konzepte der politik – ein kompetenzmodell
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Konzepte der Politik – ein Kompetenzmodell
Schriftenreihe Band 1016
Georg Weißeno, Joachim Detjen, Ingo Juchler, Peter Massing, Dagmar Richter
Konzepte der Politik– ein Kompetenzmodell
Bonn 2010
© Bundeszentrale für politische Bildung Adenauerallee 86, 53113 Bonn
Redaktion: Franz Kiefer (verantw.), Georg Weißeno, Herstellung: Wolfgang Hölker
Eine Buchhandelsausgabe besorgt der Wochenschau Verlag.
Diese Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar. Für die inhaltlichen Aussagen tragen die Autor/-innen die Verantwortung.
Hinweis: Die Inhalte der im Text und Anhang zitierten Internet-Links unterliegen der Verantwortung der jeweiligen Anbieter/-innen. Für eventuelle Schäden und Forderungen können Herausgeberin und Autor/-innen keine Haftung übernehmen.
Umschlaggestaltung: M. Rechl, KasselUmschlagzeichnung: Reinhard K. Schmitt, KarlsruheSatzherstellung: Naumilkat, Düsseldorf Druck: CPI books GmbH, Leck
ISBN 978-3-8389-0016-2
www.bpb.de
Dr. Georg Weißeno, Professor für Politikwissenschaft und ihre Didaktik Pädagogische Hochschule KarlsruheDr. Joachim Detjen, Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politische Bildung Katholische Universität Eichstätt-IngolstadtDr. Ingo Juchler, Professor für Politikwissenschaft und Didaktik der Politik Universität GöttingenDr. Peter Massing, Professor für Sozialkunde und Didaktik der Politik Freie Universität BerlinDr. Dagmar Richter, Professorin für Sachunterricht und seine Didaktik Technische Universität Braunschweig
Inhalt
Vorwort 7
Einleitung 9
I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung 15
1. PolitikkompetenzundkonzeptuellesLernen– einneuespolitikdidaktischesModell 16
2. PhilosophiedesFachesPolitischeBildung 23
3. Politikbegriff 28
4. PolitikdidaktischeKonzeptionen 36
II. Basis- und Fachkonzepte 47
1. KonstruktionpolitischerBasis-undFachkonzepte 48
2. BasiskonzeptOrdnung 53
3. FachkonzepteOrdnung 613.1 Demokratie 613.2 EuropäischeIntegration 653.3 Gewaltenteilung 693.4 Grundrechte 723.5 InternationaleBeziehungen 763.6 Markt 793.7 Rechtsstaat 833.8 Repräsentation 873.9 Sozialstaat 913.10 Staat 95
Inhalt
4. BasiskonzeptEntscheidung 98
5. FachkonzepteEntscheidung 1085.1 EuropäischeAkteure 1085.2 Interessengruppen 1115.3 Konf likt 1155.4 Legitimation 1185.5 Macht 1225.6 Massenmedien 1255.7 Öffentlichkeit 1295.8 Opposition 1325.9 Parlament 1365.10 Parteien 1405.11 Regierung 1435.12 Wahlen 148
6. BasiskonzeptGemeinwohl 151
7. FachkonzepteGemeinwohl 1617.1 Freiheit 1617.2 Frieden 1657.3 Gerechtigkeit 1687.4 Gleichheit 1727.5 Menschenwürde 1767.6 Nachhaltigkeit 1797.7 ÖffentlicheGüter 1837.8 Sicherheit 187
8. Mindeststandards 1908.1 MindeststandardsfürdiePrimarstufe 1918.2 MindeststandardsfürdieSekundarstufeI 192
III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung 195
»DerEntscheidungsprozessinderEuropäischenUnion« 196
Literatur 214
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Vorwort
»Demokraten fallen nicht vom Himmel« (Theodor Eschenburg). »Nie-mandwirdalsDemokratgeboren«(MichaelTh.Greven).MitsolchenundähnlichenFormelnwird immerwiederdaraufhingewiesen,dass inderDemokratievondenBürgerinnenundBürgerneineVielzahlvonKom-petenzenverlangtwerdenundzulernensind.InderpolitischenBildunggiltseitjenerBeutelsbacherTagungimJahre1976alseinerihrerGrundsät-zefürdiegesamteBildungsarbeitdas»Überwältigungsverbot«:Esistnichterlaubt,dieSchüler/-innen–mitwelchenMittelnauchimmer–imSinneerwünschterMeinungenzuüberrumpelnunddamitander›GewinnungeinesselbstständigenUrteils‹zuhindern.
MeinungenabersetzenWissenvorausundwerdenerstdurchWissenfundiert.MitWissenkannmanInteressenundÜberzeugungenbesserfor-mulieren,bessermitanderendiskutierenundsichimFalleeinesKonf lik-tesbesserbehaupten.BeteiligungampolitischenGeschehensetzteinWis-senumMöglichkeiten,umVerfahrenundumdieAkteurevoraus.DazumüssendieSchülerinnenundSchüler lernen,Nachrichtenzu lesenundihreZusammenhängezuverstehen.LebendigeundgelebteDemokratieistAufgabepolitischerBildung,unddahermusssiedieEntwicklungde-mokratischerKompetenzenfördern.
DochwelchesWissenbildetdenMinimalstandardfüreineDemokra-tinundeinenDemokraten?
DieseFrage istberechtigtundklingteinfach.IhreBeantwortung je-dochstelltseitJahrzehnteneinegroßeHerausforderungfürdiePolitikdi-daktikdar.EsgabvieleAnläufedazu,einenBildungskanonzudefinieren.WährendmanmitdiesemAnliegenwissenschaftlichnichtsehrweitge-kommenist,habendieRichtlinienineinigenBundesländerndiesaufihreWeiseumgesetzt.EinKonsensistaberdarüberbishernieerzieltworden,undinvielenCurriculawerdenbisheutekeinegenauenAngabengemachtüberdasWissen,dasinderSchulevermitteltwerdenmuss.
DasindiesemBandvorgestellteModellversuchtauspolitikdidaktischerSicht,dasschulischepolitischeWissenimSinnevonStandardszudefinie-ren.DieAutoren/-innenhaben sich aufMaximal-undRegelstandardsfüralleSchulstufendurchVerfahrengeeinigt.IhrKompetenzmodeller-hebtdenAnspruch,PolitikalsinhaltlichenKernbereichdesFachesPoli-
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Vorwort
tischeBildungzuklären.Zugleichbegründensiepolitikwissenschaftlichundpolitikdidaktisch,warumdiesesWissenvermitteltwerdensoll.Da-beinutzensieneuesteErkenntnissederLernpsychologiezurKonstruktionundzumAufbauvonWissenimGehirn.LehrerinnenundLehrernwieauchSchülerinnenundSchülernwerdenkonkreteHinweisezuFehlkon-zepten,ThemenundBegriffsnetzenangeboten.
IchdankedenAutor/-innenfürdieMöglichkeit,mitdiesemModeller-neuteinenfachdidaktischenDiskursanstoßenzukönnen,denndieFest-legungdomänenspezifischerKompetenzenistnichtnurinderFachwis-senschaft, sondern auch in der schulischenPraxis auf breiteAkzeptanzangewiesen.
FranzKiefer
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Einleitung
In bildungspolitischenDiskussionen orientiert sich dieAuseinanderset-zungmitLernprozessenzunehmendanKompetenzen.Diese lassensichbeschreibenalsFähigkeiten, alsWissenundVerstehen,alsKönnenundHandeln,alsErfahrungundMotivation(Weinert,2001).DerErwerbvonKompetenzensolldenEinzelnenzurBewältigungvonHandlungsproble-menineinerdurchPluralitätundständigenWandelgeprägtenGesellschaftbefähigen.DieOrientierungdesschulischenLernensanKompetenzener-fordertBildungsstandards,dieZiele inkonkreteAnforderungenumset-zenunddabeifestlegen,welcheKompetenzendieSchüler/-innenwannundaufwelcherJahrgangsstufeerreichthabensollen.DieserProzesssollschließlichinVerfahrenmünden,mitdenendieKompetenzniveausempi-rischzuverlässigerfasstwerdenkönnen(Ditton,2008).EineAufgabe,diedieKultusministerkonferenz dem Institut zurQualitätsentwicklung imBildungswesen(IQB)übertragenhat.
VordiesemHintergrundsindvorallemdieFachdidaktikenaufgefor-dert,KompetenzmodellezuentwickelnundnormativfestzulegensowieauchihreempirischeÜberprüfungzuübernehmen.DieKlieme-Exper-tise (2003,S. 26f )hathierzu7Merkmale formuliert,umallenBetei-ligtenindenSchulendieverbindlichenZieleundKompetenzanforde-rungenmöglichsteindeutigzuvermitteln:Fachlichkeit,Fokussierung,Kumulativität,Verbindlichkeit für alle,Differenzierung,Verständlich-keitundRealisierbarkeit.DabeimüssendieKompetenzensystematischgeordnetsein,umdieArbeitimUnterrichtundandenSchulenanzulei-tenundzuerleichtern.InderPolitikdidaktikwirdseit2004eineintensi-veAuseinandersetzungüberdieMöglichkeitenvonKompetenzbeschrei-bungengeführt.ImgleichenJahrhatdieGesellschaftfürPolitikdidaktikundpolitische Jugend-undErwachsenenbildung (GPJE) einen ersten,eherbildungspolitischinspiriertenEntwurfvorgelegt.InderFolgegabeseineReihevonInterpretationsversucheneinzelnerWissenschaftler/-innen,dieauchVorschlägezurSchließungvonLeerstellendiesesEnt-wurfszurDiskussionstellten.SiekonzentriertensichinihrenBeiträgenschwerpunktmäßigaufeinepräzisereBeschreibungderFachkompetenz(Weißeno, 2006; Brunold, 2008; Detjen, 2008b; Henkenborg, 2008;Juchler,2008; Massing,2008;Richter,2008;Sander,2008;u.v.a)und
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Einleitung
formuliertenihrejeweiligenModellemiteinerhohenpraktischenAu-genscheinvalidität.
DiekonkreteFestlegungeinerinhaltsbezogenenPolitikkompetenzistvon zentralerBedeutung für content standards alsZusammenfassung derLerninhalte,diedieSchüler/-innenbeherrschenmüssen.WenndiePoli-tikdidaktikfundierteStandardsfürihrSchulfachhabenmöchte,musssie»diedomänenspezifischenKompetenzenzudenenaus anderenFächern(Domänen)konzeptionellabgrenzenunddies idealerWeiseauchempi-rischzeigenkönnen«(Köller,2008,S.165).DesWeiterenisteswichtig,dassdieFestlegungdomänenspezifischerKompetenzenaufAkzeptanzinderDisziplinundinderschulischenPraxisstößt.
UmeinenerstenSchrittindieseRichtungzugehenundumdieLegi-timationsbasiszuerhöhen,habensichfünfWissenschaftler/-innenaufeingemeinsames,theoretischesModellfürdieseDarstellunggeeinigt.Eser-hebtdenAnspruch,Politikals inhaltlichenKernbereichdesSchulfachesPolitischeBildungzuklären(Fokussierung).DasErgebnisderKonkreti-sierungisteinsystematisches,konsensualerarbeitetesKompetenzmodell.Dadurch sollen die Schwächen der individuellen, induktiv erarbeitetenKataloge,denenderRahmeneinesModellsfehlt,dasdieAuswahl(meta-)theoretischbegründenkann,behobenwerden.
DasvorliegendeKompetenzmodelldesFachwissensbeschreibtdiein-haltsbezogenenkognitivenFähigkeiten,überdieSchüler/-innenverfü-genmüssen,um fachliche (hier:politische)Probleme lösenzukönnen.Diebildungs-undlerntheoretischenHintergründederEntscheidung,einsolchesModelldesschulischenFachwissenszuentwickeln,sindausführ-lichindenKapitelnI/2-4undII/1dargelegt.SiedieneninersterLiniederpolitikdidaktischenFundierungderfachwissenschaftlichenAuswahl-entscheidungen.Dabeisollverdeutlichtwerden,welcheÜberlegungenindieFormulierungundKonstruktionvonBildungsstandardseingef lossensindbzw.fürsiegrundlegendsind.DerRekursaufdieerziehungswissen-schaftlicheDiskussionsollzeigen,aufwelcherwissenschaftlichenBasisdasModellberuht.
IndenLehrplänenoderCurriculaderBundesländergabeszwarschonimmerbildungspolitischmotivierteVersuchederschulischenPraxis,ge-wünschteInhaltealsLernstofffestzuschreiben.SiekamenjedochüberdieFestlegungvonUnterrichtshemenoderLernzielkatalogennicht hinaus.Diesüberraschtnicht,hatsichdochdiePolitikdidaktikalswissenschaft-licheBezugsdisziplineinerkonkretenFestlegungvonBasiswissenbisherweitgehendverweigert.DadurchbliebendieKonturendes Schulfaches
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Einleitung
vage und die Vielzahl von Schulfachbezeichnungen wie Sozialwissen-schaften, Sozialkunde, Politik, Gemeinschaftskunde, Gesellschaftslehreu.v.m.hatdieseSituationnochverschärft.
Erschwerendkommthinzu,dasseinerdergrößtenNachteiletraditio-nellerCurriculadarinbesteht, »dass sieeinenallumfassendenAnspruchhaben– auchundgerade,wenn siedenLehrpersonendieFreiheit zurAuswahllassenwollen.EinLehrplanundübrigensaucheinLehrbuch,diealleVariantendesUnterrichtszulassenwollen,verliereneheranOrien-tierungskraftalssiezusteigern.DerRufnach›Verschlankung‹oder›Ent-rümpelungderLehrpläne‹begleitetdaherdieLehrplanreformenderLän-derseitJahren.GeradedieBildungsstandardsmüssenaufzentraleAspektefokussiert sein« (Kliemeu.a., 2003, S. 19).DieseFokussierung auf denFachaspektprägtdasvorliegendeKompetenzmodell.NichtallesWünsch-barekonnteindasModellaufgenommenwerden,wasAnlasszuintensi-venDiskussioneninderWissenschaftlergruppegab.
DieFokussierung selbst erfolgt indieserDarstellungüberBasis-undFachkonzepte.Basiskonzepte(key concepts)bezeichneneinigewenigezen-tralePrinzipienbzw.ParadigmenderDomäne.SiesinddieMajor-IdeeneinesFaches.DasvorliegendeModellbeschränktsichaufdrei:Ordnung,EntscheidungundGemeinwohl.SiesindzumVerständnisdesPolitischenunverzichtbarundgebenderDomäneeineStruktur,diesievonanderenDomänenwiez.B.derÖkonomikoderderSoziologieunterscheidet.Ba-siskonzeptemüssenabererstnochdurchFachkonzeptekonkretisiertwer-den.Diese aus denFachdidaktiken derNaturwissenschaften übernom-meneStruktur zurSystematisierungder inderSchule zuerwerbendenKonzeptedientderÜbersichtlichkeitunderleichtertdenLehrer/-innendieHandhabbarkeitderPlanungvonUnterricht.KonzepteerlaubendasAbrufenvonbedeutungs-undwahrnehmungsbezogenenWissensinhalten(Anderson,2001)ausdemGedächtnis.Sie sindRepräsentationenspezi-fischerKategorien.»WissenimengerenSinn…mussnotwendigerweisedembewusstenZugriffzugänglichundverbalisierbarsein«(Pfeiffer,2008,S.77).InsofernfindensichindenÜbersichtenindiesemBandzahlrei-cheBegriffs-oderWortlisten,diedieKonzepteinhaltlichweiterkonkre-tisieren.
FürdieEntwicklungunddasVerständnisderKonzepteistderRekursaufdiePolitikwissenschafterforderlich,umzusachlichrichtigenAussa-genüberdiepolitischeWirklichkeitzukommen.DeshalbhabendiefünfAutor/-innendiepolitikwissenschaftlichenAussagenineinemgemeinsa-menArbeitsprozessinmehrerenWorkshopsgesichtetundanschließendzu
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Einleitung
demvorliegendenModellzusammengeführt.AusfachdidaktischerPers-pektivewurdenentsprechendeTheorien,AussagenundempirischeEr-gebnissehinsichtlichihrerRelevanzfürdenPolitikunterrichtgeprüftunddiejenigenAussagenübernommen,diealscommon sensesowohlinderPo-litikwissenschaftalsauchinderPolitikdidaktikgeltenkönnen.DieFest-legungaufeinentheoretischenAnsatzodergardieAusformulierungeineseigenenAnsatzessolltesoausgeschlossenwerden.AlsErgebnisdieseslän-gerenwissenschaftlichenDiskursesistdasvorliegendeKompetenzmodellfürdasFachwissenentstanden.AussagenzuanderenKompetenzbereichenfinden sich indieserDarstellungnicht,wärenaber zurErstellungeinesallgemeinenKompetenzmodellsunerlässlich.DieserBandbeschränktsichbewusstaufeineKompetenzdimension.
Schaubild 1: Basis- und Fachkonzepte der Politik
DieAussagen zu den einzelnenBasis- undFachkonzepten sind immergleichaufgebaut.DieBeschreibungderBasiskonzeptedefiniertunder-läutertzunächstdasKonstrukt,bevorderBezugzurinternationalenundglobalenEbenehergestelltwird.DanachwerdendieTheorienzumKon-struktdiskutiert.BeiderkürzerenDarstellungderFachkonzeptewirdzu-nächstdieEssenzdesKonzeptsdargestellt,bevorespolitikwissenschaftlichvertieftwird.UmdasKonzeptfürdiepraktischePlanungdesLehrenden
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Einleitung
handhabbarzumachen,werdenanschließendeinigeinderPraxisvorkom-mendeFehlvorstellungendargestellt.Sieberuhenauf intuitiverEmpiriederAutor/-innenundkönnennochnichtaufsystematische,reliableempi-rischeBefundeeinerfachdidaktischenFehlkonzeptforschungzurückgrei-fen.DadieEinteilungundOrdnungderFachkonzepteausanalytischenGründenerfolgte,wirdimFolgendenbenannt,woVernetzungenzuan-derenFachkonzeptenmöglichsind.Damitwirddeutlich,dassderUnter-richtnichtaufdiedirekteVermittlungvonFachkonzeptenzurückgreifenkann,sondernbeiderBehandlungderThemenaufihrebewussteVerwen-dungachtenmuss.DieUnterrichtsthemeneinesSchuljahresmüsseneineindenKerncurriculabestimmteAnzahlanFachkonzeptenkonzeptuali-sieren.HierzusindauchdiekonstituierendenBegriffeheranzuziehen.FürerfolgreichesLernengilt,dassdieSchüler/-innenmitdemindieserDar-stellungvorgestelltenFachvokabularangemessenumgehenkönnen.DerweiterenKonkretisierungdiesesZusammenhangsdientdiefolgendeAn-regung fürBeispielthemen.DerErläuterungderFachkonzepte schließtsicheinUnterrichtsbeispiel an,dasdiePlanungder fachlichenDimen-sionenkonkretisiert.
DasvorliegendeModellderFachkompetenzdeckterklärtermaßennichteinKerncurriculumab,sondernnurdeninhaltlichenKernfachlichenLer-nens.DabeisindimBuchMaximalstandardsfürdieeinzelnenSchulstufenformuliert.Diesgilteszuberücksichtigen,wennmanüberdievorgestell-tenStandardsdiskutiert.»StandardssolleneinKriteriumfürdieLerner-gebnissejederSchule,jederKlasseundkonsequenterweisejedereinzelnenSchülerinundjedeseinzelnenSchülers sein«(Kliemeu.a.,2003,S.39).DarüberhinausbeschreibtdasModellkeineRegelstandards.DazumüsstedannaufmancheFachkonzepteundkonstituierendeBegriffeinderPri-mar-undderSekundarstufeIverzichtetwerden.UmdieSpannbreitederLeistungsanforderungen indenStandards zuverdeutlichen,werdenzu-sätzlichMindeststandardsformuliert.DiejeweiligenBeschreibungenkön-nendabeiweiterbestehenbleiben.WiedieFestlegungvonMindeststan-dardskriteriengeleiteterfolgtist,wirdimKapitelII/8gezeigt.
DasBuchstelltaustheoretischerpolitikdidaktischerPerspektivedieAn-forderungenaneinecivic literacyvor.EskonkretisiertdieAnsprücheaneineGrundbildung,diedazubefähigt,anderpolitischenKulturderBundesre-publikDeutschlandteilzunehmen.DieseAnsprüchebasierenweitgehendaufnormativenEntscheidungen,dienocheinerempirischenValidierungbedürfen. IndiesemSinnekönnendie formuliertenStandards auch alselaboriertesModellfürempirischeStudiendienen.Esistzukünftigver-
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Einleitung
stärktempirischeForschungnötig,dieüberprüft,obdieSchüler/-innentatsächlichüberdieseKonzepteverfügenunddamitanwendungsbezoge-neAufgabenlösenkönnen.Dannwirdsichzeigen,obdiehiertheoretischfundiertenKonstrukte soklar sind,dassdieMessungenerfolgreich seinkönnen.ErsteempirischeÜberprüfungenmitnormiertenFragebögenvoneinzelnenFachkonzeptenliegenvor.Allesinallemmöchtedasvorliegen-deModella.)denwissenschaftlichenAnsprüchenderPolitikdidaktikge-nügen, indemeserstmalseinkonsensualgewonneneskonkretesModelldesFachwissensentwirft,b.)dieAnforderungenempirischerForschunganeinepräziseBeschreibungderzuprüfendenKonzepteundihrerAspek-teerfüllen,undc.)hinreichendkonkretfürdiePlanungkompetenzorien-tiertenUnterrichtssein.MitdemBuchwerdenwissenschaftlichfundierteStandardsfürdiePraxisvorgestellt,dieinKerncurriculaunddertäglichenPraxisgleichermaßenBerücksichtigungfindenkönnen.
I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
1. Politikkompetenz und konzeptuelles Lernen – ein neues politikdidaktisches Modell
Seit den Konstanzer Beschlüssen von 1997 steuert die Kultusminister-konferenz (KMK)dasBildungssystem in eineneueRichtung.Landes-undbundesweitwirddieEinhaltungvonStandards inbestimmtenFä-chernüberprüftunddiebisherigeInput-Steuerung,beiderRichtliniendasWünschbaremehroderwenigerdetailliertformulierten,ergänztdurchdieOutput-Steuerung.NationaleBildungsstandards,derenEntwicklung2003begann,legendomänenspezifischeundfächerübergreifendeKompetenzenfüreinzelne Jahrgangsstufen fest.Siegreifen allgemeineund fachspezi-fischeBildungszieleaufundbenennendieKompetenzen,dieSchüler/-innenbiszueinembestimmtenZeitpunktihrerSchullaufbahnerreichthabensollen.DarüberhinauskönnendieBildungsstandardsmitHilfevonTestaufgabenoperationalisiertundihrErwerb(outcome)überprüftwerden.BildungsstandardsdienenzugleichalsOrientierungfüreinenkompetenz-orientiertenUnterricht.InallenLändernwerdenmittlerweilef lächende-ckendeVergleichsarbeitenzumZweckederFeststellungvonLeistungs-ständeneingeführtund andieBildungsstandards angebunden (Vock&Pandt,2008).DieKMKhatbisherallerdingsnochkeineBildungsstandardsfürdenPolitikunterrichtbeschlossen.
EinwichtigesElementderBildungsstandards istdieAusformulierungderjeweiligen»Fachphilosophie«alsallgemeinerZielhorizont(Kliemeet.al., 2003, S.17).DieseDiskussionenwerden in der Politikdidaktik seitJahrzehntenintensivgeführt(vgl.KapitelI,2).AuchimEntwurfvonna-tionalen Bildungsstandards der Gesellschaft für politische Jugend- undErwachsenenbildung (GPJE, 2004) sindhierzuErwartungen formuliertworden.AndiesenEntwurfknüpftdashiervorzustellendeModellan.Bil-dungsstandardsweisendesWeiterenKompetenzenaus.AuchsiewurdeninderFachdidaktikPolitikdiskutiert(PolitischeBildung,3,2004;Massing,2004;Sander,2008)undstellenwichtigeBezügefürdiesenBanddar.
Politikkompetenz
DiePolitikkompetenzumfasst imSinnedesweiten lernpsychologischenKompetenzbegriffsvonWeinert(2001)affektive,motivationale,volitio-
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1. Politikkompetenz und konzeptuelles Lernen
nale,sozialeundkognitiveBereiche.ZurKonkretisierungderkognitivenFähigkeitenbedarfeseinesModells,dasdieStrukturdesFachwissensinderDomänePolitikbeschreibt.DieseAufgabesteht indiesemBandimVordergrund.DiePolitikkompetenzwirdaufdieseWeiseanFachinhaltegebunden(Hartig&Klieme,2006,S.129).SeitdenDiskussionenumBil-dungsstandardsrücktdaspolitischeWissenindentheoretischenpolitik-didaktischenDebattenwieinderempirischenForschungzunehmendinsZentrum(Weißeno,2007a).Esisthieraberdeutlichdaraufhinzuweisen,dassdasWissennichtdieeinzigeKompetenzdimensionderPolitikkom-petenzist,diekonkretisiertwerdenmuss.DieKompetenzdiskussionsetztdabeizudemandereAkzentealsdiepolitikdidaktischeTradition,beiderfachdidaktischeKategorienformuliertwurden(vgl.KapitelI,4).
FolgtmanderEinteilungvonBlum(2006,S.17),dannlassensichdieerlernbarenkognitivenFähigkeitenundFertigkeitennocheinmalinin-haltsbezogeneundallgemeineKompetenzenordnen.AllgemeineKompe-tenzenwieArgumentieren,Problemlösen,Modellieren,VerwendenvonDarstellungen,Kommunizieren,Urteilenusw.werdeninallenFächern–somitauchimPolitikunterricht-gefördert.GleichwohlistdieTrennungvonallgemeinenundinhaltsbezogenenKompetenzen,vonmotivationa-len,affektivenundkognitivenKompetenzeninderForschungwieauchinderUnterrichtspraxisnichtimmereinfach.Bezogenaufdieinhaltsbezoge-nePolitikkompetenzbedeutetdies,dasssiez.B.mitderallgemeinenLese-kompetenzkonfundiert(vermischt)seinkann.AuchallgemeineKompe-tenzenwiedieUrteilsfähigkeitbeeinf lussenmöglicherweiseihrerseitsdieFähigkeit,diefachlichenLernaufgabenrichtigzulösen.
Grundsätzlichgilt,dassnebeneinerbegriff lichenEssenz,diezurBil-dungeinergemeinsamenFachsprachenötigist,KonzepteundTheoriendesPolitischenvielfachnurkontextbezogeneindeutigsind.InihreKon-struktiongehenu.a.politischeInteressenundEinstellungensowieunter-schiedlicheSelbstbilderundhistorischeInterpretationenein(Oberle,Eck&Weißeno 2008).DerGPJE-Entwurf fürBildungsstandards versucht,diesmitdemBegriff»konzeptuellesDeutungswissen«auszudrücken.DieBedeutungdiesesBegriffsbleibtjedochoffen:»EshandeltsichumWissen,dassichaufgrundlegendeKonzeptefürdasVerstehenvonPolitik,Wirt-schaft,GesellschaftundRechtbezieht«(GPJE,2004,S.13).Diegrundle-gendenKonzeptewerdennichtgenannt.
DiesemBandliegteinKompetenzbegriffzugrunde,dermit»prinzipiellerlernbaren, mehr oder minder bereichsspezifischen Kenntnissen, Fer-tigkeitenundStrategien« (Baumertu.a.,2001,S.22)beschriebenwird.DiekognitivePolitikkompetenzbeziehtsichdarauf,fachliche,alsopoli-
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
tischeFragenzu ref lektieren. ImWissenderLernenden sindFachkon-zeptemit»Schülervorstellungen(Fehlvorstellungen,typischeFehler,typi-scheSchwierigkeitenoderSchülerstrategien)«(Baumertu.a.,2006,S.494)verbunden.ZieldesUnterrichtsistes,dieFehlvorstellungenderSchüler/-innen zu berücksichtigen und sie zunehmend in Fachwissen zu über-führen. Damit sie ihre Funktionen erfüllen können, müssen kognitiveKompetenzenüberprüfbarsein.SooperationalisiertwerdensiezuInstru-mentenu.a.• fürdieDiagnosedesWissensstandessowohlderSchüler/-innenalsauch
derLehrkräfte(undggf.Eltern);• fürdieDiagnosevonwissensbasiertenLernschwierigkeitenbeiSchüler/
-innen;• zurkriterialenLeistungsmessung;• zurLehr-Lern-Forschung.
DerhierherangezogeneKompetenzbegriffsowiederimFolgendenkon-kretisierteWissensbegrifferlaubeneinefachdidaktischbegründeteKon-struktionpolitischerBasis-undFachkonzepte.Siewerdensoweitausfor-muliert, dass sie empirischüberprüftwerdenundzu stufenspezifischenVorschlägenfürverschiedeneKompetenzniveausimBereichdesFachwis-sensführenkönnen.DieKonstruktionderKonzepteistdamitsowohlan-schlussfähig an internationaleDiskussionenals auchanDiskussionen inanderenFachdidaktikeninDeutschland.DieseArbeitstehtfürdiePoli-tikdidaktikbislangausundistvondenvorliegendenVersuchennochnichtgeleistetworden.
Civic Literacy und Fachwissen
DiePolitikkompetenzenlassensichnichtalleinausfachlichenBildungs-zielenundderStrukturdesGegenstandsbereichesPolitik ableiten, son-dernmüssenaucheine theoretischeFundierung inderLernpsychologieaufweisen(Schecker&Parchmann,2006,S.47).DielernpsychologischeSichtweiseverlangt,dassStufenkonzeptefürdiePolitikkompetenzunddieeinzelnenAltersstufenanzulegensind.DeshalbwirdindiesemBandje-desFachkonzeptauchschulstufenspezifischbeschrieben,obwohlesbislangdazunochkeinesystematischeempirischeForschunggibt.
Der vorliegende Band versucht, ein Modell von Fachkonzepten zukonstituieren,dassichamVerständnisvonLiteracynachBybeeorientiert.SeinKonzepteinermodernenAllgemeinbildungbeschreibtBasisfähigkei-
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1. Politikkompetenz und konzeptuelles Lernen
ten,diefürdieInhalte,dieimmanenteStufungunddieLernarrangementsvonBildungsprozessennotwendigsind.EsbestimmtinderVorbereitungdeswissenschaftsorientiertenLernensdieStufederGrundbildung(Bybee,997,S.56ff ).InAnlehnungandiesenAnsatzundmitBezugaufdieDo-mänePolitikwirdhierderBegriffCivic LiteracyimSinnevonpolitischerGrundbildungbenutzt,dievierStufenbeinhaltet:• nominaleCivic Literacy(CL):KenntnispolitischerThemen,Namenund
Wörter,die jedoch falschverstandenwerden (z.B.AngelaMerkel istAußenministerin;derBundespräsidentistderKönigvonDeutschland).
• funktionaleCivic Literacy: korrekteVerwendungvonBegriffen (z.B.Wahl);Faktenwissen.
• konzeptuelleundprozeduraleCivic Literacy:Verständniszentralerpoli-tischerKonzepteundderBedeutungpolitischerVerfahren,HerstellungvonBeziehungenzwischenFakten,BegriffenundPrinzipien(z.B.Par-lamentmitkonstruktivemMisstrauensvotum,Vertrauensfrage,Kom-missionen).
• multidimensionaleCivic Literacy:VerständnisderBesonderheitenpoli-tischenDenkens;FähigkeitzurEinordnunginwirtschaftliche,sozialeundkulturelleZusammenhänge(z.B.EigenlogikenderMachtbegrif-feinderPolitikwissenschaftundderÖkonomik)(Weißeno,2008b).
DerAnsatz einerCivic LiteracyunddieStufungverdeutlichen,dassdiePolitikkompetenz nicht aus der Politikwissenschaft abgeleitet werdenkann.DasinderschulischenBildungzuerwerbendeFachwissenkonstitu-iertsicherstdurchdiedidaktischeKonstruktiondespolitikwissenschaftli-chenWissens.DieserKonstruktionsprozesshatdieAuswahl,Komprimie-rungundSequenzierungdesWissenszulegitimieren.Dazugehörenvorallembildungstheoretische,lerntheoretischeundkognitionswissenschaftli-cheÜberlegungen.DiewissensbezogenenKompetenzenermöglichendenLernenden,sichpolitischesWissenstrukturiertundkumulativanzueignenundzuref lektierenimSinnevonkonzeptuellemWissen.
Konzeptuelles politisches Wissen umfasst systematisch zusammen-hängendeInformationenausderDomänePolitik,d.h.zumdefiniertenRealitätsbereichPolitik.PolitischesWissenstehtimZusammenhangzurpolitischenWirklichkeitsowiezurpolitischenErfahrungunderfülltdasKriteriumderRichtigkeit.EshatseinFundamentindenakademischenReferenzdisziplinen,allenvoraninderPolitikwissenschaft(vgl.KapI,3).EsstellteineneigenenWissensbereichdar,indessenDefinitionErfahrun-genderUnterrichtspraxiseinf ließen.Insofernistereindidaktischdefi-nierter,spezifischerWissensbereich(Baumertu.a.,2006,S.495).
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
EineWissensdomänewiePolitikwirdmitihrenspezifischenSachgebie-tenüberihreKonzepteundModellerepräsentiert(Richter,2008).EineDomäneweistnebeneigenenKonzeptenaucheigeneRegelnundPrinzi-pienderStrukturierungdesWissensauf.BildungsstandardskonzentrierensichaufdenKernbereichdesjeweiligenLernbereichsbzw.Unterrichtsfa-ches(Fokussierung)(Kliemeet.al.,2003,S.27f ).FürdasFachwissenbe-deutetdieseineKonzentrationaufdiegrundlegendenBegriffe(Basiskon-zepte)unddas ihnen zuzuordnendeGrundlagenwissen (Fachkonzepte).DieFestlegung eines nachpolitikdidaktischenund lernpsychologischenGesichtspunktenkonstruiertenModells,dasdieFachkonzeptedarstellt,istnotwendig,damitdieSchüler/-innenvergleichbareWissensstrukturenaufbauenkönnen.DieFachkonzeptedienenderStrukturierungdesLern-angebotsundderpolitischenDenkweisen.
HierbeikönnenFaktenwissenundkonzeptuellesWissenunterschiedenwerden.Faktenwissenistjederzeitverfüg-undabrufbarundf ließtindaskonzeptuelleWissenein.KonzeptuellesWissensiehtvonspezifischenEr-fahrungenabundkategorisiertstattdessendieMerkmaleundKennzeichenderjeweiligenErfahrungsklasse(Anderson,2001,S.153ff ).DieseKatego-risierungerfolgtübersemantischeNetzeundSchemata(Weißeno,2006).WennSchüler/-innenüberkonzeptuellesPolitikwissenverfügen,könnensieinspäterenAnwendungssituationenalsBürger/-innenzurichtigenLö-sungenkommen,obwohlsieeineErfahrungmitdererforderlichenrich-tigenAntwortnichtgemachthaben.WerübereinFachkonzeptWahlenverfügt,kannz.B.einenBerichtüberdenAblaufderWahlenineineman-derenLandeinschätzenunderschließen,obwohldasdetaillierteFakten-wissenzumkonkretenFallnichtvorhandenist.MitHilfevonBasis-undFachkonzeptenwirdWisseninseinerspezifischenFunktionalitätpräsen-tiert,d.h.nebenderInformationwirdsomitauchdieBedeutungderIn-formationfürPhänomene,Fragenetc.derDomänevermittelt.EswerdenVorstellungen,OrdnungsschemataoderFrageweisendesPolitischenver-mittelt, sodasses zueinemVerstehenundRef lektierendesPolitischenbeimLernendenkommenkann.
Wissenserwerb
DieWissenserwerbsforschunggehtmehrheitlichdavonaus,dassallesWis-sen inKonzepten repräsentiert ist.Wissenserwerbsprozesse sind inhalts-bezogene strukturelle Lernprozesse, wobei Korrespondenzen zwischenLehrstoffstrukturen (bezogen auf Fachwissen) und kognitiven Struktu-
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1. Politikkompetenz und konzeptuelles Lernen
renderLernendenbestehen(Seel,2004).DennderindividuelleWissens-aufbaugeschiehtderWissenspsychologiezufolgeüberBegriffsbildungen(Pfeiffer,2008).InderkognitivenTheoriewerdenBegriffe(concepts)alskognitive Wissenseinheiten, als Vorstellungskomplexe und WertungenüberzentraleMerkmalevonDingenoderPhänomenendefiniert.DiesesVerständnisunterscheidetsichvonderLinguistik(BegriffalsBezeichnen-desundBezeichnetes),derPhilosophie(BegriffalsIdee,alsAbstraktions-klasseusw.)oderauchderAlltagssprache,woBegriffeoftmalsmit›Wör-tern‹gleichgesetztwerden(Richter,2007a).KonzeptesindkeinestatischenPhänomene(Säljö,1999),sondernsieverändernsichimhistorischenPro-zess,aberauchindividuellbeimWissenserwerb(zumconceptual changevgl.Stark,2002,2003).
DieBedeutungvonBegriffenerschließtsichnachSodian(1998,S.633)inderRegelerstausihremStellenwertinnerhalbeinesbegriff lichenAppa-rates.EswerdenNetzwerkevonKonzeptenkonstruiert(vgl.Wellman&Gelman, 1992). Begriffserwerbsprozesse werden daher als Strukturbil-dungsvorgängebeschrieben(Reusser,1998,S.141).EinegutorganisierteWissensbasisgiltalsVoraussetzungfürerfolgreichesLernen–imdoppeltenSinne:DasWissenistimUnterrichtgutstrukturiertzupräsentieren,unddasWissenmussvondenLernendenmitihremVorwissenvernetztwerdenkönnen.WissenscheinteinenotwendigeBedingungfürLernfortschrittederSchülerinnenundSchülerzusein(Baumertu.a.,2006,S.496).
KognitionswissenschaftlichgehtesaufderEbenederSubjekteumde-klarativesWissen,welches sachsystematisch bereits alsVorwissen orga-nisiertoderimUnterrichtneuanzueignenist.DieindividuellenModel-lederSchüler/-innenbeiderAufgabenlösunglassensichinverschiedeneNiveausklassifizieren,wobeidashöchsteNiveaualspolitischesVerständ-nisbezeichnetwerdenkann(s.Bybee).DieEinschätzungüberdiemögli-chenKompetenzniveaus,diediejeweiligeLerngruppeerreichenkann,istfürdieLehrendenwichtig.Dannkannesgelingen,denkumulativenWis-sensaufbausystematischunddomänenspezifischzuorganisieren.Daheristfestzulegen,welchepolitischenKonzeptevondenSchülerinnenundSchü-lerninwelcherKomplexitätaufwelcherKlassenstufezulernensind.Diese(normative)EntscheidungistzunächsteinErgebnistheoretischerfachdi-daktischerDiskussion.AufgrundfehlenderempirischerForschungenkön-nenhierbishernursolcheErgebnissepräsentiertwerden,dieaberempi-rischeStudiennachsichziehensollten(GPJE,2005,2007;Manzel,2007;Weißeno,Götzmann&Eck,2008;Eck&Weißeno,2009;Richter,2009).
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
Der Nutzen von Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
EinVorteildeskompetenzorientiertenAnsatzesliegtdarin,dassentspre-chendeLernaufgabenleichtzukonstruierensind.DiesliegtanderklarenStrukturderBasis-undFachkonzepte,die inden früherenLehrplänenbzw.Curriculanichtvorhandenwaren.Eine strukturierteAbfolgevonInstruktionensolleinenKompetenzzuwachsgewährleisten.EineLeitfragekannsein:»WelcheBegriffesindinwelcherAbfolgemitwelchemMaterialzukonzeptualisieren,umdendefiniertenWissenszuwachszuerreichen?«(Blum,2006).StandardorientiertesUnterrichtenerfordertwirklichkeits-bezogeneAufgabenstellungen.DieSchülerinnenundSchülersollenfach-licheProblemelösen,keineSchematamemorierenundanwenden.Unter-richt und Lernaufgaben müssen die inhaltsbezogenen und allgemeinenKompetenzen fördernundweiterentwickeln.Dazu ist ein fachlich an-spruchsvoller,kognitivaktivierenderundzumLernenmotivierenderPoli-tikunterrichterforderlich(Helmke,2003).Konkretbedeutetdies,dassdieMaterialienundLernaufgabennurdanngeeignetsind,wennsieAussa-genzudenvorabfestgelegtenBasis-undFachkonzeptenmachenundmitihnen einzelne allgemeineKompetenzen gefördertwerden können.Esmussklarsein,welchesKompetenzpotentialineinerAufgabeoderineinerUnterrichtsstundesteckt,wasvomLernendenbeimBearbeitenerwartetwirdundwiedieLösungenbzw.Ergebnisseeinzuordnensind.
BeiderKonstruktionvonLernaufgabenisteswichtig,dieTagespoli-tikaufzugreifen.Dabeikommtesdaraufan,denSchüler/-innenmitHil-fe konkreter Vorgänge den Anwendungsbezug der Lernaufgaben an-handvonvorfindbarenEreignissendeutlichzumachen.DieslässtbeidenSchüler/-innenverschiedeneVorstellungsräumebeiderLösungderAuf-gabezu.DerAnwendungsbezugerleichtertdasLernen,weilerdieGele-genheitdazubietet,dieentsprechendenkompetenzorientiertenTätigkei-tenselbstzuvollziehen.EskommtdabeiaufdieVernetzungan,sowohlinnerhalbdespolitischen WissensalsauchzwischenWissenundReali-tät.GeradeoffeneAufgabenvariantensindhierzubesondersgeeignet.EinpolitischesVerständniskannnurdannentstehen,wennderUnterrichtbeidenSchüler/-inneninhaltlicheVorstellungenzupolitischenBegriffenundVerfahrenaufbaut.ImPolitikunterrichtwirdeinGroßteilderAktivitätenhierfüraufzubringensein.
ErstdieVermittlungausgewählter,fachdidaktischref lektierterundimLehrplanfestgelegterKonzepteerlaubtes,dassausverschiedenenaktuellenUnterrichtsthemensukzessiveeinVerstehendesPolitischenbeidenLer-nendenaufgebautwerdenkann.Oder,wieTenorthundWelteresformu-
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2. Philosophie des Faches Politische Bildung
lieren,dass»dasthematischBesonderemitdemstrukturellAllgemeinendesKanons«verbundenwerdenkann(Tenorth&Welter,2009,S.181).DieDisziplinistdamitprofessionellenfachdidaktischenRef lexionenzu-gänglich(ebd.).DiePolitikwissenschaftistdieDisziplinbzw.Domäne,dieeinegedanklicheundbegriff licheOrdnung indieWeltdesPolitischenbringt. InsofernhatdiePolitikdidaktikdieseOrdnungsversuche in ihreTheoriebildungeinzubeziehen,wennesdarumgeht,dieAnforderungenanstandardorientiertenUnterrichtzu formulierenundempirischzuer-forschen.EinnachhaltigerKompetenzaufbauimUnterrichterfordertAk-tivitätendesPräzisierens,Ordnens,Definierens,KlassifizierensoderVer-allgemeinerns.Dies fördertdenAufbaukonzeptuellenWissensbeidenLernenden.
DasindiesemBuchvorliegende,fachdidaktischundlerntheoretischbe-gründeteModellderPolitikfürdieSchulehateineAuswahlderfürdenUnterrichtzentralenFachbegriffeund-konzeptevorgenommen,umdemLehrendendasUnterrichtenzuerleichtern.EserhebtdenAnspruch,daszuvermittelndeWissenfachdidaktischsinnvollreduziertundgeordnetzuhaben.
2. Philosophie des Faches Politische Bildung
DiepolitischeBildung stehtheutealsSammelbegriff für schulischeBe-mühungenzurVermittlungpolitischerKompetenzen.InderVergangen-heitsuchtendiversepolitischeHerrschaftsformendiepolitischeBildunginDeutschlandimmerwiederfürihrejeeigenenZweckedienstbarzuma-chen, so insbesonderedasKaiserreich,derNationalsozialismusunddieDDR(Sander,2003).InderBundesrepublikwirdv.a.dieschulischepoli-tischeBildungalsMöglichkeitfüreineErziehungzupolitischerMündig-keitunddamitUrteilsfähigkeiterachtet,welchefunktionalfürdiegedeih-licheEntwicklungderDemokratieist(Detjen,2007).
DerTerminuspolitischeBildungverweistaufdenGegenstand,welcherfürdessenTheoriebildungrelevantist:DasPolitische.Dieseszeichnetsichinsbesonderedurchdas»FaktumderPluralität«(Arendt,2001,S.17)aus,durchdasVorhandenseineinerVielfaltvonMeinungen,welcheimPro-zessderpolitischenÖffentlichkeitaufeinandertreffenundverhandeltwer-den.DerPolitikdidaktikalswissenschaftlicherDisziplinstelltsichdeshalb
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
u.a.dieAufgabesystematischangelegterRef lexionderjenigenAnregun-gen,welchefürdieErmöglichunggelingenderpolitischerPraxiserforder-lichsind.AlsDisziplin,dieauchaufdiePraxispolitischenHandelnsbezo-genist,kanndiePolitikdidaktiknichtaufpräskriptiveAnteileverzichten,sondernbedarfnormativerOrientierung.DerpolitikdidaktischenTheoriestelltsichdiedezidiertnormativeAufgabenachderErarbeitungvonAus-sagenüberdas»Was«,»Warum«und»Wozu«politischerBildung.
Politische Bildung erfolgt in den einzelnen Bundesländern in allenSchulformenmitunterschiedlichenFachbezeichnungenundStundenan-teilen.InderPrimarstufefindetpolitischeBildunginderRegelimInte-grationsfachSachunterrichtstatt,wobeidieserUnterrichtAnteileausdenNatur-unddenSozialwissenschaftenenthält.HierbeisinddieLehrplänerelativoffengehalten.Zielistesdabei,dieSchülerinnenundSchüleraufeinLebenalsBürgerinundBürgereinesdemokratischenGemeinwesensvorzubereiten(Detjen,2007).
IndenSekundarstufen IundIIgibtesunterschiedlicheFachbezeich-nungenfürpolitischeBildung:Politik,Sozialkunde,Gemeinschaftskunde,PolitischeBildung,Gesellschaftslehre.DanebenistdiepolitischeBildungTeilvonFächerkombinationenwiePolitik/Wirtschaft,Gesellschaftswis-senschaften,Geschichte/Politik,Sozialkunde/Wirtschaftslehre,Sozialwis-senschaftenetc.DarüberhinausexistierenzusätzlichandereeigenständigeFächerwieWirtschaftslehre,Wirtschaftswissenschaften,Wirtschaftskunde,Wirtschaft/Rechtusw. IndenLandesverfassungenmehrererBundeslän-dernistpolitischeBildungalsSchulfachfestverankert(Weißeno,2007b).
ImFokusschulischerpolitischerBildungstehtthematischstetsdiePoli-tik,wenngleichdieserGegenstandauchaufandereInhaltsfelderausgreift.DabeiwirdvoneinemumfassendenPolitikbegriffausgegangen,welcherauchökonomischeProzesse,geschichtlicheBedingtheitensowierechtli-che,gesellschaftlicheundökologischeThemenmiteinbezieht.ImUnter-richtsfachPolitischeBildungwerdensomitdiefachlichenPerspektivenderSozialwissenschafteneingebracht.ImZentrumdesUnterrichtsfachespoli-tischeBildungstehenpolitischeFragenundProbleme,dieinanderenFä-chernnureinenNebenaspektdarstellenkönnen.PolitischeBildungstütztsichdabeiaufeinenumfassendenPolitikbegriff,dersichaufdieRegelungvongrundlegendenFragenundProblemendesgesamtgesellschaftlichenZusammenlebensbezieht(GPJE,2004a).
UnbeschadetdiesesumfassendenPolitikverständnissesbildetdiePoli-tikdenKernderpolitischenBildung(Massing&Weißeno,1995),weshalbbeiderBehandlungderbereitsangeführtenInhaltsfelderÖkonomie,Ge-schichte,Recht,GesellschaftundÖkologie,aberauchbeiInhaltsfeldern
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2. Philosophie des Faches Politische Bildung
wieEineWelt,Europa,FriedenundGender Mainstreaming inderpoliti-schenBildunggleichwohleinexplizitpolitischerZugangzuwählenist.EntsprechendfindetbeiderAuswahlundStrukturierungderkonkretenInhaltepolitischerBildungdiePrämisseBeachtung,dassdiesevoneinerpolitischenPerspektiveausgehtundalsdidaktischerFokusinderschuli-schenPolitischenBildungBerücksichtigungfindet.
VordiesemHintergrundistdiepolitischeBildungaufBezügezuan-derenWissenschaftenangewiesen.AlsLeitwissenschaftgiltdiePolitik-wissenschaft, derenTheorien,MethodenundBefundedie Integration,KoordinationundKooperationzudenBezugswissenschaftenWirtschafts-wissenschaft,Geschichte,SoziologieundJurisprudenzleisten.DieEigen-logikendieserWissenschaftenwerdenvonderpolitischenBildungzwarinRechnunggestellt,dochlässtessichnichtvermeiden,dassderenErgebnis-seselektiv,d.h.bezogenaufdieErkenntnisinteressenderpolitischenBil-dungrezipiertwerden(Massing,2007).
DieZielederpolitischenBildungsindvielfachgeprägtdurchdenje-weiligenpolitischenKontext.DiePhasenachdemZweitenWeltkriegwarinderBundesrepublikwesentlichbestimmtvonderpolitikpädagogischenKontroversezwischeneinerpolitischenErziehungzurPartnerschaftundeineranderPluralismustheorieorientiertenpolitischenBildung:TheodorWilhelmaliasFriedrichOetingerwarinderunmittelbarenNachkriegs-zeitdurchdievonihmkonstatierteAbneigungderMenschengegenal-lesPolitischezurAusrichtung seinerKonzeptionanderDemokratiealsLebensformimSinneJohnDeweysmotiviert(Oetinger,1951)undstanddamitimEinklangmitder»säkularenMission«(Plé,1990)deramerika-nischenBesatzungsmacht,welchedieDeutschenaufderGrundlagederDeweyschenVorstellungendurchRe-education zurDemokratie erzie-henwollte. ImUnterschiedzurWilhelmschenKonzeptioneinerpoliti-scheErziehungzurPartnerschaftgingTheodorLitt inpluralismustheo-retischerTraditionvonderanthropologischenPrämisseder»VielfältigkeitderMeinungenundWollungen«aus,imUnterschiedzutotalitärenSyste-menermöglichediedemokratischeStaatsformgeradeauchdieDivergenzderMeinungen(Litt,1958).DeshalbgehörezumWesenderDemokra-tieauchderpolitischeKampf,wasauchinderpolitischenBildungseinenNiederschlag finden sollte.DieTraditionsliniedieserKontroversewur-dezuBeginndesneuenJahrtausendsdurchGerhardHimmelmannwie-deraufgenommenundentwickeltesichzurDebatteumdieFrage,obdieZielperspektivepolitischerBildungmitengemdidaktischenFokusinDe-mokratie-LernenoderobsieinPolitik-LernenalsdidaktischeOrientie-rungsmarke fürdenUmgangmitderVielfaltdivergierenderpolitischer
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
AuffassungeninderSphäredesPolitischenbestehensollte(Himmelmann,2001;Massing,2004).
Für dieZielbestimmungpolitischerBildungmaßgeblich ist dieFra-ge,wiediedemdemokratischenGemeinwesenangemesseneBürgerrol-lekonzeptualisiertwerdensoll,welcheKenntnisseundFähigkeiten–vomEndedespolitischenErziehungsprozesseshergedacht–dieEntlassschüle-rinnenund-schüleraufweisensollen.HierzustellteWilhelmHennisbe-reitsimJahre1957einModelldesBürgersvor,dasdamalskontroversdis-kutiertwurdeundalsEntwurfauch indieheutigeDiskussionEingangfand.HennisziehtbeiseinerVorstellungdesModellsdesBürgersalsVer-gleichdenidealenZuschauereinesFußballspielsheranundgelangtzudemSchluss,dassvom»politischenMenschen«strukturelldasgleicheverlangtwerdenmüssewievom»rechtenZuschauer«:»ErmusszumindestsovielWissenvondenZusammenhängenpolitischenLebensbesitzen,dass erdieseWeltnichtalsfremde,seinerEinsichtentzogenebetrachtet.(…)Werweiß,wasbedeutendundunbedeutendist,wirdnichtzujenenschreck-lichenVereinfachungenundKurzschlüssenfähigsein,imJuden,imKa-pital,inderBürokratisierung,derKircheoderwassonstdasUnheilderWelt sehen.«DieAufgabedesLehrersbzw.derLehrerin inderSchulesieht Hennisdeshalbnicht inderunmittelbarenErziehungzur»rechtenAktion«, sondernzur»rechtenRe-Aktion«. (Hennis,1968).Dieaktuel-leDiskussioninderpolitischenBildungüberdieKonzeptualisierungderBürgerrolleknüpftandieseÜberlegungenvonHennisanunderweitertdieseumeinedifferenzierteStaffelungbürgerschaftlicherQualifikationen.
PeterMassinggelangthierbeizurUnterscheidungvondreiBürgermo-dellen:• DerBürgerals»ref lektierterZuschauer«sollimWesentlichenüberkog-
nitiveKompetenzenverfügen.• DerBürgerals»Interventionsbürger«sollnebenkognitivenauchüber
prozedurale Kompetenzen verfügen, welche sich auszeichnen durchWissen imSinne vonKenntnissenüber die tatsächlich vorhandenenEinf lusschancenundBeteiligungsmöglichkeiten ampolitischenWil-lensbildungs-undEntscheidungsprozess,dieFähigkeitzumrationalenpolitischenUrteilunddieprinzipielleHandlungsbereitschaftaufGrundvonkommunikativen, aber auch strategischenund taktischenFertig-keiten.
• Der»Aktivbürger«,derpolitischeBeteiligungalsseinewichtigsteAuf-gabeansieht,derdaspolitischeGeschehenaktivmitbestimmenwillundkann.DerAktivbürgersollkognitive,prozeduraleundhabituelleKom-petenzenvereinen(Massing,1999).
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2. Philosophie des Faches Politische Bildung
In ähnlicherWeiseplädiert auch JoachimDetjendafür,dassdiepoliti-scheBildungbeiihrerZieldefinitionaufvierGruppenRücksichtnehmensollte.Siesolltedenref lektiertenZuschaueralsihrMinimalzielansehen,alsanspruchsvolleres,aberwohldochrealistischesRegelzielsolltesiedeninterventionsfähigenZuschauerbetrachten,derAktivbürgersolltevonderpolitischenBildungalsMaximalzielihrerArbeiterachtetwerdenunddieDesinteressiertenbildeten schließlicheine ständigeHerausforderung fürdieBildungsbemühung(Detjen,2000).
DieBürgermodelleunterscheidensichfolglichinsbesonderenachdemGradderPartizipationsfähigkeit derBürgerinnenundBürger ampoli-tischenProzess.Diese steht jedoch inAbhängigkeitvonderprinzipiel-lenPartizipationswilligkeitundmithininderEntscheidungsfreiheitjederBürgerinundjedesBürgers.DiePartizipationswilligkeitkannschlechter-dingsnichtimPolitikunterricht»vermittelt«werden,willdiesernichtdieSchülerinnenund Schüler präformierenund ihreEntscheidungsfreiheitdiesbezüglichinunzulässigerweiseeinschränken.DieswürdeimÜbrigenauchdenPrinzipiendesBeutelsbacherKonsensesvon1976widersprechen,dernebendemKontroversitätsgebotfürpolitischstrittigeInhaltev.a.aucheinÜberwältigungsverbotvorsiehtunddamitdieEntscheidungs-respekti-veUrteilsfähigkeitderSchülerinnenundSchülerbetont(Wehling,1977).
UnstrittigistdasZielpolitischerBildung,LernendezupolitischerMün-digkeitrespektiveUrteilskraftzubefähigen.DaspolitikdidaktischeTheo-remder politischenUrteilsbildungnimmt epistemologisch seinenAus-ganginderEpochederAufklärung,wonachAufklärungder»AusgangdesMenschenausseinerselbstverschuldetenUnmündigkeit«ist(Kant,1991,53).ImHinblickaufdieFörderungswürdigkeitderpolitischenUrteilsfä-higkeitalsAufgabederpolitischenBildungistanzuführen,dassdiePoli-tik inderDemokratie,das legitimierendePrinzipderDemokratieunddieUrteilsfähigkeit derBürger sichgegenseitigbedingen.Dabei bildetdieAnnahme,dassdiePolitikeineimKernrationaleAuseinandersetzungumdiekonkreteGestaltdesGemeinwohls ist,dieunverzichtbare sach-logischeVoraussetzungdafür, inderFörderungderpolitischenUrteils-fähigkeitderBürgerinnenundBürgereinewichtigeBildungsaufgabezusehen.Weiterhin setztdieStaats-undRegierungsformderDemokratiezuihrerLegitimationdieFähigkeitderBürgerinnenundBürgervoraus,diePolitikselbständigundmiteinemMindestmaßanRationalitätzube-urteilen.SchließlichistdieFörderungpolitischerUrteilsfähigkeitumderBürgerinnenundBürgerselbstwillenangezeigt,indemsichdiepolitischeBildungumdieQualifizierungderMenschenzurPolitik,umderenra-tionaleUrteilsfähigkeitbemüht(Detjen,2007).DieBefähigungderLer-
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
nendenzurpolitischenUrteilsbildungalsdemokratiefunktionaleAufga-bederpolitischenBildungfürderen(spätere)TeilhabeanderpolitischenÖffentlichkeitdarfsichallerdingsnichtaufeinenationalstaatlichvereng-teRef lektionbeschränken,sondernwirdaufgrundpolitischerundöko-nomischerGlobalisierungsprozessetransnationalbestimmt( Juchler,2005).
3. Politikbegriff
Anforderungen an eine Definition der Politik
DiepolitischeBildungbedarfeinestheoretischkonsistentenundzugleichdidaktischpraktikablenBegriffesderPolitik.Esistjedochnichteinfach,einensolchenBegriffzudefinieren,weildiePolitikeinaußerordentlichvielschichtigessowieandenRändernauchunscharfesPhänomenist.Sozerf ließendieGrenzenzwischenPolitikundNichtpolitikbeiSchlagwor-tenwie»PolitikderLebensführung«,»PolitikderLebensstile«und»All-tagspolitik«. Denn diese um Anerkennung von Lebensentwürfen krei-senden»Politiken«schlagensichinstitutionellüberhauptnichtniederundereignensichjenseitsallerVerfasstheit.DerOrtdesPolitischenlässtsichinihnenjedenfallsnichtmehrerkennen(Massing,2004,S.90).
EinbrauchbarerPolitikbegriffmussAussagenüberdenSinngehaltoderdieZweckbestimmungderPolitikenthalten.ErmussweiterhinAngabenüberdieReichweitederPolitikmachen,sichalsodarüberäußern,welchesachlichenMateriendiePolitikerfasstsowiewelcheräumlicheundzeitlicheAusdehnungdiePolitikhat.FernermusssichdiePolitikanalytischmitHilfevonKategorienerfassenlassen.EinfürdiepolitischeBildungzuverwenden-derPolitikbegriffmussschließlichdasKriteriumerfüllen,mitdennormati-venGrundlagendesdemokratischenVerfassungsstaateskompatibelzusein.
Die Zweckbestimmung von Politik
Man bewegt sich weit außerhalb des Streites politikwissenschaftlicherTheorienundForschungsansätze,wennmanbezüglichderZweckbestim-mungvonPolitiksehrallgemeinfeststellt,dasssieeinesituationsbezoge-ne,pragmatischzubewältigendeAufgabeist,mittelsEntscheidungendasZusammenlebenvonMenschenangesichtsbestehenderWert-undInter-
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3. Politikbegriff
essendivergenzenzuregelnundgemeinsameProblemekommunikativso-wieunterBerücksichtigungvonGrundwertenzulösen.
DiehieraufaufbauendeDefinition lautet: »Politik ist jenesmenschli-cheHandeln,dasallgemeinverbindlicheundamGemeinwohlorientier-teEntscheidungenundRegelungeninundzwischenGruppenvonMen-schenvorbereitetundherstellt«(Patzelt,1993,S.14;Meyer,2006,S.41).HierbereitsistallerdingsschoneineEinschränkungzumachen.DasGe-meinwohlistderüblichenormativeBezugspunktderPolitik.Esgibtje-dochauchpolitischeOrdnungen,politischeAkteureundpolitischeHand-lungsweisen,denendieseOrientierungfehlt.
PolitikimVerständnisderebenvorgestelltenDefinitionisteineWeisemenschlichenHandelns,d.h.aberPraxis.Praxiskannmanauchbegrei-fenalsdenkendesTunderMenschenimUmgangmiteinanderbzw.alsre-f lexivgeleitetenVersuchderErmöglichungdesZusammenlebens.PraxisistdamitimKerneinederVernunftaufgetrageneAufgabe,Handlungs-normendurchdieErörterungvonZielen,Mitteln,BedingungenundFor-mendesZusammenlebenszuerstellen.DahinterstehtdieVorstellung,dassderMensch sichkraft seinerVernunftmitSeinesgleichenüberdasSeinderDinge,überseinVerhältniszudenDingen,überzwischenmenschli-cheVerhältnisseundüberdas,wasnützlichundschädlichsowiegerechtundungerechtist,verständigenkann.DerzuletztgenanntePunktmachtdaraufaufmerksam,dassPraxisaucheineethischeKomponentehat(Sutor,1984,S.13ff,33ff,41ff ).
PolitikzieltabaufdieHerstellungallgemeinverbindlicherRegelungenundEntscheidungen.Damitistzumeinengesagt,dassdieMenschenof-fensichtlichsolcheRegelnundEntscheidungenbenötigen.WoMenschenzusammenleben,mussimmerwiederKlarheitüberdieRegelnherrschen,diefürsiegeltensollen.ZumanderendrücktdasWort»Entscheidung«aus,dassesinderPolitikfastimmermehrereHandlungsmöglichkeitengibt.WeildiePolitikzwischenmehrerenAlternativenauswählenkann,trägtsieeinenprinzipielloffenenCharakter.
DerRegelungsbedarfwieauchderProzesszurHerstellungvonRegelnhängenvonderGrößedesjeweiligensozialenVerbandesab.Ineinfachen,d.h.überschaubarenundnichtarbeitsteiligorganisiertenGemeinschaftenkönnendiewenigenRegelnnebenbeivereinbartwerden.Komplexe,d.h.anonyme,sozialgeschichteteunddurchorganisierteGesellschaftenbenö-tigenfürdieimmerwiederneuanfallendenKoordinierungs-undRege-lungswünschespezielleInstitutionen,diemitsachgerechtenKompetenzenausgestattetundmitgeeignetenPersonenbesetztsind.DieseInstitutionenbildendassogenanntepolitischeEntscheidungssystem.
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
PolitikistzielbestimmtesHandeln.UmdasangestrebteZielzuerreichen,durchläuftdiePolitikeinenProzess.Sofernernichtgewaltsamdarange-hindertwird,istderpolitischeProzessfastimmervonKonf liktengeprägt.Dasmeint:AkteuremitunterschiedlichenSichtweisenundInteressenrin-gendarum,ihrePositionmöglichststarkdurchzusetzen.PolitischePro-zesse sind durch kommunikativeAktivitätenwieVerhandlungen,Ver-sprechungenundDrohungen,durchdenEinsatzvonTaktikunddurchdieNutzungvonMachtmittelngekennzeichnet.DasErgebniseinespoli-tischenProzesseshängtstarkdavonab,wiedieAkteuresichdieserInstru-mentezubedienenwissen.
PolitikistschließlicheinHandeln,dasderBewältigungvonSituatio-nendient,überderenRegelungkeineEinigkeitbesteht.SieistdeshalbderVersuchderVermittlungundVereinbarungunterschiedlicher,möglicher-weisesogargegensätzlicherAbsichtenvonIndividuenundGruppen.IhreAntwortenlösenbeidenMenschenunterschiedlicheBetroffenheitaus,dasiehäufigdieeinenbegünstigtunddieanderenbelastet.
Unterschiedliche Reichweiten der Politik
BezüglichderReichweitederPolitiklässtsichfesthalten,dasssiepoten-tiellalleEbenenmenschlichenZusammenlebenserfasst,alsovomsozia-lenNahbereichbiszurglobalenEbenereicht.Politikistalsoubiquitär.Be-züglichderräumlichenAusdehnungunterscheidetmaneinenweitenvoneinemengenPolitikbegriff(Rohe,1994,S.135ff ).
PolitikimweitenSinnekommtinallenSozialgebildenvor:InderFa-milie,imFreundeskreis,imVerein,inderKirchengemeinde,inderUni-versität,imUnternehmenundanvielenanderenStellen.IndiesenGebil-dendessozialenNahraumsgehtesabernichtprimärumPolitik.PolitikistnichtderSinndieserGebilde.SiehabenvielmehrspezifischeZweck-setzungen:SodieErziehungdesNachwuchses,dieFreizeitgestaltung,diePf legedesGlaubens,dieVermittlungvonBildung,dieProduktionvonGüternundDienstleistungenundanderesmehr.Dennochkommtes indiesenGebildenzuKonf likten.UnddieseKonf likteverlangenLösungen,folglichpolitischeAnstrengungen.GleichwohlistdieIntensitätdesPoliti-schenindiesenGebildeninsofernrelativgering,alsdieBemühungenumLösungenhiersehrstarkvonSachgesetzlichkeitenundgemeinsamenIn-teressenundÜberzeugungenbestimmtsind.
GehtesindenerwähntenSozialgebildennursekundärumPolitik,soverhält es sichmitdenpolitischenVerbändenwiedenStaatenundden
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3. Politikbegriff
internationalenOrganisationenanders.SiesindumderPolitikwillenein-gerichtetworden,unddeshalb findethierPolitik imengenSinne statt.PolitikimengenSinnemeinteinHandeln,dasgesamtgesellschaftlichver-bindlicheRegelungenbzw.RegelungenzwischenStaatenzumGegen-standhat.ImZentrumstehtdaspolitischeHandelndesStaates.
DerStaat regelt die allgemeinenVerhältnisse sämtlicher in ihmver-einigtenIndividuenundGruppenundermöglichtsoersteingedeihlichesZusammenleben.InGestaltderAußenpolitikbestimmterdasVerhältnisdereigenenGesellschaftzuanderenGesellschaften.Esverhält sichmit-hinso,dassderStaatdieGesellschaftüberhaupterstzueinererfahrbarenundhandlungsfähigen,ebenpolitischenEinheitkonstituiert.ZweifellosistPolitikimengenSinnevonhöchsterRelevanzfürdiepolitischeBildung.
DiePolitikimengenSinnelässtsichabernichtaufdiestaatlicheSphäreeingrenzen.ImZeichenzunehmenderIntegrationnimmtnämlichdieBe-deutungdespolitischenHandelnsderEuropäischenGemeinschaft,einerArtSubstitutdesStaates,deutlichzu.EsgibtaberauchdieTendenz,dassdie Politik immermehr dieGestalt gesellschaftlicher Selbstregulierungannimmt.Eserweitert sichebensoderpolitischeRaum indemSinne,dassvieleEntscheidungeninqualitativneuartigemMaßeüberdasgesell-schaftlicheLebenhinausreichenundBedingungendesLebensundÜber-lebens,diefrüherschicksalhafthingenommenwurden,beeinf lussen,wiedasWetter,dieLebensdauerunddieReproduktiondermenschlichenGat-tung(Greven,1999,S.9).
BezüglichderzeitlichenAusdehnunglassensichidealtypischdreiZonenderPolitikunterscheiden:EsgibtpolitischeSituationenundProblemevonäußerstkurzerDauer,wieeskennzeichnendfürdieaktuellenEreignissederTagespolitikist.EsgibtweiterhinProblemlagenundKonstellationen,diediePolitikübereinenmittel-oderlängerfristigenZeitraumbestim-men.UndesgibtPolitikalsdauerndemenschlicheAufgabe,dasmensch-licheZusammenlebenzuregeln(Sander,2008,S.178ff ).
Die Frage nach der Reichweite der Politik ist mit der Angabe ihrerräumlichenundzeitlichenAusdehnungnochnichtabschließendbeantwor-tet.OffenistnochdieFrage,obdiePolitikaufbestimmteGegenstandsbe-reichebzw.RegelungsmaterienbegrenztistoderobdiesnichtderFallist.
Diesbezüglich ist zu sagen, dass es schlechterdings keinen BereichmenschlicherExistenzgibt,dernichtpolitischwerdenkann.Politikfel-der wie beispielsweise Bildungspolitik, Sicherheitspolitik, Rentenpoli-tikundSteuerpolitikdeutendiesenSachverhalteherallgemeinan.DennauchdieRechtschreibung,LadenschlusszeitenundManagergehälterkön-nenGegenstandderPolitikwerden.Hierausfolgt:PolitikistkeinSach-
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
bereichnebenanderenwieWirtschaft,KulturundGesundheit.PolitikistvielmehrdiepotentielleDispositionüberSachfragenallerArt.DaherkannsieimPrinzipjederzeitfürjedeSacheaktuellwerden(Buchheim,1981,S.130).
Das spezifisch Politische kann also mit keinem Politikfeld identischsein.VielmehrmussdasspezifischPolitischeaufallePolitikfelderanwend-barsein.DieausderWissenschaftstheoriestammendeUnterscheidunginFormalobjektundMaterialobjektkannzurKlarheitdarüberverhelfen,wasdasEigentlichederPolitikausmacht.NachdieserUnterscheidungisteineWissenschaftnichtdurchdenGegenstand(Materialobjekt),sonderndurchihremethodischgeleiteteZugangsweise(Formalobjekt)gekennzeichnet.SokannsicheineWissenschaftmitvielenverschiedenenMaterialobjektenbeschäftigen,mussdabeiaberihrFormalobjekt,alsoihrenFragehorizont,jeweilszurAnwendungbringen.UmgekehrtkanndasgleicheMaterial-objektvielenWissenschaftengemeinsamsein,dieesaberunterjeweilsan-derenPerspektivenbetrachten.
ÜberträgtmandieUnterscheidunginFormalobjektundMaterialob-jektaufdiePolitik,ergibtsich,dasssehrvieleGegenständeausdenunter-schiedlichstenSachbereichenmaterialzuihrgehören,wieetwaGesund-heit,Bildung,SicherheitundInfrastruktur.Entscheidendistaber,dassdieFüllederMaterialobjektedurcheinFormalobjekt ineine integrierendePerspektivegebrachtwird.DiesesFormalobjektderPolitikistdieAufga-be,mittelsverbindlicherEntscheidungengemeinsameProblemeunterBe-rücksichtigungvonGrundwertenzulösen(Sutor,1984,S.25f ).
Die analytische Erfassung der Politik
Politik vollzieht sich stets dreidimensional. Die drei Dimensionen sindOrdnungoderForm(polity),InhalteoderZiele(policy)undProzessoderHandeln(politics).DiedreiDimensionenergebensichausdemSachverhalt,dassdiePolitikeinGeschehenist,indemimRahmenfesterFormenumderVerwirklichungbestimmterInhaltewegenAktivitätenstattfinden.ImgleichzeitigenWirksamwerdenderdreiDimensionenliegtdiespezifischeLogikderPolitik.DieseLogikunterscheidetsichdeutlichvonderLogikökonomischeroderkulturellerProzesse.
DiedreiDimensionensetzensichjeweilsauseinerReihevonFakto-renzusammen.DieseFaktorensindsowohlRealfaktorenalsauchanalyti-scheKategorien.Dasheißt,dasssieeinerseitsdieWirklichkeitprägenunddamit empirisch beobachtbar sindund andererseits als Instrumente zur
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3. Politikbegriff
AnalysederPolitik fungierenund indieserEigenschaftalsdidaktischerLeitfadenzurVermittlungundzumVerstehenderPolitikdienenkönnen(Meyer,2006,S.83ff ).
Politydrücktaus,dassPolitiksichineinemOrdnungsrahmenvollzieht,derdieBedingungendespolitischenHandelnsangibt,politischeProzes-sealsoinbestimmteBahnenlenkt.DerRahmenistzwarnichtunverän-derbar,aberdochnichtbeliebigundzujederZeitveränderbar.Denneristselbst»geronnene«PolitikoderdasfestgeschriebeneErgebniseinstmalsundgegebenenfallsimmernochvorliegenderMachtverhältnisse.Erneigtdementsprechend zurBeharrung.Auf nationalerEbenewird derOrd-nungsrahmenweitgehenddurchdieVerfassungunddieRechtsordnungfestgelegt.InderinternationalenPolitiksindzwischenstaatlicheAbkom-menunddieNormendesVölkerrechtswichtigeOrdnungselemente.
DerOrdnungsrahmenbestehtabernichtnurausgeschriebenenNor-men,sondernauchausdermentalenVerfasstheitderGesellschaft,diemanalspolitischeKulturbezeichnenkann.DiehierversammeltenpolitischenOrientierungs-undVerhaltensmuster,WertüberzeugungenundLoyalitä-tenbeeinf lussendenpolitischenProzessunddiepolitischenInhaltever-mutlichnichtwenigerstarkalsdiegeschriebeneVerfassung.
Policydrücktaus,dassesinderPolitikumdieVerwirklichungbestimm-terinhaltlicherVorstellungenbzw.umdieLösunggesellschaftlicherPro-blemegeht.Vonihrwirderwartet,dieGestaltungdergesellschaftlichenVerhältnissesovorzunehmen,dassdieBetroffenendieLösungfürsichalsförderlichakzeptieren.ZudiesemZweckentwickelnParteienundRegie-rungenProgrammeundversuchen,sieinEntscheidungenumzuwandeln.
DieGestaltungsaufgabederPolitikwirdauchdeutlichindenBezeich-nungen fürdieverschiedenen staatlichenPolitikfelderwiebeispielswei-se Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Umweltpolitik, Sozialpolitik undBildungspolitik.
PoliticsdrücktdenHandlungsaspektderPolitikaus.DaspolitischeHan-delnnimmthäufigdieGestaltkonf likthafterProzessean.Diesgiltjeden-fallsfürdemokratischeVerfassungsstaaten.InihnenwerdenstrittigeFra-genöffentlichausgetragen.DerStreitselbstbeziehtsichaufdiepolitischeWillensbildungundEntscheidungsfindung.UmindieserHinsichterfolg-reichzusein,istderKampfumMachtundEinf lussunerlässlich.Derpoli-tischeAlltagistdaherstarkvonderAuseinandersetzungumMachtanteilezwischendenverschiedenenGruppenundPersonenbestimmt.ImRah-menderpolitischenAuseinandersetzungwerden strategischeund takti-scheMaßnahmenerwogenundgegebenenfallsdurchgeführt.ZudiesenMaßnahmenkönnendieSuchenachBündnispartnern,dieAusnutzung
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
vonVerfahrensvorschriften,dieBemühungumKompromisse,aberauchdaskompromissloseDurchsetzendereigenenPositiongehören.Schließ-lichcharakterisierendieBesorgungvonZustimmungunddieSuchenachKonsensdenpolitischenProzess.
DiesepolitischenHandlungsweisengelten für alle anderPolitikbe-teiligten Akteure. Akteure sind einmal Personen wie beispielsweiseRegierungsmitglieder,Parlamentarier,ParteifunktionäreundInteressen-verbandsvertreter.AkteuresindaberauchKollektive,alsoParteien,Parla-mentsfraktionen,RegierungenundInteressenverbände.ImweitestenSin-nezählenauchdieMedienund letztlich– inGestaltderWählerschaft–dasVolkzudenAkteuren(Detjen,2006,S.32f ).
Drei politische Denk- und Handlungsmodelle
DiepolitischeBildungistkeinewertfreieVeranstaltung.Ihristaufgege-ben,jungenMenschenOrientierungshilfenfürihregegenwärtigeundzu-künftigeExistenz alsMitgliederderbestehendenGesellschaft sowie alsBürgerderexistierendenpolitischenOrdnungzuvermitteln.Sie istderfreiheitlichenGesellschaftunddem ihrentsprechendendemokratischenVerfassungsstaatverpf lichtet.
Nun lassen sich inder empirischenBeobachtungwie inderhistori-schenErfahrungdreiganzverschiedene,inihrenIntentionengegensätz-lichepolitischeDenk-undHandlungsmodelleidentifizieren.Oftbildensie den geistigen Hintergrund für extrem auseinanderfallende politi-scheUrteileundpolitischeHandlungsimperative.Sieverhaltensichauchunterschiedlich zu den Werten des demokratischen Verfassungsstaates.DolfSternbergerhatdieModelletheoriegeschichtlichzurückgeführtaufAristoteles, Machiavelli und Augustinus. Er spricht vom anthropologi-schenoderVerständigungsmodell,vomdämonologischenoderMachtmo-dellundvomeschatologischenoderHeilsmodellderPolitik(Sternberger,1978,S.87ff,159ff,269ff ).
AngelpunktdesaristotelischenVerständigungsmodells istderGedan-ke,dassderMenschvonNaturauseinpolitischesWesenistundzudemalseinzigesLebewesenüberSpracheundVernunftverfügt.DieseAusstattungbefähigtdenMenschen,sichinkommunikativerAuseinandersetzungüberdaspolitischzuTuendezuverständigen.DaspolitischzuTuendezieltaufdasguteLebender imstaatlichenGemeinwesenvereinigtenMenschen.DieZielbestimmungdes gutenLebens bewirkt, dass dieses Politikver-ständnisdeutlichethischeZügeträgt.
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3. Politikbegriff
PolitikistimVerständigungsmodelldasständigeBemühen,imRahmenderVerfassungaufdemWegedesöffentlichausgetragenenStreitesdieje-weilsbesteLösungfürdasGemeinwohlfreierundgleicherBürger/-innenzu finden.Indieser streitigenAuseinandersetzungspieltdieMachteineerheblicheRolle.DasVerständigungsmodell liegt der politischenOrd-nungunddempolitischenProzessdesdemokratischenVerfassungsstaa-teszugrunde.
DasmachiavellistischeMachtmodell führtzueinerdämonologischen,d.h.amoralischenundzynischenPolitik.EsgehthiernichtumdieGestal-tungdesgutenLebensderMenschen.VielmehrgehtesumdieEroberungunddieBehauptungderMachtfürdenoderdieHerrschenden.HierbeimoralischeVorstellungenzuberücksichtigenkannunterUmständeneinGebotderKlugheitsein.DennochmussnichtzwingendRücksichtaufdieMoralgenommenwerden.ImZweifelsfallesolltediesemModellzufolgeeinPolitikerkeineSkrupelzeigen,wennesumseineMachtstellunggeht.
FürdasMachtmodellistdiePolitikimKernnichtsanderesalsdieTech-nikderMachtbehauptunginderAuseinandersetzungmitallenArtenvonWiderständen.Es gibt harte undweicheTechnikenderMachtbehaup-tung.AmbestenbehauptetsichderjenigePolitiker,derbeideTechnikengeschickteinzusetzenweiß.EinsolcherPolitikerpraktiziertjenachSitua-tionkriegerischeunddiplomatische,kühneundlistige,grausameundmil-deMittel.SeinTundientaberimmernureinemeinzigenoberstenZweck,unddieserZweckistdieBehauptungdereigenenMacht.
DasaugustinischeHeilsmodellargumentiertmiteschatologischenKate-gorien.DieEschatologieistdieLehrevondenletztenDingenamEndederWelt.DiewirksamsteEschatologieistimChristentumbeheimatet.InderOffenbarungdesJohannesistdieRedevomUntergangderReiche,vomletztenGefechtzwischenGutenundBösenundvomjüngstenGericht.EsistaberauchdieRedevoneinemneuenAnfangjenseitsdieserEreignis-sesowievoneinemneuenHimmelundeinerneuenErde.DieEschatolo-gieistalsodasWissenvomEndedesaltenBestehendenundvomAufgangdesneuenZukünftigen.InsbesondereenthältsieeineVerheißungaufEr-lösungvomÜbelderbisherigenWelt.DieEschatologieträgtdamitdeut-licheheilsgeschichtlicheZüge.NachchristlicherAuffassung istdievonderOffenbarungversprocheneZukunftinGestaltderKircheaberbereitsWirklichkeitgeworden.
GanzanderswirktdaseschatologischeDenkmuster,wennmandieVer-heißungfürnochnichtrealisierthältundzusätzlichannimmt,dassmansiemitHilfederPolitikherbeizwingenkann.EinesolchePolitikzeichnetsichzwangsläufigdurcheinebesondereRadikalitätaus.Denneineescha-
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
tologischePolitikkann sichmitnichtsGeringeremzufriedengebenalsmiteinerkompromisslosenAbwendungvonderbisherigenOrdnung,diedenMakelträgt,falschundüberholtzusein.DieAnhängereinespoliti-schenHeilsmodellsvereinteinfanatischerGlaubenandieRichtigkeitihrerPosition.SieneigenzubesondersextremenFormenvonGesinnungsethik.WeiterhinneigtdaseschatologischeDenkenzupolitischer Indoktrinie-rungundMissionierung.DieVerantwortbarkeitpolitischenHandelnsfürdiebestehendeOrdnunggiltdemgegenüberalsvölligunerheblich.DenndasBestehendeistzuüberwinden.
DiedreivorgestelltenGrundmusterpolitischenDenkensundHandelnszwingendiepolitischeBildungzueinerEntscheidung,wennesumdieBewertunggeht.DasMachtmodellwieauchdasHeilsmodell sprengendieLegitimitätsgrundlagendesdemokratischenVerfassungsstaates.Die-senistdiepolitischeBildungsbemühungjedochverpf lichtet.Folglichdarfsie sichbeiderThematisierungpolitischerÄußerungenundHandlun-gen,dieeindeutigdemMacht-oderdemHeilsmodellzuzuordnensind,nichtaufdaswertneutraleAnalysierenbeschränken.Siewürdeaufdie-seWeisedieFundamentedesdemokratischenVerfassungsstaatesunter-grabenunddamitdenSinngrundihrerTätigkeitverletzen(Sternberger,1978,S.440ff ).
4. Politikdidaktische Konzeptionen
Politikdidaktik als Wissenschaft
WasunterPolitikdidaktikzuverstehenist,wirdunterihrenVertreter/-innenkontroversdiskutiert.SichtetmandieindenletztenJahrenpub-liziertepolitikdidaktischeLiteratur, lassen sichunterschiedlicheAnsätzemitunterschiedlichenFragestellungen,MethodenundIntentionenerken-nen.DieFachdiskussioninderPolitikdidaktikistprofessionellergewor-den,aberauchdifferenzierter, spezialisierterundheterogener.DennochkönntemanaufeinereherformalenEbeneÜbereinstimmungfinden,dassPolitikdidaktikeineeigenständigewissenschaftlicheDisziplinist,diesichmitdempolitischenLehrenundLerneninderSchuleundimUnterrichtbeschäftigt.
DabeistelltsieFragenaufdreiEbenen.AufderEbeneder»Ziel-undIn-haltsklärung«fragtsienachdenInhalten,nachdem,wasgelehrtundge-
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4. Politikdidaktische Konzeptionen
lerntwerdensoll,mitwelchenZielenundIntentionen,nachihrerAuswahlundwiesiebegründetwerdenkönnen.AufderEbeneder»Lehr-Lern-Forschung« stellt sieFragennachdenSubjekten,die imLernprozess alseinzelneoder alsGruppemiteinander inBeziehung treten, sowienachdemBedingungsumfeld, in dem sie lehrenund lernen.Auf derEbeneder»OrganisationdesLernprozesses« stellt sieFragennachderAuswahlderMethodenundMedien,derArbeits-undInteraktionsformenundde-renFolgenfürdenUnterricht.AufdenjeweiligenEbenenstehtdiePoli-tikdidaktikmitunterschiedlichenWissenschafteninBeziehung.MitderErziehungswissenschaftundderpädagogischenPsychologie ebensowiemitPolitikwissenschaft,Soziologie,ÖkonomikundRechtswissenschaf-ten.BringtsieihreFragenundAntwortenineinenplausiblentheoreti-schenGesamtzusammenhang lässt sichvonpolitikdidaktischenKonzep-tionensprechen(Hilligen,1985,145).
DiemeistenKonzeptionenundAnsätzederPolitikdidaktiksindem-pirischundnormativundversuchenbeideAspektemiteinanderzuver-binden.D.h.siezielenaufeineanspruchvolleVerknüpfungvonempiri-schenundnormativenElementen.AufderEbenederInhalteundZieleentwickelnsiediese,unterBerücksichtigungderErgebnissederPolitik-wissenschaft, imBezug auf das politische SystemderDemokratie.AlsempirischeDisziplin bezieht sichdiePolitikdidaktik auf die politischeRealitätderDemokratieunddieErgebnissederentsprechendenLehr-/Lernforschung.Sieversucht,dievielschichtigepolitischeundschulischeWirklichkeitvereinfachend,aberangemessenwirklichkeitsgetreunach-zubilden.DazubenötigtsienebeneinemkomplexenPolitikbegriffeineVorstellungvondenFunktionsvoraussetzungenunddenFunktionsbe-dingungendesdemokratischenpolitischenSystems.ZusätzlichzudieserVerankerungimEmpirischenderPolitikunddesFachunterrichtsbrauchtPolitikdidaktik jedocheineebenso starkeVerankerung imNormativenderDemokratie.
DernormativeBezugspunktDemokratieenthält fürdiePolitikdidak-tikdabeidreizentraleDimensionen.DiesebeziehensichzumeinenaufdieDemokratiealspolitischesSystem,zumanderenaufdasIndividuumundseineQualifikationenalsBürgerinoderBürger.AufderEbenederZie-lehatdiePolitikdidaktikdieAufgabe,KonzeptepolitischerBildung zuentwickeln, die eineOrientierung aufdaspolitischeSystemvermitteln.PolitischeBildungistdanneinMittel,BürgerinnenundBürgerüberdiekomplexenZusammenhängeeinesdemokratischenpolitischenSystemszuinformierenundaufdieseWeiseseineLegitimitätzuerhöhenundeinenBeitragzuseinerStabilisierungzuleisten.AufderEbenederInhaltebenö-
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
tigenPolitikdidaktikundpolitischeBildungeinenkomplexenDemokra-tiebegriff(Scharpf,1971),derdieInput-undOutput-Perspektivedesdemo-kratischenSystemsmiteinanderverknüpft.DerInput informiertüberdieVorgängeunddieWertigkeitderpolitischenWillensbildungundEntschei-dunginderDemokratie.DerOutputdientdazu,dieQualitätderpolitischenEntscheidungundderpolitischenSteuerungzubestimmen.StabilisierungundLegitimitätserhöhungalsZiele sowie Input-undOutputorientierungimRahmeneineskomplexenDemokratiebegriffsalsInhaltesindnorma-tiveSichtweisen.SobaldsiemitderpolitischenWirklichkeitkonfrontiertwerden,ergebensichDiskrepanzenzwischendennormativenAnsprüchenundderRealitätderDemokratie.DieseverweisenaufdenTatbestand,dassDemokratieeinunabgeschlossenesProjektist,dassichnurinderöffentli-chenAuseinandersetzungweiterentwickelnlässt.
AllerdingsführtdieKluftzwischenNormundWirklichkeitnichtaussichherauszuderdemokratischenPraxisderBürgerinnenundBürger,indersichDemokratieselbstfortschreibt,sondernesbedarfdesöffentlichenWillensderBürgerinnenundBürgerundentsprechenderKompetenzenineinesolchePraxisaucheinzutreten.Damitist–wiederaufderEbenederZiele–derdrittenormativeBezugspunktpolitikdidaktischerKon-zeptionengenannt:dasIndividuum,dasalsBürgerinoderBürgerinderDemokratiedurchAutonomieundpolitischeMündigkeitgekennzeich-netseinsoll.AutonomiemeintdieFähigkeit,selbstständig,eigenverant-wortlichundkompetentVerantwortungzuübernehmen.VonpolitischerMündigkeitsprechenwirdort,woderMenschzueigenemDenkenge-langtist,woergelernthat,Vorgefundeneskritischzuref lektierenundaufdieserBasispolitischzuhandeln.DiedazunotwendigenKompetenzen,diesichimAnschlussandiepolitikwissenschaftlicheDemokratietheorieinkognitiveundprozeduraleKompetenzenundinhabituelleDispositio-nen(Buchstein,1995,S. 295ff )unterteilenlassen,kannu.a.diepolitischeBildungvermitteln.
Zusammenfassend lassen sichausdembisherGesagtenvierKriterienentwickeln,mitdenenpolitikdidaktischeKonzeptionenundpolitikdidak-tischeAnsätzebeschriebenwerdenkönnen:1. AufderEbenederInhalteunduntereinemempirischenAnspruchgeht
esumdieBeschreibungderpolitischenWirklichkeitderDemokratiemitHilfeeineskomplexenPolitikbegriffs.
2.AufderEbenederInhalteunduntereinemnormativenAnspruchgehtesumeinekomplexeVorstellungvonDemokratie,ihrenBedingungen,ihrenZumutungenundihrerZukunft, inderdieInput-undOutput-dimensiondesdemokratischenSystemstheoretischverknüpftist.
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4. Politikdidaktische Konzeptionen
3.AufderEbenederZielegehtesuntereinemnormativenAnspruchumeineStärkungderLegitimitätdesdemokratischenSystemsundumsei-neStabilisierung.
4.AufderEbenederZielegehtesuntereinemnormativenAnspruchumdieAutonomieunddiepolitischeMündigkeitderIndividueninihrerRollealsBürgerinundalsBürgersowieumdieVermittlungderdazunotwendigenKompetenzenundDispositionen.
OhnedenAnsprucherhebenzukönnen,andieserStelleeinetieferrei-chendeAnalysevorlegenzukönnen,werdenvordemHintergrunddervier Vergleichskriterien im Folgenden ausgewählte politikdidaktischeKonzeptionenundAnsätzeskizziert.
Vergleich politikdidaktischer Konzeptionen
VonimeigentlichenSinnepolitikdidaktischenKonzeptionenkannmanerst seit der »Einsichtendidaktik« vonKurtG.Fischer sprechen (Gagel,2005, S. 133ff ). Darin finden sich empirische Aussagen zur Politik inderDemokratieundnormativeAnforderungenandieBürgerinunddenBürger. Fischer beschreibt Politik empirisch im Wesentlichen als Wil-lensbildungs-undEntscheidungsprozessmitdemZielderDurchsetzungindividueller,Gruppen-undInstitutioneninteressen.DemokratischePoli-tik soll sichdann ständigumdie Integrationunterschiedlicher Interes-sen inderGesellschaftbemühen.Fischerhat einpluralistischesDemo-kratieverständnis, dennoch liegt seiner politikdidaktischen KonzeptionkeinkomplexesDemokratiekonzept zugrundeundder zentralenorma-tiveBezugspunktistnichtdaspolitischeSystem,sondernsehrvielstärkerdasIndividuum.PolitischeBildungzieltbeiFischeraufSelbstbestimmungundMitbestimmungdesMenschenab.Erplädiert füreinenmündigen,urteilsfähigenundbeteiligungsbereitenBürgernichtinersterLinie,weildasdemokratischeSystemaufeinensolchenangewiesenist,umlangfris-tigbestehenzukönnen,sonderndieserBürgeristSelbstzweckunderbe-nötigtsolcheFähigkeiten,damiterdasbestehendedemokratischeSystemgegebenenfallsverändernkann,umseineAutonomieundMündigkeitzuerweitern(Fischer,1970,S.60).
HermannGieseckeistvielleichtderersteDidaktiker,dereindeutigfor-dert,dassderGegenstanddesPolitikunterrichtsdiePolitikist.Politikde-finiert er als »dasnochnichtEntschiedene«, das in ersterLinie erfahr-barwirdalsKonf likt.EmpirischistPolitikfürihnfastausschließlichin
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
denkonf likthaftenProzesseninderGesellschaftzusehenundalleVer-suchedasPolitischestoff lichfestzulegen,seienzumScheiternverurteilt.Gieseckegewinnt aufdieseWeise zwareinen scharfkonturierten, aberkeinen komplexen Politikbegriff. Er vernachlässigt sowohl den Hand-lungsrahmenalsauchdieInhaltederPolitik.Dasgleichegiltfürseinnor-mativesDemokratiekonzept,dasalleindieInputseitebetont.DemokratieistdanachidentischmitMitbestimmung,Mündigkeit,EmanzipationundAufklärungundkeineMethoderationalerpolitischerEntscheidungsfin-dung»fürdasVolk«.DerzentralenormativeBezugspunktistdasIndividu-uminseinerRollealsBürgeroderBürgerinundnichtdasdemokratischepolitischeSystem.MitbestimmungoderPartizipationalszentraleKatego-rienhabennichtdenZweck,zurLegitimitätoderzurStabilisierungderDemokratiebeizutragen,sonderndieEmanzipation,d.h.dieAutonomieunddiepolitischeMündigkeitdesMenschenzufördern(Giesecke,1972).
WolfgangHilligensPolitikbegriffhatzwar imVergleichzu Gieseckeein weniger klares Profil, ist aber komplexer und als empirischer Be-griffderRealitätangemessener.Hilligenerfasstdamitdeninstitutionel-lenHandlungsrahmenderPolitik(polity),ebensodieinhaltlichenHand-lungsprogrammeundZiele, definiert als dieAufgabenorientierungderPolitik,dieerimmerwiederbetont.Zwartrittbeiihmderkonf likthafteProzesspolitischerWillensbildungundEntscheidungetwasindenHinter-grund,abernichtsostark,dassdiePolitics-Dimensionvernachlässigtodergarübersehenwürde.AuchderDemokratiebegriffHilligensistkomple-xer.ErbewegtsichnichtnuraufeinerprogrammatischenEbene,sondernbeziehtdiepolitischegesellschaftlicheWirklichkeitmitein.Seinnormati-verAnspruchdrücktsichinden»dreiOptionen«aus,diezumeinendidak-tischeGrundentscheidungensind,zumandereneinDemokratiemodellinkomprimierterFormmarkieren.IndererstenOptiongehtesumdieUn-antastbarkeitderMenschenwürdeunddieAufrechterhaltungderGrund-rechte.InderzweitenumdieHerstellungderpolitischenVoraussetzun-genfürdiefreieEntfaltungderPersönlichkeitundfürdieÜberwindungsozialerUngleichheit,fürChancengleichheit,SelbstbestimmungundMit-bestimmung.DiedritteOptionbeziehtsichaufdieNotwendigkeit,Spiel-räumeundInstitutionenfürpolitischeAlternativenzuerhalten,zuverbes-sernundneuzuschaffen.
DiesesnormativeModellentsprichtnichtderRealitätderDemokra-tie.HilligengehtesdeshalbauchnichtumLegitimationundSystemsta-bilität, sonderndernormativeBezugdespolitischenSystems isthier indieZukunftverlagert.PolitischeBildunghatdieAufgabe,diebestehendepolitisch-gesellschaftlicheWirklichkeit zuverändern,bestehendegesell-
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4. Politikdidaktische Konzeptionen
schaftlicheUngleichheitenzuüberwinden,neueMöglichkeitenderPar-tizipationzuerschließenundsoeineDemokratieerstherzustellen,inderChancengleichheit undSelbstbestimmungverwirklicht sind.Vomnor-mativenBezugspunktdesIndividuumsinseinerRollealsBürgerinundBürgeristesAufgabederpolitischenBildung,ihnenFähigkeitenzurSys-temkritik zu vermitteln, siemitKonf liktfähigkeit auszustatten und siezurReformderbestehendenDemokratieinRichtung»mehrDemokra-tie«anzuregen.DiebeidennormativenBezugspunkte»politischesSystem«alsDemokratieeinerseitsundBürgerqualifikationenanderseitssetzenein-andervorausundstehenineinemdialektischenSpannungsverhältniszu-einander(Hilligen,1985).
Ernst August Roloff gründet sein politikdidaktisches Konzept imWesentlichenaufeinennormativenPolitikbegriff,der ineinenormati-veDemokratievorstellungmündet.RollofbeschreibtnichtempirischdieRealitätdespolitischenSystemsundseinZielistauchnichtdieErhöhungdesLegitimationskonsensesoderdieStabilisierungdesSystems,sondernerfordertalsZielderPolitik,einestrikteOrientierunganWertenundeineebensostrikteBindungandieVerfassungalsalleinigeRichtliniestaatli-chenHandelns (Roloff,1974).Demokratie ist für ihndannMittelundZweckzugleichundvorallemderWegzurSelbstbestimmung.Selbstbe-stimmunginderDemokratieheißt,dassdieStaatsgewaltnichtnurvomVolkausgeht,sondernauchvomVolkunmittelbarausgeübtwird.Dahin-ter stehtoffensichtlicheineVorstellungvondirekterDemokratie,ohnedassdiesenäher ausgeführtwird.ErhöhungderLegitimationundSys-temstabilitätspielendannauchkeineRolle.DerzentralenormativeBe-zugspunktder fachdidaktischenKonzeption istdas Individuum,das alsBürger/-in »grundrechtsmündig«, »konf liktfähig«und»entscheidungsfä-higseinsoll,damitesdienormativeVerpf lichtung,diesichausderFun-damentalnorm»Menschenwürde«ergibt,injederSituationundüberaller-füllenkann(Roloff,1974,S.55).
BeiRolfSchmiedererkommtPolitikinhaltlichbeschriebenkaumvor.WennSchmiederer empirischeAussagenmacht, dannüber dieGesell-schaftalsGanzesmitdemZiel,dieNotwendigkeiteinerradikalenGesell-schaftsveränderungzubegründen.Demokratieistvonihmalleinnorma-tivgefasstalsutopischesGegenmodellzurbestehendenGesellschaft.SieistdieOrdnungdesbefreitenLebens,inwelcheroptimalematerielle,geis-tigeundseelischeBedürfnisbefriedigunggewährleistet ist (Schmiederer,1971).DerzentralenormativeBezugspunktistjedochdieSelbstverwirk-lichungundSelbstbestimmungdesIndividuums,dieerallerdingsinderbestehendenGesellschaftnicht fürmöglichhält.DieseElementekenn-
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
zeichnenletztlichauchseinespätereKonzeption(Schmiederer,1977),auchwennerdortdaraufverzichtet,Schüler/-innenzurGesellschaftsverände-runganzuregen,sondernesihnenselbstüberlässt,obundwiesiepolitischaktivwerden.
DieimBezugaufdieobenformuliertenKriterienvielleichtdifferen-zierteste fachdidaktische Konzeption stammt von Bernhard Sutor. DieKonzeption enthält einen komplexenPolitikbegriff und ein komplexesDemokratiemodell.DarüberhinauserhebtSutordenAnspruch,empiri-scheAspekteundnormativeAnforderungenmiteinanderzuverknüpfen(Sutor,1973).SoverwendetereinenempirischenundnormativenPolitik-begriff.EmpirischbeziehtsichdieseraufdenHandlungsrahmenvonPoli-tik,insbesondereaufdieInstitutionen,aufdieInhaltederPolitik,diealsAufgaben formuliertwerden,undaufdenpolitischenWillensbildungs-undEntscheidungsprozess.DarinlässtsicheinepluralistischePolitiktheo-rieerkennen.SiebeschreibtnichtnurempirischdieRealitätdesPoliti-schen,sieverstehtsichauchnormativalsHerausforderungandenStatusquo. Dieser politiktheoretische Ansatz mündet in ein Konkurrenzmo-dellderDemokratie,dasinseinerIn put-Dimensionu.a.durchdieNot-wendigkeitpolitischerBeteiligungundinseinerOutput-DimensiondurchdenAnspruchgekennzeichnetist,dassdemokratischePolitikdieAufga-behat, denWiderspruch zwischen rechtlich-politischerGleichheit undsozialerUngleichheit zumildern. In seiner späterenpolitikdidaktischenKonzeptionverzichtetSutordarauf,sichaufeinDemokratiemodellfest-zulegen(Sutor,1984).ErstecktzwarGrenzenab,sozuVorstellungenvonidentitärenDemokratiekonzepteninderNachfolgevonRousseauundzumarxistisch-emanzipatorischenVorstellungen,siehtaberimRahmendesfreiheitlichenVerfassungsstaatesgrundsätzlichRaumfürunterschiedlichakzentuierteDemokratiemodelle.DenzentralennormativenBezugspunktfindeternichtinderLegitimierungdespolitischenSystemsundimZiel,dieses zu stabilisieren, sondern imIndividuumalsPerson,die aufgrundihrerFähigkeitzusittlicherSelbstbestimmungunabdingbareWürdebe-sitzt,undderSelbstverantwortungfürdieihrzurechenbarenHandlungenundMitverantwortungfürdievonihrbeeinf lussbarensozialenundpoli-tischenVerhältnissenzukommt.
EtwazeitgleichhatBernhardClaußenseine»KritischePolitikdidaktik«(Claußen,1981)formuliert.ErversuchtdiefrühekritischeTheorie,dieeralsemanzipatorischeSozialwissenschaftbeschreibt, systematisch ineinerdidaktischenKonzeptionzurpolitischenBildungzuentfalten,dienega-tivdialektischundmaterialistischverfährtunddieselbstKritischeTheorieseinwill.DadiekritischePolitikdidaktiknichtvoneinergegenstandsbe-
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4. Politikdidaktische Konzeptionen
zogenenSystematikausgehtundauchnichtvoneinemrelativfestgefüg-tenBegriffs-undVerknüpfungszusammenhangargumentiert,verzichtetClaußenweitgehendauf einen inhaltlichdefiniertenPolitikbegriffundaufeinDemokratiemodell.
Alle bisher erwähnten politikdidaktischen Konzeptionen (vielleichtaußerderKonzeptionBernhardClaußens)enthalteninunterschiedlicherAusprägungPolitikbegriffeundVorstellungenvonDemokratie.Diemeis-tenverzichtenjedochaufinhaltlicheKonkretisierungen,ausdenensicheinKonzeptinhaltlichenGrundwissensableitenließe.
InderaktuellenpolitikdidaktischenDiskussionerfährtderGegenstandPolitikundderDemokratiebegriff,derenKonturen sowohl als empiri-sche als auch als normativeBezugspunkteundeutlicherwerden, unter-schiedlicheBedeutung.Inseinerkonstruktivistischinspirierten»Kommu-nikativenFachdidaktik«gehtTilmanGrammes(Grammes,1995)davonaus,dassalleLernfelderdesSozialkundeunterrichts–Gesellschaft,Politik,Wirtschaft,Recht–kommunikativstrukturiertsind.EntsprechendmusseinkonstitutiverPolitikbegriff,der fachdidaktischaufschließendwirkenkann,diekommunikativeDimensiondesPolitischenaufnehmenunddaszugrundeliegendeDemokratiemodell ist dasder »kommunikativenDe-mokratie«. Politik in der Demokratie ist danach ein dialogischer Kon-f liktmodusundkeinabgrenzbarerunddefinierbarerGegenstandsbereich.Grammesverzichtet auf einedarüberhinausgehendeBeschreibungvonPolitikundDemokratieundpolitischeBildungbedeutetBegegnungmitGesellschaftundDialogemitPersonenundGruppen.KommunikationaufunterschiedlichenEbenenscheinthierdernormativeBezugspunktzusein.AuchWolfgangSanderentwickeltinseinemkonstruktivistischenpolitik-didaktischenAnsatzkeinen inhaltlichdifferenziertenPolitikbegriffundkeininhaltlichkonkretesDemokratiekonzept.ErsiehtjedochdenGrund-wertFreiheitalsdasSpezifikumvonDemokratie(Sander,2008,S.50ff ).InderDemokratiegewinntpolitischeBildungihrenSinnausderFreiheit,nicht ausGleichheitundSolidarität,unddieFreiheitderPerson istderzentralenormativeBezugspunkt.
DieKritikerdiesesAnsatzesgehenüberwiegendvoneinemkomple-xeren,empirischangereichertenPolitikbegriffundvoneinemkomplexe-rennormativenDemokratiemodellaus,indem»Freiheitbefördern«zwareinwichtigesZielist,aberdieFreiheitinderDemokratieineinemSpan-nungsverhältnis zur Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit gesehenwird(Weißeno,2002,S. 113).AuchGotthardBreitundIngoJuchlerver-weisenaufGrundlageeinesempirischorientiertenPolitikbegriffsdarauf,dassalsGrundwertederDemokratienebenFreiheitauchGleichheit,Soli-
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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung
darität,LebenundFrieden(Breit,2000,S. 222)gelten,unddassderkons-titutiveVerweisungszusammenhangvonpolitischerGleichheitundFrei-heitinderDemokratienichtvernachlässigtwerdendarf( Juchler,2005).DiesePolitikdidaktikersehenoffensichtlich»PolitikalsKern«undgehenvoneinemkomplexerenDemokratiemodellaus,ohnedasssieesineineinhaltlich konkretere Form bringen. Auch die Autoren, die in Anleh-nungandieaktuellepolitikwissenschaftlicheDemokratietheorieBürger-leitbilder (Ackermann,2002;Detjen,2000;Massing,2002a)entwickelthaben(denkritischenZuschauer,derinterventionsfähigenBürgerunddenAktivbürger)undaufdieserGrundlageunterschiedlicheKompetenzen–kognitiveundprozeduraleKompetenzensowiehabituelleDispositionen–(Buchstein,1995)formulieren,beziehensichzwaraufPolitikbegriffeundaufnormativeDemokratiemodelle,definierenihrDemokratieverständnisabernurinAnsätzeninhaltlichundsehendennormativenBezugspunktinderBürgerinunddemBürgerundseinenKompetenzenundTugenden.
InjüngsterZeitscheintjedochdieEinsichtgewachsenzusein,dasseszunehmenddringlicherwird,konkreteInhalteimSinnevonFachwissenzuformulierenundempirischzuüberprüfen,umanschlussfähigandiean-derenFachdidaktikenzubleiben.BishertutsichdiePolitikdidaktikaller-dingsschwerdamit,diesesnotwendigeFachwissenzubeschreiben,zude-finierenunddamitnormativzubestimmen.
SonenntWolfgangSandereinref lektiertesGrundverständnisdertra-gendenPrinzipienundFunktionsweisenderpolitischen,wirtschaftlichenundgesellschaftlichenOrdnungderBundesrepublikundihrertransnatio-nalenVerf lechtungen (Sander, 2008, S. 95ff ), ohnediesekonkreter zubenennen oder inhaltlich zu füllen. Bei Joachim Detjen hat das Fach-wissendendemokratischenVerfassungsstaatzumGegenstand.Danachbil-denfolgendeSachverhaltedaskognitiveZentrumdesPolitikunterrichts:DerPluralismusalsgesellschaftlichesSubstratderDemokratie,dasSystemder Grundrechte, die Staatsfundamentalnormen (Demokratie, Rechts-staat,Sozialstaat,Bundesstaat),dieVerfassungsorgane (Bundestag,Bun-desrat,Bundesregierung,Bundespräsident,Bundesverfassungsgericht)unddieMechanismenihresZusammenwirkensbeimRegieren,beimGesetze-GebenundbeimRechtsprechen(GewaltenteilungindenbeidenGestaltenalsgeteilteMachtundalskontrolliertepolitischeMacht,(Detjen,2008).PeterMassingzählt zumnotwendigenFachwissen:KenntnisseüberdieDemokratieund ihre Ideengeschichte, ebensoKenntnisseüberdie ins-titutionelleOrdnungdespolitischenSystems, seineverfassungsmäßigenGrundlagen, diewichtigstenPrinzipienund Institutionen, dieRegeln,nachdenen entschiedenwird sowieüber vorhandeneEinf lussmöglich-
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4. Politikdidaktische Konzeptionen
keitenundPartizipationschancen.HinzukommtWissenüberfunktionaleZusammenhängedespolitischenSystemssowieüberseineweltpolitischenundweltwirtschaftlichenAbhängigkeiten(Massing,2008).Wasinhaltlichkonkretdamitgemeintist,bleibtjedochunbestimmt.
Auch die unterschiedlichen Kategorienmodelle der Politikdidaktikklärendie Inhaltsfrage letztlichnicht,wieGeorgWeißenokritischan-merkt(Weißeno,2006,S.135ff ),unddieVorschlägezuBasiskonzepten,wiesieu.a.GeorgWeißeno(Weißeno,2006),WolfgangSander(Sander,2008),JoachimDetjen(Detjen,2008),PeterMassing(Massing,2008)undDagmarRichter(Richter,2008)vorgelegthaben,bleibenmehroderwe-nigerinhaltlichoffen.GeradeaberweiljedeFestlegungnuralsSetzungerfolgenkann,bedarfeinModellderBasis-undFachkonzepte,umnach-haltigwirkenzukönnen,derAkzeptanzundderLegitimationdurchdieGemeinschaftderPolitikdidaktiker/-innen.UmdiesenDiskursaberüber-hauptführenzukönnen,istesnotwenig,Basis-undFachkonzeptezufor-mulieren,diedenAnspruchhaben,dieKompetenzdimensionFachwissenfestzulegen.DennohnesielässtsichdieKompetenzdimensionFachwissennuralsadditiver»Wissenskanon«darstellen(Richter,2008,S.164).
II. Basis- und Fachkonzepte
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II. Basis- und Fachkonzepte
1. Konstruktion politischer Basis- und Fachkonzepte
Basiskonzepte(key concepts)bezeichnenzentralePrinzipienbzw.Paradig-men der Domäne, also Grundvorstellungen des jeweiligen Faches. SierepräsentierendasSpezifischeeinerDomäne fürdenUnterricht anall-gemeinbildendenSchulen.BasiskonzepteentstehendurchdidaktischeSet-zungenundlassensichverstehenals»strukturierteVernetzungaufeinan-derbezogenerBegriffe,TheorienunderklärenderModellvorstellungen«(Demuthetal.,2005,S.57).DiehierpräsentiertenBasiskonzepteerge-bensichausdenBegründungenzumPolitikbegriffinKapitelI/3,indemdieBedeutungdesGemeinwohls sowiediederDimensionenOrdnungundEntscheidungfürdieDomänePolitikaufgezeigtwird.Politikdidak-tischformuliertbedeutetdies,dasssichdasPolitischenichtverstehenlässt,wennmankeineVorstellungvonGemeinwohl,politischerOrdnungundEntscheidunghat.BasiskonzeptestellendieGrundlagefürdensystema-tischenWissensaufbaudarunddienenderhorizontalenundvertikalenVernetzungdesWissensimUnterricht.InsofernhabensieWerkzeugcha-rakter.KumulativesLernenfindetstatt,indemdieBasiskonzepteinver-schiedenenThemenkonkretisiertwerden;siewerdeninunterschiedlichenKontextensituiert (anchored instruction).Sie sollendenLernendenhelfen,dasfachlicheWissenzu-undeinzuordnen,alsosystematischundstruktu-riertzuerlernen,damitihrWissenweiterhinanschlussfähigist.Siedie-nendemAufbaueinesgutstrukturiertenundvernetztenWissens,indemsieFachinhaltevernetzen.»KumulativeLernprozessewerdenunterstützt,dabestimmteBetrachtungs-undDeutungsweisenbeidenverschiedenenInhaltendurchdie Jahrgangsstufenhindurch immerwiedererkenntnis-wirksamaufgegriffen,explizitthematisiertunderweitertwerdenundAn-wendungfinden«(Martensen,2008,S.25).FürdieLernendenwerdeso-mitderZuwachsvonKompetenzerfahrbar(ebd.).
BasiskonzeptelassensichweiterausdifferenziereninFachkonzepte,alsospezifischeKonzeptederDomänePolitik.FachkonzepteumfassendasdenBasiskonzeptenzuzuordnendeGrundlagenwissen.WelcheFachkonzepteeinBasiskonzeptkonstituieren,istnichtbeliebig,sonderneineAuswahl,dieaufderGrundlagepolitikwissenschaftlicherTheorienundmitBlickaufpolitischeBildunghinerfolgt.DieBasiskonzeptebegründendiePer-spektive,mitdenendieFachkonzeptevorrangigimUnterrichtbetrachtetwerdensollten.DahersinddieBasiskonzepteumfassenddargestellt,d.h.siewerdendefiniert,deskriptiverläutert,aufnationaleundglobalePoli-
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1. Konstruktion politischer Basis- und Fachkonzepte
tikbezogenundmitpolitikwissenschaftlichenTheorienbegründet.Den-nochistdieZuordnungvonFach-zuBasiskonzeptennichtstrenglogischherzuleiten.FachkonzepteweisenmehroderwenigerstarkeBezügezual-lenBasiskonzeptenauf;diesliegtandemCharakterderBasiskonzeptealsordnendeBegriffedesPolitischen.Basiskonzeptesindbesondershervor-gehoben,essindausgewählteFachkonzepte.
DieüberschaubareAnzahlanFachkonzeptenstelltgleichfallseinefachdi-daktischmotivierteAuswahldar,diesichaufzentraleElementederDomänekonzentrierenunddasschulischeGrundlagenwissendefinieren.Fachkon-zeptestellendiekriterielleNormzurBewertungdesWissensvonSchüler/-innendar.Basis-undFachkonzeptecharakterisierendahereinenKernbe-reichdesWissensderDomäneimdidaktischenInteresse.AuchFachkonzepteübernehmen Integrations- und Ordnungsfunktionen für das inhaltlicheAuf bereitenderUnterrichtsthemensowie fürdasLernen. Insgesamtent-stehtalsoeinGef lechtvonKonzepten,einestrukturierteVernetzung,diesichdazueignet,politischePhänomene,Ereignisse,Prozesseusw.zube-schreiben, zu analysierenund zu ref lektieren.VonUnterrichtseinheit zuUnterrichtseinheitsolltendieBasis-undFachkonzeptefürdieLernendendifferenzierterundvernetzterwerden.DieLernendensolltendasWissenzu-nehmendsituationsunabhängigernutzenkönnen(imSinnevonscaffolding).Sukzessivewird somitkonzeptuellesWissenaufhöherenAbstraktionsni-veausvondenSchüler/-innenerworben.DieFachkonzeptebewährensichdannfürdieSchüler/-innen,wennsiefürverschiedenepolitischeKontexteundBeispieleerklärendeFunktionenübernehmenkönnen.
DiehiergewählteDarstellungderFachkonzeptebeginntzunächstmiteinerDefinitiondesFachkonzeptsundseiner»Essenz«.ZwarsindDefini-tionenimmerVerkürzungenundreduzierenoftmalsVielfaltaufschein-bar Eindeutiges. Dennoch ist es didaktisch nötig, eine Definition alsAusgangspunktfürweiteredifferenzierendeRef lexionenzugeben,damitimVermittlungsprozesszunächsteineVerständigungsbasisgeschaffenwer-denkann:WasbedeutetdasFachkonzept»imKern«?ErstdieseKlärungermöglichtes,sichimweiterenBildungsverlaufübervariierendeErweite-rungendesFachkonzeptszuverständigen.DieErweiterungenentsprecheninderRegelunterschiedlichenpolitikwissenschaftlichenTheorienbzw.Diskussionssträngen.Dochauchsierekurrierenjenseitsallerunterschiedli-chenBegründungen,BezügeoderPositionenaufdiegleiche»Sache«,d.h.aufdasgleicheFachkonzept.NacheinerDefinitionwirdderBezugdesFachkonzeptszumzugeordnetenBasiskonzeptdargestellt.Es folgenEr-gänzungen,ProblematisierungenundErweiterungenausderPerspekti-vederWissenschaft.
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II. Basis- und Fachkonzepte
ZuvielenFachkonzeptenhabendieLernendenvorjeglichemUnterrichtschonvorunterrichtlicheVorstellungen.Diesekönnenrichtigoderfalsch,differenziertodervagesein.SiewerdeninderFachliteraturalsPräkon-zeptebezeichnet,diesichimLernprozessalsunterschiedlichhilfreicher-weisen(Wodzinski,1996).AufjedenFallsindPräkonzepteimUnterrichtaufzugreifenundmitdenzulernendenKonzeptenzuverknüpfen.SonstbestehtdieGefahr,dassinderSchulegelerntesWissenträgebleibt(Renkl,1996),alsonicht fürHandlungenoderRef lexionenaktiviertwird.DerAufbauvonPräkonzeptenerfolgtüberfachunspezifischeBegriffe,derenBezügeundZusammenhängeeinenVorstellungsraumbzw.Denkrahmeneröffnen,mitdenenpolitischePhänomenegedeutet,erklärtoderbewer-tetwerden.Konzeptesindhingegenperdefinitionemrichtig,d.h.sieent-sprechendenhierausgeführtenDefinitionenundwissenschaftsorientier-tenErläuterungen.NurvordemHintergrundderKonzepte lassen sichdaherPräkonzepte in ihrerQualitätbeurteilen.Fehlvorstellungenbzw.Fehlkonzepte (misconceptions) sindAbweichungenvomFachkonzept,diesichalsfalschkennzeichnenlassenundfürdieeinKonzeptwechselnötigist(conceptual change)(Schnotz,2001).ObeineAbweichungnochzutole-rierenistoderobsieschoneinFehlkonzeptdarstellt,istjedochinderPra-xisnichtimmereinfachzuerkennen.Ebensowenigistvorabdeutlich,obsichdiePräkonzeptederLernendenunkompliziertineinKonzeptüber-führenlassen,indemesbeispielsweiseweiterdifferenziertwird,oderobFehlkonzeptedaserfolgreicheLernenbehindernundLernendegravieren-deKonzeptwechselvornehmenmüssen.
FehlkonzeptesindinderAlltagsweltvorhanden.EbensowiekeinePer-sonohneVorurteileist,lässtsichsagen,dasskaumjemandohnepolitischeFehlkonzepteist.AuchLehrendekönnenFehlkonzeptehabenundsogarinUnterrichtsmaterialienkommenFehlkonzepteoderzumindestungüns-tigeSchwerpunktsetzungenoderTrendsvor,diedasLerneneherbehin-dernalsfördern.EntsprechendeBeispielewerdenindiesemBuchzuje-demFachkonzeptgegeben.DiesbedeutetkeinePraxisschelte,sondernsollhelfen,möglicheStolpersteineimUnterrichtzukennenundsomitzuver-meiden.
ZumInitiierendesKonzeptaufbausbeiSchüler/-innenistesfürLeh-rende wichtig, deren Präkonzepte diagnostizieren zu können. Metho-dischbietensichhierAssoziationsreihen,Concept Mapsu.ä.an.InFormeinerTabellewerdendaherfürjedesFachkonzeptkonstituierendeBegrif-fefürdiePrimar-unddieSekundarstufenpräsentiert,diemitdenenderSchüler/-innenverglichenwerdenkönnen.FürdieKonzeptentwicklungbeimVermittlungsprozessistzuprüfen,wiedieKonzeptezusammenhän-
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1. Konstruktion politischer Basis- und Fachkonzepte
gen,wiesiebegriff lichanzureichernsindundwelcheanderenKonzep-tealsVoraussetzungfürdasVerständnisdesjeweilsbetrachtetenFachkon-zeptsgeltenkönnen.DennauchdieFachkonzeptestehenmiteinanderinBeziehung.Dieswirdzumeinendarandeutlich,dasssiesichoftmalsge-genseitigbereichernunddasssiezusammeneinBasiskonzeptkonstituie-ren.Dieswirdaberzumanderenauchdarandeutlich,dasssieBeziehungenzudenanderenzweiBasiskonzeptenaufweisenundsichsomiteinBezie-hungsnetzüberalleBasiskonzeptehinwegergibt.DieseZusammenhängewerdenindenAusführungenzudenFachkonzeptengleichfallsdargestellt,dasiefürdiePlanungvonUnterrichtwichtigsind:WiekönnenLernen-dedarinunterstütztwerden,Fach-undBasiskonzepteaufzubauen?Wel-cheFachkonzeptesindaufwelcherSchulstufezuerweitern,zudifferen-zierenundzuvernetzen?
AusdenzuvermittelndenBasis-undFachkonzeptenlassensichdiver-seUnterrichtsthemen formulieren.DieBasis-undFachkonzeptedeter-minierennichtdieUnterrichtsthemen,sonderndieBeispielthemensollenlediglichAnregungengebenunddiePhantasiederLehrendenbef lügeln.DieindiesemBandgenanntenBeispielthemensindvielenLehrendeninderRegelvertraut.Sosolldeutlichwerden,dassdieOrientierungaufBa-sis-undFachkonzeptenichtdazuführt,neueInhalteoderUnterrichts-themeneinzuführen.DaszuvermittelndeWissenwirdfüralleBeteilig-tenklarerbenannt.DiesträgtzurStrukturierungdesUnterrichtsbei,waseinewichtigeKomponenteseinerQualitätdarstellt(Helmke,2003).Wei-tereAspektederUnterrichtsqualitätimZusammenhangmitKonzepten,fürdieesempirischeBelegegibt,beziehensichaufdieSpracharbeit,beiderAlltagsbegriffedurchFachbegriffebereichertwerden,sowieaufMög-lichkeitenderDiagnose,dieeine»ÜberprüfungderLernfortschritteaufderEbenederKonzepte«erlauben(Müller&Helmke,2008,S.38f ).
ZusammengefasststelltsichdasLernenmitHilfevonBasis-undFach-konzeptenfolgendermaßendar:DieErarbeitungpolitischerThemensetztandenPräkonzeptenderLernendenan.DieerarbeitetenFachkonzeptewiederholensichinverschiedenenKontextenbzw.Themen,sodassihreVertiefung, Vernetzung und zunehmende Strukturierung, also LösungvondenkonkretenKontextenerfolgenkann.DurchdieständigeEinbe-ziehungderBasiskonzeptewerdenauchdieseimVerlaufderLernprozesseweiterentwickelt.SiebildensomitdiegrundlegendeWissensstrukturfürPolitik,dasiedieFachkonzeptemiteinanderverzahnen.Beispielefürder-artigenUnterricht findensich innaturwissenschaftlichenUnterrichtsfä-chernwie»ChemieimKontext«(Martensen,2008)undsindzurzeitnochalsForschungsdesideratfürdiePolitikdidaktikzubeschreiben.Ebensofeh-
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II. Basis- und Fachkonzepte
lenbislanginderPolitikdidaktikForschungenzurFunktionvonLernauf-gaben,zuihrenSchwierigkeitsgradenundQualitätsmerkmalen,dieent-scheidendzurVerbesserungvonUnterrichtbeitragen(Thonhauser,2008).
DiehiervorgelegtenThemenvorschlägesinddifferenziertnachSchul-stufen,d.h.siebeginneninderPrimarstufeundschließenmitderSekun-darstufe II.Diesbedeutetabernicht,dass tatsächlich jedesFachkonzeptbeispielsweise in der Primarstufe im Rahmen eines Unterrichtsthemasunterrichtetwerdensollte.SchonausZeitgründenistdiesmeistnichtzurealisieren.DieFreiheit,diedieKerncurriculaz.B.fürdenSachunterrichtbieten, soll hier aber nicht eingeschränktwerden, so dassThemenvor-schlägeauchfürFachkonzeptegemachtwerden,dieoftmalsnichtzudenKerncurriculagehören.FürdieSekundarstufeIIbietensichüberdiehiergenanntenThemenbeispielehinaus insbesondereMethodenzurRef lek-tionüberBasis-undFachkonzeptean.BeispielsweisekanneinpolitischerGegenstandmitverschiedenenBasiskonzeptenstrukturiertundanschlie-ßendmiteinanderverglichenwerden,sodassdiejeweiligePerspektiveaufdenGegenstanddeutlichwird:diePerspektivederOrdnung,derEntschei-dungoderdesGemeinwohls.
Basis- und Fachkonzepte gehören als fachwissenschaftliches WissenzumPedagogical Content Knowledge(Shulman,1986;Bromme,1995),dasals»Einzelstoff lich-didaktischesWissen«übersetztwird.FürLehrendebietenBasis-undFachkonzeptedenVorteil,beiderStrukturierungundSequen-zierungvonThemenzuhelfen,indemStrukturundGenesedesWissensunddamitdieLogikderDomänedeutlichsind.Zudemerlaubensieihnen,eineexemplarischeAuswahlausderFüllemöglicherThementreffenzukönnen,dasiezentraleAspektedesPolitischenfokussieren.Sieermögli-cheneineübersichtlichePlanungundgezielteAuswahlderLehrmateriali-en.DieseFunktionenerinnernanpolitikdidaktischeKategorien,diesichzurFormulierungvonLeitfragenfürdenUnterrichteignen,alsoPerspek-tivenaufdieInhaltebezeichnen.KonzeptehingegeneignensichzurAus-wahlundBestimmungdesFachwissens,dasimUnterrichtvermitteltwer-densoll.InsofernstehenKonzepteundKategoriennichtinKonkurrenzzueinander,sondernergänzensichimfachdidaktischenDenkenundun-terrichtlicherPraxis.ExemplarischwirdeineUnterrichtsplanungimKa-pitelIIIgezeigt.
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2. Basiskonzept Ordnung
2. Basiskonzept Ordnung
Definition
OrdnungineinemallgemeinenVerständnis istdieVoraussetzungallenmenschlichenZusammenlebens.Die imengerenSinnepolitischeOrd-nungstelltdenRahmendar,innerhalbdessenpolitischeHandlungs-undEntscheidungsprozesseverlaufenkönnen.DiewichtigsteFunktionpoli-tischerOrdnungistdarinzusehen,dasssieVerlässlichkeitschafft,politi-scheProzessezumindestinGrenzenberechenbarundvoraussehbarmachtundabsoluterBeliebigkeitSchrankensetzt.DerBegriffpolitischeOrd-nungstehtinKonkurrenzzuanderenBegriffenwie:Regierungssystem,StaatoderpolitischesSystem.InderPolitikwissenschaftbestehtEinver-nehmendarüber,dassderBegriffpolitischeOrdnungumfassenderistalsderBegriffRegierungssystem,dersichimWesentlichennuraufdieimengerenSinnepolitischenInstitutionenunddiedortstattfindendenPro-zessederpolitischenEntscheidungbezieht.PolitischeOrdnungumfasstauchmehralsderBegriffStaat.DerBegriffpolitischeOrdnungkannne-benprämodernen,nicht staatlicheFormenderpolitischenHerrschafts-ausübung auch politischeGegebenheiten der »nachstaatlichenEpoche«umfassen,indenenderStaatnichtmehrdieeinzigedauerhaftorganisier-teStrukturderGesellschaftist.DarüberhinausbeinhaltetdiepolitischeOrdnungnebenderinstitutionellenWirksamkeitderEinzelfaktorenpo-litischerHerrschaftundihrerBeziehungenuntereinanderzusätzlichdenBereichnichtformalisierterAuswirkungenherrschaftlicherRegelungenaufdieGestaltungdesgesellschaftlichenLebens (Weber-Schäfer,1989,S.765).DaherbeinhaltetdiepolitischeOrdnungStaatundVerfassung,fügtdiesenabernochdasganzeSystemdervomStaatgesetztenNormenfürdieGesellschafthinzu.
InsofernzeigtderBegriff»politischeOrdnung«ÄhnlichkeitmitdemBegriff»politischesSystem«.EingenauererBlickmachtjedochdeutlich,dasspolitischeOrdnungwenigerumfassendistalspolitischesSystem.LegtmaneinVerständnisvonPolitikzugrunde,dassichandendreiDimensio-nendesPolitischenorientiert,schließtdaspolitischeSystemalledreiDi-mensionenein,währendpolitischeOrdnungsichineinemweitenSinnevorallemaufdieDimension»polity«bezieht,d.h.aufdieVerfassung,zen-traleVerfassungsprinzipien,Organisationsformensowiepolitischeundad-ministrativeInstitutionensowieaufdierechtlichenGrundlagenunddie
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II. Basis- und Fachkonzepte
erklärtenZiele,denensichdieVerfassungverpf lichtethat.ZurpolitischenOrdnunggehörtfernerdiepolitischeKultur,diediepolitischeOrdnunglegitimiertunddadurchstabilisiert.DerBegriffpolitischeOrdnungbe-ziehtsichüberwiegendaufdienationalstaatlicheEbene,wirdaberzuneh-mendauchaufderinternationalenEbeneangewendet.
OrdnunggehörtzudenBasiskonzeptenderPolitik,weilsiewieEnt-scheidungundGemeinwohl zudenBegriffengroßerReichweite zählt.SolcheBegriffedurchziehendiePolitikwissenschaftalsGanzes.WerüberdasPolitischenachdenkt,wird immer auf sie stoßen.DasBasiskonzeptOrdnungkonstituiertsichdurchdieFachkonzepteStaat,Gewaltenteilung,Repräsentation,Demokratie,Rechtsstaat, Sozialstaat,GrundrechteundMarkt,dieneben ihrernationalstaatlichenPerspektiveauchWirkungenaufder internationalenEbenezeigen, indemsieOrdnungsvorstellungenund–formenderinternationalenPolitikbeeinf lussen.DieseAspektewer-dendurchdasFachkonzept»InternationaleOrdnung«repräsentiert.
Darüber hinaus ist das Basiskonzept Ordnung mit dem Basiskon-zeptEntscheidungundGemeinwohl verknüpft. In diesemKontext er-geben sichBeziehungenzudenFachkonzeptenLegitimität,Öffentlich-keit, europäische Integration des Basiskonzepts Entscheidung sowie zudenFachkonzeptenöffentlicheGüter,Frieden,Sicherheit,Menschenwür-deundFreiheitdesBasiskonzeptsGemeinwohl.DieBeziehungzudie-semBasiskonzeptistallerdingsnochenger,sofernderVersuch,eine»guteOrdnung«herzustellenundaufrechtzuerhalten,alsInhaltderPolitikbe-stimmtwird.IndiesemFallistdie»guteOrdnung«derAusdruckdesGe-meinwohls.Gehtesdarum,waspolitischeOrdnungenseinsollten,alsoumnormativeAussagen,kannmanvonpolitischenOrdnungskonzeptenodervonpolitischenOrdnungsideensprechen.DazugehörenauchAussa-gendarüber,welcheAngelegenheiteninderGesellschaftpolitischsindundwelchenicht,d.h.welcheAngelegenheitenineineGesellschaftvonpoliti-schenInstanzenaufgegriffenwerdensollenundwelchenicht.
Erläuterung
EinepolitischeOrdnung ist für jedeGesellschaft konstitutiv, sounter-schiedlichsieauchhinsichtlichihrerprinzipiellenGrundlagenundWert-vorstellungen und auch bezüglich ihrer konkreten Ausgestaltung ist(Berg-Schlosser&Stammen,1995,S.144).BevorEinzelheitenpolitischerOrdnungenerläutertwerdenkönnen,isteszunächstnotwendigzuklä-ren,inwelchemVerhältnisdiepolitischeOrdnungzurgesellschaftlichen
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2. Basiskonzept Ordnung
Ordnungsteht,dennderBegriffdesPolitischenverweistaufdenderGe-sellschaft.SchließlichsindpolitischeOrdnungenimmersozialeOrdnun-gen,undpolitischeFormendesZusammenwirkenssindSonderformendesgesellschaftlichenZusammenwirkens.EinepolitischeOrdnungistdanach»dieOrdnungderGesellschaft,welchevonderpolitischenHerrschaftbe-wirktundgestaltetwird«(Hättich,1969,S.76).InderPolitikwissenschaftbestehtÜbereinstimmungdarüber,dasszwischenbeidenOrdnungeneinengerinnererZusammenhangbesteht.WiedieBeziehungzwischenbei-denOrdnungenjedochgenauzusehenist,wirdkontroversdiskutiert.
DabeikönnendreiprinzipiellePositionenunterschiedenwerden.DieeinePositiongehtdavonaus,dassdieEntscheidungfürodergegeneinebestimmteGesellschaftsordnunggleichzeitig auchdieEntscheidung fürodergegeneinepolitischeOrdnungbeinhaltet.GesellschaftlicheOrdnun-genschaffensichgleichsamdieihnenentsprechendepolitischeOrdnung.SoentsprichtmitletzterKonsequenzeinermarktwirtschaftlichen-kapita-listischenodersozialistischenWirtschafts-undGesellschaftsordnungim-merauchdieentsprechendepolitischeOrdnung,diesichdafüralszweck-dienlicherweist(Rohe,1994,S.44).
DiezweitePositionkehrtdieseArgumentationum.Siebehauptet,dassdieEntscheidung füreinebestimmtepolitischeOrdnung,z.B. füreineparlamentarischeDemokratie,auchzwingenddieEntscheidungfüreinebestimmtegesellschaftlicheundwirtschaftlicheOrdnung, z.B.Pluralis-musundMarktwirtschaftmit sichbringe.Tatsächlich lassensich inderGeschichte und Gegenwart eine Reihe von Beispielen finden, die dieAnnahmestützen,dasszwischenWirtschafts-undGesellschaftsordnungeinerseitsundderpolitischenOrdnungandererseitsmehralszufälligeBe-ziehungenbestehen.»Manmusssorgfältigdarübernachdenken,warumindenehemaligen staatssozialistischenGesellschaftenkeinepolitischeDe-mokratieexistierte.MankanninderTatplausibleGründefürdieThe-sebeibringen,dassDemokratiesichnuraufdemBodeneinerstaatsunab-hängigenBürgergesellschaftentfaltenkannunddassletzterewiederumdasVorhandenseineinermarktförmigorganisiertenWirtschaft zurVoraus-setzunghabe«(Rohe,1994,S.45).LogischzwingendistdieserZusam-menhangfreilichnicht.DeshalbgehtdiedrittePositiondavonaus,dassderZusammenhangzwischenpolitischerOrdnungundwirtschaftlicherodergesellschaftlicherOrdnungwenigerengistalsdiebeidenanderenPositio-nenbehaupten.AufdemBodendergleichenoderdochähnlichergesell-schaftlicherund/oderwirtschaftlicherOrdnungenkönnensichhöchstun-terschiedlichepolitischeOrdnungenentwickeln.Gesellschaften,diemanverkürztmarktwirtschaftlichoderkapitalistischnennt,könnendurchaus
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II. Basis- und Fachkonzepte
ebensoeineautoritärepolitischeOrdnungwieeinedemokratischeOrd-nungbesitzen.AlleBehauptungenübereinennotwendigenZusammen-hang von gesellschaftlicher und politischer Ordnung sind höchst frag-würdig.Dasheißt jedochnicht,dasskeinerleiZusammenhangbesteht.Dennochlässtessichrechtfertigen,hieralleinvonpolitischerOrdnungzusprechenunddabeidiegesellschaftlicheundwirtschaftlicheOrdnungzuvernachlässigen.
DapolitischeOrdnungeneineGrundbedingungdesmenschlichenZu-sammenlebensdarstellen,sindsiehistorischzuallenZeitendermenschli-chenGeschichtenachzuweisen.BeiderVielfaltderhistorischenErschei-nungsformenpolitischerOrdnungenlässtsicheineEntwicklungstendenzvoneinfachenzukomplexerenFormenfeststellen.Diesereichenimdia-chronenVerlauf vonprimitivenClanstrukturenüber früheReichedesOrients,diegriechischenStadtstaaten,dieRömischeRepublikzuneu-zeitlichenmodernenStaatsformen,vontotalitärenRegimenbiszukons-titutionellenDemokratien.
DiepolitischenOrdnungenunddiedamiteinhergehendenAuseinan-dersetzungenumderenAusgestaltungstelleneinzeitlosesunduniversel-lesPhänomendar(Stammen,1993,S.21ff ).WährendbeiderhistorischenStaatsformenlehre(z.B.beiHerodotoderAristoteles)dasDreierschema(inderRegelMonarchie,Aristokratie,Demokratie)dominierte, findetsichinmodernenTypologieneherdieZweiteilungin»Autokratie«und»Demokratie«.ImWeiterenstehthierdiepolitischeOrdnungderDemo-kratieimZentrum,dieinverschiedeneUntertypenaufgegliedertwerdenkann.Dabeilässtsichz.B.dierepräsentativeDemokratievonderdirek-tenDemokratieoderdiepräsidentielleDemokratievonderparlamen-tarischenDemokratieunterscheiden.Unabhängigvon ihrer jeweiligenAusformungisteinedemokratischepolitischeOrdnungdadurchgekenn-zeichnet,dasssiedenIndividueneinenHandlungsrahmenbietet,derdieVoraussetzungfürdieGewährleistunggleicherFreiheitenineinerselbst-bestimmtenGemeinschaftbildet.EinedemokratischepolitischeOrdnungalleinkannjedochnochkein»gutesLeben«garantieren,etwafreivonma-teriellerNot.DaesWohlfahrt,materielleSicherheitauchineinerauto-ritärenOrdnunggebenkann,dieunsversorgt,ohnedasswirunsinihranerkennen (Möllers, 2008,S.22),benötigenpolitischeOrdnungen inwestlichenDemokratienzuihrerLegitimationauchrechtsstaatlicheundsozialstaatlichePrinzipien.
In der Bundesrepublik Deutschland sind die Grundlagen der politi-schenOrdnungimGrundgesetzfestgelegt.AlsLeitprinzipderpolitischenOrdnunginDeutschlandgiltdieUnverletzlichkeitderMenschenwürde
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2. Basiskonzept Ordnung
(Art. 1 Abs. 1 GG). Die Menschenwürdegarantie bildet den AusdruckeinerverbindlichenundunabänderlichenAbsageanjedeFormeinerto-talitärenOrdnung(Haltern,2006).WeiterhinwerdenimerstenArtikeldesGrundgesetzesdie»unverletzlichenundunveräußerlichenMenschen-rechte«angeführt,diealsnaturrechtlicheNormenderVerfassungvorausliegenund letztlichvorpositive,d.h.nichtvonMenschengesetzteunddeshalbvonMenschennichtzubeseitigendeNormendarstellen.Diepo-litischeOrdnungderBundesrepublikDeutschlandwirdinihremKernals»FreiheitlichdemokratischeGrundordnung«(derBegriffistinArt.18und21 II GGenthalten)vomBundesverfassungsgerichtdefiniert.DasBundes-verfassungsgerichthatdiefdGOalseineOrdnungbestimmt,»dieunterAusschluss jeglicherGewalt-undWillkürherrschafteinerechtsstaatlicheHerrschaftsordnungaufderGrundlagederSelbstbestimmungdesVolkesnachdemWillenderjeweiligenMehrheitundderFreiheitundGleich-heitdarstellt.ZudengrundlegendenPrinzipiendieserOrdnungsindmin-destenszu rechnen:dieAchtungvorden imGrundgesetzkonkretisier-tenMenschenrechten,vorallemdemRechtderPersönlichkeitaufLebenundfreieEntfaltung,dieVolkssouveränität,dieGewaltenteilung,dieVer-antwortlichkeitderRegierung,dieGesetzmäßigkeitderVerwaltung,dieUnabhängigkeitderGerichte,dasMehrparteienprinzipunddieChancen-gleichheitfürallepolitischenParteienmitdemRechtaufverfassungsmä-ßigeBildungundAusübungeinerOpposition«(BVerfGE2,12f ).
FernerhabenPolitikwissenschaftundauchRechtswissenschaftausdenentsprechendenFormulierungendesGrundgesetzesvierVerfassungsprinzi-pienherausgearbeitet,diediepolitischeOrdnungderBundesrepublikprä-gen:dasDemokratieprinzip,dasRechtsstaatsprinzip,dasSozialstaatsprin-zip und das Bundesstaatsprinzip. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzipfassen die differenzierter formulierten übrigen Prinzipien freiheitlicherdemokratischerGrundordnungzusammen,wobeidasRechtsstaatsprin-zipauchalsInstrumentdient,einetotalitäreAusweitungundgenerelleineunkontrollierteAusübungderStaatsgewaltzuverhindern.SieistTeildesVersuchs,diealteFragezubeantworten,wieOrdnungundFreiheitzu-gleichverwirklichtwerdenkönnen.DasSozialstaatsprinzipverpf lichtetdenStaatdarauf,fürdiesozialeSicherungseinerBürgerundfürsozialenAusgleichzusorgen.AlleindasBundesstaatsprinzipstellteinezusätzliche,dieTraditionendeutscherStaatlichkeitindieZukunftverlängerteWert-entscheidungdar(Patzelt,2008,S.111).
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II. Basis- und Fachkonzepte
Internationale und globale Ebene
ZumBasiskonzeptOrdnunggehörenauchFragendesVerhältnisseszwi-scheneinzelnenGesellschaftenundihrenHerrschaftssystemenundmithinFragenderinternationalenBeziehungensowieinternationalerOrdnung.
Aufder internationalenEbene stellennebendenStaaten insbesonde-re internationale Organisationen, Zusammenschlüsse, Bündnisse undnichtstaatliche Akteure die wesentlichen Faktoren zur GewährleistunginternationalerOrdnungsstrukturendar.DieseVielfaltvonOrganisatio-nenimKontextderinternationalenOrdnungbedingt,dassPrinzipien,diefürstaatlicheOrdnungengeltenundfürdieseeinennormativenMaßstabdarstellenkönnen,imHinblickaufdieinternationaleOrdnungsstrukturnurbedingtübertragbarundanwendbarsind.Darüberhinausbeziehenin-ternationaleOrganisationenihredemokratischeLegitimitätvorallemausderLegitimitätderStaaten,diesiebegründen(Möllers,2008,S.96).
NachdemEndedesZweitenWeltkriegeswardasprägendeMusterderinternationalen Ordnung die durch den Systemgegensatz von Ost undWest vorgegebene Bipolarität der beiden Machtpole Sowjetunion undUSA(Gaddis,1997).DerZusammenbruchderkommunistischenOrdnun-geninderSowjetunionundderenSatellitenstaaten1989bis1991führtezueinemJahrzehntdesweltordnungspolitischenInterregnums,inwelchemdieMöglichkeitzueinerneuenGestaltungderweltpolitischenOrdnungdurchinternationaleOrganisationenbestand(Cox,1999).Dieweltpoliti-scheOrdnungseitBeginndes21.Jahrhundertsweisthingegeneineuni-polareGrundstruktur auf,diedurchdiepolitische,wirtschaftlicheundmilitärischeVormachtstellungder einzig verbliebenenWeltmachtUSAbestimmtwird:»DiederzeitigeOrdnungdesinternationalenSystemswirdangesichtsdernochbestehendenUnipolaritätinersterLinievondenUSAgeprägt,ohnedassdieseallerdingsinderLagewären,sieselbstundein-seitigzubestimmen.UndderenPolitikerfolgt(...)ineinemSpannungs-feldeines›realistischen‹undrobustenUnilateralismus,derauspragmati-schenGründengelegentlichvonmultilateralenZugeständnissengemildertwird,undeinem›idealistischen‹Projektdes›Demokratieexports‹,daswie-derumalsMitteleigenerInteressendurchsetzungbegriffenwird«(Hippler,2006,S.40f ).
AngesichtsderPrägungdesgegenwärtigenZeitaltersdurchglobalisie-rendeTendenzennimmtdieAbhängigkeiteinzelnerNationalstaatenvonbestimmtenanderenStaatenabundihreAbhängigkeitvonderpolitischenOrdnungderWeltgesellschaftzu.DieimGrundgesetzfundiertepolitischeOrdnungderBundesrepublikDeutschlandträgtdiesemUmstanddurch
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2. Basiskonzept Ordnung
dieSelbstverpf lichtungDeutschlandszurMitwirkungbeiderEntwick-lungderEuropäischenUnionalsStaatszielbestimmungRechnung.DieBeherrschbarkeitderwirtschaftlichenundpolitischenGlobalisierungistzuderzentralenFragederglobalenOrdnungspolitikgeworden.DieNatio-nalstaaten,früherdieeinzigeInstanzpolitischerSouveränität,habendurchdieGlobalisierungzumTeildieFähigkeitverloren,dieWeltproblememitdenherkömmlichenVerfahrenderMacht-undInteressenpolitikzube-wältigen (Messner,2000).DerVersucheinerAntwort aufdievielfälti-genHerausforderungenderGlobalisierung,dienichtmehrimnational-staatlichenRahmenzubewältigensind,wirddurchGlobalGovernance,derWeltordnungspolitikunternommen(Serra,2008).GlobalGovernancestelltdasUnterfangendar, aufwirtschaftlicher undpolitischerEbene zu in-ternationalenKooperationenzugelangen,welcheininternationalenOr-ganisationendurchAkteurewiedenVereintenNationen,derWelthan-delsorganisation,denG8-Staaten(inZukunftG20),demInternationalenWährungsfond,derWeltbanksowieNicht-Regierungsorganisationener-folgt.
ModelleeinerWeltordnungspolitik sindmitderdoppeltenFragederPraktikabilitätundderLegitimitätkonfrontiert:
Wiesoll,erstens,beiheterogenerInteressenstruktur ineinemSystemsich überlappender und durchdringender, geteilter Souveränitäten einefreiwilligeSelbstkoordinationerfolgen?Undwiekann, zweitens,wenndieseKoordinationnicht freiwillig erfolgt, einVerfahrengewährleistetwerden,dasdemokratischenGrundsätzenentspricht?IndiesemZusam-menhangwerdenVorschlägefüreinedemokratisiertepolitischeWeltord-nungdiskutiert.
DieGrundideedieserVorschlägebestehtdarin,dasVolkderVerein-tenNationenalsSubjektderDemokratieaufstaatenübergreifenderEbe-neeinzusetzen.DieKommissionfürWeltordnungspolitik(1995,S.286)schlägtinihremBerichtvor,sichdiesemProjektüberdenAusbaubeste-henderParlamentarierversammlungenanzunähernundinderZwischen-zeitaufeineErneuerungderGeneralversammlungalsVoraussetzungfüreineDemokratisierungderUNdurcheinezweiteKammerzudrängen(Brock,1998,S.46ff ).EinweitererVorschlagsiehtdieLösungderPro-blemeineinerStärkungderzivilgesellschaftlichenPräsenzandenOrtenderinternationalenStaatenpolitikundderSchaffungeinertransstaatlichendemokratischenÖffentlichkeit.AusgehendvonderbereitserfolgtenEin-beziehungvonNichtregierungsorganisationenindieWeltkonferenzendervergangenenJahre,z.B.durchBeteiligunganVorbereitungstreffen,durchdieErstellungnationalerBerichte,durchihreMitwirkungamKonferenz-
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II. Basis- und Fachkonzepte
geschehenunddurchdiePlanungvonFolgeaktivitäten,könnteeinständi-gesForumderZivilgesellschafteinberufenwerden,das»derinternationa-lenBürgergesellschaftdirektenZugangzumUN-SystemverschaffenunddamitstetigeEinf lussmöglichkeiteneröffnenwürde«(Brock,1998,S.46;KommissionfürWeltordnungspolitik,1995,S.287f ).
Politische Ordnung und politische Theorien
DasProblemderpolitischenOrdnung,ihrerStabilisierungundihrerLegi-timationfindetsichinfastallenpolitischenTheorien.Indemdiesez.B.nachderRolledesLegitimitätsglaubensimpolitischenLebenfragen,ge-hensiedavonaus,dassMenscheneinepolitischeOrdnung,derenGeset-zeundRegelnsieunterliegen,indenGrundzügenfürzustimmungswür-dighaltenmüssen,wenndieOrdnungdauerhaftseinsoll.AufdieFragenach der Stabilisierung politischerOrdnungen geben sie unterschiedli-cheAntworten.Solautetz.B.dieAntwortderSystemtheorievonTalcottParsons:WoSysteme sind, istOrdnung.DieElemente sind funktionalaufeinanderbezogenunddienenzusammendemÜberlebendesGanzen,sei dies einOrganismusoder eineGesellschaft (Parsons, 1951;Ladwig,2009,S.219).DerLiberalismusbeantwortetdieFragenachderStabilitätvonfreiheitlichenpolitischenOrdnungenmitderNotwendigkeitstaatli-cherHerrschaft.Kontraktualistenhaltenden»Vertrag«füreingutesMo-dell,einevernünftigeundstabilepolitischeOrdnungzuschaffen,unddiePluralismustheorieinderFormulierungErnstFraenkelsvertrautaufden»nichtkontroversenSektor«undeinenMinimalkonsens,umdiepolitischeOrdnung aufrechtzuerhalten (Fraenkel, 1991).DieBeispiele ließen sichfortführen.HinzukommenTheorienpolitischerOrdnung,die als sys-tematischeWissenschaftdievergleichendeAnalyse allermöglichenpo-litischenOrdnungen,alsempirischeWissenschaftdieAnalyseundDar-stellungenderkonkrethistorischrealisiertenHerrschaftsformenumfasst.NebendenGegenständender traditionellen Staatsformenlehre gehörendazuauchFragendesVerhältnisseszwischeneinzelnenGesellschaftenundihrenHerrschaftssystemenundderPrägungderGesellschaftdurchAktederpolitischenHerrschaft(Weber-Schäfer,1985,S.765).
DiezentraletheoretischeDebattezurpolitischenOrdnungaufeuropä-ischerEbenedrehtsichumdieverfassungshistorisch,rechtsvergleichendunddemokratietheoretischinspirierteWeiterentwicklungderüberliefer-tenKategorienwelt,dieEuropäischeUnionalseineGebilde suigeneriszwischenBundesstaatundStaatenbundzubeschreiben.Dabeifunktionie-
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3. Fachkonzepte Ordnung
renBegriffewie»Bund«und»Mehrebenensystem«alsAnknüpfungspunk-tefüreinenstrukturellenVergleichderpolitischenOrdnungen.Darüberhinausbildetdashäufigkonstatierte»Demokratie-undLegitimitätsdefi-zit«einzentralesElementderpolitischenundwissenschaftlichenDiskus-sionumdieeuropäischeOrdnung.
AufglobalerEbenewirddieEntwicklungpolitischerOrdnungsstruk-turen theoretischunterdemStichwort »KonstitutionalisierungdesVöl-kerrechtsdiskutiert«(Walter,2001).IndieserDebattesolldieEntstehungpolitischerLegitimationsstrukturenvorallemaufderEbenederVerein-tenNationenunddieEntwicklungeinereigeneninternationalenGemein-wohlkonzeptiondieDiagnosevoneinerwerdendenVerfassungsähnlich-keitimVölkerrechtrechtfertigen(Fassbender,1998).
3. Fachkonzepte Ordnung
3.1 Demokratie
Essenz des Fachkonzepts
DemokratieistderOberbegrifffüreineVielzahlpolitischerOrdnungsvor-stellungen.Allebeanspruchenfürsich»government of the people, by the people, for the people«(AbrahamLincoln)zusein,d.h.,dieHerrschaftgehtausdemVolkhervor(of )undwirddurchdasVolk(by)undinseinemInteresse( for)ausgeübt.DemokratieistengverwandtmitdemPrinzipderVolkssouve-ränität,nachdemalleStaatsgewaltvomVolkausgehtundsichvordemVolklegitimierenmuss.AusgeübtwerdenkanndemokratischeHerrschaftzumeinenunmittelbardurchdasVolkinVolksversammlungenoderdurchAbstimmungeninVolksentscheiden,zumanderendurchgewähltePerso-nen,d.h.Repräsentanten.DemokratischeHerrschaftsausübungdientdemWohleundNutzendesVolkesundnichtdenjeweilsHerrschenden.
DerdemokratischeVerfassungsstaatisteineKombinationausdreiDe-mokratiemodellen:InderVerfassungsdemokratiestehtniemandoberhalbderVerfassungunddamitdesRechts,auchdasVolknicht.InderKon-kurrenzdemokratieentscheidennichtalleüberalles,sondernrelativkleineGruppenGewähltersindmitdenpolitischenEntscheidungenbetraut.DieExistenzpolitischerElitensowiepolitischeFührunggiltnichtalsVerstoß
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II. Basis- und Fachkonzepte
gegendieIdeederDemokratie.InderrepräsentativenDemokratiewerdenAbgeordnetegewählt,dieimNamendesVolkes,aberohnedessenbinden-denAuftragdasGemeinwohlgestalten.DieRepräsentantenmüssensichgegenüberdenRepräsentiertenpolitischverantworten.
DerdemokratischeVerfassungsstaat istdurch folgendeMerkmalege-prägt:RechtlicheGleichheitallerBürger/-innen,allgemeinesWahlrecht,umfassende Partizipationsrechte und -chancen der Bürger/-innen, dis-kursiveÖffentlichkeit,GeltungdesMehrheitsprinzips,Herrschaftsanver-trauungaufZeit, gewaltenteiligeOrganisationderStaatsgewalt,Mehr-parteiensystem,Parteienwettbewerb,PluralismusderInteressenverbände,offenerpolitischerWillensbildungsprozessundfreieEntfaltungsmöglich-keitenderOpposition(Schmidt,2006,S.21f,S.26).
Politikwissenschaftliche Vertiefung
DieDemokratieweisteinenengenBezugzumBasiskonzeptOrdnungauf.SiecharakterisiertamumfassendstendenfreiheitlichenVerfassungsstaat.DemokratietheoretischlassensichzweiunterschiedlicheRichtungennor-mativerDemokratietheorieunterscheiden.FürdieeineTheorierichtungstehtvorallemRousseau.AufihnlassensichdieSouveränitätsdemokratie,dieIdentitätsdemokratieunddieunmittelbareDemokratiezurückführen.DieSouveränitätsdemokratiegehtvonderAnnahmeaus,dassdasVolkalsSouveränankeinvorgängigesRechtgebundenist.DieVolksversammlunggiltalsdashöchste,alleinmitoriginärenHerrschaftsrechtenausgestatteteundprinzipielluniversalzuständigeEntscheidungsorgan.DieIdentitäts-demokratieenthältdieVorstellung,dassdieDemokratieFremdherrschaft,verstandenalsHerrschaftdereinenüberdieanderen,ausschließt.Unmit-telbareDemokratiebedeutet,dassdieAngehörigeneinessozialenVerban-dessichihreGesetzeselbstgeben.EswerdenkeinerepräsentativenOrga-nekonstituiert.
DieandereTheorieströmunggehtzurückaufLockeundistvonspä-terenDemokratietheoretikern (Montesquieu,Burke,Federalists,Sieyès,Mill,Tocqueville,Schumpeter,Fraenkel)zurKonkurrenz-,zurrepräsen-tativenundzurpluralistischenDemokratieweiterentwickeltworden. Inder politikwissenschaftlichen Demokratieforschung der Gegenwart las-sen sichempirische, formaleundnormativeDemokratietheorienunter-scheiden.EmpirischeTheorienbeschreibenpolitischeSysteme,die sichdemokratischnennen.SieklassifizierendieunterschiedlichenTypenwiedieparlamentarischeunddiepräsidentielleDemokratie,dieKonkurrenz-
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3. Fachkonzepte Ordnung
unddieKonkordanzdemokratiesowiedieMehrheits-unddieKonsensde-mokratie,messenihreLeistungsfähigkeitundbenennenihreFunktions-voraussetzungen(Schmidt,2006,S.307).FormaleTheorienkonstruierenModellederDemokratie,mitderenHilfesieFunktionsabläufeexistieren-derDemokratieerklärenwollen.DazugehörenRational-Choice-ModellesowiedieSystemtheorie.NormativeDemokratietheorienbegründen,wasDemokratie idealerWeiseausmachtundwie siediesenIdealenentspre-chendausgestaltetwerdenkann.Dazuzählendieelitäre,diepartizipative,diedeliberative,dieassoziative,diestarkeunddiepostmoderneDemokra-tietheorie(Buchstein,2004,S.48ff ).
Fehlkonzepte
EinhäufigesFehlkonzeptistdieVorstellung,DemokratieermöglichedemEinzelnenSelbstbestimmung.DemokratiebedeutetjedochnichtSelbstbe-stimmungdesEinzelnen,sondernSelbstbestimmungdesVolkes,wasnichtmitHerrschaftsfreiheitgleichzusetzenist.HerrschaftinderDemokratieistjedochkeineangemaßteHerrschaft,sonderneinevonderMehrheitdesVolkesanvertraute,verantwortliche,zeitlichundsachlichbegrenzte,diederKritikundKontrolleunterliegtunddieergänztwirddurchAnteilnah-medesVolkesanderpolitischenWillensbildung(Hesse,1999,S.61f ).EinweiteresFehlkonzeptistdieErwartung,dassdemokratischgefällteEnt-scheidungendeshalbgerechtseinmüssen,weilsiedemokratischzustandegekommensind.DemokratienhabenjedochdieNeigung,dieBedürfnis-sedesAugenblickszuLastenderZukunftzubefriedigen.SchließlichwirdderDemokratienichtseltenetwaszugeschrieben,wasdemRechtsstaatzuverdankenist:z.B.dasSystemderGrundrechte,dieRechtssicherheitundderumfassendeRechtsschutz(Schmidt,2006,S.529,536).
Vernetzung des Fachkonzepts
Dem Fachkonzept Demokratie geht das Verständnis der Fachkonzep-teRechtsstaatundSozialstaatvoraus.Beideprägendiemodernewestli-cheDemokratie.Dasgleichegilt fürdasFachkonzeptGewaltenteilung,Repräsentation und Grundrechte. Demokratien beinhalten bestimmteFormen vonpolitischenEntscheidungen. ImRahmendiesesBasiskon-zeptsbestehteinengerZusammenhangzudenFachkonzeptenParteien,Interessengruppen,Massenmedien,Wahlen,Parlament,Regierung,Op-
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II. Basis- und Fachkonzepte
position,LegitimationundÖffentlichkeit.BezogenaufdasBasiskonzeptGemeinwohlsinddieFachkonzepteGerechtigkeit,Menschenwürde,Frei-heit,GleichheitundNachhaltigkeitgrundlegend.
Beispielthemen
Bereits inderPrimarstufekanneinerstesVerständnisder repräsentati-venundderunmittelbarenDemokratieangebahntwerden.DieKlassen-sprecherwahlgibtGelegenheit,überdemokratischeWahlverfahrensowieüberdieAnforderungendiesesrepräsentativenAmteszusprechen.IsteinKlassenrateingerichtet,liegteineInstitutionderunmittelbarenDemokra-tievor.DiedemokratischenElementedesKlassenrateskönnenebenfallsimGesprächherausgearbeitetwerden.InderSekundarstufeIlassensichdieElementedesdemokratischenVerfassungsstaatesvermitteln.InderSekun-darstufeIIkannüberdieWeiterentwicklungderbestehendendemokra-tischenVerfassungsordnungnachgedachtwerden.Dabeikönnenmoder-neTheorienwiediedeliberativeDemokratietheorieoderdieTheoriederstarkenDemokratieindenBlickgenommenwerden.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Demokratie zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte Fachkonzepte
Ordnung Repräsentation,Gewaltenteilung,Rechtsstaat
EntscheidungParteien,Interessengruppen,Massenmedien,Parlament,Regierung,Opposition,Wahlen,Legitimation,Öffentlichkeit
Gemeinwohl Menschenwürde,Freiheit,Gleichheit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Demokratie
Schulstufen Begriffe
Primarstufe Mehrheitsprinzip,Abstimmung,Diskussion
SekundarstufeI Volksbegehren,Volksentscheid,Mehrparteiensystem
SekundarstufeIIVolkssouveränität,Pluralismustheorie,Identitätstheorie,Verfassungsstaat
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3. Fachkonzepte Ordnung
3.2 Europäische Integration
Essenz des Fachkonzepts
DieEuropäischeIntegrationstelltdenEinigungsprozesseuropäischerStaa-tendar.DerzeitumfasstdieEuropäischenUnion(EU)27Mitgliedstaa-ten.DieeuropäischeIntegrationzieltaufeinesupranationalewirtschaft-liche,sozialeundpolitischeOrdnungsstrukturdereuropäischenStaaten.DieEuropäischeUniongründetaufihrenVerträgen.Darinsindu.a.dieZuständigkeitenderEUfürverschiedenePolitikfelderunddieAusgestal-tungderIntegrationfestgelegt,diebildlichdurchdasDrei-Säulen-Modelldargestelltwerdenkann:dieersteSäulebildendieEuropäischeGemein-schaft,diezweiteSäuledieGemeinsameAußen-undSicherheitspolitik(GASP)unddiedritteSäulediepolizeilicheundjustizielleZusammenar-beit.WährendfürdieEuropäischeGemeinschafteineintegrierte,suprana-tionaleGemeinschaftspolitikgilt,arbeitendieMitgliedstaatenderEUbeiderGASPsowiederInnen-undJustizpolitikintergouvernementalzusam-men(Algieri,2008).IndiesenbeidenletztgenanntenBereichenfindeteinezunehmendabgestimmtePolitikderintegriertenMitgliedstaatenstatt.DadasinstitutionelleGefügederEUmitseinenverschiedenenPartizipations-undEntscheidungsebenenmitkeinembishervorhandenennationalstaatli-chenoderinternationalenSystemverglichenwerdenkann,wirddieEUalspolitischeOrdnungsui generisverstanden(Gusy&Schewe,2008).
Politikwissenschaftliche Vertiefung
DaessichbeiderIntegrationderMitgliedstaatenderEUumeinepoli-tischeOrdnungsui generishandelt,istderBezugzumBasiskonzeptOrd-nungoffensichtlich.EineinPolitikundWissenschaftoffeneundkontro-versdiskutierteFrageistdienachdemgewolltenEndzustand,derFinalitätdeseuropäischenIntegrationsprozessesunddamitdereuropäischenOrd-nung.DieseFrage istumsostrittiger,da inderIntegrationswissenschaftunterschiedlicheAnsätzezurErklärungundZieldesIntegrationsprozes-sesvorhandensind(Thalmaier,2005).Alsklassischgeltenföderalistische,intergouvernementaleundneo-funktionalistischeAnsätze.
Gemäßdes föderalistischenAnsatzes sollteursprünglicheineinmali-gerVerfassungssprungzueinerZurückstufungderdominierendenRol-lederNationalstaatenund zurGründungeines »europäischenBundes-
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II. Basis- und Fachkonzepte
staates« führen.Zieldes föderalistischenAnsatzes istkein »europäischerSuperstaat«,sonderndieBändigungzentralistischerTendenzendurchdieFestlegunggemeinsamerGrundrechteund-werte,einevertikaleundho-rizontaleGewaltenteilungdemokratischer Institutionen sowieeinekla-reKompetenzordnung,dienachdemPrinzipderSubsidiaritätallenbe-teiligten politischen Ebenen eigene Aufgabenbereiche zuweist (Große,Hüttmann&Fischer,2005;Giering&Metz,2007).
Schaubild 2: Vernetzung des Fachkonzepts europäische Integration
DagegengehtderstaatszentrierteIntergouvernementalismusalsgänzlichandereOrdnungsvorstellungvoneinerunabdingbaren»Balance of Power«zwischendenMitgliedstaatenaus.DabeiwirddasPrimatderNationen,derenKooperationnichtüberdenStatuseines»Staatenbundes«odereiner»Konföderation«hinausgeht,indenMittelpunktgestellt.Somitistbeidie-sereuropäischenOrdnungsideederNationalstaatundseineSouveränität
67
3. Fachkonzepte Ordnung
allesanderealsüberwunden.AllerdingsbleibtbeidieserKonzeptionof-fen,unterwelchenUmständenes zurAusweitunggemeinsamerRege-lungenaufneuePolitikbereichekommenkannundwannderSchrittvonzwischenstaatlicherKooperationzunichtrevidierbarersupranationalerIn-tegrationtatsächlichvollzogenist(Bieling,2005;Giering&Metz,2007).
AlsweitereeuropäischeOrdnungskonzeptiongehtschließlichderNeo-Funktionalismusdavonaus,dassdieeinmalbegonneneZusammenarbeitinwenigkontroversenPolitikfelderndurchsogenannteSpill-over-EffekteaufandereSachgebieteerweitertundsomitdiesupranationaleIntegrationstetigausgebautwird.AlsfunktionalistischeFormelgiltdeshalb,dassdieinstitutionelleGestaltderwirtschaftlichenoderpolitischenAufgabefolgt(»form follows function«).AllerdingsbleibtauchbeidiesereuropäischenOrd-nungskonzeptionoffen,welcheArtpolitischerUniondarausletztlichent-steht(Wolf,2005;Giering&Metz2007).
Fehlkonzepte
AlsunterrichtlicheVorgaben finden indenKerncurricula zumGegen-standdereuropäischenIntegrationzwarvielfachdiedaranbeteiligtenOr-gane Erwähnung. Die ursprüngliche Motivation für den europäischenVergemeinschaftungsprozess sowie die politisch kontrovers diskutierteFragenachdemgewolltenEndzustanddieserpolitischenOrdnungblei-benindenCurriculajedochoftmalsaußenvor.GleichesgiltfürdieVer-mittlungdeseuropäischenMehrebenensystems.OhnedessenVerständnisbleibtdieunterrichtlicheAuseinandersetzungmitdeneuropäischenOrga-nenjedochalleinaufderinstitutionenkundlichenEbene.
Vernetzung des Fachkonzepts
FürdieVermittlungdereuropäischenIntegrationistdieAuseinanderset-zungmitdemeuropäischenMehrebenensystemunddamitauchmitdemFachkonzept europäischeAkteure unabdingbar. In diesemSystem ver-suchenkommunale, regionale, nationale und europäischeAkteure ihreInteresseneinzubringenunddurchzusetzen,wodurchdiesesFachkonzeptauchmitdemBasiskonzeptEntscheidungverbundenist.WeiterhinistdasFachkonzept europäische Integration mit dem Fachkonzept Gewalten-teilungvernetzt.DieMöglichkeitenundGrenzenderEntwicklungdie-serpolitischenOrdnungwerdenindenverschiedeneneuropapolitischen
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II. Basis- und Fachkonzepte
Konzeptionendeutlich,diewiederummitdenFachkonzeptenDemokra-tie,Grundrechte,Rechtsstaat,Parlament,RegierungundLegitimation,FreiheitundSicherheitverknüpftsind.
Beispielthemen
InsbesondereaufderSekundarstufeIkanndiehistorisch-politischeEnt-wicklungdeseuropäischenIntegrationsprozessesthematisiertwerden,wo-beieinSchwerpunktaufderpolitischenMotivationfürdenEinigungspro-zessliegenkann.WeiterhinisthierdieThematisierungderverschiedenenErweiterungsstufen sowie der Herausbildung integrierter Bereiche desBinnenmarktesmöglich. Schließlich sollten auch bereits in der Sekun-darstufeIdiezwischenstaatlicheZusammenarbeit,beispielsweiseanhanddergemeinsamenAußen-undSicherheitspolitik, sowiedaseuropäischeMehrebenensysteminAnsätzenthematisiertwerden.
InderSekundarstufeIIbietetsichinsbesonderedieThematisierungderFinalität der europäischen Integration an.Nicht zuletzt sollten sichdieLernendenhierauchmitderdemokratischenLegitimitätdieserpolitischenOrdnungsui generisauseinandersetzen.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Europäische Integration zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Demokratie,Grundrechte,Rechtsstaat
Entscheidung EuropäischeAkteure,Parlament,Regierung,Legitimation
Gemeinwohl Freiheit,Sicherheit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Europäische Integration
Schulstufen Begriffe
SekundarstufeIBinnenmarkt,Vergemeinschaftungsprozess,Erweiterung,GemeinsameAußen-undSicherheitspolitik
SekundarstufeIIIntegrationsprozess,europäischesMehrebenensystem,Intergouvernementalismus
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3. Fachkonzepte Ordnung
3.3 Gewaltenteilung
Essenz des Fachkonzepts
Gewaltenteilung ist ein System der Hemmung und Balancierung derStaatsgewalt. IhrZweck ist dieMäßigung staatlicherHerrschaft.DieseMäßigungwiederumsolldieFreiheitderBürger-/innenschützen.Gewal-tenteilungwirddurchzweiengzusammengehörendeMechanismenbe-wirkt,nämlichGewaltentrennungundGewaltenverschränkung.
GewaltentrennungmeintdieAufteilungderStaatsgewalt,d.h.dervomStaat ausgeübten Funktionen auf verschiedene Staatsorgane. Es soll keinStaatsorgangeben,das füralleFunktionenzuständig ist.DenndieswäregleichbedeutendmiteinerdieFreiheitbedrohendenMachtkonzentration.MitGewaltenverschränkungistzweierleigemeint:ZumeinenderMecha-nismus,dassanderErfüllungbestimmterStaatsfunktionenmehrereStaats-organe beteiligt sind. Man kann dies geteilte politische Macht nennen.TypischhierfüristdieGesetzgebung,anderBundestag,Bundesrat,Bundes-regierung und Bundespräsident beteiligt sind. Geteilte politische MachtzwingtdieBeteiligtenzurZusammenarbeitundfördertdamitKompromis-se.GewaltenverschränkungbezeichnetzumanderendenMechanismus,dassdieverschiedenenStaatsorganenacheigenemErmessenaufeinandereinwir-kenunddasjeweilsandereOrganzubestimmtenReaktionenveranlassenoderzwingenkönnen.MankanndieskontrolliertepolitischeMachtnen-nen.EinBeispielhierfüristdievonderparlamentarischenOppositionver-anlassteabstrakteNormenkontrollklagebeimVerfassungsgerichtgegeneinvonderParlamentsmehrheitverabschiedetesGesetz.KontrolliertepolitischeMachtverhindertselbstherrlichesVerhalten(Loewenstein,1969,S.39ff ).
MankanneinehorizontalevoneinervertikalenGewaltenteilungun-terscheiden.DiehorizontaleGewaltenteilungbeziehtsichaufdasVerhält-nisvonStaatsorganen,dieaufderselbenstaatlichenEbeneangesiedeltsind.InDeutschlandsindesdieEbenendesBundesundderLänder.Diever-tikaleGewaltenteilungbezieht sichdagegenaufdieAufteilungderBe-fugnissezwischendenverschiedenenEbenen.SohabendieEuropäischeUnion,derBundunddieLänderjeeigeneKompetenzen.DadurchwirddieKonzentrationstaatlicherMachtaufeinerEbeneverhindert.
DieGewaltenteilungbeschränktsichnichtaufdieEbenestaatlicherIn-stitutionen.DenngewaltenteilendeElementegibtesauchinderGesell-schaft.SobezeichnetmandiePresseaufgrunddervonihrausgehendenKontrollwirkungals»vierteGewalt«.ParteienundInteressengruppenbil-
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II. Basis- und Fachkonzepte
deneineArt»pluralistischeGewaltenteilung«inderGesellschaft.Siefor-men außerdem den politischen Willen vor, der von den Staatsorganendann in staatlicheEntscheidungen transformiertwird.DieseArbeitstei-lungkannmandezisiveGewaltenteilungnennen(Steffani,1997,S.48ff ).
Politikwissenschaftliche Vertiefung
DieGewaltenteilungweistengeBezügezumBasiskonzeptOrdnungauf.WiekeinanderesFachkonzeptdrücktdieGewaltenteilungnämlicheinenaufFreiheitsbewahrunggerichtetenOrdnungswillenaus.DieGewalten-teilungisteinGrundzugallerfreiheitlichenVerfassungsordnungen.
Diebekanntesteundeinf lussreichsteGewaltenteilungslehrestammtvonMontesquieu.MontesquieuunterschieddiedreiFunktionenLegislative,ExekutiveundJudikative.DieExekutiveordneteerdemMonarchenzu.DieLegislativevertrauteereinergewähltenKörperschaftdesVolkessowieeinerAdelskörperschaftan.DemMonarchengabereinVetorechtbeiderGesetzgebung.DamitwarenallegesellschaftlichenKräfte,nämlichVolk,AdelundKönigshaus,anderGesetzgebung,d.h.dermaßgeblichenHerr-schaftsausübung,beteiligt.DieJudikativesollteeinenachStändengeord-neteRichterschaftübernehmen.DieRichterschaftspielteinderGewal-tenbalancejedochkeineeigenständigeRolle.
ImparlamentarischenRegierungssystemderBundesrepublikDeutsch-landgibteseinenanderenDualismus:HierstehensichdieRegierungs-mehrheit, bestehend aus der Parlamentsmehrheit sowie derRegierung,unddieparlamentarischeOppositiongegenüber.EineigenständigesGe-wichtbesitztdanebendasVerfassungsgericht.
Fehlkonzepte
DasFachkonzeptistmiteinigenFehlkonzeptenbelastet.EinGrundhier-fürliegtimWortbestandteil»Gewalt«,derirreführendist.Denneswirdnichthinreichenddeutlich,dass »Gewalt«eineStaatsfunktionundnichteinStaatsorganmeint.Hinzukommt,dass»Gewalt«imDeutschenAsso-ziationenzu»Gewalttätigkeit«auslöst.
Die fast schon kanonische Geltung beanspruchende Dreiteilung inLegislative,ExekutiveundJudikativeistkeineswegsüberzeugend(Kägi,1969,S.294ff ).InsbesondereverdecktdieexekutiveGewalt,dassdiedie-serGewaltüblicherweisezugeordneteRegierungnichteinfachnur»exe-
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3. Fachkonzepte Ordnung
kutiert«,sondern»regiert«,d.h.aktivundprospektivgestaltet.Manmüss-tefolglichvoneinerweiterenGewalt,nämlichderGubernative,sprechen.DieBehauptungjedenfalls,dassesdiemaßgeblicheAufgabederRegie-rungsei,dieGesetzezu»exekutieren«,isteinFehlkonzept.
AlstypischesFehlkonzeptistauchdieBehauptungzuwerten,dassfürdieLegislativedasParlament,inDeutschlandalsoderBundestag,zuständigist.Diesistnichtdirektfalsch,dadasParlamenttatsächlichdasmaßgeblicheGesetzgebungsorganist.DennochdrücktdieBehauptungdieWirklichkeitnurunvollkommenaus.InDeutschlandetwasindnebendemBundestagnochderBundesrat,dieBundesregierung,derBundespräsidentundgege-benenfallsnochdasBundesverfassungsgerichtanderLegislativebeteiligt.
VieleSchulbüchertradierendasFehlkonzept,dass»das«ParlamentdieGesetze»macht«.EbensofindensichinvielenSchulbüchernschematischeDarstellungen,dieaufeinerunkritischenRezeptionderDreiteilungderGewaltenberuhen.
Vernetzung des Fachkonzepts
DieGewaltenteilungisteinanspruchsvollesKonzept,dassichnichtdurcheineoberf lächlicheLektüreeinigerGrundgesetzartikelundebensonichtdurcheineunkritischeÜbernahmederAusführungenMontesquieuser-schließt.DieKonzepteRegierung,ParlamentundOppositionrepräsen-tieren Akteure des politischen Prozesses. Sie sind anschaulicher als dieGewaltenteilungundsolltendeshalbinderKonzeptentwicklungvoran-gehen.DerDualismusvonRegierungsmehrheitundOppositionistindie-senKonzeptenimplizitenthalten.
Beispielthemen
DiePrimarstufekannbereitseinVerständnisderGewaltenteilunganbah-nen. So sind die unterschiedlichenZuständigkeiten desBürgermeistersunddesGemeinderatesinderGemeindeAusdruckdesGewaltenteilungs-prinzips.EingeeignetesThemakönntesein:»KönntedieGemeindenichtohnegewähltenRatauskommen?«
InderSekundarstufeIkanndasKonzeptGewaltenteilungausgedehntwerdenaufdieinstitutionelleOrdnungdesBundesodereinesLandes.MitHilfegeeigneterThemenlassensichdieverschiedenenAspektedesGewal-tenteilungsprinzipserschließen:»WelcheOrganesindanderGesetzgebung
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II. Basis- und Fachkonzepte
beteiligt?WelcheMöglichkeitenderBeteiligunghabensiejeweils?Wa-rumsindsiejeweilsbeteiligt?«»WarumkannderBundestagdieAnwesen-heitjedesMitgliedsderBundesregierungverlangen?«»WelchenSinnha-benImmunitätundIndemnitätderAbgeordneten?«
InderSekundarstufeIIkönnenpolitischeOrdnungsmodellewiedieDe-mokratie und die Autokratie thematisiert werden. Zur begriff lichen Er-fassungderOrdnungsmodellebietet sicheinRückgriffaufdasGewalten-teilungskonzeptan.AndieDemokratiekönntediekritischeFragegerichtetwerden,obdieGewaltenteilungdieDemokratienichteherschwächtalsstärkt.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Gewaltenteilung zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Rechtsstaat,Demokratie
EntscheidungParteien,Interessengruppen,Massenmedien,Parlament,Regierung,Opposition,Legitimation,Öffentlichkeit
Gemeinwohl Gerechtigkeit,Freiheit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Gewaltenteilung
Schulstufen BegriffePrimarstufe Zuständigkeit
SekundarstufeIVertrauensfrage,KonstruktivesMisstrauensvotum,Pluralismus,Bundesstaat,Verfassungsgericht
SekundarstufeII Machtteilung,Machtkontrolle
3.4 Grundrechte
Essenz des Fachkonzepts
GrundrechtesinddieineineVerfassungübernommenenMenschenrechte.SiesindElementarrechte,diedemEinzelnendurchdieVerfassungverbrieftundgarantiertsind.SieverleihendemIndividuumeinenRechtsstatus,derihmnichteinfachvonBehördenunddurchRichterspruchentzogenwer-
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3. Fachkonzepte Ordnung
denkann.GrundrechtelassensichinFreiheitsrechteundGleichheitsrech-teunterscheiden.DieFreiheitsrechteuntergliedern sich inRechte zumSchutzederFreiheit derPerson (persönlicheFreiheitsrechte), in gesell-schaftlich-politischeMitwirkungsrechte(politischeFreiheitsrechte)undinRechtezurfreienwirtschaftlichenBetätigung(wirtschaftlicheFreiheits-rechte).DieGleichheitsrechtenormierenentwederrechtlicheGleichheitoderbeauftragendenStaat,bestehendeUngleichheitenzubeseitigen.
NebendenGrundrechtengibtesauchGrundpf lichten.DerGesetzesge-horsamistdievorrangigePf lichteinesjedenGesellschaftsmitgliedes.DieübrigenGrundpf lichtennehmendieLeistungskraftdesEinzelnenfürdieBelangedesGemeinwesensinAnspruch.HierzugehörendieWehrpf lichtbzw.dieErsatzdienstpf licht,dieausderSozialpf lichtigkeitdesEigentumsresultierendeEigentumsabtretungspf lichtunddie Steuerzahlungspf licht(Hofmann,1992,S.332f ).
DieFreiheitsrechtegeltennichtunbegrenzt.DasergibtsichschonausderÜberlegung,dassderFreiheitsraumdesEinzelnendortendet,woderFreiheitsraumeinesanderenbeginnt.EbensowürdedieVerabsolutierungeinesGrundrechts zurWirkungslosigkeit anderermit ihm in sachlicherSpannungstehenderGrundrechteführen.SchließlichgibteswichtigeBe-langederAllgemeinheit(Gemeinwohl),diedurcheinenunbeschränktenFreiheitsgebrauchübermäßig beeinträchtigtwerdenkönnten.DieFrei-heitsrechtesinddeshalbfastimmermitbestimmtenSchrankenversehen.DiewichtigsteSchrankeistderGesetzesvorbehalt.EinGesetzesvorgehaltermächtigt denGesetzgeber ausdrücklich, dieGrenzen eines Freiheits-rechtsinFormeinesGesetzeszubestimmen.DasentsprechendeGrund-rechtgiltdannnachMaßgabediesesGesetzes(Hesse,1995,S.154ff ).
DieGrundrechtewerdendurchmehrereVorkehrungengeschützt:SodürfendieGrundrechtenichtbeseitigtoderabgeschafftwerden.Siedür-fenauchnichtausgehöhltwerden.Weiterhinkannmandierechtsprechen-deGewaltanrufen,wennmansichinseinenRechtenvonderöffentlichenGewaltverletztfühlt.SchließlichgibtesdieVerfassungsbeschwerde.SiekannvonjedermannbeimBundesverfassungsgerichtmitderBehauptungerhobenwerden,durchdieöffentlicheGewaltineinemGrundrechtver-letztwordenzusein.
Politikwissenschaftliche VertiefungDieGrundrechteweiseneinenengenBezugzumBasiskonzeptOrdnungauf.DennsiesindentscheidendeOrdnungselementedesfreiheitlichenVer-
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II. Basis- und Fachkonzepte
fassungsstaates.DieeigentlicheGeburtsstundederMenschenrechteschlägtim18.Jahrhundert.ZudieserZeitentstanddasmoderneindividualistischeNaturrecht.DiesesNaturrechtdenktvomIndividuumher.EsstelltsichdasIndividuumalsmitnatürlichenRechtenbegabtvor.WeiterhinnimmteseinenatürlicheGleichheitderIndividuenan(Kühnhardt,1991,S.43ff ).MankanndieGrundrechtedengroßenpolitisch-geistigenStrömungenzu-ordnen.SoentstammendieFreiheitsrechtegroßenteilsdemLiberalismus.EinigeBestimmungen, sodieUnantastbarkeit derMenschenwürde, dieGlaubensfreiheit,dasElternrechtunddieVerankerungdesReligionsunter-richts,tragenchristlich-naturrechtlicheZüge.SozialistischeAkzentelassensichimRechtaufGewerkschaftsbildung,inderSozialbindungdesEigen-tumssowieinderZulässigkeiteinerSozialisierungvonGrundundBoden,NaturschätzenundProduktionsmittelnerkennen.
DieGrundrechte stehen inSpannungzueinanderwie auchzuande-renVerfassungswerten.DieseSpannungenverlangeneinenAusgleich,derdurchdieGesetzeoderdieRechtsprechungvorgenommenwird.
Fehlkonzepte
SchwerpunktmäßigthematisiertwerdendieGrundrechteindenKerncur-riculaderSekundarstufeI.DieSchulbücherwidmendemGegenstandbrei-teAufmerksamkeit.AllerdingsfehlennichtseltenHinweiseaufdieGrund-rechtsschranken.DaheristdieVorstellungweitverbreitet,dieGeltungvonGrundrechten sei unbeschränkt.Hierwird übersehen, dass diemeistenGrundrechtenurnachMaßgabevonGesetzen(Gesetzesvorbehalt)gelten.
WeiterhinkannderGrundrechtsgebrauchzuKonf liktenführen,wennGrundrechte in Spannung zueinander stehen. Sie müssen dann zumAusgleichgebrachtwerden,wasmit einerRelativierungverbunden ist.Schließlich findenGrundrechte ihreGrenzen in anderenRechtswertenmitVerfassungsrang.BeidesstößtbeivielenMenschenaufUnverständnis.Weitgehend ignoriertwirddieDimensionderGrundpf lichten,obwohldieseineinemgewissenSinnedieKehrseitederFreiheitsrechtedarstellen.
Vernetzung des Fachkonzepts
DasVerstehendesKonzeptssetztkeinWissenüberandereFachkonzep-tevoraus.DieKonzeptentwicklungistaberunbedingtangewiesenaufdieErfassungdesallgemeinenFreiheitsrechtsunddesGleichheitsgrundsatzes.
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3. Fachkonzepte Ordnung
In der Konzeptentwicklung ist die Differenzierung der verschiede-nenArtenderFreiheitsrechte vorzunehmen:PersönlicheFreiheitsrech-te(Privatsphäre,Glaubensfreiheit,Freizügigkeit),politischeFreiheitsrech-te (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit) undwirtschaftlicheFreiheitsrechte(Berufswahlfreiheit,Eigentumsrecht).DieKonzeptentwicklung darf die Dimension der Grundpf lichten wie denRechtsgehorsam, die Wehr- bzw. Ersatzdienstpf licht, die Pf licht, eineEnteignungzudulden,sowiedieSteuerzahlungspf lichtnichtaußerAchtlassen.
Beispielthemen
InderPrimarstufekönnensichdieLernendenmitdenKinderrechtenaus-einandersetzen,dieinderKinderrechtskonventionderVereintenNatio-nenaufgeführtsind.EineweitereMöglichkeitist,diewichtigstenGrund-rechteaufdieSituationvonKindernzuübertragen.
InderSekundarstufeIbietetsichdieErörterungvonRechtskonf lik-tenan,indenenGrundrechtetangiertsind.DabeigehtesentwederumKonf liktezwischendenRechtspositionendesEinzelnenundstaatlichenZugriffen (Beispielthema: »Welche Informationen über den EinzelnendarfeineVolkszählungerheben?«)bzw.staatlichenSchutzaufträgen(Bei-spielthema:»IstderSchwangerschaftsabbruchnichteigentlicheinepriva-teAngelegenheit?«)oderumkonf ligierendeRechtsansprücheEinzelner(Beispielthema:»IstderAufrufzumBoykotteinesanderennichtAusdruckderMeinungsfreiheit?«).
InderSekundarstufeIIkannderStellenwertderGrundrechtefürdendemokratischenVerfassungsstaaterörtertwerden.DabeikönnenauchdiegeschichtlicheHerkunftundderphilosophischeHintergrundderGrund-rechtethematisiertwerden.SchließlichkannderBlickvondenGrund-rechtenzudenMenschenrechtenerweitertwerden.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Grundrechte zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Rechtsstaat
Entscheidung Legitimation
Gemeinwohl Menschenwürde,Gerechtigkeit,Freiheit,Gleichheit
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II. Basis- und Fachkonzepte
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Grundrechte
Schulstufen BegriffePrimarstufe Meinungsfreiheit
SekundarstufeIPressefreiheit,Versammlungsfreiheit,Vereinigungsfreiheit,Berufsfreiheit,Eigentumsrecht,Rechtsgehorsam,Wehr-undErsatzdienstpf licht
SekundarstufeIIGlaubensfreiheit,Gewissensfreiheit,Menschenrechte,Naturrecht
3.5 Internationale Beziehungen
Essenz des Fachkonzepts
InternationaleBeziehungenstellendasBeziehungsgef lechtverschiedenerinternationalerAkteure imAktionsfelddes internationalenSystemsdar.InternationaleOrdnungsstrukturensuchendeninternationalenBeziehun-gen einenordnungspolitischenRahmen zu gebenund auf dieseWeiseauchrechtlicheinzuhegen.NachdemErstenWeltkriegwurdemitdemVölkerbunderstmalsderAnsatzderkollektivenSicherheitfürdieinter-nationaleBeziehungeneingeführt,welcher seit demEndedesZweitenWeltkriegesdurchdieVereintenNationenalskollektivesSicherheitssystemzurWahrungderinternationalenOrdnungfortgeführtwurde.NebendenStaatenalsHauptakteurensindpolitisch-militärischeBündnissystemewiedieNATO,wirtschaftspolitischeOrganisationenundZusammenschlüssewiedieWTOunddieG8-Staaten(G20-Staaten)sowieNichtregierungs-organisationenweiterewichtigeAkteureimGef lechtderinternationalenBeziehungen.
Politikwissenschaftliche Vertiefung
DasFachkonzeptistaufgrundseinerordnungspolitischenBestimmungTeildesBasiskonzeptesOrdnung.MitderEntwicklungdesVölkerrechtsein-hergehtdienormativeEinschränkungderSouveränitätderStaaten,wasAuswirkungensowohlfürdasinnerstaatlichewiefürdaszwischenstaatli-
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3. Fachkonzepte Ordnung
chepolitischeOrdnungsgefügezeitigt.ZwarsinddieEinzelstaatennachwievordiezentralenAkteurederzwischenstaatlichenbzw.internationa-lenBeziehungen.DochwirddiestaatlicheSouveränitätetwahinsichtlichderMöglichkeitderAusübungmilitärischerGewaltdurchdieÄchtungderGewaltalseinesMittelsderzwischenstaatlichenBeziehungenerheb-licheingeschränkt.SodarfGewaltnachderChartaderVereintenNatio-nennurnochzurSelbstverteidigungundimRahmensolcherAktionenausgeübtwerden,diederUN-Sicherheitsratgebilligthat(Dozler,2001).
DieAkteurederinternationalenBeziehungen–nebendenStaatenauchpolitisch-militärischeBündnisse,wirtschaftspolitischeInstitutionensowieNichtregierungsorganisationen– sowieFaktorenwieMacht, Ideologie,RechtundKonf likte,welchedie internationalePolitikmaßgeblichbe-stimmen,werdenvondenverschiedenenTheorieansätzenderinternatio-nalenPolitikentsprechendder jeweiligenPerspektive sehrunterschied-lichanalysiert.NebendenbeidentraditionellenTheoriendesRealismusunddesIdealismusmitihrerAusrichtungaufStrukturenderinternatio-nalen Ordnung wie Machtverteilung, Abhängigkeit und Interdepen-denz(Kegley,2002)fokussierennunmehrdieAnsätzederneuenlibera-lenTheorieetwagesellschaftlichePräferenzbildungsprozesse(Moravcsik,1997)sowiedenEinf lussvonnichtstaatlichenAkteurenaufdieinterna-tionalenBeziehungen(Milner,2009),konstruktivistischeAnsätzedieso-zialeKonstruktionvonBeziehungs-,Verhaltens-undDeutungsmusternimKontextder internationalenOrdnung (Wendt,2007) sowieAnsätzederpolitischenPsychologiedieInformationsverarbeitung,WissenssystemeundpsychologischeAspekteinBeziehungenzwischenGruppen(Volkan,Julius&Montville,1990).WeiterhinwerdenimKontextdesNord-Süd-VerhältnissesinsbesonderedieMöglichkeitenderVerknüpfungvonUn-terstützungsmaßnahmenfürEntwicklungsländermitderForderungnachderBeachtungvonPrinzipendesundderAchtungderMenschenrechtekontroversdiskutiert(Smith,2007).SchließlichstelltdieHerstellungver-bindlicherAbmachungenzurSteuerungglobalerProblemeeineweitereKontroverseimKontextderinternationalenBeziehungendar,wobeidieEntwicklungeinesKonzeptsderWeltordnungspolitik–Global Governance–diskutiertwird(Wheatley,2009).
Fehlkonzepte
Bei der unterrichtlichen Auseinandersetzung mit dem FachkonzeptkönnenalsFehlkonzeptedieIdealisierungderVereintenNationenalsGa-
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II. Basis- und Fachkonzepte
rantfürdieinternationaleOrdnungunddieBeschreibungderinternatio-nalenOrdnungalsChaosgelten.Hieristinsbesonderezuberücksichtigen,dassdieEinzelstaatennachwievorihrepartikulärenInteressenindenin-ternationalenBeziehungendurchzusetzensuchen,wasihnenentsprechenddervon ihnen repräsentiertenMachtressourcenauchgelingt.EinFehl-konzeptistesaberanzunehmen,dassdieStaatenmachenkönnen,wassiewollen.FürdenUnterrichtistesdeshalbumsobedeutsamer,dieProzess-haftigkeitderEntwicklungeinerinternationalenOrdnungdurchdieVer-rechtlichungderinternationalenBeziehungenzuverdeutlichenunddiesenichtschonalsgegebenvorauszusetzen.
Vernetzung des Fachkonzepts
DieHerausbildungeinesSystemskollektiverSicherheitnachdemEndedesZweitenWeltkriegesbringtdieEinschränkungderEinzelstaatenimHin-blickaufihreMöglichkeitderAusübungvonSouveränitätindeninterna-tionalenBeziehungenmitsich.DieserBegriffistmithinvernetztmitdemFachkonzept europäische Integration, wiewohl die Einschränkung derEinzelstaatenbeider internationalenOrdnungnicht soweitreichend istwiederSouveränitätstransferderMitgliedstaatenderEuropäischenUnion.WeiterhinistderBegriffderEinschränkungderEinzelstaatenverf loch-tenmitdenFachkonzeptenStaat,Macht,Konf likt,europäischeAkteure,FriedenundSicherheit,FreiheitundMenschenwürde.
Beispielthemen
DasFachkonzepteignetsichzurunterrichtlichenBearbeitungfürdieSe-kundarstufeIabdenKlassenstufen9oder10.AlsUnterrichtsthemeneig-nensichhierdieChartaderVereintenNationenalsvölkerrechtlicheBasisder internationalenOrdnungunddie damit einhergehendeEinschrän-kungderSouveränitätderEinzelstaatensowiedieinternationalenMen-schenrechteamFallbeispielderhumanitärenInterventionderVereintenNationenzumSchutzderinternationalenMenschenrechteinSomaliaimJahre1993.In der Sekundarstufe II kann eine vertiefendeAuseinandersetzungmitdemFachkonzepterfolgen,wobeihierzudieverschiedenenTheorienderinternationalenBeziehungenalsAnalysespektrumzurUntersuchungvonFallbeispielen der internationalen Politik herangezogen werden sollten.
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3. Fachkonzepte Ordnung
FüreineBearbeitungderkomplexenZusammenhängevonUNO-Charta,EinschränkungderEinzelstaatenundinternationaleMenschenrechtebie-tetsichdasThemaIrak-KriegaufdemForumderVereintenNationenan.Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Internationale Beziehungen zu Basis-
und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Staat,europäischeIntegration
Entscheidung Macht,Konf likt,europäischeAkteure
Gemeinwohl Frieden,Sicherheit,Freiheit,Menschenwürde
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Internationale Beziehungen
Schulstufen BegriffeSekundarstufeI ChartaderVereintenNationen,humanitäreIntervention
SekundarstufeIIRealismus,Idealismus,Global Governance, Good Governance, NGO
3.6 Markt
Essenz des Fachkonzepts
DerMarktistderOrt,woVerkäuferundKäufervonGüternundDienst-leistungenaufeinandertreffenundderPreisausdemVerhältnisvonAn-gebotundNachfrageermitteltwird.Esgibt zahlreicheMärkte, sodenGüter-,denDienstleistungs-,denArbeits-,denKapital-unddenImmo-bilienmarkt. Märkte sind das zentrale Koordinierungsinstrument frei-erWirtschaftsordnungen.Siebringendieentgegengesetzten,aufden jeeigenenNutzengerichtetenInteressenvonVerkäufernundKäufernzumAusgleich,indembeieinembestimmtenPreisbeideSeitenzurTransak-tionbereit sind.Dieser alsMarkt-oderGleichgewichtspreisbezeichne-tePreiserfülltwichtigeFunktionen:ErhateineAusgleichsfunktion,da
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II. Basis- und Fachkonzepte
erdie InteressendermeistenBeteiligtenbefriedigt.Denner führtzumgrößtmöglichenUmsatzund»räumt«somitdenMarkt.ErhateineAus-schaltungsfunktion,dadiejenigenAnbietervomMarktausgeschaltetwer-den,diewegenzuhoherKostennichtkonkurrenzfähigeGüterproduzie-ren.ErhateineLenkungs-oderAllokationsfunktion,daerdafürsorgt,dassdieknappenProduktionsfaktorengenauzurHerstellungderjenigenGüterundDienstleistungenbereitgestelltwerden,diedenWünschenderVerbraucherentsprechen.SchließlichhatderMarktpreiseineVerteilungs-funktion,indemererfolgreicheAnbietermithohenEinkommenbelohnt.
AuffunktionierendenMärktenherrschenWettbewerbundKonkurrenzzwischendenAnbieternwiezwischendenNachfragern.DieFunktions-fähigkeitistbeiVorliegenvonMarktmachtgefährdet.IndiesemFallneh-menAnbieteroderNachfrageraufeinemMarkteinebeherrschendeStel-lungein.TypischhierfürsindKartelle.DadieBetreffendendieseSituationeinseitigfürihreInteressenausnutzenkönnen,sindstaatlicheMaßnahmenzurErhaltungoderWiederherstellungdesmarktwirtschaftlichenWettbe-werbserforderlich(Wettbewerbspolitik).InderMarktformenlehreunter-scheidetmandievollständigeKonkurrenz(Polypol),OligopolundMo-nopol.Polypole,OligopoleundMonopolekannesaufAnbieter-wieaufNachfragerseitegeben.
Politikwissenschaftliche Vertiefung
DaderMarktdaswirtschaftlicheVerhaltenderMenschenordnetundzu-demderStaatdieRahmenbedingungendesWirtschaftensfestlegt,isteinengerBezugdesFachkonzeptszumBasiskonzeptOrdnunggegeben.Die-serBezugwirdangesichtsverschiedenermarktwirtschaftlicherOrdnungennochoffensichtlicher.DieOrdnungenreichenvonderfreienMarktwirt-schaftüberdiesozialeMarktwirtschaftunddiegelenkteMarktwirtschaftbishinzumfreiheitlichenSozialismusmitseinerFörderungderGemein-wirtschaftunddervonihmbefürwortetenstaatlichenInvestitionslenkung.AllgemeinlassensichhinsichtlichderWirtschaftsordnungkontinentaleu-ropäische,asiatischeundMittelmeermodelleunterscheiden(Amable,2003).Politikwissenschaftlich wie wirtschaftswissenschaftlich kontrovers dis-kutiertwirddieFrage,wasdurchdenMarktundwasdurchdiePolitikhergestelltwerden soll.EsgibtnämlicheinprinzipiellesSpannungsfeldzwischenPolitikundÖkonomie:DieLogikdesMarktesfolgtdenindivi-duellenNutzenkalkülenprivaterAkteure.DieLogikderPolitikisthinge-genaufdiegesamtwirtschaftlicheWohlfahrt,dasGemeinwohl,gerichtet.
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3. Fachkonzepte Ordnung
InderRegelwirdpolitischerHandlungsbedarfdannangemeldet,wennineinemMarktsinnvolleGüternichtodernichtinausreichenderMengeproduziertwerdenoderwenndasErgebnisdesMarktprozessesalssozialungerechtempfundenwird.DiePolitikvollbringtdanneinenBalanceaktzwischenAllokationseffizienzundVerteilungsgerechtigkeit(Czada,2003,S.6).
Offensichtlich kann marktförmigen Prozessen nicht alles überlassenwerden.DerMarktversagt insbesondere in zweiFällen:Kollektivgüter(öffentlicheGüter),zudenenjedermannZutritthat,ohneeinenPreiszah-lenzumüssen,bietenkeinenAnreizzurmarktwirtschaftlichenProduk-tion.WennderStaatnichttätigwird,fehlendieseGüter.NegativeexterneEffektetretenauf,wennbeiderProduktionvonGüternderAllgemeinheitKostenentstehen,dievomVerursachernichtausgeglichenwerden.DieseKostenwerdenbeiderPreiskalkulationnichtberücksichtigt.Somitver-sagtderPreismechanismus.
DieTheoriedesMarktversagensbildeteineLegitimationsgrundlagefürstaatlicheInterventionenundRegulierungen.DieFinanzkrisevon2008istBelegdafür,dass zahlreiche Interventionennotwendigwerdenkön-nen.AngesichtswachsenderStaatsverschuldungundzumTeilineffizien-terRegulierungenhatsichaucheinekonkurrierendeTheoriedesStaats-versagensentwickelt.VordemHintergrunddieserTheorieistunterdenBegriffenPrivatisierung,LiberalisierungundDeregulierungdieLogikdesMarktesaufBereicheausgedehntworden,fürdievormalsderStaatoderdieKommunenzuständigwaren.AnderGesundheitspolitikzeigensichjedochnichtnurdieStärken, sondern auchdieSchwächendesMarkt-prinzips:DerMarktvermagzwardiemedizintechnischeEntwicklungef-fizient voranzutreiben, die Überlassung dieser Technik allein an kauf-kräftigeNachfragerverbietetsichaberausethischenGründen(Hegelich,Kerkmann&Meyer,2007,S.121ff ).
Fehlkonzepte
DasFachkonzeptMarktwirdinallenKerncurriculaimZusammenhangmit dem Wirtschaftsgeschehen genannt. Dasselbe gilt für den BegriffMarktwirtschaft.Allerdings stehendieordnungspolitischenAspektedesFachkonzeptsnichtimVordergrund.Esdominierenbetriebswirtschaftli-cheBetrachtungenderGütermärkte.FürdiepolitischeBildungsindje-dochdievolkswirtschaftlichePerspektiveundwirtschaftspolitischeGe-sichtspunkteweitausbedeutsamer.
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II. Basis- und Fachkonzepte
Mit dem Markt sind viele Fehlkonzepte verbunden: »Marktidealisten«vermuten,dasssämtlichewirtschaftlicheAktivitätenineinermarktwirt-schaftlichenOrdnungmarktförmigverlaufen.Sieunterstellen,dassaufal-lenMärktendie–ideale–vollständigeKonkurrenzherrscht.Weiterhinnehmensieunkritischan,dassMarktergebnisseautomatischsozialgerechtsind,weil sie aufdenFreiheitsgebrauchzurückgehen.Schließlichüber-sehensiegernesozialeUngleichheiten,diezuungleichenMarktchancenführen.»Marktkritiker«ignorierendieengeVerbindungzwischenMarktundFreiheit.Sieunterschätzendie InnovationskraftunddasLeistungs-vermögendesMarktes.ZugleichüberschätzensiedieMöglichkeitenderstaatlichenSteuerungdesWirtschaftsgeschehens.SchließlichüberbetonensiedievomMarktproduziertenUngleichheitenundübersehendiesozial-staatlichenAusgleichsleistungen.
Vernetzung des Fachkonzepts
DieSchüler/-innenkönnendenUnterschiedzwischenprivatenundöf-fentlichen Gütern bei der Diskussion der zu ergreifenden Maßnahmenherstellen.WichtigfürdenKonzeptaufbauistfernerdieEinschätzungderBedeutungderÖffentlichkeit,wennüberdieVerteilungderGüter,dieMarktformenoderüberdiewirtschaftspolitischenEntscheidungendisku-tiertwird.EsgilteinVerständnisvondenMöglichkeitendernationalensowieeuropäischenAkteureimKontextglobalisierterMärkteaufzubauen.AngesichtsderzunehmendenGlobalisierungderMärkteundderExport-abhängigkeitDeutschlandsistderBezugzumFachkonzeptInternationa-leBeziehungenerforderlich.
Beispielthemen
Themenwie»Arbeitslosigkeit«oderdasVerhaltenderWirtschaftssubjek-tekönnenbereitsinderGrundschuleangesprochenwerden.ThematischsindimUnterrichtderSekundarstrufeIdieMarktformenunddiePreis-bildung,VerbraucherundProduzentenzubehandeln.VonneuerBedeu-tungistdasThema»wirtschafts-undfinanzpolitischeRegulierungsauf-gabendesStaates«.EingeeignetesThemafürdieSekundarstufeIIistdieErörterungderFrage,wieeinidealesWirtschaftssystemaussehensoll.WaswirddemMarktüberlassen?WelcheRegulierungensollendasVerhaltenderMarktakteuresteuern?WelcheRollesollderStaatspielen?
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3. Fachkonzepte Ordnung
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Markt zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung InternationaleBeziehungen
Entscheidung Regierung,Öffentlichkeit,europ.Akteure
Gemeinwohl öffentlicheGüter
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Markt
Schulstufen BegriffePrimarstufe Güter,Arbeit,Produzent,Konsument,Angebot,Nachfrage
SekundarstufeIWettbewerb,Konkurrenz,Preisbildung,Kartell,Tarifpolitik,Wirtschaftspolitik,Wirtschaftsordnung,Marktformen,Nutzenmaximierung,Binnenmarkt
SekundarstufeIIOrdnungspolitik,Wirtschafts-undFinanzsysteme,Notenbanken,Planwirtschaft,Sozialismus,Marktwirtschaft,Kapitalismus
3.7 Rechtsstaat
Essenz des Fachkonzepts
RechtsstaatbedeutetPrimatdesRechtsvorderPolitik.Rechtsstaatheißtda-her,dassstaatlichesHandeln,welcherArtauchimmer,anGesetzundRecht,letztlichandieVerfassunggebundenist.HierdurchsolldieMachtdesStaa-tesgegenüberderFreiheitssphärederIndividuengemäßigtwerden.NebenderFreiheitssicherungsollderRechtsstaatnochRechtssicherheitsowieGe-rechtigkeitgewährleisten.ErbildetdamitdasGegenprinzipzumWillkür-staat,derdieStaatsgewaltfreisetztvonjeglicherrechtlichenBindung.
ZumRechtsstaatwerdendiefolgendenGrundsätzegezählt:ErstensdieGeltungvonGrundrechtenalsunmittelbaranzuwendendesundgegebenen-fallseinzuklagendesRecht.ZweitensdieGewaltenteilungmitseinermacht-verteilendenundmachtmäßigendenWirkung.DrittensdieUnabhängigkeitderRichter-/innen:Siesindsachlichundpersonellunabhängig,unterliegen
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II. Basis- und Fachkonzepte
jedochderBindungandasGesetz.ViertensdieGesetzmäßigkeitderVer-waltung:JederEingriffindieRechtssphäredesEinzelnenbedarfzwingendeinergesetzlichenGrundlage.FünftensdergerichtlicheRechtsschutzge-gendieöffentlicheGewalt:HierfürstehtderordentlicheRechtswegoffen.BeiVerletzung vonGrundrechten kannVerfassungsbeschwerde erhobenwerden.SechstensbesondereSchutzbestimmungenbeiFreiheitsentziehungsowie imStrafverfahren.HierzugehörendasRechtaufdengesetzlichenRichter, derAnspruch auf rechtlichesGehör und dieÖffentlichkeit desGerichtsverfahrens.SiebentensderGrundsatzderVerhältnismäßigkeit:DieSchwereeinesEingriffesunddadurchbewirkteNutzenmüssenineineman-gemessenenVerhältnisstehen.DasistnurdannderFall,wennderdurchdenEingriffbewirkteNutzendenNachteildesEingriffesüberwiegt.
DieKrönungdesRechtsstaatesbildetdieVerfassungsstaatlichkeit.DieVer-fassungstellthiernachdiehöchstrangigeNormdar.InihrsinddieRechts-werteaufgehoben,deneneineGesellschaftmaßgeblicheBedeutungzuspricht.DerGesetzgeberstehtnichtoberhalbderVerfassung,sondernistansiege-bunden.ErkanndieVerfassungnuruntererschwertenBedingungenändern.DerVerfassungskernentziehtsichsogarjeglicherVeränderung.SchließlichisteineVerfassungsgerichtsbarkeiteingerichtet,welchedieVerfassungvorjederVerletzungschützt(Zippelius&Würtenberger,2008,S.108ff ).
Politikwissenschaftliche VertiefungDerRechtsstaatweisteinenengenBezugzumBasiskonzeptOrdnungauf.ErgehörtzusammenmitderDemokratieunddemSozialstaatzudenkon-stituierendenElementendesdemokratischenVerfassungsstaates.
IdeengeschichtlichwurzeltderRechtsstaatinderAufklärungsphiloso-phie,voralleminderAuffassung,esseieinGebotderVernunft,vonall-gemeinenGesetzenregiertzuwerden.HinzukamenzweiweiterePrin-zipien,nämlichdieAnerkennungderMenschen-undBürgerrechtesowiedieGewaltenteilung.
DerRechtsstaattrugursprünglichkeinedemokratischen,sondernlibe-raleZüge.ErwareinpolitischerKampfbegriffdesBürgertumsgegeneinefürsorglich-vormundschaftlicheObrigkeitundfürindividuelleSelbstbe-stimmungundRechtsgleichheit.AlswichtigeBestandteilederFreiheitgaltendieEigentumssicherungunddieNichtinterventiondesStaates inwirtschaftlicheAbläufe.
DiesesRechtsstaatsdenkenunterschiedsichdamitdeutlichvonderan-gelsächsischen»ruleoflaw«:DennesvernachlässigtediepolitischeFrei-
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3. Fachkonzepte Ordnung
heitundlegteaufdieEtablierungderDemokratiewenigGewicht(Hesse,1968,S.557f ).DerGrundhierfürlagindenpolitischenVerhältnissendes19.Jahrhunderts.DieMonarchiewarnochsofestetabliert,dassdasBür-gertumnichtaufeineVerwirklichungderVolkssouveränitäthoffendurfte.
DieimliberalenDenkengefordertewirtschaftlichePassivitätdesStaa-tes führte zwar zu einerFreisetzung allerKräfte, aber ebenso zu einerkrassensozialenUngleichheit.AufdemBodenderRechtsgleichheitfan-densichdieSchwachenineinerneuen,nämlichsozialenUnfreiheitwie-der.DieAntwortaufdieseLageistdersozialeRechtsstaatdes20.Jahrhun-derts.DieseristzuständigfürdieDaseinsvorsorgeseinerBürger/-innen.ErkümmertsichweiterhinumdieGestaltungundgegebenenfallsUmge-staltungdersozialenVerhältnisse.VorallemwirkterdergesellschaftlichenUngleichheitaktiventgegen.SchließlichüberlässterdieWirtschaftnichtihreneigenenRegeln,sondernordnetundlenktsie.DersozialeRechts-staatistsomitplanender,vorsorgenderundverteilenderStaat.
FehlkonzepteDerRechtsstaattauchtinallenKerncurriculavorzugsweisederSekundar-stufe I auf.Erwirddaherdurchwegauch indenSchulbüchern themati-siert.Häufigbeschränkt sichdieDarstellung jedochaufdasThema»DerJugendlicheimRecht«.IndiesemZusammenhangbereitendieSchulbücherdannzivilrechtlicheundstrafrechtlicheAspekteauf.ZwarwerdenaufdieseWeiseElementedesRechtsstaatesberührt,abernurinengenAusschnitten.DiepolitischeBedeutsamkeitdesRechtsstaatsprinzipsbleibtunterbelichtet,wennesnichtzueinerErörterungderrechtsstaatlichenGrundsätzekommt.
Die Menschen erwarten vom Rechtsstaat, dass er für Gerechtigkeitsorgt.DasRechtregeltjedochnurdieallgemeinenRechtsverhältnisse.EskannmithinzuSituationenkommen,diederEinzelnealsungerechtemp-findet.DasRecht istprinzipiellunvollkommen.Diesmuss thematisiertwerden,daesanderenfallszuunerfüllbarenErwartungenandenRechts-staatkommt.EsentstehtdasFehlkonzept,RechtsstaatundGerechtigkeitzuidentifizieren.
Vernetzung des Fachkonzepts
DasKonzeptbirgtsehrvieleGrundsätzeinsichwierichterlicheUnabhän-gigkeit,GesetzmäßigkeitstaatlichenHandelns,Rechtsschutz,Rechtsgaran-
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II. Basis- und Fachkonzepte
tien bei Freiheitsentzug, Verhältnismäßigkeit und Verfassungsstaatlich-keit.
DieKonzeptentwicklungkannmiteinerKontrastierungselbstgegebe-nerRegelnmitstaatlichenGesetzenbeginnen.DabeikönntedievomGe-setz ausgehendeBindungswirkungund diemit ihmverbundene Sank-tionbeiGesetzesverletzungthematisiertwerden.ImZusammenhangmitderstrafrechtlichenSanktionkanndieUnabhängigkeitdesRichtersher-ausgestelltwerden.AufdieserBasiskönnenweitereAspektedesKonzeptshinzugefügtwerden,sodieRechtsgarantienbeiFreiheitsentzugundderRechtsschutz.
Beispielthemen
BereitsinderPrimarstufekönnenAspektedesRechtsstaatesthematisiertwerden:»IstmaneinguterRichterineigenerSache?«»WorinbestehtderUnterschiedzwischenparteiischerundunparteiischerStreitschlichtung?«»WelcheFolgenfürdasZusammenlebenhates,wennjemanddauernddieRegelnverletztundniemandeinschreitet?«
InderSekundarstufeIkönnendiePrinzipienrechtsstaatlicherGerichts-verfahrenherausgearbeitetwerden.DiesePrinzipienerschließensichan-schaulich,wennVerfahrenvordemnationalsozialistischenVolksgerichts-hofkontrastierendhinzugezogenwerden.DasPrinzipderGesetzmäßigkeitderVerwaltungerschließtsichmittelsderFrage:»WarumführtjederBe-scheid(Steuer-,Einberufungs-,Bußgeldbescheid)diegesetzlicheGrund-lageaufundenthälteineRechtshilfebelehrung?«
In der Sekundarstufe II können Verfassungsgerichtsurteile erörtertwerden.DieseUrteileverdeutlichendenRangderVerfassungalsobersteNorm.DieVerfassungsstaatlichkeitkommtzumVorschein,wenninUr-teilendasHandelnvonVerfassungsorganenfürungültigerklärtwird.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Rechtsstaat zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,Gewaltenteilung,Demokratie
Entscheidung Legitimation,Öffentlichkeit,Konf likt
Gemeinwohl Menschenwürde,Gerechtigkeit,Freiheit,Gleichheit
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3. Fachkonzepte Ordnung
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Rechtsstaat
Schulstufen BegriffePrimarstufe Staatsanwalt,Verteidiger,Richter,Gesetz
SekundarstufeIStrafprozess,Zivilprozess,Verhältnismäßigkeit,Bundesverfassungsgericht
SekundarstufeII Verfassungsstaatlichkeit,Verfassungsbeschwerde
3.8 Repräsentation
Essenz des FachkonzeptsRepräsentation meint im Kern, dass Nicht-Anwesendes durch einenRepräsentantenvergegenwärtigtwird.ImgesellschaftlichenZusammen-leben istRepräsentationunvermeidlich.Denneine ausunüberschaubarvielenMitgliedernbestehendeGesamtheitvonMenschenkannnurdurchEinzelneeinheitlichhandelnundsichartikulieren.DieseEinzelnentre-tenstellvertretendandieStellederGesamtheitundsprechen,entscheidenundhandeln für sie.Deshalbheißen sieRepräsentanten (Schüttemeyer,1995,S.544).
Jede Repräsentation basiert auf einer Vertrauensbeziehung zwischenRepräsentantenundRepräsentierten.Vertrauenwirdgebildetundauf-rechterhalten durch Responsivität der Repräsentanten. ResponsivitätmeintAntwortbereitschaftoder,etwasallgemeiner,dieBereitschaft,mitdenRepräsentiertenzukommunizierensowiederenAnregungenzuprü-fenundgegebenenfallsaufzugreifen(Pitkin,1972,S.232ff ).
Soziale Gebilde können in ihrer Einheit wie auch in ihrer Vielfaltrepräsentiertwerden.SowirdetwadieEinheitderGemeindedurchdenBürgermeister, ihreVielfaltdurchdenRatderGemeinde repräsentiert.Man unterscheidet auf staatlicher Ebene entsprechend National- undVolksrepräsentation.DieNationalrepräsentationbeziehtsichaufdieEin-heit,dieVolksrepräsentationaufdieVielfaltdesGemeinwesens (Mantl,1975,S.91ff ).DasBesonderemodernerParlamentebestehtdarin,dasssiesowohldieEinheitalsauchdieVielfaltderNationrepräsentieren.SosollensichParlamentarier/-innennichtnuralsVertreterihrerRegionenverste-hen,sondernimmerauchdasWohldesGanzenimAugehaben.Folglich
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II. Basis- und Fachkonzepte
sinddieAbgeordneteneinerseitsVertreterdesganzenVolkes.AndererseitserwartetmanvondenAbgeordneten,dasssiedenBelangenihresWahl-kreisesbevorzugteAufmerksamkeitwidmen(Fraenkel,1991,S.77f ).
IndenStaatenderGegenwart sinddieRepräsentanten inderRegeldemokratischlegitimiert.DemokratischeLegitimationheißt,dassdieRe-präsentantenunmittelbarodermittelbarvomVolk,denRepräsentierten,gewähltwerden.EineAusnahmehiervonbildetdasStaatsoberhaupt inErbmonarchien.
Abgeordnete in den Parlamenten sollen in einem öffentlichen undstreitigen Diskurs das Gemeinwohl f inden. Ein echter Diskurs setztvoraus,dassdieAbgeordnetennichtdenWeisungenderWähler/-innenunterliegen.OhneWeisungsfreiheitkönntenichtfreidiskutiertwerdenund wäre eine eigenständige Urteilsbildung unmöglich. AbgeordnetebenötigenfolglicheinfreiesMandat.Eingebundenes,d.h.imperativesMandat istmit demGedankender eigenständigenUrteilsbildungun-vereinbar.
RepräsentantenmüssenihreAufgabealsAmtverstehen,wennihrHan-delnlegitimseinsoll.Amtbedeuteterstens,dassdieBefugnis,fürande-reverbindlichzuentscheiden,nichtauseigenem,ursprünglichemRechtausgeübtwird, sondernalsübertrageneVollmacht.Amtbedeutet zwei-tens,dassdie jeweiligeEntscheidungsbefugnis rechtlicheingegrenzt ist.DasAmtistdrittensaufdieFörderungdesGemeinwohlsbezogen.Amtbedeutetschließlichviertens,sichverantwortenzumüssen.VerantwortenmusssicheinAmtsträgervordem,derihnindasAmtberufenhat.SoistderAbgeordnetedenWähler/-innenverantwortlichundderRegierungs-chefdemParlament,dasihnindasAmtgesetzthat.DieVerantwortungselbstbeziehtsichaufdieordnungsgemäßeWahrnehmungderPf lichten,diedurchdasAmtgegebensind(Kielmansegg,1988,S.59).
Politikwissenschaftliche VertiefungDie Repräsentation weist einen engen Bezug zum Basiskonzept Ord-nungauf.DenndieRepräsentationisteinunvermeidlichesMerkmalje-derHerrschaftsordnung.
HistorischgesehenistderGedankederRepräsentationdesVolkesAus-f lussderVorstellung,dassdieHerrschaftsunterworfeneneinenAnspruchaufTeilhabeanderHerrschaftinFormeinerVertretungskörperschaftha-ben.Dabei istdiedemokratischeLegitimierungderVertretungskörper-schafterstjüngerenDatums.
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3. Fachkonzepte Ordnung
DaskeineswegsdurcheindemokratischesWahlrechtlegitimiertebritischeParlamentnahmabdem18. Jahrhundert für sich inAnspruch,Vertre-tungdesGesamtinteressesderNationzusein.DamitwollteeszumAus-druckbringen,dassesauchdiejenigenindieRepräsentationeinschloss,diekeinWahlrechthatten.EsbeanspruchtedamiteinevirtuelleRepräsen-tation.InderGegenwartdominiertdasPrinzipderaktuellenRepräsenta-tion.DiesesPrinzipverlangt,dassdieRepräsentantenausmöglichstallge-meinenWahlenhervorgehenmüssen.Gewährleistetwerdensollso,dassdieBeziehungdesParlamenteszudenRepräsentiertenhinreichendengist(Fraenkel,1991,S.154ff ).
DieempirischePolitikforschungbefasstsichmitrealenundempfunde-nenRepräsentationsdefiziten.DieentsprechendenStichwortelautenPar-teienverdrossenheit,mangelndeBürgernähederPolitiker-/innen,fehlendeÖffentlichkeitdespolitischenProzesses,IntegrationsschwächederParteien.
FehlkonzepteIndenKerncurriculaderSekundarstufenIundII tauchtdieRepräsen-tation inderRegel imZusammenhangmitderDemokratieauf. InderSekundarstufe IwirddasKonzepthäufigaufdieSituationgewählterAb-geordneterverengt.
DieRepräsentation istmit einemgravierendenFehlkonzeptbelastet.VongewähltenRepräsentantenwirdnämlichhäufigerwartet,dasssiedieInteressenihrerWähler/-innenzuvertretenhätten.Abgesehendavon,dassdieGewähltengarnichtwissen,wergenauihreWähler/-innensind,undebensonichtwissenkönnen,wiedieInteressenderWähler/-innenausse-hen,istdieseErwartungganzprinzipiellproblematisch.Dennsiesugge-rierterstens,dassdenRepräsentantendieFormungeineseigenenWillensnichtzusteht.Siesuggeriertzweitens,dassPolitiknichtdemGemeinwohlverpf lichtetist,sondernderVerwirklichungpartikularerInteressen.Sieistdrittensunterkomplex,dasiekeinebefriedigendeAntwortaufdieFragegibt,wasdieAbgeordnetentunsollen,wennverschiedeneWähler/-innenentgegengesetzteErwartungenansieherantragen.
Vernetzung des Fachkonzepts
DasKonzeptlässtsichleichterfassen,dadieRepräsentationuniversalver-breitetistundbereits inderLebenswelt(Klassengemeinschaft,Gemein-
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II. Basis- und Fachkonzepte
de,Kirche,Vereine)anzutreffenist.DieKonzeptentwicklungsetztfolg-lichkeinWissenüberandereFachkonzeptevoraus.
BeispielthemenRepräsentationgibtesinGestaltdesKlassensprechersbzw.derKlassen-sprecherinbereitsinderLebensweltvonGrundschüler/-innen.Mankannalso inderPrimarstufeüberdie charakterlichenEigenschaftenunddieKompetenzen (Amtspf lichten) sprechen, die ein Repräsentant, in die-semFallederKlassensprecher,habensollte.BeiderThematisierungderGemeinde lässt sichdiedoppelteRepräsentationvonBürgermeister/-inundRaterfahrbarmachen.
InderSekundarstufeIkanndasKonzeptausgedehntwerdenaufÄmterimstaatlichenBereich.ImRahmenderBehandlungpolitischerEntschei-dungsfragen lässt sichbewusstmachen,dassPolitiker/-innennicht frei,sondernimRahmenvonKompetenzenhandeln,dasssiesichverantwor-tenmüssenunddass dasGemeinwohl dieRichtschnur ihresHandelnsist.WeiterhinkannüberdieTugendengesprochenwerden,diePolitiker/-innenhabensollten,sowiedarüber,dassPolitiker/-innendasfreieMan-datbrauchen.
InderSekundarstufeIIkönnenimZusammenhangmitderErörterungpolitischerOrdnungsmodelleprinzipielleAspektederRepräsentation,alsodieUnterscheidungenvonNational-undVolksrepräsentationsowievonvirtuellerundaktuellerRepräsentation,zurSprachekommen.WeiterhinkanndasModellderrepräsentativenDemokratiemitzweidieRepräsen-tationgrundsätzlichablehnendenpolitischenOrdnungsvorstellungenkon-frontiertwerden,nämlichderTheoriederIdentitätsdemokratieundderTheoriederradikalenVolkssouveränität.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Repräsentation zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie
EntscheidungParteien,Parlament,Regierung,Wahlen,Legitimation,Öffentlichkeit
Gemeinwohl Gerechtigkeit,Frieden,Nachhaltigkeit
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3. Fachkonzepte Ordnung
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Repräsentation
Schulstufen BegriffePrimarstufe Klassensprecher/-in,Bürgermeister/-in,Gemeinderat
SekundarstufeIFreiesMandat,Amt,Verantwortung,Abgeordneter,Bundespräsident/-in
SekundarstufeII Responsivität
3.9 Sozialstaat
Essenz des FachkonzeptsDerSozialstaathatdieAufgabe,regulierendundkorrigierendingesell-schaftlicheundwirtschaftlicheProzesseeinzugreifen.Erkorrigiertpräven-tivodernachträglichunerwünschteEntwicklungenderMarktwirtschaft.ErsolleinEinkommensminimumgewährleistenundvordenexistentiel-lenRisiken(v.a.Alter,Arbeitslosigkeit,Gesundheit,Unfall,Pf lege,Ar-mut)schützen.InderDemokratieistsomiteinkomplexesGefügewech-selseitigerAbhängigkeitenvonMarkt,StaatundBürger/-innengegeben.DieSozialpolitikwilldiemateriellenLebensbedingungenkompensierend,konstituierendundverteilendgestalten.IhrstehteinEtatvonca.einemDritteldesBruttoinlandsproduktszu.HäufigentstehenKontroversenda-rüber,inwieweitderPrimatderPolitikgegenüberderÖkonomiedurch-zusetzenist.DasBundesverfassungsgerichtverzichtetmeistaufinhaltlicheVorgabenundzeigtderSozialpolitikvielmehrdieSpielräumeundSchran-kenauf.
Ohnehin stehen die sozialpolitischen Staatsaufgaben in KonkurrenzzuanderenZielenundAufgabendesStaates.DerSozialstaatsollsozialeGerechtigkeitherstellenodergewährleisten.ElementeundZielesindaberzugleicherträglicheLebensbedingungen,Eigenverantwortung,sozialeSi-cherheitund sozialeGleichheit.DasPrinzipderSubsidiaritätbietetdenWohlfahrtsverbändeneingroßesAufgabenfeld.HierstehtderSozialstaatinderAufgabenverteilungmitNGO`swieUnternehmen,Vereinen,Stif-tungenetc.
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II. Basis- und Fachkonzepte
Politikwissenschaftliche VertiefungDasSozialstaatsprinzipistimGrundgesetzverankert.DeshalberscheintdasFachkonzepthierschwerpunktmäßigunterdemBasiskonzeptOrd-nung,wenngleichüberdieSozialpolitikauchBezügezuBasiskonzeptenEntscheidungundGemeinwohlgegebensind.InderPolitikwissenschaft(vgl.Schmid,2005)istumstritten,wasdenUrsprung,dieAusprägungunddieDynamikdesSozialstaatsausmacht.Normativenbzw.institu-tionalistischenAnsätzengehtesbeiderBegründungdessozialenFort-schrittsumdieAnalysedesSozialstaatspostulatsdesGrundgesetzesundumdieAuseinandersetzungmitdenZielengroßerErzählungenwiedemLiberalismusoderdemdemokratischenSozialismus.Phasenmodellesol-lendieEntwicklungenundAusgestaltungendesSozialstaatsverdeutli-chen.
FunktionalistischeAnsätzesehendieSozialpolitikunterdemBlickwin-kelderReaktionaufdieVeränderungeninderIndustriegesellschaft.Mo-derneGesellschaften(vgl.Alber,1998)tendierendazu,denProblemdruckdurch die Entwicklung zum Sozialstaat zu lösen (Konvergenztheorie).DemokratischeMehrheiten indenGesellschaften sorgendafür,dass siegegendieökonomischenRisikenabgesichertwerden.Demwirdentge-gengehalten,dassvielmehrdieunterschiedlichenParteienihreWähler/-innennach ihrer sozialenSchichtvertreten.Zudemspielen Interessen-gruppeneinegewichtigeRolle.ZwaristdieSozialpolitikseitBismarcksReformenstrukturelleingebunden,jedochsuchtendieeinzelnenStaatennachunterschiedlichenWegenderGestaltung ihrerSozialausgabenquo-ten(Schmidt,1998).
AndiestrukturierteVielfaltknüpftderAnsatzderDekommodifizie-rungan(Esping–Andersen,1990).DafunktionalistischeAnsätzekaumetwas zur Wirkung und Effektivität der Sozialaufgaben aussagen, ver-gleichtEsping–AndersendieGewährungsozialerRechtemitdendreiIn-dikatorena. StatusderIndividuengegenüberdemMarkt,b.VeränderungdersozialenUngleichheit,c.RolledesStaates,derFamiliesowiederMarktkräfte.
DerGradderDekommodifizierunggibtan,wieweitunterBerücksichti-gungderIndikatorendieLockerungdesZwangszurExistenzsicherungdurchErwerbsarbeitgehenkann.DieliberaleWelt(GB,USA)mitgerin-gerDekommodifizierungsetztaufdieMarktwirtschaftunddieFamilie.DiekonservativeWelt(D,F,I)interveniertausstaatsrechtlichenGründen
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3. Fachkonzepte Ordnung
stärker.DadurchwerdendiesozialenRechtestarkandensozialenStatusgebunden.DiesermittlereGradderDekommodifizierung sorgt fürdieStabilisierungdernormal arbeitendenFamilie.Die sozialdemokratischeWeltinSkandinavienhatsichamstärkstenvondenZwängenderMärkteentferntunddiesozialeUngleichheiterheblichreduziert.
PostmoderneAnsätzeschließlichbetrachtendieVerschiebungderöko-nomischenBasisimZeitalterderGlobalisierungdurchdiezunehmendenDienstleistungen und neuen Technologien. Post-Fordismus, institutio-nelleVeto-Spieler,Gender-Regime,New Politicsusw. sindArgumenta-tionsfiguren, die die Veränderungen verdeutlichen sollen. InsgesamtrichtensichdieneuerenDiskussionenzunehmendaufdieAnalysevoner-folgreichenMusterländern,aufdieAusdifferenzierungempirischerAnaly-senderSozialinvestitionen(v.a.BildungvonHumankapital)undaufAk-tivierungsstrategienusw.(Kaelble&Schmid,2004).
Fehlkonzepte Fehlkonzeptekönnenentstehen,wenneinseitigeWertdebattenoderreininstitutionelle Betrachtungen den politischen Realitäten kaum gerechtwerdenundgegebenenfallseinediffuseAblehnungjeglicherVeränderungdurchdiePolitikbegünstigen.DadurchkannfrustrierendesAnspruchsden-kenbestärktwerden.WirdalleindasSolidaritätsprinzipbetont,bleibtdasPrinzipderEigenverantwortungunbeachtet.BeidePrinzipien sindaberauszubalancieren,was in zahlreichenveröffentlichtenUnterrichtsreihendurchdiehäufigzubeobachtendeReduzierungderBetrachtungaufdieVersicherungsleistungen,dieFinanzierbarkeitunddie inFragegestellteGenerationengerechtigkeitkaumgeschieht.
Vernetzung des FachkonzeptsFürdieKonzeptentwicklungisteineVorstellungvondenAufgabenundGrenzeneinesStaateserforderlich.DabeikönnenFragenderGerechtig-keit,dersozialenGleichheitundSicherheitbeiderBetrachtungdesVer-hältnissesvonEigenverantwortungundsozialerAbsicherungeinbezogenwerden.DieKonzeptualisierunghatdieAufgabenfelderderSozialpolitikzuberücksichtigen,diezwischendenParteienundderRegierungum-stritten ist.SchließlichkommtdemParlament imGesetzgebungsprozesseinewichtigeRollezu.WennauchderMarktdieArbeits-undBeschäfti-
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II. Basis- und Fachkonzepte
gungsverhältnissereguliert,soistdochderEinf lussstarkerInteressengrup-peneinentscheidenderFaktorderSozialpolitik.
BeispielthemenInderGrundschulekönnenFragenimZusammenhangmitdemThemaArbeitthematisiertwerden.InderSekIsindalleThemendesSozialstaatsmöglich.Esempfiehltsich,aktuelleKontroverseninderSozialpolitikauf-zugreifenunddabeinichtnurdieVersicherungssysteme(IstdieRentesi-cher?)oderArbeitsmarktreformenaufzugreifen,sondernauchdiedahinterstehendenKontroversenüberdasSozialstaatsmodell.InderOberstufesindgrundsätzlicheDiskussionenüberdieRollendesStaatesundderIndividu-en,dieModellederExistenzsicherung,dasVerhältnisvonMarktundso-zialenRechtenzuführen.DieThemensolltenmitderzentralenFragederGestaltungdermateriellenLebensbedingungenverknüpftsein,umSozial-staatlichkeitundSozialpolitikstrukturellzufassen.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Sozialstaat zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Staat,Markt
Entscheidung Parteien,Regierung,Parlament,Interessengruppen
Gemeinwohl Gerechtigkeit,Gleichheit,Sicherheit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Sozialstaat
Schulstufen BegriffePrimarstufe Arbeitslosigkeit,Arbeitsmarkt,Migration
SekundarstufeISozialstaatsmodell,Sozialversicherungssystem,Hartz–Reformen,Sozialpolitik,Gewerkschaften,Altersstruktur,Eigenverantwortung,Arbeitgeber
SekundarstufeIIsozialeUngleichheit,Subsidiaritätsprinzip,Solidarprinzip,Industriegesellschaft,Sozialinvestitionen,Sozialstaatsmodelle
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3. Fachkonzepte Ordnung
3.10 Staat
Essenz des FachkonzeptsDasZusammenlebenvonMenscheninkleinerenodergrößerensozialenEinheitenwarstetsgeprägtdurcheinejespezifischesanktionierendeOrd-nung.DieseOrdnungdientwesentlichdemZusammenlebenimInnernunddemSchutznachAußen.ImAllgemeinenwirdfürdieseOrganisa-tionsformdesPolitischendasWortStaatalsformalisierterAllgemeinbe-griffbenutzt(Conze,1990).NachderklassischenDefinitionvonGeorgJellinek zeichnet sich der Staat durch drei Elemente aus: Staatsgebiet,StaatsvolkundStaatsgewalt.ZwischenstaatlicheIntegrationsprozessewieetwadieMitgliedschaftDeutschlands inderEuropäischenUnionkön-nenallerdingszuEinbrüchenindentraditionellenKompetenzbereichderStaatsgewaltführen.
IndemDreieckvonStaat,WirtschaftundGesellschaft kommterst-genanntemdieAufgabezu,imGefügewiderstreitenderInteressen-undMächtegruppendieFunktioneinerregulierendenInstanzwahrzunehmen,welchedenpartikulärenökonomischenundgesellschaftlichenKräftenmitüberlegenderEntscheidungsmachtgegenübertritt.DenStaatsorganenob-liegtesdafürzusorgen,dassauchunzureichendorganisierteundunter-repräsentierteInteresseneineangemesseneBerücksichtigungfindenunddass eine ausgewogeneKonkurrenz zwischendenverschiedenen Inter-essenerhaltenbleibt.Allerdings lassen sichaufgrundderGlobalisierungheutewirtschaftlicheEntwicklungenundderenFolgenwenigeralsfrü-herdurchnationalesRechtsteuernoderanstaatlichenGrenzenaufhalten(Zippelius,2007).
Politikwissenschaftliche VertiefungDerStaatbildeteinenkonstitutivenBestandteilderpolitischenOrdnungundweistdeshalbeinenengenBezugzumBasiskonzeptOrdnungauf.AlsGrundlagederpolitischenOrdnungbildeteinmodernerStaateinenter-ritorialbegrenztenpolitischenHerrschaftsverband,der»dasMonopolle-gitimerphysischerGewaltsamkeitfürsich(mitErfolg)beansprucht«.Eristsomitein»aufLegitimitätgestütztesHerrschaftsverhältnisvonMenschenüberMenschen« (MaxWeber).Der Staat besitztmithin zurDurchset-zungseinerEntscheidungenimStaatsgebietnachinnendasGewaltmono-
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II. Basis- und Fachkonzepte
polgegenüberallenBürger/-innenundüberdieSouveränitätnachaußen.ImmodernenStaatsindallerdingsGewaltmonopolundäußereSouveräni-tätinvielfältigerWeisebeschränkt.InderBundesrepublikalseinemmo-dernenVerfassungsstaatwirddasstaatlicheGewaltmonopoldurchdiever-schiedenenOrganeder legislativen,exekutivenund judikativenGewaltgetrenntundinwechselseitigerErgänzungausgeübt.DerVerfassungsstaatzeichnetsichdurchdieGebundenheitsowohldesVolkeswieauchderOr-ganedesVolkesandieGrundwertederVerfassung,vorallemandieMen-schen-undGrundrechteaus.
WeiterhinschwindenfaktischdieSteuerungsmöglichkeitenderStaats-gewalt aufgrund der Globalisierung der Wirtschaft: Der weltweiteInformationsf luss,dieInternationalisierungderFinanzmärkte,dieMachtderinternationalagierendenKonzerneengendiefaktischenEntscheidungs-möglichkeitenderrechtsetzendenInstanzenein.Deshalbnimmtimneu-erenpolitikwissenschaftlichenDiskursumdenStaatdessenReforman-gesichts von Internationalisierungs- und Globalisierungsprozessen einebesondereStellungein(Genschel,Leibfried&Zangl,2007).DiestaatlicheSouveränitätnachaußenhinwirdheutedurchsupranationaleundinterna-tionaleOrganisationenundVereinbarungen,etwaimRahmenderEuropä-ischenUnion,derVereintenNationenundderWelthandelsorganisationinvielfältigerWeisebeschränkt.DasBundesverfassungsgerichtbezeichnetdieEuropäischeUnionalsStaatengebildesui generisdannauchals»Staatenver-bund«,umsievölkerrechtlichvondem(nochnicht)verwendbarenBegriff»Staat«zudifferenzierenundumgleichzeitigzumAusdruckzubringen,dassdieEUwedereinenBundesstaatnocheineKonföderationdarstellt.
WeiterhinstelltdieProblematik»begrenzterStaatlichkeit«beifragilenoderzerfallenenStaateneinenSchwerpunktdesderzeitigenwissenschaft-lichenDiskursesdar (Risse,2007).BesondereAusprägung findendieseFälle inStaatenjenseitsderentwickeltenOECD-Welt.ImExtremfall–wieetwainSomalia–hatderStaataufgehörtzuexistierenunddasGe-waltmonopolfastvollständigverloren.
FehlkonzepteEineGefahrbeiderunterrichtlichenAuseinandersetzungmitdemThemaStaatbestehtdarin,dassderStaatmitderPolitikineinsgesetztwird.Oft-malswerdenvordiesemHintergrundunrealistischeErwartungenandiestaatlichenGestaltungsmöglichkeitengerichtet.Darüberhinaussindland-läufigeBildervomStaatoftwidersprüchlich:ZumeinenwirddemStaat
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3. Fachkonzepte Ordnung
unterstellt,dieBürgerinnenundBürgerdurchSteuernungebührlichzu»schröpfen«.AndererseitswirdimfürsorgendenWohlfahrtsstaatvomStaaterwartet,dasserfürsämtlicheBereichedesLebenszuständigundgegebe-nenfallsindiePf lichtzunehmenist.
DesWeiterenbleibenvieleLehrpläneundSchulbücherimHinblickaufdieunterrichtlicheThematisierungdesGegenstandesStaatimnationalenRahmenverhaftet.ZwarkönnenaufdieseWeisedurchausMomentewiedas staatlicheGewaltmonopol,StaatsvolkundStaatsgebieterörtertwer-den.ZurunterrichtlichenAuseinandersetzungmitstaatlicherSouveränitätmussjedochdiePerspektiveüberdennationalenRahmenhinauserwei-tertundetwadaseuropäischeMehrebenensystemmiteinbezogenwerden.
Vernetzung des FachkonzeptsDieAusdifferenzierung ineineVielzahlvon InstitutionendesStaatsap-paratesbedingt,dassVerknüpfungeninsbesonderezudenFachkonzeptenRegierungsowieRechtsstaat,GewaltenteilungundKonf liktvorgenom-menwerdenkönnen.DasStaatsvolkwiederumlegitimiertinderDemo-kratiedaspolitischeSystem,weshalbhierinsbesondereVerknüpfungenzudenFachkonzeptenDemokratie,ParlamentundWahlenvorgenommenwerdenkönnen.
SchließlichverfügtderStaatweiterhinzurDurchsetzung seinerEnt-scheidungenüberdieSouveränitätnachaußen.VordiesemHintergrundlässtsichdasFachkonzeptStaatauchmitdenFachkonzeptenInternatio-naleBeziehungen,europäischeIntegration,europäischeAkteure,Frieden,Freiheit,SicherheitundöffentlicheGütervernetzen.
BeispielthemenDasFachkonzeptkannbereitsinderPrimarstufeaufkommunalerEbeneamBeispielderstaatlichenOrdnungsaufgabenderPolizeibearbeitetwer-den.InderSekundarstufeIsolltenvornehmlichdieGrundfragenpoliti-scherOrdnung sowiediedenStaatkonstituierendenElementeStaatsge-biet,StaatsvolkundGewaltmonopolthematisiertundvomFaustrechtoderderSelbstjustizabgegrenztwerden.DerBegriffStaatsvolklässtsichinsbe-sondereauchamThemaStaatsbürgerschaftimPolitikunterrichtbearbeiten.
Die Zerfaserung der staatlichen Souveränität nach außen bzw. dieÜbertragung von Souveränitätsrechten auf supranationale Institutionen
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II. Basis- und Fachkonzepte
derEuropäischenUnionlässtsichvoralleminderSekundarstufeIIbehan-deln.HierwäreauchvordemHintergrund,dassdieEuropäischeUnionüberkeineigenesStaatsvolkverfügt,zuerörtern,inwiefernessichbeiderEuropäischenUnionnichtumeinenStaatimherkömmlichenSinne,son-dernumeinepolitischeOrdnungsui generishandelt.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Staat zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte Fachkonzepte
OrdnungRechtsstaat,Gewaltenteilung,Demokratie,europäischeIntegration
EntscheidungParlament,Regierung,europäischeAkteure,Konf likt,Parlament,Wahlen
Gemeinwohl Sicherheit,Frieden,Freiheit,öffentlicheGüter
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Staat
Schulstufen BegriffePrimarstufe Polizei,Grenze
SekundarstufeIStaatsgebiet,Staatsvolk,Gewaltmonopol,Selbstjustiz,Staats-bürgerschaft,Bundeswehr
SekundarstufeIISupranationaleInstitution,Mehrebenensystem,zerfallendeStaaten( failed states),Souveränität
4. Basiskonzept Entscheidung
Definition
IneinemallgemeinenSinneverstehtmanuntereinerEntscheidungdiebe-wussteoderunbewussteWahlzwischenAlternativenoderVariantenvonZielen,Gestaltungs-undHandlungsmöglichkeitenimHinblickaufWert-maßstäbeund/odersonstigePräferenzen(z.B.Interessen).GrundsätzlichlassensichvierArtenvonEntscheidungenvoneinanderabgrenzen:1.IndividuelleEntscheidungen(voneinzelnenfürsichallein)
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4. Basiskonzept Entscheidung
2.Gruppenentscheidungen(vonMenschen,dieinpersönlichemKontaktzueinanderstehen)
3.KollektiveEntscheidungen(vonvielenineinemgroßensozialenGebil-de)
4.KollektivierteEntscheidungen(Entscheidungenvonjemandemfüralle)(Sartori1997,S.212f ).
EntscheidunglässtsichalseinBasiskonzeptderPolitikausfolgendenÜber-legungenherausbegründen.SpeziellaufPolitikbezogenistesunstrittig,dassimAlltagsverständnis»Entscheidungsunfähigkeit«vonpolitischenAk-teurenalsKritikund»Entscheidungsfreudigkeit«alspositivesMerkmalgilt.DasBasiskonzept»Entscheidung«,dasinderPolitikwissenschaftdiskutiertwird,gehtjedochdarüberhinaus.InderPolitikwissenschaftgilt»Entschei-dung«alsprägendesMerkmalvonPolitik.»PolitikistdieGesamtheitderAktivitätenzurVorbereitungundzurHerstellunggesamtgesellschaftlichverbindlicherund/oderamGemeinwohlorientierterundderganzenGe-sellschaft zugutekommenderEntscheidungen« (Meyer2003,S.41).Po-litik ist alsogekennzeichnetdurchEntscheidungen,dieoffen sind,d.h.ineinemHandlungsraumgetroffenwerden,indemimmerAlternativenmöglichsind.ImmergibtesmehralseineMöglichkeit,wiedieEntschei-dunginihremInhaltbeschaffenundinihrerFormzurGeltunggebrachtwirdunddieEntscheidungsollallenzugutekommenundistfürallebin-dend(ebda).IndieserDefinitionlässt sichauchdieengeBeziehungdesBasiskonzeptsEntscheidungzudenbeidenanderenBasiskonzepten»Ord-nung«und»Gemeinwohl«erkennen.D.h.politischeEntscheidungenfin-denimmerineinembestimmtenformalenOrdnungsrahmenstatt,derdenpolitischenEntscheidungsprozessreguliert,undpolitischeEntscheidungenorientierensichaneinemGemeinwohlalseinerregulativenIdeeoderbe-hauptendieszumindest.PolitischeEntscheidungen,diefüralleverbind-lichsind,könnennichtdaraufverzichten,sichausderFörderungeineswieauchimmerbestimmtenWohlsderGemeinschaftzurechtfertigen.
ErläuterungPolitischeEntscheidungensindTeil jenerProzesse,vermittelsdererwe-nigstensmehrereMenschen,größeresozialeGebildeoderaberpolitischeGemeinschaftengleichwelcherArt,geradeangesichtsvonnormalerweisenichtübereinstimmenderPräferenzenundWillensbekundungenderein-zelnenvorübergehendzu»verbindlichenFestlegungengelangenundda-
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II. Basis- und Fachkonzepte
mit dieKontingenz einer Situation für den einzelnenwie für alle ge-meinsam zumindest temporär überwinden«. (Greven 1999, S.66). JedepolitischeEntscheidungberuhtsowohlaufvorangegangenenEntscheidun-genundbestimmtundverändertdieAusgangslagedernächstfolgendenEntscheidungen,hatalsoProzesscharakter.IndiesempolitischenProzessentscheidetdieGesellschaftüberdieGeltungbestimmterabstrakterWerteunddieVerteilungbestimmtermateriellerWerteundInhalte.ErumfasstdiegesellschaftlicheWillensbildung,diezurEntscheidungführt,dieEnt-scheidungselbstundderenDurchsetzungsowieihreAnerkennungoderNichtanerkennunginderGesellschaft,alsodieFragederLegitimität(vgl.Greven2000,S.12).DerBegriffLegitimitätbezeichnetdamiteinFach-konzeptimRahmendesBasiskonzeptsEntscheidung.
DieHerstellungverbindlicherEntscheidungenwurdeinderPolitikwis-senschaftlangeZeitmitdemStaatbzw.mitstaatlichenInstitutionen,derRegierungsowiedemGesetzgebungsprozessinVerbindunggebracht.Die-sesVerständniswirdmitdemBegriff»government«umschrieben.Govern-mentmeintinsbesonderedieformelle,durchVerfassung,RechtundGesetzdefinierteDimensionvonPolitiksowiedieInstitutionendesRegierens,diemitdemstaatlichenMachtmonopolzumZweckederDurchsetzungrechtmäßigerpolitischerEntscheidungenausgestattetsind.
Mittlerweile hat sich die Politikwissenschaft von dieser klassischen»Staatsfixierung«gelöst.IneinemerstenSchrittwurdedasganzeVor-undUmfelddesEntscheidungsprozesses,alsodas,was»politischeWillensbil-dung«genanntwird,einbezogen.DasheißtEinstellungenundVerhaltens-weisenderGesellschaftsmitglieder,soweitsieaufdiesenProzessbezogensind,ebensoWahlen,Parteien,Interessengruppen,Verbände,sozialeBe-wegungensowieAkteure,FormenundAuslöservonProtestundWider-stand.DieeinzelnenAkteure,dieampolitischenEntscheidungsprozessbe-teiligtsind,stellendabeiweitereFachkonzeptedar.
FürdieseArtundWeisewiepolitischeEntscheidungengetroffenundausgeführtwerden,hatsichderBegriff»Governance«durchgesetzt,derfüreinenneuenBlickwinkelderPolitikwissenschaftsteht.PolitischeEntschei-dungenimSinnevonSteuerungundRegelungwerdenjetztimKontextvon zivilgesellschaftlichenundprivatwirtschaftlichenAkteurengesehen.DesWeiterenzeichnetsichGovernancedurchTendenzenstärkerergesell-schaftlicher,ökonomischerundpolitischerSelbststeuerungvonkomplexeninstitutionellenStrukturenaus.Sie istverbundenmitderZunahmevoninterorganisatorischerKooperationundKoordination sowieeinerneuenKombinationvonSteuerungsmodi,wiedemZusammenhangvonVerhand-lungen,HierarchieundAnreizen(Bogumil&Holtkamp2004,S.148).
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4. Basiskonzept Entscheidung
Ob»Government«oder»Governance«,derpolitischeEntscheidungsprozessinseinerGesamtheitistgekennzeichnetdurchKonf likte.D.h.durchVer-suchevonAkteurenbestimmteEntscheidungenzutreffenunddurchzu-setzen,durchVersuchevonanderenAkteurenandereEntscheidungenzutreffenunddurchzusetzenoderEntscheidungenüberhauptzuverhindern,wobeiauch»Nicht-Entscheidungen«als»Entscheidungen«verstandenwer-denmüssen.Damitdieserkonf likthafteProzessnichtzueinerDesinteg-rationderGesellschaftodereinerLähmungdespolitischenSystemsführt,istderProzessindemokratischenSystemenhäufigsoorganisiert,dasszwarviele in irgendeinerWeise anderEntscheidungbeteiligt sind,dieEnt-scheidungimengerenSinnegleichwohlwenigenvorbehaltenbleibt.Da-mitdiesgelingt,wirdderEntscheidungsprozessinmehrerePhasenzerlegtund dem Entscheidungsprozess im engeren Sinne umfangreiche Mei-nungs-undWillensbildungsprozessevorgeschaltet.»AufeinererstenStufegehtesdarum,gesellschaftlicheProblemeundWünscheüberhauptzuer-kennen,siealspolitischeZweckeundZielezuformulierenundPersonenzubestimmen,diedieWünscheweiternachobentragen.Darankönnengegebenenfalls alleGesellschaftsmitgliederüberallgemeineWahlenunddieVielzahlderInteressenverbändebeteiligtwerden(Rohe1994,25).ImnächstenTeildesProzesseswerdendieunterschiedlichenInteressen,Zie-leundWünschegesammelt,gebündelt,zudenvorhandenenMittelnderGesellschaftinBeziehunggesetztundzuhandhabbarenEntscheidungsal-ternativenzusammengefasst.DiesesistinunserempolitischenSystemvorallemdieAufgabenderParteien.AufdernächstenEbenegehtesdannumdieeigentlicheEntscheidung,diegetroffenwird,dieausgeführtundunterUmständengegenWiderstanderzwungenwerdenmuss.DaransindinderRegelParlament,RegierungundVerwaltung,aberu.U.auchdasBundes-verfassungsgerichtbeteiligt.
PolitischeEntscheidungeninDemokratiensindinderRegelMehrheits-entscheidungen.DieMehrheitsentscheidungkürzteinenEntscheidungs-findungsprozessabundbringtihnzumEnde.UnterderVoraussetzung,dass das Mehrheitsprinzip als Entscheidungsregel von allen anerkanntwird,ermöglichtesnichtnurschnellebzw.effizientepolitischeEntschei-dungen,sondernauchEntscheidungen,dieimPrinzip»vonallen«akzep-tiertwerdenundderenDurchführungaufwenigWiderstandstoßendürf-te.MehrheitsentscheidungengebenallerdingsderMehrheitMachtüberdieunterlegeneMinderheitundvondieserMachtkannsiegegebenenfallssehrweitreichendenGebrauchmachen.
Was sollte aber die unterlegeneMinderheit bewegen,Mehrheitsent-scheidungenzuakzeptieren?Mehrheitsentscheidungen,diefüralleGel-
102
II. Basis- und Fachkonzepte
tunghabensollen, funktionierenaufDauernurdann,wennbestimmteVorbedingungenerfülltsind.DieAkzeptanzeinersolchenEntscheidungund der damit verbundenenOpfer, die dieMehrheit der unterlegenenMinderheit auferlegt, setzt das Vertrauen der Minderheit in den gutenWillenderMehrheitvoraus.»SoziopsychischeGrundlagediesesVertrau-ensistein›Gemeinsamkeitsglaube‹(MaxWeber),dersichaufpräexisten-te geschichtliche, sprachliche, kulturelle und ethnischeGemeinsamkei-tengründet.KanndiesestarkekollektiveIdentitätvorausgesetztwerden,soverliertdieMehrheitsherrschaftinderTatihrenbedrohlichenCharak-terundkanndannauchMaßnahmenderinterpersonellenundinterregio-nalenUmverteilung legitimieren,dieandernfallsnichtakzeptabel sind.«(Scharpf2001,S.270).EineweitereGrundvoraussetzung,dassMehrheits-entscheidungen funktionieren, ist, dass in einerGesellschaft nicht allesumstrittenistunddeshalbauchnichtallesmehrheitlichentschiedenwer-denmuss.EineweitereBedingungdürftesein,dassdasMehrheitsprinzipvorsichtigunddosierteingesetztwird.»MitanderenWorten:DasMehr-heitsprinzipfunktioniertnurdann,wennesnichtüberallundzujederZeitangewandtwird.Mehrheiten,dieelementareundvitaleInteresseneinergrößerenMinderheithäufigverletzenundohneBereitschaftzuinhaltli-chenKompromissenundohneRücksichtnahmeaufdas »Gemeinwohl«ihrenMehrheitswillendurchsetzen, tragen zwangsläufigdazubei,demMehrheitsprinzipalspolitischemEntscheidungsfindungsprinzipdieallge-meinegesellschaftlicheAnerkennungsgrundlageinnerhalbeinessozialenVerbandeszuentziehen«(Rohe1994,S.24f ).Nichtzuletztisteinewichti-geVorbedingungfürdieAkzeptanzdesMehrheitsprinzipsdarinzusehen,dassdieMinderheitprinzipielldieChancehatoderzumindestberechtigtdaraufhoffenkann,aucheinmalzurMehrheitzuwerden.AlledieseAs-pektegehörenzumBasiskonzept»Entscheidung«.
Internationale und globale Ebene
BisherwardasBasiskonzeptEntscheidungimWesentlichenaufdenNa-tionalstaatbezogenundnicht aufdieEbeneder internationalenBezie-hungenoderderinternationalenPolitik.DieaktuelleSituationderinter-nationalenPolitikistgekennzeichnetdurcheinenBedeutungsverlustderNationalstaaten.DiezunehmendeAuslagerungklassischernationalerRe-gierungsfunktionen in internationaleRegimebzw. imFalle derEuro-päischenUnionintransnationalesRegierenmachtdieGrenzenderhis-torischen Formen demokratischer Willensbildung, Entscheidung und
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4. Basiskonzept Entscheidung
Legitimierung deutlich und bringt zumindest für westliche Demokra-tienund ihreBürgerinnenundBürgerungewohntenormativeDefizi-te. Die Internationalisierung von Politik und politischem Problemlö-sungshandelnlässteinederWesentlichenundbisheralsselbstverständlichvorausgesetzten Existenzbedingungen der Demokratie prekär werden:ihreStabilisierungundEntfaltungineinemstaatlichfixierten,territoria-lemund gemeinschaftsbildendenwie gemeinschaftsprägendenRahmen(Richter, S.173ff ). Internationalisierung und Globalisierung bewirkenunter anderem, dass politischeGestaltungs- undVerantwortungsräumeundwirtschaftlicheundökologischeWirkungsräumeauseinanderfallen.PolitischeVerantwortungwirdimmerschwierigeridentifizierbarundde-mokratischeLegitimationgeht so insLeere. »WenndasWahlvolknichtmehrgenauweiß,werdieeigentlichwichtigenEntscheidungentrifftundaufwelcherEbenediesegetroffenwerden,kannesseineMachtüberdieRegierungnichtmehrausüben.EskommtzugravierendenVeränderun-genimliberal-demokratischenVerständnisvonPartizipationundReprä-sentation,wenndieAllokationvonRechtenundPf lichten,dieRegelnderPartizipationbeiEntscheidungen,dieMechanismenderLegitimationundVerantwortungnichtlängeridentischsind«(Mahnkopf1998,S.66)
DaswesentlicheMerkmal derGlobalisierung besteht darin, dass einabstraktesRaum-undZeitregimedie sozialeZeit-undRaumbindungvon Gesellschaften, Staaten und Individuen abzulösen beginnt. Die-semüssensichanschnellwandelndeStandardsanpassenundjeschnellerihnendieseAnpassunggelingt,destoschnellerverlaufendienachfolgen-denWandlungsprozesse.»AushandlungsprozessewelcherArtauchimmerunddieKontrollevonEntscheidungengeltenimProzessweltmarktorien-tierterModernisierungeheralsStörfaktor,dennsiefolgeneinemsozialenRhythmus,dernichtodernurungenügendindieBeschleunigungsdyna-mikpasst«(ebda,S.59f ).
ZwarverfügenStaatenaufGrunddernurrelativenBeweglichkeitdesKapitalsauchunterdenBedingungenderGlobalisierungnochüberge-samtwirtschaftliche Gestaltungsspielräume, diese bestehen jedoch nurnochinderSteuerungderArtundWeisederAnpassungandieGlobali-sierung.Möglichkeiten,zupolitischtragfähigenKostendieGlobalisierungzuignorierenodergarausderGlobalisierungauszusteigen,bestehennicht.
DiepolitischenHauptakteureaufinternationalerEbenesindzwarim-mernochdieNationalstaatenunddieeinzelstaatlichenRegierungen.SiebetreibenjederfürsichAußenpolitikundzusammengeseheninternatio-nalePolitik(Brock2007,S.236),aberdieZahlderandeninternationalenundglobalenEntscheidungenbeteiligtenAkteurehaterheblichzugenom-
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II. Basis- und Fachkonzepte
men.DazugehörendieinternationalenRegierungsorganisationen(UN,Weltbank,IWF)ebensowiedieWeltkonferenzenderVereintenNationen(WeltkonferenzenderVereintenNationender1990erJahreundihreFol-gekonferenzen), SupranationaleEinrichtungen (einschließlichGerichte)mitWeisungsbefugnisundStrafbefugnisgegenüberStaatenundPersonen(z.B.EinzelbereichederEUwieAußenhandels-undWettbewerbspoli-tik,StreitschlichtungsverfahrenderWTO,Kriegstribunale,Internationa-lerStrafgerichtshof )ebensowieinternationaleInteressengruppen,NGOsundsubstaatlicheVerwaltungseinheiten,dieaußerhalbdeseigenenStaatestätigwerden.DieFolgedavonist,dassinternationaleEntscheidungspro-zesseundEntscheidungenzunehmendunübersichtlichgewordensind.EswerdenimmermehrnationaleGrenzenundRegelungenabgebaut,ohnedassesschongelungenwäreneue,demweiterenglobalenWirkungshori-zont angemessene InstrumentederEntscheidungundRegulierungauf-zubauen.Perspektiven lassen sichauf fünfEbenenerkennen, aufdeneneinAufbautransnationalerZusammenarbeitmöglicherscheintunddamiteineGewinnungpolitischerEntscheidungskompetenzaufderEbenederWeltgesellschaft.
1. DieStärkung,ErweiterungundVeränderungderAufgabenderUNOsowie die Enthierarchisierung oder Entoligarchisierung des UN-SystemsnachderMaxime,»that all nations – large and small, powerfull and weak – schould be able to make their views heard and to participate in deci sions-making«(Boutros-Ghali,1995).
2.DerAusbauunddieVernetzungderSystemeregionalerpolitischerZu-sammenarbeit.
3.Bereichsbezogene transnationaleKooperation, sogenannte transnatio-naleRegime(imBereichdesHandels,desUmweltschutzes,derMen-schenrechteusw.
4.TransnationaleVernetzungzivilgesellschaftlicherPolitik(vgl.Meyer2003,S.255).Dasheißt:StärkungderzivilgesellschaftlichenPräsenzandenOrtender internationalenStaatenpolitikundderSchaffungeinertransstaatlichendemokratischenÖffentlichkeit.AusgehendvonderbereitserfolgtenEinbeziehungvonNichtregierungsorganisationen(NGOs) indieWeltkonferenzendervergangenen Jahre, z.B.durchBeteiligunganVorbereitungstreffen,durchdieErstellungnationalerBerichte,durchihreMitwirkungamKonferenzgeschehenunddurchdiePlanungvonFolgeaktivitäten,könnteeine ständigesForumderZivilgesellschaft einberufenwerden, dass »der internationalenBür-gergesellschaftdirektenZugangzumUN-Systemverschaffenundda-
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4. Basiskonzept Entscheidung
mitstetigeEinf lussmöglichkeitenundEnscheidungschanceneröffnenwürde«(Brock1998,46;KommissionfürWeltordnungspolitik1995,S.287f ).
5.EinweitererVorschlagbeziehtsichaufMöglichkeitenderErweiterungdesZugangsvonIndividuenzuinternationalenEinrichtungeninVer-bindungmitdemAusbauderInternationalenGerichtsbarkeitundaufdieSchaffungvonpolitischenPartizipations-undEntscheidungsmög-lichkeitenfürNicht-StaatsangehörigeaufnationalerEbene(z.B.beiminternationalenSchutzderMenschenrechte).
EntscheidungstheorienEinweitereszentralesElementdesKonzeptsmussindenEntscheidungs-theoriengesehenwerden,dieProblemeundAspektederEntscheidungundderEntscheidungsfindungthematisieren.VonEntscheidungstheorienwerdenvorallemFragenderInformationsverarbeitungbehandelt,sofernderkollektive,mehrstufigeEntscheidungsprozess sich als Informations-verarbeitungsprozessdarstellt, sowieFragenderRisikoabschätzung,derNutzenmessung und der Präferenzordnung interdisziplinär bearbeitet.WichtigeBeiträgekommenausdenWirtschaftswissenschaften,derMa-thematik,derPsychologie,derSoziologie,derKommunikationsforschungundderPolitikwissenschaft.»EineinheitlichestheoretischesGerüstzeich-netsichjedochnichtab«(Klöti2002,S.179).
Prinzipiell lässt sich festhalten, dass Entscheidungstheorien in derPolitikwissenschaft normativ oder deskriptiv orientiert sein können.NormativenEntscheidungstheoriengehtesdarumzuklären,wieEnt-scheidungsträgerbeigegebenenZielenundSituationenentscheidensol-lenoderwie sichpolitischeSteuerungausnormativerSichtverändernsollte(Klöti2002,S.179;Bogumil&Holtkamp2004,S.148).ZielkanndiepraktischeBeratungvonpolitischenAkteurenunddieVerbesserungder Steuerung bzw. der Steuerungsergebnisse in politischen Systemensein.
Dieempirisch-deskriptiveEntscheidungstheorieversuchtdagegendastatsächlicheZustandekommenvonEntscheidungendarzustellenundzuerklären.ImMittelpunktdieserTheorienstehenAblaufundErgebnisvonEntscheidungsprozessen.
ZudennormativenEntscheidungstheoriengehörtdieTheoriederra-tionalenEntscheidung,dieallerdingsinderPolitikwissenschaft(imGe-gensatzzurÖkonomik,indersieeinzentralesParadigmaist)kontrovers
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II. Basis- und Fachkonzepte
diskutiertwirdundbishernochkeinebesondereBedeutungerlangthat.DierationaleEntscheidungstheoriegehtvonderGrundannahmeaus,dassEntscheidungsträgerindividuelleAkteuresind,dieHandlungsalternativenaufGrundihrerNutzenpräferenzenauswählen.DieseNutzenpräferenzensinddieKriterien,mitdenendieKonsequenzenvonHandlungsalternati-venbewertetwerden.DieGewissheitdereintretendenKonsequenzenistjedochnurschwerzuprognostizierenundnachdemGradderGewissheitwerdenunterschiedlicheEntscheidungssituationenbeschrieben:Entschei-dungenmitSicherheit,EntscheidungenmitUnsicherheit,Entscheidun-genunterRisikoundEntscheidungenunterUngewissheit.SolcheThe-orienderrationalenEntscheidungwerdeninderPolitikwissenschaftaufunterschiedlicheGebieteangewendet(z.B.inderWahlforschung),aller-dingskaumaufdenpolitischenEntscheidungsprozess selbst,der als einhochkomplexerProzessunterUngewissheitgesehenwerdenmuss.ErstdieSpieltheorieundihrerneuerenEntwicklungen,diedieebenfallsalsratio-nalangenommenenEntscheidungeneinesGegenspielers(Vetospieler)unddenjeweiligeninstitutionellenHandlungskontextversuchtmiteinzube-ziehen,scheinenfürdieAnalysepolitischerEntscheidungsprozesseprakti-schenNutzenzubringen(Tsebelis,2002).
Dennoch:WirdderpolitischeEntscheidungsprozessinseinerGesamt-heitbetrachtet,sowirddieMengederinteressierendenFragensovielfäl-tigundunübersichtlich,dassdeskriptiveAnsätzeüberwiegen.Sie»gehenvoneinerKritikamrationalenModellaus.Siestellenfest,dassinkonkre-tenEntscheidungssituationeni.d.R.wedersämtlicheAlternativennochderenKonsequenzenbekanntsindunddassderEntscheidungsträgermeistüberkeingeschlossenesSystemvonZielenundPräferenzenverfügt.SiebetonendagegendenzeitlichenAblaufeinerEntscheidungundversuchen,dasZustandekommenvonkomplexenkollektivenEntscheidungenzuer-klären«(Klöti2002,S.180).
DeskriptiveTheorien selbst gehen von verschiedenenModellen aus.FürdieBeschreibungundErklärungdespolitischenEntscheidungspro-zessessindvorallemzweiModellevonBedeutung,diesichweitgehendähnlichsind.
In kybernetischen Modellen wird die Entscheidung als output einerOrganisationverstanden. IndiesemZusammenhang istdieVorstellungder Politik als inkrementale Änderung und des Sich-Durchwurstelns(mud dling-trough)(wiediesLindblomschon1975beschriebenhat),dieinAuseinandersetzungmit rationalenModellenderEntscheidungsfindungentwickeltwurde,nachwievorvonBedeutung.
107
4. Basiskonzept Entscheidung
InkrementalePolitikheißt:• PolitischeEntscheidungenorientierensichüberwiegendamStatusquo
undstrebennurkleineVerbesserungenan.• EsgehtdabeiumeineschrittweiseProblemlösung.• EswerdennichtfürfeststehendeZieleadäquateMittelgesucht,sondern
dieZweckewerdenanvorhandeneMittelangepasst.• ImpulsefürpolitischeEntscheidungenergebensichnichtausüberge-
ordnetenZielen,sondernausaktuellenMissständen.• Problemlösungenwerdennichtvon irgendwelchenZentrenkontrol-
liert,sondernfindenunkontrolliertdurcheineVielzahlvonEntschei-dungsträgerstatt.
• EswerdenInteressenundInformationenvondenverschiedenstenSeitenberücksichtigtundesentstehteinungeplanterneuerpolitischerZustand.
• DieBeiträgederverschiedenenEntscheidungsträgerwerdendurcheinenProzessgegenseitigerAnpassungzusammengebrachtundausgeglichen.
• KeineEntscheidungseinheitkanndieanderedominierenoderunterdrü-cken.
InderPolitikwissenschaftwirddiesesModellauchheutenochalsadäqua-teBeschreibungderWirklichkeitpolitischerEntscheidungsprozessegese-hen(vgl.denPolicy Cycle).DienormativeWendungdesModells,dieinderVorstellunggipfelt,dasspolitischeEntscheidungsprozesseauchtatsächlichsoablaufensollen,wirdjedochentschiedenabgelehnt.
DaszweiteModell,dasinderPolitikwissenschafteineRollespielt,istdas sogenannte »BürokratischeModell«.PolitischeEntscheidungen sinddanach das Ergebnis von Verhandlungsprozessen. »Eine Mehrzahl vonAkteurenmitunterschiedlichen Interessen,verschiedenenProblempers-pektivenundungleicherMachtbeteiligt sichaneinemsolchenProzess,derdurchorganisationsspezifischeSpielregelnstrukturiertist«(Klöti2002,S.180f ).DieKritikandiesemModellbeziehtsichaufdieMöglichkeit,dassmächtigeGruppendieAuslösungvonEntscheidungsprozessenver-hindernkönnen (non-decision-making).Neuere staatstheoretischeÜberle-gungenberücksichtigendieKritikansolchenmacht-undeinf lusstheore-tischenKonzeptenundversuchenEntscheidungsprozesseindenRahmenzunehmender Verf lechtung auf territorialer Ebene – international, na-tional, regional, lokal–und in sozialenHandlungssphären–StaatundVerwaltung, Marktwirtschaft und Unternehmen, Zivilgesellschaft undNicht-Regierungsorganisationen, Gesellschaft und Interessenvertretun-gen,ÖffentlichkeitundMedien–zustellen.
108
II. Basis- und Fachkonzepte
5. Fachkonzepte Entscheidung
5.1 Europäische Akteure
Essenz des FachkonzeptsEuropäischeAkteuresindElementedespolitischenSystemsderEuropä-ischenUnion.NebendenInstitutionenundihrenMitgliedern(Europä-isches Parlament, Kommission, Ministerrat, Europäischer Gerichtshof )hatsicheineweitersteigendeZahlanAkteurenetabliert,dieihreForde-rungenandasSystemrichten:Gewerkschaften,Parteien,Industrie-,Um-weltschutz-,Finanz-,Automobil-,Verbraucherschutzverbändeusw.DieBürger/-innenkönnenübernationaleWahlen,dieEuropawahl,KlagenvordenGerichten,denBeitrittzuParteienoderInteressengruppenihreForderungenandieEUstellen.DieEntscheidungenderEUbetreffeneineVielzahlvonPolitikfeldern,wiez.B.dieSozial-,Umwelt-,Landschafts-,Finanz-,Außenhandels-,Verteidigungs-,Verkehrspolitik.Die europäi-scheGesetzgebungundFinanzpolitikhatmittlerweileeinengroßenEin-f lussaufdieMachtverteilungundRessourcenzwischenBürgern,GruppenundStaaten.AmBedeutsamstenfürdieEntwicklungdereuropäischenIn-tegrationerweisensichdieInstitutionen.DabeisinddiepolitischenZu-ständigkeitenderverschiedenenOrganederEUuntereinanderwieauchinihremVerhältniszudenMitgliedstaatenderEUvermischt.
Politikwissenschaftliche VertiefungDieAkteureaufdereuropäischenEbenenehmenmehroderwenigerEin-f lussaufdieEntscheidungsfindunginderEU,weshalbderBezugdieserAkteurezumBasiskonzeptEntscheidungevidentist.IhreInteressen,Mo-tiveundHandlungenbestimmendenOutcomedespolitischenSystemsge-nausomitwiedieRegelnder Institutionen.Akteureund InstitutionensindineinemBeziehungsgef lecht.IndenInstitutionensinddieVerfah-rensregeln formeller und die über die Ideologien einf ließenden Über-zeugungeninformellerNatur.GeradefürdieEU-Institutionengilt,dassihreVerfahrensregelnständig inneuenVerträgengeändertwerden.AufdieseWeisewirdeinerseitsdieIntegrationderMitgliedsländerweiterent-wickeltundandererseitswirdsichderindenverbindlichenEntscheidun-
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5. Fachkonzepte Entscheidung
gensichtbareOutcomeändern,wennsichdiePräferenzenderAkteureoderderInstitutionenändern.
Der Neo-Funktionalismus (Haas, 1958; Wolf, 2006) erklärt denIntegrationsprozess mit dem spill-over Konzept, d.h. der Annahme des»Überschwappens«erfolgreicherIntegrationsprozesseaufandereBereiche.Die treibendenKräftekommenhauptsächlichvonnicht staatlichenAk-teuren,die für ihre sozialenundwirtschaftlichen Interesseneine funk-tionaleEffizienzdesSystemsfordern.DieserAnsatzwirdvonderinter-gouvernementalistischen Theorie in Frage gestellt (Hoffmann, 1966).DanachsinddieMitgliedsstaatenundihrenationalen,geopolitischenIn-teressendietreibendenKräfte.DieErfolgesindbisheraufgeringpoliti-siertenGebietenmitökonomischemundtechnisch-administrativemCha-rakter eingetreten. Diese beiden Ansätze beeinf lussen die theoretischeDiskussionbisheute.DieaktuellenAnsätzeknüpfenjeweilsdarananundsetzenandereAkzente(Hix,2005,S.16f ).
Der liberale Intergouvernementalismus (Moravcsik, 1991) geht voneinerökonomischdefiniertenMachtstrategiederMitgliedsländeraus.DieeuropäischenInstitutionenhabeneinenbegrenztenEinf luss.DenFokusaufdenCharakterdesEU-SystemsunddieFormendeseuropäischenRe-gierens richtet erstderAnsatzdesMehrebenensystems ( Jachtenfuchs&Kohler-Koch,1996).ZahlreicheempirischeStudienwidmensichderAna-lyseder inhaltlichenPolitikgestaltungundProblemlösungsfähigkeitderEUundhierinsbesonderedarauf,wiesichdasinstitutionelleDesignaufdieProzesseundErgebnissederEntscheidungsführungauswirkt(Scharpf,1999). FeministischeAnalysen befassen sichmit der geschlechtsspezifi-schenSelektivitätdesEU-Systems(Abels,2006).AusderPerspektivedesRational Choice Institutionalismus(Tsebelis,1994)werdeneinzelneAus-handelungsprozesseindenInstitutionenmodelliert.DanachistderOut-comemehrvondensupranationalenInstitutionenbestimmt(Kommission,EuropäischesParlament,EUGH)alsvondenMitgliedsstaaten(Hix,2005).
FehlkonzepteBeiderunterrichtlichenUmsetzungdesFachkonzeptesstelltoftmalsderUm-stand,dassnurdieinstitutionellenAkteureEuropäischesParlament,Kommis-sionundMinisterrat,nichtaberGewerkschaften,ParteienunddiediversenVerbändethematisiertwerden,eineProblematikdar–letztgenannteAkteure,diefürdieEntscheidungsfindungiminstitutionellenGefügederEUgleich-fallsvoneminenterBedeutungsind,werdenvielfachnichtwahrgenommen.
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II. Basis- und Fachkonzepte
DarüberhinaushandeltessichbeideroftmalskolportiertenVorstellung,dassdieEntscheidungen inden integriertenPolitikbereichen inGestaltvonVerordnungenundRichtlinienalleinvonBrüsselgefälltwürdenunddieMitgliedstaatendiesenurumzusetzenhätten,umeinFehlkonzept:DieMitgliedstaatensindnachwievoraufunterschiedlichenEbenenamZustandekommeneuropäischerRegelungenbeteiligt.
Vernetzung des FachkonzeptsDasEuropäischeParlament,dieEuropäischeKommissionundderMi-nisterratstellendiewesentlicheneuropäischenAkteuredesinstitutionel-lenDreiecksderEUdarundsinddeshalbkonstitutiv fürdasBasiskon-zeptEntscheidungaufeuropäischerEbene.DasFachkonzeptistvordiesemHintergrundvernetztmit denKonzeptenRepräsentation,Demokratie,europäischeIntegration,ParlamentundWahlen.
WeiterewichtigeeuropäischeAkteurekönnenmitdemÜberbegriffeu-ropäischeInteressengruppenzusammenfasstwerden.EshandeltsichdabeiumsoverschiedeneAkteurewieParteien,Gewerkschaften,Nicht-Regie-rungsorganisationen,Medien,Kirchen,BürgerinitiativenundUnterneh-men.Allen ist dasBemühenumpolitischeEinf lussnahme auf dieEnt-scheidungenderAkteuredesinstitutionellenDreiecksgemeinsam.DieserBegriffstehtmithinimunmittelbarenZusammenhangmitdenFachkon-zeptenInteressengruppen,Legitimität,Öffentlichkeit,MachtundKonf likt.
BeispielthemenInderSekundarstufeIkanndasZusammenwirkenderAkteureEuropäischesParlament,EuropäischeKommissionundMinisterratsowiedieFunktions-logikdieses institutionellenDreiecks thematisiertwerden.Weiterhinkannauf dieser Stufe das Wirken der europäischen Akteure im europäischenMehrebenensystemauchinseinenUnübersichtlichkeitenbehandeltwerden.
DesgleichengiltfürdaspolitischeAgiereneuropäischerInteressengrup-pen.DerenEinf lussnahmeaufdieeuropäischenAkteuredes institutio-nellenDreieckssollteaufderSekundarstufeIIanhandeinesFallbeispielsthematisiertwerden.DaspolitischeZusammenwirkenderverschiedeneneuropäischenAkteureimMehrebenensystemkannexemplarischetwaamZustandekommender Fauna-Flora-Habitat-Richtline (FFH-Richtlinie)imPolitikunterrichtbehandeltwerden.WeiterhinkönnenaufderSekun-
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5. Fachkonzepte Entscheidung
darstufeIIdieverschiedenenIntegrationstheoriendeseuropäischenEini-gungsprozessessowiedieFinalitätdiesesProzesseserörtertwerden.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Europäische Akteure zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Repräsentation,Demokratie,europäischeIntegration
EntscheidungParlament,Wahlen,Interessengruppen,Legitimität,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Europäische Akteure
Schulstufen Begriffe
SekundarstufeIEuropäischesParlament,EuropäischeKommission,Ministerrat,EuropäischerGerichtshof,Kommissionspräsident/-in
SekundarstufeIIEuropäischesMehrebenensystem,Intergouvernementalismus,Neo-Funktionalismus
5.2 Interessengruppen
Essenz des FachkonzeptsInteressengruppen sind dauerhaft organisierte Zusammenschlüsse wirt-schaftlicherodergesellschaftlicherGruppen.SieberuheninderRegelauffreiwilligerMitgliedschaft(vgl.Thibaut,2002).NachinnenhabensiedenZweckdieunterschiedlichenEinzelinteressen ihrerMitgliederzukoor-dinieren,zusammenzufassenund ineineüberschaubareReihevonent-scheidbarenForderungenzuverwandeln.NachaußenartikulierensiediegemeinsamenInteressengegenüberanderenGruppenmitabweichendenoderentgegengesetztenInteressenundversuchendirektoderindirektEin-f lussaufpolitischeEntscheidungenzunehmen.ImUnterschiedzupoliti-schenParteienvertretenInteressengruppenstärkerpartikulareInteressenundstrebennichtdieÜbernahmeoderBeteiligunganderRegierungan,
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II. Basis- und Fachkonzepte
auchwennsieanderFormulierungundUmsetzungstaatlicherPolitikbe-teiligtseinkönnen.DamitunterscheidensiesichvonVereinen,diekeineEinf lussnahmeaufdenpolitischenProzessanstreben.
Politikwissenschaftliche VertiefungInDemokratienistderpolitischeWillensbildungs-undEntscheidungspro-zessimmeraucheinProzessderInteressenvermittlung,andemnebendenParteienvorallemdieInteressengruppenbeteiligtsind.DarausresultiertdieengeVerbindungdesFachkonzeptszumBasiskonzeptEntscheidung.InderBewertungdiesesTatbestandesbesteht jedochnachwievorkeineÜber-einstimmung.FürdieeinensindInteressengruppenübermächtige,unde-mokratischeundgemeinwohlgefährdendeOrganisationen,die staatlichenEntscheidungsabläufeunzulässigüberwuchern.FürdieanderengeltenVer-bändealsGaranteneinessinnvollenInformations-undEntscheidungsf lus-seszwischenBürger/-innenundStaat,diewichtigeIntegrations-,Vermitt-lungs-undSteuerungsleistungenfürdaspolitischeSystemerbringen(zudenhistorischenWurzelndiesesKonf liktsvgl.Forsthoff,1971;Fraenkel,1991;Offe,1970).EinedrittePositionistdiedesNeo-Korporatismus.SiegehtvoneinerzunehmendenVerf lechtungzwischenInteressengruppenundstaatli-chenInstitutionenaus. InteressengruppensinddanachkontinuierlichundgeregeltindieEntscheidungsfindungund-durchsetzungeingebunden.
DieneuesteDiskussionumInteressengruppenwirdunterdemBegriff»Lobbyismus«geführt.EinerseitswirddasHandelnder Interessengrup-penalslegitimunddemokratischanerkannt,andererseitswirddieman-gelndeTransparenzdiesesProzesseskritisiert.AuchinderEUwirdderEinf lussvonInteressengruppenimmerstärker.Zumeinenerweiternbe-stehendeInteressengruppenihrenAktionsradiusaufdieeuropäischeEbe-ne,zumanderengründensichneuesupranationaleAkteure,diepolitischeWillensbildungs- und Entscheidungsprozesse auf EU Ebene beeinf lus-sen.AufderinternationalenEbenegewinnenInteressengruppenebenfallsanBedeutung. InternationaleRegime schaffenzunehmendRegelsyste-meundEntscheidungsstrukturenauffreiwilligerBasisundvergrößernsoEinf lussmöglichkeitenundHandlungsspielräumevonInteressengruppen.
ObwohldieAuswirkungenvonGlobalisierungundEuropäisierungaufdasHandelnvonInteressengruppennochkaumuntersuchtsind,kommensowohlempirischeUntersuchungenalsauchtheoretischeÜberlegungenzudemErgebnis,»dassorganisierteInteresseninDeutschlandweiterhinzurgesellschaftlichenSelbstregulierungbeitragenwerden, fürpolitische
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5. Fachkonzepte Entscheidung
WillensbildungunterlässlichbleibenunddieFunktionsfähigkeitvonDe-mokratiesteigernkönnen«(Reutter,2000).
Fehlkonzepte
ObgleichinderPolitikwissenschaftdieNotwendigkeitunddieBedeutungvonInteressengruppenfürdieDemokratiesowiedieLegitimitätihrespoliti-schenHandelnsschonlangeanerkanntwird,hatsichinderÖffentlichkeit,indenMedien,auchimBewusstseinvonJugendlicheneineüberwiegendne-gativeEinstellunggegenüberInteressengruppenerhalten.InteressengruppenerscheinenvorallemalsVertreteregoistischerPartikularinteressen,diedurchBlockadepolitikdieHandlungsfähigkeitdespolitischenSystemseinschrän-ken,dasGemeinwohlgefährdenunddieAutoritätdesStaateszerstören.ZwarlässtsichvielesandenInteressengruppenundihremkonkretenHandelnkri-tischsehen,aberesmussauchAufgabevonPolitikunterrichtsein,LegendenoderVermutungen,dievonder»HerrschaftderVerbände«überdie»Unsicht-barkeitihresweitreichendenpolitischenWirkens«biszuderThesevonder»anonymenMacht«oderder»fünftenGewalt«reichen,zurelativierenunddieLeistungenderInteressengruppenfürdieDemokratieherauszuarbeiten.
Vernetzung des FachkonzeptsInteressengruppenstehenineinembesondersengenZusammenhangmitdemFachkonzeptKonf likt.ZumKonzeptaufbauisteinVerständnisdesFachkonzeptsKonf likt,aberauchderFachkonzepteGewaltenteilungundDemokratie,voralleminFormderpluralistischenDemokratienotwen-dig.Sieermöglichenerstdie systematischeEinordnungvon Interessen-gruppenindenProzessderpolitischenWillensbildungundEntscheidung.DaInteressengruppenzunehmendMassenmediennutzen,umihreInter-essenzukommunizieren,istauchdiesesFachkonzeptzumKonzeptaufbauhilfreich.DiesgiltauchfürdasKonzeptMarkt,agierendochdiezentralenInteressengruppenimmernochaufdemFeldderÖkonomie.
BeispielthemenBereitsinderGrundschulelassensichzentraleAspektedesHandelnsvonInteressengruppenverdeutlichen.EinewichtigeEinsichtbestehtschonda-
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II. Basis- und Fachkonzepte
rin,zuwissen,dassMenschenunterschiedlicheInteressenhabenunddiesedurchsetzenwollen.DamitdiesohneGewaltgeschehenkann,sindRegelnerforderlich.DarüberhinauslässtsichschoninderSchulklasseerfahren,dassInteressenvonEinzelnenwenigerdurchsetzungsfähigsindalsInteres-sen,diedurcheineganzeGruppevertretenwerden.UmInteressendurchGruppenwahrnehmenzukönnen,müssendiese ausden InteressenderEinzelnengemeinsameInteressenauswählen,diesebündelnundsichStra-tegienzurDurchsetzungüberlegen.DabeiwirdesinderRegelauchim-merKonf liktegeben,dienachgemeinsamakzeptiertenRegelnentschie-denwerden.
InderSekundarstufeIsolltenTypenvonInteressengruppen,FormenderInteressenwahrnehmung,StrategienderDurchsetzungunddieVoraus-setzungenvonInteressenwahrnehmunganalysiertwerden.AuchdieBe-deutungderInteressengruppenfürdieDemokratieisteinwichtigerInhalt,dersichmitThemenwie»HerrschaftderVerbände«oder»DiestilleMachtderVerbände«,»VerbändealsfünfteGewalt?«erarbeitenlässt.
InderSekundarstufeIIkönnenergänzenddazuunterschiedlicheAnsät-zederInteressengruppenforschungbehandeltwerdensowiedieVerände-rungenvonInteressengruppenundihrerFunktionenimZusammenhangmitProzessenderEuropäisierungundderGlobalisierung.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Interessengruppen zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Demokratie,Markt
Entscheidung Parteien,Massenmedien
Gemeinwohl Macht,Konf likt,Öffentlichkeit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Interessengruppen
Schulstufen BegriffePrimarstufe Einzelinteresse,Gruppeninteresse
SekundarstufeIGemeinschaftsinteresse,Konf liktregulierung,Interessen-artikulation,Interessenselektion,Interessenaggregation,Lobbying,Pressure,Patronage,Organisationsfähigkeit
SekundarstufeII Pluralismustheorie,Korporatismus
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5. Fachkonzepte Entscheidung
5.3 Konflikt
Essenz des FachkonzeptsIneinemKonf likttrifftUnvereinbaresaufeinander.DieskönnenWerte,Positionen,Ziele,Bedürfnisseu.v.m.sein.Konf liktealsStreit,Auseinan-dersetzungoderKontroversekönnenu.a.zwischenPersonenoderGrup-pen,zwischenSektorenoderGesellschaftsgruppenentstehenundgehörenzumgesellschaftlichenZusammenleben.SozialeKonf liktebeziehensichinderRegelaufNormenoderRessourcenineinerGesellschaft.Siegel-tenalseinGrundelementdessozialenWandels.PolitikwirdprimärdurchgesellschaftlicheProblemebestimmt,diealsInteressenkonf likteoderPosi-tionsdifferenzeninPolitikübersetztwerdenkönnen.PolitischanalysierenlassensichProzessevonKonf likten,indemEntstehung,AusbreitungundVerlaufsowieVerhinderung,AbbauundLösungvonKonf liktenbetrach-tetwerden(politics,dieprozessualeDimensiondesPolitischen).DesWei-terenlassensichKonf likteunterscheidennachdemKonf liktgegenstand,nachdenBeteiligten,nachihremRangzueinanderundentsprechenddenMachtverhältnissen(alsGleichberechtigte,Untergeordneteetc.),nachdenMittelnzurDurchsetzungderInteressenoderauchnachihrerIntensitätundErscheinungsform(offene,versteckteKonf likteusw.).DerfreieAus-tragvonKonf liktenistdemAnspruchnachkennzeichnendfüreinfrei-heitlichesGemeinwesen.WennKonf liktenicht zurSystemveränderungzwingen,wennalsoeinMindestmaßanÜbereinstimmungimHinblickauf InhalteundVerfahren zumAustragvonKonf liktenvorhanden ist,werdensiedurchKompromisse,KonsensoderMehrheitsentscheidungenbeendet,möglicherweiseabernurvorläufig.
Politikwissenschaftliche VertiefungAusKonf liktenergibtsichaufgrundihrergesellschaftlichdesintegrieren-denWirkungdieNotwendigkeit zurpolitischenEntscheidungundda-mitderengeBezugzumentsprechendenBasiskonzept.Entscheidungenlassensichals(vorläufige)SchlusspunktevonKonf liktenverstehen;Kon-f likteindiesemSinnehabeneineintegrierendegesellschaftlicheFunktion.VieleSoziologenundPolitikwissenschaftler/-innenhabensichmitKon-f liktenoderKonf liktstruktureninGesellschaftenbeschäftigtundzahlrei-cheTheorienhervorgebracht(zumÜberblickvgl.Bonacker,2002).Inder
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II. Basis- und Fachkonzepte
marxistisch-kritischenKonf likttheoriegeltenökonomischeVerteilungs-konf likte als Grundkonf likte in Klassengesellschaften, die nur durchgrundsätzlichegesellschaftlicheVeränderungenbeseitigtwerdenkönnen(Krysmanski&Tjaden,1979).Inderliberal-analytischenKonf likttheoriewerdenHerrschafts-bzw.Statuskonf liktealszentralangesehen,dienichtbeseitigtwerdenkönnen,sondernimmerwiederneuzuregulierensind(z.B.Dahrendorf,1958).DiepolitischeOrdnungeinerGesellschaftmussdemzufolgeentsprechendeInstitutionenzurgeordnetenAustragungvonInteressenkonf likten,alsozumInteressenausgleichschaffen(z.B.Tarifpar-teien,Rechtsstaat).Wert-oderOrdnungskonf liktesindhiernachwenigerbedeutsam.AnderswirddiesinpolitikwissenschaftlichenKonf liktmodel-lengesehen,beidenenParteienalsWertegemeinschaftendieKonf liktstruk-tureinerGesellschaftwiderspiegeln(z.B.Stöss,1997).BeidemRingenumGemeinwohlkönnensichWertekonf likteaufdieökonomisch-sozialeOrdnung(Sozialstaatvs.Marktfreiheit)oderaufdiepolitischeOrdnung(liberalevs.autoritärePrinzipien)beziehen.Diekonf likttheoretischeFor-schungwirdvorangetriebendurchempirischeStudienüberUngleichver-hältnisseoderKonkurrenzsituationen inbzw. zwischenGesellschaften.C.WrightMills’UntersuchungüberdieamerikanischeMachteliteundAngestelltenschaft(1956)wurdevondemkonf likttheoretischenZwangs-modell inspiriert,nachdemHerrschaftsprinzipien ineinerdurchwalte-tenGesellschaft zentral sind.Vertreter liberalerAnsätze haltenhinge-geneinezuverlässigeErmittlungderUrsachenvonKonf liktennichtfürmöglich.InderpolitischenIdeengeschichtegibtesjedochauchutopischeEntwürfe,dievonderMöglichkeitkonf liktfreierGesellschaftenausge-hen.Soerkenntdiemarxistisch-kritischeKonf likttheorie imökonomi-schenVerteilungskonf likteinenWert-undOrdnungskonf likt,derüberdenKlassenkonf liktzurLiquidationder»herrschendenKlasse«unddamitzurwahrenGemeinschaftführenkann(Strasser,2001).
FehlkonzepteOftmalswerdenKonf likteimAlltagsverständnisalsetwasNegativesan-gesehenundderBegriff selbstvermieden, indemstattdessenz.B.allge-meinervon »offenenFragen«gesprochenwird.EsbestehtvielfacheineKonf liktfeindlichkeitbzw.einHarmoniebedürfnis,welchesnichtberück-sichtigt,dassnichtdieKonf likteselbst,sondernbestimmteAustragungs-formenproblematischsind.DesWeiterenwerdenFormenderKonf likt-lösungimPrivatenmitFormenpolitischerKonf liktlösungenverwechselt.
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5. Fachkonzepte Entscheidung
WährenderstereaufderBeziehungsebeneangesiedeltsind,d.h.zwischenIndividuenoderGruppenstattfinden,liegenletztereaufeinerSachebene,beziehensichalsoaufstrittigeThemenoderPositionsdifferenzen.
Vernetzung des FachkonzeptsZumErlerneneinerStreitkulturgehörtu.a.,sozialeundpolitischeEbe-nenvonKonf liktenauseinanderzuhalten.HilfreichbeiderAnalysevonKonf liktenkanndaher das FachkonzeptÖffentlichkeit sein. Für einengeordnetenAblaufderKonf liktlösungsinddieElementederpolitischenOrdnungwesentlichundalsFachkonzepteindieKonf liktanalyseeinzu-beziehen.AbernichtimmerwerdenKonf liktenachMaßstäbenvonVer-nunftundimKonsensnachVerhandlungengelöst,sodassessichanbietenkann,sieimZusammenhangmitdemFachkonzeptMachtzudiskutieren.AbzugrenzensindKonf likte,diekommunikativgelöstwerden,vonge-walttätigenFormenderAuseinandersetzung,seiensieinnerstaatlicheroderzwischenstaatlicherNaturwiez.B.KriegeinderinternationalenPolitik.SieweisendaherauchVerbindungenzudenFachkonzeptenSicherheitundFriedenauf.Da insbesondereunterschiedlicheOrientierungenhinsicht-lichnormativerFachkonzeptewieGerechtigkeitoderÖffentlicheGüterstetsaufsNeueInteressenkonf likteineinerheterogenenGesellschaftbe-gründen,sindauchWertklärungsprozesseeinwichtigerBeitragzurKlä-rungvonKonf likten.
BeispielthemenKonf likte sollten schon inderGrundschule thematisiertwerden,da siesowohl derMeinungsbildung als auchderKritikfähigkeit der Schüler/-innendienen.InsbesondereInteressenkonf liktekönnenz.B.beikommu-nalpolitischenThemenzumGegenstandwerden,fürdiesichschonjünge-reSchüler/-innenaufgrundbekannterKonf liktgegenständeinteressieren(Bebauungspläne,Verkehrsprojekteetc.).InderSekundarstufeIlassensichKonf likteprinzipiellmitallenpolitischenFachkonzeptenverknüpfen,dasieTeilvonfastallenEntscheidungsprozesseninpluralenGesellschaftensind,wiez.B.Konf likteumRessourcen.InderSekundarstufeIIkönnenKonf liktezwischenStaatenuntersuchtwerden.AlsThemabietetsichhierderKonf liktüberdenvondenVereinigtenStaatengeführtenKriegimIrakaufdemForumderVereintenNationenan.
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II. Basis- und Fachkonzepte
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Konflikt zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung InternationaleBeziehungen,europäischeIntegration,Markt
Entscheidung Öffentlichkeit,Macht
Gemeinwohl Sicherheit,Frieden,Gerechtigkeit,öffentlicheGüter
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Konflikt
Schulstufen BegriffePrimarstufe Streit,Kompromiss,Interessen,Gewalt,Krieg
SekundarstufeI Dissens,Konsens,Harmonie
SekundarstufeII sozialerWandel,Integration,Utopie
5.4 Legitimation
Essenz des FachkonzeptsUnterLegitimationwirdzumeinenderProzessderHerstellungvonLegi-timitäteinespolitischenSystemsverstanden,zumanderenbezeichnetLegi-timationdiesubjektiveKomponentevonLegitimität,d.h.dieempirischbeobachtbareAnerkennungeinespolitischenSystemsdurchseineMitglie-der.PolitischeLegitimationundpolitischeLegitimitäthängenbegriff lichsoengzusammen,dasssiehäufigidentischverwendetwerden.Legitimi-tät alsnormativerBegriffbezieht sich aufdieobjektivenEigenschafteneinespolitischenSystemsundwirddefiniertalsdieRechtmäßigkeitoderdieAnerkennungswürdigkeit des Systems, seiner Institutionenund derdaringetroffenenpolitischenEntscheidungen.Rechtmäßigisteinpoliti-schesSystemdann,wenninihmdieVerwirklichungbestimmterPrinzi-pien(inderDemokratiez.B.Pluralismus,Partizipationsrechteund-mög-lichkeiten,Rechtsstaatlichkeitusw.)garantiertsind.Anerkennungswürdigistes,wenndiezurNormerhobenenVerhaltenserwartungenverallgemei-nerungsfähigeInteressenzumAusdruckbringen(Habermas,1976).Legi-timationalsstärkerempirischerBegriffbasiertaufdenLegitimitätsüber-
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5. Fachkonzepte Entscheidung
zeugungenoderdemLegitimitätsglaubenderMitgliedereinespolitischenSystemsundbeziehtsichaufdessenfaktischeAnerkennung.Dieseistnurdanngegeben,wenneinMindestmaßanFreiwilligkeitundBewusstheitvorhandenist.InDemokratienistsiedieBestandsvoraussetzungderpoliti-schenOrdnung.LegitimationerfolgthierdurchdenpermanentenProzessderHerstellungundAufrechterhaltungdesGlaubensandieAngemessen-heitder Institutionenund ihresHandelns.DernormativeLegitimitäts-anspruchvonEntscheidungenundderempirischeLegitimitätsglaubederBeherrschtenwerdenpluralistischundimVergleichzuhistorischenGe-meinwesenprozeduralhergestellt(Heidorn,1982),indemaufrechtferti-gendeGründeöffentlichBezuggenommenwird.
Politikwissenschaftliche VertiefungLegitimationundLegitimitätsinddemBasiskonzeptEntscheidungzuzu-ordnen.LegitimitätiststetsdynamischundnichtstatischzuverstehenundLegitimationhatdenSchwerpunkt inpolitischenEntscheidungsprozes-sen,dienichtalleinaufdieHerstellungverbindlicherRegelndurchMachtberuhen,sondernimmerumRechtfertigungbemühtsind.DerLegitima-tionsdiskursinderPolitikwissenschaftistimmernochvondenIdealtypenlegitimerHerrschaft,dieMaxWeberentwickelthat,geprägt,diesichpri-mär an der ausschlaggebenden Motivation der Herrschaftsunterworfe-nenorientieren,sichdieserHerrschaftzufügen(Weber,1992).Erunter-scheidetfolgendeTypenpolitischerLegitimität:Dietraditionale(GeltungdesimmersoGewesenen),diecharismatische(GeltungskraftderEigen-schaften einerPersonundder durch sie geschaffenenOrdnungen) unddierationaleLegitimität.SiegründetindemGlaubenandieGeltungra-tionalbegründeterNormenundRegeln,die sichgegen alleEinwändevernünftigverteidigenundbegründenlassen.EastoncharakterisiertLegi-timitätalsÜberzeugungderMitgliedereinerGesellschaft,dassdieFunk-tionsweisedespolitischenSystemsweitgehendmitihrenpersönlichenmo-ralischenPrinzipienübereinstimmen(Easton,1965).DieZustimmungundUnterstützung, die sich daraus ergibt, kann diffus oder spezifisch sein.DiffuseUnterstützungistunabhängigvonderEffektivitätdespolitischenSystems.SiestelltquasieinenLegitimitätsvorschussdar.SpezifischeUn-terstützungorientiert sichamoutputundkommtmeistnachträglichzu-stande.DievonLuhmannentworfene»LegitimationdurchVerfahren«be-tontdielegitimitätsstiftendeWirkungprozeduralerVerfahrensregeln,wirdaberalsnormativzublasskritisiert.Dagegenrichtetsichdienormativan-
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II. Basis- und Fachkonzepte
spruchsvolleLegitimationstheorievonHabermas,deralsentscheidendenMaßstabdiediskursiveRechtfertigungvonGeltungsgründenpostuliert(Habermas,1976).ScharpfunterscheidetzwischenInput-LegitimationundOutput-Legitimation.Die inputorientiertePerspektivebetontdieHerr-schaft»durchdasVolk«überpolitischePartizipation,dieoutputorientier-te Perspektive, die Herrschaft »für das Volk« und damit effiziente undeffektive politischeEntscheidungen.BeidePerspektivenwirken inDe-mokratienzusammenundverstärkensichgegenseitig(Scharpf,1970).Inden 1970er Jahrenwar derDiskurs geprägt durchnormativ abgeleiteteLegitimationskriseneher»linker«Autoren,dieeineinhaltlichdiffuseMas-senloyalitätkritisierten (Offe,1972),unddurch seitens »neo-konservati-ver«AutorenkonstatierterLegitimitätsprobleme,dieeineSelbstüberforde-rungdesRegierensinderDemokratiebeschrieben,dieausdemverfehltenStaatsverständnis des Daseinsvorsorgestaats resultierten (Hennis, 1976).Empirischließsichbeidesnichtnachweisen.DievorhandeneempirischeForschungistvorallemaufdieBeschreibungpolitischerLegitimationkon-zentriert,zumTeilinlongitudinalerund/odervergleichenderPerspektive.
FehlkonzepteLegitimationundLegitimitätwerdenhäufigsehrverkürztgesehen.Entwe-derwirdLegitimationalleinaufdenLegalitätsaspektbezogen.LegalitätaberbedarfderRechtfertigungdurchdieübergeordneteLegitimität.Bestehen-deInstitutionen,RegelungenundGesetzesindnichtschondadurchlegiti-miert,dasssiedenkonstitutionellenVerfahrenentsprechen.AberauchderjeweilsgegebeneLegitimitätsglauberechtfertigtpolitischesHandelnnicht,wennervonderLegitimitätsideederMenschenrechteundderDemokratieabweicht.BeiderAnalysevonEntscheidungsprozessenimPolitikunterrichtgehtesimmerauchdarum,denLegitimationsprozessinseinerKomplexitätmiteinzubeziehenundalsGrundlagederUrteilsbildungzuverdeutlichen.
Vernetzung des Fachkonzepts
Für den Konzeptaufbau ist wichtig, dass Legitimation mit allen Fach-konzeptendesBasiskonzeptsEntscheidungverknüpftwird,umdasVer-ständnisdesKernsderLegitimation ineinemdemokratischenGemein-wesenaufzubauenundständigzuerweitern.Eseignetsichbesonders,umdenUnterschiedzwischenDemokratie,AutokratieundDiktaturzuerklä-
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5. Fachkonzepte Entscheidung
ren.AnknüpfungspunkteergebensichauchzudenFachkonzeptenGewal-tenteilung,Demokratie,StaatundGrundwerte.
BeispielthemenInderPrimarstufekannbeiderThematisierungvonRegeln,Gesetzenusw.hingewiesenwerden,dassvorderAbstimmungeinekommunika-tiveAuseinandersetzungstattfindenmuss.InderSek.IkönnendieBe-griffeLegitimationundLegitimitätz.B.überdasThema»VerbessertdiedirekteDemokratiedenLegitimationsprozess?« eingeführtwerden.DasKonzeptmussinfastallenThemenbereichenzuWahlen,Gesetzgebung,EuropäischeUnion,politischeSysteme,Parteien,Massenmedien,Politi-scheBeteilungberücksichtigtwerden.InderSek.IIlässtessichalstheo-retischesKonzepteinführen,indemz.B.überdieinputorientierteTheorieeinerstarkenDemokratiediskutiertwird.HierkönnenauchLegitimitäts-problemeaufdereuropäischenoderderInternationalenEbenez.B.überdas Thema: »Befindet sich die EU in einem Legitimitäts-Effektivitäts-Dilemma?«behandeltwerden.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Legitimation zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte Fachkonzepte
OrdnungGewaltenteilung,Demokratie,Staat,internationaleBeziehungen
Entscheidung Parteien,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt
Gemeinwohl Gerechtigkeit,Menschenwürde,Nachhaltigkeit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Legitimation
Schulstufen BegriffePrimarstufe Regeln,Mehrheitsentscheidung,Gesetze
SekundarstufeIWillensbildung,Legalität,Transparenz,Rechtfertigung,Kommunikation,Werte
SekundarstufeIIResponsivität,Akzeptanz,Massenloyalität,Input-Output-Orientierung
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II. Basis- und Fachkonzepte
5.5 Macht
Essenz des FachkonzeptsMachtkannvonPersonenoderStrukturen(z.B.vermitteltüberInstitu-tionen)undmitverschiedenenMittelnausgeübtwerden.LangeZeitwardieDefinitionvonMaxWeberführend,wonachMachtverstandenwer-denkannals»jedeChance,innerhalbeinersozialenBeziehungdeneige-nenWillen auch gegenWiderstreben durchzusetzen, gleichvielworaufdieseChanceberuht«(Weber,1980,S.28).HeutewirdmeistdieUnter-scheidungvonHannaPitkinherangezogen,wonachsichMachtbeschrei-benlässtalsBeherrschungvonoderEinf lussnahmeaufAndere(power over)undalsFähigkeitzumautonomenHandeln(power to)(Pitkin,1972,277).Power overisteineasymmetrischesozialeBeziehung,beidermeistHand-lungsmöglichkeiteneingeschränktwerden.Sieisthäufignegativkonno-tiert,währendpower topositivverstandenwirdundsichnichtaufAnde-rebezieht.WeitereDifferenzierungentrennenindiepotentielleMacht,dielatentwirkt,ohnedasssiekonkretausgeübtwerdenmuss(Disposition)undindieaktuelleMacht,derenExistenzaufihreständigeAktualisierungangewiesenist.PolitischeHerrschaftwirdhingegenalsdurchdieVerfas-sunglegitimierteGewaltausübungverstanden.Soübenbeispielsweisepo-litischeInstitutionengegenüberdenBürger/-innenHerrschaftaus,indemsiepolitischeEntscheidungendurchsetzen.SiedienthierderSteuerungimGemeinwesen.AberauchdieBürger/-innenübengegenüberdenInstitu-tionenHerrschaftaus,indemsieversuchen,ihreInteressenbeidenInstitu-tionendurchzusetzen,u.a.durchdieWahlvonAbgeordneten,diesiere-präsentieren.
Politikwissenschaftliche VertiefungBesondersMacht alspower over istpolitischgesehen interessant,damitihr Entscheidungsprozesse beeinf lusst werden, was den engen BezugzumBasiskonzeptEntscheidungverdeutlicht.Entsprechendemachtthe-oretischeAnsätzekönnenmanifesteoder strukturalistisch interpretier-teMachtbeziehungenuntersuchen.ErstereinterpretierenMachtausderPerspektivederAkteure(agency),letztereausderSystemperspektive(struc-ture) (Göhler, 2004,S.248).AufgrundderverschiedenenBegriffe vonMachtundderverschiedenenAnalyseebenenisteinesystematischeStruk-
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5. Fachkonzepte Entscheidung
turierungderMachttheoriennichtmöglich.Auchempirischistnichtim-merdeutlichzulokalisieren,werMachtausübt(sieistoftubiquitär),werMachterleidet,obsieschonrealausgeübtwirdoder›nur‹latentvorhan-denist.Inderempirisch-analytischenDemokratieforschungwerdenu.a.FragendesMachtzugangs,desWechsels,derMachtbalanceund-kont-rollegestellt,sodassFachkonzeptewieInteressengruppen,WahlenoderÖffentlichkeitzurAnalysedienenkönnen.MedialeInszenierungenvonPolitikwerdenbeispielsweiseanalysiert,indemaufBourdieu(1977)zu-rückgegriffenwird.EruntersuchtSymbolstrukturenundidentifiziertdas»symbolischeKapital«alswichtigenMachtfaktor.SystemtheoretischeAn-sätzeentpersonalisierendasMachtkonzeptundsehenesalsSteuerungs-mediumähnlichdemGeld(Deutsch,1970)oderalsMediumdessozialenTausches,d.h.als»symbolischgeneralisiertesMediumderKommunika-tion« (Luhmann,1975,S.3).Macht ist somit einCode fürdie sozialeSteuerung.(Post-)StrukturalistischeAnsätzeentwickelneinmehrdimen-sionalesMachtkonzept,dasnebenmanifestenMachtbeziehungenweitere,weniger sichtbareStrukturenderMachteinbezieht.FoucaultanalysiertStrukturenderDiskurseundgesellschaftlichePraktiken, indenen sichvielfältige»Kräfteverhältnisse«ausdrücken(1977,S.113).Arendthinge-genbeziehtsichprimäraufpower to.SieunterscheidetAutorität,MachtundGewalt.AutoritätisthiereineEigenschafteinzelnerPersonen,Machthingegenhänge vonderFähigkeit ab, sichmit anderen zusammen zuschließen(power to).EineGruppemüsseMachtverleihen,jemandener-mächtigenbzw.entmachten.Gewalthabestattdesseneineninstrumentel-lenCharakter(diesentsprichtdempower over).SiehängevonWerkzeugenab.Dennochgibteseinenengen,nichtalleinsprachlichenBezugderpo-litischenGewaltzurpolitischenMacht:DieStaatsmachtberuhtauchaufGewalt (Arendt,1970,S.37).Auch in feministischenTheoriengibt eskeineeinheitlichenAnalysenvonMacht(Butler,2001).InempirischenAnalysenwirdz.B.MännlichkeitalsMerkmaldesHerrschaftsapparatesaufgefasstundpatriarchaleHerrschaftsstrukturenu.a.inderBürokratiekritisiert(Krweisky,1992).
FehlkonzepteIm Alltagsverständnis von power over werden vielfach die Ebenen ver-wechselt,indemMachtaufderpersönlichenBeziehungsebenemitMachtaufderpolitischenbzw.institutionellenEbenegleichgesetztwird.MachtwirdimAlltagzudemlandläufignegativkonnotiert,obwohlspätestensseit
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II. Basis- und Fachkonzepte
ArendtdasPositivedespower toumfassenddargestelltwurde.InSchulbü-chernwirddasFachkonzeptmeistentwedernurindirektalsOrdnungs-oderDurchsetzungsmacht thematisiert oder eswird auf dieWeberscheDefinitionzurückgegriffen,diedenWillenthematisiertunddeshalbzueinerpersonenzentriertenBetrachtungverleitet.DabeikommtdieAnaly-sederMachtinAkteurskonstellationenzukurz.DasKonzeptfehltindenStichwortverzeichnissenundGlossarendergängigenSchulbücher.
Vernetzung des FachkonzeptsAls politischesGrundphänomen inAkteurskonstellationen sollteMachtalsKomponente vielerThemen analysiertwerden, damit derFacetten-reichtumdesKonzeptssowieseinBeitragzumBasiskonzeptEntscheidungdeutlichwerden:Als(scheinbarer)Sachzwang,alsNorm,alssymbolischgeneralisiertesMediumderKommunikation,inFormvonUnterdrückungoderDiskriminierung,aberauchalsMachtzumAgenda-Setting.Alspoli-tischesKonzeptistMachtinderDemokratieengverknüpftmit›HerrschaftaufZeit‹, alsomitGewaltenteilungund-verschränkung sowieweiterenFachkonzepten,diezumBasiskonzeptOrdnunggehören.ImZusammen-hangmitdenFachkonzeptenFriedenundSicherheitkannesvordemHin-tergrunddesBasiskonzeptsGemeinwohl analysiertwerden. Interessant,unddasBasiskonzeptEntscheidungvertiefend,istzudemderMachtmiss-brauchinpolitischenSystemenwieDespotismus,TyranneioderDiktatur.
BeispielthemenFürdieGrundschulebietetessichan,Machtbegriff lichvonAutoritätundphysischerGewaltzutrennen.MittelderMachtundpower oversowiepowertosolltenz.B.aufdasHandelnderAkteureinlokalenoderinternationa-lenFragen(Spielplatzbau,Kriegsparteien)bezogensein.LegaleMachtalsHerrschaftsollteinderSekIinFormderGewaltenteilungund-verschrän-kung thematisiertwerden. InFallanalysenzuaktuellenEntscheidungenaufallenPolitikfeldernkönnendieMachtverhältnisseindenAkteurskon-stellationenrekonstruiertwerden.AuchFragenderMachtausübungzwi-schenStaatendurchVerhandlungsindzubearbeiten.InderSekIIkannMachtalsFaktorinpolitiktheoretischenBetrachtungengesehenwerden,z.B.imidealistischenAnsatzderinternationalenBeziehungen.
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5. Fachkonzepte Entscheidung
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Macht zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,internationaleBeziehungen
Entscheidung Interessengruppen,Konf likt,Wahlen
Gemeinwohl Frieden,Gleichheit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Macht
Schulstufen BegriffePrimarstufe Autorität,Gewalt,Führung,Gehorsam,Krieg,Verhandlung
SekundarstufeIHerrschaft,Akteure,Loyalität,Staatsgewalt,Bündnis,Einf luss,Beherrschung
SekundarstufeII Agenda-Setting,Kräfteverhältnis,Kooperation
5.6 Massenmedien
Essenz des FachkonzeptsMassenmedienvermittelndurchtechnischeVervielfältigungInformationenaneineVielzahlvonEmpfängern.SiedieneneinerMassenkommunikation,dieprinzipiellwederräumlichnochzeitlichbeschränktist.DieVerfassunggarantiertdenMedienMeinungs-undPressefreiheit(Art.5GG),diePoli-tiksorgtu.a.fürSchutzvorKartellen.PolitischeFunktionenerfüllendieMassenmediendurchdieihnenaufgetragenenAufgabenderInformations-undMeinungsbildungsowiedurchihreKritik-undKontrollfunktion.EineAngebotsvielfaltanMassenmediengewährleistetprinzipiellallenInteres-sengruppendenZugangzurÖffentlichkeitsowiedieRepräsentationvongesellschaftlicherPluralität(Außenpluralismus).Öffentlich-rechtlicheRa-dio-undFernsehsenderhabendenstaatlichenAuftrag,dieGrundversor-gung fürdieöffentlicheMeinungsbildungzu leistenundeinvielfältigesProgramm anzubieten (Innenpluralismus). Alle Medienanbieter werdenvonAufsichtsinstanzenkontrolliert(entsprechendderLandesmediengeset-ze,desJugendschutzesusw.)(Hachmeister,2008).HeutesindMassenmedi-enmehrheitlichinprivatwirtschaftlicherHand.ImRundfunkstaatsvertrag
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II. Basis- und Fachkonzepte
werdenfüralleBundesländereinheitlicheRegelungenfüröffentlich-recht-licheundprivateRundfunkanstaltenfestgelegt.
Politikwissenschaftliche VertiefungDasFachkonzeptMassenmedienistengmitdemBasiskonzeptEntschei-dungverknüpft,denndiePolitikbrauchtMassenmedienalsTrägerderöf-fentlichenMeinungundzurHerstellungvonÖffentlichkeit,insbesonderezurKommunikationvonpolitischenEntscheidungsprozessen.Die sozi-aleBedeutungöffentlicherMeinungsbildungsprozessewurdebereits im19.Jahrhundertbeschrieben(z.B.vonTocqueville).Nach1945wurdederAuf baudesdeutschenRundfunksalsstaatsunabhängigesSystementschei-dendvondenBesatzungsmächtenbestimmt(Kaase,2004,S.543).Infor-mationenüberPolitik solltendurcheinevondenpolitischenAkteurenunabhängige,regelmäßigeundzuverlässigeBerichterstattunggewährleis-tetwerden.DiefrühePhasederKommunikationswissenschaftistvonderWirkungsforschungundinsbesonderederLasswell-Formelgeprägt:»WersagtwasinwelchemKanalzuwemundmitwelcherWirkung?«(Lasswell,1964, S.37). SeitdemwurdenZusammenhänge vonMedienundPoli-tikzunehmendunterdemAspektbetrachtet,wiesiedurchgegenseitigeEinf lüsseRealitätverzerren.DieKommunikationkanndurchVorgabendesMediumshierarchisiert,verdichtet,manipulativodertrivialisiertsein.AuchkönnenMedien aufPolitik z.B. indirektEinf luss nehmendurchAgenda Setting(Eichhorn,1996)oderGatekeepingsowiedirektdurchKom-mentareoderSkandalisierungen.DiePolitikversuchtihrerseitsüberMas-senmedienEinf lussaufdieMeinungs-undWillensbildungderBürgerin-nenundBürgerzunehmen.WahlsoziologischeStudienführtenerstmalsinden1950erund1960er JahrendurchdieStudienvonLazarsfeld zur»TheseeinesüberMeinungsführer(opinion leaders)vermitteltenKommu-nikationsf lusses«(Kaase,2004,S.543).SeitdemsteigtdieBedeutungdesstrategischenKommunikationsmanagementspolitischerAkteure.HierzugehörenauchgezielteVerletzungeninstitutionellerRegelungenzumEr-haltvonAufmerksamkeit.DaMedienwiedasFernsehenkomplexepoliti-scheZusammenhängesichtbarinBildernpräsentieren(müssen),passtsichdiepräsentiertePolitikoftmalsmedialenFunktionslogikenanbzw.sym-bolisiertnurnochPolitik(Meyer,2001;auchSarcinelli,1998).
MassenmedienwiedasInternettragenmaßgeblichzurGlobalisierung,FlexibilisierungundBeschleunigungvonpolitischenundanderenArbeits-abläufenbei.ZudemwerdendirekteKommunikationzwischenBürger/
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5. Fachkonzepte Entscheidung
-innen und Regierungen (citizen empowerment) sowie Formen direkterDemokratie prinzipiellmöglich (z.B.Teledemokratie) (Lindner, 2005).DamitwirdauchdiepolitischeOrdnungberührt.ImSpannungsverhältniszuMassenmedienstehenMikromedien,dieinnerhalbdesInternetsentste-hen(z.B.Podcastsodersog.Social SoftwarewieBlogs).Beiihnenverschwim-mendieGrenzenzwischenöffentlichenundprivatenSphären.Auchver-stärkensiedieIndividualisierungderMassenkommunikation.
FehlkonzepteÜberdieWirkungvonMassenmedienaufdieBürger/-innengibtesun-terschiedlicheAussagen,indenmeistenUnterrichtsmaterialienwerdenje-dochfastnurnegativeWirkungendesMedienkonsumsbehandelt:ZumeinenihreverzerrendenDarstellungenvonPolitikwiez.B.Personalisie-rung,EmotionalisierungoderDramatisierung,zumanderen ihremani-pulativeKraftaufdieKonsumierenden.DiesführtbeiLehrendenhäufigzueinerÜberschätzungdieserWirkungenaufJugendliche.Nichtsdesto-trotzhältsichgleichzeitigdasVorurteil,dassinmittendieserManipula-tionendie»Tagesschau«nurWahresberichte.DesWeiterenfindensichinKerncurriculaEmpfehlungen,mitdemFachDeutschzusammenzuarbei-tenundbeispielsweisedieMediensprachezuanalysieren.DabeikommendiepolitischenFunktionenderMassenmedienzukurz.
Vernetzung des Fachkonzepts
DasFachkonzept Interessengruppen trägt zumKonzeptaufbaubei, dadievielfältigenPartikularinteresseninderGesellschaftmiteinanderkon-kurrierenundauchinKonf liktgeraten.IndemdiesindenMassenme-dienkommuniziertwird,f indenProzesseöffentlicherMeinungsbildungstatt.EngverknüpftistdasFachkonzeptMassenmediendaherauchmitdemderLegitimation.DieBildungderöffentlichenMeinung istTeildesdemokratischenLegitimationsprozesses, der vorderDurchsetzungvonEntscheidungennötig ist. Insofern sinddieFachkonzepteDemo-kratieundMachtfürdenKonzeptaufbauwichtig.ZurAbgrenzungvonöffentlicher und privater Meinung muss das Fachkonzept Öffentlich-keitbekanntsein.AufgrundderengenVerknüpfungenzudenanderenFachkonzeptenkannsich»Massenmedien«alsfachspezif ischesKonzepterstimLaufederSchuljahreherausbilden.Kenntnisseübermedienpoli-
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II. Basis- und Fachkonzepte
tischeund-ökonomischeStrukturenhelfen,FunktionenundWirkun-genvonMassenmedieneinzuschätzen.HierzuistdasFachkonzeptMarkthilfreich.
BeispielthemenSchoninderPrimarstufekanndamitbegonnenwerdenzulernen,poli-tischesKommunizierenmitbzw.indenMedienzudurchschauen,indemPerspektivenverschiedenerGruppenherausgefundenundkritischbewer-tetwerden.HierbefördertdieeigeneHerstellungmedialerInformationenunddaseigene(mediale)KommunizierendasVerstehen.InderSekun-darstufe I solltendieMediengesetze sowiedieFunktionenderMassen-medienfürdieDemokratieimUnterrichtthematisiertwerden.ZudemistesmitThemenzuFragenderLegitimationzuverknüpfen.FürdieSekun-darstufe IIbietet sichdasThema»Lebenwir ineinerMediendemokra-tie?«an.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Massenmedien zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie,Markt
EntscheidungInteressengruppen,Legitimation,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Massenmedien
Schulstufen BegriffePrimarstufe Kommunikation,Information,Nachricht
SekundarstufeIInteressen,Pressefreiheit,Datenschutz,Internet,Partizipation,Manipulation,Kommentar
SekundarstufeII Gate-Keeper,AgendaSetting,AgendaCutting
129
5. Fachkonzepte Entscheidung
5.7 Öffentlichkeit
Essenz des FachkonzeptsÖffentlichkeitmeintzumeinenungehinderteDebatten,DiskussionenundDiskurseüberdasGemeinwohlsowieüberpolitischeEntscheidungenbishin zur Kontrolle politischer Macht durch Transparenz. ÖffentlichkeitalsgrundlegendesdemokratischesPrinzip solldiepolitischeMeinungs-undWillensbildungfördernalsauchdieTrennungvonAmt(öffentlichenInteressen)undPerson(privatenInteressen)bewirken.Zumanderenbe-deutetÖffentlichkeitdieallgemeineundfreieZugänglichkeiteinesrea-lenodervirtuellenOrtesunddiedamitverbundenenMöglichkeitenzurInformation,KommunikationundBeteiligungamGeschehen.Esgibtdi-verseTeil-Öffentlichkeiten inderGesellschaft,aberauchinnerhalbvonOrganisationen,Unternehmenusw., die einenZugangoftmalsnur fürAngehörigebestimmterGruppenermöglichen.ÖffentlichkeitistalsKon-zeptkomplementärbezogenaufdenBegriffPrivatheit;siesinddichotomkonstruiert(Weintraub&Kumar,1997),aberinderPraxisoftmalsnichteindeutig zu trennen.DerBegriffkommtumgangssprachlichhäufig inKompositavor,beidenenderUnterschiedzumPrivatenalsdemNicht-Politischen,demPersönlichen,IntimenoderGeheimenbetontwerdensoll(z.B.öffentlicheMeinung).WelchegesellschaftlichenBereicheöffentlichundwelcheprivatsind,ergibtsichausTraditionen,kannaberpolitischneuentschiedenwerden.
Politikwissenschaftliche VertiefungDieDifferenzierungderSphärenÖffentlichkeitundPrivatheitermöglichtes,ProzessederzunehmendenVerrechtlichung–unddavonabhängenddenBereichbürgerlicherFreiheit – alsErgebnissepolitischerEntschei-dungsprozessezudeuten.DiesbegründetdieengeVerbindungdesFach-konzeptszumBasiskonzeptEntscheidung.DiepolitischeForderungnachÖffentlichkeitentstandim18.Jhd.,alsdasBürgertumdaspolitischeHan-delnderHerrschendenöffentlichdiskutierenundkommentierenwollte(Kleinsteuber,2005,S.628).DieTrennungvonÖffentlichkeitundPri-vatheitwirdkonstitutivfürdasSelbstverständnisdesliberalenVerfassungs-staats.Bisheuteführtdersoziale,kulturelleundtechnischeWandelderGesellschaftzueinemStrukturwandelderÖffentlichkeitundverändertje-
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II. Basis- und Fachkonzepte
weilsihrVerhältniszurPolitik.Habermas(1982)hatdensozialenWandelseitderAufklärunghistorischundsystematisch-theoretischrekonstruiert.FürihnistÖffentlichkeitdieVermittlungssphärezwischenstaatlichenRe-gelungenunddemPrivaten.DieserAnsatzwurdeweitgehendinnachfol-gendenTheorienübernommen.DasPrivatewirdzumLaboratoriumderöffentlichenMeinung,zurRessourcefürdenliberalenStaatoderaberzumindividuellenFreiheitsraum(Rorty,1989;dagegenRössler,2001).»Privat-heitistdiePerspektivedesSubjektsaufsichselbst,ausderessichfürdieFreiheitentscheidet,ThemennichtodernichtnachdenRegelndesÖf-fentlichenzukommunizieren«(Ritter,2008,S.115).
PartizipativeDemokratietheorien(z.B.Cohen&Arato,1992)sehenimKonzeptderÖffentlichkeitdenGarantderIntegrationinpolitischePro-zesse.EinschränkungenvonÖffentlichkeitkönntendieDemokratiebe-schädigen.HierzeigtsicheinengerBezugzumFachkonzeptOpposition,dieu.a.dieAufgabehat,pluralistischeVorstellungenzurFindungdesGe-meinwohlsöffentlichwerdenzulassen.NegtundKlugesehensogareineNotwendigkeitfür»Gegenöffentlichkeiten«(1972).MancheThemenwer-dennicht-öffentlich,wennsiez.B.denStatuseinesStaatsgeheimnisseser-halten.AberauchEinschränkungendesPrivatenwirkensichnegativaus,wennsiezumVerlustbürgerlicherFreiheitenführen(Sofsky,2007).
DieTrennunginöffentlicheundprivateOrtederGesellschaftmitun-terschiedlichenHandlungslogikenundihreZuweisungzuMännernundFrauenfestigtGeschlechtergrenzenalsHerrschaftsverhältnisse(Pateman,1989).DerSlogandererstenFrauenbewegung»DasPrivateistpolitisch«kritisiertinden1970erJahrendiepatriarchaleGrenzziehung.ObwohlesfrüheBeschreibungenderprivatenSphäregibt,z.B.alseinökonomischerBereich,derdemPolitischengegenübersteht(Arendt,1967),wirdderBe-griffPrivatheiterstinjüngsterZeitindernicht-feministischenPolitikwis-senschaftbeachtet.
FehlkonzepteFürdiepolitischundwirtschaftlichhandelndenSubjektesindÖffentlich-keitundPrivatheitnichtimmerklargetrennt.FehlverständnisseentstehendurchunklareDefinitionen, indem ›privat‹ zumeinenals ›nicht-öffent-lich‹,zumanderenals›nicht-staatlich‹charakterisiertwird.Fehlverständ-nissewerdenzudemdadurchgefördert,dasseinigegesellschaftlichePra-xenbestehendeGrenzenzwischenÖffentlichkeitundPrivatheitzuihremVorteilnutzenundz.B.KindererziehungalsprivateAngelegenheitbe-
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5. Fachkonzepte Entscheidung
zeichnen,diesomitindirektabgewertetwird.Fehlkonzepte,dieaufderUnkenntnisvonMechanismendesÖffentlichenbasieren,drückensichdesWeitereninderHaltungaus,dassderstaatlicheDatenzugriffdiePrivat-sphäreerfassenkönne,wennman»nichtszuverbergenhabe«.DasFach-konzept Öffentlichkeit kommt in Unterrichtsmaterialien nicht explizitvor.InKerncurriculawirdesmeistreduziertaufdieFähigkeit,sichanderÖffentlichkeitzubeteiligen.StetsfehltseinBezugzurPrivatheit.
Vernetzung des FachkonzeptsDasFachkonzeptDemokratiekannohnedieSphärenÖffentlichkeitundPrivatheitnichtverstandenwerden.Sietrennensozialesundpartizipato-rischesHandeln,dasimPrivatenbleibt,vompolitischenHandeln,dasaufdasGemeinwohl,aufMitbestimmungbzw.politischeEntscheidungenunddiepolitischeOrdnungalsHandlungsrahmenbezogenist.BeideSphärenfolgenunterschiedlichenHandlungslogikenundGeltungsansprüchenderKommunikationen.FragendesZugangszurÖffentlichkeitsindmitFach-konzeptenwieMachtoderMassenmedienengverknüpft.InheterogenenGesellschaftenbedeutetdie Integration indieÖffentlichkeitenzugleicheinUmgangmitPluralitätundDifferenzen,diedurchdieSubjekteindengesellschaftlichen (Teil-)Öffentlichkeitenrepräsentiertwerden. InsofernwerdenFachkonzeptewieGleichheit,GerechtigkeitoderFreiheiterstimZusammenhangmitÖffentlichkeitsinnvoll.ImZusammenhangmitdemFachkonzeptEuropäischeIntegrationverdeutlichtsichÖffentlichkeitalsSphäre,dieüberdiestaatlicheEbenehinausgeht.
BeispielthemenInderPrimarstufesolltendieBegriffeöffentlichundprivatanalltagsna-henBeispielenwiedemBriefgeheimnisoder»ThemenfürdenKlassenrat«geklärtwerden.DaspolitischeSpannungsverhältniszwischendemFach-konzeptÖffentlichkeitunddemPrivatenkanninderSekundarstufeIanThemenwieFamilien-,Bildungs-oderArbeitsmarktpolitik, aber auchSicherheitspolitik(z.B.biometrischeVermessungvonPersonen)illustriertwerden, sodassProzessederWillensbildung,dieEntscheidungensowiedieWillkürlichkeitderGrenzziehungendeutlichwerden.ZudemistdieGeschlechterzuordnungkritischherauszuarbeiten.InderSekundarstufeIIkönnendiezweiVerständnissevonÖffentlichkeitmitBlickaufdieinter-
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II. Basis- und Fachkonzepte
nationaleEbene thematisiertwerden: »GibteseineeuropäischeÖffent-lichkeit?«.
Übersicht 1: Bezüge des Fachkonzepts Öffentlichkeit zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie,Staat,europäischeIntegration
Entscheidung Macht,Massenmedien
Gemeinwohl Gleichheit,Gerechtigkeit,Freiheit
Übersicht 2: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Öffentlichkeit
Schulstufen BegriffePrimarstufe Zugang(Öffentlichkeit),Partizipation,Privatheit
SekundarstufeIKommunikation,Diskurs,öffentlicheMeinung,Transparenz,Offenheit,Medien,Geschlechtergerechtigkeit
SekundarstufeII Verrechtlichung
5.8 Opposition
Essenz des FachkonzeptsOppositionbedeutetimweitestenSinnedieMöglichkeiteinerpolitischenKraftzudenpolitischenMachthabernöffentlichGegenpositionenzube-ziehenund fürderenBeachtungundUnterstützungwerbenzukönnenmitdemZiel,selbstdieMachtzuübernehmen.»IneinempolitischenSys-temistdieRealisierbarkeitpolitischerFreiheitweitgehendbedingtdurchdieEntfaltungsmöglichkeitundRealisierbarkeitpolitischerOpposition«(Steffani,1978)unddieQualitäteinesdemokratischenParlamentszeigtsichandenSpielräumenunddenBeteiligungsmöglichkeiten,dieesderparlamentarischenOppositiongibt– zumaldiese imparlamentarischenRegierungssystemdereigentlicheGegenspielerderRegierungsparteienist(Schmidt,2007).DieOppositionbestehtauseinerodermehrerenPartei-en,dienichtdieRegierungsmehrheitbilden,dieseaber inKonkurrenz
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5. Fachkonzepte Entscheidung
mitanderenParteienanstreben,unddieimParlamentderRegierungundderbzw.densietragende/-nMehrheitsfraktion/-engegenüberstehen.DieWillensäußerungenderOpposition sindnieganzohneEinf luss aufdieRegierendenunddieRegierten.SiestellteineMachtdar,auchdawosienichtHerrschaftausübt.AlsständigeAlternativezurRegierungist»Op-positiondieRegierungvonmorgen«(CarloSchmid).
Politikwissenschaftliche VertiefungObwohldieOppositionanpolitischenEntscheidungeninderRegelnichtbeteiligtist,beziehtsichoppositionellesVerhaltenzentralaufdasBasiskon-zeptEntscheidung.ParlamentarischeOppositionhatdieAufgabe,andieöffentlicheMeinungzuappellierenundsiezumobilisieren,undprägtsodenpolitischenEntscheidungsprozess. InderPolitikwissenschaft domi-niertdieTypologieoppositionellenVerhaltens,dieWinfriedSteffanient-wickelthat.ErunterscheidetpolitischeOppositionnachderSystemin-tention,derWirkungsebeneundderAktionskonsistenz.HinsichtlichderSystemintentiondifferenzierterzwischen systemimmanenteroder loya-lerOppositionundfundamentalerodersystemkonträrerOpposition.EinesystemimmanenteOppositionakzeptiertdie fundamentalenGrundsätzederVerfassungsowiedieSpielregelnderpolitischenMeinungs-undWil-lensbildungdesKonf liktaustrages.EinesystemkonträreOppositionstelltdaspolitischeSystemprinzipiell inFrage,einschließlichder fundamen-talenVerfassungsgrundsätze.BezogenaufdieWirkungsebene sprichtervonOppositioninnerhalbundaußerhalbdesparlamentarischenRaumes.BezüglichderAktionskonsistenzwirdzwischensystematischerundsitu-ationsorientierterOppositionunterschieden.Währenddie systematischeOppositiongrundsätzlichund in allenAktivitäten, inderRegel durchAlternativprogrammeangeleitet,dieRegierungspolitiksystematischbe-kämpft,wendet sichderTypusder situationsorientiertenOpposition jenachSachlageundOpportunitätgegenbestimmteProgrammpunkteundVorhabenderRegierungundderRegierungsmehrheit.
InderpolitikwissenschaftlichenLiteraturwirdeineFüllevonOppo-sitionsfunktionenbeschrieben (Steffani,1978).DiewichtigsteFunktionder Opposition ist jedoch sicherlich die der Regierungskontrolle. Dasheißtallerdingsnicht,dassdiepolitischeMehrheitkeineKontrolleaus-übenwürde.IhreKontrollefindetjedocheherimVerborgenenstatt,umöffentlicherKritikanderRegierungzuvorzukommenundEinbußenihrereigenenMachtpositionvorzubeugen.DieOppositionkritisiertundkon-
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II. Basis- und Fachkonzepte
trolliertmöglichstöffentlichunddirektmitdemZiel,dieRegierungab-zulösen.Dabei lassensichdreiIntentionenderKontrolleunterscheiden.BeiderpolitischenRichtungskontrolleprüftdieOpposition,wieweitdasRegierungshandelndereneigenenpolitischenZielsetzungenentspricht.BeiderEffizienzkontrollegehtesumdieFrage,obdieRegierungzielad-äquateundwirksameMittelökonomischeinsetzt,unddurchdieRechts-kontrollewirdüberprüft,obsichdasRegierungshandelnimRahmendervorgegebenenRechtsnormenbewegt(Rudzio,2006,S.259ff ).AuchdieparlamentarischenKontrollrechteundKontrollinstrumentewerdenüber-durchschnittlichoftvonderOppositioneingesetzt.Siereichenu.a.vom»KonstruktivenMisstrauensvotum«überdieverschiedenen»Anfragen«biszum»Untersuchungsausschuss«.
FehlkonzepteKonf liktscheuundHarmoniebedürfnis,dieimmernochinderpolitischenKulturderBundesrepublikvorhandensind,wirkensichauchaufdieHal-tung zurOpposition aus.WirdKritik anbestimmtenProgrammpunk-tenodereinzelnenVorhabenderRegierungnochakzeptiert,trifftKritikineinemgrundlegendenSinne,diedasKonzeptdespolitischenGegnersprinzipiellinFragestelltundAlternativenaufzeigt,aufwenigerAkzep-tanz.SpurenderVorstellung,esseiAufgabederOpposition,dieRegie-rungzuunterstützen,findensichimmernoch,soinderVorhaltung,dieOppositionseiderewige»Neinsager«.EineweiterefalscheVorstellungistindemVorwurfzusehen,dieOppositionwürdenurredenundnichthan-deln.TatkräftigePolitikstehtdannbloßemRedengegenüber.Oppositio-nellesHandelnkannabernichtunmittelbaresHandeln sein.AlsAdres-sattrittimmerdieÖffentlichkeitauf,indermansichfüreinengünstigenAusgangspunktfürdienächsteWahlbemüht.EinanderesMissverständ-nis,das sichgelegentlich auch inwissenschaftlicherLiteratur findet, istdieVorstellung,dassaufGrunddesneuenDualismusdieKontrollfunk-tiondesParlamentsaufdieOppositionübergegangensei.Ausder»Fol-genlosigkeit«ihrerKritikwirddanninsgesamtaufeinenMachtverlustdesParlamentsgeschlossen.ZwarwerdendieparlamentarischenKontrollin-strumenteüberdurchschnittlichvonSeitenderparlamentarischenOppo-sitioneingesetzt,aberauchdieParlamentsmehrheitkontrolliert»ihreRe-gierung«.Dasheißt,dieRegierungistnichtnurinihrerAktionsfähigkeit,sondernauch in ihremBestandvomVertrauenderParlamentsmehrheitabhängig.
135
5. Fachkonzepte Entscheidung
Vernetzung des Fachkonzepts DieFachkonzepteOpposition,RegierungundParlamenthängeneben-soengzusammenwiedieFachkonzepteKonf likt,Parteien,Wahlen.Op-positionkannnurdannzurGeltunggelangen,wenneineoffeneKonf lik-taustragungalsGrundlagederPolitikanerkanntist.WelcheParteienzurRegierungsmehrheitundwelchezurOppositiongehören,istdasErgebnisvonWahlen.Dasheißtauch,dieparlamentarischeOppositionkannsichdamitaufeinenausdrücklichenWählerauftragberufen.AlsWiderpartzurRegierungundzurRegierungsmehrheitistdieOppositioneinElementderGewaltenteilungunddurchdieErfüllungihrerFunktionenträgtsiezurLegitimationdespolitischenSystemsbei.
BeispielthemenImPolitikunterrichtderSekundarstufenIundIIlässtsichvorallemnachdemSinnvonOppositionfragenunddemdahinterstehendenDemokra-tie-undParlamentarismusverständnis.OppositionkannweiterhinunterdemGesichtspunktvonInteressen,Konf liktverhaltenundMachtanaly-siertwerdensowiefürdieSekundarstufeIInachderzugrundeliegendenpolitischenTheorie,z.B.derPluralismustheorie,dieSteffanialseineThe-oriederOppositionbezeichnethat.DarüberhinauskannOppositionimZusammenhangmitpolitischenProzessenundPolitikinhaltenbeschrie-benunderschlossenwerden,umdieKomplexitätpolitischerWirklichkeiterfassenzukönnen.AbderSekundarstufeIbietensichThemenanwie:»DieOpposition– ewigeNeinsager?«, »DemokratieohneOpposition?«oder»DieBundesrepublikzwischenKonkurrenz-undKonkordanzdemo-kratie?«
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Opposition zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Repräsentation,Demokratie
EntscheidungParteien,Parlament,Regierung,Wahlen,Legitimation,Macht,Konf likt,Öffentlichkeit
Gemeinwohl Freiheit,Gleichheit
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II. Basis- und Fachkonzepte
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Opposition
Schulstufen Begriffe
SekundarstufeIVetospieler,neuerDualismus,Kontrollinstrumente,Kontroll-rechte,Kontrollfunktion,Kritikfunktion,Alternativfunktion
SekundarstufeII Minderheitenschutz,Pluralismustheorie
5.9 Parlament
Essenz des Fachkonzepts ParlamentesindallezurBeratungzusammentretendeKörperschaften,diezwischenRegierendenundExekutiveangesiedeltsindundeinenwesent-lichenTeildergesellschaftlichenInputsindaspolitischeSystemvermitteln.Parlamente ineinemengerenSinnesind»ausregelmäßigstattfindendenWahlenhervorgehendeKörperschaftenmitderAufgabederVolksvertre-tung.SiebestehenauseinerVielzahlanindividuellengleichberechtigtenRepräsentanten,dieübereinfreiesMandatverfügen«(Marschall,2005).SinddieWahlennichtnurregelmäßig,sondernauchfrei,allgemein,gleichundgeheim,sprechenwirvondemokratischenParlamenten.DerDeut-scheBundestagunddieLandesparlamentesind»demokratischeParlamen-te«unddieBundesrepublikeineparlamentarischeDemokratie.BeiUn-terschiedenimEinzelnenwerdeninderLiteraturvierHauptfunktionendesParlamentsgenannt:1.dieWahlfunktion,2.dieGesetzgebungsfunk-tion,3.dieKontrollfunktionund4.dieRepräsentations-undArtikula-tionsfunktion(Ismayr,2001).
Politikwissenschaftliche VertiefungDerBundestaggehörtzumBasiskonzeptEntscheidung.Alseinzigeszent-ralstaatlichesOrgan,dasdirektvomVolkgewähltwird,isterinherausra-genderWeisedemokratischlegitimiertundstehtimZentrumderInstitu-tionen,diepolitischesHandelnzuverbindlichenEntscheidungenführen.EntgegendemklassischenDualismus, indemdasParlament alsGanzesderRegierunggegenübersteht,hatsichimparlamentarischenSystemder
137
5. Fachkonzepte Entscheidung
Bundesrepublikein»NeuerDualismus«(Patzelt)durchgesetzt.RegierungundParlamentsmehrheitstehenineinerengenVerbindungundalsEin-heitderOppositiongegenüber.DieshatAuswirkungenaufdieFunktio-nenunddieFunktionserfüllung(Ismayr,2002).InnerhalbderWahlfunk-tionistesu.a.diezentraleAufgabedesBundestages,denBundeskanzlerzuwählen.DerBundestagkannwährendderWahlperiodeeinenKanzler-undRegierungswechselnurdurcheinkonstruktivesMisstrauensvotumherbeiführen,indemermitabsoluterMehrheiteinenneuenBundeskanz-lerwählt.BeiderBestellungoderbeiderEntlassungderBundesminister/-innenkannernichtmitentscheiden,obwohldiesedemParlamentverant-wortlichsind.ÜbereinRechtaufSelbstauf lösungverfügtderBundestagnicht.
Bei der Gesetzgebungsfunktion hat der Deutsche Bundestag Kon-kurrenzdurchdieRegierungunddenBundesrat.BeschränkungenderGesetzgebungsgewaltkönnendurchdasBundesverfassungsgerichtundaufLandesebenedurchdirektdemokratischeElementeerfolgen.
Der»neueDualismus«wirktsichbesondersstarkbeiderKontrollfunk-tiondesParlamentsaus.SowerdendieparlamentarischenKontrollrechteundinstitutionellenKontrollmittelüberwiegendvonderOppositionge-nutzt,währenddieParlamentsmehrheitdieRegierungeherim»Verborge-nen«kontrolliert.UnterderRepräsentations-undArtikulationsfunktionistdieAufgabederständigenSicherungderLegitimitätstaatlichenHan-delnsunterkommunikativenAspektenzuverstehen.ZurSicherungderArbeitsfähigkeithatderBundestagseineWillensbildungaufallenEbenenarbeitsteiligorganisiert.NebendenAusschüssensinddieeigentlichenpoli-tischenHandlungseinheitendieFraktionen.DemAbgeordnetenistnebenImmunität,undIndemnität,vorallemUnabhängigkeitgarantiert.UmdieEffizienzderParlamentsarbeitzusichern,istseineHandlungsfreiheitje-docherheblichvondenEntscheidungenderFraktionabhängig,auchwennesformalkeinenFraktionszwanggibt(Schüttemeyer,2002).Daseuropä-ischeParlamenthatseitseinerGründung(1952)seineKompetenzenzwarmehrmalserweitert,dennochbesitztesimmernochwenigerEinf lussalsdienationalenParlamente.
ParlamentskritikbeziehtsichaufdiestrukturelleAsymmetriezwischenRegierung/ParlamentsmehrheitundOppositionaufdieÜberbetonungdesRepräsentationsprinzips.
ReformvorschlägebeziehensichaufdieStärkungderOppositionsowiedeseinzelnenAbgeordneten,aufdieRevitalisierungdesParlamentsdurchdieEinführungdirektdemokratischerElemente(Marshall,2005)undaufeuropäischerEbeneaufdieStärkungdesParlaments.
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II. Basis- und Fachkonzepte
FehlkonzepteDasParlamentgehörtzudenpolitischenInstitutionen,derenFunktions-logikoffensichtlichnurschwerzuverstehenist.DienormativenVorstel-lungen von dem, was ein Parlament wie tun sollte, sind häufig unzu-treffend oder wenig realitätsgerecht. Eine Folge davon sind Konf liktezwischenden tatsächlichenFunktionsweisendesparlamentarischenSys-temsundjenenVorstellungen,nachdenendieBürger/-innen,aberauchhäufigdieMedien,beurteilen,obdasSystemfunktioniert.FalscheVor-stellungenbeziehensichu.a.aufden»NeuenDualismus«,aufdieArbeits-weisedesBundestages,insbesondereaufdieFunktionunddieBedeutungdesPlenums.HäufigfindetsichauchdieVorstellung,dieRepräsentations-funktionbedeute,dasParlamenthabespiegelbildlichdieSozialstrukturderBevölkerungwiederzugebenunddieFraktionsdisziplin,diefürdasFunk-tionierendesParlamentszentralist,wirdweitgehendnegativbewertet.
Vernetzung des FachkonzeptsDasParlamentstehtmitfastallenanderenFachkonzepteninengerVer-bindung.Besondersnah stehtesdemFachkonzeptWahlen.ZumeinengehtdasParlamentausWahlenhervor,zumanderenhatesselbsteineRei-hevonWahlfunktionen.DieFachkonzepteRegierungundOppositionsindnurimZusammenhangmitdemParlamentzuverstehen.DieBezie-hungzudenParteienistsoeng,dassmanvondenklassischenParlaments-parteien spricht,undderTatbestand,dass etwa1800 InteressengruppenbeimBundestagoffiziellangemeldetsind,verweistaufdasFachkonzeptInteressengruppen. Ähnliches gilt für Gewaltenteilung, RepräsentationundDemokratie.AberauchÖffentlichkeit,MachtundKonf liktprägendasFachkonzeptParlament.
BeispielthemenDieGrundideedesParlamentskannschoninderPrimarstufebehandeltwerden,z.B.imZusammenhanggemeinsamerEntscheidungenoderbeiderWahldesKlassenrats.AuchderSinnunddieAufgabenvonKinder-parlamentenkannimUnterrichtbehandeltwerden.
InderSek.IbietensichzunächstdieAuseinandersetzungmitdemGe-meinderatan,dessenFunktionslogikhäufigleichterzuverstehenist,und
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5. Fachkonzepte Entscheidung
erst danndieErarbeitungdesBundestages.Themenkönnten z.B. sein»Schwächtder›NeueDualismus‹dasParlament?«oder»DerBundestag–zwischenTransparenz,PartizipationundEffizienz«.FürdieSek.IIkön-nenergänzendParlamentarismuskritik,VorschlägezurParlamentsreformsowieErgebnissedervergleichendenParlamentarismusforschungbehan-deltwerden.AuchFunktionsveränderungenundFunktionsverluste desBundestagesalsFolgedereuropäischenIntegrationunddieparlamentari-scheDemokratiejenseitsdesNationalstaatessindinteressanteThemenfürdenUnterrichtindiesenKlassenstufen,z.B.»DasParlament.Hauptverlie-rerdereuropäischenIntegration?«
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Parlament zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Repräsentation,Demokratie
EntscheidungParteien,Interessengruppen,Regierung,Opposition,Wahlen,Öffentlichkeit,Legitimation,Macht,Konf likt,europäischeAkteure
Gemeinwohl Freiheit,Gleichheit,Nachhaltigkeit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Parlament
Schulstufen BegriffePrimarstufe Abstimmung,Partizipation,Gemeinderat
SekundarstufeI
KonstruktivesMisstrauensvotum,Vertrauensfrage,Gesetzgebungsprozess,Anfragen,Fragestunde,Ausschüsse,Fraktion,Bundestag,Bundesrat,Bundestagspräsident/-in,Kommissionen
SekundarstufeII Funktionsveränderungen
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II. Basis- und Fachkonzepte
5.10 Parteien
Essenz des Fachkonzepts
Parteien sind intermediäreOrganisationen zwischenpolitisch-adminis-trativemSystemundGesellschaft. Sienehmendivergierende InteressenausderGesellschaftauf,aggregierenundorganisierensie,umsiemitdemAnspruch,allgemeineInteressenzusein,indiepolitischenEntscheidungs-organezuvermitteln.UmgekehrtbegründensiediedortgetroffenenEnt-scheidungengegenüberderBevölkerungundtragensozurLegitimationdespolitischenSystemsinsgesamtbei.
ParteienspiegelnpolitischinstitutionelleTraditionenwiderundreagie-ren organisatorisch und programmatisch auf gesellschaftlichenWandel.DieskannzuParteispaltungen,zuneuenParteien(Harmel&Janda,1994;Gunter,2002),zuneuenParteitypenundzueinerAusdifferenzierungdesParteiensystemsführen.DaParteieninihrerGestaltwieinihrenHand-lungs-undAusdrucksmöglichkeitendurchdie jeweiligengesellschaftli-chenundinstitutionellenVerhältnissesowiedenCharakterdespolitischenSystemsbestimmtwerdenundumgekehrtaufdiesezurückwirken,lassensie sich sinnvollnurunterBerücksichtigungdes jeweiligenhistorischenundsystematischenKontextesanalysieren.
Politikwissenschaftliche VertiefungDasFachkonzeptParteienist imBasiskonzeptEntscheidungangesiedelt.InderBundesrepublikwirkensieander»BildungdespolitischenWillensdesVolkesaufallenGebieten«(Art.21GG)mit.SiesindinbesondererWeiseprivilegiert (Parteienprivileg),d.h. siedürfenwegen ihrerpoliti-schenBetätigungnichtverfolgtoderbenachteiligtwerden,undverfas-sungsfeindlicheParteienkönnennurnacheinemkompliziertenAntrags-verfahrendurchdasBundesverfassungsgerichtverbotenwerden.
Parteienwerden inderBundesrepublik staatlich alimentiert,d.h. siewerdenausdenLandeshaushaltenoderausdemBundeshaushaltteilfinan-ziert.DiePolitikwissenschaft, insbesonderediepolitischeSoziologiehateineAnzahlvonunterschiedlichenFunktionskatalogenbezogenaufdieParteienformuliert.BeiallenUnterschiedenimEinzelnenscheinenfol-gendevierFunktionenalswesentlichzugelten.
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5. Fachkonzepte Entscheidung
1. Selektionsfunktion:DurchdieParteienfindeteineRekrutierungundAuswahlderpolitischenElitenaufallenEbenenstatt.
2.Mediatisierungsfunktion:ParteiensindVertretervonpartikularenIn-teressen,dieinderGesellschaftangelegtsindunddiesieinAuseinan-dersetzungmitanderenParteienindenpolitischenEntscheidungspro-zesseinspeisenunddiesieaufdieseWeiserealisierenwollen.
3.Integrations-undAggregationsfunktion:Parteienbemühen sich,ge-genläufigeoderwiderstreitendeInteressenverschiedenergesellschaftli-cherGruppen,dieaußerhalbwieinnerhalbderParteienorganisiertseinkönnen,auszugleichen,zubündeln,zwischenihnenKompromissezufindenundsoeineeigene»parteiliche«Positionzuformulieren.
4.FunktionderFriedensstiftung:IndemdieParteiendieobengenanntenFunktionenwahrnehmen,tragensiegleichzeitigzuminnergesellschaft-lichenFriedenbei.
InderParteienforschung lassen sichheute folgendeAnsätzeunterschei-den.ErfahrungswissenschaftlicheAnsätzeanalysierendieOrganisations-beschaffenheitvonParteiensowieihreInteraktionundihreBeziehungenimgesellschaftlichenKontext.DieOrganisationstheorieuntersuchtunter-schiedlicheParteitypen,ihreinnereStrukturundihrepolitischeEffizienz.DiemoderneParteienforschung,diesichinden1960erJahreentwickelthat, ist systemtheoretisch inspiriert und untersucht die FunktionsweisevonParteienunterBerücksichtigunggesellschaftlicherBestimmungsfak-torenundihrenBeitragfürübergeordneteSystemerfordernisse( Jun,Hass&Niedermayer,2008).PostmoderneAnsätze sindhandlungstheoretischundkonstruktivistischbeeinf lusst.SiebetonendenEigensinnvonPar-teiengegenüberihrerUmwelt.»ParteimitgliederdefinierenimRahmenvonHandlungsschrankenundChancenstrukturenschöpferischselbst,wasUmweltist,undverständigensichuntereinander,wiesiedaraufreagierensollen«(Wiesendahl,2005,S.668).DerWandelvonParteienunddieEnt-stehungneuerParteien sindGegenstandvon soziologischenWertewan-del-undCleavagestheoriensowievonwettbewerbstheoretischenAnsät-zen(Catch-all-Strategien).
Fehlkonzepte
Obwohl in den Sozialwissenschaften – trotz einer Fülle an Kritik imEinzelnen – ein positives Verständnis von Parteien vorherrscht, ist dieEinstellungderÖffentlichkeitundderMedienzudenParteienheutewie-
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II. Basis- und Fachkonzepte
derüberwiegendnegativ.DieshatinDeutschlandseitderWeimarerRe-publik (Antiparteienaffekt)Tradition.Parteienverdrossenheit alsgängigesPolitikbildkannimUnterrichtunbeabsichtigtverstärktwerden,indemPar-teienüberwiegendimZusammenhangvonParteiversagen,KrisedesPar-teiensystems,KorruptionsanfälligkeitvonParteipolitikern,ManipulationvonWähler/-innenbehandeltwerden.IndiesemZusammenhangentstehthäufigeinweiteresFehlkonzeptvonParteien,dieVorstellung von ihrerAllmacht.DassParteiensichgegenseitigkontrollieren,durchstaatlicheIn-stitutionenkontrolliertwerden,wirdseltenerbehandeltebensowiedieAs-pektedesWandels,desEinf lussesderPräferenzenderWähler/-innensowiederParteiorganisationen.VernachlässigtwerdenauchhäufigdieLeistungenderParteienimHinblickaufKonf likt-undKonsensbildungundbeiderMeinungs-undWillensbildung.Auch ihreLeistungen fürdie StabilitätderDemokratieundfürdieGestaltunggesellschaftlichenWandelswerdenkaumbehandelt.DasZusammenwirkenvonFraktionen,RegierungundOppositionwirdinRichtlinien/KerncurriculanichtimKontextderPar-teienbeschrieben.
Vernetzung des FachkonzeptsEin angemessenesVerständnis des FachkonzeptsParteien istVorausset-zungfürdieFachkonzepteDemokratie,Gewaltenteilung,Repräsentation,MarktausdemBasiskonzeptOrdnung.ImBasiskonzeptEntscheidungistesmitallenFachkonzeptenverbundenundimBasiskonzeptGemeinwohlstehtesinengerVerbindungzudenFachkonzeptenGerechtigkeit,öffent-licheGüterundNachhaltigkeit.
BeispielthemenUmdasFachkonzeptinderPrimarstufezubehandeln,eignetsichdasThe-maWahlkampf.DieParteienkonkurrenzunddieRepräsentationsfunktionsindbereitsGrundschüler/-innenüberdieMedienunddieWahlwerbungbekanntundaufallenEbenenderPolitik(Lokal-,Landes-,Bundes-undEuropaebene)vermittelbar.InderSek.IsinddieParteienselbstThema.HiergehtesumFragenderKoalitions-undRegierungsbildung,umdasParteiengesetz,ParteitypenunddieFunktionenvonParteien.SchonhierkönnenFehlkonzepteangesprochenwerdenz.B.mitThemenwie:Ver-ursachervonParteienverdrossenheit:DieParteienselbstoderFehlkonzep-
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5. Fachkonzepte Entscheidung
tevonihnen.DieBedeutungderWählerpräferenzenfürdieEntwicklungderParteienisteinwichtigerGegenstandsbereichdesUnterrichtsebensowiedieProgrammangebotederParteienaufdenPolitikfeldern,indenenüberEntscheidungendiskutiertwird(Aktualität).InderSek.IIkönnenFragen des Wandels von Parteiensystemen, Veränderungen von gesell-schaftlichenKonf liktstrukturen,ParteientheorienundErgebnissederPar-teienforschungbehandeltwerden.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Parteien zu Basis- und Fach kon zepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Repräsentation,Demokratie,Markt
EntscheidungInteressengruppen,Massenmedien,Parlament,Regierung,Opposition,Wahlen,Legitimation,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt
Gemeinwohl Gerechtigkeit,öffentlicheGüter,Nachhaltigkeit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Parteien
Schulstufen BegriffePrimarstufe Interessen,Wähler/-innen,Wahlkampf
SekundarstufeIWählerpräferenzen,PolitischeWillensbildung,Koalitionsbildung,Regierungsbildung
SekundarstufeII Programme,Catch-all-Strategie
5.11 Regierung
Essenz des Fachkonzepts RegierungistdieInstitutioninnerhalbeinesfunktionierendenpolitischenSystems,die–»durchInformation,Koordination,PlanungundEntschei-dung,Mittelbeschaffung,OrganisationundKonsensbeschaffung–dieum-fassendeFührungsrolleausübtundder–beidichterRückkoppelungmitden Regierten, hinlänglicher Leistung und glaubwürdiger Begründung
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II. Basis- und Fachkonzepte
ihresTuns–auch legitimerweisedieGesamtleitungaller staatlichenTä-tigkeitzukommt«(Patzelt,2007).Regierungistsosehrvielmehralsblo-ße»Exekutive«,welchedieVorgabeeineranderenInstitution,etwaeinergesetzgebenden Körperschaft, der »Legislative« exekutiert. Allerdings istRegierunggestaltendeMachtnurimRahmenvonVerfassung,geltendemRechtundaufderGrundlagevonGesetzen,die sie selbstnichterlassenkannunddiesieselbstnichtzuihreneigenenZweckenumformulierendarf.
Politikwissenschaftliche VertiefungRegierungundRegierenalspolitischesHandelnundRegierungsfähigkeitimSinnevonProblemlösungsfähigkeitlassensichnurimZusammenhangvonpolitischenundgesellschaftlichenEntscheidungsstrukturenundderenWandelerfassen.DurchihreEinbindungindengesamtenWillensbildungs-undEntscheidungsprozessstehtRegierungineinemengenZusammenhangzumBasiskonzeptEntscheidung.InderPolitikwissenschaftfindensichun-terschiedlicheVersuche,denBegriffdesRegierenszuerfassen.DieinderaristotelischenTraditionstehendePolitikwissenschaftdiskutiert»Regieren«vorallemimZusammenhangmitdemProblemeinergutenOrdnung.DiepolitikwissenschaftlicheRegierungslehreder1960erJahreversuchte»Re-gieren«inpolitisch-philosophischerRef lexionoderalsempirischeRegie-rungsforschungneuzuerschließen(Murswieck,1995).Inden1970erJah-renwurdendieunterschiedlichenAspektedesRegierensaufderGrundlagedesdreidimensionalenPolitikverständnissesinderinstitutionellen,prozes-sualenundinhaltlichenDimensionzusammengefügt.InderzweitenHälf-teder1970erJahreprägtendieDiskussionüber»Regieren«vorallemdieBegriffe»Regierbarkeit«und»Unregierbarkeit«,indensicheinevonrechtswielinkszufindendeKritikanvermeintlichdemokratietypischenStruktur-problemenderpolitischenWillensbildungundEntscheidungindenmoder-nenIndustriegesellschaftenzusammenfanden.AktuellbestimmenProblemewiedieAbnahmestaatlicherSouveränität,derWandelunddasWachstumöffentlicherAufgabendieDiskussionumdieSteuerungs-undHandlungs-fähigkeitderRegierung.InjüngsterZeithabensichsowohlpolitik-undverwaltungswissenschaftliche Ansätze zu ›Policy-Management-Strategien‹entwickelt,dieganzpragmatischdieRegierungsorganisationindenBlicknehmen,sowiekomparativeAnsätze,dieimRahmendesneuenBegriffsvon›Governance‹Ordnungs-undProzessstrukturenstaatlicherundgesell-schaftlicherVerf lechtungundderenAuswirkungenaufdasRegierenunter-suchen(Murswieck,1995).VordemHintergrunddereuropäischenIntegra-
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5. Fachkonzepte Entscheidung
tionundangesichtsinternationalerundsupranationalerVerf lechtungenistesüberhauptschwierig,deninstitutionellenOrtder»Regierung«zulokalisie-ren.»RegierenohneRegierung«weistdaraufhin,dassRegierungzunächsteinmaleinProzessist.»ImeinfachstenFallprägenihnnurGrundsätze,diedasZielunddiegrundlegendenFormendiesesProzessesbeschreiben,fer-nerRegeln,welchedieRechteundPf lichtender imRegierungsprozesszusammenwirkendenAkteurebeschreiben,sowieVerfahrenderDurchset-zungallgemeinverbindlicherRegelnundEntscheidungen,aufwelchesichdiepolitischenAkteureeinstweilengeeinigthaben«(Patzelt,2007).
Fehlkonzepte
Schaubild 3: Vernetzung des Fachkonzepts Regierung
DemBürgeroderderBürgerinbegegnetPolitikvorallemdurchdieMe-dien.HierbeisindesimWesentlichenRegierungen,diealshandelndeAk-teurewahrgenommenwerden.PolitikwirddurchdieMedienüberwie-
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II. Basis- und Fachkonzepte
gendalsRegierungshandelnvermittelt.StimmtRegierungshandelnnichtmitdenErwartungenderBevölkerungüberein,wächstdieDistanzzwi-schenbeidenundkannzurPolitikverdrossenheitführen.Dieseberuhthäu-figaufeinemFehlverständnisvondenAufgabenundMöglichkeitenderRegierungimpolitischenSystem,dieeinemangemessenenVerständnisvonPolitikimWegestehen.DazugehörtdieVorstellung,dassderStaatmitsei-nenInstitutionenüberdemStreitderParteien,überPolitikundParteipo-litikstehenwürde.DamitverbindetsichdieIdee,dasseseineArtunpoli-tische,reinsachlicheAmtsverwaltunggebenkönne.Regierungsolldanngute, sachlich richtigeEntscheidungen treffen.AuchüberdieMöglich-keitenderBundeskanzlerin/desBundeskanzlersfindensichunangemesse-neDenk-undVorstellungsmuster.DerKanzler/dieKanzlerinsollregierenundnichtsovieltaktieren,reden,»aussitzen«usw.DazugehörtauchdieErwartung–diehäufigdurchdieMediengefördertwird–dieKanzlerin/derKanzlermüsseendlicheinMachtwortsprechen,durchEntscheidungeineDiskussionbeendenusw.SolcheErwartungenwerdenregelmäßigmitdemHinweisaufdieRichtlinienkompetenzgerechtfertigt.DieRichtlini-enkompetenzistjedochinderPraxis,insbesondereinKoalitionsregierun-gen,sogutwiebedeutungslos.AuchdieRegierungalsbloße»Exekutive«zusehen,wirdderKomplexitätdieserInstitutionnichtgerecht.
Vernetzung des FachkonzeptsRegierung,Opposition,ParlamentundParteiensinddieFachkonzepte,dieineinembesondersengenZusammenhangstehen.DieRegierungistdasErgebnisvonWahlenundalsExekutiveElementderhorizontalenGewal-tenteilung. Machterwerb und Machterhalt sind Voraussetzungen jedesRegierungshandelns.DieRegierungistderwichtigsteAkteurimpoliti-schenEntscheidungsprozess,derstetsdurchKonf liktegeprägtist.Entschei-dungenmüssenmehrheitsfähigseinundmüssenvonderMehrheitgetra-genwerden,umalslegitimangesehenundbefolgtzuwerdenundumdenAnsprucherhebenzukönnen,Gemeinwohla posteriorizusein.DazugehörtauchdieOrientierungamKonzeptderNachhaltigkeit.ImpolitischenSys-temderBundesrepublikDeutschlandwirdzurExekutiveRegierungundVerwaltunggerechnet,diezusammendieStaatsorganisationprägenunddamitaufdasFachkonzeptStaatverweisen.Regierungshandelnwirdzu-nehmenduntereuropäischenVorzeichenundunterinternationalenBedin-gungengesehen,wodurchsicheineengeVerbindungzudenFachkonzep-teneuropäischeAkteureundinternationaleBeziehungenergibt.
147
5. Fachkonzepte Entscheidung
BeispielthemenRegierungistwenigereinThemafürdiePrimarstufe.InderSek.Iund IIsollten auf derGrundlage desPolitikzyklus undmit besonderemBlickauf den Akteur Regierung, Funktionen, Handlungsmöglichkeiten undHandlungsrestriktionenusw.herausgearbeitetwerdenz.B.indemThe-ma: »Richtliniekompetenz: Machtgrundlage des Bundeskanzlers?«. EinweitererZugangzumInhaltRegierunglässtsichüberdenRegierungs-stildereinzelnenKanzler/-innenfinden:»EinKanzler–einStil?«DabeigehtesnichtumdiePersonalisierungvonPolitik,sondernumdieAna-lyse,wieregiertwirdundinwieweitpolitischeEntscheidungenvondenjeweiligenPersonenundderArt ihrerFührungabhängigsind.AlsGe-genstandderaktuellenpolitikwissenschaftlichenRegierungs-undExeku-tivforschungeignetsicheinsolchesVorgeheninsbesonderefürdieSek.II.FürdieseKlassenstufekannauchzusätzlicheineAuseinandersetzungmitRegierungshandelnunterdenBedingungendereuropäischenIntegrationundderGlobalisierungerfolgenu.a.überdasThema:»BrauchtDeutsch-landeinenEuropaminister?«
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Regierung zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte Fachkonzepte
OrdnungGewaltenteilung,Demokratie,Staat,internationaleBeziehungen
EntscheidungParteien,Parlament,Opposition,Legitimation,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt,europäischeAkteure
Gemeinwohl Nachhaltigkeit,Gerechtigkeit,öffentlicheGüter
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Regierung
Schulstufen Begriffe
SekundarstufeIBundeskanzler/-in,Vertrauensfrage,Minister/-in,Kabinett,Führung
SekundarstufeII Amt,Steuerung,Governance,Verwaltung
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II. Basis- und Fachkonzepte
5.12 Wahlen
Essenz des FachkonzeptsWahlensindeinMittelzurBildungvonKörperschaften(z.B.Parlamen-te)oderzurBestellungvonPersoneninÄmter.ZuWahlengehöreninderRegelvorherfestgelegte,spezifischeVerfahrenz.B.überdieFrage,werwahlberechtigtist,überdieArtundWeise,wiedieStimmenabgegebenwerden,nachwelchenVerfahrendieStimmengezähltwerden,wiederWahlprozesskontrolliertwirdusw.EchteWahlenliegendannvor,wennzwischen echtenAlternativen,Programmenund/oderKandidaten ent-schiedenwerdenkann.Wahlenhaben inderDemokratieeineVielzahlvonFunktionen:Sie legitimierendaspolitischeSystem (Legitimations-funktion),sieermöglichendurchperiodischeWahlbzw.Abwahlderpo-litischenEntscheidungsträgerderenKontrolle(Kontrollfunktion),siedie-nenderRepräsentationderunterschiedlichenMeinungenundInteressenderWählerschaft(Repräsentationsfunktion),siemobilisierendieWähler-schaft fürpolitischeZiele,ProgrammeundLösungsvorschläge (Artiku-lationsfunktion); sie integrierendengesellschaftlichenPluralismusdurchdieBildungeinesaktionsfähigenMehrheitswillensunddurchdieKanali-sierungpolitischerKonf liktezuihrerfriedlichenBeilegung(Integrations-funktion);sieentscheidenüberMehrheitundMinderheit,überRegierungundOpposition (Regierungsbildungsfunktion); sieermöglichenMacht-verschiebungen bis hin zumMachtwechsel (Machtverteilungsfunktion)(Nohlen,2009).
Wie diese Funktionenkonkretwahrgenommenwerden, hängt auchvondem jeweiligenWahlsystemab.DiegrundlegendeUnterscheidungvonWahlsystemenistdieinMehrheits-undVerhältniswahlsystem.BeimVerhältniswahlsystem entspricht die Zusammensetzung des ParlamentsdemVerhältnis der abgegebenenStimmen.BeimMehrheitswahlsystemsetzt sichdasParlament ausdenVertreterinnenundVertretern zusam-men,die einenWahlkreismit relativerMehrheit (»relativesMehrheits-wahlrecht«)odermitabsoluterMehrheit (absolutesMehrheitswahlrecht«– ggf.mit Stichwahl) gewonnenhaben.Zwar lassen sichWahlsystemeimmer einemdieser beidenTypen zuordnen, inderPraxis finden sichjedochvieleAusnahmen im Einzelnen.AlsVorteildesMehrheitswahl-systemswirdu.a.gesehen,dassesinderRegeleinestabileRegierungsbil-dungermöglichtundderWählereinenklarerenZusammenhangzwischenStimmabgabeundWahlergebniserkennenkann.DasVerhältniswahlsys-
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5. Fachkonzepte Entscheidung
temerschwerteinerseitsdieRegierungsbildungdurchParteiendifferen-zierung,andererseitsermöglichtesinderRegeldieRepräsentationvielerMeinungenundInteressenimParlament(Schmidt,2007).
Politikwissenschaftliche VertiefungWahlen sinddiewichtigsteFormder politischenBeteiligungderBür-gerinnenundBürgerampolitischenEntscheidungsprozess.AlleanderenPartizipationsformensindmiteinemdeutlichhöherenAufwandanZeitundEngagementverbundenundtendierendazu,sozialSchwachezube-nachteiligen.WahlenverbindeteineengeBeziehungzumBasiskonzeptEntscheidung.InderBundesrepublik istdasWahlrecht imGrundgesetznur ineinersehrallgemeinenFormverankert.DanachmüssendiePar-lamenteaus allgemeinen,unmittelbaren, freien,gleichenundgeheimenWahlenhervorgehen.DasWahlsystemzumBundestagisteinSystemderVerhältniswahl.AllerdingswerdennurdieHälftederAbgeordnetenüberdieLandeslistenderParteiengewählt,dieandereHälfte inEinzelwahl-kreisenmiteinfacherMehrheit(Schmidt,2007).
BeiWahleninderDemokratiesinddieParteienvonzentralerBedeu-tung.SiehabenfaktischdasMonopolbeiderKandidatenauswahl.AuchimWahlkampfdominierendieParteien.SiewerbenumdieZustimmungderBürger/-innenzuPersonenundProgrammen.IndenletztenJahrenhabenprogrammatischeAspekte anBedeutungverloren.PersonenundvorallemeinemediengerechtePolitikdarstellungstehenimVordergrund(Sarcinelli,2009;Schoen,2005).
WahlforschungistmultidisziplinärundumfasstdasgesamteSpektrumderSozialwissenschaften.Rechts-undPolitikwissenschaftenbeschäftigensichmitderAnalysedesWahlrechtsunddesWahlprozesses,Kommunika-tions-undSozialisationsforschunganalysierendieRollederMedienundWahlenalsAktderKommunikationundderPolitikvermittlung.Politi-schePsychologieundpolitischeSoziologieuntersuchendasWählerver-halten(Falter,2005;Schultze,2009).DieWahlsoziologiebefasstsichmitderErklärungundderPrognosevon individuellenWählerentscheidun-gen,derVerteilungderPartei-,Kandidaten-undSachpräferenzeninderWählerschaft.UnterschiedenwerdendabeistrukturelleundsituativeDe-terminanten.
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II. Basis- und Fachkonzepte
Fehlkonzepte ObwohleineDemokratieohneWahlennichtdenkbarist,findetsichkaumeinBereichderPolitik,dermitsovielenVorurteilenundproblematischenErwartungenverknüpft ist,wiedasThemaWahlen.Dasbeginnt schonmitderVorstellung,dassessichnichtlohne,zuwählen.Allein,dassWah-lenregelmäßigstattfinden,hatzurFolge,dassdiepolitischenAkteuresieständiginihrenEntscheidungenantizipatorischberücksichtigen.DarüberhinaussindWahlen,auchwennsienichtimmerdieMachtverteilungver-ändern,alsförmlicherAktderLegitimationderRepräsentativorganeunddieRückbildung andieWillensbildungderBürger/-innenunverzicht-bar.DieBehauptung»jedeStimmezählt«fördertdagegendieIllusionunddasMissverständnis,derEinzelnekönnedieMachtverteilungverändern.Richtigmüssteesheißen»JedeStimmezähltgenausovielwiejedeande-reStimme.«
Wahlkämpfe,geradeinihrermodernenForm,sindzunehmendGegen-standmoralisierenderKritik.DiehäufiganzutreffendenegativeEinstel-lungzuKonf liktenwirdauchaufdenWahlkampfübertragen.Wahlenaberohne»Kampf«umdieWählerstimmensindundenkbar.
Vernetzung des FachkonzeptsWahlenlassensichmiteinerVielzahlvonFachkonzeptenverbinden:MitDemokratie,Parteien,Parlament,Regierung,OppositionundLegitima-tion.UnterdemAspektdesWahlkampfesistdieNähezumFachkonzeptMacht,Konf likt,ÖffentlichkeitundMassenmedienbesondersgroß.DieWahlgrundsätzestelleneinenBezugzudenFachkonzeptenFreiheitundGleichheither.
BeispielthemenWahlenkönnenschoninderGrundschulebehandeltwerden.AmBeispielderKlassensprecherwahlundderWahldesKlassenrates, lassensichvie-leAspektevonWahlenbehandeln,dieauchaufdieEbenedespolitischenSystemsübertragenwerdenkönnen.
WahleninderSekundarstufeIsollteninihrerprinzipiellenBedeutungfürdieDemokratieunddermoderneWahlkampfimZusammenhangmitMediendemokratieanalysiertwerden.Themenkönntenu.a.sein:»Wah-
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6. Basiskonzept Gemeinwohl
len:BloßesRitualoderHöhepunktderDemokratie?«oder»Wahlkampf:InformationoderManipulationderWähler/-innen?«
InderSekundarstufeIIkönnenergänzendinterdisziplinäreAnsätzeundForschungsergebnissezumWählerverhaltenimZentrumdesPolitikunter-richtsstehenz.B.»IstderWechselwählerderWählerderZukunft?«
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Wahlen zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Repräsentation,Demokratie
EntscheidungParteien,Parlament,Regierung,Opposition,Massenmedien,Legitimation,Konf likt
Gemeinwohl Freiheit,Gleichheit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Wahlen
Schulstufen BegriffePrimarstufe Allgemein,frei,geheim,gleich,unmittelbar
SekundarstufeIWahlsysteme,Wahlkampf,Kandidatenaufstellung,Panaschieren,Kumulieren,Stimmenverrechnungsverfahren
SekundarstufeII Präferenzen
6. Basiskonzept Gemeinwohl
Definition
DerBegriffGemeinwohlkennzeichnetdieallgemeinenZweckeoderdiegemeinsamerwünschtenZieleundWerte,umderetwillenMenschensichineinempolitischenGemeinwesenzusammenschließenbzw.zusammen-geschlossensind.DasGemeinwohlverweistdamitaufdenSinnunddenZweckvonPolitiküberhauptundlässtsichsoalsBasiskonzeptvonPolitikbegründen.DasGemeinwohlwirdzwarübereinstimmendalsGegenbegriffzuegoistischenPartikularinteressendefiniert,damitendetaberauchschondieGemeinsamkeit.DerBegriffdesGemeinwohlsistsooffen,dassNeid-
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II. Basis- und Fachkonzepte
hardtihnformallogischderKlassevon»Quasi-Leerformeln«zurechnet,de-renInformationsgehaltzwargrößeralsNull,aberdochzugeringist,umseinenGebraucheindeutigfestlegenzukönnen(Neidhardt,2002,S.14).TrotzderUneindeutigkeitundobwohlderBegriffGemeinwohlvonAn-fanganimmerwiedermitvölligunterschiedlichenInhaltengefülltundindenverschiedenartigsten,gelegentlicheinanderwidersprechendenWeisendefiniertwurde,kannoffensichtlichkeinepolitischeOrdnungundkaumeinepolitischeEntscheidungdaraufverzichten,sichdurcheinenBezugaufdasGemeinwohlzurechtfertigen.UnabhängigvonderSchwierigkeit,dasGemeinwohlbegriff lichzupräzisieren,wirdals»allgemeinerRechtsgrund-satz«anerkannt,dassdieInhaberstaatlicherHerrschaftsbefugniszurWah-rungdesGemeinwohlsverpf lichtetsind.SoenthältderEidderpolitischenAmtsträgerinderBundesrepublikdieBindungandasGemeinwohl.
ErläuterungPrinzipielllassensichzweiGemeinwohlkonzeptionenunterscheiden:Einnormativ-apriorischerBegriffvonGemeinwohl,dervoneinemvorgege-benen,objektivenallgemeinenWohl ausgeht,dasnicht andieZustim-mungderGesellschafts-bzw.Gemeinschaftsmitgliedergebundenist,demsichdiese aberunterzuordnenhaben.DieseAnnahmeeinespräexisten-ten,letztlichdurchdenStaatzuverwirklichendenGemeinwohlswirdent-wederreligiös,ethisch/moralischoderrationalistischgerechtfertigt.Vondiesen überindividuellen, zudem statischen und ahistorischen Gemein-wohlkonzeptionenunterscheiden sich aposteriorischeBegriffe vonGe-meinwohl,dieoffen,dynamisch-historischund stärker individualistischamInteressenundWohlergehendesEinzelnenorientiertaufdasempirischher-undfeststellbareWohlallerzielen.
DadasapriorischeodersubstantialistischeGemeinwohlverständnisbe-hauptet,überobjektiveundgartranshistorischeinhaltlicheKriterienzuverfügen,diealsOrientierungsmarkenfürdiePolitikfungierenundvor-abfeststehen,wasdemGemeinwohlentspricht,kannmanvoneinemge-schlossenen Gemeinwohl sprechen. Dieses Gemeinwohlverständnis istunvereinbarmiteinemoffenenpolitischenProzessundwidersprichtdenGrundsätzenderfreiheitlichenDemokratie.Essolldaherhiernichtwei-terverfolgtwerden.
WasunterGemeinwohlzuverstehenist,istnotwendigoffenundnureininhaltsoffenerGemeinwohlbegrifftaugtalsdemokratischesGemein-wohlkonzept (Schuppert,2002,S.24).FürdieseOffenheitgibtesgute
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6. Basiskonzept Gemeinwohl
Gründe.DennimGemeinwohlsindrivalisierendeWerteundInteressenenthalten,diesichnichtzueinemgeschlossenenSystemdenkenlassen.DieOffenheitdesKonzepteserlaubteszudem,dasGemeinwohlalseinepo-litischeAufgabezubegreifen.OffeneGemeinwohldefinitionen insistie-renaufderRelativitätdereinbegriffenen InteressenundWertpräferen-zen.SiewirkendamitwieeineArtnatürlicherImpfunggegenIntoleranz(Schuppert,2002,S.21ff ).
JederVersuch,sichmitdemGemeinwohlzubefassen,stehtvorderAuf-gabe,vierzentraleDimensionenzuklären.DiesozialeDimensiondesGe-meinwohlsbeziehtsichaufdieGesamtheitderGemeinschaft,derenWohlgedientwerdensoll.DiesekannvomFamilienverbandüberdenStaatbishinzurWeltgemeinschaft reichen.DiezeitlicheDimensionbezieht sichaufdieZeitvorstellung,diedenGemeinwohlkonzeptenzugrundeliegen.SiekönnenvonunmittelbardrängendenGegenwartsproblemenübermit-telfristige,dieEnkelgenerationeinschließendeVorstellungenbishinzurLangzeitverantwortunggegenüberderZukunftdesPlanetenreichen.DiesachlicheDimensionbeantwortetdieFrage,welchemateriellenundim-materiellenWertealsWohlgeltenkönnen.UmdieOffenheitdesGemein-wohlkonzeptesindieserDimensionzubewahren,sprichtSchupperthiervonGemeinwohl imPluralundnenntdiesGemeinwohlbelange.DiesekönnenWohlstandundVollbeschäftigung,BildungundGesundheit,so-zialeAusgewogenheit,innereSicherheitundinternationalerFriedensowiedieNachhaltigkeitderNutzungdernatürlichenRessourcensein.SolchematerialenGemeinwohlgehaltesindnichtzuverwechselnmitsubstantia-listischenGemeinwohlkonzepten.Dasheißt:Unterhalbdersubstantialis-tischenEbenekannesdurchausmaterialeGemeinwohlgehaltegeben.DieNotwendigkeit,dieseaufzufinden,herzuleitenundzugewichtenverweistdannaufdieprozeduraleDimensiondesGemeinwohls.DieArtundWei-se,wiedasGemeinwohlermitteltwird,istvorallemabhängigvomCha-rakterderpolitischenOrdnung.AutoritärepolitischeSystemeignorierendieinderGesellschaftvorhandenenAuffassungenüberdasGemeinwohlundlegenesautokratischfest.TotalitäreDiktaturensetzendasGemein-wohlmitihrerpolitischenIdeologiegleich,diesiemiteinemGewissheits-undVerbindlichkeitsanspruchversehenhaben.FreiheitlicheDemokratienpraktiziereneineautonomepolitischeMeinungs-undWillensbildung,andersichalleKräfteundGruppenderGesellschaftbeteiligendürfenundkönnen.DamitwirddasGemeinwohlgleichgesetztmitdemdemokra-tischenProzess.D.h.,esbezieht sich inersterLinieaufdieArt,wieeszustandekommt,undnicht auf den Inhalt, derunvermeidlich Interes-senundPerspektivenenthält,dienichtvonallenBürgerinnenundBür-
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II. Basis- und Fachkonzepte
gerngleichermaßengeteiltwerden.Gegeneine solche reinprozeduraleGemeinwohlvorstellungwird jedochkritischvorgebracht,dass siemaß-stabslossei.UmdemDilemmazwischeninhaltlichemDefinitionsverbotund Maßstabslosigkeit prozeduraler Gemeinwohlbestimmung zu ent-gehen,wurde,wieobenschondargestellt,derAuswegdesmaterialenGe-meinwohlverständnissesgewählt,dasimFolgendenzugrundegelegtwird.
MaterialeElementedesGemeinwohlsfindensich,wennmandieVerfas-sungdaraufhinbetrachtet,obsieselbstStaatszweckeoderStaatszielefor-muliert,diesichinGemeinwohlbelangemitverfassungsrechtlichemGe-wichtübersetzenlassen(Uerpmann,2002,S.179ff.).DanachbildeninnereundäußereSicherheit,sozialeGerechtigkeit,BildungundKultur,materi-ellerWohlstand,UmweltschutzundinternationalerFriedenGemeinwohl-inhalte.
MiteinergewissenBerechtigungkanndieVerfassungselbstalseinBe-standteildesGemeinwohlsbezeichnetwerden.ZumeinenkonkretisiertsienämlichdasGemeinwohl,indemsiebestimmteinhaltlicheOptionenaus-schließtundandereverbindlichmacht.Sobeziehtsiez.B.diePressefrei-heitindasGemeinwohlein,währendsiedieZensurausschließt.EinzelneVerfassungsvorschriftentreffendamitpositiveodernegativeGemeinwohl-festlegungen.Zumanderen reguliertdieVerfassungdieProzeduralisie-rungdesGemeinwohls, indem siedenWillensbildungs-undEntschei-dungsprozessnachAkteuren,KompetenzenundVerfahren strukturiertundBedingungen fürdieGeltungvonpolitischenEntscheidungen for-muliert(Grimm,2002,S.127f ).
MankanninsbesondereindenjenigenGrundrechtenGemeinwohlgü-tersehen,ausdenenstaatlicheSchutzpf lichtenabgeleitetwerden,derStaatalsoindiePf lichtgenommenwird,sichschützendvorGemeinwohlbe-langevonVerfassungsrangzustellen.SosindnachdemGrundgesetzdieAchtungundderSchutzderWürdedesMenschenallerstaatlichenGe-waltausdrücklichaufgegeben.WasweiterhinalsGemeinwohlgutanzuer-kennenist,zeigtsichbeiGrundrechtsbeschränkungen.DasBundesverfas-sungsgerichtverlangtnämlich,»dasseineGrundrechtsbeschränkungvonhinreichendenGründendesGemeinwohlsgerechtfertigtist,dasgewähl-teMittelzurErreichungdesZwecksgeeignetunderforderlichistundbeieinerGesamtabwägungzwischenderSchweredesEingriffsunddemGe-wichtderihnrechtfertigendenGründedieGrenzedesZumutbarennochgewahrtist«(zit.in:Schuppert,2002,S.37).
AuchdiesogenanntenöffentlichenInteressenstellenGemeinwohlgü-terdar.ÖffentlicheInteressensindgenaudefinierbareundjefürsichbe-gründungsfähigeGegenständedesallgemeinenNutzens.Konkrethandelt
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6. Basiskonzept Gemeinwohl
essichumEinrichtungendesGemeinbedarfswieSchulen,Krankenhäu-ser, Sportstätten,Parkanlagen,Friedhöfe,Verkehrswege,Energieversor-gung,Abfall-undAbwasserentsorgungsowieLandschaftspf legeundNa-turschutz(Hofmann,2002,S.25f ).
Internationale und globale EbeneWiedienormativenBegriffeDemokratieoderÖffentlichkeitistauchderGemeinwohlbegriffnichtineinemvonsozialenundpolitischenGegeben-heiten abgetrenntenRaumentstanden, sondern innerhalb eines staatli-chenRahmens,inwelchemüberSprache,Bildungssystem,Rechtssystemusw.vermitteltbestimmtebegriff licheEntwicklungspfadeeingeschlagenwurden,dieinihremErgebniserheblichvoneinanderabweichenkönnen( Jachtenfuchs, 2002). Empirisch koexistieren also sehr unterschiedlicheVorstellungenvonGemeinwohl,die sichwesentlichentlang territorial-staatlicherGrenzenunterscheiden.DurchdieEinbindungdesStaates ininternationaleMehrebenensystemewiez.B.demderEuropäischenUnionstehensichsolcheGemeinwohlkonzeptionenauchaufderEbenederpo-litischenPraxisgegenüber.DerNationalstaatalsselbstverständlicherBe-zugsrahmenvonGemeinwohlvorstellungenistsowohldurchdasRegiereninüberstaatlichenMehrebenensystemenprekärgewordenalsauchdurchProzessederGlobalisierunggefährdet.DiezunehmendeAuslagerungklas-sischernationalerRegierungsfunktionen in internationaleRegimebzw.imFallederEuropäischenUnionintransnationalesRegierenmachtdieGrenzenderhistorischenFormendemokratischerWillensbildungundLe-gitimierungunddamitauchBestimmungdesGemeinwohlsdeutlich.DernationalstaatlicheGemeinwohlbezugwirdalsonichtnurdurchdieKon-kurrenzanderergleichberechtigterNationalstaatenbrüchig,sondernwirdauchgleichsamvoninnenausgehöhlt.
AufderEbenederinternationalenPolitiklassensichdreiBereicheiden-tifizieren, in denenGemeinwohlvorstellungenproblematisch gewordensind( Jachtenfuchs,2002,S.374ff).DieUNO,diealslegitimierendeIn-stanzdiemeisten solcherPolitiken sanktionierthat, stehtvordemPro-blem,dasbeiEingriffenininnerstaatlicheKonf liktederBezugaufSelbst-verteidigungundBewahrungdesFriedensmehrundmehr fragwürdigwird, anderekonsensualeGemeinwohlvorstellungenabernicht inSichtsind. »ImSachbereichHerrschaft tendiertdieMenschenrechtspolitik zueinemähnlichenInterventionismus,dersichdurchVerweisaufuniversel-leWerterechtfertigt. DerstetigwachsendeKorpusderUN-Menschen-
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II. Basis- und Fachkonzepte
rechtsnormenfungiertindiesemZusammenhangalsKodifizierunguni-versellerGemeinwohlvorstellungen.DassolchenProzesseninnewohnendeKonf likt-undTransformationspotenzialistenorm,denndiesozialeRefe-renzderGemeinwohlvorstellungenverlagertsichvonStaaten,denklassi-schenSubjektenderinternationalenPolitik,inwachsendemMaßeaufIn-dividuen«( Jachtenfuchs,2002,S.375).ImSachbereichWohlfahrtliegenfürdieOECD-WeltwohldiewichtigstenKonf likteüberdasGemein-wohl.SiereichenvonKonf liktenüberMarktliberalismusundanderege-sellschaftlicheWerte,vomUmweltschutzüberspezifischeBildungssyste-mebishinzudenGrundwertenwohlfahrtsstaatlicherPolitik.IndiesemZusammenhangwirdauchdieArbeitvonGATT,WTOundEU,diebis-langalsgemeinwohlförderndangesehenwurden,zunehmendinFragege-stellt.
UnterBerücksichtigungdieserVeränderungenundProblemelässtsichdennochFolgendesfesthalten.AufinternationalerEbenespiegeltsichdasGemeinwohlnoch immer imVölkerrecht.Das »neue«Völkerrechtbe-nenntmaterialeWerte,diedieinternationaleZusammenarbeitallerStaa-tenleitensollen.DadieWerteaufdasWohlderStaatengemeinschaftundderindenStaatenvereinigtenMenschengerichtetsind,kannmansiealsWertedesinternationalenGemeinwohlsbezeichnen.
Die internationalen Gemeinwohlwerte sind in der Charta der Ver-eintenNationenniedergelegt.Essindu.a.dieWürdeundderWertdermenschlichenPersönlichkeit,dieMenschenrechteundGrundfreiheiten,dieGleichberechtigungvonMannundFrau,dersozialeFortschritt,dieVerbesserungdesLebensstandards,dasfriedlicheZusammenlebenderNa-tionen,dieinternationaleZusammenarbeit,derWeltfriedenunddiein-ternationaleSicherheit.
EsgibteineReiheweitererDokumentederVereintenNationenmitAussagenzuminternationalenGemeinwohl.Soproklamiertdie»Friendly Rela tions Declaration« der UNO-Generalversammlung von 1970 dieVölkerrechtsprinzipien,welchediezwischenstaatlichenBeziehungenlei-tensollen.NebendemFriedenunddemwirtschaftlichenFortschrittwirddie»allgemeineWohlfahrtderVölker«aufgeführt.DieChartaderwirt-schaftlichenRechteundPf lichtenderStaatenvon1974erwähntalsZielederneuenWeltwirtschaftsordnung:»A wider prosperity among all countries«, »higher standards of living for all people«, »the economic and social progress of all countries especially developing countries«, »co-operation on the basis of mutual ad-vantage and equitable benefits for all peace-loving states«sowie »economic growth of developing countries«.DieUNO-Konferenz fürUmweltundEntwick-lungvon1992fügtedenUmweltschutzhinzu(Fassbender,2002,S.335ff ).
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6. Basiskonzept Gemeinwohl
Seit1987wirddieGemeinwohldiskussionumdasKonzeptderNachhal-tigkeitbereichert.NachhaltigeEntwicklungistjeneFormderökonomi-schen,ökologischenund sozialenEntwicklung,diedieBedürfnissederGegenwartbefriedigt,ohnezuriskieren,dasskünftigeGenerationenihreeigenenBedürfnissenichtbefriedigenkönnen.
Das Gemeinwohl in sozialwissenschaftlichen TheorienDasKonzeptdesGemeinwohlshatindenSozialwissenschaftenundinderpolitischenTheorieeinesehrunterschiedlicheBedeutungerfahren.Hat-teindennormativenpolitischenTheorienvonAnbeginnderBegriffdesGemeinwohls(bonum commune,öffentlichesInteresse)einezentraleRollegespielt,soerkenntdie»moderne«politischeTheoriedemGemeinwohl-begriffsogutwiekeineExistenzberechtigungzu.BerndLadwigsprichtvom»Gemeinwohlverlust«alseinemKennzeichenderModerne(Ladwig,2009,S.31ff).SeitderfrühenNeuzeithabesichderVerdachterhärtet,Po-litikseivorallemeinstrategischesSpielumdieGewinnung,BehauptungundAusweitungvonMacht.»Machiavellifolgend,haltenvielemoderneAutorendenAnspruchaufGemeinwohlverwirklichungfüreinVerschlei-erungsmanöver»(Ladwig2009,S.43).DasGemeinwohlhabeeinebloßideologischeFunktion:nämlichdenInteressenansprucheinesTeileseinerpolitischorganisiertenGesellschaftmitdemInteressederGesamtheitiden-tischzuerklären,denAnspruchvondahermoralischzulegitimierenundihmdadurcheinegrößereDurchschlagskraftzuverleihen.
Umsoerstaunlicherist,dassinjüngsterZeitdasGemeinwohlinderso-zialwissenschaftlichenTheoriewiederKonjunkturhatundvieleWissen-schaftler-/innenverschiedenerFachrichtungenihmebensoeifrigwiefa-cettenreichaufderSpursind.DennochsinddieErgebnissenachwievorvölligunterschiedlich;vielleichtauchdeshalb,weilessichwenigerumdieRenaissancedesGemeinwohlsselbstalsumdieRenaissancedesGemein-wohlthemashandelt.Insofernistesnachwievorschwer,etwasdarüberzuerfahren,wasdasGemeinwohlistoderwasesseinkönnte.DiePositio-nenreichenvonderAblehnungdesGemeinwohlbegriffsüberdieEinsicht,dassdiebetreffendeTheoriedemGemeinwohlnichtgerechtwerde,bishinzugehaltvollenFundierungendesGemeinwohls.
NachAuffassungderneuerenDemokratietheorielässtsichdasGemein-wohl weiterhin nur formal und prozedural bestimmen. Jede materia-leFixierungdesGemeinwohlswirdmit demArgument zurückgewie-sen,dass in liberalenDemokratienderAnfangs-undderEndpunktder
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II. Basis- und Fachkonzepte
EntscheidungsprozesseindensubjektivenPräferenzenderBürger/-innenlägen.Siedefinierten,was sie als ihre Interessenbetrachteten.Diejeni-genZiele,dievondenBürgerngemeinsamgeteiltundgewolltwürden,könneman,wennmanunbedingtwolle,Gemeinwohlnennen.Einsol-chesGemeinwohlseiaberäußerstf luide.EskönnedeshalbaufkeinenFalleinMaßstabsein,andemsichdaspolitischeHandelnorientierenkönne.WennderGemeinwohlbegriffaberdieFunktionalsBewertungsmaßstabverliere,dannwerdeerauchnichtmehrgebraucht.
Als Standard für dieGüte derPolitik eigne sich stattdessen derBe-griffResponsivitätsehrvielbesser.ErseialsregulativeIdeefürdaspo-litischeHandelninderDemokratiegeeignet.DennResponsivitätwerdeindemMaßerealisiert, indemdiePräferenzendesDemosberücksich-tigtwürdenundalleMitgliederdesDemosgleichesGewichthätten.DerResponsivitätsbegriff stellenämlichausdrücklichaufdenGedankenab,dassdiePolitikdurchdiepolitischenPräferenzenderBürger-/innenbe-stimmtseinsollte.DemgegenüberbeziehesichderherkömmlichGemein-wohlbegriffaufherzustellendeGüterundverschiebedamitdiePerspektiveaufdieLeistungenderEntscheidungsträger fürdieBürger-/innen.Zu-mindest ineinemdemokratietheoretischenKontextwerdederGemein-wohlbegriffnichtbenötigt(Fuchs,2002,S.93ff ).
WohlfahrtsökonomischeAnsätzehabendagegendenGemeinwohlbe-griffnochnichtaufgegeben.SiefindendenMaßstabdesGemeinwohlsinder individuellenBedürfnisbefriedigung.DieSummeder individuellenNutzenwirdmitdemGemeinwohlgleichgesetzt.Daswohlfahrtsökono-mischeGemeinwohlkonzeptweistjedocheineReihevonSchwachpunk-tenauf.So lassen sichz.B.dieverschiedenen individuellenPräferenzenderBürger/-innennichtineinelogischwiderspruchsfreiekollektivePrä-ferenzordnungtransformieren.WeiterhinwirdnurdieGrößederNutzen-summebetrachtet.DieVerteilungdieserSummeaufdieSystemmitgliederwirdvernachlässigt.EbensowirddieQualitätderindividuellenBedürf-nisseignoriert.Esistabernichtauszuschließen,dassprivateGüteröffent-licheÜbelsind.IndividuellePräferenzenmüssenalsoproblematisiertwer-denkönnen,wennmanandieBelangedesStaatesdenkt.Mankommtalsoletztlichnichtdarumherumzufragen,worindieQualitäteinesgutenGe-meinwesensbestehtundwelcheindividuellenPräferenzendamitkompati-belsind.Insgesamtgilt,dassdasWohldesGanzennichtmitderErfüllungjeaktuellerPräferenzenderBürgergleichgesetztwerdenkann(Mayntz,2002,S.113ff ).
Auch die funktionalistische Systemtheorie ist kein überzeugendesFundamentfürdasGemeinwohl,obwohlhiernichtderNutzenfürdie
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6. Basiskonzept Gemeinwohl
Individuen, sonderndieErfüllunggrundlegenderSystembedürfnisse alsMaßstabdesGemeinwohlsfungiert.ImsystemtheoretischenAnsatzvonTalcottParsonsistdieErfüllungvonvierFunktionen–Anpassung,Zieler-reichung,IntegrationundAufrechterhaltungderGrundstrukturen–er-forderlich,umeinSystemstabilzuhalten.DieSystemstabilitätkönnemitdemGemeinwohlgleichgesetztwerden.DerangeboteneMaßstabzurin-haltlichenBestimmungdesGemeinwohlsalsZustandderoptimalenEr-füllungdervierSystemfunktionenistjedochvielzuabstrakt.AufGrunddieser Abstraktheit erlauben die Funktionen keine vergleichende Be-urteilungdes jeweils ineinerGesellschaftverwirklichtenGemeinwohls(Mayntz,2002,S.121ff ).
DeutlichbesseristdievergleichendeWohlfahrts-undLebensqualitäts-messunginderLage,sichdesGemeinwohlsanzunehmen.MankanndabeiauchvoneinerempirischenGemeinwohlforschungsprechen,dieWohlfahrtundLebensqualitätalsdassummarischeWohlallerMenschenbegreift.DerAnsatzzergliedertdasGemeinwohl ineinzelneKollektivgüter,diemanmessenkann.ZudiesenKollektivgütern,diezueinemerheblichenTeilöf-fentlich,d.h.nichtmarktförmigproduzierteGütersind,gehörenu.a.Frie-den,innereSicherheit,Bürgerrecht,sozialeGrundversorgung,materiellerWohlstandundUmweltschutz.FürdieKollektivgüterlassensichempiri-scheIndikatorenangeben.Dieserlaubtes,verschiedeneGesellschaftennachdemGradeinzustufen,indemsiebestimmteZielzuständeerreichthaben.DieAuswahlderKollektivgüteristdabeikeineswegsbeliebig.DieLebens-qualitäts-undWohlfahrtskriterienwerdenausallgemeinmenschlichenBe-dürfnissenabgeleitet.AlsNachteildiesesAnsatzesistzuwerten,dassdieGesamtkonzeptionGemeinwohlindenHintergrundrückt,wennderBlickaufeinzelneKollektivgütergerichtetwird.AndererseitserlaubtderAnsatz,Zielkonf liktezwischenunterschiedlichenKollektivgüternaufzuzeigen,sozwischenUmweltschutzundWirtschaftswachstumoderBürgerfreiheitundinnererSicherheit.Underregtdazuan,überdieGleichgewichtigkeitderGüterzuref lektierenundeinnormativerwünschtesProfilderZielerrei-chungaufzustellen(Welzel,2002,S.112ff ).
ÜberdiegenanntenAnsätzehinauskonkurriereninderpolitischenThe-orieeineFüllevonGemeinwohlkonzeptionenmiteinander.SandraSeubertverortetsiezwischenRepublikanismusundLiberalismusundunterschei-detlibertäre,liberaleunddeliberativePerspektivendesGemeinwohlsso-wiekommunitaristischeundRational ChoicePositionen(Seubert,2006).DiezentraleFrage,diealletheoretischenAnsätzezubeantwortenhaben,lautetdabei:WiekannmanzueinerBestimmungdesGemeinwohlsgelangen,dieunparteiischundnichtbeliebig,aberdennochgemeinschaftlichtragfähig
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II. Basis- und Fachkonzepte
ist?DiepluralistischeDemokratietheorieinderFormulierungErnstFraen-kels(Fraenkel,1991)bietethiereineLösungan,unterdiesichdiemeistenliberalenundaktuellendeliberativenDemokratietheorien(z.B.Habermas)subsumierenlassen.FraenkelentwickeltseineGemeinwohltheorieinkon-zeptionellerAuseinandersetzungmitdemTotalitarismusundinideenge-schichtlicherAbgrenzungzuRousseau.ErlehntVorstellungeneinesaprio-rischenGemeinwohlsentschiedenabundsetztseinGemeinwohlaposte rioridagegen.DasGemeinwohlistdanachkeinevorgegebeneGröße,sondernkommtineinerfreiheitlichenGesellschaftlediglicha posteriorialsdasErgeb-niseinesdelikatenProzessesderdivergierendenIdeenundInteressenderGruppenundParteienzustande.Gemeinwohlistdemnach,wasalsErgebnisamEndeeinesfreienundoffenenGemeinwohldiskursessteht.Dieserpro-zeduraleAspektdesGemeinwohlsrichtetsichgegenvorgegebeneundge-schlosseneGemeinwohlvorstellungen.Fraenkelverbindetjedochprozedu-ralemitmaterialenAspektenundwendetsichdamitgegenKonzepte,dielediglichkorrekteVerfahrenkennenunddeshalbjedesErgebnisdespoli-tischenProzessesalsGemeinwohlanzuerkennenbereitsind.DiematerialeBindungwirddanndeutlich,wenndasGemeinwohlnichtals»sozialeRea-lität«,sondernals»regulativeIdee«verstandenwird.HinterdenmaterialenElementenstehtnachFraenkeleinesittlichverpf lichtendeWertordnung,dieaufeinemalsallgemeingültigpostuliertenWertkodexbasiert.Dieseistabersoabstrakt,dasssieausreichendRaumfürGestaltunglässt.DerdasGemeinwohl tragendeWertkodexgründet inderKonzeptionFraenkelsaufdemNaturrecht.AuchwenndasNaturrechtinderWissenschaftstrittigist,verweistdienaturrechtlicheFundierungdarauf,dassdasGemeinwohlbeiFraenkelnichtpartikularistisch,d.h.aufdieMaßstäbeundBedürfnis-seeinesjekonkretenGemeinwesensbezogenist,sonderndieBedingungeneineruniversalistischenLegitimationerfüllt(Buchstein,2002,S.231ff ).
InsoferntrifftdieKritikderAnfangder80erJahreausdenUSAundKanada kommenden kommunitaristischen Theorie die Gemeinwohl-konzeptiondesNeopluralismusnicht,wohl aber liberaleGesellschafts-theorien,denen sie,vor allem in ihrergrundrechtsbasiertenundproze-duralbeschränktenVariantedenVerlustanindividuellerundkollektiverGemeinwohlorientierungvorhält.SonachvollziehbardieKritikdesKom-munitarismusauchimEinzelnenseinmag,eineüberzeugendeneueAnt-wortbleibterweitgehendschuldig,unddieBestimmungdesGemeinwohlserfolgt höchst traditionell mit einer starken Tendenz zu apriorisch-substantialistischenDefinitionen(Schultze,1995,S.143).
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7. Fachkonzepte Gemeinwohl
7. Fachkonzepte Gemeinwohl
7.1 Freiheit
Essenz des Fachkonzepts
Freiheitbedeutetprinzipiell,dassderEinzelnekeinerFremdbestimmungunterliegt, Ziele und Mittel seiner Lebensführung mithin ungehindertwählenkann.DieFreiheitbestehtauszweiwesentlichenKomponenten,nämlichderHandlungsfreiheitundderBewegungsfreiheit.DerSinnderHandlungsfreiheitliegtinderEntfaltungderPersönlichkeit,d.h.inderMöglichkeit,sichnacheigenenVorstellungenzuverwirklichen.DerSinnderBewegungsfreiheitliegtinderMobilität,d.h.inderMöglichkeit,sichdortaufzuhalten,womanseinmöchte.
EsgibtdieFreiheitalsnatürlicheundalsgesetzlicheFreiheit.Dienatür-licheFreiheitkenntkeineRechtsnormen,diedenFreiheitsgebrauchlenken.IhreGrenzenwerdenalleinvondenKräftendesIndividuumsbestimmt.JestärkereinIndividuumist,destomehrkannesseineFreiheitauchgegenan-dereausleben.DiegesetzlicheFreiheitistdemgegenübereinegeregelteundgemeinverträglicheFreiheit.SieschränktdienatürlicheFreiheitein.DafürtauschtdasIndividuumeinMehranSicherheitein.EsisteinezentraleAufga-bedesStaates,dieFreiheitgesetzlichzuordnen(Böckenförde,1978,S.16f ).
DieFreiheitbef lügeltdenMenschen.Siesetztgeistige,künstlerische,sportliche,wirtschaftlicheundpolitischeAktivitätenfrei.Freiheitbedeu-tetaberauch,dassesdemEinzelnenüberlassenbleibt,oberaktivoderpas-sivistundwelcheAktivitätenergegebenenfallsergreift.Diesemsubjekti-venodernegativenFreiheitsverständnisstehteinobjektiveroderpositiverFreiheitsbegriffgegenüber.HiernachistderMenschnichtdeshalbfrei,umdamitzutun,wasihmbeliebt,sondernumseineBestimmungzuverwirk-lichenoderdasWohldesGemeinwesenszufördern.
DieFreiheitisteinzentralerGrundwertdesVerfassungsstaates.Siekon-kretisiert zumeinenmaßgeblichdieMenschenwürde.Sie legt zuman-derendieRechtsordnungaufeineprinzipielleVermutungzugunstenderFreiheitdesEinzelnen fest.StaatlicheEingriffe indenBereichderper-sönlichenFreiheitsinddaherrechtfertigungsbedürftig.DieFreiheitsrech-tefungierensomitinersterLiniealsAbwehrrechtedesEinzelnengegendenStaat.DieFreiheitsrechtebegründenimAnsatzaberauchsozialeAn-spruchsrechte.DennderEinzelnekanndieFreiheitnurdannleben,wenn
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II. Basis- und Fachkonzepte
erüberbestimmtematerielleBedingungenverfügt.WerdenganzenTaggegendenHungerkämpfenmuss,hatkeineMöglichkeitzurRealisierunggeistigerundkulturellerFreiheit.DerFreiheitsgebrauchverlangtalso,dassdemEinzelnendasExistenzminimumgesichertseinmuss.
EsgibteineSpannungzwischenderFreiheitundderGleichheit.KraftderVerschiedenheitnatürlicherAnlagen, Interessen,persönlicherEner-gieundsozialerVorgegebenheitenbringtderFreiheitsgebrauchnotwendi-gerweiseunterschiedlicheErgebnisseunddamit sozialeUngleichheitenhervor.SozialeUngleichheitenkönnensichzusozialerUnfreiheitfürdieSchwächerensteigern.DaherbedarfesstetigerKorrekturenderausderBe-tätigungderFreiheitimmerwiederneuentstehendensozialenUngleich-heit(Böckenförde,1976,S.341ff ).
Politikwissenschaftliche Vertiefung Schaubild 4: Vernetzung des Fachkonzepts Freiheit
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7. Fachkonzepte Gemeinwohl
DieFreiheitweisteinenunmittelbarenBezugzumBasiskonzeptGemein-wohlauf.DenndieFreiheitstellteinhohes,schützenswertesGutdesGe-meinwesensdar.SiebildeteinemaßgeblicheVoraussetzungfürdasguteLebenderineinemStaatvereinigtenMenschen.
DiemeistenderindenVerfassungenverankertenFreiheitsrechtedrü-ckenErfahrungenhistorischenvomStaatbegangenenUnrechtsaus.Die-seFreiheitenfungierendaheralsAbwehrrechtegegenstaatlicheEingriffe.IhrSinnbestehtdarin,demEinzelneneineindividuelleHandlungssphä-rezugarantieren,dieerrechtlichungehindertnacheigenemGutdünkengestaltenkann.AllerdingsbedeutetFreiheitnichtschrankenloseWillküroderEmanzipationvonjeglichermoralischenBindung.FreiheithatimmerihreGrenzeimRechtderMitmenschen.
DieGesellschaftsvertragstheorienderAufklärungszeitliefertendiephi-losophischeBegründungeinergesetzlichenFreiheitsordnung.Sieprokla-mierten,dassindieursprünglichnatürlicheFreiheitnurinFormdesGe-setzes und inhaltlich nur soweit eingegriffen werden dürfe, wie es einoffensichtlichvernünftigerZweckdesstaatlichenZusammenlebenserfor-dere.Mit dieserÜberzeugungbeeinf lussten sie dieVerfassungenEndedes18.Jahrhunderts,indenendieVerankerungdergesetzlichenFreiheitfolglicheinestarkeRollespielte.DerEinf lusswirktbisindieGegenwarthinein(Kersting,1994).
FehlkonzepteDieFreiheittauchtdurchgehendindenKerncurriculaauf.DabeiliegtindenCurriculafürdiePrimarstufederAkzentaufdieVermittlungderaufdieLebensweltbezogenenEinsicht,dassdieFreiheitdesEinzelnennichtgrenzenlosseinkann,weilesRücksichtaufanderezunehmengiltoderweilSachzwängedenFreiheitsgebraucheinschränken.InderSekundar-stufeItauchtdieFreiheitimZusammenhangmitProblemendesRechts-staatesunddesSozialstaatesauf.InderSekundarstufeIIwirddieFreiheitvoralleminihrerSpannungzuanderenGrundwertenwiederGleichheitundderGerechtigkeitsowieimKontextvonStaatstheorienthematisiert.
DieFreiheit istmitdemFehlkonzeptbelastet,dasssieerstdannvor-liege,wennsichderindividuelleWillevölligselbstbestimmtZielesetzenkönne.WirklicheFreiheitvertragekeineUnterwerfungunterGebote,dienichtdemeigenenWillenentsprängen.EinesolchermaßenabsolutistischverstandeneFreiheitistaberWillkür.SieistzudemnichtmitderFreiheitanderervereinbar.
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II. Basis- und Fachkonzepte
DasFreiheitsverständnisistweiterhinhäufigaufdienegativeFreiheitbe-schränkt.Übersehenwirddabei,dassderFreiheitsgebrauchZielsetzun-genverlangt.DieseZielsetzungenkönnenkonstruktiv,aberauchdestruk-tivsein.SelbstkonstruktiveZieledürfenjedochnichtvonStaatswegenvorgeschriebenwerden,dadiesdieindividuelleFreiheitimKernzerstö-renwürde.DieinhaltlicheBestimmungderFreiheitobliegtausschließlichderMoralitätdesEinzelnen.
Vernetzung des FachkonzeptsDasVerstehendesKonzeptssetztkeinWissenüberandereFachkonzeptevoraus.DieKonzeptentwicklungkannmitderErfassungdersubjektivenodernegativenFreiheitbeginnen.DasKonzeptistdurchdieEinsichtan-zureichern,dassderindividuelleFreiheitsgebrauchanGrenzenstößt,diesichzumeinenausdemgleichenFreiheitsanspruchderMitmenschener-gebenundzumanderenausunerwünschtenFolgenbestimmterZielset-zungenresultieren.
WichtigfürdieEntwicklungdesKonzeptsistdieUnterscheidungindienatürlicheunddiegesetzlicheFreiheit.WeiterhingehörtzumVerständnisdesKonzeptsdieEinsichtindieSpannungzwischenFreiheitundGleichheit.
BeispielthemenInderPrimarstufekönnensichdieLernendenGedankenüberdenUmgangmitdereigenenFreiheitmachen.ZumThema»Tunkönnen,wasmanwill«könnensieüberdieFolgengrenzenloserFreiheitnachdenken.ZumThema»GrenzenmeinerFreiheit«könnensiedarübernachdenken,dassdieFreiheitdesHandelnsvonäußerenZwängenwiemangelndeGeldmittel,Zeitknapp-heitundSchulpf lichtensowievondenErwartungenandererbegrenztist.
InderSekundarstufe IbietetdieAuseinandersetzungmitProblemendesRechts-unddesSozialstaatesGelegenheit,überdenStellenwertderFreiheitzuref lektieren.DenkbareThemensind:»InwiefernistdieFrei-heitsstrafealsAusdruckdesstaatlichenStrafanspruchsmitdemGrundwertFreiheitvereinbar?«»InwelchemAusmaßschränkensozialstaatlicheAbga-belastendenindividuellenFreiheitsspielraumein?«
InderSekundarstufeIIkönnenStaatstheoriendaraufhinbefragtwer-den,welchenStellenwertsiederFreiheitzumessen.EsbietensichliberaleundsozialistischeTheoretikeran.EinThemaausdemBereichderinter-
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7. Fachkonzepte Gemeinwohl
nationalenPolitikkönntedieFragenachdemZusammenhangvonUnab-hängigkeitnachaußenundFreiheitnachinnensein.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Freiheit zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,Rechtsstaat,Demokratie
Entscheidung Legitimation
Gemeinwohl Menschenwürde,Gerechtigkeit,Gleichheit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Freiheit
Schulstufen BegriffePrimarstufe Selbstbestimmung,Regeln
SekundarstufeI Wahlmöglichkeit,Handlungseinschränkungen
SekundarstufeII Willkür,Unabhängigkeit
7.2 Frieden
Essenz des FachkonzeptsUnterFriedenwirdklassischerweiseexnegationeeinvölkerrechtlichinten-dierterZustanddesNicht-KriegeszwischenStaatenverstanden(Howard,2001).BiszumZweitenWeltkriegwurdeFriedenmeistalseinRechtszu-standangesehen,derdeutlichvomRechtszustanddesKriegesabgegrenztwar.Seit1945lassensichjedochKriegundFriedenoftmalsnichtklarun-terscheiden.Die»neuenKriege«zeichnensichdurchdieAsymmetriederKonf liktparteien,dasAuftretensubstaatlicherKriegsakteureunddieKon-zentrationaufnichtmilitärischeZieleaus(Münkler,2005).DieneuenKriegelassen sichdeshalbnurbeschränktverrechtlichen(Meyers,2004)undderFriedenistsomit invielenRegionenvonfragilerStabilität.DasPolitischekannalsderBereichderBestrebungenbegriffenwerden,Friedenherzustel-len,Friedenzubewahren,zugewährleisten,zuschützenundzuverteidigen–»DerGegenstandunddasZielderPolitikistderFriede.«(Sternberger,1961).
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II. Basis- und Fachkonzepte
Politikwissenschaftliche VertiefungFriedenstellteinenzentralenpolitischenWertdar,welchemzugleichderRangeinerStaatszielbestimmungzukommtunddervordiesemHinter-grundfürdasBasiskonzeptGemeinwohlkonstitutiv ist. ImDiskursderFriedensforschunghatte sichdieDifferenzierungzweierFriedensbegrif-fe – des negativen Friedens als Abwesenheit organisierter militärischerGewaltanwendungunddespositivenFriedens alsAbwesenheit struktu-rellerGewalt–überJahrzehntealsprägenderwiesen.DabeikonntensichdieWissenschaftlerzumindestaufdennegativenFriedenalsGrundvoraus-setzungdesWelt-undGattungs-ÜberlebensimKonsensverfahreneini-gen(Müller,2003).DagegenistdasVerständnisdespositivenFriedensab-hängigvondenjeweiligenAuffassungenbezüglichgesellschaftspolitischerZielvorstellungenüberanzustrebendebzw.zuerhaltendesoziale,ökono-mische,politischesowieökologischeOrdnungenundsomitvondenje-weiligenZweckbestimmungendesGemeinwohls.EntsprechendwirdmitdempositivenFriedensbegriffdasFehlenvonAusbeutung,wirtschaftli-cheundsozialeEntwicklung,Pluralismus,GerechtigkeitundFreiheit,dieVerwirklichungvonMenschenrechtenunddiejedemIndividuumeinzu-räumendeMöglichkeit,sichgemäßseinenAnlagenundFähigkeitenselbstzuentfalten,verbunden( Jahn,2001).
FriedenwirdinderFriedensforschungwenigeralsidealerZustand,son-dernalshistorischerProzessbegriffen.DessenZielbleibtdieEliminierungdesKrieges–alsAustragungsmodusinner-undzwischenstaatlicherKon-f likte–aufgegeben(Brock,1990).MithinsolldieAustragungsweisevonKonf liktendurchzunehmendeVerrechtlichungder zwischenstaatlichenund-gesellschaftlichenBeziehungenzivilisiertwerden.IndiesemKontextkann sichdeshalbauchdasProblemderhumanitären Intervention stel-len,wennetwavoneinemStaatoderanderenAkteurenMenschenrechts-verletzungenvorgenommenwerden.FürdenZusammenhangzwischenderdemokratischenRegierungsformundderBewahrungdesFriedens–demokratischerFrieden–kamdieForschungzueinemDoppelbefund:ZwarführenDemokratienuntereinander(fast)keineKriege.DochsindDemokratienebensohäufigwieandereHerrschaftstypeninKriegever-wickelt,siesindalsonichtinhärentfriedlicher(Geis,2001).AngesichtsderneuenBedeutungder»kleinenKriege«(Daase,1999)undderdamitein-hergehendenVerletzungderMenschenrechtegehörtzurheutigenWah-rungbzw.WiederherstellungvonFriedenauchdieMöglichkeitderhu-manitärenIntervention.
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7. Fachkonzepte Gemeinwohl
FehlkonzepteImUnterrichtwirddasIdealdespositivenFriedenshäufigüberbewertetundalsalleingültigerMaßstabbetrachtet.InvielenRegionenderWeltistjedochbereitsdieErreichungeinesZustandes,inwelchemdieZivilbe-völkerunginSicherheitlebenkannundvoräußererGewaltdurchstaat-licheEinrichtungengeschütztwird,ein sehrambitioniertesundgleich-wohlerstrebenswertesZiel.DarüberhinausbestehteinFehlkonzept inderVorstellungderÜbertragbarkeitdeszwischenmenschlichenfriedlichenZusammenlebensaufdieEbeneder internationalenPolitik,woFriedendurchpolitischeMaßnahmenaufderGrundlageeinerVerrechtlichungderBeziehungenzuerreichenist.
Vernetzung des FachkonzeptsWährend der negativ bestimmte Friedensbegriff als Abwesenheit vonKriegunumstrittenist,bleibtderpositivbestimmteFriedensbegriffhöchstvariabelinterpretierbarimHinblickaufdieRealisierungvonsozialerGe-rechtigkeitoderGleichheit.LetztgenanntezeigendieVerbindungzudenFachkonzeptenGrundrechte,Gerechtigkeit,Macht,Konf liktundMen-schenwürdeauf.FriedenalsProzesskonstitutiertsichausnationalemundinternationalemRechtundistimGrundgesetz,denVerträgenderEuro-päischenUnionsowieinderChartaderVereintenNationengrundgelegt.VordiesemHintergrundistFriedenmitdenFachkonzeptenGrundrechte,europäischeAkteure,Sicherheit,FreiheitundinternationaleBeziehungenaufsEngsteverknüpft.
BeispielthemenAufderPrimarstufekanndurchdieThematisierungdesPhänomensderKindersoldatenbeiinner-wiezwischenstaatlichenKonf likteninderso-genanntenDrittenWelteinersterZugangzumFachkonzepteröffnetwer-den.
AufderSekundarstufeIkönnenalsThemenetwadieSituationindenMitgliedstaatenderEuropäischenUnion(fürdieVerwirklichungdespo-sitivenFriedens),inSüdafrika(fürdieVerwirklichungdesnegativenFrie-dens)undinSomalia(alsExempelfürdiemangelndeVerwirklichungvonFrieden)behandeltwerden.
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II. Basis- und Fachkonzepte
InderSekundarstufeIIkannalsThemadiehumanitäreInterventionderNATOzugunstenderKosovo-Albaner imFrühjahr1999ohneMandatderVereintenNationenbehandeltwerden.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Frieden zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,internationaleBeziehungen
Entscheidung EuropäischeAkteure,Macht,Konf likt
Gemeinwohl Gerechtigkeit,Menschenwürde,Sicherheit,Freiheit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Frieden
Schulstufen BegriffePrimarstufe Krieg,Waffenstillstand
SekundarstufeINegativerFrieden,positiverFrieden,ChartaderVereintenNationen,Weltsicherheitsrat
SekundarstufeII DemokratischerFrieden,humanitäreIntervention,Völkerrecht
7.3 Gerechtigkeit
Essenz des FachkonzeptsGerechtigkeit ist zumeineneineTugendunddamiteineandenMen-schengerichtetemoralischeVerhaltensforderunggegenüberanderen(per-sonaleGerechtigkeit).SieistzumandereneinnormativerMaßstabfürdieGestaltungderBeziehungenzwischendenMenschen (strukturelleGe-rechtigkeit)(Höffe,1987,S.58ff ).DieallgemeinsteFormderpersonalenGerechtigkeitlautet,jedemdasSeineoderdasihmZustehendezugeben(»Suum cuique tribuere«).DieseschoninderAntikegebrauchteFormelistzwarsehrunbestimmt,siedrücktaberaus,dassdieGerechtigkeitgeschul-detist.Diesimpliziert,dassdemanderenetwaszusteht,eralsoAnsprüchehat.DasMindeste,dasjedemzusteht,istseineQualitätalsRechtssubjekt.WeitereAnsprüchesindAnerkennungundFairness(Pieper,1964,S.68ff ).
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7. Fachkonzepte Gemeinwohl
DiestrukturelleGerechtigkeitbezeichnetganzallgemeineineSituation,inderkonkurrierendeInteressenundAnsprüchevonMenschenineinemausgeglichenenunddaherakzeptiertenVerhältniszueinanderstehen.Un-tergerechtenVerhältnissenkönnendieMenschenihreAnlagenentfalten.Was als ausgeglichenesVerhältnis gilt, hängt vonden jeweiligenSach-verhalten ab.EsgibtdaherverschiedeneAusformungender strukturel-lenGerechtigkeit,sodiesoziale,diepolitischeunddieinternationaleGe-rechtigkeit.GegenstanddersozialenGerechtigkeitistdieVerteilungvonWohltaten und Lasten zwischen verschieden leistungsfähigen und be-dürftigenGruppen inderGesellschaft.EsgehtmithinumVerteilungs-gerechtigkeit.DreiPositionen stehen sichhier imWesentlichengegen-über,nämlichdieLeistungsgerechtigkeit,dieBedarfsgerechtigkeitunddieChancengerechtigkeit.
DieLeistungsgerechtigkeitverteilt sozialeChancenwieEinkommen,VermögenundsozialePositionengemäßderHöhedervondenEinzelnenerbrachtenLeistungen.DieBedarfsgerechtigkeit teilt jedemnachseinenBedürfnissenzu.Unbeachtlichist,wasderEinzelnezurVerteilungsmassebeigetragenhatoderbeiträgt.DieChancengerechtigkeitwilldenIndivi-duendiegleichenStartchancenfürihreEntwicklungeinräumen.Siever-langt,dassalleunverschuldetenNachteilevonPersonensoweitwiemög-lichegalisiert, also ausgeglichenwerden.Sie ist eineModifizierungderLeistungsgerechtigkeit(Kersting,2000,S.32).
DiepolitischeGerechtigkeitbeziehtsichaufdierechtsstaatlicheVerfas-sungdesGemeinwesens.PolitischeGerechtigkeitistgegeben,wennjederdiegleichenRechteundPf lichtenhat.EshandeltsichhierzwarnurumeineformaleGerechtigkeit,dieaberimmerhinrechtlichePrivilegierun-genundDiskriminierungenausschließt.
Politikwissenschaftliche Vertiefung
DieGerechtigkeitbildetdeninnerstenKerndesGemeinwohls.EsgibtdahereinenengenBezugderGerechtigkeitzumBasiskonzeptGemein-wohl.DieGerechtigkeitweisteinenatürlicheNähezumGleichheitsprin-zipauf.DiezurpolitischenGerechtigkeitgehörendeVerfahrensgerechtig-keitforderteineGleichbehandlungderMenschen,wasUnparteilichkeitvoraussetztundWillkürausschließt.DiedasgegenseitigeVerhältnisderIndividuenbestimmendeTauschgerechtigkeitverlangteinestrenge(arith-metische) Gleichheit im Sinne einer Gleichwertigkeit von Geben undNehmen.DiezursozialenGerechtigkeitzählendeVerteilungsgerechtig-
170
II. Basis- und Fachkonzepte
keitzieltdemgegenüberaufproportionale(geometrische)Gleichheit.SieweistjedemseinenentwederandereingebrachtenLeistungoderanderBedürftigkeitgewogenenAnteilandenzuverteilendenGüternundLas-tenzu.Politisch strittig ist,obeinealsgerechtempfundeneGleichheiteine»equality of opportunity«(Liberalismus)odereine»equality of result«(So-zialismus)seinsoll.
LangeZeitschlugderGerechtigkeiteinSkeptizismusentgegen.SofälltfürdenRechtspositivismusdieGerechtigkeitalsüberpositivesPrinzipausjedemwissenschaftlichenRechtsdiskursheraus.GemäßderSystemtheo-rieNiklasLuhmannshatdieGerechtigkeitalseinefunktionsunspezifischeNormativitätindervonanderenNormenbestimmtenPolitikkeinenle-gitimenPlatz(Höffe,1995,S.151).EinekräftigeGegenbewegunggegendiegerechtigkeitstheoretischeSkepsis löstedagegenJohnRawlsmitsei-nemWerk»ATheoryofJustice«(1971)aus.NachRawlswürdendieMen-schensichwiefolgtentscheiden:SiewürdendieFreiheitenstrengegalitärverteilen.BeidensozialenundwirtschaftlichenGüternwürdensiehin-gegenUngleichheitenakzeptieren,wenn sichdarausVorteile für jeder-mannergeben, insbesondere fürdieschwächstenMitgliederderGesell-schaft(Rawls,1975).
FehlkonzepteDieGerechtigkeittauchtindenKerncurriculaderpolitischenBildungnuramRandeauf.DasKonzeptspieltdagegenimReligions-undEthikunter-richteineprominenteRolle.Esistdortallerdingsweitgehendaufdieper-sonaleGerechtigkeitbeschränkt.DieGerechtigkeit ist einKonzeptmiteinergroßenFüllevonGesichtspunkten.DiepersonaleGerechtigkeit,derToposdergerechtenStrafeundderBegriffdesgerechtenKriegesweisenkaumBerührungspunktemitdersozialenGerechtigkeitundfolglichmitderVerteilungsgerechtigkeitauf.InGesprächenüberdieGerechtigkeitistalsoeineKlärungdeszubewertendenSachverhaltesunbedingterforder-lich,damitesnichtzuBegriffsverwirrungenkommt.
Zu einem Fehlkonzept mit indoktrinierender Wirkung kommt es,wenndiesozialeGerechtigkeitohnebegriff licheAuseinandersetzungein-fachmiteinerPosition,beispielsweisederBedarfsgerechtigkeit,identifi-ziertwird.DiesozialeGerechtigkeitverlangtzwingendeinebegriff licheEntfaltung.
171
7. Fachkonzepte Gemeinwohl
Vernetzung des FachkonzeptsDasKonzeptverlangtkeinWissenüberandereKonzepte.DieKonzept-entwicklungkannmitderpersonalenGerechtigkeiteinsetzen.ImZent-rumderKonzeptentwicklung sollte jedochdieVerteilungsgerechtigkeitstehen,dasieimMittelpunktpolitischerAuseinandersetzungensteht.
BeispielthemenDiepersonaleGerechtigkeitkann inderPrimarstufemittels anschauli-cherGeschichtenthematisiertwerden.EingeeignetesBeispielhierfüristdieGeschichteüberdassalomonischeUrteil.EskönnenaberauchschonFragen zu Grundsätzen der Verteilungsgerechtigkeit erörtert werden(Tiedemann,2007,S.330f ): »Wie sollen ineinem fiktivenLandArbeitundGeldverteiltwerden?«ThematisiertwerdenkannschließlichdieLeis-tungsgerechtigkeitamBeispielderNotengebung.
InderSekundarstufeIkönnenaktuellesozialpolitischeStreitfragenher-angezogenwerden,umdarandievondenpolitischenAkteurenzugrundegelegtenGerechtigkeitskriterienherauszuarbeiten.GeeigneteGegenstän-desinddasArbeitslosengeld,dieprivateunddiegesetzlicheKrankenver-sicherungsowiedieStudiengebühren.
InderSekundarstufeIIkönnendieGerechtigkeitsgrundsätzevonJohnRawls thematisiertwerden.WeiterhinkönnenverschiedeneGerechtig-keitskonzeptionen einander gegenübergestellt werden: Gleichheitsmeh-rendeGerechtigkeitskonzeptionenwiedieBedarfsgerechtigkeitunddieGleichheitdermaterialenFreiheit,diezustarkenUmverteilungenführen,könnenmitliberalenKonzeptionenkontrastiertwerden,dieaufdieHilfezurSelbsthilfesetzenundEigenverantwortungfördern.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Gerechtigkeit zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,Rechtsstaat,Sozialstaat,Demokratie
Entscheidung Legitimation,Öffentlichkeit
GemeinwohlMenschenwürde,Nachhaltigkeit,öffentlicheGüter,Freiheit,Gleichheit
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II. Basis- und Fachkonzepte
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Gerechtigkeit
Schulstufen BegriffePrimarstufe Tausch,Leistung
SekundarstufeI Bedürftigkeit,Benachteiligung,Fairness
SekundarstufeIIÄquivalenzprinzip,Solidaritätsprinzip,Liberalismus,Sozialismus
7.4 Gleichheit
Essenz des FachkonzeptsGleichheitbedeutetGleichheitanRechtenundPf lichten.DasGeboteinerstrengenBeachtungdesGleichheitsprinzips liegtaufdenfolgendenAn-wendungsfeldernvor:DieGesetzewerdengleich,d.h.ohneAnsehenderPerson,angewendet.AllegenießendengleichenRechtsschutz.JederhathiernachdiegleicheChance,dasGerichtanzurufen.WeiterhinhatjederdengleichenAnspruchaufdengesetzlichenRichter.SchließlichsindalleErwachsenengleichinderpolitischenTeilhabeinFormallgemeinerWah-lenundAbstimmungen.
DieGleichheitergänztdieFreiheitindemSinne,dassdieFreiheitallenzukommt:JedersolldasgleicheRechtunddiegleichenMöglichkeitenzurindividuellenSelbstbestimmunghaben.DerGegenbegriffzurGleichheitistdahernichtdieFreiheit,sonderndasPrivileg.PrivilegiensindVorrech-tebestimmterGruppen.DieseVorrechtegehenmitmangelndenRechtenoderFreiheitenfürandereeinher,wieSklaverei,Leibeigenschaft,ökono-mischeAusbeutung,aberauchAusschlussvonpolitischerBeteiligung.DieHerstellungvonGleichheitmeintdieÜberwindungvonungerechtfertig-tenUngleichheitenmitdemZielderFreiheitfürjedermann.
DasGleichheitsprinzip verbietet die rechtlicheDiskriminierung auf-grundbestimmterMerkmale.ImGrundgesetzsindesdieMerkmaleGe-schlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Herkunft und Glauben. DieseMerkmalehängeneng amMenschseinundweisendamitBerührungs-punktemitderMenschenwürdeauf.
AbgesehenvomDiskriminierungsverbotverlangtdasGleichheitsprinzipjedochnicht,dassalleinjederHinsichtaufgenaudiegleicheWeisezube-
173
7. Fachkonzepte Gemeinwohl
handelnsind.DenndieMenschensindindersozialenWirklichkeitinvie-lenBeziehungenungleich.SogibtesUnterschiededesEinkommens,derberuf lichenSituationunddesGesundheitszustandes.Daherwirdwesent-lichGleichesgleich,wesentlichUngleichesdagegenungleichbehandelt.Das bedeutet:Gleiche Sachverhalte dürfennicht ungleich geregeltwer-den.AufderanderenSeiteisteineUngleichbehandlunggeboten,wennbeiVorliegenvonerheblichenUnterschiedenvernünftigeGründefüreineun-terschiedlicheBehandlungsprechen.EinmaßgeblichesKriteriumfüreineUngleichbehandlungistdieGerechtigkeit.Sowirdesalsgerechtempfun-den,wennEinkommensstarkeeineprozentualhöhereSteuerlastzutragenhabenalsEinkommensschwache(Kirchhof,1992,S.846).
VonderGleichheitsideegehteinegroßeFaszinationskraftaus.DieIdeekannsichmitderForderungnacheinergleichenVerteilungvonEigen-tumundBesitzauchaufdiewirtschaftlicheOrdnungerstrecken.DasZielistdanndieökonomischeGleichheit.EineabgeschwächteFormderForde-rungnachmehrökonomischerGleichheitistdieChancengleichheit.
ÖkonomischeGleichheitstehtinKonf liktmitdemPrinzipderFreiheit.PolitischeOrdnungen,diedieGleichheitbishinzurErgebnisgleichheitinderökonomischenGütererlangungundGüterverteilungvorantreiben,vernichtennämlichdieindividuelleFreiheit.DamitzerstörensieInitiati-ve,RisikoundVerantwortungsbereitschaft.
Politikwissenschaftliche Vertiefung
DieGleichheitweisteinenengenBezugzumBasiskonzeptGemeinwohlauf.Siestellteinhohes,schützenswertesGutdesGemeinwesensdar.DasGemeinwohleinesdemokratischenVerfassungsstaatesverträgtkeinedis-kriminierendeBehandlungderMenschen.
DieGesellschaftsvertragstheoriendes17.und18.JahrhundertsverliehendemGleichheitsgedankenpolitischeRelevanz.DieseTheoriengingenvondernatürlichenFreiheitundGleichheitderMenschenaus:ImNaturzu-standgibtesfolglichkeineÜber-undUnterordnungenzwischenihnen.AlsGleichegebensiedemzurStaatsgründungführendenGesellschaftsver-tragdaherauchnurihreZustimmung,wenndieserdieGleichheitwahrt.Im Vertrag wird der Staatsgewalt mithin die Aufgabe zugewiesen, dieGleichheitallerMenschenzuwahrenoderdieGleichheitinÜberwindungvorgefundenerVerschiedenheitenherzustellen(Kersting,1994).
InderpolitischenPhilosophiedes20.Jahrhundertsregteinsbesonde-re JohnRawlsdenDiskursumeinegerechtigkeitstheoretischeBegrün-
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II. Basis- und Fachkonzepte
dungderGleichheit an.ErkonstruierteeinenSozialkontraktunterdenBedingungenvollkommenerFreiheitundGleichheit,umeineimgleichenInteresse allergelegeneÜbereinkunft zugewährleisten.Hiernachwür-densichdieMenschenaufFolgendeseinigen:»AllesozialenWerte–Frei-heit,Chancen,Einkommen,VermögenunddiesozialenGrundlagenderSelbstachtung–sindgleichmäßigzuverteilen,soweitnichteineunglei-cheVerteilungjedermannzumVorteilgereicht.«WährenddieMenschendieFreiheitenstrengegalitärverteilenwürden,würdensiebeidensozi-alenundwirtschaftlichenGüternUngleichheitenakzeptieren,wennsichdarausVorteilefürjedermannergeben,insbesonderefürdieschwächstenMitgliederderGesellschaft(Rawls,1975).
FehlkonzepteDie Gleichheit taucht als Unterrichtsgegenstand in den KerncurriculaderPrimarstufekaumauf.InderSekundarstufeIkommtdierechtlicheGleichheitimZusammenhangmitdemRechtsstaatundinderSekundar-stufe II inderAuseinandersetzungmitStaatstheorienzurGeltung.DiesozialeGleichheitwirdindenSekundarstufenvorallemimsoziologischausgerichtetenLernfeld »Gesellschaftsstrukturund sozialeUngleichheit«thematisiert.DabeiwirddiesozialeUngleichheitfastimmeralskritikwür-digesMomentgezeichnet.
DieGleichheitistmiteinemweitverbreitetenFehlkonzeptbelastet.VonderrechtlichenGleichheitwirdnämlichangenommen,dasssiemitöko-nomischerodersozialerGleichheitzusammenfällt.DiesistabernichtdieIntentionderrechtlichenGleichheit.
WeiterhingenügtindenAugenvielerdierechtlicheGleichheitnicht.SiehaltenGleichheit erstdann fürwirklichgegeben,wenndie sozialeGleichheithergestelltist.VorgeschriebenesozialeGleichheitkannjedochzuwirtschaftlicherStagnationoderImmobilitätführen.SiestehtzudeminüberausstarkerSpannungzumPrinzipindividuellerHandlungsfreiheit.
Vernetzung des FachkonzeptsDasVerstehendesKonzeptssetztkeinWissenüberandereFachkonzep-tevoraus.DieKonzeptentwicklungkannmiteinerKonfrontationdessenbeginnen,worinMenschensichunterscheidenundworinsiegleichsind.AufdieserBasiskanndasTeilkonzeptrechtlicheGleichheiterarbeitetwer-
175
7. Fachkonzepte Gemeinwohl
den.EssetzteineAbstrahierungvondenfaktischenUngleichheitenzwi-schendenMenschenvoraus.
Anspruchsvoller istdieEntwicklungdesTeilkonzepts sozialeGleich-heit,dahiereinVerständnisderSpannungzurFreiheitsowiedernegati-venökonomischenFolgenverordnetersozialerGleichheiterforderlichist.
BeispielthemenInderPrimarstufe können sichdieLernendenGedankendarüberma-chen,wasbeiihnenungleichundgleichist:»Wirsindverschieden,aberallegleich«.SiekönnenweiterhinnachrechtlichenGemeinsamkeitenundUnterschiedenzwischenihnenunddenErwachsenenfragen.Möglichistauchzuuntersuchen,aufwelcheWeisederGleichheitssatzinausgesuch-tenArtikelnderKinderrechtskonventionderVereintenNationenNieder-schlaggefundenhat.
InderSekundarstufeIbietetdieAuseinandersetzungmitProblemendesRechts-unddesSozialstaatesGelegenheit,dasVerhältnisvonGleichheitundFreiheitzuref lektieren.Thematisiertwerdenkönnenauchdierechtli-chenDifferenzierungendesJugendschutzgesetzes.EinandereswichtigesThemaistdieFragenachdenUrsachendersozialenUngleichheit.
InderSekundarstufeIIkönnenStaatstheoriendaraufhinbefragtwer-den,welchenStellenwertsiederGleichheitzumessenundwiesiedasVer-hältniszurFreiheitbestimmen.GeeignetsindinsbesondereSchriftenderFrühsozialistensowieliberalerTheoretiker.EinThemaausdemBereichder InternationalenPolitikkönntederGrundsatzdervölkerrechtlichenGleichheitderStaatensein.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Gleichheit zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,Rechtsstaat,Demokratie
Entscheidung Legitimation
Gemeinwohl Menschenwürde,Gerechtigkeit,Freiheit
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II. Basis- und Fachkonzepte
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Gleichheit
Schulstufen BegriffePrimarstufe Gleichberechtigung,Diskriminierungsverbot
SekundarstufeI Chancengerechtigkeit,Privileg
SekundarstufeII Inklusion,Exklusion
7.5 Menschenwürde
Essenz des Fachkonzepts»DieWürdedesMenschen istunantastbar.Siezuachtenundzu schüt-zenistVerpf lichtungallerstaatlichenGewalt«(Art.1,Abs.1,GG).DieMenschenwürdegehörtnebenFreiheit,GleichheitundGerechtigkeitzudenGrundwerten.IhrkommtinderDemokratieeinebesondereBedeu-tungimSinneeinerFundamentalnormzu,wieihreStellunggleichimers-tenSatzdesGrundgesetzesverdeutlicht.InderKommentierungwirdnä-herausgeführt:SiebeziehesichaufAchtungundSchutzderkörperlichenIntegrität,SicherungmenschengerechterLebensgrundlagen,Gewährleis-tungelementarerRechtsgleichheitundWahrungderpersonalenIdentität(Höf ling,2003).DochwasgenaudieWürdedesMenschenist,wirdnichtdefiniert.DieuniversalistischenBegründungenfürdieWürdedesMen-schenunterscheidensichimHinblickaufihreBezugspunkte:siekommejedemMenschenalsMitgliedderGattungMenschzu,sieseiaufgrundderNaturdesMenschengegeben(Naturrecht)oderaufgrundseinesWesens(Bloch,1961).InderTheologiewirdsiemitdem»EbenbildGottes«be-gründetundseitderAufklärunggibtesdieBegründungmitdemMen-schenals freies,VernunftgeleitetesWesen(Pollmann,2004).StetswirddieWürdedesMenschenmitseinerherausgehobenenStellungbegründet.
Politikwissenschaftliche VertiefungWestlicheKulturensehen inderMenschenwürdedasFundament fürdieMenschenrechte,diewiederumpolitisch-rechtlichabzusichern sind. »DasDeutscheVolkbekennt sichdarumzuunverletzlichenundunveräußerli-
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7. Fachkonzepte Gemeinwohl
chenMenschenrechtenalsGrundlagejedermenschlichenGemeinschaft,desFriedensundderGerechtigkeitinderWelt«(Art1,Abs.2,GG).DieIdeederMenschenrechteverbindetdasFachkonzeptMenschenwürdemitdemBasiskonzeptGemeinwohl: »SiebetrachtetdenMenschen als ein inGe-meinschaftenlebendes,schutz-undanerkennungsbedürftigesWesen,des-senelementareLebensbedingungensowohlaufnationalerwieauchaufin-ternationalerEbeneunterSchutzgestelltwerdenmüssen«(Pollmann,2004,S.267).JuristischgibtesinDeutschlandseit1956diesogenannte»Objekt-formel«vonDürig,mitderArt.1GGausgelegtwird:»DieMenschenwürdeistgetroffen,wennderkonkreteMenschzumObjekt,zueinembloßenMit-tel,zurvertretbarenGrößeherabgewürdigtwird«(1956,S.117).
Schon die Antike kannte Würde, die mit der herausgehobenen Stel-lungeinerbesonderenPersönlichkeitverknüpftwar (dignitas).Pufendorf(1672)formuliertalsersterdieWürdealsjuristischenBegriff,d.h.alsMen-schenrecht.ZumphilosophischenKonzeptwirdMenschenwürde erst inderZeitderAufklärung,insbesonderedurchKant(1785).Aufdenjuristi-schenBegriffbeziehensichLockesMenschenrechte.Sief losseneinindieUnabhängigkeitserklärungderVereinigtenStaaten(1776).Den»gewissen,unveräußerlichenRechten«wiedemauf»Leben,FreiheitunddemStrebennachGlück«isteinBegriffvonMenschenwürdeunterstellt.GleichesgiltfürdieFranzösischeErklärungderMenschen-undBürgerrechte (1789).Ex-plizitgenanntwirddieMenschenwürdealsBegriffzumerstenMalinderAllgemeinenErklärungderMenschenrechte(UN-Menschenrechtscharta),derGrundlagedeshumanitärenVölkerrechts:»AlleMenschensindfreiundgleichanWürdeundRechtengeboren«(Art.1,UN-Doc.217/A-(III)).Siewurdeam10. Dezember1948vonderGeneralversammlungderVereintenNationengenehmigtundverkündet,demheutigenTagderMenschenrech-te.DieErklärungwareineReaktionaufdiedeutschenVerbrecheninderZeitdesNationalsozialismus.48Staatenstimmtenfürsie,8enthieltensich;zuletzterenzählendieStaatendesOstblocks,SüdafrikaundSaudi-Arabi-en,denenjeweilsbestimmteFreiheitennichtpassten.»DieMenschenrech-tegeltenuniversell,d.h.füralle,egalitär,d.h.fürallegleichermaßen,undschließlichkategorisch,d.h.füralleunbedingt«(Pollmann,2004,S.266).NochimmerhabennichtalleStaatenderStaatengemeinschaftdieentspre-chendenPakteunterzeichnetundratifiziert.DerBegriffderWürdewirdmittlerweileindenVerfassungenvon15 europäischenStaatengenannt.
In der westlichen Welt ist heute weniger die Anerkennung der UN-Chartakonf liktträchtigalsvielmehrihreUmsetzung.ZwarwerdenauchdieKonventionenderUNzumSchutzderMenschenrechteanerkannt,u.a.zudenRechtendesKindes,zurBeseitigungvonRassendiskriminierungoder
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II. Basis- und Fachkonzepte
zudenpolitischenRechtenderFrau.Aberschwierigwirdes,wennkonkre-teFolgerungenoderGesetzeabzuleitensind.Sogibtesz.B.keinenKonsens,abwanneinerbefruchtetenEizellediemenschlicheWürdezusteht.
FehlkonzepteInvielenUnterrichtsmaterialienfehltderBezugzwischenMenschenwürde,MenschenrechtenunddenpolitischenBemühungenundSchwierigkeitenihrerUmsetzunginpositivesRecht.DamitwirddieKomplexitätdesFach-konzeptsnichterfasst.Wedervermeintlich schlechteBehandlungen (z.B.beiderNotengebung,amArbeitsplatz)nochdieZurückweisungbestimm-terLebensformenkönnenmitdemHinweisaufMenschenwürdekritisiertwerden,dasichdieWürdeaufmenschlicheGrundbedürfnisserichtetundkeine»Wunschliste«fürangenehmeBedingungendesLebensbegründet.
Vernetzung des FachkonzeptsAlsGrundnormeignetsichdieMenschenwürdezurVertiefungjedesFach-konzeptes,dasdemBasiskonzeptGemeinwohlzugeordnetwerdenkann.Sobegründenbeispielsweise der SelbstzweckundEigenwert desMen-schenseineFreiheit.SiestellteinennormativenBezugspunktfürProzessederUrteilsbildunginvielenPolitikfelderndar.DesWeiterenistdieMen-schenwürdesowohlimZusammenhangmitdenGrundrechtenunddemRechtsstaatzu thematisieren,die sie schützen,alsauchmitder interna-tionalenOrdnung,diederIdeeeinerWeltfriedensordnungfolgt.DerBe-griffderMenschenwürdeindenVerfassungensolldaraufverweisen,dassderStaatunddie internationaleOrdnungfürdenMenschengeschaffenwurden.DieWürdekannzudemalsSelbstachtung formuliertund ihreVerletzbarkeitaufsozialeSicherung,alsoaufdenSozialstaatsowieaufdenRechtsstaat(AblehnungvonFolter)bezogenwerden.
Beispielthemen
InderPrimarstufekanndieMenschenwürdeimZusammenhangmitdenLebenslagenvonKindern,d.h.ausihrerPerspektive(Kinderrechte)auf-gegriffenwerden.InderSekIbietetessichan,diehistorischeEntwick-lungderMenschenrechteunddamitderBedeutungswandeldesKonzeptes
179
7. Fachkonzepte Gemeinwohl
Menschenwürdenachzuzeichnen.BeispielefindensichinsbesondereindenPolitikfeldernzurinnerenundäußerenSicherheit(Gewalt,Folter)oderzurBiopolitik.DürfenMenschenwie(würdelose)Objektebehandeltwerden,wennesumAbtreibung,SterbehilfeoderSchutzvorTerrorismusgeht?DieSchwierigkeitenbeiderUmsetzunginpositivesRechtkönneninderSekIIthematisiertwerden:IstdieMenschenwürdederVerfassungsnormvorangestelltoderkannsiealsabgestuftesKonzeptverstandenwerden,z.B.beiderembryonalenEntwicklung?Zudemkönnenhierfächerübergreifendtheologische,medizinische,juristische,psychologischeoderphilosophischePositionenzurMenschenwürdemiteinanderverglichenwerden.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Menschenwürde zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte Fachkonzepte
OrdnungGrundrechte,Rechtsstaat,Sozialstaat,internationaleBeziehungen
Gemeinwohl Frieden,Sicherheit,Gerechtigkeit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Menschenwürde
Schulstufen BegriffePrimarstufe Schutz(Menschenwürde),Anerkennung,Selbstachtung
SekundarstufeIHumanität,Grundwerte,Menschenrechte,Menschlichkeit,Toleranz,Folter
SekundarstufeII Fundamentalnorm,Naturrecht
7.6 Nachhaltigkeit
Essenz des FachkonzeptsNachhaltigkeit lässt sich als das Bestreben verstehen »neben der interna-tionalenGerechtigkeitfürheutigeundkünftigeGenerationenhoheökologi-sche,ökonomischeundsozial-kulturelleStandardsindenGrenzenderTrag-
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II. Basis- und Fachkonzepte
fähigkeitdesUmweltraumes«(Rogall,2003)zuerreichen.»Nachhaltigkeit«oder»nachhaltigeEntwicklung«(Sustainable development)istmittlerweilezueinemdominierendenLeitbildindernationalenundderinternationalenPo-litikgeworden.ZwarkanndasKonzeptaufeinefast300jährigeGeschichtezurückblicken,seineKarrierealsLeitbildderinternationalenPolitikbegannjedocherstinden1970erJahrenimZusammenhangmitderverstärktwahr-genommenenUmweltproblematikderindustrialisiertenGesellschaftenundderextremenArmutdersogenanntenEntwicklungsländer(Wehling,2008).NachdemBerichtdesClub of Romevon1972über»GrenzendesWachs-tums«verhalfvorallemder1987veröffentlichteBerichtderUN-Kommis-sionfürUmweltundEntwicklung(Brundlandt-Kommission)demKonzeptderNachhaltigkeitundderIdeedernachhaltigenEntwicklungaufderin-ternationalenpolitischenundwissenschaftlichenEbenezumDurchbruch.Dieser»Brundtland-Bericht«bildetedieGrundlagefürdieUN-Konferenz»UmweltundEntwicklung«von1992(»Rio-Konferenz«).Dorteinigtensich178StaatenaufeingemeinsamesLeitbildderMenschheitfürdas21.Jahr-hundert–dienachhaltigeEntwicklung.DokumentiertwirddiesesLeitbildinder »Agenda21«. Inden letzten Jahren habenzahlreicheKonferenzenstattgefunden,sindStrategiepapiereentwickeltundBeschlüssegefasstwor-den,indeneninternational,aufdereuropäischenEbenesowieaufdenver-schiedenenPolitikebeneninDeutschlanddienachhaltigeEntwicklungzumGrundsatzundzurLeitliniepolitischenHandelnserklärtwurde.InDeutsch-landwurdedasPrinzipNachhaltigkeit1994alsStaatszielverankert.
Politikwissenschaftliche VertiefungNachhaltigkeitgehörtzumBasiskonzeptGemeinwohl.DerNachhaltig-keitsbegriffenthälteinkosmopolitischesGemeinwohlkonzept.DenndieGrenzenlosigkeitökologischerBezügeunddiehierdurchgegebenewech-selseitigeAbhängigkeitallerMenschenundOrtevoneinanderbegründenfaktisch einen gemeinsamen sozialenKontext von globalerDimension.EinkosmopolitischesGemeinwohlverlangteinesozialgerechteEntwick-lungs-undUmweltpolitikfürjetzigeundkünftigeGenerationenimglo-balenKontext.InihmmüssendieGlobalität,dieSorgeummehralsdieeigenenationaleGemeinschaftunddieFuturität,dieSorgeumkünftigeGenerationen,angelegtsein(Weidner,2002).
InderWissenschaftgibtesunterschiedlichePositionenzuderFrage,ob»schwacheNachhaltigkeit«oder»starkeNachhaltigkeit«inZukunftnotwen-digist.BeischwacherNachhaltigkeitgenügtes,dieSummeannatürlichen
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7. Fachkonzepte Gemeinwohl
undkünstlichenRessourcenkonstantzuhalten,bei starkerNachhaltigkeitwerdennatürlicheundmenschlicherzeugteRessourcenjefürsicherhaltenundsindnichtsubstituierbar.Kontroversistauch,obdasLeitbildderNach-haltigkeiteher»ökozentrisch«odereher»anthropozentrisch«verstandenwer-densoll.»SollenderSchutzunddieErhaltungderNaturdasZielvonNach-haltigkeitsstrategien bilden und der Natur damit ein gewisser Eigenwertzukommen?Oderzielt»nachhaltigeEntwicklung«lediglichaufdiedauerhaf-teSicherungmenschlicherBedürfnisbefriedigung,sodassdienatürlicheUm-weltundihreBestandteile(...)nurinsoweitundnursolangeschützenswertsind,alssiefürmenschlicheGesellschaftenvonNutzensind«(Wehling,2008)?ImpolitischenundwissenschaftlichenDiskurskonkurrierendarüberhinaus»Drei«oder»Mehr-Säulen-Konzepte«miteinander.InnerhalbdieserKonzep-tegeltenÖkologie,ÖkonomieundSozialesalseigeneDimension,die imRahmennachhaltigerEntwicklunggleichberechtigtzuberücksichtigensind(Grunewald&Kopfmüller,2006).AlsvierteSäulewirdzunehmendauchnochdiepolitischinstitutionelleDimensiongenannt.AusderKritikderSäu-lenmodellesindindenletztenJahren»IntegrativeNachhaltigkeitskonzepte«entwickeltworden(Grunewald&Kopfmüller,2006).AndereKonzeptewer-denunterdemBegriffder»ref lexivenGovernance«zusammengefasst,diedieKomplexitätvondynamischen,mehrdimensionalenProzessennachhaltigerEntwicklungsowiediedamiteinhergehendenAmbivalenzenundUngewiss-heitenindenMittelpunktstellen(Voßu.a.,2006).ErgänzendundalsVoraus-setzungfürdieRealisierungnachhaltigerEntwicklunghatsichdasKonzeptderBildungfürNachhaltigkeitentwickelt.
FehlkonzepteDasKonzeptderNachhaltigkeitwirdhäufignurimZusammenhangmitUmweltschutzundökologischenProblemenwieRessourcenundUmwelt-schonungundnuraufderEbenederLebensweltdiskutiert.DassdamitabertiefgreifendestrukturelleVeränderungvonWirtschaft,GesellschaftundPolitik,vorallemaberauchvonEinstellungenundVerhaltensmusternverbundensindaufdernationalen,derinternationalenundderglobalenEbene,tritteherindenHintergrund.AuchalsbloßesStaatsziel,alsregu-lativeIdeeverlangtNachhaltigkeitinderKonsequenzeineweitreichen-deModifikationindenLebensweisenderMenschen,einentiefgreifendenWandelderdominantenProduktions-undKonsumptionsmusterundeineNeuorientierung vonPlanungs- undEntscheidungsprozessenund zwarweltweit(Kopfmülleru.a.,2001).
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II. Basis- und Fachkonzepte
Vernetzung des FachkonzeptsNachhaltigkeiterforderteineNeuorientierungdesEntscheidungsprozes-ses.AlseingesellschaftlichesProjektkannesaufGrundderDynamikundKomplexitätseinerökologischen,ökonomischenundsozialenDimensio-nennichtabschließenddefiniertwerden.Akteure,Organisationen,Insti-tutionenmitpartikularenWeltbezügen,IdentitätenundInteressenmüssenzukunftsfähigeFormendesWirtschaftensundLebenserstfinden.Inso-fernstehtNachhaltigkeitinVerbindungmitdenFachkonzepten,Partei-en,Interessengruppen,MassenmedienundmitÖffentlichkeit,MachtundKonf likt.NachhaltigkeitgehörtalsZusatzaspektauchzudenFachkonzep-tenDemokratie,StaatundMarkt.DerinternationaleAspektvonNach-haltigkeitverweistaufdieFachkonzepteInternationaleBeziehungenundimZusammenhangmitEntwicklungsländernvorallemaufdasFachkon-zeptGerechtigkeit.
BeispielthemenBereitsimGrundschulalterbestehtInteresseanökologischenFragen.The-menwie»BrauchtdieGemeindeeinenWindpark?«oder»KinderarbeitinIndien«könnendieVernetztheitvonstaatlichenAuf lageneinerseitssowiesozialen,ökologischenundökonomischenInteressenandererseitsverdeut-lichen.AufderSekIkanndasSteuerungsproblemdesStaatesamBeispielderlokalenAgenda21-BewegungoderjederaktuellenumweltpolitischenMaßnahmewiedemCO2-AusstossvonAutos,derEnergiepolitikoderderÖkosteuerindenBlickgenommenwerden.AnsätzenachhaltigerEnt-wicklungspolitik,weltweiterKlimapolitikodereuropäischerUmweltpoli-tikkönnenaufderSekIIbehandeltwerden.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Nachhaltigkeit zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie,Staat,Markt
EntscheidungParteien,Interessengruppen,Massenmedien,Legitimation,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt,InternationaleBeziehungen
Gemeinwohl Gerechtigkeit,Menschenwürde,Frieden,Sicherheit
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7. Fachkonzepte Gemeinwohl
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Nachhaltigkeit
Schulstufen Begriffe
PrimarstufeUmweltpolitik,ArmutundReichtum,Generationengerechtig-keit
SekundarstufeIGlobaleGerechtigkeit,Wachstumsdynamik,Umweltverträg-lichkeit,Agenda21
SekundarstufeII Partizipation,Reflexive Governance,Entwicklungspolitik
7.7 Öffentliche Güter
Essenz des FachkonzeptsÖffentliche Güter (Kollektivgüter) werden für die Mitglieder einesGemeinwesensbereitgestellt.Sieweisensich–imUnterschiedzuprivatenGütern–durchzweiMerkmaleaus:dieNicht-Ausschließbarkeitdespo-tentiellenNachfragersvonderInanspruchnahmedesGutes,d.h.nieman-demkannderKonsumeinesöffentlichenGutesverwehrtwerden,sowiedieNicht-RivalitätunterdenNachfragerndesGutes,d.h.derNutzendesGutesfüreinIndividuumschmälertinkeinerWeisedenNutzendesselbenGutesfürandere.ReineKollektivgütersindz.B.Luft,BildungundWis-sen,innereundäußereSicherheit,Deiche,Umwelt,StraßenundGleise.DarüberhinausgibtesQuasi-Kollektivgüter,diedieKonsummöglichkei-tenvonanderenPersonenvermindernwiez.B.dieFischereirechte(u.a.Fangquoten),Patente,Emissionszertifikate,Rohstoffe,Artenschutz.DiesonstigenKollektivgüter,fürderenNutzungdieKonsumentenbezahlenmüssen,werdendurchpolitischeEntscheidungenersthergestelltwiez.B.dieFlugsicherheit,Autobahnmaut,(Kabel-)Fernsehen,Autosteuer,Was-ser,Brandschutz,Museen.DochbestehtangesichtsdesUmstands,dassöf-fentlicheGüternichtmarktvermitteltgehandeltwerden,dieGefahr,dasssienichtbzw.innichtausreichenderMengeproduziertundbereitgestelltwerden.DieindividuelleAutonomieunddieMärktegarantierenihrerseitskeineoptimaleVersorgung.DeshalbmussderStaatordnungspolitischein-greifen,umdurchentsprechendeAllokationöffentlicherGüterdasMarkt-versagenzukorrigieren.
184
II. Basis- und Fachkonzepte
Politikwissenschaftliche Vertiefung
AufgrundderkonstitutivenMerkmaleöffentlicherGüter,wonachdieNut-zunggemeinschaftlicherfolgt,istdiesesFachkonzeptprimärdemBasis-konzeptGemeinwohlzugeordnet.ZugleichweistdasFachkonzeptöffent-licheGüterBezügezudenBasiskonzeptenOrdnungundEntscheidungauf:ImBereichderöffentlichenGüterkommteszumMarktversagen,dadieEigenartdieserGütereinepersönlicheZurechnungihrerHerstellungs-kostennichtzulassenundfürprivateUnternehmermithinkeinAnreizbe-steht,sichentsprechendzuengagieren(vgl.Molitor,1988,S.77).InderBildungs-,Wirtschafts-,Agrar-oderUmweltpolitikwirddeshalbvondenAkteurennachöffentlicherDiskussionundWillensbildungüberdieNut-zungundBereitstellungsmodalitätenentschieden.
Umstritten inpolitischerTheorie,GesellschaftundpolitischerPraxisist,welcheöffentlichenGüterinwelchemAusmaßvomStaatbereitgestelltwerdenmüssen.DabeigehtesumdieFrage,warum,wieviel,wemundwelcheöffentlichenGüterzurVerfügunggestelltwerden.OftmalsentstehtHandlungsdruckdurchneuereEntwicklungen(z.B.Ozonloch),dieeinerLösungbedürfen.DieFragenachSteuernundSubventionenodergesetzli-chenAuf lagen(z.B.imUmweltschutz)wirdunterschiedlichbewertet,so-dasseingesellschaftlicherKompromissherbeigeführtwerdenmuss.Dabeiwirdimmerdiskutiert,inwieweitdenMärktenimInteressewirtschaftli-cherEffizienzfreierLaufgelassenodersteuerndeingegriffenwerdensoll.DiePolitikorientiertsichdabeinichtalleinanökonomischenGesichts-punkten, sondern auch an sozialenund gesellschaftspolitischen.Unter-nehmendagegenorientierensichausschließlichamWettbewerbunddenrechtlichenRahmenbedingungen.
DieTheorieöffentlicherGütersetztsichmitdenFolgendesMerkmalsdieserGüterauseinander,wonachdieseunentgeltlichinAnspruchgenom-menwerdenundpotenzielleNachfragereineTrittbrettfahrerpositionein-nehmen.DieökonomischeTheoriederPolitikverweistaufdieGrenzendesMarktes.WennsichderStaatzurückzieht,senkterdieMengederöffent-lichenGüter.ErüberlässtdanndenBürger/-innendieVerantwortungfürdieHerstellungvonundHaftungfürdieöffentlichenGüter(Priddat,2008).AndererseitswerdenzahlreicheöffentlicheGüterdurchdieFiskalsystemebepreist,seiesdurchGebühren(z.B.imkommunalenBereich)oderseiesdurchpublic private partnership.DieVerteilungöffentlicherGüteristaucheineFragederGenerationengerechtigkeit.DieJüngerenkönnenOpferfrühererökologischerundökonomischerFehlentscheidungenwerden.
185
7. Fachkonzepte Gemeinwohl
FehlkonzepteAufcurricularerEbenebestehtderMissstand,dassindenLehrplänenderBundesländerzwarinderRegelderBegriffGüterbenanntwird,seltenjedoch derBegriff öffentlicheGüter alsUnterrichtsgegenstandErwäh-nungfindet.EinProblemderUnterrichtspraxis ist,dassFragenderAl-lokationvonGüternoftmalsabgekoppeltvonFragengesamtwirtschaftli-cherWohlfahrtssteigerungbehandeltwerden.DerBezugzudenpolitischauszuhandelndenRahmenbedingungenwirdeherselteneinbezogenunddieInhaltewerdenoftaufbetriebswirtschaftlicheDefinitionenreduziert.DieRückbindungbetriebswirtschaftlicherPerspektivenandiepolitischenundmoralischenFragenderamGemeinwohlorientiertenVerteilungöf-fentlicherGüteristjedochauchfürdasVerständniswirtschaftspolitischerEntscheidungenvonzentralerBedeutung.ImHinblickaufdieunterricht-licheAuseinandersetzungmitöffentlichenGüternkönnensichFehlkon-zepteentwickeln,wennzwischendenEigenlogikendesökonomischenunddespolitischenSystemsnichtausreichenddifferenziertwirdunddiesevonihrenjeweiligenAufgabenhernichtbegriffenwerden.
Vernetzung des FachkonzeptsÖffentlicheGüterstehenentwederjederPersonzurVerfügungodermüs-sendurchpolitischeEntscheidungenwieetwaimHinblickaufinnereundäußereSicherheithergestelltwerden,weshalbBezügezudengemeinwohl-orientiertenFachkonzeptenGerechtigkeit,SicherheitundNachhaltigkeitbestehen.DarüberhinausistihreExistenzrespektiveHerstellungsowieihrErhaltabhängigvonpolitischenEntscheidungen,weshalbVerbindungenzudenFachkonzeptenParteien,Interessengruppen,Öffentlichkeit,Parla-ment,MachtundKonf liktvorhandensind.SchließlichmüssenöffentlicheGüterineinemordnungspolitischenRahmenbereitgestelltbzw.bewahrtwerden,wasBezügezudenFachkonzeptenDemokratie,Markt.Rechts-staat,Sozialstaat,internationaleBeziehungenerforderlichmacht.
BeispielthemenAufderSekundarstufeIkannüberdieThematisierungdesöffentlichenGutsWasser sowie der Problematisierung von dessen etwaiger Privati-sierungeinersterZugangzumFachkonzepteröffnetwerden.DieCha-
186
II. Basis- und Fachkonzepte
rakteristikaöffentlicherGüter,wonacheinigegleichzeitigunentgeltlichvonvielengenutztwerdenkönnen,kannimKontextderProblematikdesTrittbrettfahrensthematisiertwerden:SokommtbeispielsweisederNut-zeneinerintaktenUmweltallenzugute,unabhängigdavon,objederein-zelneauchdazubeigetragenhat.WeiterhinkannaufdieserStufedieNot-wendigkeitderHerstellungöffentlicherGüterfürdasGemeinwohldurchöffentlichepolitischeEntscheidungenetwaamBeispielinnereundäuße-reSicherheitüberdieThemenPolizeiundBundeswehrbehandeltwer-den.AndiesemExempelkanndarüberhinausverdeutlichtwerden,welcheProblemebeieinermarktvermitteltenHerstellungdesöffentlichenGutsSicherheitentstehenkönnen,etwawenneineKommuneaufgrunddesAb-bausvonstaatlichenStellenfürPolizisteneinenprivatenSicherheitsdienstinAnspruchnimmtoderinKriegenstattregulärerstaatlicherSoldatenpri-vateSöldnereingesetztwerden.
DieAuseinandersetzungderLernendenmitderBereitstellungrespek-tiveHerstellungöffentlicherGüterundderwirtschaftspolitischenProble-matikdesMarktversagenskannaufderSekundarstufeIIetwaamThemaUmweltschutzvertiefterfolgen,wobeiauchdieEigenlogikendesökono-mischenunddespolitischenSystemsdifferenziertwerdenkönnen.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts öffentliche Güter zu Basis- und Fach-konzepten
Basiskonzepte Fachkonzepte
OrdnungDemokratie,Markt,Rechtsstaat,Sozialstaat,internationaleBeziehungen
EntscheidungParteien,Interessengruppen,Öffentlichkeit,Parlament,Macht,Konf likt
Gemeinwohl Gerechtigkeit,Sicherheit,Nachhaltigkeit
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts öffentliche Güter
Schulstufen Begriffe
SekundarstufeIGut,Nachfrage,Konsum,Privatisierung,unentgeltlicheNutzung,Trittbrettfahrer,Steuern
SekundarstufeII Marktversagen,Allokation,Marktsubstitutionspolitik
187
7. Fachkonzepte Gemeinwohl
7.8 Sicherheit
Essenz des FachkonzeptsSicherheitisteinZustanddesUnbedrohtseinsvorGefährdungenfürLe-ben, körperliche Unversehrtheit und menschenwürdige Existenz. Manunterscheidetäußere,innereundsozialeSicherheit.ÄußereSicherheitbe-ziehtsichaufdenSchutzdesStaatesvorBedrohungvonaußenundneu-erdings durch Terrorismus. Äußere Sicherheit verschafft sich ein StaatdurchAufbauundUnterhaltungvonStreitkräften,durchMilitärbünd-nisse, durchEinordnung in Systemekollektiver Sicherheit sowie allge-meindurcheineaufZusammenarbeitundEntspannunggerichteteAußen-politik. Innere Sicherheit oder inneren Frieden gewährleistet der Staatdadurch,dasserüberdasGewaltmonopolverfügt.InnereSicherheitver-langtvondenBürgern, sichderAnwendungundAndrohungvonkör-perlicherGewaltzuenthalten.DerStaatantizipiertvorsorglichGefahren,indemeraufdieendogenemanifesteBedrohungdurchKriminalität,Ex-tremismusundTerrorismusreagiert.DieinnereSicherheitstehtineinemnatürlichenSpannungsverhältniszurFreiheit.DenndieindividuelleFrei-heitkanndurcheinzuhohesMaßanSicherheitsvorkehrungengefähr-detwerden.SozialeSicherheit istderdurchstaatlicheVorsorgegeschaf-feneSchutzdesEinzelnengegenLebensrisiken,vondenenpotentiellalleMitgliederdesGemeinwesensbetroffenensind.ZudiesenRisikenzäh-lenKrankheit,Alter,BerufsunfähigkeitundArbeitslosigkeit.DerStaathatdasExistenzminimumzusichernundtrifftdabeiaufdieSpannungsfel-dervonMarktundStaat,LeistungundBedarf,IndividuumundKollektiv(Kersting,2003;Nonhoff,2008).
Politikwissenschaftliche Vertiefung
SicherheitisteinexistenziellesBedürfnisderMenschenunddahereinezen-traleGemeinwohlaufgabedesStaates.EsliegtfolglicheinengerBezugdesFachkonzeptsSicherheitzumBasiskonzeptGemeinwohlvor.WennesuminnereSicherheitgeht,beziehensichdieBetrachtungenaufdienational-staatlicheunddieeuropäischeEbene.DaspolitischeSystemhatdieAufga-be,dieKollektivgüteräußere,innereundsozialeSicherheitzuproduzieren.
EinerstaatsrechtlichenBetrachtungderSicherheitgehtesumdenAus-gleichderSpannungenzwischendenErfordernissenderinnerenSicherheit
188
II. Basis- und Fachkonzepte
unddenindividuellenFreiheitsrechten.GleichwohlkannzuvielSicherheitdieFreiheitmarginalisieren.UmgekehrtkannzuvielFreiheitdieSicher-heitgefährden.EsgehtdabeiumdieFragederAusgestaltungundQuali-tätvonBürgerrechten(Müller,2008).EinideengeschichtlicherAnsatzbe-trachtetdieGrundanforderungen,dieDemokratienerfüllenmüssen,unddieGefährdungen,dieimPolitikfeldSicherheitinFragekommen.
PolitikwissenschaftlichePolicy-AnalysenuntersuchendieBedingungenundProzessevonEntscheidungenimHandlungsfeld›Sicherheit‹.DerEin-zelnehatAnsprüchegegenüberdemStaatunderwartetdieHerstellungvonSicherheit alsöffentlichesGut.Dennochmüssenvor allempräven-tivausgerichteteÜberwachungsmechanismenKontrollregelnunterliegenundinArtundUmfangbestimmtsein.Bürger-/innennämlichverlangeninSituationenerhöhterBedrohung,etwanachTerroranschlägen,nachsi-cherheitspolitischenMaßnahmen.DabeibestehtdieMöglichkeit,dassderGesetzgebernichtsogenauwiesonstaufdiedierechtlicheEinhegungvonSicherheitsmaßnahmenschaut. InKrisenzeitenwerdenRegierungen je-denfallsstarkanihremErfolginderBewahrungderöffentlichenSicher-heitgemessen(Brodocz,Llangue&Schaal,2008).
Fehlkonzepte
DasFachkonzeptinseinerAusprägungalsinnereSicherheitsuchtmanineinzelnenLehrplänenvergeblich.DieAusprägungals sozialeSicherheitistjedochrelativhäufiganzutreffen.InSchulbüchernfälltauf,dassmeistnurderAspektderäußerenSicherheitaufgegriffenwird.SelbstbeiThe-menwieJugendkriminalitätstehtmehrdasJugendschutzgesetz imVor-dergrundundwenigerdievondieserKriminalitätausgehendeBedrohungfürdieinnereSicherheit.DasFachkonzeptwirdmithinseltenvollständigaufgegriffen.
ImZusammenhangmitderSicherheitkommtesdannzuFehlkonzep-ten,wenndieKomplementaritätzurFreiheitignoriertwird.SoisteseinFehlkonzept,ausschließlichdenSicherheitszweckfürlegitimzuhalten.EsistaberebensoeinFehlkonzept,dieFreiheitzuverabsolutierenunddabeidieSicherheitzuübersehen.
189
7. Fachkonzepte Gemeinwohl
Vernetzung des Fachkonzepts
DasFachkonzeptstehtinengerBeziehungzudenGrundrechten,insbe-sonderezudenFreiheitsrechten.DiesozialeSicherheitweistBezügezumFachkonzeptSozialstaatauf.RechtsstaatlichesHandelnisteinGebotins-besonderefürRegierungeninKrisenzeiten,wenndieBedrohungsteigt.Bedrohungenverweisendarauf,dassMacht ausgeübtundFriedengesi-chert,dieFreiheitgeschütztwerdenmüssen.
Beispielthemen
EinstiegindenKompetenzaufbauistinderGrundschuleüberdasThemaPolizeimöglich.DabeigehtesaberimKernnichtumdieFahrradprüfung,sondernumdieFrage:WieschütztdiePolizeidieBürger/-innen?ÜberdasThemaKriegkanndieäußereSicherheitangesprochenwerden.InderSek IeignensichalleDiskussionenübersicherheitspolitischeGesetzesvor-habenzurBekämpfungvonKriminalitätundTerrorismus.GeeignetsindauchGesetzesvorschlägezurVerschärfungvonStraftatenundzurEinrich-tungvonÜberwachungsmöglichkeiten.InderSekIIsindNotstandsfällediskutierbaroderdieAuseinandersetzungmitdemVerbotvonFlugzeug-abschüssenmöglich.
Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Sicherheit zu Basis- und Fachkonzepten
Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie,Rechtsstaat,Sozialstaat,Grundrechte
Entscheidung Macht,Regierung
Gemeinwohl Freiheit,Menschenwürde,Frieden
Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Sicherheit
Schulstufen BegriffePrimarstufe Polizei,Bundeswehr
SekundarstufeIGewaltmonopol,Kriminalität,Terrorismus,Sozialversicherun-gen,Bildung,Repression,Überwachung,Sicherheitspolitik
SekundarstufeII Notstandsfälle
190
II. Basis- und Fachkonzepte
8. MindeststandardsBildungsstandardssindinDeutschlandbislangalsRegelstandardsformu-liert.SiehabendiedurchschnittlichenLernendenimBlick,dieamEn-debestimmterKlassenstufendasinihnenbeschriebeneKompetenzniveauimNormalfall erreichthaben.Mindeststandards sindhingegen für alleSchüler/-innenverbindlich.InderExpertisevonKliemeu.a.(2003,S.20)wirdder»KonzentrationaufMindeststandards…fürdieQualitätssiche-rungimBildungswesen(entscheidendeBedeutungzugewiesen).Siezieltdaraufab,dassgeradedieLeistungsschwächerennichtzurückgelassenwer-den.JederSchule,jedemLehrendenundjedemLernendensollklarsein,welcheMindesterwartungengestelltwerden.«SieformulierenmithineinRechtaufdenErwerbvongrundlegendenKompetenzenimallgemeinbil-dendenSchulsystemundmüssenschulformübergreifendgelten.DieFor-schungstehthiernochamAnfang,dochderbildungspolitischeDruckaufdieEntwicklungvonMindeststandardsnimmtkontinuierlichzu.
DieGesellschaftfürFachdidaktik(GFD)hateinPositionspapiererstellt,indemZieleundAufgabenvonMindeststandardsskizziertwerden.Dem-zufolgesollensiezumeinen»dasRechtdesEinzelnenaufgrundlegendeBildungfokussieren«undzumanderen»denAnspruchderGesellschaftandie InstitutionSchule [formulieren],dies für jedermannzugewährleis-ten«(GFD,o.J.,S.1).ImPositionspapierderGesellschaftfürFachdidaktikwirddeutlich,dassjedesUnterrichtsfachdieAufgabehat,zudieserBefä-higungderLernendenbeizutragen(GFD,o.J.,S.2).AllgemeindefinierensieeinbasalesNiveau,dasvon(fast)allenSchülerinnenundSchülerner-reichtwerdensollte(Kliemeu.a.,2003,S.25).
IndemGFD-Papierwerdenu.a.fachbezogeneMindeststandardsein-zelnerFächerundfachübergreifendeMindeststandardsallerFächerunter-schieden(GFD,o.J.,S.5).AndieserStellekönnenkonsequenterweisenurfachbezogeneMindeststandards formuliertwerden.AlsBeispiel für dasFachPolitischeBildungwerdenimPositionspapierfolgendeBegriffege-nannt:»Interessenlagen,grundlegendeKonf liktregulierungsmodiundba-salepolitischeStrukturmerkmale(z.B.Gewaltmonopol,Menschenrechte,Subsidiaritätsprinzip)beschreibenundanwenden«(GFD,o.J.,S.7).Die-seBegriffetragenzurKonstruktionderFachkonzepteInteressengruppen,Konf likt,Staat,GrundrechteundSozialstaatbei.DieentscheidendeFra-gefürdiePolitikdidaktikist,welchekonstituierendenBegriffeundFach-konzeptedieSchülerinnenundSchülerunbedingtbenötigen,damit siesich individuell entfaltenundamöffentlichenLebenpartizipierenkön-nen.NachstehendwerdenzunächstderVorschlag fürdieMindeststan-
191
8. Mindeststandards
dardsderPrimarstufeunddarananknüpfendderVorschlagfürdieSekun-darstufeIformuliert.
8.1 Mindeststandards für die Primarstufe
Tabelle 1: Mindeststandards für die Primarstufe
Basiskonzepte Fachkonzepte KonstituierendeBegriffe
Ordnung RepräsentationKlassensprecher/-in,Bürgermeister/-in,Gemeinderat
Demokratie Mehrheitsprinzip,Abstimmung,Diskussion
Staat Polizei,Grenze
Rechtsstaat Staatsanwalt,Verteidiger,Richter,Gesetz
Grundrechte Meinungsfreiheit,Schutz(derPrivatsphäre)
Entscheidung MachtAutorität,Gewalt,Führung,Gehorsam,Verhandlung
ÖffentlichkeitZugang,Partizipation,Privatheit,Amtvs.Person
Wahlen frei,allgemein,gleich,geheim
Parteien Wähler/-innen,Wahlkampf,Interessen
Gemeinwohl Gerechtigkeit Tausch,Leistung
Frieden Waffenstillstand,Krieg
NachhaltigkeitUmweltpolitik,Armut/Reichtum,Generationengerechtigkeit
PolitischeBildungfindetinderPrimarstufevorrangigimFachSachunter-richtstatt(Richter,2007).DasFachhatdiezentraleAufgabe,einenBeitragzurgrundlegendenBildungfüralleSchüler/-innenzuleisten(Köhnlein,2007).DidaktischeBezugspunktesindnebendenPerspektiven(Lernbe-reichen)u.a. dieEntwicklungspsychologie (Weinert&Helmke, 1997),kognitiveLerntheorien (Steiner, 2001)unddie imAlltag vorfindbarenPhänomeneundProbleme(Bosetal.,2003).SiebildendietheoretischeGrundlagefürdieAuswahlvonFachkonzeptenundkonstituierendenBe-griffen,dieinderPrimarstufeimSinnevonMindeststandardsvermitteltwerdensollten:
192
II. Basis- und Fachkonzepte
8.2 Mindeststandards für die Sekundarstufe I
MindeststandardsgeltenunabhängigvonderbesuchtenSchulformfüralleSchüler/-innenamEndederSekundarstufeI.DasWissensollteüberdas»Alltagswissen«,»Allgemeinwissen«oder»Weltwissen«hinausgehen(GFD,o.J.,S.2).EssolltezudemnichteinfachdenunterstenLevelderfachbe-zogenenBildungsstandardsspiegeln,sondernsiesindeigenständigzufor-mulieren.BezügezudenRegelstandardssinderwünscht(GFD,o.J.,S.3).
InderPolitikdidaktikwurdeüberMindeststandards imZusammen-hangmitderBürgerrolle,demsog.Bürgerleitbildbzw.derBürgerkompe-tenzdiskutiert(Buchstein,2002;Gabriel,2004;Detjen,2007),ohneje-dochdenBegriffMindeststandardsdafürzubenutzen.InterventionsfähigeBürger/-innengeltenalsreguläresZielderpolitischenBildung(Weißeno,2007,S.142),derinformierteBürgerals»dasnormativeMinimum«derPolitikkompetenz(Massing,2002,S.46).EinePräzisierungderKompe-tenzenbliebjedochbislangaus.AuchderEuroparatsprichtnurallgemein»vonderBefähigungdesIndividuumszurWahrnehmungeineraktiven,selbstbestimmtenRollealsIndividuum(social agent)sowieeinerdemokra-tischenBürgerrolle(democratic citizenship)«(zit.nachGFD,o.J.,S.3).Den-nochistderinformierteBürgereinBezugspunktfürdieSetzungvonMin-deststandards.EinandererBezugspunktstelltderEinbürgerungstestdar,denAusländer/-innenseit2008inderRegelbestehenmüssen,bevorsiediedeutscheStaatsbürgerschaft erhaltenkönnen (BAMF).DieAuswahlderzubeantwortendenFragenistgleichfallseinenormativeSetzung,dieaufeinverlangtesMinimumanWissenbezogenist.
DiehiererfolgtenormativeSetzungfürdieSekundarstufeIknüpftandie Mindeststandards für die Primarstufe an, die vorausgesetzt werdenundweiterhinbenutztwerdensollen.ZusätzlichwerdenfürjedesFach-konzeptdiekonstituierendenBegriffeausgewählt,dieimSinnevonMin-deststandardsvonallenSchüler/-innenverstandenwerdensollen,d.h.fürdieseAuswahl solldieStufederkonzeptuellenundprozeduralem Civic Literacyerreichtwerden(Kapitel2).
193
8. Mindeststandards
Tabelle 2: Mindeststandards für die Sekundarstufe I
Basiskonzepte Fachkonzepte KonstituierendeBegriffe
Ordnung Demokratie Mehrheitsprinzip,Diskussion,Volksbegehren,Volksentscheid,Mehrparteiensystem
EuropäischeIntegration Binnenmarkt
Gewaltenteilung Zuständigkeit,Kontrolle
Grundrechte Meinungsfreiheit,Schutz(derPrivatsphäre),Pressefreiheit,Ver-sammlungsfreiheit,Vereinigungsfreiheit
InternationaleBe-ziehungen ChartaderVereintenNationen
Markt Güter,Arbeit,Produzent,Konsument,Angebot,Nachfrage,Preisbildung,Wettbewerb,Marktformen
Rechtsstaat Staatsanwalt,Verteidiger/-in,Richter/-in,Gesetz,Bundesverfassungsgericht
Repräsentation Klassensprecher/-in,Bürgermeister/-in,Gemeinderat,freiesMandat,Abgeordneter,Bundespräsident
Sozialstaat Arbeitslosigkeit,Arbeitsmarkt,Migration,Sozialversicherungssystem,Gewerkschaften,Arbeitgeber
Staat Polizei,Grenze,Gewaltmonopol,Staatsbürgerschaft,Staats-volk,Staatsgebiet
Entscheidung Europ.Akteure Europ.Parlament,Europ.Kommission,Ministerrat,Kommissionspräsident
Interessengruppen Einzelinteresse,Gruppeninteresse,Gemeinschaftsinteresse,Lobbying
Konf likt Kompromiss,Interessen,Gewalt,KriegLegitimation Regeln,Mehrheitsentscheidung,Gesetze,WerteMacht Autorität,Gewalt,Führung,Gehorsam,Verhandlung,Akteure
Massenmedien Kommunikation,Information,Manipulation,Nachricht,Kom-mentar,Pressefreiheit
Öffentlichkeit Zugang,Partizipation,Privatheit,öffentlicheMeinungOpposition Kontrollfunktion,Kritikfunktion,Alternativfunktion
Parlament Abstimmung,Partizipation,Gemeinderat,Gesetzgebungspro-zess,Fraktion,Bundestag,Bundesrat,Bundestagspräsident/-in
Parteien Wähler/-innen,Wahlkampf,Interessen,KoalitionsbildungRegierung Bundeskanzler/-in,Vertrauensfrage,Minister/-in
Wahlen Frei,allgemein,gleich,unmittelbar,geheim,Wahlkampf,Kan-didatenaufstellung
Gemeinwohl Freiheit Selbstbestimmung,RegelnFrieden Waffenstillstand,KriegGerechtigkeit Tausch,Leistung,SolidaritätGleichheit Gleichberechtigung,DiskriminierungsverbotMenschenwürde Schutz,Anerkennung,SelbstachtungNachhaltigkeit Umweltpolitik,Armut/Reichtum,GenerationengerechtigkeitÖffentlicheGüter Gut,Nachfrage,Konsum,Steuern
Sicherheit Polizei,Bundeswehr,Kriminalität,Terrorismus,Sozialversicherungen
(IndieserÜbersichtsindalleBegriffederPrimarstufeundausgewählteBegriffederSekundarstufeIent-halten.)
III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«Ein Vorschlag für die Praxis
Grundsätze einer kompetenzorientierten Unterrichts-planung
SeitEinführungvonBildungsstandardsdurchdieKultusministerkonfe-renz stehendieUnterrichtsfächer vor neuenHerausforderungen.Diesewirken sichauchaufdieUnterrichtsplanungaus. ImVerhältnis zu frü-herverlangenBildungsstandardsverstärktdieBerücksichtigungpsycho-logischerGesichtspunkte.Dieswirddaranerkennbar,dassdievondenSchülerinnenundSchülern zu erwerbendenKompetenzenFähigkeitenundFertigkeitenzurBewältigungvonAlltagssituationenseinsollen.Folg-lichspieltdieKonstruktionlernpsychologischgeeigneterAufgabenforma-teeinegroßeRolleimPlanungshandeln.
DerUnterrichtselbstwieauchdieLernaufgabenmüssenaufdieFörderungderfachspezifischenKompetenzzielen,imFallederpolitischenBildungaufdiePolitikkompetenz.DieseinersterLinieauskognitivenFähigkeitenbeste-hendeKompetenzsetztsichzumeinenausinhaltsbezogenenundzumande-renausallgemeinenKompetenzenzusammen.DieinhaltsbezogenenKom-petenzenbeziehensichauffachlicheInhaltedesGegenstandsfeldesPolitik.DieseInhaltewerdendurchBasiskonzepte,Fachkonzepteundkonstituie-rendeBegriffestrukturiert.DieallgemeinenKompetenzenwieKommuni-zieren,Argumentieren,Problemlösen,ModellierenundUrteilenlassensichdagegennichtaufeinUnterrichtsfacheingrenzen.IhreFörderungistallenFächernunddamitselbstverständlichauchdemPolitikunterrichtaufgegeben.
Der Unterricht und die Lernaufgaben haben also möglichst gut dasSpektrum inhaltsbezogener und allgemeiner Kompetenzen widerzu-spiegeln. Denn der kompetenzorientierte Unterricht legt Wert auf dieObjektivierungschulischerBildungsprozesse.BeiderAuswahlvonMate-rialienwiebeiderKonstruktionvonLernaufgabenistmithinkonkretda-raufzuachten,dasssiesichaufdievorabfestgelegtenBasis-undFachkon-zeptebeziehenundkonstituierendeBegriffeenthalten.Zuachtenistauchdarauf,obmitihnenallgemeineKompetenzengefördertwerdenkönnen.EineweiterebedeutsameRollespielenderAnregungsgehaltunddasLern-potentialdesUnterrichtsundderLernaufgaben.
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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«
Schaubild 5: Bei der Unterrichtsplanung zu berücksichtigende Kompetenz-dimen sionen
InhaltsbezogeneKompetenzen
Basiskonzepte,Fachkonzepte,konstituierendeBegriffe
AllgemeineKompetenzen
Kommunizieren,Argumentieren,Problemlösen,Modellieren,Urteilen
(nachBlumetal.,2006)
KompetenzorientiertesUnterrichtenweistaufgrundseinerKonzentrationaufdieBasis-undFachkonzeptesowieaufdiekonstituierendenBegriffeeinestarkeFokussierungaufFachinhalteauf.Dieserfordert,inderUnter-richtsplanungdieFacettenderKonzepteundderkonstituierendenBe-griffemöglichstgenauzubeschreiben.DiesgeschiehtimFolgendenfürjedederbeidenvorgestelltenStundenundjedesTextbeispiel.DieKonzep-teundBegriffelegennämlichdieLernergebnissefest(Weißeno&Eck,2008).KompetenzorientiertesUnterrichtenistferneru.a.daraufbedacht,einensystematischenundnachhaltigenWissensaufbauzufördern.
DassessostarkaufkognitiveLerninhalteankommt,istder»Output«-OrientierungderBildungsstandardszuverdanken.Der»Outcome«anLern-ergebnissensollzudemauchnochgemessenwerdenkönnen.ZumeinenmüssendievermitteltenKompetenzeninAufgabenstellungenumgesetztwerden.ZumanderenmussdaserreichteKompetenzniveaumitHilfevonTestaufgabenempirischerfasstwerdenkönnen.
FürdieUnterrichtsplanungbedeutetdies,dassvomEndederUnter-richtseinheithergedachtwerdenmuss:ZuBeginnmüssendieAufgabenfestgelegtwerden,mitdenenmanamEndedieSchülerleistungenüber-prüfenwill.DieAufgabenmüssendenangestrebtenWissensstandreprä-sentieren.DanachmüssendieQuellenausgewähltwerden,diegenaudiegewünschtenFachkonzepteenthaltenundkontextualisieren.Konntemanbisher einen irgendwie zum Thema passenden Text suchen, gilt es imkompetenzorientiertenUnterricht,TextpassagennachFachkonzeptenundkonstituierendenBegriffenauszuwählen.ErstwennderLehrendeweiß,welcheskonzeptuelleWissenaufgebautwerdensoll,kannerdieübrigenPlanungsentscheidungentreffen,alsoinsbesondereMethoden,Sozialfor-
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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
menundMedienauswählen.DiePlanungsaufgaben»AuswahlderGegen-stände«und»FormulierungderpolitikdidaktischenPerspektive«sindda-gegenschonweitgehendentschiedendurchdieinhaltlichenVorgabendesjeweiligenFachkonzepts unddie es konstituierendenBegriffe (Breit&Weißeno,2008,S.411f ).
BeiderUnterrichtsplanungmussvorallemdarübernachgedachtwerden,welchesKompetenzpotentialineinerUnterrichtsstunde,ineinemText,ineinemFilmoderineinerLernaufgabesteckt.Dasheißtkonkret,dasssichderLehrendedarüberKlarheitzuverschaffenhat,wasvondenLernendeninderUnterrichtsstundebzw.beimBearbeitenderAufgabeerwartetwird,d.h.,welchekognitivenTätigkeitenvonihnenverlangtwerden.KlarheitmussvordemUnterrichtauchdarüberherrschen,wiedieLösungenbzw.ErgebnissehinsichtlichdesjeweilserreichtenNiveauseinzuordnensind.
NocheinmalsollaufdasProblemderTextauswahlhingewiesenwer-den.Esistnotwendig,dieTextenachvorkommendenFachkonzeptenundkonstituierendenBegriffenzuprüfen.Außerdemmüssendiekonstituie-rendenBegriffe in größereKontexte eingebundenundmit einerViel-zahlweitererBegriffeerläutertsein.DadurchwirdeinsemantischesNetzgleichsamalsModellbereitsimTextbeispielvorgestellt,andemsichdieSchüler/-innendurchdieSuchenachReferenten(Ankerbegriffen)ineige-nenBegriffsnetzen abarbeitenkönnen. Je gründlicherdasLernmaterialverarbeitetwird,destoleichterunderfolgreicheristderspätereAbrufdesGelernten.TatsächlicherwerbendieMenschenwährendihresgesamtenLebensneueBegriffe,undderErwerberfolgtdurchdasLesenundBear-beitenvonTexten(Seel,2000,S.174).
Texte sindalsovomLehrendennicht als »Steinbrüche« fürdasmehroderwenigerzufällige,oberf lächlichbleibendeSehenundErkennenvonBegriffeneinzusetzen,sondernnachdengenanntenGesichtspunktenaus-zuwählen.DieswirktsichaufdenUmfangvonTextenaus.EswirdinderRegelnotwendigsein,dieZeitungstexteumdienichtnotwendigenInfor-mationenzukürzen,damitdiezuvermittelndenkonstituierendenBegrif-feumsodeutlicherfürdieLernendenwerden.DerLehrendehatvorabzuklären,obdievorkommendenweiterenBegriffewichtigfürdieStrukturdesFachkonzeptsunddiekonstituierendenBegriffesind,welchekonsti-tuierendenBegriffeernochimLaufedesSchuljahreseinzuführenhat,wieerdieVernetzungmitanderenFach-undBasiskonzeptendurchLernauf-gabenzumTextbeispielanregt.
Ein solches Vorgehen sieht sich den Vorbehalten ausgesetzt, dass ein›Wörterlernen‹nichtzumehrVerständnisführeunddassdasFaktenwissendominiere.DasVerstehenseiwichtigerunddafürmüsstennichtsoviele
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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«
Wörtergelerntwerden.DieAuthentizitätgeheverlorenunddieWirklich-keitwirkekonstruiert.DieseEinwändesindernstzunehmenundzielenzugleichinsoferninsLeere,alsdenLernendenmitdenTextbeispielenMo-dellefürdenAufbaueigenerWissensnetzeangebotenwerden.DieFach-konzeptesinddabeigezieltinvieleWörterübersetzt,diedasWissenderDomänePolitikrepräsentieren,unddiedieSchüler/-innenmitdemindi-viduellenWeltwissenabzugleichenhaben.InsofernwirdfürLehrer/-innenwiefürSchüler/-innentransparent,wasgenaugelerntseinmuss,umer-folgreichdieKlausuroderdenTextzubestehen.UnterrichtenundLernenwerdenleichter.
WichtigbeiderPlanungkompetenzorientiertenUnterrichtsistes,einestrukturierteAbfolge von Instruktionen imSinne einesKompetenzzu-wachseszugewährleisten.WelchekonstituierendenBegriffesindinwel-cherAbfolgemitwelchemMaterialzukonzeptualisieren,umdendefi-niertenWissenszuwachszuerreichen?Dabeimussbeachtetwerden,dasssichneueBegriffemitbereitsbekanntenBegriffeninVerbindungbringenlassen.Weiterhinkommtesdaraufan,dassdasineinerbestimmtenLern-situationerworbeneWissenaufneueLernsituationenübertragenwerdenkann.GrundsätzlichistanMaterialienundLernaufgabendieAnforderungzu stellen,dass sieStoffgebietevernetzen,neueErkenntnisseentdeckenlassenundKommunikationanstoßen(Breit&Weißeno,2008,S.415).
Damit sind aber noch nicht alle Gesichtspunkte behandelt, die beiderAuswahlvonTextenzubeachtensind.DieTextarbeitimUnterrichterfordertmehralsdiegezielteAuswahlderBegriffe.Essindweiterhinmo-tivationaleAspekte,FaktorendesMethodenlernens,dieFormulierungge-eigneterLernaufgaben,derSchwierigkeitsgradeinesTextes,dieAusein-andersetzungmitUrteilenundMeinungen,diePhasedesEinsatzesu.v.m.zuberücksichtigen.DertatsächlicheUnterrichtunddiePlanungsentschei-dungen sindwesentlichkomplexer alshierdargestellt.DieBetrachtunghier ist eingeschränkt auf den Unterricht nach Konzepten, weil es dasNeueist,undderFokusaufdasWissengerichtetist.Damitistauchklar,dassFachkonzepteundkonstituierendeBegriffenichtunterrichtetwer-den.Dieswirdschnelllangweilig.WichtigsindihreAnwendung,anderderLernerfolgzumessenist,undihreEinbettungindas,wasdenUnter-richtinsgesamtausmacht.
Konzeptuelles Lernen über die Europäische Union als TeilzielDieimFolgendenvorgestelltenUnterrichtsstundenführenSchüler/-innenderSekundarstufeIindieArbeiteuropäischerAkteureein.Siezeigendas
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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
ZusammenwirkendereuropäischenInstitutionenamBeispieldergeplan-tenCO2-VerordnungfürAutoabgase.DiezugrundegelegteUnterrichts-methode ist die Fallanalyse. Die Fallanalyse gestattet die Auseinander-setzungmitpolity-,policy-undpolitics-orientiertenFragenzurEuropäischenUnionundfördertdeshalbwiekaumeineandereUnterrichtsmethodediePolitikkompetenz.DieFallanalysestelltdieerforderlichenAnwendungs-situationenfürdasWelt-undFachwissenoptimalbereit.
Ziel derUnterrichtseinheit ist dieVermittlung vonWissenüber dieeuropäischenAkteure,konkretüberdaskomplizierteGef lechtderInstitu-tionenundAkteureimeuropäischenMehrebenensystem.WerdieBefug-nissederEuropäischenUnionversteht,sodieHoffnung,kannihrgegen-übereinepositiveEinstellungentwickeln.
DieLernendensollenimUnterrichtwichtigeBegriffederEuropäischenUnion erwerbenunddamit in dieLage versetztwerden, die täglichenNachrichten zu verstehenund als Folgehiervon ihrenWissensspeicherüberEuropaselbstständigweiterzuentwickeln.Daserworbeneundweiter-entwickelteWissenistdannkommunizierbar.AufderBasisdiesesWissenskönnensieauchverständigüberneueEntwicklungeninderEuropäischenUnionurteilen.DieUnterrichtseinheitfördertalsonichtnurinhaltsbezo-gene,sondernauchallgemeineKompetenzen.
DieUnterrichtseinheitpräsentiertAspektedesFachkonzepts»Europä-ischeAkteure« vor allem inFormvonTexten.Texte entsprechendemgängigenMusteralltäglichenUnterrichtsundsindvielseitigmitanderenUnterrichtsmethodenkombinierbar.IndenTextentauchendiekonstitu-ierendenBegriffewieetwaEuropäischeKommission,EuropäischesParla-ment,Ministerratund (nationale)Regierungen immerwieder auf.AufdieseWeiseentstehenBegriffsnetze,welchedieBedeutungdesFachkon-zepts»EuropäischeAkteure«sowieseinesBeziehungsgefügesaufschließen.DieBegriffsnetzesindauchinsofernwichtig,alssiedasLernendesFach-konzeptswesentlicherleichtern.DenndieBegriffesindimGehirnmitBe-griffsnetzenüberandereFachkonzeptewieetwaeuropäischeIntegration,DemokratieoderGewaltenteilungverknüpft.
Begriffe und BegriffsnetzeLernenalsKonstruktionvonbereichsspezifischenWissensnetzenvollziehtsichinderSchulezumTeilunbewusst,vorallemaberalsFolgegezielterIn-struktioninallenFächern.DieInstruktionsorgtdafür,dassausgewählteIn-halteverschiedenerBereiche(hierderPolitik)erworbenwerden.DieKern-curriculalegendieerforderlichenWissenselementefest(Weißeno,2008b).
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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«
DieInstruktionendesLehrendensorgendafür,dassdieWissenselementeinkonkretenAnwendungssituationenerworbenundvertieftwerden.Daszuvermittelnde»Fachwissen«wirdmithinnichteinfachdargeboten,sondernmussvondenLernendeninAufgabenrichtigangewandtwerden.
VongroßerBedeutungsinddieerwähntenAufgaben.SiedienenderErschließungdiverserSachverhalte,dieindenMaterialienenthaltensind.VorallemaberdienensiederinhaltlichenErschließungderkonstituieren-denBegriffeder jeweiligenFachkonzepte.Siegehenaberauchdarüberhinaus und fordern eineBewertungundBeurteilungder Sachverhalte.Eine Vielzahl von Sachverhalten zur EU bietet genauso Anwendungs-situationenfürdasLernenwiederFall(dieCO2-Verordnung)selbst,deralsgrundsätzlichesProblempräsentiertwird.DerErwerbvonKonzep-tenundvondazugehörendenBegriffsnetzenmit ihrenRelationengibtdenSachverhalteneineüberschaubareStrukturundmachtdengeforder-tenLernprozesstransparent.DerLernendeweiß,wasverlangtwird,undkannseineFehlkonzepteindenLernstandserhebungenleichtererkennen.UnverzichtbarfürdenLernprozessistdasindividuelleFeedbackdesLeh-renden,ohnedassichFehlkonzepteverfestigenoderentstehen.
Die folgendeListe vonkonstituierendenundweiterenBegriffen desFachkonzepts »Europäische Akteure« vermittelt einen Überblick überihrAuftretenindenbeidenhiervorgestelltenStunden.DasFachkonzept»EuropäischeAkteure«wirddurchdieseListe abernichtvollständig imSinneeinespolitikwissenschaftlichenKonstruktsabgebildet,sondernwirdfürdenSchulunterrichtderSekundarstufeI(Klasse9/10)wesentlichre-duziertundzugleicheingeschränkt.Sofehlenz.B.dieBereicheeuropä-ischeAußenpolitik,Regionalpolitik,Agrarpolitik,europäischeParteien,umnureinigezunennen.EskönnenhierausPlatzgründennurwenigeMaterialienfürzweiStundenabgedrucktwerden,umindieGrundsätzedesArbeitensmitFachkonzeptenundBegriffeneinzuführen(zurgesam-tenUnterrichtsreihevgl.Weißeno&Eck,2008;überarbeiteteFassunginhttp://www.politikwiss.ph-karlsruhe.de/teesaec/).
DasfolgendeVerzeichnislistetdiekonstituierendenBegriffedesFach-konzepts »EuropäischeAkteure«proStundeundAufgabe sowieweite-reBegriffeauf,diegleichfallsimTextkorpusderReihevorkommen.AlledieseBegriffe sollten indenLösungenderLernendenkontextuell ver-ständlich(d.h.nichtaufzählendodernennend)vorkommen.EineLösungistbesser,jemehrBegriffesierichtigbenutzt.DarüberhinauswerdendieSchüler/-innenweitere,ihnenausdemUnterrichtoderdemWeltwissenverfügbareBegriffenennen.
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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
Tabelle 3: Verzeichnis der konstituierenden und weiteren Begriffe des Fach-konzepts ›Europäische Akteure‹ in den jeweiligen Lernaufgaben
KonstituierendeundweitereBegriffe
1.StundeAufgaben 2.StundeAufgaben
Autoindustrie 1,4,6 1–5Klimaschutz 1,3,4,6 5EU-Kommissar/-in 1–3EuropäischeUnion 1EuropäischeKommission 1–6 3–5EU-Industriepolitik 4,6 3,5EU-Umweltpolitik 4,6 3,5EU-Verbraucherschutz 6EU-Bürger/-in 1,7EU-Gesetzgebung 4–6 3–7Gesetzesinitiative 1–2,5–6 8NationaleRegierungen 1–2,5 1–5EuropäischesParlament 2,5 3,7Kommissionspräsident 2EuropäischeDemokratie 1 7–9Frieden 1Wohlstand 1EU-Institutionen 2 6NationaleSouveränität 1–4EuropäischesInteresse 2,5 2–3,5NationaleInteressen 1–3Toleranz 1 1–6Erderwärmung 3,4,6Ministerrat 1,5 1–4,6–9Umweltrat 1,4,6
DiekonstituierendenBegriffemüssendieSchüler/-inneninihrenLösun-genbenutzen.DaallekonstituierendenundweiterenBegriffemehrmalsauftreten,habendieLehrendenbeiderKorrekturbzw.beimindividuellenFeedbackdaraufzuachten,dassdieSchüler/-innensieinmöglichstvielenSätzenbenutzen.NursokannderHerausbildungoderVerfestigungvonFehlkonzeptenentgegengewirktwerden.BeiderKorrekturistdesWeite-rendaraufzuachten,dassdiekonstituierendenBegriffenichteinfachnur
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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«
genanntwerden,sondernmitweiterenBegriffenerklärtbzw.verbundenwerden.DasWissensnetzdesLernendenwirdnicht ineinemSatzodereinerAntwortsichtbar.
Die Unterrichtseinheit
Erste Stunde: Die plante CO2-Verordnung der Europäischen Union
VorgestelltwirdderInhaltdergeplantenVerordnungzurVerringerungdesCO2-AusstoßesvonAutos.DieVerordnungwirdbegründetmitderNot-wendigkeitdesKlimaschutzesimZeichendesKlimawandels.DieEUmusshierdieBeschlüsseimKyoto-Protokollumsetzen.DadieEU-Kommissionund die EU-Kommissare den Gesetzgebungsprozess initiieren (Initiativ-recht),wirdihreBedeutunggrundsätzlicherklärt.Außerdemwirdgeklärt,wasdie»EuropäischeUnion«ist.UnionundKommissionsindaufdenkon-kretenFall (MethodeFallanalyse)zubeziehen.Die Institutionenwerdennichtabstraktvorgestellt,sondernimTagesgeschäftbeiderArbeitgezeigt.
Material 1
CO2-Schleudern in der EU − Verheugen blockt(nach Meldungen vom Dezember 2007)
DieEU-Kommissionhat ihreVorschlägeüberneueKlimaschutzauf la-genfürdieAutoindustriewegeneinesheftigenStreitsinderKommissi-onverschoben.UmweltkommissarStavrosDimasundIndustriekommissarGünterVerheugenkonntensichnichteinigendarüber,obdieBegrenzungdesTreibhausgasausstoßesrechtlichverbindlichwerdensolle,hießes.DerKommissionspräsidentJoseManuelBarrosohatdeshalbdieEntscheidungverschoben.
DimasundVerheugenliefernsichbereitsseiteinigenTageneineunge-wöhnlichöffentlicheAuseinandersetzungdarüber,wiestarkdieAutoher-steller beimKlimaschutz in die Pf licht genommenwerden sollen.DerUmweltkommissar Dimas wollte am Mittwoch eine Gesetzesinitiativeankündigen,umbindendeVorgabenzumerlaubtenAusstoßvonTreib-hausgasenbeiAutoszuerlassen.DieEU-Staatensolltenverpf lichtetwer-den,ab2012Autosnurnochneuzuzulassen,wennihrDurchschnittsaus-stoßhöchstens130GrammKohlendioxid(CO2)proKilometererreicht.JederEU-Staat sollte selbst entscheiden,mitwelchenMaßnahmenund
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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
VorschriftenerdiesesZielerreicht.MitdiesemGesetz solltedarauf re-agiertwerden,dassdieAutoindustrieihrefrüherenZusagenfüreinefrei-willigeSenkungdesAusstoßesvonTreibhausgasennichteinhält.
DerIndustriekommissarVerheugenunterstütztzwardasZielderRicht-größevon130Gramm,erwillsieaberübereinbreitesPaketvonMaßnah-menerreichen,wieetwaeineSchulungvonFahrern,bessereVerkehrsfüh-rungundmodernereReifen.
Material 2
Die Europäische Kommission
DieEuropäischeKommissionnimmtinderEuropäischenUnioninetwadieFunktioneneinerRegierungwahr.Sieisteinüberstaatlichesundun-abhängigesOrgan,dasnichtdie InteresseneinesbestimmtenMitglied-sstaates, sonderndie InteressendergesamtenEuropäischenUnion(EU)vertritt.DieEuropäischeKommissiongiltals»Motor«derEU.
NursiekannGesetzesvorlagenmachen(RechtzurGesetzesinitiative),dieinderEUbeschlossenwerden.SiesorgtalsausführendesOrgan(Exe-kutive)fürdieUmsetzungderGesetze.SieüberwachtdieEinhaltungdereuropäischenVerträgeundverhandeltmitLändern,diemitderEUeinAbkommenschließenoderMitgliedderEUwerdenwollen.
DieMitgliederderKommissionkannmanauch»Kommissare«nennen.JederKommissaristfüreinbestimmtesSachgebietzuständig(z.B.Land-wirtschaft,Finanzenetc.).EshandeltsichumPersönlichkeiten,diezuvorinihremjeweiligenHerkunftslandeinpolitischesAmt–oftalsMinister–ausgeübthaben.AlsMitgliederderKommissionsindsieaberverpf lichtet,imInteressedergesamtenUnionzuhandeln,unddürfenkeineAnweisun-genvonnationalenRegierungenannehmen.DieNeubesetzungderKom-missionerfolgtallefünfJahrenachderWahldesEuropäischenParlaments.Dabeiwirdfolgendermaßenvorgegangen:
DieRegierungschefsderMitgliedstaatenbestimmengemeinsamdenneuenPräsidentenderKommission.DerKommissionspräsidentmusszu-sätzlichvomEuropäischenParlamentbestätigtwerden.ZurzeitistdiesderPortugieseJoséManuelBarroso.
DervorgesehenePräsidentderKommissionwähltdanninGesprächenmitdenRegierungenderMitgliedstaatendieanderen27MitgliederderKommissionaus.JedesMitgliedslandstellteinenKommissar.
DasneueParlamentbefragtdaraufhinalle27Mitgliederundgibtsei-neStellungnahmezumgesamtenKollegiumab.ImFallederZustimmung
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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«
kanndieneueKommissionam1.JanuardesfolgendenJahresihrAmtauf-nehmen.(Quelle: http://europa.eu/institutions/inst/comm/index_de.htm,22.5.2008)
DieEuropäischeUnion(EU)isteinZusammenschlussdemokratischereuropäischerLänder,diesichderWahrungdesFriedensunddemStrebennachWohlstandverschriebenhaben.SieverstehtsichnichtalseinneuerStaat,derandieStellebestehenderStaatentritt.AllerdingsistdieEuropä-ischeUnionauchmehralsallesonstigeninternationalenOrganisationen.DieEUistbesonders,weildieMitgliedstaatengemeinsameeuropäischeOrganeeingerichtethaben,denen sieTeile ihrereigenenZuständigkeitübertragenhaben.SosollenineuropäischenAngelegenheitendemokrati-scheEntscheidungengetroffenwerdenkönnen.
InunsererdurchglobaleVerf lechtungengekennzeichnetenWeltdes21. JahrhundertsistesfürjedeneuropäischenBürgerimmerwichtiger,mitMenschenausanderenLändernimGeistderAufgeschlossenheit,ToleranzundSolidaritätzusammenzuarbeiten.(Quelle:http://europa.eu/scadplus/glossary/european_commission_de.htm)
Lernaufgaben
1. WasistdieEuropäischeUnion(EU)?MitwelchenZielenwurdesiege-gründet?
2. WasistdieKommission?IstdieKommissionsoetwaswieeineRegie-rungderEU?
3. WassindTreibhausgaseundwasbewirkensie?WelcherZusammenhangbestehtzwischendemTreibhauseffektunddergeplantenCO2-RichtliniefürAutoabgase?
4. DimasundVerheugensindKommissare.WassindKommissare?Waswol-lendiebeidenKommissareundwarumisteineEinigungwichtig?WasistdasProblem?
5. Die Kommission hat das Recht zur Gesetzesinitiative für eine CO2-Richtlinie.Wasbedeutetdas?
6. SolldieKommissionMaßnahmengegendieAutoabgaseergreifen?Wasmeint Ihr?Wägt ab und begründet Eure Meinung. (Hier ist DeineMeinung gefragt zu allenProblemen, die in denTexten angesprochensind.)
7. Findet die Gesetzesinitiative der Kommission die Zustimmung derBürger/-innen?WasmeintIhr?WägtabundbegründetEureMeinung.
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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
Zweite Stunde: Die Verordnung im Ministerrat
VorgestelltwerdendiekontroversenReaktionenimMinisterrataufdenVerordnungsentwurfderKommission.NationaleInteressenberuhenimkonkretenFallstarkaufderinDeutschlandvorhandenenAutoindustrie,wenigeraufdemEinf lussderUmweltschutzverbände.OhneZustimmungdesMinisterratskannkeinGesetzverabschiedetwerden.Es istwichtig,Allianzenzuschmieden,daeinzelneLänderüberstimmtwerdenkönnen.DeshalbwerdenauchzentraleBefugnissedesMinisterrats,der auchalsUmweltrattagtunddortaufderEbenederFachministerdieBeschluss-fassungvorbereitet,erklärt.MitdemMinisterratwirdeinzentralesOr-gandesGesetzgebungsprozessesbeiderArbeitaneinergeplantenVerord-nunggezeigt.
Material 1
Die Verordnung im Ministerrat EU-Regierungen uneinig über CO2-Pläne für Autos Erschienen: Dienstag 4. März 2008
EineersteDebatteunterdenMinisterndesUmweltratsvom3.März2008über den Kommissionsvorschlag zur Begrenzung von Emissionen vonFahrzeugenvonDezember2007zeigteeinedeutlicheUneinigkeitzwi-schenDeutschlandundFrankreich.
DerDisputkonzentriertesichaufdieFrage,wievielderLastderdurch-schnittlichenEmissionssenkungvonHerstellernkleinerFahrzeugegetra-genwerdensollte,diehauptsächlichihrenStandortinFrankreichundIta-lienhaben,undwievielgroßeHersteller,beispielsweiseausDeutschlandoderSchweden,tragensollten.
Großbritannienwiederumvertrat einenalternativenAnsatzund for-derte›leichtereBemühungenvon25%vonjedemEinzelnen‹,wobeije-dochNischenmärktewieRollsRoyceundBentleyeineAusnahmebil-densollten.
DieUmweltminister sind sichweiterhin uneinig über dieHöhe derStrafenfürHersteller,dieihreindividuellenZielenichterreichenkönnen.Einigesagen,dieKommissionsvorschlägeseinen›unverhältnismäßig‹undwürdensowohlzuPreisanstiegenalsauchzueinerlangsamerenErneue-rungdesbestehendenFahrzeugparksführen.(Quelle: http://www.euractiv.com/de/verkehr/eu-regierungen-uneinig-co2-plane-autos/article-170724,25.5.2008)
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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«
BundeskanzlerinAngelaMerkelsagteinBerlin,derVorstoßvonKommis-sionspräsidentJoséManuelBarrosogehezuLastenDeutschlandsundderdeutschenIndustrie.»Dahersindwirnichtzufrieden.«DereingeschlageneWegderKommissionseinichtsinnvoll.RegierungssprecherThomasStegergänzte,dassdiedeutschenHerstellerschwererAutosesnichtschafften,dieEU-Vorgabenzuerfüllen.DerVorschlaghaltesichnichtanbisherigeAbsprachen.ÜberdasThemawerdenuninBrüsselzuredensein,sagteSteg.»FürdieBundesregierungistdiesesVerhaltenderEU-Kommissionnichterklärlich.«(Quelle:DieZeitonline20.12.2007http://www.zeit.de/online/2007/52/streit-co2-berlin-bruessel)
DerfranzösischeUmweltministerJean-LouisBorlookritisiertedendeut-schenVorschlageinesSystems,nachdem schwerereAutosdieUmweltstärkerverschmutzendürftenalsandere.DerfranzösischeUmweltminis-tersagtederFinancialTimesam14.November2007,nichtsrechtfertigedieIdee,einemKäufereinesgrößerenFahrzeugeseingrößeresRechtaufVerschmutzungeinzuräumen.
Borloo sagte, der deutscheVorschlagwürde denMarkt für kleinereFahrzeugeeinschränkenunddieHerstellungvonschwererenAutosbe-günstigen,anstattinnovativeTechnologienzufördern,diedaraufabziel-ten,schwerereFahrzeugeleichterzumachen.(Quelle: http://www.euractiv.com/de/verkehr/eu-emissionsregeln-autos-zeigen-kluft-zwischen-deutschland-frankreich/article-168433,25.5.2008)
Material 2
Der Ministerrat
DerRatderUnion(MinisterratoderRat)istdieobersteEntscheidungs-instanzderEuropäischenUnion.ErtrittaufEbenederMinisterderMit-gliedstaatenzusammenundbildetsomitdieInstitutionderUnion,inderdieRegierungenderMitgliedstaatenvertretensind.
DerRattagtinunterschiedlichenZusammensetzungen(insgesamt9)undvereinigtsodiezuständigenMinisterderMitgliedstaatenfürdieje-weiligenBereiche(AllgemeineAngelegenheitenundAußenbeziehungen,WirtschaftundFinanzen,Beschäftigung,Sozialpolitik,GesundheitundVerbraucherschutz,Wettbewerbsfähigkeit,ZusammenarbeitindenBerei-chenJustizundInneres,Verkehr,TelekommunikationundEnergie,Land-wirtschaftundFischerei,Umwelt,Bildung,JugendundKultur).
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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
Der Rat übt gemeinsam mit dem Parlament die Rechtssetzungs- undHaushaltsbefugnisseaus.ZumeistentscheidetderRatgemeinsammitdemEuropäischenParlamentaufVorschlagderKommission.(Quelle: http://europa.eu/scadplus/glossary/eu_council_de.htm,25.5.2008)
Lernaufgaben
1. DieUmweltministersindsichnichteinigüberdenGesetzesvorschlagderKommission.WasverlangtDeutschland?WasverlangtFrankreich?
2. WelcheInteressenvertrittDeutschland?WelcheFrankreich?3. InvielenLändernEuropaswerdenAutosgebaut.NichtnurinDeutsch-
land.WasmeinstDu:WerdendieanderenLänderDeutschlandoderdieEuropäische Kommission unterstützen?Wäge ab und begründe DeineMeinung.
4. WiebeurteilstDudasVerhaltenDeutschlandsundGroßbritanniens imMinisterrat.WägeabundbegründeDeineMeinung.
5. AlleLänderwollenmehrKlimaschutz.IstdasdeutscheInteresseoderdaseuropäischeInteressederKommissionmitdenZielendesKlimaschutzesvereinbar?WägeabundbegründeDeineMeinung.
6. WasistderMinisterratundwasderUmweltrat?7. WelcheBefugnissehateinMinisterrat?8. WasmeinstDu:HatderMinisterratvielMacht?Wägeabundbegründe
DeineMeinung.9. MüssenMinisterratundKommissioneinerMeinungsein?Wägeabund
begründeDeineMeinung.
Fachkonzepte in Schülerlösungen
ImFolgendenwerdenderMusterlösungfürFrage1ausdererstenStun-de drei Schülerlösungen kontrastierend und illustrierend gegenüberge-stellt.DieseSchülerlösungen sind imRahmeneiner Interventionsstudie(Weißeno&Eck,2009)verfasstundausgewertetworden.DenamProjektteilnehmendenSchüler/-innenwar es untersagt, aus denvorgegebenenTextenabzuschreiben.Siewarenaufgefordert,ihreneigenenKontextzukreierenunddabeidieBegrifferichtiganzuwenden.DerVergleichzwi-schenderMusterlösungunddenSchülerantwortenzeigt,dassdiezugrun-deliegendeFrageoffensichtlichaufeinemangemessenenNiveaufürLer-nendederSekundarstufeIformuliertwordenist.
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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«
DieAntwortenverdeutlichen zugleich,wiederOutcome fürdieLeh-rendenbewertbarwird.DenndiedreiSchüler/-innenbenutzeneinzel-neBegriffedesFachkonzepts, sowieesdurchdieMaterialienangelegtist.DieBegriffewerdenimfachlichenZusammenhangindividuellerläu-tertundgehenüberdieTextehinaus.DaseigeneWissensnetzscheinthierzumindestpunktuellauf.DerLehrendemussesdannaberauchbeiseinerBewertungerkennen.DieunterschiedlicheQualitätderLösungen(einegute,eineschlechte,einemittlere)wirdimFolgendengezeigtundsolldieSpannbreitederVerwendungderFachkonzepteillustrieren.MusterlösungundSchülerlösungbeziehensichaufLernaufgabe1:WasistdieEU?MitwelchenZielenwurdesiegegründet?
Musterlösung
Mitglieder der Europäischen Union können nur demokratische Staa-tenwerden.SieistwenigeralseinStaat,abermehralseineinternationaleOrganisation:BeidemZusammenschlussistkeinneuerStaatentstanden,derdieanderenStaatenersetzt, sonderndieMitgliedsländerbleibenmitihrennationalenRegierungenerhalten.ImGegensatzzuinternationalenOrganisationenhatdieEUabereigeneOrgane,denendieMitgliedsländereigeneEntscheidungskompetenzenübertragenhaben.ZielederEUsindwirtschaftlicherWohlstand,Frieden(GründungunterdemEindruckdesZweitenWeltkriegs)unddieEinhaltungdemokratischerWerte(Toleranz).SieistaucheineAntwortaufdieGlobalisierung,dieeinsolidarischesZu-sammenarbeitenerfordert.DieMusterlösungbehandeltschwerpunktmäßigMaterial2,aberauchBegriffeausMaterial1könnenverwendetwerden.
Schülerlösungen aus Klasse 205
Schülerantwort (sm 73)
»DieZielederEUsindeinheitlicheGesetzeundRichtlinien,zurStärkungderWirtschaft,derErleichterungdesgrenzüberschreitendenReisens,zumUmweltschutzetc.DieEUbestehtausderzeit27MitgliedernundhateinegemeinsameKommission,einMinisterratundandereLegislative.UngefährdieHälftederGesetzeinDeutschlandwirdeuropaweitbeschlossen.DieEUbildetkeinenneuenStaatundhabeneigeneOrgane.Essolleinwirtschaftli-cherWohlstand,FriedeninEuropaunddieEinhaltungderdemokratischenWerteerreichtwerden.DiesbildetdieAntwortaufdieGlobalisierung.«
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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
Kommentar
In dieser Antwort werden die konstituierenden Begriffe EuropäischeUnion,Gesetze,Klima-bzw.Umweltschutz, europäischeKommission,Ministerrat, Europäisches Parlament (Legislative), Staat bzw. nationaleRegierung,Demokratie,Frieden,WohlstandundToleranzbzw.WerteineinersehreigenständigenVerarbeitungbenutzt.DieVielzahlangeforder-tenBegriffenergibteinfachlichrichtigesundkomplexesBegriffsnetz,dasdurchdieindenSätzenhergestelltenRelationensichtbarwird.Einekon-zeptuelleCivic Literacyistvorhanden(vgl.KapitelI,1).
Schülerantwort (sn 74)
»InderEUarbeitenverschiedenedemokratischeeuropäischeStaatenzu-sammen,welchesichalsZielgesetzthabendenFriedenaufderWeltzusi-chernundWohlstandinihreStaatenzubringen.«
Kommentar
DieLösungweistsehrwenigekonstituierendeBegriffeauf:EuropäischeUnion, Staaten bzw. nationale Regierungen, Frieden, Wohlstand. DieDarstellungistmehraufzählendbzw.nennendundwürdesomitineinerschulischenLernstandserhebungehereineschwacheLeistungdarstellen.DiefunktionaleCivic Literacywirdhiermitdeutlich.
Schülerantwort (sw 82)
»DieEUisteineVereinigungmehrererdemokratischer,europäischerStaa-ten, die den Frieden wahren, demokratische Werte einhalten und denWohlstanderhaltenwollen.DieStaatenwerdenvonihrnichtersetzt,sieEUist»nur«eineErgänzung,dietrotzdemeigenständigeOrganebesitzt.ZudemistsieeineAntwortaufdieGlobalisierung.«
Kommentar
DieLösunggehtaufdiekonstituierendenBegriffeEuropäischeUnion,Staatenbzw.nationaleRegierungen,Demokratie,Frieden,Wohlstand,Toleranzbzw.Werteein.HieristdieAnzahlderverwendetenBegrif-feehernochdurchschnittlich.AberteilweisewerdendieBegriffeauf-gezählt(funktionaleCivic Literacy)undnurimzweitenSatzdurcheine
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komplexere fachlicheBeziehung (konzeptuelleCivic Literacy) verbun-den.
WertetmanalleSchülerlösungenderKlasse205statistischmitdemPro-grammHIMATTvonderUniversitätFreiburgaus,sohatmandieMög-lichkeit,sicheinstatistischabgesichertesBegriffsnetzausgebenzulassen.DieAnalysenveranschaulichen,dassLernendebeiderBearbeitungvonLernaufgabenaufgemeinsameFachkonzepteundBegriffezurückgreifen.DieBegriffsweltderIndividuenistindenPunkten,diedasFachwissenbe-treffen,vergleichbar.DiewichtigenBegriffewurdenvonderKlasseins-gesamtgutbeiderLösungdieserAufgabebenutzt.Anderekamenhinzu,wieGlobalisierung,AntwortoderWirtschaft,was fürdenZusammen-hangdergegebenenAufgabenstellungunwichtigist,aberderempirischenWirklichkeitnahekommt.Eszeigtsich,dasssowohldieZusammenhängederBegriffegesehenalsauchdieinderMusterlösungaufgezeigtenAnfor-derungenerfülltsind.UnbeschadetderunterschiedlichenQualitäteinzel-nerLösungenwirdvonderKlasse205insgesamteinimSinnederMuster-lösunggutesBegriffsnetzerstellt.BegriffslernenistzwareinindividuellerKonstruktionsprozess,aberdieErgebnissesindfüreineKlasseundvieleIndividuenvergleichbar.
Schaubild 6: Ungewichtetes Klassennetz A zu »europäische Akteure« (205)
Antwort
Zusammenschluss
WahrungFrieden
Mitgliedsstaaten
Ziele Organe
Europa
Wirtschaft
Streben
WohlstandStaaten
EU
Globalisierung
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Schaubild 7: Ungewichtetes Klassennetz B zu »europäische Akteure« (205)
Antwort
Zusammenschluss
Wahrung
FriedenMitgliedsstaaten
Ziele
Organe
Europa
Wirtschaft
Streben
Wohlstand
Staaten
EU
Globalisierung
Literatur
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Literatur
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