vorrangig
berufstätig pflegende Angehörige in zeitliche Konflikte. Um diesen Mangel zu
beheben, bedarf es umfangreicher Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistun-
gen sowie schnell zugängliche und flexible Angebote.
Der Bericht des Beirates zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bietet erstmals
einen zusammenfassenden Überblick über alle Leistungen und deren Bewer-
tung für pflegebedürftige Personen und ihre Angehörigen. Deutlich wird, dass
die soziale Absicherung von pflegenden Angehörigen noch nicht ausreichend
gewährleistet ist. Zwar erfährt die häusliche Pflege eine Anrechnung in Form
von Rentenpunkten in Höhe eines fiktiv errechneten Erwerbseinkommens
(ebd., 60), aber eine durch die Pflege bedingte berufliche Auszeit, ist mittels
fehlender finanzieller Zuwendungen (bisher) nicht armutsfest gestaltet.
FamilienpflegegeldBasierend auf Aussagen aus einem Interview mit Bundesfrauenministerin
Franziska Giffey (RP Online, 2019) prüft das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, pflegende Angehörige stärker finanziell zu ent-
lasten bzw. zu unterstützen. Danach soll familiäre Arbeit in Form einer Lohn-
ersatzleistung vergütet werden. Das knüpft an den Vorschlag des Beirates zur
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf an, welcher ebenfalls eine finanzielle Hono-
rierung im Vergleich zum Elterngeld fordert. Da es sich hierbei noch nicht um
68
einen ausgereiften Vorschlag handelt, wollen wir ihn an dieser Stelle lediglich
als Illustration erwähnen, dass die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf im Fokus
der Politik ist.
Pflegevollversicherung bzw. Pflegebürger*innenversicherungSeit mehreren Jahren wird das „Teilkaskoprinzip“ der gesetzlichen Pflegever-
sicherung kritisch diskutiert. Vermehrt übersteigen die Kosten der Pflege die
Einkünfte der pflegenden Angehörigen und deren Familien. Daraus folgte bisher
ein Rückgriff auf das Einkommen der unterhaltspflichtigen Familienmitglieder
oder auf Sozialhilfe. Die Pläne zur Begrenzung der Eigenanteile von Ange-
hörigen wurde bereits oben geschildert. Rothgang und Domhoff brachten im
September 2019 gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung ein umfassendes
Arbeitspapier heraus, in welchem sie für eine Pflegebürgerversicherung als
Vollversicherung plädieren. Sie schlagen eine Systemreform vor, die einen
Eigen anteil an der Pflege zukünftig ausschließen soll. Dazu müsste die gesetz-
liche und private Pflegeversicherung zusammengeführt und zu einer Bürger-
versicherung ausgestaltet werden, in die alle Versicherten einzahlen. Eine
Zusammenlegung beider Versicherungszweige würde einen starken Anstieg
des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung verhindern. Eine Voll-
Absicherung würde die Beitrags zahlenden 65 Euro und die Arbeitgeber 25 Euro
mehr im Jahr kosten. Bei den jetzigen privaten Zuzahlungen zur Pflege sind das
überschaubare Beträge, die bei der Bevölkerung auf breite Akzeptanz stoßen
dürfte. Dieser Meinung ist ebenfalls der Sozialverband Deutschland, welcher
sich seit Langem für die Umsetzung der Varianten einer Pflegevollversicherung
und Pflegebürger*innenversicherung ausspricht, um die (finanziellen) Risiken
von Pflegebedürftigkeit solidarisch abzusichern.
5.8 Fazit: Die Auswirkung von häuslicher Pflege auf den BerufDie Angehörigenpflege ist ein Prozess mit multiplen psychischen, körperlichen
und sozialen Folgen. Sie ist oft langwierig und ein grundlegendes Stressereig-
nis. All die ausgemachten Beanspruchungen während der Pflegesituation
bergen finanzielle und gesundheitliche Risiken für die Angehörigen. Wer sich
aktiv am Pflegeprozess beteiligt und dazu erwerbstätig ist, kann sich durch das
paritätische Setting Vereinbarkeitskonflikten ausgesetzt fühlen. Entweder sinkt
das Pflegevolumen durch die Erwerbsarbeit oder das Arbeitsvolumen durch die
69
Pflege. Das bleibt nicht ohne Folgen. Arbeitnehmer*innen berichten von kons-
tanten Schuldgefühlen, keine adäquate Sorgearbeit leisten zu können oder vom
ständigen (Nach-)Denken an die pflegebedürftige Person und deren Zustand
(Franke & Reichert, 2010; Keck, 2012). Die monetäre Belastung verschlechtert
zusätzlich das allgemein schon getrübte Stimmungsbild. Finanzielle Einbußen
entstehen durch ein sich reduzierendes Einkommen, wenn Pflege und Beruf
nicht kompatibel gestaltet werden können oder Ausgaben für Pflegehilfsmittel
(Pflegekosten, Fahrtkosten, Inkontinenzmaterial) notwendig sind. Der finanzielle
Aspekt wird nicht gern thematisiert, wenngleich er eine zentrale Rolle spielt. Die
Mehrausgaben für einen Pflegefall belaufen sich schätzungsweise auf 30.000
bis 80.000 Euro, je nach Pflegedauer (Rothgang & Müller, 2018).
Schlussendlich muss konstatiert werden, dass Pflege Zeit, körperliche Kraft,
Nerven und schließlich Geld kostet. Die Pflicht, dauernd anwesend zu sein,
beschreiben Angehörige als eine der Hauptbelastungen. Erdrückend wirken
zudem die Abhängigkeit und das nicht mehr zur Verfügung stehende Zeitkontin-
gent für die eigene Freizeit und Sozialkontakte. Die körperlichen und seelischen
Folgen für Angehörige sind somit vielfältig. Mit einer anhaltend oder steigenden
Belastung begrenzt sich die Machbarkeit dieses Arrangements, insbesondere
für berufstätige pflegende Angehörige.
Zieht man alle Befunde zusammen, lässt sich eine genauere Aussage der
Auswirkung häuslicher Pflegetätigkeit auf die Erwerbsarbeit treffen (auch Geyer,
2016: 39ff):
1. Je höher die (stundenmäßige) Pflegebelastung pro Tag, desto wahrscheinli-
cher ist ein frühzeitiger Ausstieg aus dem Erwerbsleben.
2. Je länger eine Pflegesituation andauert, desto geringer ist die Erwerbsbetei-
ligung pflegender Angehöriger.
3. Pflegende Frauen reduzieren wegen der Pflege eher ihre Wochenarbeitszeit
als Männer.
4. Verglichen mit den Personen ohne Pflegeaufgaben, ist es für pflegende
Angehörige im erwerbsfähigen Alter weniger wahrscheinlich einer Erwerbs-
tätigkeit nachzugehen.
70
Als Resümee zur Situation von berufstätigen pflegenden Angehörigen ist zu
konstatieren, dass es überwiegend Frauen sind, die Pflege und Beruf miteinan-
der vereinbaren müssen. Ihr Bildungsniveau und ihre wöchentliche Arbeitszeit
sind maßgeblich für die Übernahme familiärer Aufgaben.
Frauen mit höherer und mittlerer Bildung sind öfter mit Vereinbarkeitsproble-
men aus privater Pflege und Erwerbsarbeit konfrontiert. Das folgt dem logi-
schen Prinzip, dass diese Frauen häufiger über dem Teilzeitniveau arbeiten,
generell eine größere berufliche Verantwortung tragen und mehr Einkommen
erzielen. Der Wegfall ihres Einkommens wirkt sich, im Gegensatz zu Gering-
verdienerinnen, besonders negativ auf das gesamte Familieneinkommen aus.
Andererseits ist es ihnen durch eine höhere berufliche Flexibilität (was viele
höherqualifizierte Aufgabenbereiche mit sich bringen) möglich, zumindest eine
Zeit lang und bei nicht zu hoher Pflegebelastung, beide Felder aufeinander
abzustimmen. Nicht selten verschieben sich dabei jedoch die Arbeitszeiten
in die Abendstunden oder das Wochenende, was sich wiederrum negativ auf
den Gesamtgesundheitszustand und das Privatleben der Frauen auswirken
kann. Frauen in geringer qualifizierten Berufen haben ein weniger drängendes
Vereinbarkeitsproblem. Das hat zwei Hauptursachen. Erstens sind sie in einem
geringeren Umfang erwerbstätig, was bedeutet, dass sie mehr freie Kapazitäten
für anstehende Pflegeaufgaben zur Verfügung haben. Zweitens sind sie eher
dazu geneigt, ihren Beruf aufzugeben und sich in Gänze um ihre Angehöri-
gen zu kümmern, da ihr Einkommen, auch wegen der reduzierten Arbeitszeit,
einen wesentlich kleineren Anteil am Familieneinkommen ausmacht und darauf
eher verzichtet werden kann. Das Ehegattensplitting unterstützt bzw. verstärkt
diesen Effekt. Den größten Vereinbarkeitskonflikt dürften vollzeitbeschäftigte
ledige Frauen in einer niedrigen Berufsposition haben. Sie haben aufgrund des
Tätigkeits bereiches meist wenig Gestaltungs- und Kontrollmöglichkeiten über
ihre Arbeitszeit und können es sich nicht leisten, auf Teile ihres Einkommens zu
verzichten, da dies nicht von einem Partner kompensiert werden kann.
71
Kernaussagen
Das deutsche Sozialversicherungssystem basiert nach wie vor auf der
lohnarbeitszentrierten Vollzeitbeschäftigung. Ein einkommenssicherndes
Konzept außerhalb der Erwerbstätigkeit existiert nicht. Eine geschlechter-
spezifische Arbeitsteilung bedeutet für viele Frauen eine direkte finanzielle
Abhängigkeit zum Hauptverdienenden in der Familie.
Familienarbeit wird in einem sehr viel geringerem Maße honoriert als
Erwerbsarbeit. Zudem bestärken steuerliche Anreize das Konzept von
Einverdienerhaushalten und damit einen konservativen Kurs. Anreize
für eine gerechte Aufteilung zwischen Männern und Frauen für bezahl-
ter Erwerbsarbeit und unbezahlter Familienarbeit fehlen bisher in
Deutschland.
Frauen weisen häufig „Betreuungskarrieren“ auf, die bedingt durch familiäre
Sorgearbeit immer wieder ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen und dadurch
über ihren Lebenslauf hinweg weniger Einkommen beziehen.
Die Übernahme von materiell nicht vergüteter Pflegearbeit kann durch den
Transaktionskostenansatz erklärt werden. Die Person im Haushalt, welche
das geringste Einkommen erzielt, einen unsicheren Arbeitsplatz hat oder
nur im geringen Umfang berufstätig ist, übernimmt üblicherweise die häusli-
che Pflege.
Pflege war und ist weiblich geprägt. Damit ergeben sich materielle Nach-
teile im Lebenslauf von Frauen, die sich besonders auf das Einkommen
im Rentenalter auswirken. Fällt zudem das Einkommen des Partners weg,
haben Frauen ein überproportional hohes Armutsrisiko.
Die Frage, warum sich klassische Rollenbilder und die damit einhergehende
klassische Arbeitsteilung von Mann und Frau nicht einfach auflösen lassen,
findet sich einmal in den Typen der klassischen Wohlfahrtsregime begrün-
det und zum anderen in der Beurteilung des Wertschöpfungsgrades von
Reproduktionsarbeit.
6. Wohlfahrtsstaatskonstruktion und Ernährermodell
72
Die Tatsache, dass zwischen Männern und Frauen eine ungleiche Verteilung
von Wohlfahrt in patriarchalisch ausgerichteten Systemen vorliegt und dass das
Armutsrisiko bei alleinerziehenden und älteren Frauen besonders hoch ist, ist in
Europa ein Fakt. Das liegt darin begründet, dass sich die Lohnarbeitszentriert-
heit männlicher Lebensverläufe etabliert hat. Dem zugrunde liegt das Konzept
der „hegemonialen Männlichkeit“, welches das Normalarbeitsverhältnis in Voll-
zeit voraussetzt (Conell & Wood, 2005) und ein gelungenes Konzept von Männ-
lichkeit außerhalb der Erwerbsarbeit nicht vorsieht. Dem gegenüber steht die
unbezahlte Hausarbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird und die sich
im Prinzip der sozialen Sicherung reproduziert. Diese Form der geschlechter-
spezifischen Arbeitsteilung lässt den Mann zur sozialen Absicherung für die
Frau werden (Daly & Lewis, 2000; Kolbe 2002; Meyer, 1998). Damit basieren
finanzielle und soziale Ansprüche von Frauen auf dem Lohneinkommen des
Mannes. Hierzu zählt u.a. Krankenversicherung, Leistungen der Sozialhilfe und
Witwenrente. Je nach vorliegenden Wohlfahrtypus ist das beschriebene Modell
mehr oder weniger stark ausgeprägt. Die sozialpolitische Ausrichtung eines
Landes hat Esping-Andersen (1990) in drei Wohlfahrtsregimen definiert: liberal,
konservativ und sozialdemokratisch. Eine vergleichende Analyse zwischen
diesen drei untersucht
(1) die Logik des Verhältnisses zwischen Markt und Staat in der Bereitstellung
sozialer Leistungen,
(2) die Qualität sozialer Leistungen und
(3) die Wirkung von Sozialpolitik auf die gesellschaftliche Machtverteilung.
Im liberalen Wohlfahrtsregime, dem u.a. Großbritannien angehört, ist der Markt
der Träger von sozialer Sicherheit. Der Schwerpunkt der Verantwortung liegt
auf der Rolle des freien Marktes und der Familie. Der Staat unterstützt die
Rolle, indem er private (soziale) Versicherungen fördert. Staatliche Leistungen
sind residual, d.h. sie werden erst dann gewährt, wenn die Hilfe zur Selbst-
hilfe erschöpft ist. Aus diesem Grund sind die Leistungen geringgehalten und
unterliegen einer strengen Bedarfsprüfung (Esping-Anderson, 1990, 2002).
Konservative Wohlfahrtsregime, dem u.a. Deutschland angehört, verfügt über
eine erheblich umfassendere Sozialpolitik als das liberale Regime, dennoch
spielt der Markt eine entscheidende Rolle, in dem die Sozialpolitik auf markt-
73
bezogene Statusunterschiede ausgerichtet ist. Das heißt, dass soziale Leis-
tungen stark erwerbsarbeitsbezogen sind und nur eine geringe Umverteilungs-
wirkung existiert (Kaufmann, 2016). Das sozialdemokratische Regime basiert
auf einem institutionalisierten Wohlfahrtstaat. Ein Dualismus zwischen Markt
und Staat ist hier nicht vorhanden und Gleichheit soll auf einem hohen und
nicht auf einem niedrigen Standard hergestellt werden (Esping-Andersen, 1990:
27ff). In den Mittelpunkt rückt die Frage, wie der Sozialstaat mit der Pflege-
und Versorgungs leistung, die unentgeltlich von Frauen erbracht wird, umgeht.
Moderne Gesellschaften sind auf Familienarbeit angewiesen, honorieren sie
aber in sehr viel geringerem Maße als Erwerbsarbeit. Das hat vor allem Aus-
wirkungen auf Frauen, die aufgrund privater Pflegearbeit in der Familie ihre
Erwerbstätigkeit zurückstellen und aufgrund mangelnder staatlicher Absiche-
rung in wirtschaft liche Abhängigkeit zum Familienernährer geraten (Daly &
Lewis, 2000).
Gewährte Leistungen knüpfen an die Staatsbürgerschaft an und nicht an die
Erwerbstätigkeit. Leistungen sind für die gesamte Bevölkerung zugänglich und
die Qualität der sozialen Leistungen ist besonders hoch. Zum Beispiel hat die
Grundrente in Schweden erreicht, dass Frauen im Alter eigenständige Renten-
ansprüche erwerben und somit Altersarmut vermieden wird (Leitner, 2016). In
der Klassifikation des liberalen und des konservativen Regimes ist das männ-
liche Ernährermodell besonders stark ausgeprägt. Männer sind vorrangig in
Vollzeit erwerbstätig und dadurch mit Sozialleistungen ausgestattet, welche die
materielle Lebensgrundlage der von ihnen abhängigen Frauen gewährleistet.
Frauen erbringen im Gegenzug unbezahlte Erziehungs-, Pflege- und Haus arbeit.
Damit skizziert sich ein Abhängigkeitskreislauf. In Deutschland wie auch in
Groß britannien ist die Erwerbstätigkeit von Müttern niedrig und die von Frauen
diskontinuierlich.
In Deutschland ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten unter Frauen deutlich
höher als der von Männern und unterscheidet sich je nach Alter. Während die
Teilzeitquote für Frauen in Deutschland bis zum Alter von 30 Jahren mit 38,5 %
noch vergleichsweise niedrig ist, steigt sie vom Alter von 30 bis 65 Jahren
74
kontinuierlich auf über 55 % (IAQ, 2018). Mit zunehmendem Alter der Frauen
nimmt auch ihre Vollzeitbeschäftigung ab, was u.a. mit familiären Betreuungs-
pflichten zusammenhängen kann.
Abbildung 7: Teilzeitquoten nach Alter und Geschlecht 2018
(Teilzeitbeschäftige in % aller abhängig Beschäftigten1)
Quelle: IAQ, 2018
1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Beamt*innen und geringfügig Beschäftigte
Die geringere Vollzeitbeschäftigung von Frauen ist damit Ausdruck des Prob-
lems, die private Lebensführung mit der Berufstätigkeit zu verbinden. Im Ver-
gleich dazu gehen Männer in den Lebensphasen, die von der Verantwortung für
abhängige Familienmitglieder geprägt sind, sehr häufig einer Vollzeitbeschäfti-
gung nach. Das bedeutet, dass das Vereinbarkeitsproblem hauptsächlich von
und durch Frauen gelöst werden muss.
Im liberalen wie auch im konservativen Regime, werden Frauen zwar als
Erwerbs tätige anerkannt aber es ist zu hinterfragen, ob in der Biografie einer
Frau die Erwerbs- oder die Fürsorgearbeit Vorrang hat und wie stark die
Erwerbs tätigkeit von Frauen bzw. Müttern gefördert wird. Das deutsche Steuer-
system fördert im besonderen Maße die Geschlechterungleichheit zwischen
75
erwerbstätigen Männern und Frauen. Sainsbury (1999: 195) spricht von einem
sogenannten „Strafeffekt“ für verheiratete Frauen, da dadurch das Steuer-
modell der Einverdienerehe gefördert wird und die eigenständigen Einkünfte
von Frauen weiter schmälert. Das sogenannte „Ehegattensplitting“, welches
1958 eingeführt wurde, ermöglicht verheirateten Paaren und eingetragenen
Lebensgemeinschaften sich steuerlich wie eine Person behandeln zu lassen.
Es wird dann ein Steuervorteil erwirkt, wenn einer der Partner nicht oder nur in
einem geringen Umfang erwerbstätig ist. Das Modell lohnt sich also vor allem in
Haushalten, in denen nur eine Person sehr viel und die andere wenig verdient,
z.B. durch die klassische Aufteilung von Voll- und Teilzeitbeschäftigung (Boll et
al., 2017; Daly, 2000; Lewis, 2001). Die größten Vorteile bietet die Variante für
Alleinverdiener-(Ehe)Paaren. Wer mitverdient, muss ebenfalls Lohnsteuer und
Sozialabgaben entrichten und ist nicht mehr beitragsfrei beim Partner kranken-
versichert. Zudem schmälert sich der Steuervorteil. Wenn beide Partner gleich
verdienen, lohnt sich ein Splitting nicht mehr. Der/Die Hauptverdienende hat
dann nur geringe steuerliche Abzüge. Das fördert direkt das Ernährermodell
bzw. den besserverdienenden (meist männlichen) Part und subventioniert das
„Hausfrauen- und Mutterdasein“ (ebd.). Damit fördert das Splitting erstens die
Ehe selbst, unabhängig ob mit oder ohne Kinder, und zweitens verstärkt es
die Ungleichheit der Erwerbseinkommen von Männern und Frauen durch die
Transfersysteme.
Mit Transfer ist immer eine regelmäßige Zahlung gemeint, die den Lebensunter-
halt sichert. Der Staat überlässt in dem Fall eine soziale Transferleistung (einen
bestimmten Geldwert) ohne Gegenleistung dem*der Transferempfänger*in.
Zumeist liegt eine Bedürftigkeitsprüfung zugrunde. Das deutsche System
unterstützt durch seine konservative Ausrichtung und die dadurch relativ
umfang reichen Transferleistungen sowie das Steuersystem die Geschlechter-
ungleichheit und versucht, Frauen sukzessiv in eine (finanziell) passive Rolle
zu drängen, wenn sie einmal geheiratet oder Kinder bekommen haben. Eine
geschlechterspezifische Benachteiligung ist damit nicht mehr individuell, son-
dern ein Zusammenspiel aus gesellschaftlichen-institutionellen Strukturen. Die
Auswirkungen dieser Politik spiegelt sich sehr deutlich im Gender-Pay-Gap und
Gender-Pension-Gap wider. Das deutsche System zeigt sich hier besonders
resistent gegen einen Wandel, da sich keine Entwicklung hin zu einem Doppel-
76
verdienermodell („dual breadwinner model) erkennen lässt. Zwar haben Frauen
ein hohes Bildungs- und Qualifikationsniveau, jedoch ist die Mutterrolle sym-
bolisch aufgeladen und folgt dem hegemonialen Deutungsmuster, dass Kinder
unter der Erwerbstätigkeit ihrer Mütter leiden würden (u.a. Kolbe, 2002; OECD,
2017). Das zeigt auch eine Studie vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
schung (IAB, 2017). Die Befragten gaben an, dass Mütter erst wieder in Teilzeit
arbeiten sollen, wenn das Kind drei Jahre alt ist. Eine Vollzeittätigkeit solle vor
dem sechsten Lebensjahr des Kindes nicht angestrebt werden. Die Befragungs-
ergebnisse variierten vor allem nach dem Befragungsort und der Familienkon-
stellation. In Westdeutschland und in Paarhaushalten mit Kindern, wurde eine
eher traditionelle Haltung vorgefunden, während Familien in Ostdeutschland
und Alleinerziehende Mütter einen früheren Berufseinstieg favorisierten (ebd.).
Eine konservative Haltung zu Haushalts- und Familienkonstellationen ist meist
der erste Schritt in die „Betreuungskarriere“ einer Frau und kehrt in ihrem
Lebenslauf häufig wieder, sobald ein weiteres Kind geboren wird oder ein älte-
res Familienmitglied versorgt werden muss.
6.1 Die Abhängigkeit der Frau im WohlfahrtsregimeDass im konservativen Wohlfahrtsstaat vorherrschende „male breadwinner
model“ gekoppelt mit dem „female homemaker model“ bzw. „female caregiver
model“ benachteiligt die Arbeit der Frau in der Familie systematisch. Frauen
übernehmen mit Masse die Betreuungs- und Pflegeaufgaben und werden dafür
nur nachrangig abgesichert. Dass forciert eine traditionell häusliche Arbeits-
teilung und das Risiko für Frauen, in die beschriebene monetäre Abhängigkeit
ihrer Männer zu geraten (Lewis & Ostner, 1994; Lewis, 2001). Anreize für eine
Aufteilung der Aufgaben zwischen Mann und Frau in den Bereichen Erziehung
und Pflege fehlen in Deutschland bisher (Lewis & Ostner, 1994). Zu dem
Schluss kommt u.a. Leitner (2016), in dem sie feststellt, dass Deutschland auf
eine explizite familiäre Unterstützung setzt, wenn es um die Versorgung von
Familienangehörigen geht. Personen, die familiäre Pflegearbeit erbringen, sind
wenig autonom, sondern wirtschaftlich abhängig von einem „starken Ernährer“.
77
Das Verhältnis von Geschlechterrollen und Wohlfahrtssystem wird vor allem
durch die Erwerbsbeteiligung und die Pflegearbeit in den Familien deutlich.
Beide Lebensbereiche sind eng miteinander verbunden und die sozialen
Transfer leistungen spielen im geschlechterspezifischen Verhältnis von Män-
nern und Frauen im Arbeits- bzw. Familienleben eine zentrale Rolle. Obwohl
die meisten Leistungen nicht geschlechterspezifisch formuliert sind, liegen
die Ansprüche von Frauen häufig hinter denen von Männern. Das liegt daran,
dass Männer und Frauen im Erwerbsleben ungleich beteiligt sind. In dem
Zusammen hang zeigt der „Family Gap“ die Unterschiede zwischen Frauen mit
und ohne familiäre Pflegeaufgaben und der „Gender (Pay) Gap“ verweist auf die
ungleiche Situation von Männern und Frauen allgemein (Lewis & Ostner, 1994;
Sainsbury, 1999; Leitner, 2016). Viele Frauen haben im Gegenzug zu Männern
keine durchgängige Vollzeit-Erwerbsbiografie, weil sie phasenweise oder teil-
weise ganz aus dem Erwerbsleben ausscheiden. In diesen Lebensabschnitten
erwerben Frauen nur geringe Ansprüche an sozialen Transferleistungen und
laufen Gefahr, den Karriererückstand nicht mehr aufzuholen. Das bindet sie
in doppelter Weise an den Hauptverdiener der Familie und verstärkt den
Gender(Pay)Gap. Warum dennoch so viele Frauen Sorgearbeit übernehmen
und sich dadurch der Gefahr von Einkommensarmut im Alter aussetzen, kann
durch den Transaktionskostenansatz erklärt werden.
6.2 Transaktionskostenansatz in FamilienDer Transaktionskostenansatz ist theoretisch und pragmatisch fundierter Denk-
ansatz, der die Koordinationsmechanismen sozioökonomischer Austausch-
beziehungen bereitstellt und somit als Gestaltungsgrundlage zwischenmensch-
licher Leistungsbeziehungen dient (Picot, 1981: 346). Im Folgenden wird der
Versuch unternommen, zentrale Bausteine und Gedanken der Transaktions-
kostentheorie im Überblick darzustellen und auf Familienhaushalte als organisa-
tionale Einheiten zu übertragen.
Eine Transaktion ist eine elementare Untersuchungseinheit sozioökonomi-
scher Aktivitäten. Commons (1990) erläutert, dass eine Transaktion nicht nur
ein „Austausch von Waren im physischen Sinn“ ist, sondern auch „ein Erwerb
von Rechten, der durch die Regeln der kollektiv funktionierenden Gesellschaft
festgelegt wird (Commons, 1990: 58; Übersetzung aus dem Englischen). Es
78
geht somit um eine soziale Beziehung zwischen den Individuen und um
eine zweckbezogene Tauschhandlung. Diese ist als ein Prozess zu verste-
hen, in dem der Tauschwert und die Rechte und Pflichten zwischen den
Tauschpartner*innen festgelegt werden. Ein Tausch vollzieht sich dabei immer
im Rahmen kollektiver Regeln und einer Gemeinschaft (ebd.). Betrachtet man
das in Verbindung mit den vorangestellten Wohlfahrtstypen wird deutlich, dass
es sich bei der Erbringung von Reproduktionsarbeit innerhalb der Familie
erstens um eine Trans aktion eines immateriellen Gutes handelt, nämlich der
Pflege- und Fürsorgearbeit, und zweitens eines materiellen Gutes, nämlich
der Transferzahlung des meist männlichen Ernährers an die fürsorgeleistende
Person (meist die Frau). Die hier stattfindende Transaktion ist die zu analysie-
rende Basiseinheit einer stimmigen Tauschbeziehung. Um die Passfähigkeit
der Tauschbeziehung zu bestimmen, müssen auch die Kosten einbezogen
werden, welche die Transaktion mit sich bringt. Es entstehen Transaktionskos-
ten, die als „costs of running the economic system“ (Arrow, 1969: 48) definiert
sind. Der Kern der Analyse besteht in einer vorrausschauenden Kalkulation
von Kosten, der bei der Anbahnung und Abwicklung von Transaktionen entste-
henden Verluste.
Wenn es in Familien darum geht, dass für ein Familienmitglied Sorgearbeit
übernommen wird, gilt es die Kosten für die Entscheidung, wer diese Arbeit
übernimmt bzw. ausführt, abzuwägen. Diese Entscheidung folgt einer Ein-
sparungs orientierung, um die langfristige Aufrechterhaltung des Familien-
einkommens und -vermögens sicherzustellen. Zu definieren ist dieser
Hand lungsschritt als eine Identifikation von Transaktionsmerkmalen, die
dem Zustande kommen einer Entscheidung vorangestellt sind und auf die
Senkung der Transaktionskosten ausgerichtet ist (Williamson, 1990: 59).
Betrachten wir mit dem Wissen das Einkommen einer Familie, ist es logisch,
dass dieses gesichert werden soll. Die Familienmitglieder begeben sich vor
diesem Hinter grund auf eine rationale Entscheidungsfindung. Diese wird
nicht wie bei wirtschaftlichen Transaktionen ausschließlich von Opportu-
nismus bestimmt. Durch die emotionale Bindung unter den Familienmitglie-
dern kann Opportunismus durch Altruismus und Loyalität ersetzt werden
79
(Treas, 2006). Welche Person für die Übernahme der Reproduktionsarbeit
ausgewählt wird, hängt vor allem von folgenden materiellen Faktoren und
Entscheidungsparametern ab:
Person ohne Erwerbsarbeit,
Person mit dem geringsten Einkommen, da auf dieses eher verzichtet wer-
den kann,
Person mit dem unsichersten Arbeitsplatz, da z.B. nur ein befristetes
Arbeitsverhältnis besteht,
Person mit den geringsten Arbeitsstunden in der Woche,
Person mit den geringeren beruflichen Erfolgs- und Karriereaussichten.
Die angeführten Punkte treffen besonders häufig auf Frauen zu, da sie
(1) häufig einen kleineren Teil zum Haushaltseinkommen beitragen oder dem
„female caregiver model“ folgen,
(2) aufgrund ihrer bereits geleisteten Sorgearbeit für Kinder in der Vergangen-
heit eine fragmentierte Erwerbsbiografie haben und ihnen
(3) geringere Karrierechancen unterstellt werden und daher die Sorgearbeit vor
der beruflichen Verwirklichung steht.
Dieses Entscheidungsmuster nach dem Transaktionskostenansatz findet seine
Ausgangsbasis in dem Typus des konservativen Wohlfahrtstaates begründet.
Wenn der Zuverdienst einer Frau zum Familieneinkommen wegfällt, wird die
finanzielle Stabilität der Familie zwar gefährdet, aber sie wiegt nicht so schwer
wie der Verlust des Erwerbseinkommens des Mannes.
6.3 Fazit: Das Prinzip der Pflegeökonomie (Care Oeconomic)Fürsorge- und Pflegetätigkeiten betreffen nicht nur die Empfänger*innen
der (unbezahlten) Leistungen, sondern haben bedeutsame gesellschaftliche
Aus wirkungen. Der Ansatz der „Care-Economy“ (Brückner, 2004; Madörin,
2010) untersucht die sozialpolitischen Strategien mit Bezug auf Pflege und
deren sozioökonomische Auswirkung unter Zuhilfenahme statistischer Mittel.
80
Dadurch werden Schwachstellen des patriarchalen und liberalen Denk ansatzes
aufgedeckt sowie die Bedeutung von Reproduktionsarbeit hervorgehoben.
Unter diesem Blickwinkel wird folgendes sehr deutlich:
1. Die familiäre Unterstützung für pflegebedürftige Personen wirkt sich zum
einen positiv auf die Staatsausgaben aus, verschärft aber zum anderen
die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in patriarchalen Regimen.
Andersherum betrachtet, bringen öffentliche Pflegestrukturen und profes-
sionelle Pflegearbeit hohe öffentliche Kosten mit sich, wenngleich sie die
Ungleichheit zwischen Mann und Frau verringern (Daly, 2000).
2. Die geleistete Reproduktionsarbeit in den Familien taucht in Arbeits-
markt statistiken nicht auf. Sie wird dadurch nicht wahrgenommen oder
anerkannt und durch die hierarchische Geschlechterordnung verstärkt
( Brückner, 2004: 15). Zwar ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den
westlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten angestiegen, zu einer
Umverteilung der unbezahlten Care-Arbeit kam es dennoch nicht.
3. Die Produktionsarbeit ist nach wie vor vorherrschend und lässt der Care-
und Beziehungsarbeit nur einen mangelnden Stellenwert zukommen. Die
von Männern erbrachte Erwerbsarbeit wird durch Lohn anerkannt und
gewürdigt, wohingegen die Pflege als sekundäre Tätigkeit eingestuft wird
und nach Mascha Madörin (2010) nicht einmal als „Arbeit“ betrachtet wird.
4. Das vorherrschende liberale Menschenbild stellt das Individuum als selbst-
ständig und unabhängig dar. Dabei zeigt uns das Gesellschaftsbild und die
Konstruktion von Familien, einen besonders hohen Grad der gegenseitigen
Abhängigkeit (ebd.).
5. Die Dichotomie zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit ist nach
Auffassung von Daly und Lewis (2000: 284) grundsätzlich infrage zu stellen.
Dafür ist der Einfluss von Care auf die sozialpolitische Dimension zu groß.
Sie schlagen daher vor, den Begriff „Care“ in „Social Care“ umzu benennen,
um darauf hinzuweisen, dass es sich um „an activity that crosses spheres“
handelt (ebd.:286; Brückner, 2004: 9). Mit dieser Neuauslegung des Begriffs
wäre es möglich, wirtschaftliche und gesellschaftliche Tätig keiten zusam-
menzufassen und sie unter einem einheitlichen Fokus zu analy sieren. Damit
würde sich innerfamiliäre Pflege eindeutig in einem Geldwert erfassen las-
81
sen, was ihre gesellschaftliche Relevanz hervorhebt. Die Erkenntnis, dass
jede*r einen Beitrag zum gemeinschaftlichen Wohlstand leistet, würde dann
deutlich und könnte ungleiche paternalistische Systeme in Frage stellen
(Brückner, 2004; Daly & Lewis, 2000; Madörin, 2004).
Aus den Ausführungen lässt sich schlussfolgern, dass sich das angestrebte
neoliberale Ideal der beidseitigen Vollzeitbeschäftigung von der Mehrheit der
Menschen in Deutschland nicht realisieren lässt. Grund ist die Notwendig-
keit der zu erbringenden Reproduktionsarbeit für jüngere sowie ältere unter-
stützungs bedürftige Familienmitglieder. Feministische Perspektiven fordern
eine „Care Revolution“ zugunsten der unbezahlten Reproduktionsarbeit (ebd.,
Winker, 2015). Sie fordern die Anerkennung, Wertschätzung und Aufwertung
der Familien arbeit. Dazu müssen politische Akteur*innen die Verwirklichung
menschlicher Lebensbedürfnisse in den Vordergrund stellen und nicht Öko-
nomie und Gewinnmaximierung. Logisch wird dieser Perspektivwechsel unter
Einbezug der Tatsache, dass Kinder, Kranke oder Alte nicht als „Andere“ aus
der Gesellschaft exkludiert werden können. Dieses neo-liberalistische Konstrukt
kann nicht bestehen, da jeder Mensch mindestens zu einem Drittel seines
Lebens von anderen abhängig ist, weil er sehr jung, krank oder alt ist (Schrader,
2014: 58).
Mit dem Prozess des Umdenkens müssten wesentliche Schritte zur Verwirkli-
chung vollzogen werden. Zu den entschiedensten gehören:
Die deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Gehälter von
Pflegepersonal. Das führt zu einer höheren Personalzufriedenheit und einer
geringeren Fluktuation in den pflegezentrierten Berufen.
Die Erschließung finanzieller Ressourcen, z.B. durch die Besteuerung ein-
kommensstarker Personen und von Unternehmensgewinnen, sowie deren
Umverteilung. Das führt zu einer höheren Einkommensgerechtigkeit und
beugt Armut besonders in finanzschwachen Haushalten vor. Zudem muss
das Steuersystem geschlechtergerechter gestaltet werden. Die steuerliche
Förderung der Ehe als „beste“ Lebensform gefährdet eine eigenständige
Existenzsicherung von Frauen und schränkt ihre individuelle Wahlfreiheit ein.
82
Die Fortführung der Berufstätigkeit trotz der Übernahme von Familien- und
Sorgearbeit. Pflegende Angehörige benötigen eine qualitativ hochwertige
und gendergerechte Infrastruktur. Hierzu bedarf es gemischter Betreuungs-
formen, die für Angehörige gut erreichbar sind und flexibel zur Verfügung
stehen.
Die Verbesserung haushaltsnaher Dienstleistungen, um besonders Frauen
bei der Familienarbeit zu entlasten und dadurch berufliche und finanzielle
Nachteile vorzubeugen. Haushaltsnahe Dienstleistungen müssen staatlich
so ausgebaut werden, so dass sie zu existenzsichernden und ausnahmslos
legalen Beschäftigungsformen werden.
Den Wiedereinstieg in den Beruf nach familienbedingten Auszeiten mit ent-
sprechenden Übergangsprogrammen gut zu gestalten. Zudem sind Arbeits-
zeiten an die Lebensrealitäten der berufstätigen pflegenden Angehörigen
anzupassen.
Nur eine konsequente Ausrichtung an den Erfordernissen der Sorge- und Haus-
arbeit unter geschlechterspezifischen Gesichtspunkten kann erreichen, Frauen
nachhaltig zu entlasten. Eine verlässliche wohnortnahe Pflegeinfrastruktur ist
ebenso notwendig, wie ein betriebliches Engagement zur Förderung und zum
Erhalt des weiblichen Arbeitspotenzials. Alle Maßnahmen tragen zu einem
besseren Vereinbarkeitsmanagement von Familie, Pflege und Beruf bei, was
sich direkt positiv auf die Höhe des Erwerbs- und Renteneinkommens auswirkt.
83
„Nur einen Ehemann von der Armut entfernt“ (Simmel, 1993: 353) könnte das
Motto des konservativen Wohlfahrtsregimes lauten. Es hat sich gezeigt, dass
die Versorgung junger, alter, behinderter oder kranker Menschen nicht allein
institutionell zu bewältigen ist und zudem politisch nicht forciert wird. Nach wie
vor ist die Zuweisung von Reproduktionsarbeit eine familiäre Aufgabe, die sich
auf Solidarität, Altruismus, Reziprozität und Verpflichtung stützt. Frauen leisten
über ihren gesamten Lebenslauf hinweg deutlich mehr Sorgearbeit als Männer.
Sie verwenden anderthalbmal so viel Zeit dafür, was einem täg lichen Mehr-
aufwand von 87 Minuten gegenüber dem von Männern entspricht (BMFSFJ,
2016: 39). Ohne die innerfamiliären Aufwendungen für Sorge arbeit wäre die
Aufrechterhaltung des subsidiären Prinzips gefährdet ( Winker, 2015: 16). Der
Sorgearbeit kommt eine hohe ökonomische Bedeutung zu. Belastende Zahlen
sind allerdings schwer zu finden, da sie in der Wirtschaftsberichtserstattung
nicht enthalten sind. Schätzungen gehen davon aus, dass Haushalte 35 % mehr
Zeit für unbezahlte Arbeit als für bezahlte Erwerbs arbeit aufbringen (Schwarz
& Schwahn: 35). Das entspräche einer Bruttowertschöpfung in Höhe von
987 Milliarden Euro. Damit liegen die Tätigkeiten der Haus- und Familien arbeit
deutlich über der Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes mit 769 Milliar-
den Euro (BMFSFJ, 2017; Schwarz & Schwahn, 2016).
Wenngleich die private Fürsorge verschiedene politische und familiäre Vorteile
mit sich bringt, ergeben sich gleichzeitig viele Nachteile für die Personen, die
sie übernehmen. So senkt die unbezahlte Pflegearbeit fast automatisch den
Umfang der Erwerbstätigkeit, da das Hinzuziehen professioneller Unterstüt-
zung vielfache monetäre Einschnitte bedeutet. Mit dieser Voraussetzung ist es
für Familien, mit Blick auf das Haushaltseinkommen, zumeist kostengünstiger,
die Pflege privat und unentgeltlich zu organisieren. Durch die nach wie vor
existente geschlechterhierarchische Arbeitsteilung sind es vorrangig Frauen,
welche die sorgenden Tätigkeiten ausführen und damit die Risiken allein tragen.
Die Ungleichheitsstrukturen von unbezahlter Sorgearbeit, die sich vornehm-
lich durch fehlendes Einkommen ergeben, sind Dreh- und Angelpunkt in der
Benachteiligung von Frauen.
Die These, dass weibliche (Alters-)Armut in der unbezahlten Sorge- und Haus-
arbeit und der damit verbundenen geringen (stundenmäßigen) Erwerbsbetei-
7. Schlussbetrachtung: Der lange Schatten der unbezahlten Sorgearbeit
84
ligung begründet liegt, kann bestätigt werden. Frauen, die sich unentgeltlich
um Angehörige kümmern, verfügen selbst über weniger oder kein Einkommen,
gegenüber ihren Partnern oder den Frauen, die einer bezahlten Erwerbsarbeit
nachgehen. Sie sind direkt abhängig vom Einkommen ihres (Ehe-)Mannes.
Zwar geht die haushaltsbezogene Armutsmessung davon aus, dass das Haus-
haltseinkommen paritätisch zur Verfügung steht und jedes Haushaltsmitglied
das gleiche Wohlfahrtsniveau erreicht (Betzelt, 2018: 1669), eine rechtliche
Verfügungsgewalt zu dieser Regelung besteht jedoch nicht. Damit sind Frauen,
die wenig(er) oder gar nichts zum Familieneinkommen beisteuern, von den
Subventionen des Hauptverdieners abhängig. Damit verschleiert die Haushalts-
perspektive ungleich verteilte Beschäftigungsstrukturen in bezahlter Erwerbs-
arbeit und unbezahlter Familienarbeit.
Maßgeblich können drei Punkte für ein erhöhtes Armutsrisiko von Frauen im
Alter verantwortlich gemachte werden:
(1) die unbezahlte Familienarbeit,
(2) das ungleiche Erwerbssystem und
(3) die nach wie vor wirkenden und wohlfahrtsstaatlich geförderten
Geschlechterstereotype.
Unter dem ersten Punkt „unbezahlte Familienarbeit“ subsumiert sich die
Schwierigkeit, durchgängig ein eigenes Einkommen zu erwerben ebenso, wie
die zeitlich eingeschränkte Möglichkeit zur Erwerbsarbeit inklusive aller daraus
resultierenden Karrierenachteile. Die Folgen übernommener häuslicher Sorge-
arbeit zeigen vor allem im Alter ihre volle Auswirkung. Frauen konnten weniger
Ersparnisse ansammeln oder private Zusatzversicherungen abschließen, sie
sind auf den Hauptverdiener in der Familie oder sozialstaatlichen Transfer
angewiesen und sie haben durch die genannten Faktoren eine geringere
Renten anwartschaft, was sie überproportional „anfällig“ für Altersarmut macht.
Der zweite Punkt „ungleiches Erwerbssystem“ umfasst Lohnlücken zwischen
Frauen und Männern, die durch direkte oder indirekte Diskriminierung entstehen
sowie durch Erwerbsunterbrechungen. Beide Effekte bedingen sich gegen-
seitig. So konnte gezeigt werden, dass Frauen nach der Geburt des ersten
Kindes überwiegend in Teilzeit arbeiten und dadurch in die Rolle der Zuverdie-
85
nerin übergehen. Das führt im Endeffekt zu inkonsistenten Lohn- und Karriere-
aussichten und der höheren Wahrscheinlichkeit, sich im Lebenslauf auf eine
wieder kehrende häusliche Pflegesituation zu konzentrieren (sei es durch weitere
Kinder oder pflegebedürftige Angehörige) als auf den beruflichen Werdegang.
Der dritte Punkt thematisiert „anhaltende Geschlechterstereotype“, die durch
den Wohlfahrtsstaat aufrechterhalten und gefördert werden. Anreiz systeme in
Form des Ehegattensplittings, der auf dem Äquivalenzprinzip ausgerichteten
Sozialversicherungsansprüche, der vollen Anrechnung des Einkommens des
Partners bei Arbeitslosigkeit sowie die Möglichkeit der Mitversicherung in der
Krankenkasse des Mannes bei vorrübergehender oder vollständiger Arbeits-
unterbrechung, machen Frauen finanziell abhängig. Zusätzlich ist das mangel-
hafte Betreuungs- und Versorgungsangebot für Kinder und pflegebedürftige
Erwachsene für unterbrochenen Erwerbsmuster von Frauen mitverantwortlich,
da sie auf keine ausreichend zeitliche und qualitativ hochwertige Unterstützung
zurückgreifen können (Betzelt, 2018: 169). Bricht der männliche Hauptverdiener
durch Trennung oder Tod weg, sind Frauen aufgrund ihrer gewählten Erwerbs-
muster in der Partnerschaft überproportional von Armut bedroht.
Alle drei benannten Punkte können als „Armutsbeschleuniger“ definiert werden.
In ihnen spiegeln sich individuelle Entscheidungen wider, die über den Lebens-
lauf als Risikofaktoren für Armut gelten und Folgen auf das Einkommen im Alter
haben. Unter ihnen sind es die Erwerbsunterbrechungen, also die Phasen der
„Inaktivität“, die ein besonders hohes Armutsrisiko bergen. Solange Frauen unter
den jetzigen wohlfahrtsstaatlichen Bedingungen ihre Berufstätigkeit für die fami-
liäre Arbeit zurückgestellt oder aufgeben, werden sie es sein, die während und
nach ihrem erwerbsfähigen Alter von Armut bedroht und betroffen sind. Gegen-
steuern könnte hier u.a. die konsequente Förderung der Zwei-Verdiener-Haus-
halte, die Individualbesteuerung und eine bessere Pflegeinfrastruktur. Diese
abschließenden Erkenntnisse sind keinesfalls neu. Sie verdeutlichen aber, dass
häusliche Pflege dann arm machen kann, wenn sie mit Erwerbsreduzierung
oder -unterbrechung einhergeht. Die Auswirkungen sind besonders im Alter
zu spüren, da sich hier alle Effekte bündeln. Die These, dass Armut vorrangig
weiblich ist, hat nach wie vor Gültigkeit.
86
Pflegende Angehörige haben zu lange ohne Anerkennung oder angemessene
Entschädigung gearbeitet, was der lebenswichtigen Aufgabe der Sorge für Hilfe-
bedürftige widerspricht und dem zunehmenden Bedarf an Pflege entgegenwirkt.
Unser kollektives Versäumnis, die häusliche Versorgung von Menschen mit
Pflegebedarf als Schlüsselkomponente der (Langzeit-)pflege in unser System
aufzunehmen, führt dazu, dass informell Sorgende mit einem erheblich vermin-
derten finanziellen Wohlstand – und in vielen Fällen mit Verarmung – konfron-
tiert sind. Das ist ein Phänomen, welches sich durch den ganzen Lebenslauf
zieht. Es beginnt bei der Betreuung von Kindern, setzt sich mit der Pflege von
Angehörigen fort und wirkt auch dann noch, wenn die Betreuungsaufgaben
enden. Eine ausreichende öffentliche finanzielle Unterstützung für pflegende
Angehörige ist notwendig, um der Aufrechterhaltung dieses prekären Systems
entgegenzuwirken.
87
Kernaussagen
Um den Forschungstand zusammenzutragen, wurde nach wissenschaft-
lichen Kriterien ein systematisches Literaturreview deutsch- und englisch-
sprachiger Publikationen durchgeführt.
Die Suche erfolgte anhand der Schlagworte „Altersarmut“, „Frauen“ und
„häusliche Pflege“ in verschiedenen Kombinationen. Die Suchbegriffe
mussten entweder im Abstract, im Titel oder als Schlüsselwörter in der
Publikation vorhanden sein.
Je konkreter die Suchbegriffe auf das Thema formuliert wurden, desto
weniger Treffer konnten erzielt werden. Die Korrelation von häuslicher
Pflege und geschlechterspezifischer Altersarmut brachte die wenigsten
Ergebnisse hervor. Zudem waren die meisten Quellen englischsprachig.
Der Zusammenhang zwischen Altersarmut und Pflege ist bislang nur eine
Hypothese, die kritisch betrachtet und hinterfragt werden muss. Um eine
Ver bindung zwischen Altersarmut, Geschlecht und Pflege zu finden, wird
die vor handene Literatur zu dem Thema in einer Gesamtschau dargestellt.
Solch ein Review ist eine gute Möglichkeit, Überblicke über den bisherigen
Stand der Forschung zu gewinnen (Pawson et al., 2005). Mittels einer ersten
unspezifischen Sichtung vorhanden Materials stellte sich heraus, dass zu dem
Themengebiet Altersarmut von Frauen in Verbindung mit Pflege nur sehr wenige
Publikationen vorlagen und dabei häufig nicht den Standard einer wissen-
schaftlichen Arbeit entsprachen. Die Mehrzahl der Berichte fanden sich in den
all gemeinen Medien und besaßen dadurch keine Validität.
Zum Zweck einer methodologischen Literaturanalyse wurde ein eigenständiges
systematisches Literaturreview („systematic review“) vorgenommen. Dieses
stellt eine analytische Auseinandersetzung mit bereits vorhandener publizierter
Literatur und Forschungsprojekten dar. Das Review zielt darauf ab, die Frage-
stellungen im Kontext mit dem Gutachten zu beantworten. Erkenntnisleitend für
die Thematik sind folgende Fragestellungen:
1. Welchen Einfluss hat die Lebenslaufperspektive auf die Altersarmut von Frauen?
2. Welche Indikatoren sind für die Altersarmut von Frauen verantwortlich?
8. Systematisches Literaturreview
88
3. Welche Effekte hat die häusliche Pflege auf das Alterseinkommen von Frauen?
4. Verstärkt die häusliche Pflege die Armut von Frauen im späteren Leben?
5. Ist Altersarmut von Frauen ein Resultat von häuslicher Pflege oder
lebenslaufbedingt?
Mittels des systematischen Literaturreviews wurden alle Themenbereiche
zu sammengetragen, welche die Schlagworte „Altersarmut“, „Frauen“ und
„ häusliche Pflege“ beinhalten. Zwischen ihnen soll durch das Analysieren frühe-
rer Publikationen und Forschungsarbeiten eine Verbindung entstehen, die zum
einen die aktuelle Forschung präsentiert und zum anderen Widersprüche sowie
Lücken aufdeckt. Die Zielsetzung, neben der Auflistung gefundenen Materials,
ist gleichfalls das Generieren von zusätzlichen Erkenntnissen. Es entsteht eine
Literatursynthese, die auf quantitativer und qualitativer Ebene eine Aussage
bezüglich des Untersuchungsgegenstandes treffen kann. Durch dieses evidenz-
geleitete Vorgehen lässt sich schlussendlich eine Aussage über mögliche
Forschungslücken- und Bedarfe treffen. Um die Qualität der eingeschlossenen
Literatur zu gewährleisten, wurde in die Analyse nur Material einbezogen,
welches folgenden Kriterien unterlag:
ab 2000 publiziert (vorher kaum Studien/Berichte zum Thema vorhanden),
deutsch- und englischsprachig (getrennt erfasst),
peer reviewed,
auf die Altersarmut von Frauen in Deutschland fokussiert,
festgelegte Schlagwörter müssen im Abstract, Titel oder als Keywords
erscheinen (Subjektbedingung),
Schlagwörter bei der Suche grenzen vom Allgemeinen zum Speziellen hin ein,
sogenannte graue Literatur (Berichte, Studien) wurden nur dann mit aufge-
nommen, wenn sie einen Längsschnittcharakter aufwiesen und von einem
wissenschaftlichen Beirat begleitet wurden.
Die kriteriengeleitete Suche erfolgte mittels Literaturdatenbanken, welche spe-
zifisch soziologische, feministische und ökonomische Literatur enthalten. Die
Auswahl fiel auf die Datenbanken: EBSCO, GESIS/SSOAR, Google Schoolar,
Scopus, Springer, Statista, Web of science und WISO. Verständlicherweise
89
beeinflusste die Spezifität der Schlagworte die gefundenen Treffer. Je konkreter
sie in Bezug auf das Thema waren, desto weniger Literatur filterten die Daten-
banken heraus.
Das erste Segment der Suche konzentrierte sich auf die Armut bzw. Altersarmut
von Frauen in Deutschland. Insgesamt konnten gut 1.200 Studien gefunden
werden, wovon knapp 80 % in englischer Sprache veröffentlicht wurden. Die
hohen Treffer im Bereich der geschlechterspezifischen Armut lässt das wissen-
schaftliche Interesse an dem Thema erkennen. Bei der Analyse der Quellen
ging es darum, Armutsrisiken und -mechanismen für Frauen herauszufiltern und
die Unterschiede zu Männern darzulegen.
Abbildung 8: (Alters-)Armut von Frauen in Deutschland
Quelle: eigene Darstellung
Das zweite Segment beschäftigt sich mit der der häuslichen Pflege in
Deutsch land und Europa. In Verbindung mit pflegenden Angehörigen standen
863 Publikationen, davon waren 83 % englischsprachig. Festzustellen war,
dass sich ein Großteil der Studien mit der Angehörigenpflege beschäftigen,
diese aber nicht explizit genderspezifisch auslegt waren. Das dritte und
letzte Segment konkreti sierte die Altersarmut von pflegenden Angehörigen.
Es wurden 59 Studien gefun den, wovon knapp 90 % englischsprachig waren.
90
Den expliziten Zusammen hang von häuslicher Pflege und Armut thematisierten
lediglich 27 Studien, worauf eine deutschsprachige entfiel. Die Verbindung der
Rubrik mit dem Attribut des weiblichen Geschlechtes, brachte insgesamt nur
noch sechs Studien (zwei deutschsprachig, vier englischsprachig) hervor.
Abbildung 9: (Alters-)Armut pflegende Angehörige
Quelle: eigene Darstellung
Die Gesamtauswertung des dritten Segmentes zeigt, dass vorhandene Literatur
zu 89 % in englischer Sprache veröffentlicht wurde und sich hauptsächlich auf
den europäischen Raum bezieht. Das schließt Deutschland zwar mit ein, kann die
Proble matik aber nicht in ihrer länderspezifischen Ausführlichkeit und Tiefe darstel-
len. Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass eine Diskrepanz zwischen angenom-
men und fundiertem Wissen auf dem Gebiet vorherrscht. Zwar gibt es eine Anzahl
von Studien, die sich mit der Verbindung von Geschlecht und Armut auseinander-
setzten und dabei einen frauenspezifischen Fokus aufweisen, aber sie benennen
die Pflege als Risiko oder Ursache von Altersarmut bei Frauen nicht vordergründig.
Vielmehr sind es unterschiedliche Brüche im Lebenslauf von Frauen, die zu einem
geringeren Alterseinkommen gegenüber Männern beitragen. Demnach muss der
Fragestellung, ob häusliche Pflege für die Altersarmut von Frauen verantwortlich
ist bzw. sein kann, vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt werden.
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HerausgeberSozialverband Deutschland e. V.
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Tel.: 030 72 62 22-0
Fax: 030 72 62 22-311
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VerfasserKatja Knauthe, M.A. • Dr. Christian Deindl
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StandOktober 2019
© Sozialverband Deutschland e. V., 2019
Impressum
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