kreuzweg ist kreuz-nachfolge - dr-quernheim.de · 3 liebe leserinnen undleser, m it diesem kleinen...
Post on 17-Sep-2018
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Der Kreuzweg in der Krypta
des Bergklosters Bestwig
Kreuzweg
ist
Kreuz-Nachfolge
Herausgeber: Schwestern der hl. Maria Magdalena PostelBergkloster59909 BestwigE-Mail: orden@smmp.dewww.smmp.de
Texte: Agnes ScholtenWolfgang Acht
Layout: Dr. Mechthild Quernheim
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L I EB E LESER INNEN UND LESER,
Mit diesem kleinen Heft wollen wir Ihnen denKreuzweg aus der Krypta des Bergklosters Best-
wig vorstellen. Dazu haben Agnes Scholten und PfarrerJosef Acht aus Aachen einen Text verfasst - eine unge-wöhnliche und sehr persönliche Annäherung an dasThema Kreuzweg.
Sie haben ihre Begegnung mit dem Kreuzweg so aufge-baut, dass am Anfang jeder Station ein Bibelwort undein kurzer Impuls stehen, die in das Passions-Gescheheneinführen. Daran schließt sich eine meditative Interpre-tation des Bildes an. In dem kursiv gedruckten Teil desTextes formulieren die beiden Anfragen an unser persön-liches Handeln. Jede Station endet mit einem kurzenGebet, das unterhalb des Bildes steht.
An dieser Stelle möchte ich den beiden Verfassern sehrherzlich für ihre Deutung danken, die sicher viele Lese-rinnen und Leser bereichern und zur weiteren Ausein-andersetzung anregen wird.
Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich, dass siesich mit hineinnehmen lassen in die Tiefe der bild-
haften Darstellungen und der meditativen Texte.
Sr. Aloisia HöingGeneraloberin
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG
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E I N WORT ZUVOR
Die Begegnung mit dem von H. G. Bücker gestaltetenKreuzweg in der Krypta des Bergklosters der
Schwestern der heiligen Magdalena Postel war nichtohne Folgen. Die Betrachtung machte uns neugierig.Eine erste Deutung durch eine der Schwestern gab unsweitere Hinweise und führte uns noch tiefer in die Bilder hinein. Als wir unsere Gedanken äußerten, wurden wir von der jetzigen Generaloberin SchwesterAloisia Höing gebeten, sie niederzuschreiben. Wir folg-ten diesem Aufruf gerne, denn wer dem Kreuzwegunseres Herrn Jesus Christus zu folgen versucht, kannnicht unberührt bleiben. Er sucht ihm und dem Gesche-hen näher zu kommen und möchte das Dargestellte undGemeinte tiefer verstehen.
Nun sind schon zehn Jahre nach der ersten Niederschriftder Gedanken, Hinweise und Impulse zum Kreuzwegvergangen. Der Text lag bisher in der Krypta für dieBesucher aus und soll nun für einen größeren Kreiszugänglich werden. Es freut uns, dass das Interesse ander Niederschrift bleibend ist. Das entspricht der Anzie-hungskraft des Kreuzweges, der herausfordert undneugierig macht.
Unsere Gedanken wollten von Anfang an keineFestlegung vornehmen. Sie beanspruchen auch
keine Vollständigkeit. Sie haben einladenden Charakterund möchten zum Nachvollzug bewegen und fragendund tastend nachdenklich machen. Es geht in allem umden Anspruch zur Kreuznachfolge, um die Frage, woder je eigene Platz innerhalb der Darstellungen und imalltäglichen Nachvollzug ist.
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Als wir in wenigen Tagen den Text niederschrieben,war es nicht möglich, alle Impulse und Symbole derBilder zu erfassen und ins Wort zu bringen. So kannnur angedeutet werden, dass die Scheibenstruktur derStationen an eine Vollendungs- und Bundesidee erin-nert und auf Christus in seinem Leiden, Sterben undAuferstehen hinweist. »Deinen Tod, o Herr, verkündenwir, und deine Auferstehung preisen wir, bis dukommst in Herrlichkeit«, so beten wir in der Eucharis-tie, auch in der Krypta, wo der Kreuzweg hängt.
Die Freude an den Bildern, die Tiefe der Darstellun-gen und die überraschenden Formen der einzel-
nen Stationen, besonders der drei Stationen, die denFall unter dem Kreuz darstellen, sind in uns immernoch frisch, auch nach zehn Jahren und häufigemSchauen. Das ist seine Qualität und seine Herausforde-rung, die wir immer noch schätzen und von der wirhoffen, dass sie viele Betrachter und Gottesdienstbesu-cher ermutigt, ihren eigenen Zugang zu diesem Kreuz-weg zu finden.
Unser persönlicher Dank gilt dem Künstler für seintiefes und ansprechendes Meditationswerk und denSchwestern für ihre Gastfreundschaft und den Druckunserer Gedanken, Hinweise und Impulse.
Agnes Scholten Wolfgang Acht, Pfarrer
Aachen, im Dezember 2001
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 1. STATION
JESUS WIRD ZUM TOD VERURTEILT
Ein »erhöhter« Pilatussitzt auf einem Thron
vor Jesus. Seine linkeHand zeigt deutlichAbweisung. Seine rechteHand scheint sich abzu-stützen, gar festzuhalten.Die Wahrheit, die ihm inJesus entgegentritt, istPilatus suspekt. Er willihn loswerden, ihn ab-schieben, ihn aus demWeg räumen, um sichnicht mit ihm auseinan-der setzen zu müssen.
Jesus aber steht »gerad-linig« vor ihm, als
»Ecce homo« mit Purpur-mantel und Dornenkrone- und schweigt. Der Er-niedrigte ist der Erhöhte -und er ragt über das Bildhinaus. Der Gebundenesprengt das Bild undsprengt die Selbstsicher-heit des Pilatus.
ABGESCHOBEN
»Verachtet war er und von den Menschen gemieden,ein Mann der Schmerzen, leiderfahren.« Jes 53,3
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Stellen wir uns derWahrheit, die uns in
Jesus begegnet?
Schieben wir die Wahrheitab, oder sagen wir sieweiter?
Wiegen wir uns inSelbstsicherheit
gegenüber anderen Men-schen, in denen uns Chris-tus begegnet?
Stehen wir zur Wahrheit,wie Jesus es tat?
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HERR, DU HAST ES ERTRAGEN,DASS MAN DICH ALS DIE WAHRHEIT ABLEHNTE.
DU HAST DIE ERNIEDRIGUNG DES TODESURTEILS ERTRAGEN.
WIR BITTEN DICH:BEWAHRE UNS VOR VERLETZUNGEN, ABGESCHOBENSEIN
UND IGNORANZ DURCH MITMENSCHEN.HILF UNS, DASS WIR UNS NICHT ABHÄNGIG MACHEN VON
MENSCHEN, DIE MÄCHTIG SIND UND ANDERE IN IHRER
MEINUNG BEEINFLUSSEN. LASS UNS WACH UND KRITISCH
SEIN UND LASS NICHT ZU, DASS WIR ANDERE VERURTEILEN,NUR WEIL DIE MÄCHTIGEN UND MEINUNGSMACHER ES SO
WOLLEN. LASS UNS ZEUGEN DEINER WAHRHEIT WERDEN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 2. STATION
JESUS NIMMT DAS SCHWERE KREUZ AUF DIE SCHU
Ein »überragendes«Kreuz wird von Jesus
umgriffen. Er nimmt esganz auf sich - für uns.Er stellt sich stützend hin,die Füße auseinandergestellt, um unsere Lastenim Kreuz zu tragen.
Das Kreuz ist »überra-gend«, weil die Sünde,die Not der Menschen,das Leid der Vielen großsind. Er stellt sich zudiesem Kreuz.
Das Kreuz »durch-kreuzt« alles - das
Bild, uns selbst, auch JesuLeben.
AUFGEBÜRDET
»Unsere Krankheiten hat er getragen,unsere Schmerzen auf sich genommen.« Jes 53,4
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Wie stelle ich mich zumKreuz?
Wem bürde ich mein Kreuzauf, indem ich nur meinLeid sehe?
Verdränge ich meinKreuz im Leben oder
erfasse ich es mutig mitihm?
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ULTERN
WIR DANKEN DIR, HERR JESUS CHRISTUS,DASS DU FÜR UNS DAS KREUZ GETRAGEN HAST
UND ES AUCH HEUTE MIT UNS TRÄGST.
WIR BITTEN DICH:HILF UNS, DEM KREUZ,DAS SICH UNS IN DEN WEG STELLT,NICHT AUSZUWEICHEN, SONDERN ES AUS DEINER KRAFT ZU TRAGEN.LASS UNS DENEN NAHE SEIN,DIE IHR KREUZ ANNEHMEN, UND DENEN, DIE SICH DAGEGEN WEHREN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 3. STATION
JESUS FÄLLT ZUM ERSTEN MAL UNTER DEM
ERNIEDR IGT
»...durch seine Striemenist uns Heilung geworden...« Jes 53,5
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Sie haben ihn demErdboden gleichge-
macht. Sie haben ihn soerniedrigt, dass er zuBoden geht.
Die Hände, die sich stüt-zen wollen, gehen insLeere. Es scheinen alleLasten auf ihm zu liegen.
Sein Blick geht dennochnach vorne. Er will
seinen Weg weitergehen.
Welche Last drücktmich zu Boden?
Was gibt mir die Kraft,dennoch weiterzugehen? (»Sucht, wo Christus ist.«vgl. Kol 3,1)
Wem dränge ich un-berechtigt meine
Lasten auf?
Wem gebe ich Hoffnungzum Weitergehen durchMittragen seiner Last?
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HERR, DU BIST AUF DEM WEG NACH GOLGOTA
UNTER UNSEREN LASTEN ZUSAMMENGEBROCHEN
UND HAST DICH DENNOCH WIEDER AUFGERICHTET, UM DEN WEG DER ERLÖSUNG WEITERZUGEHEN.
WIR BITTEN DICH:HILF UNS, DIE ERNIEDRIGTEN AUFZUHEBEN, IHRE LASTEN ZU TEILEN UND IHNEN KEINE NEUE LAST
AUFZUBÜRDEN.LASS UNS DICH IM BLICK HALTEN, WENN WIR SELBST
ZUSAMMENBRECHEN ODER ERNIEDRIGT WERDEN,DAMIT WIR WEITERGEHEN KÖNNEN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 4. STATION
JESUS BEGEGNET SEINER MUTTER
Sie möchte den Ernie-drigten auffangen. Mit
ausgebreiteten Armengeht sie ihm entgegen.
Tief ist sie beteiligt anseinem Geschick undwird ihm ähnlich in ihrerKreuzhaltung.
Er ist zum erstenmalnicht sichtbar im Bild,
weil er in ihr und in ihrerHaltung sichtbar wird.
Sie bringt ihn durch ihreHaltung ins Bild.
ANGESEHEN
»Wer den Willen meines Vaters tut,ist mir Schwester, Bruder und Mutter.« Mk 3,35
12
Kann ich der Not mitganzem Herzen ins
Auge sehen?
Bin ich bereit, solidarischmit den Armen und Leiden-den zu sein, damit sie Anse-hen in unserer Gesellschafterhalten?
Lasse ich immer meinHerz sprechen, wenn ich
gebraucht werde?
Bewahre ich Wort und TatJesu in meinem Herzen, wiees Maria tat?
13
HERR, DEINE MUTTER IST DIR NAHE
AUF DEM KREUZWEG. MIT IHR WEIßT DU DICH EINS
IM JA ZUM WILLEN GOTTES.
WIR BITTEN DICH:SCHENKE UNS EIN OFFENES HERZ
FÜR DIE NOT DER MENSCHEN. LASS UNS, WIE MARIA, MIT OFFENEN ARMEN
UND IN GROßER BEREITSCHAFT AUF ANDERE ZUGEHEN. LASS UNS MIT IHNEN SOLIDARISCH SEIN, WIE DU ES MIT UNS GEWORDEN BIST, DAMIT SIE
AUFGERICHTET WERDEN UND HALT FINDEN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 5. STATION
SIMON VON CYRENE HILFT JESUS DAS KREUZ
Wie Jesus in derAnnahme des
Kreuzes, so umgreiftSimon das übergroßeKreuz, und wie Jesus hater seine Füße stützendauseinander gestellt.
Stark und kräftig steht ervor uns und schaut unsan, als wolle er uns auf-fordern, mit ihm zu tra-gen. Mit seinem bloßenOberkörper steht erschutzlos unter dem ihmaufgezwungenen Kreuz.
Er scheint sich mit demKreuz übernommen
zu haben, doch in derÜbernahme spürt er seineganze Kraft.
Die Gleichförmigkeitseiner umgreifendenGeste und seiner stand-festen Füße lässt JesusChristus in ihm aufschei-nen, der hier nicht darge-
ÜBERNOMMEN
»Wer zu mir gehören will, der verleugne sich selbst, der nehme täglich sein Kreuz auf sich
und folge mir nach.« Lk 9,23
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stellt ist. Er zeigt sich imKreuzträger Simon, derKreuznachfolge lebt.
Wie verstehe ich Kreuz-nachfolge?
Wehre ich mich gegen diemir auferlegten Kreuze inmeinem Leben?
Bin ich bereit, das JochJesu zu tragen, das
leicht ist? (vgl. Mt 11,29)
Bin ich bereit, mich schutz-los Gottes Führung anzu-vertrauen?
15
HERR, EINEM MENSCHEN
ÜBERLÄSST DU DEIN KREUZ.
WIR BITTEN DICH:LASS MICH EIN SIMON VON CYRENE SEIN, DER TROTZ AL-LEN WIDERSTANDS BEREIT IST, DAS KREUZ DER WELT MIT-ZUTRAGEN UND DARIN DICH ALS DEN ZUGEWANDTEN UND
MITLEIDENDEN HERRN SICHTBAR ZU MACHEN. GIB MIR DIE
KRAFT, MICH SCHUTZLOS EINZUSETZEN, DAMIT DEN
SCHUTZLOSEN HILFE ZUTEIL WIRD.LASS MICH ALS KREUZTRÄGER ZUR HOFFNUNG FÜR ANDERE
MENSCHEN WERDEN. LASS MICH KEINE ANGST DAVOR
HABEN, MICH ZU ÜBERNEHMEN, SONDERN GIB MIR DEN
MUT, MEIN KREUZ ANZUNEHMEN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 6. STATION
VERONIKA REICHT JESUS DAS SCHWEIßTUCH
Wie »überragend«wird Veronika
durch ihre anteilnehmen-de Geste.
Sie kann das Kreuz nichttragen, wie es Simon tut,aber sie zeigt in einerkleinen Geste, dass sie einHerz hat für die großeNot des Herrn.
Die liebende Gesteprägt sich nicht nur
dem Herrn ein, sie prägtsich in das dargereichteTuch, noch mehr aber indas Herz Veronikas ein.Deshalb ist Jesus nichtabgebildet, da sie ihn -sein Bild - im Herzenträgt.
Wir werden eingeladen,uns zu Veronika zu stel-len, denn neben ihr istnoch ein Platz frei - meinPlatz!
E INGEPRÄGT
»Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt,
das habt ihr für mich getan.« Mt 25, 40
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Traue ich meinen kleinenGesten etwas zu?
Sehe ich wie Veronika, wasunmittelbar um mich herumgeschieht, so dass ich helfenkann?
Welche Erfahrungenhabe ich mit den
kleinen, liebenden Gestengemacht?
Habe ich dort, wo ich lebeund arbeite, meinen »Ve-ronika-Platz« schon gefun-den?
17
HERR, IM DIENST, DER DIR ERWIESEN WURDE, LÄSST DU DEIN GESICHT AUFLEUCHTEN.
WIR BITTEN DICH:ZEIGE UNS IN VERONIKA
DIE WIRKUNG DER KLEINEN, LIEBENDEN GESTE.LASS UNS UNSEREN PLATZ IM ALLTAG FINDEN,WO WIR MIT LIEBENDER AUFMERKSAMKEIT
FÜR UNSERE SCHWESTERN UND BRÜDER SORGEN, DAMIT SICH IN IHREM BILD ZUGLEICH DEIN BILD
IN UNSER HERZ EINPRÄGT.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 7. STATION
JESUS FÄLLT ZUM ZWEITEN MAL UNTER DEM
Fast ist er der Erdegleichförmig, als habe
man ihn getreten undzermalmt. Die Last, dieihm aufgelegt wurde, isterdrückend.
Er liegt da, als habe manihn auf die Erde gekreu-zigt. »Er kam in seinEigentum, doch die Sei-nen nahmen ihn nichtauf« (Joh 1,11).
Die Menschen habenihn zum »Aussätzi-
gen« gemacht - zum»Fußabtreter«.
ZERMALMT
»Er wurde misshandelt, doch er beugte sich
und tat seinen Mund nicht auf.« Jes 53,7
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An wem lasse ich michaus?
Wen möchte ich am liebs-ten ausstoßen, totschweigen,zermalmen?
W ie kann ich jeman-dem helfen, der von
andern getreten wird, denandere totschweigen undauszustoßen suchen?
Wo setze ich mich gegenMenschenrechtsverletzun-gen ein bei uns oder inanderen Ländern?
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HERR, DU HAST DICH GLEICHGESTELLT
MIT DEN ZERTRETENEN UND GEÄCHTETEN. DU BIST DEN WEG NACH GOLGOTA GEGANGEN, UM DEN
ZERMALMTEN IHREN PLATZ UNTER UNS ZU ERMÖGLICHEN.
WIR BITTEN DICH:LASS UNS BEREIT SEIN, UNS DER ZERSCHUNDENEN
UND ENTRECHTETEN ANZUNEHMEN, DAMIT SIE NICHT NOCH MEHR NIEDERGEDRÜCKT
UND ZERRIEBEN WERDEN. HILF UNS, SIE AUFZURICHTEN UND IHNEN
UNTER UNS EINEN NEUEN »NAMEN« ZU GEBEN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 8. STATION
JESUS BEGEGNET DEN WEINENDEN FRAUEN
Die Frauen leidenmehr daran, das
Elend sehen zu müssen,als den Schmerz desElenden zu teilen!
Sie sehen den Kreuztra-genden nicht an, sondernschauen nach oben. »Mö-ge Gott ihm doch helfen.«Doch indem sie auf Got-tes Hilfe warten, überse-hen sie den menschge-wordenen Gott in JesusChristus. Indem sie sichnicht dem Schmerz desGeknechteten stellen, bleibt er unverstanden,und sie verstehen sichselbst nicht.
Jede sieht nur sich selbst- keine schaut die ande-
re an! Nur das Kindnimmt den Elenden wahr.
Wer nicht mitleiden kann,leidet am Ende an sichselbst.
UNVERSTANDEN
»Darum haltet euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde,
in der ihr es nicht erwartet.« Mt 24,44
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W age ich es, den Din-gen auf den Grund
zu gehen und genau hinzu-schauen?
Bin ich bereit, auf denanderen zuzugehen, auchwenn ich nicht sofort alles an ihm und von ihmverstehe?
Bin ich heute schon aufeinen Menschen auf-
merksam zugegangen?
Weiß ich um die eigenenKräfte zum Aufbau einermenschlicheren Welt - undzum Aufbau des ReichesGottes?
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HERR, DU BIST AUF DEINEM WEG MIT DEM KREUZ AN
VIELEN VORÜBERGEGANGEN, DIE DEIN ELEND BEWEINT
HABEN ODER NUR AUF SENSATION BEDACHT WAREN. SO HAST DU DEIN LEIDEN FÜR UNS ALLEIN TRAGEN MÜSSEN.
WIR BITTEN DICH:BEWAHRE UNS VOR DEM WEGSCHAUEN
UND VOR SELBSTBEMITLEIDUNG. WECKE IN UNS DIE FÄHIGKEIT,EINANDER ZU SUCHEN UND ZU VERSTEHEN, DAMIT WIR UNS GEGENSEITIG HELFEN,DIE LAST DES LEBENS ZU TRAGEN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 9. STATION
JESUS FÄLLT ZUM DRITTEN MAL UNTER DEM
Betrachtet man diewaagerechte Mitte
des Bildes, dann erscheintder Körper des Gefalle-nen bis zum Herzen indie Erde eingegraben -wie ein Wurm!
War er beim ersten Fallendem Erdboden gleich,doch mit erhobenemKopf, und beim zweitenFallen der Erde »gekreu-zigt«, so ist er jetzt in dieErde eingegraben, ge-krümmt vom Leid derMenschen und ihrenVerfehlungen.
Sein Körper scheintzugleich ein Alpha
und ein Omega zu zeich-nen. Er ist für uns Anfangund Ende, Grund letzterHoffnung.
Er bleibt in seiner letztenHilflosigkeit mit seinemGesicht uns zugewandt,
ZERMÜRBT
»Er war wie ein Wurm, kein Mensch mehr, den Leuten zum Spott,
verachtet vom Volk.« Jes 53,14
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als wolle er uns sagen,dass sein Tod unsereRettung bedeutet.
Der Zermürbte richtet dieZermürbten auf und istfür uns ein neuer Anfang.Wenn der Betrachter dasGesicht sehen will, muss er sich freilich hinknien.
Bin ich bereit, mich vom»Zermürbten« an-
schauen zu lassen? Jesusfragt mich: »Für wen hältstdu mich?« (vgl. Mt 16,15)
Kenne ich die Armen undZermürbten um mich he-rum?
Raffe ich mich zu einemneuen Schritt auf,
selbst wenn ich stark belas-tet bin oder gekränkt wur-de?
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HERR, DU BIST ERNEUT UNTER
DEM KREUZ ZUSAMMENGEBROCHEN.
WIR BITTEN DICH:BEWAHRE UNS VOR DER STUNDE DER KAPITULATION. GIB UNS DIE KRAFT, UNS IM GEDENKEN AN DEINE
HINGABE AUFZURICHTEN UND DADURCH UNSEREN
WEG MIT DIR ZU GEHEN. LASS UNS AUCH DANN, WENN WIR ZERMÜRBT SIND, NICHT ANDERE ZERMÜRBEN, SONDERN LASS UNS
ERKENNEN, DASS DU UNS IN DEN DUNKELSTEN STUNDEN
UNSERES LEBENS LIEBEVOLL ANSCHAUST.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 10. STATION
JESUS WIRD SEINER KLEIDER BERAUBT
Der Bloßgestellte wirdzur würdigen Ge-
stalt. Striemen und Wun-den scheinen geheilt.Welche Größe strahlt derGebeugte aus.
Mit der rechten Handweist er auf sich selbst, alswolle er sagen: »Seht denMenschen, seht in mir die Bloßgestellten undGeknechteten in ihrerWürde.«
War er vorher nochwie ein Wurm
gekrümmt, so steht erjetzt vor uns, als habe ihneine Kraft aufgerichtet,die nicht zu sehen ist.
Das überragend großeKreuz scheint keinenSchrecken in dem Aufge-richteten auszulösen.
Zum letzten Mal stehtJesus vor uns, vom Kreuz
BLOßGESTELLT
»...wie einer, vor dem man sein Gesicht verhüllt, verabscheut, von niemand beachtet.« Jes 53,3
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getrennt, bevor er selbstzum Kreuz wird (siehe 12.Station).
Wo habe ich einenMenschen bloß-
gestellt und nichts Gutes an ihm gelassen?
Bin ich bereit, meine Verlet-zungen bewusst aufzuarbei-ten, um in Würde weiterzu-leben?
Stelle ich mich vor den,den man bloßgestellt
hat, auch wenn es mir zumNachteil gereicht?
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HERR, DU WARST BEREIT, AUCH DIE LETZTE
SCHMACH FÜR UNS ZU TRAGEN. DU HAST DIE BLOßSTELLUNG MIT WÜRDE
GETRAGEN UM UNSERETWILLEN.
WIR BITTEN DICH:MACHE UNS FÄHIG ZUR SOLIDARITÄT MIT DEN BLOß-GESTELLTEN. GIB UNS DEN MUT, UNS FÜR ENTRECHTETE
AUCH DANN EINZUSETZEN, WENN ES FÜR UNS SELBST ZUM
NACHTEIL WERDEN KANN. BEWAHRE UNS DAVOR, ZU UNSEREM EIGENEN VORTEIL
EINEN ANDEREN BLOßZUSTELLEN UND IHN DAMIT ZU
ENTWÜRDIGEN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 11. STATION
JESUS WIRD AN DAS KREUZ GENAGELT
Dem Würdevollen -Jesus Christus - hat
dieser Starke den Rückengekehrt. Mit so einem gibter sich nicht ab. Ihn hat erfestzunageln im Auftragder anderen.
Fest hält er den Nagelund den Hammer inseinen Händen, bereit, dieTat sofort und präziseauszuführen.
Auf dieser Scheibegibt es keinen Platz
für Schwache, keinenPlatz für Jesus. Für ihngibt es keinen Raumunter den Starken. DasSchwache muss ausge-merzt, ausgeschaltetwerden.
Indem der Henker Jesusfestnagelt, nagelt er ihnauf sein Wort und seineLiebe fest. Der Nagel, derihn durchdringen soll,
FESTGENAGELT
»Er ward durchbohrt um unserer Sünden willen,zerschlagen für unsere Missetaten...« Jes 53,5
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nagelt Jesus auf seine»offenen Arme« fest, sodass er alle Schwachenund alle Sünder »an sichziehen« (vgl. Joh 12,32)kann. So wird der Henkerzum Mitwirkenden »ander Erlösungstat« unseresHerrn.
Wie oft stehe ich in derVersuchung, einen
Menschen »festzunageln«?
Kann ich die Schwächen vonmir und von anderen Men-schen ertragen?
Gebe ich dem Schwachenden nötigen Raum zum
Leben?
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HERR, DU BIST GEKOMMEN, DIE SCHWACHEN
UND DIE SÜNDER EINZULADEN UND IHNEN
RAUM IM REICH GOTTES ZU GEBEN.
WIR BITTEN DICH:LASS UNS GELASSEN SEIN GEGENÜBER UNSEREN EIGENEN
SCHWÄCHEN UND DENEN DER ANDEREN. GIB UNS DIE BEREITSCHAFT, NIEMAND NUR AUF UNSERE
LINIE EINZUSCHWÖREN ODER »FESTZUNAGELN«AUF UNSEREN WEG, SONDERN LASS UNS SPÜREN, AUS WELCHER FREIHEIT DU GELEBT HAST, SO DASS AUCH
WIR BEREIT SIND, MIT OFFENEN ARMEN ZU LEBEN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 12. STATION
JESUS STIRBT AM KREUZ
Das in den anderenStationen sichtbare
große und überdimensio-nale Kreuz ist hier aufge-löst. Der Gehängte selbststellt es dar. Der Schreckenvor dem großen Kreuz istin Jesus Christus über-wunden worden. Von quä-lendem Leid spürt manwenig, eher von Erhaben-heit.
Die Dornenkrone ist zum»eingeprägten« Diadem,zur Krone des Erhöhtengeworden. So will derKünstler wohl zum Aus-druck bringen, dass Ret-tung und Erlösung gesche-hen ist.
Jesus Christus ist zumErhöhten geworden, der
alle an sich zieht. Die Ges-ten von Maria und Johan-nes zeigen nicht Trauerund Schmerz, sondernsind Hinweis, dass die
ERHÖHT
»Wenn ich von der Erde erhöht bin,werde ich alle an mich ziehen!« Joh 12,32
28
beiden verstanden haben,was hier geschehen ist. Siewerden für uns zu Zeugendes Glaubens. Diese Zeu-gen stehen unter demSchutz des Gekreuzigten,der seine Arme über ihnenausbreitet. Die Hinweiseder Zeugen sind für unsZeichen, selbst zu Zeugenzu werden, die damitihrerseits unter demSchutz des Erlösers ste-hen.
Bin ich Verkünder »desTodes Jesu, bis er kommt
in Herrlichkeit«?
Welche Bedeutung hat dasKreuz in meinem Alltag?
Gebe ich mich in denfinsteren Stunden
meines Lebens in die HandGottes, des Vaters, wie Jesuses tat?
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HERR JESUS CHRISTUS, DU HAST DIE
TIEFSTE GOTTVERLASSENHEIT IN DEINEM
LEID AM KREUZ ERFAHREN
UND DENNOCH DICH UND DEIN LEBEN
IN DIE HAND DES VATERS GEGEBEN.
WIR BITTEN DICH:LASS UNS IN DEINEM KREUZ UND LEID
UNSEREN WEG ZUM HIMMLISCHEN VATER ERKENNEN, UM SO MIT DIR ERHÖHT ZU WERDEN. GIB UNS DIE
BEREITSCHAFT, MENSCHEN IN NOT EIN LEBENDIGES
ZEUGNIS ZU GEBEN VON DEINER SOLIDARITÄT
UND DEINEM MITLEIDEN MIT UNS.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 13. STATION
JESUS WIRD VOM KREUZ ABGENOMMEN UND IN
Starke Arme umgreifenden Gekreuzigten. Der
Mann, der Jesus Christusvom Kreuz abnimmt,erinnert in seiner Haltungan Simon von Cyrene. Sowie er dort das Kreuzumgreift (vgl. 5. Station), soumgreift hier wieder einerden Gekreuzigten, derselbst zum Kreuz gewor-den ist.
Indem er den Gekreuzig-ten abnimmt, nimmt er inihm das Kreuz für sich an.Er wird damit zum Zeu-gen für den, der im Toddas Leben bewirkt. Dierechte Seite bleibt leer, wiezur Mahnung. Sie kannnun vom Betrachter ausge-füllt werden.
Wir werden eingela-den, den Platz der
Mutter einzunehmen undden Gekreuzigten mit
ABGENOMMEN
»Wir sind Gesandte an Christi Statt,und Gott ist es, der durch uns mahnt.« 2 Kor 5,20
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abzunehmen und damitanzunehmen als unserenHerrn und Meister. Damitwerden wir zu Zeugen fürseinen Tod und seineAuferstehung. Christuswird uns dann seinerseitsliebevoll annehmen, wiewir es hier in der Gesteseines rechten Armeserkennen.
Was bedeutet es, wennich mich bekreuzige?
Habe ich schon meinen Platzneben einem Alten, Armenund Kranken eingenommen,um ihm meine Annahme zubekunden?
Mache ich mich »stark«für den Glauben an
Jesus Christus, den Gekreu-zigten?
31
N DEN SCHOß SEINER MUTTER
HERR, DU HAST ALLES FÜR UNS HINGEGEBEN
IN DEINEM TOD AM KREUZ.
WIR BITTEN DICH:LASS IN UNSEREM LEBEN SPÜRBAR WERDEN, DASS WIR AUS DEINEM KREUZ
UND DEINER HINGABE LEBEN. GIB UNS DEN MUT, IN WORT UND TAT
DEINE GESANDTEN ZU SEIN, DIE EINEN PLATZ AN DER SEITE DER ARMEN, SCHWACHEN UND KRANKEN HABEN, DAMIT SIE DEINE LIEBENDE UMARMUNG SPÜREN.
KREUZWEG IM BERGKLOSTER BESTWIG: 14. STATION
JESU LEICHNAM WIRD INS GRAB GELEGT
Wieder stehen wir -wie bei allen ande-
ren Stationen - vor einerrunden Scheibe. Sie lässterkennen, dass dieserKreuzweg keine histori-sche Darstellung, sondernein Meditationsweg zurKreuzesnachfolge seinwill.
Es geht nicht um Tod,sondern um Leben, nichtum Vergänglichkeit,sondern um Vollendung.Unterhalb der waagerech-ten Mitte liegt der starreKörper. Jesu Leichnam istzu erkennen, der hierbegraben unter der Erdeliegt.
Er teilt den Tod mit unsund wird so zum
Weizenkorn, das stirbt.Äußerlich sieht mannicht, dass aus diesem Todund diesem Begrabenseinneues Leben wächst.
E INGEPFLANZT
»Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fälltund stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt,
bringt es reiche Frucht.« Joh 12,24
32
Doch: »Gesät wird inSchwachheit, auferwecktin Herrlichkeit. Dank seiGott, der uns den Siegverleiht, selbst über denTod, durch Jesus Christus«.(vgl. 1 Kor 15,43.57)
Bin ich bereit, das »Ster-ben«, das heißt das
Lassen-Können in meinLeben hineinzunehmen?
Wird an meinem Lebendeutlich, dass es für michaufgrund der Erlösung, die uns in Christus zuteilgeworden ist, keine Vergeb-lichkeit gibt, sondern dassalles in Hoffnung mündet?
Ist für mich das Grab eineslieben Menschen Zeichen
der Hoffnung auf Auferste-hung?
33
HERR, DU BIST IN DAS REICH DES TODES GEGANGEN,UM ALLE MENSCHEN ZU ERLÖSEN
UND UNSEREN TOD ENDGÜLTIG ZU ÜBERWINDEN.
WIR DANKEN DIR DAFÜR UND BITTEN DICH: LASS UNS SCHON HIER BEGREIFEN, DASS UNSER LEBEN
ZU VERGLEICHEN IST MIT DEM STERBEPROZESS EINES
WEIZENKORNS.HILF UNS, LASSEN ZU KÖNNEN, JEDE VERGEBLICHKEIT
DURCH HOFFNUNG ZU DURCHBRECHEN, IM TOD DIE
AUFERSTEHUNG ZU ERAHNEN UND IMMER MEHR IN DEN
PROZESS DER VOLLENDUNG ZU GELANGEN, DEN DU MIT
UNS VOLLZIEHEN WILLST. LASS UNS SO ZU ZEUGEN DEINES
TODES UND DEINER AUFERSTEHUNG WERDEN.
Schwestern derhl. Maria Magdalena PostelBergkloster59909 BestwigTelefon: 0 29 04 / 8 08 - 0Telefax: 0 29 04 / 8 08 - 1 25E-Mail: orden@smmp.dewww.smmp.de
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