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--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Wolfgang Hoyer „Oma Trude’s Erbe“ 108005-12-01 adspecta Theaterverlag
Björn Franzen
Oma Trudes Erbe
Komödie in zwei Akten von Wolfgang Hoyer und Björn Franzen
Ausgezeichnet mit dem 7. Platz im Sauerländer Theaterstückepreis 2012
des adspecta Theaterverlages
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-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Wolfgang Hoyer „Oma Trude’s Erbe“ adspecta Theaterverlag
Björn Franzen 1
Inhalt
Oma Trude Grossmann ist verstorben und hinterlässt ein Vermögen von sechs Millionen Euro
in Bargeld plus einer schönen, alten Villa, in der sie bis zu ihrem Tod gewohnt hat. Dr. Meyer,
ihr Notar, hat alle Familienmitglieder, die sich Hoffnung auf das Erbe machen, in der
Bibliothek der Villa von Oma Trude versammelt, um ihnen das Testament von Trude
Grossmann, Frau eines ebenfalls bereits verstorbenen Unternehmers, zu eröffnen. Vor und
während der Ausführung des Testaments, erscheint Oma Trude immer wieder. Sie wird dabei
von einem Gutgeist begleitet, der darauf aufpassen soll, dass Oma Trude im Diesseits keinen
Unfug anstellt. Beide können nur von Dr. Meyer, Klara und Trudes ehemaliger Haushälterin
Anneliese gehört aber nicht gesehen werden.
Spielzeit: ca. 90 min.
Personen: 13 (4 m / 9 w)
Oma Trude Grossmann - Für alle unsichtbar, aber für Klara, Dr. Meyer und Anneliese
hörbar. Läuft während ihrer Auftritte immer unabhängig von den anderen Figuren im Zimmer
herum und agiert viel mit Gestik und Mimik. War früher ein Waisenkind im Haus Hoffnung.
Klara Mommsen – Enkelin von Oma Trude, die sie sehr oft besucht hat und bei der alten
Dame beliebt war. Als Nachzüglerin ist sie fast 25 Jahre jünger als ihre Cousine Natalie und
ist im gleichen Alter wie deren Kinder Sebastian und Marita. Früh hat sie ihre Eltern bei einem
Unfall verloren und ist bei einer Pflegefamilie groß geworden.
Dr. Hans Meyer – Notar von Oma Trude.
Natalie Ertel – Andere Enkelin von Oma Trude.
Manfred Ertel – Mann von Natalie.
Sebastian Ertel – Sohn der Ertels.
Marita Ertel – Tochter der Ertels.
Anneliese - Haushälterin im Haus von Oma Trude.
Hanni - Schwester von Anneliese.
Gutgeist – Oma’s Begleiter(in). Kann nur von Dr. Meyer gehört werden. Oma Trude und
Gutgeist betreten und verlassen die Bühne vom Publikum aus (Symbol für das Jenseits)
Armin Schenker –Anwalt der Ertels, guter Bekannter von Dr. Meyer.
Frau Lamberts – Frühere Pflegerin des Waisenhauses Haus Hoffnung {Kann von derselben
Schauspielerin gespielt werden wie Oma Trude}
Jugendliches Waisenkind - {Kann von dem/der selben Schauspieler/in gespielt werden wie
Gutgeist}- Name (Peter) kann angepasst werden
Bühnenbild (Vorschlag): Schreibtisch mit Sessel, kleine Bücherwand, zwei kleine Sessel mit
einem kleinen Tisch, Bild an der Rückwand
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-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Wolfgang Hoyer „Oma Trude’s Erbe“ adspecta Theaterverlag
Björn Franzen 2
1. Akt
I, 1. Szene
(In der Bibliothek von der Villa von Trude Grossmann. Dr. Meyer schreibt an seinen Notizen.
Natalie geht im Zimmer auf und ab.)
Natalie:
Ich bin ganz gespannt auf die Testamentseröffnung. Was Oma uns wohl vermacht hat?
Dr. Meyer (räuspert sich):
Sie werden es noch früh genug erfahren.
Natalie:
Bestimmt kriegt jeder von uns einen dicken Batzen Geld.
Dr. Meyer:
Wir werden sehen, Frau Ertel.
Natalie:
Bei dem Besitz meiner Großeltern muss doch gewiss eine Menge für jeden drin sein.
Dr. Meyer: (wühlt in seiner Aktentasche)
Um..hm!
Natalie:
Wenn ich mir vorstelle, was wir alles mit dem Geld machen können. Und diese Villa – sie ist
doch ein Schmuckstück. Wer die wohl bekommen wird? Hoffentlich gibt es nicht noch andere
ominösen Erben. Das wäre nicht auszudenken.
Dr. Meyer: (schaut Natalie fragend an)
Aber Sie sind doch schon so vermögend, meine Gnädigste. Könnten Sie nicht Anderen einen
Teil von Frau Grossmann‘s Erbe gönnen, die nicht so viel haben?
Natalie: (steht entrüstet auf)
Um Himmels willen! Nur Leute, die nicht wissen was sie mit ihrem Geld anfangen sollen,
verzichten freiwillig. Außerdem sind wir ja die rechtmäßigen Erben.
Dr. Meyer:
Sie werden schon bald wissen, was für Sie herausspringt.
Natalie: (setzt sich wieder hin und schaut Meyer treu-doof an)
Ach Dr. Meyer… könnten Sie mir nicht schon sagen was ich bzw. wir bekommen werden?
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-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Wolfgang Hoyer „Oma Trude’s Erbe“ adspecta Theaterverlag
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Dr. Meyer: (kopfschüttelnd)
Nein, das geht ganz und gar nicht.
Natalie:
Ach bitte Herr Dr. Meyer… weil ich es bin.“
Dr. Meyer:
Tut mir leid. Meine Antwort ist immer noch nein.
(Natalie wendet sich beleidigt von ihm ab. Es klingelt.)
Dr. Meyer:
Anneliese! Können Sie bitte die Tür öffnen.
I, 2. Szene
(Anneliese kommt und öffnet die Tür. Manfred, Sebastian und Marita kommen herein.)
Marita:
Hallo Mama! Guten Tag, Dr. Meyer.
Manfred: (zu Natalie)
Na, hat der liebe Herr Doktor dir schon unseren Anteil verraten?
Dr. Meyer: (etwas beleidigt)
Nein, das habe ich selbstverständlich nicht!
Manfred: (zu Dr. Meyer)
Sind Sie etwa beleidigt? Ich wollte Ihnen mit meiner Äußerung wirklich nicht zu nahe treten.
Natalie:
Nein, der Herr Doktor schweigt wie ein Grab.
Manfred:
Okay, es ist sein gutes Recht. (macht Schmatzgeräusche mit dem Mund) Kinder, hab ich
einen Durst. Ich hol mir erst mal was zu trinken. Wollt ihr auch was?
(Alle schütteln den Kopf)
Anneliese, wo ist die Küche?
Anneliese:
Folgen Sie mir, Herr Ertel!
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(Manfred und Anneliese ab)
Sebastian:
Marita hat auf der Fahrt hierher die ganze Zeit aufgezählt, was sie sich von ihrem Anteil
kaufen will. Sie hat bereits die Eurozeichen in ihren Pupillen.
Natalie:
Da ist sie nicht die einzige, mein Sohn!
Sebastian:
Kann ich mir bei dir gut vorstellen. Du kriegst ja nie den Hals voll!
Marita: (zu Sebastian)
Sei doch nicht so gehässig, Brüderchen! Jeder von uns soll seinen gerechten Anteil
bekommen.
Sebastian: (sieht seine Mutter betroffen an)
Das habe ich ja auch nur so aus Spaß gesagt… tschuldigung!
Dr. Meyer: (räuspert sich)
Nun, im Laufe des Tages werden alle erfahren, was für wen bestimmt ist, nicht wahr? Warten
wir einfach mal ab.
(Es klingelt. Anneliese kommt angerannt und öffnet. Klara kommt herein. Klara begrüßt
Anneliese mit einer Umarmung.)
Klara:
Guten Tag zusammen. Alles klar?
Natalie:
Ach, sieh an, Oma’s Liebling ist auch schon da! Und es wird erst alles klar, wenn wir endlich
erfahren was uns das Testament bringt!
Klara:
Ja, ja, meine Cousine, da magst du wohl Recht haben…und danke für deinen liebevollen
Empfang.
(Natalie verzieht das Gesicht zu einer Grimasse)
(zu Anneliese) Ich habe vorhin auf der Straße einen äußerst farbenfrohen Käfer gesehen.
Bedeutet es das, was ich denke?
Anneliese:
Hmmm. Hanni ist auch hier. Sie ist gerade in der Einliegerwohnung. Sie ist vorbei gekommen,
nachdem sie gehört hatte, dass ihre Oma gestorben war.
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Klara:
Das ist doch sehr aufmerksam von ihr.
Anneliese:
Ja, in dem Fall schon. Aber du kennst ja Hanni. Ihr war bisher jeder noch so kleine Vorwand
recht, sich hier selbst einzuladen. Weißt du noch letztes Jahr. Da hatte ich am Telefon
erzählt, dass wir neue Gardinen bekommen haben und schwups, war sie da. Oder davor, als
ich erwähnt habe, dass die Geranien im Vorgarten eingegangen waren.
Klara:
Ich erinnere mich. Naja, um die Geranien hatte sie sich doch rührend gekümmert.
Marita: (sieht Klara)
Was glaubst du, was du erben wirst, Tante Klara?
Natalie: (etwas gehässig zu Klara)
Oma’s Lieblingsenkelkind wird bestimmt ganz groß absahnen.
(Klara macht ein sehr skeptisches Gesicht)
Nur nicht so bescheiden, Klara. Du brauchst nicht so zu tun, als ob du nicht Oma’s Liebling
gewesen wärst, nur weil du genau wie sie so früh zur Waise geworden bist.
Klara: (zu Natalie)
Sei lieber froh, dass du deine Eltern so lange haben konntest. Oma Trude und ich hätten
auch gern unsere Eltern länger gehabt. Das Absahnen überlasse ich lieber Manfred und dir.
Da seid ihr ja Meister drin.
(Natalie zuckt mit den Schultern)
Natalie: (naserümpfend)
Ja, ja, Oma hatte immer eine Schwäche für dich, du arme kleine Nachzüglerin.
Dr. Meyer:
Liebe Frau Ertel! Liebe Frau Mommsen! Nun zanken Sie sich doch bitte nicht wie kleine
Kinder! Ich bitte euch um einen normalen Umgang miteinander.
(Natalie und Klara winken beide ab. Manfred kommt herein.)
Manfred:
So meinen Durst habe ich gestillt. Wie sieht’s hier aus?
Sebastian:
Dr. Meyer scheint noch nicht bereit zu sein, das Testament zu eröffnen.
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Marita: (schaut auf Dr. Meyer)
Ja, warum zögern Sie noch so lange, Dr. Meyer?
Dr. Meyer: (sieht wieder in die Runde)
Es fehlt noch eine Person, die auch im Testament bedacht wurde. Frau Lamberts, eine ältere
Dame und Bekannte ihrer Großmutter.
Manfred:
Wann kommt sie denn?
Dr. Meyer:
Das kann ich noch nicht sagen. Sie sollte eigentlich schon hier sein. Ich hatte sie vorhin
angerufen. Sie scheint wohl in die falsche Richtung gefahren zu sein. Ein paar Stunden
könnte es noch dauern.
Natalie:
Das kann doch nicht wahr sein. Denken Sie nicht, dass wir mit unserer Zeit was Besseres
hätten anstellen können, wenn wir das vorher gewusst hätten.
Dr. Meyer:
Es tut mir leid, Frau Ertel, aber Sie können es sich hier gerne gemütlich machen. Vielleicht
können wir uns ja zusammen die Zeit vertreiben und ein Brettspiel spielen. Das wird bestimmt
lustig werden.
Natalie: (steht auf)
Ich habe keine Lust hier auf irgendeine alte Schachtel zu warten. Ich gehe raus und werde
mir die Füße vertreten und mal schauen was die Geschäfte in dem Kaff hier zu bieten haben.
(ist in Begriff rauszugehen, spricht dann aber zu Manfred, Sebastian und Marita) Ihr wollt
doch wohl nicht hier bleiben?
Manfred, Sebastian und Marita: (unisono)
Okay, wir kommen ja.
(Alle außer Klara und Dr. Meyer verlassen das Zimmer. Dr. Meyer wartet kurz und atmet dann
tief durch.)
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I, 3. Szene
Dr. Meyer:
Puh. Endlich sind die weg. Bei einigen Leuten muss man nur mit Brettspielen drohen und
schon sind sie weg. Wollen Sie nicht auch noch etwas in die Stadt gehen, Frau Mommsen?
Klara:
Nein, ich bin froh, wenn ich vor meiner Verwandtschaft etwas Ruhe habe.
Dr. Meyer:
Das kann ich verstehen.
(Es gibt ein leichtes Rauschen und Oma Trude kommt ins Zimmer herein und bleibt neben
der Tür stehen. Sie bestaunt zuerst ihren Körper leise, dann das Zimmer und bemerkt
schließlich Dr. Meyer und Klara.)
Klara:
Sind Sie schon soweit fertig vorbereitet für die Verlesung?
Dr. Meyer:
Soweit man hierauf vorbereitet sein kann?
Klara:
Was soll das denn heißen?
Dr. Meyer:
Nicht so wichtig.
Klara:
Was denn? Ich verspreche auch, dass ich nichts verrate.
Oma Trude:
Klara, Dr. Meyer. Ich hätte nicht gedacht, dass ich euch jemals wiedersehen werde.
(Klara und Dr. Meyer erstarren beim Hören ihrer Namen und sehen sich dann im Raum um.)
Klara: (sieht Meyer an)
O…O…Oma Trude! N...N...Nein, das kann doch nicht wahr sein.
Oma Trude:
Es ist aber wahr. Toll oder?
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Dr. Meyer:
F....Frau Grossmann. Oh Mann. Mit Verlaub, a....aber es passiert nicht jeden Tag, dass
jemand a....aus der Gruft mit einem spricht.
Oma Trude:
Ach ja. Entschuldigung. Das habe ich vergessen.
Klara:
Wo bist du? Ich kann dich nicht sehen, nur hören!
Dr. Meyer:
I… Ich kann sie auch nicht sehen.
Oma Trude: (geht unsichtbar für Klara und Dr. Meyer im Zimmer umher)
Ihr braucht mich auch nicht zu sehen, sondern hört mir nur zu. Ich hab euch was zu sagen.
Klara:
Was willst du uns denn sagen, Oma?
Dr. Meyer:
Ja, was wollen Sie uns sagen, Frau Grossmann?
Oma Trude: (hämisch lachend)
Ich bin auf meinen Wunsch hin zurückgeschickt worden. Ich bleibe bis zur
Testamentseröffnung und bin dann weg. Ich will mir vor allem die geschockten Gesichter
meiner geldgierigen Verwandtschaft ansehen wie sie...
Klara:
Dr. Meyer, Ich glaub ich träume! Hören Sie wirklich auch meine Oma?
Dr. Meyer:
Ja… und es ist mir ein wenig unheimlich!
Klara:
Unheimlich ist gar kein Ausdruck, Dr. Meyer. Es ist irrsinnig!
Oma Trude: (künstlich entrüstet)
Klara, habe ich dir nicht schon tausendmal gesagt, dass man niemanden unterbricht? Schon
gar nicht seine tote Oma.
Klara:
Öhhhh, ähhh. Entschuldigung Oma.
Oma Trude:
Schon gut. Sie haben Recht, Dr. Meyer, es ist unheimlich. Aber irrsinnig, mein liebe Klara,
das ist doch ein wenig weit hergeholt.
Klara:
Na klar, eine unsichtbare, ja tote Oma, ist eben alltäglich.
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Oma Trude:
Es gibt eben Sachen, die ich, noch irdisch behafteten Menschen einfach nicht erklären könnt.
Klara:
Was werden denn die anderen sagen, wenn sie dich hören?
Oma Trude:
Sie werden gar nichts sagen, denn sie werden mich nicht hören. Wer einen Geist hören will,
muss vorher direkt von einem angesprochen werden. Und ich habe kein Bedürfnis mit den
Ertels eine anregende Diskussion zu führen.
Dr. Meyer:
Und Sie wollen bei der Testamentseröffnung dabei sein?
Oma Trude:
Ja, natürlich!
Dr. Meyer:
Das hatte ich auch noch nie gehabt. Eine Testamentsverlesung im Beisein der Verblichenen.
Klara:
Mit geschockten Gesichtern deiner geldgeilen Verwandtschaft meinst du doch sicher die
Ertels?
Oma Trude:
Natürlich, wen sonst?
Dr. Meyer: (etwas kleinlaut)
Wenn es überhaupt so weit kommt.
Oma Trude:
Wollen Sie mir irgendwas sagen Dr. Meyer?
Dr. Meyer:
Nichts, was wir nicht schon mehrfach beredet hätten.
Klara: (macht ein verwirrtes Gesicht)
Was...?
Oma Trude:
Ich höre gerade aus dem Jenseits, dass mein Typ verlangt wird. Ich verabschiede mich kurz
von euch.
Dr. Meyer:
Aber warum denn?
(Oma Trude verlässt das Zimmer.)
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I, 4. Szene
Klara:
Oma Trude, Oma Trude!
(Kurzes Abwarten)
Dr. Meyer:
Ich glaube, sie ist weg. Entschuldigen Sie, Frau Mommsen, aber ich kann es immer noch
nicht glauben, dass ihre Oma als unsichtbarer Geist hier im Raum herumgeistern soll. Es
kommt mir alles wie eine Halluzination vor – oder ich hab sie nicht mehr alle!
Klara: (sieht Meyer an)
Um-hm! Ich glaube, ich bin auch nicht mehr ganz echt!
Dr. Meyer: (greift zu Telefon)
Ich rufe mal meinen Psychiater an, um schnellstmöglich einen Termin bei ihm zu bekommen.
Klara:
Wieso denn?
Dr. Meyer:
Ist es denn normal, eine Stimme von einem verstorbenen Menschen so klar und deutlich zu
hören?
Klara:
Eigentlich nicht.
I, 5. Szene
(Es klingelt. Anneliese kommt zur Tür gerannt und öffnet sie. Natalie, Manfred, Sebastian
und Marita kommen herein.
Marita: (genervt)
War das stressig in der Stadt!
Natalie: (deutet auf dem Schmuck um ihren Hals)
Ist das nicht ein tolles Collier? Einzigartig sagte der Juwelier, denn er hat es selbst
angefertigt.
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Klara:
Bei uns hat sich auch etwas Einzigartiges ereignet.
Natalie:
Was denn?
(Klara zögert kurz)
Ach ist ja auch egal. Hauptsache ist, dass ich mein Collier habe.
Klara: (sich räuspernd)
Was hat dir denn der Herr Juwelier für das Glitzerstück in Rechnung gestellt?
Natalie: (säuerlich)
Der Herr Juwelier! Was soll das heißen. Das Collier ist ein Original-Krogmann und er hat €
25.000,00 dafür genommen. Bei der uns zukommenden Erbschaft wird das sicherlich kein
Thema.
Manfred: (lächelnd)
Dieser Krogmann ist ein Halsabschneider. Das Collier ist höchstens € 20.000,00 wert… aber
Natalie wollte es ja unbedingt haben und das wusste der schlaue Fuchs.
(Natalie wirft ihm einen bösen Blick zu)
Sebastian:
Der Krogmann ist wirklich mit allen Wassern gewaschen.
Dr. Meyer:
Es gibt ein Gerücht, dass er mit Diamantenschmugglern unter einer Decke steckt.
Sebastian:
Davon habe ich auch schon gehört. Ob das wirklich stimmt?
Marita:
Häh. Aber wieso sollte er denn Mamas Collier schmuggeln?
Manfred:
Also ich bin froh, wenn dieser Testaments-Zirkus endlich vorbei ist.
Dr. Meyer und Klara gleichzeitig: (sehen sich dabei mit großen Augen an)
Das wird bestimmt eine Überraschung für alle!
(Hanni betritt den Raum.)
Hanni:
Hallo, alle zusammen. Alles frisch?
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Natalie:
Wer um alles in der Welt sind Sie?
Hanni:
Ich bin Hanni. Hanni Reizig. Ich wohn für ein paar Tage hier, seit ich das von Ihrer Oma
gehört habe. Mein herzliches Beileid.
(Hanni schüttelt allen Anwesenden betroffen die Hände.)
Natalie: (höchst angewidert)
Sehr erfreut.
Manfred:
Reizig. Das heißt, Sie sind bestimmt die Schwester von.....
Hanni:
…. von meiner Schwester. Genau. (lacht plötzlich laut über sich selbst) Wie blöd von mir.
Natürlich bin ich die Schwester meiner Schwester. Nein. Was ich sagen wollte ist, dass ich
die Schwester von Anneliese bin.
Manfred:
Seltsam. Anneliese hatte nie von Ihnen erzählt.
Hanni:
Ach, das ist typisch für sie. Sie versteckt mich häufiger. Ich bin ihr, glaub ich, manchmal
peinlich.
Anneliese:
Nein, nein. Ich freu mich immer, wenn du kommst. Ich habe Klara vorhin noch gesagt, wie
schön es ist, dass du hier bist. Nicht wahr, Klara? (schaut Klara streng an)
Klara:
Jaja. Genau das hat sie gesagt.
Hanni:
Schon gut, Schwesterherz. Ich weiß ja, dass du auch ganz anders kannst. (setzt sich zu
Sebastian und Marita) Ich hatte meiner Schwester mal Kekse gebacken mit einer geheimen
Zutat, um sie ein bisschen aufzulockern, wenn ihr versteht was ich meine.
Anneliese:
Oh nein, bitte nicht die Geschichte.
Hanni:
Ich hab dabei irgendwie vergessen zu sagen, welche Zutaten ich verwendet habe. Zumindest
haben sie ihr gut geschmeckt.
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Anneliese:
Hanni!!!
Hanni:
Ihr würdet euch wundern, wie gut Anneliese tanzen kann.
(Hanni, Marita und Klara lachen, Sebastian schmunzelt etwas)
Anneliese:
Hanni, jetzt reicht‘s aber.
Natalie: (zu Hanni)
Sie nehmen also Marihuana. Dann kann ich wohl davon ausgehen, dass Sie arbeits- und
obdachlos sind.
Hanni:
Nein, ich habe einen wichtigen Job bei einer großen Zeitung.
Natalie:
Ach tatsächlich? Höchst interessant.
Klara: (leise zu Anneliese)
Ich dachte, sie macht da nur das Horoskop.
Anneliese:
Das stimmt, aber das müssen die Ertels ja nicht erfahren.
Hanni: (durch den gereizten Ton von Natalie leicht gereizt)
Ich nehme hier irgendwie schlechte Schwingungen wahr.
Natalie: (spöttisch)
Schlechte Schwingungen? Dann ist wohl bei Ihnen im Kopf ein Radiosender nicht richtig
eingestellt.
(Marita lacht.)
Hanni: (zu Natalie - gekünztlt - mitleidig)
Groll mit sich herumtragen ist wie das Greifen nach einem glühenden Stück Kohle - in der
Absicht, es nach jemandem zu werfen. Man verbrennt sich dabei nur selbst.
Anneliese:
Oh nein. Jetzt zitiert sie wieder.
Klara:
Wieso zitiert?
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Hanni: (zu Klara)
Es streiten doch untereinander nur die Menschen, die lediglich einen Teil der ganzen
Wahrheit sehen.
Klara:
Oh, verstehe.
Hanni: (zu Marita)
Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.
Marita:
Ist das aus der Bibel?
Sebastian:
Nee, ich glaub von Ursula von der Leyen.
Hanni: (zu Sebastian)
Lieber eine Kerze anzünden, als über die Finsternis klagen.
Natalie: (sichtlich verunsichert)
Soll das ein Scherz sein?
Hanni: (in die Runde)
Verneige dich vor deinem Gegenüber, wenn er vor dich tritt - schicke ihn auf seinen Weg,
wenn er dich verlässt.
(Hanni geht rückwärts ab.)
Klara:
Das war vielleicht krass.
Dr. Meyer:
Das kann man wohl sagen.
Manfred:
Da kann aber jemand gut auswendig lernen. Ihre Esoteriklehrerin ist bestimmt stolz auf sie.
(gluckst)
Anneliese:
Nein. Hanni hat keine Esoteriklehrerin. Sie ist Autodidakt.
Marita:
Dann muss sie ja gut Verkehrsschilder lesen können.
(Alle schauen unverständlich.)
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Sebastian:
Nein, Marita. Ein Autodidakt ist nicht dasselbe wie ein Fahrlehrer.
Natalie:
Nein, das bedeutet, dass sie sich keinen Lehrer leisten kann.
(Anneliese ab)
Manfred:
Ich glaube, wenn wir noch länger hier bleiben, haben wir bald auch einen an der Waffel.
(lacht über seinen “Scherz”)
Natalie:
Aber soweit muss es ja nicht kommen. Nicht wahr, Herr Meyer?
Dr. Meyer:
Oh nein. Wir müssen noch warten bis wir das Testament eröffnen können.
I, 6. Szene
(Oma Trude kommt herein)
Natalie:
Wenn diese andere, die noch kommen soll, noch nicht da ist, ist das deren Problem. Die wird
schon früh genug erfahren, was in dem Testament drin steht.
Oma Trude: (gibt ein lautes Stöhnen von sich)
Wenn ich mir meine verkommene Enkelin so anhöre, könnte ich mich im Grabe rumdrehen.
(Klara und Dr. Meyer erstarren und schauen sich gegenseitig an.)
Dr. Meyer:
Haben Sie das auch gerade gehört?
(Klara nickt.)
Dr. Meyer:
Und Sie, Frau Ertel?
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Björn Franzen 16
Natalie:
Was soll ich gehört haben?
Dr. Meyer:
Die Stimme.
Natalie:
Natürlich. War ja meine eigene.
Dr. Meyer:
Und Sie? (schaut zu den anderen Ertels herüber)
Oma Trude:
Das hab ich euch doch schon gesagt. Die hören mich nicht.
Dr. Meyer:
Und? Wie soll ich mich jetzt verhalten?
Oma Trude:
Sich nichts anmerken lassen.
Natalie:
Meine Frage beantworten.
Dr. Meyer: (gedankenversunken)
Wie bitte? Welche Frage denn?
Natalie:
Was in dem Testament steht?
Oma Trude:
Sagen Sie ihr bloß nichts.
Dr. Meyer:
Keine Angst.
Natalie: (etwas verunsichert)
Wovor?
Dr. Meyer: (plötzlich total neben der Spur)
Also vor …. Hä?
(Marita bekommt plötzlich einen Lachanfall wegen des seltsamen Verhaltens von Dr. Meyer.)
Klara:
Vielleicht sollte sich Dr. Meyer ein bisschen ausruhen.
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Björn Franzen 17
Natalie: (zu Manfred)
Ausgerechnet jetzt, wo wir ihn fast so weit hatten. (zu Klara) Ach. Ein guter Schluck Wasser
macht es auch. (ruft) Anneliese! Könnten Sie uns bitte etwas Wasser bringen.
Anneliese: (aus dem Off)
Ich komme.
Oma Trude:
Au, au. Das wollte ich nicht, dass es soweit kommt.
(Anneliese kommt mit einem Tablett mit Gläsern herein.)
Oma Trude:
Da bist du ja Anneliese. Du wirst hier dringend gebraucht.
(Anneliese erschrickt zuerst, schreit dann, lässt das Tablett fallen und rennt wieder aus dem
Zimmer.)
Marita: (lacht)
Wenn die nicht dringend muss, dann weiß ich auch nicht.
Natalie:
Was wohl jetzt in die gefahren ist? Gutes Personal ist halt schwer zu bekommen.
(Klara hebt Tablett und Geschirr vom Boden auf. Dr. Meyer hilft ihr.)
Dr. Meyer:
So. Das müsste alles gewesen sein.
Manfred:
Nein, da hinten liegt noch was.
Klara:
Danke.
Manfred:
Keine Ursache. Man hilft ja gerne.
(Natalie nimmt eine Flasche und schüttet Dr. Meyer ein Glas Wasser ein.)
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Björn Franzen 18
Natalie:
Hier. Trinken Sie! Dann können wir nochmal auf das Testament zu sprechen kommen.
Klara:
Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so gierig hinter einem Erbe her ist wie du,
Cousinchen.
Natalie:
Das musst gerade du sagen.
Klara:
Was soll das heißen?
Natalie:
Das weißt du ganz genau. Oma hier und Oma da. Dein ganzes Theater war doch nur darauf
aus, deinen Geldbeutel etwas anschwellen zu lassen und unseren Ruf unmöglich zu machen.
Klara:
Dazu hättest du mich nicht gebraucht.
Natalie:
Aber Oma hat das durchschaut. Dein ganzes Gehätschel wird sich am Ende als
verschwendete Lebenszeit herausstellen.
Oma Trude:
Wie kannst du dir das von einer gefallen lassen, die nach ihrer Geburt zu oft vom Wickeltisch
gefallen ist?
Klara: (wütend und schreiend)
Hör mir mal zu, liebe Cousine. Ich hab mich um unsere Oma nicht gekümmert, weil ich auf ihr
Erbe aus bin, sondern weil man das als gute Enkelin so macht, aber wenn du nicht mal weißt
was Nächstenliebe ist, dann ist dir so etwas ohnehin zu hoch.
Dr. Meyer:
Bleiben Sie doch ruhig, meine Damen.
Natalie:
Du wirst ein paar Kröten erben und dann als alte Jungfer vor dich hin vegetieren.
Klara: (rastet jetzt plötzlich aus)
Ein paar Kröten? Und du denkst, du wirst groß absahnen? Aber vielleicht weiß ich etwas,
dass du nicht weißt und du...
Oma Trude: (unterbricht Klara)
Wenn du mir jetzt die Vorfreude auf meine Testamentseröffnung versaust und etwas verrätst,
dann schwör ich, dass ich dich jede Nacht als Geist heimsuchen werde.
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Björn Franzen 19
Klara:
Du .... du.
Natalie:
Was ich? Weißt du etwas über das Testament, was ich nicht weiß?
Dr. Meyer:
Nein, natürlich nicht.
Natalie:
Nein, natürlich nicht. Sie will mich doch nur provozieren, weil ich bei ihr wieder ihren wunden
Punkt getroffen habe.
Marita:
Was denn für einen wunden Punkt?
Sebastian:
Ach Marita. Du weißt doch. Die Tatsache, dass Klara immer noch alleine lebt.
Natalie:
Aber Klara. Deswegen musst du dich ja nicht gleich aufhängen. Wenn du ganz tapfer suchst
und deine Ansprüche etwas runterschraubst, wirst du schon jemanden finden, der vielleicht
mal mit dir ausgeht. Ich kenn da jemanden, er hinkt auf einem Bein, hat ein Glasauge und
Nasenhaare, die ihm bis zum Mund reichen. Aber wenn du mich ganz lieb bittest, dann stell
ich euch mal vor.
(Klara wird immer wütender.)
Marita:
Wen kennst du denn mit einem Glasauge, Mama?
Oma Trude:
Klara, zeig mal etwas Rückgrat. Lass dir das von so einer doch nicht gefallen.
(Dr. Meyer schnaubt böse über die Bemerkung Oma Trudes.)
Klara: (zu Natalie)
Halt endlich dein verfluchtes Maul.
Natalie:
Ich wollte dir ja nur helfen. Wenn dir das lieber ist, kannst du ruhig weiter mit alten Schachteln
rumhängen. Vielleicht hast du Glück und es verliebt sich eine in dich.
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Björn Franzen 20
(Klara stürmt auf Natalie los. Dr. Meyer fängt sie auf halbem Wege ab und hält sie fest.)
Dr. Meyer:
Beruhigen Sie sich. Ihre tote Oma würde es bestimmt nicht wollen, dass Sie sich auf ihrer
Testamentsverlesung prügeln.
Oma Trude: (krempelt ihre Ärmel hoch und posiert wie bei einem Faustkampf)
Da kennt aber jemand die alte Oma Trude schlecht.
Dr. Meyer: (zu Natalie)
Gehen Sie lieber wieder auf Ihr Zimmer.
Manfred: (fasst Natalie an die Schulter und führt sie zur Tür raus)
Los, komm Schatz! Kommt Kinder! Wir gehen hoch.
(Natalie, Manfred, Sebastian und Marita ab)
Dr. Meyer:
Es sind alle weg. Jetzt können Sie sich beruhigen.
Klara:
Das wird mir gerade alles hier zu viel. Meine Cousine treibt mich manchmal einfach in den
Wahnsinn. (atmet tief durch) Ich glaube, ich sehe mal nach Anneliese.
(Klara ab)
I, 7. Szene
Dr. Meyer:
Ich mache drei Kreuze, wenn das alles hier vorbei ist.
Oma Trude:
Chrmm, chrmm.
Dr. Meyer:
Ach. Sind Sie auch noch da?
Oma Trude:
Aber natürlich, mein lieber Meyer. Ich bin schließlich hier, um meiner Testamentsverlesung
beizuwohnen. Und die lass ich mir nicht entgehen.
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Dr. Meyer:
Und wieso waren Sie vorhin einfach so verschwunden.
Oma Trude:
Och. Ich hatte Weisung von ganz oben bekommen, dass ich mich melden und Bericht
erstatten sollte.
Dr. Meyer:
Etwa beim lieben Gott?
Oma Trude:
Nein, nein. Bei meinem Gutgeist. Dem habe ich es auch zu verdanken, dass ich hier
runtergekommen bin.
Dr. Meyer:
Nur um zu schauen, wie Ihre Testamentsverlesung verläuft?
Oma Trude:
Ich fürchte, nicht nur. Das Ganze muss einen tieferen Sinn haben. So ist der Himmel
aufgebaut. Es gibt immer einen tieferen Sinn, tiefere Weisheiten und andere
Bewusstseinsebenen. Irgendwo da ist wohl auch der liebe Gott versteckt, aber erstens ist das
für Lebende kaum verständlich und zweitens ist es strengstens verboten dieses letzte
Geheimnis vorher zu verraten.
Dr. Meyer:
Und sind Sie schon an einer anderen Bewusstseinsebene angekommen?
Oma Trude:
Aber lieber Herr Meyer. Ich bin doch erst ein paar Tage tot.
Dr. Meyer:
Natürlich. Wie ist es denn, tot zu sein?
Oma Trude:
Man fühlt sich irgendwie viel befreiter. Ich kann Bewegungen machen, die ich schon seit
Jahrzehnten nicht mehr machen konnte. (macht ein paar übertriebene Sportbewegungen)
Das Problem ist nur, dass sie keiner bewundern kann.
Dr. Meyer:
Ist es denn von oben gewollt, dass wir Sie hören können?
Oma Trude: (schaut verlegen auf den Boden)
Och. Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Konzentrieren Sie sich nur auf die
Testamentseröffnung. Da soll alles wie am Schnürchen laufen. Ich will sehen, wie die Ertels
vor Ärger im Kreis springen. Das wird ein Spaß.
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Dr. Meyer:
Apropos Ertels. Da gibt es ein kleines Problem.
Oma Trude:
Ja, das stimmt. Sie werden versuchen Sie einzuwickeln.
Dr. Meyer:
Eigentlich.....
Oma Trude:
Dabei werden Sie es alle auf ihre eigene fiese Art probieren. Natalie versucht es mit
Penetranz, wie ich vorhin schon gesehen habe. Manfred wird bei Ihnen auf guten Freund
machen, Sebastian denkt bestimmt schon an Bestechung und Marita …... hmmm …... weiß
ich nicht, aber ihr Vorgehen wird bestimmt keine Ausgeburt von Intelligenz sein.
Dr. Meyer:
Eigentlich mache ich mir mehr Sorgen, dass sie das Testament anfechten könnten. Das
Gesetz sichert den direkten Nachkommen einen gesetzlichen Mindestanteil zu.
Oma Trude:
Sie haben aber auch damals gesagt, dass dieser bei grobem Undank aberkannt werden
kann. Die Ertels haben mir allerhöchstens mal eine Weihnachts- oder Geburtstagskarte
geschickt und mich nie mehr als einmal im Jahr besucht. Wenn das kein grober Undank ist.
Außerdem habe ich Ihnen doch von dem großen Streit erzählt, den wir mal vor Jahren gehabt
haben. Sie hätten mal hören sollen wie sie mich beschimpft hat.
Dr. Meyer:
Aber juristisch ist das alles leicht anfechtbar.
Oma Trude:
Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich? Glauben Sie etwa, dass mein Geld bei den Ertels
besser aufgehoben wäre?
Dr. Meyer:
Nein, natürlich nicht. Entschuldigen Sie Frau Grossmann. Ich muss mal raus. Die ganze Zeit
mit einer Toten zu reden ist doch sehr anstrengend. Außerdem sollte ich Frau Lamberts noch
einmal anrufen, ob sie diesmal auf dem richtigen Weg ist.
(Dr. Meyer ab)
Oma Trude:
Toll. Jetzt sind alle weg. Ich habe doch nur versucht, sicher zu gehen, dass alles so läuft wie
ich geplant habe. Oder war ich vielleicht zu barsch mit Klara und dem lieben Meyer? Hat es
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bisher einen tieferen Sinn gehabt was ich hier gemacht habe? (überlegt kurz) Nein, wohl
kaum. Ich werde mich mal wieder Richtung Himmel begeben.
(Oma Trude ab)
I, 8. Szene
(Die Ertels kommen in den Raum.)
Natalie:
Okay. Die Luft ist rein.
Manfred:
Wieso rein? Was wollen wir hier?
Natalie:
Marita, Sebastian. Ihr schaut vor der Tür, dass niemand kommt.
Marita:
Aber Mama.
Natalie:
Marita, raus!
(Marita und Sebastian verlassen den Raum.)
Natalie:
Ich will das Testament einsehen. Der blöde Meyer wird es sicher irgendwo haben. Los! Helf
suchen!
(Natalie sucht im Zimmer herum, Manfred lässt sich in den Sessel fallen.)
Manfred:
Aber, Schatz. Er wird das Testament hier bestimmt nicht so offen rumliegen lassen.
Natalie: (fauchend)
Halt die Klappe und such!
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