seidenstrÜmpfe und verpackungsspiele (aus "midlife crisis - männer in schwierigen...
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Raou
l Yan
nik
[Seidenstrümpfe und Verpackungsspiele] ____________________
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„Der Geist des Mannes ist normalerweise frisch und aktiv.
Das kommt nicht von ungefähr, sondern von der männlichen
Fähigkeit des reflektierten Denkens. Genetisch bedingt, geht der
Mann voller Tatendrang den Dingen auf den Grund. Gegen diesen
Reflex kann sich der Mann nicht wehren, denn die Evolution hat es
so vorgesehen. Sein aufrechtes Tun ist sein Schicksal.
Der Geist der Frauen ist vollkommen anders. Er führt eine Art
flatterhaftes Triebleben, bildhaft gesehen wie ein ziellos treibendes
Ruderboot auf einem spiegelglatten Bergsee, kurz vor dem
Einsetzen des Alpenwinds. Das muss man wissen, um von lustigen
und scheinbar sanftmütigen Frauen nicht geblendet zu werden.
Aktives, weibliches Verhalten, gepaart mit den üblichen,
körperlichen Attributen versucht nur den fehlenden Inhalt zu
überdecken, an dem sich der Geist weiterentwickeln könnte, was er
aber nicht macht. Zusammenfassend kann man sagen: Bei der
Beurteilung einer Frau geht es letztendlich nicht darum wie viele
Tassen, sondern wie viele Schuhe sie im Schrank hat.“
Paul van Cre im Oktober 2010
[Siebtes Kapitel aus „Midlife Crisis – Männer in schwierigen Zeiten“] ____________________
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Seidenstrümpfe und Verpackungsspiele
„Man muss den Männern zeigen, was sie sehen wollen.
Stil ist, wenn unter einem Nerzmantel ein billiges Kleid aus dem
Second-Hand-Shop wie ein schweineteurer Designerfummel wirkt.
Und wenn es dazu nicht mehr reicht –
Für eine Frau mit Phantasie
ist Haut ist immer eine gute Alternative.“
Sina Sidonius
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Du fragst dich, warum ich dir das alles erzähle?
Warum ich hier und jetzt mein Herz ausschütte? Ein
gestandener Mann, der eine Affäre beginnt, möchte
sich mitteilen, erzählen und mit Gleichgesinnten
sprechen. In dieser Phase des Lebens ist es eine
besondere Form von Freiheitsdrang und der
Bestätigungssucht, die den mittelalten
Grandseigneur befällt. Entdecker und Eroberer, von
Alexander dem Großen bis, also jetzt fällt mir kein
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Name ein, der mit dem letzten Buchstaben des
Alphabets beginnt, haben es getan, und wollten sich
nicht verzetteln. Sie wollten immer nur das Eine -
Ruhm und Anerkennung. Bei mir war es nicht
anders. Aus einem einmaligen Seitensprung wurde
eine Affäre und durch meine göttliche Sina bekam
mein Leben wieder einen Sinn. Für mich war es tiefe
und einmalige Leidenschaft. Ich spürte die quälende
Liebe mit jeder Faser meines Herzens. Sie war ein
Engel und ein Wort von ihr hätte genügt, ja ich
gestehe es, ich war bereit es zu tun - den Boden
abzulecken auf dem sie mit ihren zarten Füßen
wandelte. Ich war ihr verfallen und kurz davor, so
wie seit Jahrhunderten unzählige Ehemänner auch,
in Puschen zum Zigarettenautomat an der Ecke zu
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schlurfen (falls damals welche in der Nähe gewesen
wären) um dann für immer in der dunklen Nacht zu
verschwinden. Zum Glück ahnte sie nicht wie weit
ich gehen würde. Sie fand andere Mittel, um mir
ihre Liebe zu zeigen.
Ich muss zugeben, ich war angenehm
überrascht, als mir meine phantasievolle Geliebte
wie beiläufig den harmlos klingenden Satz ins Ohr
flüsterte: „Schatz (unauffällig-abschätzender Blick
von oben nach unten und wieder zurück, dazu ein
kaum merkbarer, aber unterschwellig
vorwurfsvoller Ton in der Stimme), wir müssen für
dich mal wieder ein paar neue Hemden und
Sweatshirts kaufen.“
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„Was für eine gute Seele sie doch ist“ ging mir
spontan durch den Kopf. Der Gedanke, dass sie nur
mein Bestes will, erzeugte ein beruhigendes
Hochgefühl. Obwohl, einen kurzen Moment kam
mir der intuitive Gedanke: „Ob sie mich vielleicht
unattraktiv findet?“
Aber bei ihrem hinreißenden Lächeln und dem
verheißungsvollen Blick mit den blitzenden
blaugrauen Augen (Geilheit pur) waren die Zweifel
schnell weggeblasen, denn ich war verliebt und
arglos und darum anfällig für Versuchungen jeder
Art. Mental berührt und auch höchst motiviert,
schloss ich aus dem Satz, dass jetzt der Prozess der
heimlichen Legalisierung unseres äußerst illegalen
Verhältnisses beginnen sollte, wozu ich nach den
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Erfahrungen der vergangenen Wochen nicht
gänzlich abgeneigt war.
„Liebling, wenn du meinst, wann ist dein
Mann wieder auf Geschäftsreise? Dann können wir
ja mal einen Einkaufsbummel machen“, war meine
neutral klingende, aber doch beschwingt
formulierte Einverständniserklärung.
„Schatz, du bist einfach der Beste!“ war der
freudig umhalsfallende Ausruf, ohne dass ich die
ganze Tragweite des Satzes sofort und in seiner
ganzen Tragweite begriff. Immerhin muss man ja
eine aktuelle, oder besser mehrere
Vergleichsmöglichkeiten haben, um das Prädikat
„der Beste“ zu verleihen. Aber immer nur das Gute
im Menschen sehend, machte ich mir über die
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kleinen Spitzfindigkeiten der Kommunikation keine
Gedanken.
Frohgemut ging ich, zusätzlich überzeugt von
einem tiefen und treuherzigen Blick aus den
ehrlichen und bereits erwähnten blitzblaugrauen
Augen, auf den selbstlosen Vorschlag ein. Mir war in
meiner emotionalen Vorfreude bewusst, dass Geiz
in so einer Situation ziemlich ungeil wäre. Ich war
ohne nachzudenken bereit, nicht nur in mich,
sondern gegebenenfalls und in Maßen auch in
meine hingebungsvolle Geliebte zu investieren.
Obwohl, für einen kurzen Moment kamen mir
die Prioritäten in den Sinn. Die mir zugewiesene
Rolle des außerehelichen Lustspenders beinhaltete
nicht die Unterhaltsinvestitionen. Nüchtern
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betrachtet war es die Aufgabe ihres Ehegatten (ich
vergaß zu erwähnen, dass meine Geliebte
verheiratet war), und nicht die meine. Aber in der
Liebe gibt es keine Ordnung und darum sah ich es
als eine Art erster Bewährungsprobe meiner
bedingungslosen Hingabe und meiner Potenz, der
finanziellen.
Liebe empörte Leserin, verehrter wissender
und erfahrener Freund, deine Vermutung ist richtig.
Der Autor war zum fraglichen Zeitpunkt etwas älter,
und Sina, also Petra war, wie du inzwischen schon
weißt, sehr viel jünger und sich ihres schmückenden
Wertes intui- und manipulativ bewusst. Aber du
musst um mich nicht sorgen. Ich war und bin nicht
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so ein verliebter Trottel, der sich in einem letzten
Anfall von zweitem Frühling von einer
flittchenhaften Liebschaft irreleiten lässt. Und
verkleiden, wie ein Pfingstochse lasse ich mich bis
heute nicht. Noch hatte ich alle meine ästhetischen
und finanziellen Sinne zusammen, dachte ich.
Wenn Frauen einkaufen, soll es ja und wie
man hört, für Männer eine Qual sein. Ich behaupte,
die Qualen befallen ausschließlich verheiratete
Männer. Das hat seinen Grund. Man kennt die
Ausgabegewohnheiten der Angetrauten und der
Einkaufsvorgang ist eine mehr oder weniger lästige
Pflicht zur Vorratsergänzung unter Berücksichtigung
des verfügbaren und meist zu geringen Kapitals.
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Dagegen verhalten sich verheiratete Männer
im mittleren Alter, die vom Ehe-Alltag abgestumpft
dahinvegetieren, und die mit Umsicht und Bedacht
eine leidenschaftliche Affäre kultivieren,
vollkommen anders. Sie verfallen unter
Ausschaltung des Groß- und Kleinhirns einem
hedonistischen Sorglosigkeitssyndrom. Man kann
dieses Verhalten auch mit dem berühmten „Spiel
mit dem Feuer“ bezeichnen. Das Spiel mit dem
Feuer beginnt dann, wenn die Affäre über eine
gewisse Zeit, so etwa ein halbes Jahr nicht
aufgeflogen ist. Man(n) wird mutiger, denn er hat
gelernt, mit dem Sprengstoff und den Gefahren
einer jederzeit möglichen Explosion umzugehen.
Außerdem spielt der männliche Geltungstrieb eine
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besondere Rolle. Solche Konstellationen sind dann
besonders brisant, wenn die Affäre im Vergleich zu
der legalen Verbindung und entgegen der sonstigen
Gewohnheiten und Möglichkeiten sehr vorzeigbar
ist.
Du kannst das nicht nachvollziehen? Du warst
noch nie in einer vergleichbaren Situation?
Es ist wie mit den Autos. Zur Fahrt ins Büro,
zum Bio-Markt, oder um die Kinder von der Schule
abzuholen nimmt man den feinstofflich korrekt
dieselnden Familienkombi. Praktisch, geräumig,
behäbig, etwas schwergängig in den Kurven und mit
weicher, etwas durchgesessener Federung.
Unauffällig, immer etwas unaufgeräumt, politisch
einwandfrei und preisgünstig. Den sündteuren
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Sportwagen lässt man besser in der Garage, weil es
einfach obszön wäre, sich bei Tageslicht damit zu
zeigen. Andrerseits, wer hat schon mit einem
Traktor viel Spaß, wenn man ein superheißes Gerät
sein Eigen nennt? Einige Landwirte in abgelegenen
Gegenden und Naturfreaks, die einsam im Regen
die Furchen ziehen vielleicht.
Aber die richtige, die männliche Freude
kommt nur auf, wenn man an schönen
Sonnentagen voller Stolz zeigen kann, dass man so
eine Höllenmaschine besitzt und dazu über die
Fähigkeiten und die Mittel verfügt, die Kräfte zu
bändigen. Oder „es ist nur schön, wenn du ohne auf
die Kosten achten zu müssen, das Biest reitest“, wie
mein Onkel, der Philosoph vor langer Zeit einmal
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sagte.
Bei mir traf das alles zu, denn Sina war zum
damaligen Zeitpunkt äußerst vorzeigbar und das
Einkaufserlebnis versprach das Vergnügen
demonstrativen Konsums. Ich war bereit, und dafür
schäme ich mich auch heute noch, einem
zwingenden Bedürfnis nachzugeben und die
egoistische Botschaft auszusenden, die da lautet:
„Ihr kleinen Ehekrüppel, seht euch meine Beute an,
ich bin der Größte, ich kann mir so ein leckeres
Schnittchen leisten.“
Mehr wollte ich in aller Bescheidenheit nicht.
Sina verstand meine Sehnsüchte. Mit einem gütigen
Lächeln sah sie mich an und in ihren gütigen Augen
konnte ich nicht ihre Gedanken lesen. Vermutlich
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dachte sie: „Heute werde ich ihn Mittagessen
nennen.“
Freu dich jetzt mit mir auf einen
Einkaufsbummel der besonderen Art.
Shoppen ist für Frauen ein
situationsbedingtes, zwiespältiges Erlebnis. Der
weibliche Teil eines Ehepaars achtet auf das
familiäre Geld. Mann und Frau halten es zusammen,
jedenfalls im Allgemeinen.
Zwei shoppende Freundinnen verhalten sich
wieder anders, mehr bummelig suchend, um dann
ein verträumtes Vor- und Nachmittägchen ohne
größere Geldausgaben im Cafe zu beenden.
Einzelne Männer gehen los und erwerben das,
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was zu erwerben beabsichtigt war. Aber eine
dekorative erst- oder mehrmalig ausgeführte Affäre
erkennt intuitiv die Gunst der schwachen Stunde. Es
geht darum, und das scheint ein weiblicher
Urinstinkt zu sein, dem schwachen, also
abwesenden Teil unter Aufbietung aller
psychologischen Tricks den verfügbaren Anteil zu
entreißen, um damit die Lebensgrundlage der
legitimen Verbindung zu zerstören. Dekorative und
frische Affären in männlicher Begleitung
verwandeln sich in Sekundenbruchteilen in
reißende Werwölfinnen, die skrupellos die
männliche Geberhand zerfleischen, wenn die
Kreditkarten nicht schnell genug gezückt werden.
Das wusste ich nicht, denn ich war verliebt und
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darum übergab ich meiner angebeteten Sina
vertrauensvoll die strategische Teamleitung und sie
bestimmte die Einkaufsstätten nach einem uralten,
und ich vermute genetisch bedingten Code im
weiblichen Gehirn.
Vorzugsweise und ganz zufällig werden solche
ausgesucht, die vom Sortiment erlesen und daraus
resultierend teuer, und eine größere Auswahl
hochmodischer Kleidungsstücke für Mann und Frau
gleichermaßen vorrätig haben, und außerdem bei
jungen Frauen total angesagt sind. Ich bekam den
Part des Investors zugewiesen und vergaß vor lauter
Freude den Rat eines bekannten Bankiers:
„Investoren sind dumm und frech, sie wollen ihr
Geld wieder sehen und sie wollen etwas dafür
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haben.“
Das Humankapital, in diesem Fall der verliebte
Raoul und seine überaus vorzeigbare Begleitung
betraten Arm in Arm eine dieser durchgestylten
Einkaufsstätten, in einer Straße, die es in jeder
Großstadt gibt, und die üblicherweise als gut und
teuer verschrien ist. Leise Musik empfing uns und
mich traf der erste Satz vollkommen unvorbereitet:
„Schatz guck mal da, die find ich toll!“
Wie befohlen guckte ich.
Sina steuerte (mit dem souverän wirkenden
Autor als noch benötigtes, aber eigentlich lästiges
Anhängsel im Schlepptau) zuerst einmal, vermutlich
um mich in Sicherheit zu wiegen und gegen meinen
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inneren Drang nach Wohlfeilem, zielstrebig auf die
chromblitzenden Regale mit den hochmodischen
Sweatshirts zu.
„Oh Schatz, die stehen dir bestimmt gut“ war
die emotional erregt klingende Stimme, die meinen
Willen paralysierte, weil ich an anderes dachte. Ob
des freudigen Ausrufs meiner Sina und die Situation
sofort durchblickend, begannen sich mehrere
Verkäuferinnen unauffällig in einer strategischen
Ausgangslage aufzustellen – immer bereit der
schwachen Dame zum Nachteil des Herrn behilflich
zu sein. Das sah ich nicht, denn ich war geblendet.
Einen kurzen Moment sah ich vor meinem geistigen
Auge einen jungen Wuschelhund, der das erste Mal
in seinem Leben auf einer üppigen Sommerwiese
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herumtollt und den man irgendwie niedlich findet.
Falls du dich schon einmal mit der Erziehung
von kleinen oder mittelgroßen Hunden beschäftigt
hast, weißt du was ich meine. Am Anfang lässt man
noch alles durchgehen, weil die Viecher ja so
niedlich und tapsig sind. Erst später merkt man, oft
viel zu spät, welche Fehler man im Unterricht
gemacht hat.
Du errätst es, aber klar doch? Jede
Nachlässigkeit in der Erziehung und in der Liebe
verkehrt die Kräfte ins Gegenteil und mir ging es
nicht anders. Unter solidarischer Mithilfe von
geschultem Verkaufspersonal wurden für mich
unmündiges Opfer, einige (bitte beachte die
Mehrzahl) Shirts ausgesucht, die niemand (und ich
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schon gar nicht) mit wachem Verstand anziehen
würde, denn ich war damals keine Neunzehn mehr.
Und jetzt kommt die hinterlistige Falle, vor der ich
dich, lieber männlicher und darum unerfahrener
Leser eindringlich warnen möchte. Falls du jemals in
eine ähnlich gefährliche Situation geraten solltest,
achte wie beim Schach auf den ersten Spielzug.
Wenn du bei der Eröffnung unachtsam bist und
nicht mitdenkst, ist alles verloren. Du musst in jeder
Sekunde das Spiel aktiv führen und darfst dich
niemals in die Defensive drängen lassen. Auch wenn
deine Augen etwas anderes sehen.
Diesen wertvollen Rat kannte ich nicht, und
die strategische Okkupation der viel jüngeren Dame
begann mit dem Satz: „Schatz, die sind super, ich
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zieh die mal für dich an, damit du siehst, wie die
aussehen.“
Welcher Mann könnte schon widerstehen,
wenn der zweite Satz mit einem unschuldigen
Augenaufschlag (du erinnerst dich an die
blitzblaugrauen Augen), und einer leicht
vibrierenden, etwas abgesenkt, betont lockenden
Stimme gesprochen wird.
„Schahaatz, komm doch mit in die
Umkleidekabine, dann musst du nicht draußen
allein rum stehen.“
So viel Mitgefühl muss echte Liebe sein,
dachte ich. Als aufgeklärter und phantasiebegabter,
männlicher Leser wirst du wissen, was dann
geschah. Es gehört zum Standardtraumrepertoire
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jedes gestandenen und auf ehelicher Sparflamme
halbgar gekochten Mannes. Auch ich ging in die
Falle.
In der engen Umkleidemöglichkeit fand
folgendes statt: Zuerst wurde langsam die Bluse
aufgeknöpft und danach ausgezogen. Dazu muss
natürlich auch die Jeans aufgeknöpft werden.
Danach bückte sich meine wunderschöne Pretty-
Woman, und ich war sozusagen gezwungen, ihren
schmalen schwarzen String zu betrachten, der so
prachtvoll den makellos jungen und hübsch
tätowierten Po teilt.
Verehrte Leserin, geschätzter Leser, ich weiß,
die katholische Kirche sieht „a tergo“ nicht so gern,
und die Kaufhäuser ihre Kunden auch nicht. Aber
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was sollte ich, der verliebt-ahnungslose Raoul
machen, wenn ich meinen Verstand angesichts
eines sich verlockend dargebotenen Apfels
(metaphorisch gesprochen) in ihrer Hand verliere.
„Schaaatz, guck mal.“
Meine Brille war zwar wegen der
bedrückenden Enge etwas verschoben und
beschlagen. Aber ich guckte wieder, wie sie es mir
sagte, denn ich konnte nicht anders. Es wäre gegen
die Natur gewesen.
Die Shirts für mich standen ihr wirklich gut. Es
war eine Situation, in der man Schwächen
überspielen und Entscheidungen treffen muss.
Doppelt gibt, wer schnell und gern gibt, eine andere
Wahl hat der hilflose Mann nicht.
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Das Ergebnis dieser Einkaufsejakulation, die,
wie du dich sicher erinnerst, für den Besten unter
Vielen und nur zu meinem Besten war, kann man
nur mit allgemeinen Wohltaten beschreiben. Es war
der aussichtslose Kampf zwischen meinen kleinen
Genüssen und dem unerwartet großen Limit meiner
Kreditkarten.
Du meinst, ich hätte mich falsch verhalten?
Hätte ich über mein Verhalten nachdenken sollen?
Meine Liebe tadeln, knausern oder mich sogar über
ihr Verhalten beschweren? Das konnte und kann
niemand von mir verlangen.
Ein weiterer, ich nehme an, typisch
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männlicher Traum, ging in Erfüllung. Ich kam nicht
nur in den Genuss eines kurzen Handy-Quickies in
Verbindung mit einem schnellen aber gekonnten
Blow-Job. Ich durfte mich sogar, matt wie ich mich
nun mal fühlte, mit fünf (oder mehr, ich weiß es
nicht mehr so genau) großvolumigen Einkaufstüten
(ungefährlich) und einigen kleineren (gefährlich weil
teurer Inhalt) abschleppen.
Warum ich es getan habe? Das ist einfach zu
erklären. Ich musste es tun, denn der Weg mit der
Beute zur heimischen Höhle ist seit den Zeiten des
Neandertalers Aufgabe des Mannes. Der Mann ist
nun mal der Jäger und Transporteur. Für alles
andere ist das Weib zuständig und daran wird sich
auch in den nächsten zehntausend Jahren nichts
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ändern.
Über den Inhalt der Einkaufstüten machte ich
mir noch keine Gedanken. Als Mann muss man
einfach mal hin und wieder etwas wagen. Aber nach
meiner Erinnerung waren sie mit Folgendem befüllt:
Zwei bunte Sweatshirts und zwei Jeans für mich. In
den restlichen vier Tüten waren dann noch einige
Kleinigkeiten für die Süße, da ich ja nicht als
knickriger, alter Egoist dastehen wollte.
Wenn dir, verehrter und sparsamer
Haushaltsvorstand, meine Geschichte jetzt schon
als nicht zu steigernde Folter erscheint, dann muss
ich dich leider enttäuschen. Es gibt immer noch
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Steigerungen, auf die kein normaler (männlicher)
Mensch mit wachem Verstand jemals kommen
kann. Auf dem Umweg (beladen mit den
Einkaufstüten) durch die Wäscheabteilung, die
skrupellose Händler in ihren Hallen so angeordnet
haben, dass es kein Entkommen gibt, lauerten
weitere Gefahren.
Unsensible Männer und
miederschlüpfertragende Allerweltsfrauen können
die Risiken und Folgen für den verheirateten Mann
nicht beurteilen. Aber für sensitive Männer
bedeutet die geballte Ansammlung von luftigem
Nichts eine ernste, wenn nicht sogar eine
existenziell-finanzielle Bedrängnis, der sie nichts
entgegensetzen können, ohne Schaden an der Seele
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zu nehmen. Die Gefahr wird in unkalkulierbarem
Ausmaß verstärkt, wenn der Geliebte in einer
schwachen Stunde des Vertrauens seiner Geliebten
alle Details seiner freudlosen Ehe erzählt hat.
Warum das so ist, habe ich erst viele Jahre später
erfahren. Junge, hungrige, aber gutaussehende
Frauen die sich in Affären befinden, haben einen
vergrößerten Speicherchip für Benachteiligungen
jeder Art und suchen früher oder später den
gerechten Ausgleich.
„Guck mal Schatz, da gibt’s die gleichen
Seidenstrümpfe, die deine Frau auch immer kauft!“
Und schon schnappt die Falle zu. Ein
unüberlegt gesprochener Satz vor vielen Monaten.
Ein kleines Klagen in schwachen Stunden über die
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Verschwendungssucht meiner Ehefrau. Nichts war
vergessen. Jeder unbedachte Satz wurde zur
Herausforderung und zur moralischen Ermahnung
an die Gleichberechtigung und meiner
Verpflichtung zur finanziellen Gleichstellung meiner
Frauen.
Ältere und die vielfältigen,
zwischenmenschlichen Konstellationen
durchschauende Dessous-Verkäuferinnen lauern
wie hungrige Hyänen auf ihre Opfer, denn sie
kennen dieses Phänomen. Nur zu diesem Zweck
halten sie für Menschen wie mich, vom Besten das
Teuerste bereit. Ich hing in der Dessous-Abteilung
fest, zu der Mann ja ein erregend-beklemmendes
Verhältnis hat. Welcher echte Mann kann schon
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dem sehnlichsten Wunsch der Geliebten nach
Seidenstrümpfen, und dazu ein aufregend-
hauchdünnes Korsett, streng englisch, sorgfältig
handgearbeitet und zwar nicht notwendig, aber
stramm büstenhebend und mit allen Zutaten
widerstehen, wenn es doch ganz selbstlos einem
guten Zweck, der ästhetischen Freude des Investors
dienen soll? Und an diesem Ort, zwischen duftigen
Körbchen, winzigen Strings und hauchzarten
Kleinigkeiten hatte ich endlich das Prinzip der Liebe
verstanden. Liebe ist der Zwang des
Nützlichkeitsprinzips unter Berücksichtigung der
Gewichtung. Oder anders ausgedrückt: Männer
müssen früher oder später bluten, sonst bockt das
Weib.
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Ich weiß, was dir jetzt durch den Kopf geht,
aber es ist nicht so wie du denkst. Dein Freund
Raoul gehört keinesfalls zu der willensschwachen
Sorte Mann. Im Gegenteil, mir wurde oft bestätigt,
dass ich die Hinterlist selbst harmlos erscheinender
Situationen schnell durchschaue und die
natürlichen Hürden eines schweren Lebens mit
Bravour meistere. Aber wie ich aus verlässlichen
Quellen und durch die intimen Geständnisse einer
Vielzahl betroffener und fast immer finanziell
ruinierter Männer erfahren habe, sind solche
heimtückische Situationen durchaus alltäglich. Die
meisten Frauen kennen die Beziehung des
männlichen Willens zur Sinnlichkeit, die in solchen
Situationen anschwillt und größer ist, als die zum
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virilen Verstand. Und sie nutzen diese kleine
Schwäche brutal und schamlos aus. Darum möchte
ich dir den Schluss dieses Einkaufstages nicht
vorenthalten.
Wie du vielleicht noch weißt, waren ich und
Sina, meine wunderschöne Geliebte zum damaligen
Zeitpunkt noch anderweitig verheiratet. Zum
besseren Verständnis, jeder von uns mit einem
anderen Partner. Aus diesem Grund wurden die
erbeuteten Schätze in der von mir aus steuerlichen
Gründen erworbenen Eigentumswohnung
anprobiert. Die für mich bestimmten vier (nicht wie
ich irrtümlich annahm zwei) Sweatshirts standen ihr
eindeutig besser, als mir. Mit den zwei Jeans hatte
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ich mich auch ganz klar verkauft. Vermutlich lag es
an unserem kurzen Aufenthalt an der Sushi-mit-
Prosecco-Bar. Sie waren während des Transports
kleiner und darum für mich zu eng geworden.
Natürlich versprach mir Petra, dass sie mich in
Zukunft von solchem Einkaufsstress verschont und
mir die Mühe des Umtauschs abnimmt (oder sich
das investierte Geld auszahlen lässt). Den Rest der
Einkaufsbeute, das rote und figurbetonte Etuikleid,
die Strümpfe aus feinster Seide und Nylon mit Naht,
die hauchzarten, aber dafür exquisit teuren LaPerla-
Slips mit passenden Büstenheben, dazu drei Paar
Pumps mit Absätzen über 9 Zentimeter konnte ich
zwar kurz betrachten, aber sie verschwanden und
zusammen mit der sündteuren Korsage und der
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restlichen Beute im Schrank.
Du wunderst dich? Es gibt eine einfache
Erklärung. Sina traf eine sorgfältige, von
Nützlichkeitserwägungen geprägte Entscheidung.
Ich kannte meine vergötterte Sina ja ohne
Verpackung. Es ergibt doch keinen Sinn, einen in
und auswendig bekannten Inhalt wieder
einzupacken, damit man ihn wieder auspackt.
Niemand würde so etwas tun. Außerdem leidet ja
die Verpackung darunter, und wer weiß, wann man
sie später noch mal brauchen kann (nicht Petra, die
Verpackung). Meine Sina hatte in solchen Dingen
eine sehr praktische Einstellung. Darum vermute
ich, dass sie kein Einzelfall, sondern eine traditionell
konditionierte Frau ist. Selbstbewusste Frauen
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werden in jungen Jahren von selbstbewussten
Großmüttern über raffinierte
Verpackungstechniken aufgeklärt. In dem
Zusammenhang erinnere ich mich noch an meine
Großmutter mütterlicherseits. Die hatte auch
immer, sparsam wie die Reste der Kriegsgeneration
nun mal sind, die bunten Verpackungspapiere von
den Weihnachts- und Geburtstagsgeschenken und
die bunten Schleifen etwas angebügelt, fein
säuberlich wieder zusammengefaltet und für
besondere Gelegenheiten verwahrt.
„Ist der Beutel leer, lässt sich keine sehen
mehr …„ Das Zitat war mir damals nicht geläufig,
aber dennoch bin ich nicht verbittert. Mich tröstet
auch heute noch der Gedanke, dass meine
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Investitionen nicht umsonst waren. Aber der
Nutzen von mir Ungezählter entstand nicht aus
meiner Blindheit. Es war volkswirtschaftliche
Nächstenliebe, denn meine Nachfolger konnten
davon profitieren. Aber vermutlich ging es denen
genau so, und wir konnten mit unserer Liebe einen
wichtigen Beitrag für das Bruttosozialprodukt in
Deutschland leisten.
Eventuell möchtest du, der vielleicht hoch
verschuldet noch jahrelang seine Investitionen
abbezahlt, von mir einen geeigneten Rat für
ähnliche Situationen? Es ist nicht so wichtig, was
„Liebe“ wirklich „ist“. Entscheidend ist das Wissen,
dass mit zunehmender Dauer einer Verbindung, der
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Wert der Liebe vom „Nutzen“ abhängt. Mit
voranschreitender Zeit muss man investieren
können oder verzichten. Ich habe investiert, ich
habe nicht verzichtet sondern genossen, und ich
bereue nichts. Ich habe daraus gelernt und
angenehme Erinnerungen an eine große Liebe.
Liebe die mir geholfen hat, dieses Buch zu schreiben
um dich vor Schaden zu bewahren. Falls dir der Sinn
nach einer guten Tat steht, gib dieses Buch an
Betroffene weiter.
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Nachtrag
„Reg dich nicht über Dinge auf, die du nicht ändern kannst.“
Sina Sidonius
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Ich habe diese Geschichte so geschrieben
habe, wie sie noch in meiner Erinnerung ist. Darum
bitte ich meine Leserinnen und Leser um Nachsicht,
wenn ich an der einen oder anderen Stelle zu sehr
von dem was sich tatsächlich zugetragen hat,
abgewichen bin. Dennoch, und das kann ich
beschwören, entspricht Vieles der nackten,
ungeschminkten Wahrheit, so schön schrecklich sie
auch erscheinen mag. Daher ist es nicht
verwunderlich, wenn es in meiner Geschichte kleine
Ähnlichkeiten mit noch lebenden oder inzwischen
verstorbenen Personen gibt. Persönlichkeiten die
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der Zufall, die Zwänge des Lebens, oder das Kalkül,
so wie im richtige Leben, für eine kurze Zeit
zusammengeführt hat.
Vielleicht kommt dir die eine oder andere
Episode bekannt vor. Du brauchst dich nicht zu
sorgen, und du musst mich nicht daran erinnern.
Mein Kapital ist meine Verschwiegenheit. Ich nenne
keine Namen und ich schwöre dir, bei allen Heiligen
und bei allem was mir heilig ist: Die genannten
Akteure, ihre Namen, die Firmen, Orte und Zeiten
sind von mir frei erfunden. Du kannst beruhigt so
weiterleben wie du es gewohnt bist. Aber du siehst,
auch deine Erlebnisse sind so alltäglich, dass sie
überall passieren könnten, jede Minute, jede
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Stunde, überall auf der Welt, schon immer und
solange es Menschen gibt. Eine Frau liebt einen
Mann, ein Mann liebt eine Frau, sie schwören sich
Liebe und vielleicht lieben beide auch noch etwas
anderes. Wenn, ja wenn die Wünsche, die Ziele und
die Zufälle nicht wären.
Falls doch der Eine oder die Andere glaubt,
sich irgendwo in meinem Buch wiederzuerkennen,
ist das ein reiner Zufall. Ich kenne den- oder
diejenige nicht und ich habe sie noch niemals
gesehen, gehört, gerochen, gespürt oder
geschmeckt. Sollte also jemand vermuten, sich in
diesem Buch wiederzuerkennen, dann fühle ich
mich wegen meiner blühenden, aber realitätsnahen
Phantasie geschmeichelt. Aber Ansprüche, welcher
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Art auch immer, können daraus nicht abgeleitet
werden, denn der oder diejenige hat sich geirrt.
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Geboren im Oktober 1950 in der ehemals beschaulichen,
schwäbischen Kleinstadt Sindelfingen. Nach Abitur und Ausbildung
schloss sich ein längeres, aus heutiger Sicht ziemlich nutzloses
Studium in Berlin an. Heute, nach einer kurzen Ehe und anderen
Missgeschicken lebe ich aus Lebens- und Liebesgründen in Essen. Ich
schreibe für mich über die Abgründe der Seele, über das was sein
könnte und was ist, wenn wir es sehen können.
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Kontakt und Fragen an mich: kontakt@raoulyannik.de
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