perspektivenwechsel oder ein tag im · pdf filenoch viele male werden wir an diesem tag...
Post on 05-Mar-2018
216 Views
Preview:
TRANSCRIPT
Perspektivenwechsel oder
ein Tag im Milchsammelwagen
Ein Erlebnisbericht von Claudia Schmidthaler
Die allermeisten meiner Kollegen erledigen ihre Arbeit nicht wie ich am Schreibtisch und Computer
sondern am Lenkrad auf der Straße.
Wie das so ist, wollte ich hautnah miterleben, und begab mich am 1. Juni einen Tag lang auf den
Beifahrersitz eines Milchsammelwagens. Dass dies genau der „Tag der Milch“ ist, hatte ich vorher
nicht gewusst, passte aber sehr gut.
Tagwache um 03:15, eine halbe Stunde später per PKW nach Aschbach im Bezirk Amstetten.
Geplante Abfahrt dreiviertel fünf.
Starker Regen und Dunkelheit sind neben der frühen Morgenstunde weitere Herausforderungen,
aber wenigstens sind kaum Fahrzeuge auf der Autobahn.
Habe auch ohne Navi auf Anhieb zum Lagerhaus gefunden, und treffe dort auf Reini Gugler, der noch
immer etwas verwundert ist, eine Beifahrerin zu haben.
Wir fahren mit einem MAN TGS 26.440 mit Milchsammel-Tank und Anhänger, Aufbau und Technolgie
von Schwarte-Jansky.
Wir fahren pünktlich los – das Ziel ist Lunz am See, etwa eine Fahrstunde entfernt. Um 5:30 Uhr
stellen wir den Anhänger neben der Straße ab. Ich wusste bisher nicht, dass es Milchübergabestellen
in unserem Straßennetz gibt!
Kurz vor 6 Uhr biegen wir in eine enge und steile Straße ein. Sogar mit dem PKW würde mir hier nicht
wohl sein, doch ich sitze in einem tonnenschweren Gefährt. Steigung und Kurven werden von Reini
und dem Tanker absolut souverän genommen.
Kurz nach 6 Uhr erreichen wir am Ende der Straße den ersten Bauernhof.
Wir bekommen von der freundlichen Bäuerin ein Frühstück, für das wir uns jedoch nicht sehr viel Zeit
nehmen können. Der Terminplan ist so eng wie bei einem Linienbus.
In Minutenschnelle ist der Milchtank ausgesaugt, und schon geht es weiter.
Nach etlichen Kilometern Fahrt „laden“ wir die nächste Milch auf. Drei Bauern warten mit Ihren
Tanks am Straßenrand auf den Milchsammler.
Noch viele Male werden wir an diesem Tag erwartet, teils am Straßenrand, teils fahren wir zu den
Höfen. Manchmal werden beim Aussaugen der Hoftanks auch geschwind ein paar Neuigkeiten
ausgetauscht.
Der LKW bringt, was Sie täglich brauchen.
Der LKW holt in diesem Fall etwas. Und wir bekommen einen Kaffee. Danke! Schließlich ist es halb
acht, und wir sind schon fast drei Stunden unterwegs.
Und wieder eine Sammelstelle nach der anderen…
Zwischendurch werden Reinigungsarbeiten durchgeführt. Der Milchsammelwagenfahrer ist mit den
Gegebenheiten auf den Höfen der Lieferanten vertraut.
Die Technik eines MSW ist anspruchsvoll.
Jetzt fahren wir „abladen“, sprich Umpumpen in den am Morgen abgestellten Tank.
Es ist 9:58 Uhr, als wir ankommen. Mit unglaublicher Präzision hält mein Fahrer-Kollege den
„Fahrplan“ ein.
Vor dem Umpumpen wird noch ein so genannter Hemmstofftest durchgeführt. Damit könnte
herausgefunden werden, ob eine Kuh mit Antibiotika behandelt worden wäre. Ein paar Tropfen
Milch aus der automatisch entnommenen Probe werden mit einem Tester geprüft, alles passt.
Ich erfahre, dass eine Antibiotikabehandlung etliche 100.000 Liter unbrauchbar machen könnte. Die
Milch wäre nicht mehr weiter zu verarbeiten, da die Kulturen für Topfen, Käse u. dgl. nicht mehr
funktionieren würden. Darum wird schon vor dem Umpumpen geprüft.
Wir fahren wieder aufwärts und kommen an einem Schilift vorbei. Damit ist mir klar, in welch hoher
Region wir uns eigentlich befinden. Die Gegend hier ist wunderschön.
Im Winter bringen manche Bauern mit dem Traktor ihre Milchtanks den Berg hinunter. Es gibt hier
viel Schnee, sagt man mir.
Er ist trotzdem fast immer pünktlich, erzählt Reini. Die Bauern bestätigen das.
Um 10:52 holen wir von der Milchübergabestelle den Hänger ab. Wir fahren nach Opponitz, das eine
halbe Fahrstunde entfernt ist. Auf dem Weg dahin holen wir Milch von einer Bergbauernschule.
In Opponitz ist ebenfalls eine Milchübergabestelle gleich neben dem Fluss, wo schon einige Bauern
mit ihrer wertvollen Fracht warten. Normalerweise, so höre ich, wird der Hänger schon in der Früh
hier abgestellt. Jetzt ist aber – auf Grund des Grünfutters – die Milchmenge sehr hoch, darum würde
nicht alles bei einer Tour im MSW Platz haben.
Es geht wieder hinauf in luftige Höhen zu wunderschönen Höfen in malerischer Landschaft.
Die idyllische Landschaft birgt fahrtechnisch einige Herausforderungen…
Nicht nur die Landschaft ist schön, es gibt auch sehr (gast)freundliche Menschen hier
Der letzte Lieferant auf dieser Tour!
Danach fahren wir zurück nach Opponitz und holen um 13:46 den Hänger ab.
Wir haben 25.041 Liter Milch in den Tanks.
100 Lieferanten an etwa 70 Stationen wurden besammelt.
70 mal in 9 Stunden aus dem LKW aus- und wieder einsteigen ist eine sportliche Leistung für den
Fahrer.
Mittagspause gibt es keine. Kurze Pausen werden bei jenen netten Bauern gemacht, die eine
Stärkung bereithalten.
Um 14:20 setzt mich Reini wieder beim Lagerhaus in Aschbach ab, von wo aus ich mich auf den
Heimweg begebe. Ich bin etwas geschlaucht, obwohl ich nicht oft ausgestiegen bin (das hätte
vermutlich zu viel Zeitverzögerung ergeben).
Reini fährt mit dem Tanker weiter zur Molkerei, und von dort wieder heim. Sein Tag ist noch lange
nicht zu Ende, und am nächsten Morgen geht eine ähnlich lange Tour ins nächste Tal.
Ich nehme viele Eindrücke von diesem Tag mit.
Vor allem aber einen tiefen Respekt vor der Arbeitswelt der Milchbauern, und natürlich auch vor
jener der Sammelwagen-Fahrer.
Claudia Schmidthaler
REDER TRANSPORTE KG
Öffentlichkeitsarbeit
Juni 2012
top related