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Soziale Faktoren und Krankheit: Gesundheitliche Ungleichheit, Ungleichheiten in der Versorgung und die gesundheitlichen
Folgen von Arbeitslosigkeit Bericht zu Analysen mit Daten einer gesetzlichen Krankenversicherung
Juli 2009
Prof. Dr. Siegfried Geyer Medizinische Soziologie
Medizinische Hochschule Hannover 30625 Hannover
Prof. Dr. Richard Peter
Institut für Epidemiologie Medizinische Fakultät
Universität Ulm 89081 Ulm
2
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung der Ergebnisse im Überblick
1. Einleitung
2. Soziale Ungleichheit und Krankheit
Herz- Kreislauferkrankungen
Diabetes Typ 2
Maligne Erkrankungen
Kinder und Jugendliche: Unfälle
Kinder und Jugendliche: Infektiöse Erkrankungen
Mortalität
3. Arbeitslosigkeit und der Ausbruch von Erkrankungen: Herzinfarkt
4. Inanspruchnahme und medizinische Versorgung
Sterblichkeit an Krebserkrankungen
Inanspruchnahme psychiatrischer Behandlungen
Arbeitslosigkeit und stationäre Inanspruchnahme
Frühberentungen nach psychiatrischen Diagnosen
5. Forschungsmethodische Probleme bei der Arbeit mit KV- Daten
6. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse
7. Liste der im Text verwendeten Literatur
8. Liste der entstandenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen
9. Kurzbiographie der Autoren
3
Zusammenfassung der Ergebnisse im Überblick
Gesundheitliche Ungleichheiten: Wie in anderen europäischen und außereuropäischen
Ländern fanden sich auch in unseren Untersuchungen deutliche soziale Ungleichheiten
sowohl für den Ausbruch manifester Erkrankungen als auch für das Risiko, frühzeitig zu
sterben. Die trifft für die am häufigsten auftretenden Erkrankungen zu, insbesondere für
Herzinfarkt, Diabetes Typ 2 sowie für Krebserkrankungen (Lungenkrebs, Darmkrebs). Im
Gegensatz zu anderen europäischen Ländern fanden wir jedoch keine sozialen Ungleichheiten
beim Auftreten von Brustkrebs.
Gesundheitliche Ungleichheiten zeigten sich für jedes der in den Analysen verwendeten
Merkmale sozialer Differenzierung, also für Schulbildung, berufliche Position sowie für das
Individualeinkommen. Die gefundenen Unterschiede sind erheblich; so sind die
Erkrankungsrisiken der untersten Einkommens-, Berufs- und Qualifikationsgruppen im
Vergleich zur jeweils höchsten bis zu 6- fach erhöht. Die relative Bedeutung dieser drei
Merkmale variiert in Abhängigkeit von der betrachteten Erkrankung.
Auswirkungen sozialer Belastungskonstellationen: Arbeitslosigkeit wirkt sich in mehrerer
Hinsicht auf Gesundheit aus: So nimmt das Risiko des Ausbruchs eines Herzinfarkts mit der
Dauer der Arbeitslosigkeit zu. Das Risiko von Arbeitslosen unterscheidet sich von dem
Beschäftigter ab einer Periode von vier Monaten deutlich; es steigt bis zu einer
Beschäftigungslosigkeit von 24 Monaten kontinuierlich und erreicht ein zweifach höheres
Niveau. Im Gegensatz dazu nimmt die stationäre Inanspruchnahme nach dem Übergang in die
Arbeitslosigkeit deutlich ab.
Ungleichheiten in der gesundheitlichen Versorgung: Für mehrere Arten maligner
Erkrankungen wurden in unseren Untersuchungen soziale Ungleichheiten gefunden. Für
mehrere europäische Länder liegen Befunde vor, die zusätzlich auf soziale Ungleichheiten in
der Versorgung maligner Erkrankungen schließen lassen. In unseren eigenen Untersuchungen
zeigte sich, dass nach dem Eintritt einer Krebserkrankung die Wahrscheinlichkeit, daran zu
sterben, keine sozialen Ungleichheiten aufweist. Dies deutet auf eine gleich bleibende
Qualität der Behandlung in den von uns untersuchten Personengruppen hin.
4
1. Einleitung
Mit diesem Bericht legen wir die Ergebnisse aus Studien mit Versichertendaten der AOK
Regionaldirektion Mettmann in zusammengefasster Form vor. Die über einen längeren
Zeitraum durchgeführten Analysen wurden in einer Reihe deutscher und internationaler
wissenschaftlicher Zeitschriften vorwiegend in englischer Sprache veröffentlicht. Dies war
notwendig, weil die wissenschaftliche Diskussion über nationale Grenzen hinweg verläuft
und weil Entwicklungen aufgrund internationaler Verflechtungen nicht mehr auf das Inland
begrenzt sind. Die Aufsätze sind für Nichtwissenschaftler manchmal schwer zugänglich, was
eine deutschsprachige und allgemeinverständliche Fassung erforderlich macht.
Krankenversicherungsdaten haben den Vorteil, dass sie üblicherweise eine große Zahl von
Personen umfassen und einen längeren Zeitraum abdecken als es üblicherweise durch eine
Studie unter Verwendung von Befragungsverfahren möglich ist. Wir konnten Fragestellungen
bearbeiten, die in Deutschland bisher kaum oder gar nicht behandelt wurden, für einige der
behandelten Themen lagen bisher keinerlei Ergebnisse vor. Die gesamte Datengrundlage
umfasst mehr als 416.000 Versicherte und einen Zeitraum von neun Jahren. Dies ermöglichte
es, Zeitverläufe zu betrachten und auch weniger häufige Erkrankungen detaillierter zu
untersuchen. Obwohl die Daten in den Jahren 1987 bis 1996 erfasst wurden, sind die
vorgelegten Befunde von hoher Aktualität.
Die bei den Untersuchungen des ersten Schwerpunkts im Vordergrund stehenden Fragen
zu sozialen Ungleichheiten beim Auftreten von Erkrankungen sowie zur vorzeitigen
Sterblichkeit stehen im engen Bezug zur derzeitigen Diskussion über soziale Gerechtigkeit.
Die Forschung zu gesundheitlichen Ungleichheiten begann in Deutschland im Verhältnis zu
Großbritannien und Skandinavien verzögert 1. International wird dem Problem jedoch soviel
Bedeutung beigemessen, dass Großbritannien ein Ministerium eingerichtet hat, dessen
Hauptaufgabe in der Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten besteht 2 und die Stadt
London konkrete Schritte zur Umsetzung entsprechender Handlungsempfehlungen eingeleitet
hat 3. Die WHO betrachtet gesundheitliche Ungleichheiten als solch gravierendes Problem,
dass sie eine Kommission eingesetzt hat, um eine weltweite Bestandsaufnahme
gesundheitlicher Ungleichheiten vorzunehmen. Der daraus entstandene Bericht wurde der
Öffentlichkeit vor wenigen Wochen vorgelegt 4.
Für Krankenversicherungen sind die Analysen von Belang, weil es damit möglich wird, die
Gruppen von Versicherten zu finden, die wegen durchgängig hoher Erkrankungsrisiken das
Ziel von Präventionsmaßnahmen sein sollten.
5
Der zweite Schwerpunkt befasst sich mit den Auswirkungen spezifischer
Belastungskonstellationen auf Erkrankungsrisiken und Inanspruchnahmemuster, insbesondere
den Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf einzelne Erkrankungen sowie auf die
Inanspruchnahme der stationären Versorgung. Vor dem Hintergrund einer trotz Rückgangs
noch immer hohen Zahl von Arbeitslosen ist es von Belang, wie sich Beschäftigungslosigkeit
auf Gesundheit und Inanspruchnahme auswirken kann. Damit wird nicht nur deutlich, welche
Ausfälle sich aus dem Verlust des Arbeitsplatzes ergeben, sondern auch, in welcher Weise
sich dies auf die Inanspruchnahme sowie die damit verbundenen Kosten auswirkt.
Der dritte Schwerpunkt bezieht sich auf die Frage nach Ungleichheiten in der
gesundheitlichen Versorgung in Deutschland. Auch hier hat vor dem Hintergrund deutlicher
sozialer Ungleichheiten in der Versorgung, insbesondere in den USA 5, eine heftige Debatte
eingesetzt. In der Öffentlichkeit heftig diskutiert, gibt es im Gegensatz zu Großbritannien und
den USA für Deutschland jedoch nur wenige Studien, die sich mit der Thematik substantiell
beschäftigen 6. Nicht nur für Patientinnen und Patienten, sondern auch für den Gesetzgeber
und für Krankenversicherungen ist es wichtig zu wissen, ob sich die Qualität der
medizinischen Versorgung nach dem Versichertenstatus und nach der sozialen Lage
unterscheidet. Es ist jedoch nicht hilfreich, das deutsche Gesundheitssystem generell als
wenig leistungsfähig zu kritisieren, sondern es geht um eine Differenzierung nach
unterschiedlichen Bereichen. Wie noch zu zeigen sein wird, sieht es in den untersuchten
stationären Behandlungsarten deutlich besser aus als es die veröffentlichte Meinung
suggeriert. Dies sollte zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen, ohne vorhandene
Probleme zu verleugnen.
Die genannten Themen werden in den folgenden Kapiteln detaillierter entwickelt. Um den
Bericht nicht zu lang werden zu lassen und um die Lesbarkeit zu erleichtern, sind die
berichteten Ergebnisse Kurzfassungen bereits erschienener wissenschaftlicher
Veröffentlichungen, die im Anhang dokumentiert sind. Die Dokumentation der
Originalliteratur ermöglicht es Interessierten, Befunde im Detail nachzulesen und einer
eigenen Bewertung zu unterziehen. Die Originalaufsätze enthalten weiterführende
Informationen, und es wird detaillierter auf Daten- und Interpretationsprobleme im
Zusammenhang mit den dort bearbeiteten Fragestellungen eingegangen.
Die Auswertung der Daten erstreckte sich über einen längeren Zeitraum, weil die Arbeiten
ohne externe finanzielle Förderung aus Eigenmitteln der beteiligten Abteilungen durchgeführt
wurden. Zum Zeitpunkt des Beginns der Analysen gab es zusätzlich nur wenige
6
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit der Komplexität der Datensätze vertraut
waren und über das Wissen verfügten, mit den damit verbundenen Problemen zurecht zu
kommen; deshalb waren die Diskussionen in der Arbeitsgruppe Sekundärdatenanalyse
(AGENS) von unschätzbarem Wert. Spezielle Fragestellungen erforderten die Einbeziehung
zusätzlicher Expertise. So wurde zur Identifikation von Versicherten mit Diabetes Typ 2
Medikamentendaten verwendet, was die Mitarbeit einer Pharmazeutin erforderlich machte
Dies mündete in eine gemeinsame Arbeit mit Iris Nielsen Ihr sei an dieser Stelle für die
Aufarbeitung der Medikamentendaten gedankt. Eine psychiatrische Untersuchung wurde in
Zusammenarbeit mit PD Dr. med. Horst Haltenhof als erfahrenem Psychiater durchgeführt.
Im Rahmen von der E&S- Rückversicherung finanziell geförderter Analysen wurden die
Frühberentungsrisiken nach der Diagnose psychiatrischer Erkrankungen betrachtet. Diese
Thematik wurde auf Anregung und unter Mitwirkung von Dr. med. Felix Wedegärtner (Abt.
Klinische Psychiatrie der Medizinischen Hochschule Hannover) behandelt, und Frau Dipl.-
Psych. Sonja Arnhold-Kerri führte die statistischen Analysen durch.
Ohne die Bereitstellung von Krankenversicherungsdaten und ohne das uns entgegengebrachte
Vertrauen wären die Untersuchungen nicht möglich gewesen. Wir danken daher der AOK
Regionaldirektion Mettmann, insbesondere dem damaligen Leiter Klaus W. Weber als
Initiator und seinem Nachfolger Reiner Rosenthal für die kontinuierliche Unterstützung und
für die Möglichkeit, zu Beginn der Analysen in den Räumen der AOK in Velbert tätig werden
zu können. Die alltägliche Arbeit wurde auch dadurch erleichtert, dass wir zu fast jeder Zeit
Beratung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Anspruch nehmen konnten. Deshalb
gilt unser Dank ebenso (in alphabetischer Reihenfolge) Andrea Jung, Irene Jung, Lilli Krüger,
Christof Lebek und Margret Stolz, die als kompetente Diskussionspartner und Helfer bei
Datenproblemen zur Verfügung standen. Ihre Hilfe hat uns mehr als einmal vor Irrtümern
bewahrt und geholfen, Fehler zu korrigieren. Prof. Dr. Johannes Siegrist hat uns in den
Jahren 1997 und 1998 den Freiraum gegeben, intensiv an den Daten zu arbeiten und die
Möglichkeiten zu entwickeln. Dafür gebührt im unser Dank.
Dieser Bericht kann auch von der Homepage der Medizinsoziologie Hannover
heruntergeladen werden (www.mh-hannover.de/med_soziologie.html).
Prof. Dr. Siegfried Geyer Prof. Dr. Richard Peter
7
2. Soziale Ungleichheit und Krankheit
Soziale Ungleichheiten bei Erkrankungsrisiken und vorzeitiger Sterblichkeit sind kein neues
Phänomen. Sie wurden bereits im letzten und vorletzten Jahrhundert beschrieben 78 und treten
bei fast allen Erkrankungen und in allen Ländern auf, sofern Daten verfügbar sind. Von
einigen wenigen Ausnahmen abgesehen (z.B. Asthma oder Brustkrebs) steigen die
Erkrankungsrisiken mit abnehmender Schulbildung, abnehmender beruflicher Position oder
mit sinkendem Einkommen an 1. Lange Zeit wurde in Deutschland die Meinung vertreten,
dass gesundheitliche Ungleichheiten kein Thema seien, weil das deutsche Gesundheitssystem
allen Bürgerinnen und Bürgern den gleichen Zugang zur medizinischen Versorgung
ermöglicht. Diese Annahme geht jedoch von falschen Voraussetzungen aus, weil die
Einflüsse, die zum Ausbruch von Krankheiten führen können, lange vor Erkrankungsausbruch
oder vor dem Besuch beim Arzt wirksam werden und daher unabhängig von Qualität und
Erreichbarkeit gesundheitlicher Versorgung sind.
Soziale Ungleichheiten von Gesundheit und Krankheit sind in vielfältiger Weise mit sozialen
und ökonomischen Rahmenbedingungen und Entwicklungen verbunden, und sie vergrößern
sich in Phasen sozialer Umbrüche, wie es in Osteuropa in den 1980er und 1990er Jahren der
Fall war 910; diese Umwälzungen führten zu einer Neuverteilung materieller Güter und
Reichtümer und wachsenden Unterschieden zwischen einer großen Zahl von Menschen mit
stagnierenden oder sinkenden finanziellen Mitteln und einer relativ kleinen Gruppe, deren
Wohlstand überproportional anstieg. Parallel dazu sank die Lebenserwartung dramatisch ab,
und die Sterblichkeit an Selbstmorden, Alkoholvergiftungen und Unfällen stieg an.
Der britische Soziologie Richard Wilkinson geht davon aus, dass sich vergrößernde materielle
Unterschiede, insbesondere der Einkommen, mit einem Absinken der sozialen Integration
einhergehen. Kontakte über soziale Gruppen hinweg werden seltener und das Misstrauen
nimmt zu. Derartige Abschließungstendenzen sind mit einer Zunahme von Entsolidarisierung
und Kriminalität verbunden 11. Ähnliche Schlussfolgerungen wurden auch von der WHO-
Kommission zur Bestandsaufnahme gesundheitlicher Ungleichheiten formuliert 4.
Im Alltag manifestiert sich dies in Kriminalität in Gestalt von Gewalt- und
Eigentumsdelikten, geringe Solidarität innerhalb von Gesellschaften führt auch zu geringeren
Teilhabechancen, d.h. Gestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten im Alltag sowie bei
Prozessen der politischen Meinungsbildung. Im Gegensatz zu populären Meinungen ist in
benachteiligten Gruppen der soziale Zusammenhalt keineswegs höher als in privilegierteren,
und es gibt keineswegs mehr Solidarität und Hilfebeziehungen12.
8
In der Wahrnehmung Betroffener schlägt sich mangelnde soziale Integration in Gefühlen von
Ohnmacht nieder und als Unmöglichkeit, das eigene Schicksal mitbestimmen zu können.
Derartige Erfahrungen nehmen in Phasen hoher Arbeitslosigkeit besonders stark zu, in der
Stressforschung wurde dafür der Begriff des „Kontrollverlusts“ geprägt 1314. Kontrollverlust
tritt auch dann auf, wenn aufgrund eines niedrigen Kenntnisstands oder niedriger
wahrgenommener eigener Kompetenz alltägliche Probleme als unlösbar erscheinen 15, in
extremen Fällen kann dies auch zum Ausbruch depressiver Episoden führen 1617.
Soziale Ungleichheit, oder allgemeiner, soziale Differenzierung, wird in Studien meist mittels
dreier Indikatoren gemessen: Schulbildung, berufliche Position und Einkommen. Im
Gegensatz zu gelegentlich veröffentlichten Überlegungen auch in der Fachwelt 18 bedingt eine
hohe Schulbildung keineswegs auch eine hohe berufliche Position oder ein hohes
Einkommen. Die Zusammenhänge der drei Indikatoren sind eher schwach bis moderat 1920;
mit jedem wird damit etwas anderes gemessen, und es ist auch wenig sinnvoll, sie in
Sozialschichtindize zusammenzufassen 20. Ein sinnvolleres Vorgehen besteht darin, die
Effekte der drei Indikatoren simultan oder vergleichend zu untersuchen.
In den uns vorliegenden Krankenversicherungsdaten waren alle drei Indikatoren vorhanden.
Qualifikation: Die Klassifikation wurde auf der Basis einer Einteilung der Bundesanstalt für
Arbeit vorgenommen 21. Sie sieht 4 Gruppen vor:
1) Sonderschule, Haupt- und Realschule mit oder ohne Abschluss und kein berufsbildender
Abschluss;
2) Haupt- oder Realschulabschluss und abgeschlossene Berufsausbildung;
3) Abitur ohne abgeschlossene Berufsausbildung;
4) Abitur und abgeschlossene Berufsausbildung;
5) Fachhochschul- oder Universitätsabschluss.
Sowohl die Informationen zum Beruf als auch zur Qualifikation werden im Rahmen einer
Jahresmeldung routinemäßig vom Arbeitgeber an die Krankenversicherung übermittelt. Wie
für die berufliche Position auch, muss die Meldung regelmäßig erfolgen, damit eine korrekte
Klassifikation vorgenommen werden kann 22.
Was mit schulischer Qualifikation erfasst wird, sind Unterschiede des Wissensstands,
Unterschiede in der Fähigkeit, Wissen in Handeln umsetzen zu können sowie Fähigkeiten,
flexibel nach Lösungen für anstehende Probleme zu suchen. Dies sollte auch mit
unterschiedlichen Graden wahrgenommener Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen
9
sowie über Möglichkeiten der Einflussnahme einhergehen. Letzteres kann wiederum
Auswirkungen auf das Ausmaß erlebter Belastung haben 14.
Schulbildung hat zusätzlich eine Platzierungsfunktion für berufliche Positionen; sie bestimmt
damit indirekt das Einkommen, obwohl die Zusammenhänge weit davon entfernt sind, perfekt
zu sein.
Berufliche Position: In den folgenden Analysen wird die Einstufung nach beruflicher
Statusposition in Anlehnung an die britische Registrar- General- Klassifikation 23
vorgenommen.
Sie umfasst
1) Un- und Angelernte
2) Facharbeiter
3) Angestellte
4) mittlere Führungspositionen
5 Führungspositionen.
Basis dieser Einstufung ist der Berufsgruppenschlüssel der Bundesanstalt für Arbeit 21; wenn
im Datensatz mehrere Positionen enthalten waren, wurde die höchste zugewiesen. Da die
obersten Positionen relativ schwach besetzt waren, wurden sie in den meisten Analysen mit
der nächst niedrigeren Kategorie zusammengefasst; als Konsequenz werden soziale
Gradienten unterschätzt. Die Validität dieses Merkmals hängt davon ab, wie regelmäßig und
korrekt die Jahresmeldung durch den Arbeitgeber erfolgt ist. Unterbleibt sie, werden die
beruflichen Positionen der Versicherten fehlerhaft klassifiziert, und es kann zu
Ungenauigkeiten bei der Schätzung von Effekten kommen 22.
Die berufliche Position ist der Schulausbildung im Lebensverlauf zeitlich nachgeordnet. Was
damit gemessen wird ist, ebenso wie bei der Schulbildung, nicht genau spezifiziert.
Berufliche Position steht für gesundheitsrelevante Aspekte beruflicher Tätigkeiten, dazu
zählen z.B. Schadstoffexpositionen, aber auch Belastungskonstellationen, die Gegenstand der
Stressforschung sind, etwa unterschiedliche Grade an Kontrolle über die eigene berufliche
Tätigkeit 24. An die berufliche Position gebunden sind neben der Kontrolle über ausgeübte
Tätigkeiten auch belastungsbezogene Kombinationen von Belastungen, und hier sind die
gängigen Arbeitsbelastungskonzepte anschlussfähig, etwa das Anforderungs- Kontroll-
Modell, das im Fall eines Ungleichgewichts von Anforderungen und Kontrolle bei
gleichzeitig niedriger sozialer Unterstützung durch Kollegen oder Vorgesetzte erhöhte
10
Erkrankungsrisiken vorhersagt 2526. Erhöhte Erkrankungsrisiken können auch dann auftreten,
wenn hohe Anforderungen mit niedrigen Erträgen und niedriger sozialer Unterstützung durch
Kollegen oder Vorgesetzte verbunden sind 27. Für die Kombination beider Konstellationen
wurden ebenfalls erhöhte Risiken für Myokardinfarkt gefunden 28. Vor dem Hintergrund der
Befunde zu gesundheitlichen Ungleichheiten ist zu erwarten, dass die in den beiden Modellen
beschriebenen beruflichen Belastungskonstellationen einen sozialen Gradienten zu Ungunsten
von Individuen der unteren beruflichen Positionsgruppen aufweisen.
Einkommen: In GKV-Daten basiert die Einkommensklassifikation auf dem
Individualeinkommen der Versicherten. Die Angaben sind in diesem Fall präzise, denn das
Einkommen ist die Basis für die Berechnung des Krankenversicherungsbeitrags, andere
Einkünfte bleiben dagegen unberücksichtigt. Ein Nachteil besteht darin, dass es aus den
vorliegenden Informationen nicht möglich ist, auf das Familieneinkommen zu schließen.
Ebenso liegen keine Pro-Kopf-Einkommen für Haushalte vor.
Das Einkommen bestimmt die materiellen Lebensbedingungen einschließlich der
Voraussetzungen zur Führung einer gesunden Lebensweise, es ermöglicht auch eine
Erreichbarkeit materieller Ressourcen zur Bewältigung potentiell belastender Situationen,
etwa durch das Heranziehen professioneller Hilfe sowie zur Erweiterung des eigenen
Handlungsspielraumes. In der Sozialepidemiologie ist eine Debatte darüber im Gang, ob die
relative Höhe des Einkommens die Ausprägung des sozialen Gradienten von Krankheit und
Gesundheit bestimmt 11, oder ob die absolute Einkommenshöhe der determinierende Faktor
ist 29. Die Auswirkungen der relativen Position auf die Gesundheit sollte über soziale
Vergleiche vermittelt werden, die Individuen anstellen und auf der Basis von Vergleichen mit
Kollegen oder anderen Personen Schlüsse über gerechte Bezahlung ziehen 11.
Vor diesem Hintergrund wurden zwei Fragestellungen zum Zusammenhang zwischen sozialer
Differenzierung und Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiken bearbeitet:
1) Gibt es im Hinblick auf Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiken soziale Gradienten,
d.h. nimmt das Risiko mit sinkendem Sozialstatus zu?
2) Sind die Größenordnungen der Effekte von Merkmalen sozialer Differenzierung über
die verschiedenen Erkrankungsarten unterschiedlich?
11
Empirische Befunde
Alle Angaben zu Risiken in Abhängigkeit von der sozialen Position basieren auf Ergebnissen
multivariabler statistischer Analysen nach Kontrolle für Störeinflüsse und können somit als
belastbar gelten. Die Prozentangaben zur Risikoerhöhung beziehen sich immer auf Vergleich
zur höchsten Sozialstatusgruppe.
Herz- Kreislauferkrankungen
Zur Untersuchung ischämischer Herzkrankheiten (IHK) wurden die Daten von
berufstätigen Männern (N=106.303) und Frauen (N=45.169) im Alter zwischen 25 und 65
Jahren verwendet. Die größere Zahl der Männer ergibt sich aus dem Übergewicht an
Versicherten aus dem produzierenden Sektor in dieser AOK. Versicherte wurden dann in die
Gruppe der Erkrankten klassifiziert, wenn sie im Krankenhaus behandelt wurden und wenn
eine Diagnose der Gruppe ICD9: 410-414 (akute/ subakute ischämische Herzkrankheiten,
Angina Pectoris, chronische ischämische Herzkrankheiten und akuter Myokardinfarkt)
vergeben wurde.
Für Männer und Frauen wurden getrennte Analysen durchgeführt, die soziale Position wurde
sowohl nach Qualifikation als auch nach beruflicher Position bestimmt 30.
Für Männer zeigte sich, dass das Risiko, an einer IHK zu leiden, für Facharbeiter im
Vergleich zu Angestellten und Führungskräften um etwa 170% höher liegt, für Un- und
Angelernte sogar um fast 200% höher. Zusätzlich ergibt sich für Versicherte mit Haupt- und
Realschule im Vergleich zu Abiturienten mit FH- oder Universitätsabschluss eine Erhöhung
des Risikos um fast 350%, für Haupt- oder Realschüler ohne Ausbildungsabschluss
entsprechend um 500%.
Für Frauen sind die Risiken für IHK etwas niedriger; für die unterste im Vergleich zur
höchsten Berufsgruppe ist es um etwa 100% erhöht, für die Gruppe mit dem untersten
Qualifikationsniveau ist es um etwa 200% höher.
Damit können anhand von Untersuchungen dieser Diagnosegruppe drei Punkte festgehalten
werden:
1) Die Erkrankungsraten unterscheiden sich zwischen den betrachteten Gruppen nicht
nur in Relation zwischen den untersten und allen anderen Kategorien, sondern Risiken
und Positionen weisen ein umgekehrtes Verhältnis auf. Sie steigen kontinuierlich mit
abnehmender Position an, sodass nicht nur Un- und Angelernte höhere Risiken
aufweisen als die Inhaber der obersten Positionen, sondern auch dazwischen gibt es
abgestufte Unterschiede, d.h. es liegt ein sozialer Gradient vor.
12
2) Wenn nach Schul- und Berufsausbildung klassifiziert wurde, sind die
Erkrankungsrisiken größer als Unterschiede nach der beruflichen Position. Dieses
Ergebnis sollte jedoch nicht ungeprüft auf andere Erkrankungen verallgemeinert
werden. Wie noch zu zeigen sein wird, sind die relativen Effektstärken der drei
Indikatoren sozialer Differenzierung von der betrachteten Erkrankung abhängig.
3) Männer und Frauen unterscheiden sich im Hinblick auf die Stärke der sozialen
Gradienten. Auch hier ist wiederum nach der Art der Erkrankung zu unterscheiden.
Die Analysen wurden für Herzinfarkt erweitert 31, indem zusätzlich die Effekte des
Einkommens untersucht werden. In der betrachteten Versichertengruppe traten insgesamt
2038 Infarkte auf.
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100%
200%
300%
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Einkommen Berufliche Position Qualifikation
Abb. 1: Relative Risiken für Herzinfarkt für Einkommen, berufliche Position und Qualifikation (2038 Infarktfälle). Der rote Balken bezeichnet dabei die jeweils oberste Position, der dunkelblaue Balken die niedrigste Position. Das Einkommen wurde in Fünftel geteilt, bei der beruflichen Position bezeichnet die unterste Kategorie die un- und angelernten Versicherten, die oberste Position die mittleren und oberen Ränge
Wiederum stiegen für alle drei Indikatoren die Erkrankungsrisiken mit sinkender Position an,
und sowohl für Einkommen als auch für berufliche Position und Qualifikation zeigten sich
13
eigenständige Effekte (Abb. 1). Für die untersten 20% der Einkommensverteilung lag das
Herzinfarktrisiko 130% höher als in den obersten 20% der Einkommensbezieher. Der soziale
Gradient für berufliche Position war im Vergleich deutlich stärker ausgeprägt, denn für die
unterste (Un- und Angelernte) im Vergleich zur höchsten Berufsgruppe war das relative
Risiko für beide um 220% erhöht.
Für Qualifikation ergab sich ein vergleichbar großer Effekt, denn die unterste
Qualifikationsgruppe wies im Vergleich zur obersten ein um 250% höheres Infarktrisiko auf.
Mit diesen Analysen wird deutlich, dass das Einkommen keineswegs der determinierende
Faktor für gesundheitliche Ungleichheiten ist. Für Herzinfarkt sind es eher die berufliche
Position und die Qualifikation, während die Rolle des Einkommens eher sekundär ist.
Herzinfarkt ist damit keineswegs eine Managerkrankheit, die primär Führungskräfte trifft,
sondern die darunter liegenden Positionsgruppen, wobei die Un- und Angelernten am
stärksten betroffen sind.
Diabetes Typ 2
Diabetes mellitus ist eine der häufigsten Zivilisationserkrankungen, sowohl in Deutschland
als auch weltweit. Im Gegensatz zu anderen Krankheiten gibt es nur wenig Literatur zu
sozialen Ungleichverteilungen. Dies ergibt sich aus der Schwierigkeit, ausreichend viele Fälle
zu finden, und dazu müssen vergleichsweise große Ausgangspopulationen untersucht werden.
Das zweite Problem besteht darin, Menschen mit Diabetes zuverlässig zu identifizieren. In
den uns vorliegenden Daten war es möglich, Versicherte mit der Erkrankung über
Medikationen korrekt zu klassifizieren, da Medikamente zur Diabetesbehandlung nur für eine
einzige Indikation verwendbar sind.
Zusätzlich wurden Informationen zu stationären Behandlungen herangezogen. Die
Identifikation über stationäre Behandlungen und Medikation berücksichtigt keine
Patientinnen und Patienten, die ihre Erkrankung diätetisch kontrollieren und deshalb in den
KV- Daten nicht auffindbar sind. Die folgenden Untersuchungen beschränken sich daher auf
die schwereren Ausprägungen, damit war es möglich, deren relative Bedeutung zu
untersuchen 32.
Wenn wiederum nur die beiden Enden sozialstruktureller Verteilungen betrachtet werden,
findet sich für Einkommen nur ein vergleichsweise schwacher sozialer Gradient, denn die
untersten 20% der Einkommensbezieher weisen ein 33% höheres Risiko auf, an Diabetes zu
erkranken (Abb. 2).
14
Für berufliche Position war der entsprechende Unterschied mit einem fast 180% höheren
Risiko für die Un- und Angelernten deutlich höher, die am stärksten ausgeprägten sozialen
Unterschiede finden sich für Qualifikation, wo sich für die unterste Gruppe ein fast 5-fach
erhöhtes Risiko ergab.
Diese Befunde verweisen auf die Bedeutung von Wissen und Kompetenz, mit der Erkrankung
umzugehen. Im Rahmen von Schulungen werden Patienten zwar unterwiesen, wie sie mit
ihrem Diabetes umgehen können, um das Auftreten von Folgeerkrankungen zu vermeiden,
der Erfolg dieser Maßnahmen weist aber wiederum einen sozialen Gradienten zu Ungunsten
von Patientinnen und Patienten mit niedrigerer Schulbildung auf 33.
0%
100%
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Einkommen BeruflichePosition Qualifikation
Abb. 2: Relative Risiken für Diabetes Typ 2 für Einkommen, berufliche Position und Qualifikation (1700 Diabetesfälle); der rote Balken bezeichnet dabei die jeweils oberste Position, der dunkelblaue Balken die niedrigste Position. Das Einkommen wurde in Fünftel geteilt, bei der beruflichen Position bezeichnet die unterste Kategorie die un- und angelernten Versicherten, die oberste Position die mittleren und oberen Ränge
Mehr angepasste Schulungsprogramme sollten die Effekte der Qualifikation vermindern, aber
ob sie vollständig beseitigt werden können, ist aus unserer Sicht offen und eher fraglich.
Die Bedeutung von Schulbildung sollte auf alle Schweregrade von Diabetes Typ 2 nicht
vollständig übertragen werden können, denn es gibt Grund dazu, anzunehmen, dass die
Ausweitung der Analysen auf Diabetespatienten aller Schweregrade zu einer Verschiebung in
15
der relativen Bedeutung der hier betrachteten Indikatoren sozialer Differenzierung führen
kann.
Maligne Erkrankungen
Die soziale Ungleichverteilung von Krebserkrankungen kann in Deutschland bisher nicht
flächendeckend untersucht werden, weil die Krebsregister keine Informationen zur sozialen
Lage enthalten. Es liegen nur wenige Studien zum Thema vor; es sind eine ökologische
Studie zur Sterblichkeit an Karzinomen des Colons und des Rektums 34 sowie eine ältere
Arbeit für maligne Erkrankungen allgemein 35.
Mit den KV- Daten war es möglich, sowohl soziale Ungleichheiten bei der Morbidität
maligner Erkrankungen zu untersuchen, als auch die Mortalitäten zu betrachten (siehe dazu
das dritte Kapitel). Damit können jenseits der Morbidität auch Schlüsse auf die Qualität der
Behandlung gezogen werden, sofern sie sich in Sterblichkeitsdifferenzen manifestieren.
Aufgrund der Häufigkeit im Auftreten wurden maligne Erkrankungen von Magen, Darm
sowie Lungen- und Brustkrebs (letzteres nur bei Frauen) untersucht. Dazu standen insgesamt
N=170848 Datensätze zur Verfügung, es wurden die Altersgruppe zwischen dem 35. und dem
70. Lebensjahr betrachtet 36. Wiederum wurden die Effekte von Qualifikation, beruflicher
Position und Einkommen untersucht, wir behandeln unten jedoch nur die Ergebnisse für
Einkommen detaillierter.
0%
100%
200%
300%
400%
500%
600%
700%
Magenkrebs Lungenkrebs Brustkrebs Darmkrebs
Abb. 3: Morbidität für Magen-, Lungen-, Brust- und Magenkrebs nach Einkommen, geteilt in Fünftel. Der rote Balken bezeichnet die oberste, der dunkelblaue Balken die niedrigste Position.
16
Für Magenkrebs, Lungenkrebs sowie für maligne Erkrankungen von Dick- und Dünndarm
finden sich wie für die bereits behandelten Erkrankungen die bekannten sozialen Gradienten.
Mit abnehmendem Einkommen nimmt das Risiko von Erkrankungen zu und erreicht für die
untersten 20% der Einkommensbezieher die höchsten relativen Risiken. Für Lungenkrebs
sind die sozialen Unterschiede am größten und erreichen für die untersten im Vergleich zu
den obersten 20% der Einkommensverteilung ein fast 600% höheres Risiko (Abb. 3).
Eine Ausnahme ist Brustkrebs bei Frauen. Hier sind die Unterschiede zwischen den
Einkommensgruppen inkonsistent und trotz großer absoluter Fallzahlen (NFrauen=75.084) und
relativ hoher Zahlen an Erkrankten (N=641) statistisch nicht signifikant, sodass von sozialen
Unterschieden hier nicht gesprochen werden kann. Dieser Befund unterscheidet sich von
Studien aus Großbritannien und Skandinavien, wo die höchsten Brustkrebsrisiken in den
mittleren sozialen Gruppen gefunden wurden 3738.
Kinder und Jugendliche: Unfälle
Kinder und Jugendliche werden als Mitversicherte geführt. Die Zuordnung zu sozio-
ökonomischen Kategorien wurde über die Klassifikation der Hauptversicherten
vorgenommen. Dies ist eine in der internationalen Forschung häufig gewählte
Vorgehensweise, obwohl es dazu Pro- und Kontraargumente gibt 3940.
Während bei Erwachsenen soziale Gradienten für ein breites Spektrum von Erkrankungen
und für Unfälle dokumentiert wurden, ist die Situation im Kindes- und Jugendalter weniger
eindeutig. Die sozialen Unterschiede sind insgesamt inkonsistent und wenn sie auftreten,
deutlich schwächer ausgeprägt als für Erwachsene 41. Für Deutschland sind die Befunde
zudem lückenhafter als für Großbritannien und Skandinavien.
Gesundheitliche Ungleichheiten im Kindes- und Jugendalter sind eher moderat und in der
internationalen Literatur vorwiegend für Unfälle dokumentiert. Insgesamt sind sie in den
ersten Lebensjahren relativ schwach, und zwischen dem 5. und dem 9. Lebensjahr verringern
sich die sozialen Gradienten weiter, um jenseits des 20. Lebensjahrs wieder anzusteigen 41.
In den GKV- Daten sind Unfälle dann dokumentiert, wenn sie mit einer stationären
Aufnahme einher gehen, es ist daher anzunehmen, dass sie erst ab einem bestimmten
Schweregrad systematisch dokumentiert sind. Für eine valide Interpretation muss zusätzlich
angenommen werden, dass sich die Inanspruchnahmeraten über soziale Positionsgruppen
hinweg nicht unterscheiden. Dies vorausgesetzt, fanden sich für unfallbedingte
17
Krankenhausaufnahmen in den Altersgruppen bis zum Alter von 10 Jahren bei Klassifikation
nach der beruflichen Position der Eltern schwache bis moderate Unterschiede. Die
Risikoerhöhungen der untersten Gruppen im Vergleich zur höchsten bewegen sich in einem
Bereich zwischen 10% und 100%, für die Altersgruppen zwischen dem 11. und dem 16.
Lebensjahr zeigten sich keinerlei soziale Gradienten 42. Insgesamt sind die Unfallraten trotz
großer Fallzahlen gering, die berechneten Gruppenunterschiede sind daher nicht immer
eindeutig interpretierbar.
Kinder und Jugendliche: Infektiöse Erkrankungen
Die Befunde für infektiöse Erkrankungen für die Altersgruppen 15 Jahre und jünger ähneln
den bereits berichteten Ergebnissen für Unfälle 43. Für Krankenhausaufnahmen zeigen sich für
Infektionen der oberen Atemwege (ICD 9: 470-478), für chronisch- obstruktive
Lungenerkrankungen (ICD 9: 490-496) sowie für Pneumonie und Grippe (ICD 9: 480-487)
hinsichtlich der Häufigkeit keine wesentlichen Ungleichverteilungen nach elterlicher
beruflicher Position, wohl aber, wenn die Dauer stationärer Aufenthalte betrachtet wird. Für
akute Infektionen der Atmungsorgane (ICD9: 460-466) nahm die Anzahl der Tage in
stationärer Behandlung mit abnehmender elterlicher Position zu. Während in der obersten
Gruppe die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei vier Tagen lag, blieben Kinder mit Un-
und Angelerntenhintergrund durchschnittlich 17 Tage im Krankenhaus. Für Erkrankungen der
Atmungsorgane zeigten sich im Gegensatz zu den anderen drei Diagnosegruppen auch soziale
Unterschiede in der Häufigkeit stationärer Aufnahmen (Abb. 4).
Neben sozialen Unterschieden zeigten sich deutliche Geschlechterdifferenzen, denn Jungen
wurden deutlich häufiger und länger stationär aufgenommen als Mädchen.
Die Dauer stationärer Aufnahmen kann als Indikator für die Schwere und
Behandlungsbedürftigkeit einer Erkrankung interpretiert werden. Da sich hinsichtlich der
Aufnahmehäufigkeit für die Mehrzahl der hier betrachteten Erkrankungen keine
interpretierbaren sozialen Unterschiede zeigten, kann angenommen werden, dass die
Wartezeiten zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem Behandlungsbeginn mit
sinkender sozialer Position zunehmen. Gesundheitliche Ungleichheiten würden sich in diesem
Fall aus unterschiedlichen Mustern des Krankheitsverhaltens ergeben.
18
02
4
68
10
12
14
1618
Mittlere A
ng./ Führungskr.
Angestellte
Facharbeiter
Un- und Angelernte
Unklassizierte
Infektionen der oberen Atemwege Infektionen der Atmungsorgane
Abbildung 4: Infektionen der oberen Atemwege und der Atmungsorgane bei Kindern und Jugendlichen: Mittlere stationäre Aufenthaltsdauer in Tagen (Klassifikation der beruflichen Position nach dem Status der Hauptversicherten) Quelle: 44
Mit diesen Ergebnissen wird auch deutlich, dass zur Untersuchung gesundheitlicher
Ungleichheiten nicht nur Prävalenzen und Inzidenzen betrachtet werden dürfen, sondern auch
die Dauer medizinischer Behandlungen als Indikator der Erkrankungsschwere.
Für Lungenentzündungen zeigte sich zusätzlich, dass ein Migrationshintergrund mit höheren
Erkrankungsrisiken verbunden war. Die Mehrzahl (80%) der Versicherten mit nichtdeutscher
Staatsangehörigkeit gehörte den untersten beruflichen Positionsgruppen an, sodass es vor dem
Hintergrund der niedrigen Unfallzahlen wiederum schwierig zu entscheiden war, ob die
soziale Position oder der Migrationshintergrund der relevante Faktor war.
Mortalität
Die Sterblichkeit an allen Todesursachen fasst alle Todesfälle zusammen, ohne dass es
möglich wäre, eine Differenzierung nach den zugrunde liegenden Erkrankungen vornehmen
zu können; die Sterbestatistik lässt aber darauf schließen, dass es sich bei den hier
19
betrachteten Altersgruppen zwischen dem 25. und dem 64. Lebensjahr meist um Todesfälle
wegen Herz- Kreislauferkrankungen sowie um Krebserkrankungen handelt.
Im Vergleich zu den oben berichteten Morbiditäten an spezifischen Erkrankungen stellen sich
die relativen Effektstärken der drei Hauptindikatoren sozialer Differenzierung deutlich anders
dar.
0%
50%
100%
150%
200%
250%
300%
350%
400%
450%
Einkommen Berufliche Position Qualifikation
Abb. 5: Sterblichkeit an allen Todesursachen für Einkommen, berufliche Position und Qualifikation (Altersgruppen 25-64 Jahre; 2473 Todesfälle) der rote Balken bezeichnet dabei die jeweils oberste Position, der dunkelblaue Balken die niedrigste Position. Das Einkommen wurde in Fünftel geteilt, bei der beruflichen Position bezeichnet die unterste Kategorie die un- und angelernten Versicherten, die oberste Position die mittleren und oberen Ränge
Das Einkommen weist bei der Sterblichkeit den weitaus stärksten Effekt auf (Abbildung). Die
untersten 20% der Einkommensbezieher haben ein im Vergleich zu den obersten 20% ein um
270% höheres Sterblichkeitsrisiko, für die zweitunterste Gruppe sind es mit 212% nicht
wesentlich weniger. Es zeigt sich auch hier wieder das allgemeine Muster einer deutlichen
inversen Beziehung zwischen Einkommen und Sterberisiko. Der Bezug zwischen Mortalität
und beruflicher Position (für die Unterschiede zwischen den am weitesten auseinander
liegenden Positionsgruppen) für die Un- und Angelernten mit einer Übersterblichkeit von
104% zwar substantiell, aber deutlich schwächer ausgeprägt als für Einkommen. Zwischen
20
diesen beiden Indikatoren liegen die Ergebnisse für Qualifikation. Es erscheint wiederum das
umgekehrte Verhältnis, und für die unterste Gruppe ergibt sich eine Übersterblichkeit von
174%. Damit zeigt sich auch hier, dass alle Elemente sozialer Differenzierung für die
Ausprägung des Sterblichkeitsrisikos von Bedeutung sind, wenn auch in unterschiedlichen
Großenordnungen.
3. Arbeitslosigkeit und der Ausbruch von Erkrankungen: Herzinfarkt
In der Medizinsoziologie werden die Auswirkungen chronischer und akuter Belastungen auf
Erkrankungsrisiken sowie auf Risiken beschleunigter Krankheitsverläufe untersucht. Viele
Ergebnisse in diesem Bereich sind mit beträchtlichen Unsicherheiten verbunden, weil auch
für die Untersuchung relativ häufiger Erkrankungen große Fallzahlen erforderlich sind, die
sich nicht immer realisieren lassen. Mit KV- Daten ist es jedoch möglich, die Auswirkungen
sozialer Belastungen auf Erkrankungsrisiken zu untersuchen. Damit sind jedoch die
Einschränkungen verbunden, dass nur solche Belastungsbedingungen betrachtet werden
können, die sich im Abrechnungsgeschehen niederschlagen, und als Ergebnisvariablen
können nur solche Erkrankungen einbezogen werden, deren Auftretenshäufigkeit sich
weitgehend mit der stationären Behandlungsfrequenz deckt.
Arbeitslosigkeit ist ein solcher Stressor; sie tritt zahlenmäßig häufig auf, und trotz einer in
Deutschland relativ guten materiellen Absicherung hat länger andauernde Arbeitslosigkeit
profunde Effekte auf das Zeitgefühl, auf die subjektiv empfundene Gesundheit 4546 und einige
Studien fanden bei Arbeitslosen auch höhere Sterblichkeitsraten als bei Beschäftigten 4748.
Von allen potentiell bedrohlichen Lebenslagen ist Arbeitslosigkeit in den KV- Daten am
besten dokumentiert, weil sie mit einer Veränderung des Versichertenstatus sowie der
Beitragshöhe verbunden sind. In den uns vorliegenden Daten war es aufgrund der
Datenqualität möglich, den Zeitraum bis maximal zwei Jahren Arbeitslosigkeit gut abzubilden
und zu untersuchen, in den Analysen wurde eine Einteilung in Intervallen bis zu 8 Monaten,
über 8-16 Monate und über 16-24 Monaten Arbeitslosigkeit vorgenommen. Als
Vergleichsgruppe dienten die berufstätigen Versicherten.
Da in den KV- Daten nur stationäre Behandlungen dokumentiert sind, ist vorab zu klären, ob
die gewählte Erkrankungsart üblicherweise stationär behandelt wird oder ob die Daten
ausschließlich unter Inanspruchnahmeaspekten betrachtet werden dürfen. Nach Informationen
des Herzinfarktregisters Augsburg werden Infarkte durchweg im Krankenhaus versorgt. Für
den mit den GKV-Daten abgedeckten Beobachtungszeitraum muss mit einer
21
Herzinfarktsterblichkeit von etwa 30% vor dem Erreichen einer stationären Versorgung
ausgegangen werden 49; in diesem Anteil unmittelbar nach dem Infarkt verstorbener Patienten
sind Jüngere überproportional vertreten, und Behandlungen, die ausschließlich ambulant
erfolgen, sind die Ausnahme. Wir konnten daher davon ausgehen, dass die Daten zu
ambulanten Behandlungen als ausreichend gute Annäherung an das Morbiditätsgeschehen bei
Herzinfarkt verwendet werden können.
Die Arbeitslosigkeit wurde dahin gehend gefiltert, dass nur Arbeitslosigkeiten unter zwei
Monaten eingeschlossen wurden, da in der Periode unmittelbar nach dem Übergang in die
Arbeitslosigkeit noch Hoffnungen bestehen, bald wieder eine Stelle zu finden 50. Erst in den
folgenden Perioden sinkt die Erwartung, und die mit Arbeitslosigkeit einher gehenden
Erscheinungen wie Hoffnungslosigkeit und Depressivität treten mit zunehmender Dauer
häufiger auf.
Vor diesem Hintergrund bearbeiteten wir die beiden folgenden Fragestellungen:
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und dem Risiko eines
Herzinfarkts?
- Steigt mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit das Herzinfarktrisiko an?
Für die Analysen verwendeten wir die Daten von 105.554 Versicherten im Alter zwischen 25
und 60 Jahren (71% Männer), davon hatten 13.891 mindestens eine mehr als zweimonatige
Periode von Arbeitslosigkeit im Beobachtungszeitraum 51.
0%
50%
100%
150%
200%
250%
300%
350%
400%
Männer Frauen
Beschäftigte
Arbeitslosigk. bis 8 M.
Arbeitsl. >8 - 16 Mon.
Arbeitsl.>16 - 24Mon.
Berufsposition
Abb. 6: Herzinfarkt nach Dauer der Arbeitslosigkeit
22
Die Ergebnisse zeigten, dass es deutliche Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf das
Infarktrisiko gibt. Zunächst waren die Effekte innerhalb eines Zeitraums zwischen zwei und
acht Monaten noch nicht sehr deutlich; die altersstandardisierten Risiken des Ausbruchs eines
Herzinfarkts bei Arbeitslosen im Vergleich zu Beschäftigten erhöhten sich um etwa 50%,
dieser Unterschied ließ sich jedoch nicht statistisch sichern. Für Perioden zwischen acht und
16 Monaten Beschäftigungslosigkeit waren die Risiken um 80% erhöht, die stärksten Effekte
traten zwischen 16 und 24 Monaten Arbeitslosigkeit auf; sie lagen um 210% höher als bei
Beschäftigten (siehe Abb. 6).
Aufgrund des Fehlens zuverlässiger Daten für die darüber liegenden Zeitperioden kann nichts
darüber ausgesagt werden, ob die Risiken weiter ansteigen, oder ob sie ab einem bestimmten
Punkt ein Plateau erreichen, das nicht mehr wesentlich überschritten wird.
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Geschlechterverteilung in unserer
Versichertenklientel. Da Männer mit 71% zahlenmäßig deutlich häufiger vertreten sind,
lassen sich die Befunde für Perioden unterhalb von 16 Monaten Arbeitslosigkeit für die
Frauen statistisch nicht sichern, es kann aber davon ausgegangen werden, dass die hier
untersuchten Auswirkungen von Arbeitslosigkeit sich zwischen den Geschlechtern kaum
unterscheiden. Zu untersuchen bleibt, ob die Konsequenzen von Arbeitslosigkeit sich in allen
sozialen Gruppen in gleicher Weise auswirken oder ob sich die Effekte nach Bildungs- oder
Einkommensgruppe unterschiedlich ausprägen. Letzteres könnte durchaus der Fall sein, denn
Bezieher niedriger Einkommen bekommen nach dem Übergang in die Arbeitslosigkeit
deutlich geringere Hilfen als vormals besser verdienende Personen. Eine zweite
Erklärungslinie neben rein materiellen Erklärungen könnte eine Identifikation mit dem Beruf
die Belastungen erklären; mit der beruflichen Position steigt der Anteil nicht ausschließlich
fremdbestimmter Beschäftigung 52, was zu einer höheren Identifikation mit der Arbeit führt.
Welche dieser Erklärungen auch zutrifft. es bleibt der Befund, dass Arbeitslosigkeit ein
erhebliches Risiko für den Ausbruch von Herzinfarkt darstellt. Die Analysen zeigen auch,
dass es großer Fallzahlen bedarf, um diese Zusammenhänge zu untersuchen, denn es wurden
insgesamt nur 460 Herzinfarktfälle dokumentiert. Die erforderlichen Fallzahlen werden in den
meisten Studien mit persönlicher Befragung und Untersuchung nicht erreicht, die Ergebnisse
kleinerer Studien sind deshalb mit Unsicherheiten behaftet.
23
4. Inanspruchnahme und medizinische Versorgung
Sterblichkeit an Krebserkrankungen
In der öffentlichen Debatte wird seit längerer Zeit die Frage diskutiert, ob es in Deutschland
eine Zweiklassenmedizin gibt 5. Diese Auseinandersetzung wird in sehr allgemeiner Form mit
nur geringer inhaltlicher Differenzierung geführt. So muss unterschieden werden nach
sozialen Unterschieden im Zugang zur Versorgung und nach Unterschieden in der
Versorgungsqualität, ebenso danach, ob es soziale Unterschiede im Krankheits- und
Heilungsverlauf gibt. Im Gegensatz zur Heftigkeit der Debatte ist die Datenlage für
Deutschland eher schmal, lediglich in einer einzigen Studie wurden Unterschiede im Zugang
zur medizinischen Versorgung untersucht. Es zeigte sich, dass es zwischen privat und
gesetzlich Versicherten Unterschiede in der Wartezeit für Untersuchung und Diagnostik gibt 6. Nun handelte es sich dabei nicht um akute Erkrankungen, es kann daher nicht auf das
ärztliche Verhalten in dringenden oder Notfällen geschlossen werden, ebenso nicht auf
Unterschiede in der Qualität ärztlicher Behandlung.
In den KV- Daten können Analysen zur Sterblichkeit nach Erkrankungsausbruch untersucht
werden; in der internationalen Literatur werden derartige Überlebensraten bei malignen
Erkrankungen als Indikator für die Qualität der Versorgung interpretiert 53.
In den uns vorliegenden Daten war es möglich, Sterblichkeitsuntersuchungen bei
Versicherten mit malignen Erkrankungen durchzuführen; dazu müssen Patienten nach
Merkmalen sozialer Differenzierung stratifiziert und hinsichtlich ihrer Sterblichkeit
miteinander verglichen werden. Sind die Sterblichkeitsraten in den unterschiedlichen
Subgruppen voneinander verschieden, kann dies als Hinweis auf unterschiedliche
Behandlungsqualitäten interpretiert werden.
Diese Analysen zur Krebssterblichkeit wurden im Kontext der im vorangegangenen Kapitel
dargestellten Untersuchungen zu sozialen Ungleichheiten in der Morbidität durchgeführt 36,
sie basieren daher auf dem gleichen Datenbestand.
Wenn Patientinnen und Patienten wiederum nach Einkommen differenziert werden, zeigen
sich für Magenkrebs, Brustkrebs (nur Frauen) und Darmkrebs keine sozialen Unterschiede in
der Sterblichkeit. Eine Ausnahme ist Lungenkrebs, wo es einen Einkommenseffekt gibt (siehe
Abb. 7). Werden die Patientinnen und Patienten nach der beruflichen Position klassifiziert,
findet sich für keine der vier betrachteten Krebsarten ein sozialer Gradient in der
Sterblichkeit; das gleiche Ergebnis zeigt sich, wenn berufliche Position und Einkommen
gemeinsam im Hinblick auf die Krebssterblichkeit betrachtet werden 36.
24
0%
50%
100%
150%
200%
250%
300%
350%
400%
Magenkrebs Lungenkrebs Brustkrebs Darmkrebs
Oberstes /5
Viertes /5
Drittes/ 5
Viertes/ 5
Unterstes /5
Abb. 7: Sterblichkeit an vier Krebsarten differenziert nach Einkommensgruppen, geteilt in Fünftel
Nimmt man die hier vorgelegten Ergebnisse als Grundlage, kann für keine der vier
untersuchten Arten maligner Erkrankungen auf soziale Unterschiede in der Behandlung
geschlossen werden. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass auch in
neueren Studien für die Schweiz für die Zeit zwischen 1980 und 2000 deutliche soziale
Unterschiede in der Sterblichkeit gefunden wurden. So wurde für die unterste soziale Gruppe
im Vergleich zur höchsten Kategorie eine Übersterblichkeit von 80% berichtet 54, deutliche
soziale Unterschiede in der Krebssterblichkeit wurden für die USA berichtet 55. Im Vergleich
dazu zeigte sich im Zeitverlauf für Frankreich eine kontinuierliche Abnahme sozialer
Unterschiede, und Mitte der 1990er Jahre glichen sich die Sterblichkeiten an Brustkrebs
zwischen den sozialen Schichten vollständig an 56 und waren mit unseren Befunden
deckungsgleich. Insgesamt verweisen diese Befunde auf eine gleichmäßige Verteilung von
Ressourcen auf Patientinnen und Patienten aus unterschiedlichen sozialen Gruppen auf. Der
hohe Grad an Standardisierung in der Behandlung mag hier eine Rolle spielen, es ist jedoch
nicht klar, ob sich dieses positive Ergebnis bis in die heutige Zeit fortschreiben lässt. Die
flächendeckende Einführung von Behandlungszentren (z.B. zertifizierte Zentren für die
Behandlung von Brustkrebs) spricht eher dafür, aber es ist nicht klar, ob und ggfs. in welchem
Ausmaß durch Behandlungszentren erzielte Qualitätsgewinne durch Kürzungen bei Kosten
und im Personalbereich wieder verloren gehen.
25
Inanspruchnahme psychiatrischer Behandlung
Bei psychiatrischen Erkrankungen können ambulante und stationäre Behandlungsdaten nicht
als Näherungswerte für Morbidität interpretiert werden, denn sie werden wesentlich seltener
behandelt als sie auftreten. KV- Daten zeichnen daher ein Bild von Inanspruchnahmemustern,
nicht aber von der Morbidität.
Mit den Daten 124.917 berufstätiger Männer und Frauen zwischen 20 und 60 Jahren wurden
die stationären und ambulanten Behandlungen von Neurosen, Persönlichkeitsstörungen,
Suchterkrankungen, somatoformen Störungen, funktionellen Störungen und Stressreaktionen
(ICD 9: 300-307) untersucht. Die Begrenzung auf Beschäftigte ergab sich aus der
Verwendung von Arbeitsunfähigkeitsdaten; damit waren in begrenztem Maß (und mit
geringerer Verlässlichkeit als stationäre Daten) auch ambulante Behandlungen enthalten.
Im Einzelnen werden die folgenden Fragen untersucht:
- Weisen stationäre und ambulante Behandlungen psychogener Erkrankungen soziale
Gradienten auf, wie es auch für somatische Krankheiten gefunden wurde?
- Unterscheiden sich die Chancen für Aufnahmen in eine stationäre im Vergleich zu
einer ambulanten Behandlung nach der sozialen Position?
- Wo werden Patientinnen und Patienten mit den genannten Diagnosen vorwiegend
behandelt?
Die sozialen Gradienten für stationäre Behandlungen sind erheblich; für Un- und Angelernte
im Vergleich zur höchsten beruflichen Statusgruppe ergibt sich ein altersstandisiertes
Exzessrisiko von 630%. Diese Unterschiede werden wesentlich durch alkohol- und
drogenbezogene Erkrankungen bestimmt. Bei Männern entfallen darauf 48% aller Diagnosen,
bei Frauen sind es nur etwa 14%. Werden sie aus den Analysen herausgenommen, reduziert
sich das Exzessrisiko für Un- und Angelernte auf 230% 57.
Im Hinblick auf ambulante und stationäre Behandlungen zeigte sich, dass die
Wahrscheinlichkeit, im Krankenhaus behandelt zu werden, mit der beruflichen Position steigt,
wobei dies primär auf männliche Versicherte zutrifft, gleichzeitig stieg die Dauer stationärer
Behandlungen mit der beruflichen Position. Es gibt Grund zu der Annahme, dass es
Versicherten in höheren Positionen länger möglich ist, eine stationäre Behandlung zu
umgehen, stattdessen sollten sie versuchen, eine ambulante Therapie zu erhalten, sie zu
verschieben oder überhaupt zu vermeiden, um der sozialen Abwertung durch eine psychische
Erkrankung zu entgehen. Wenn sich die Symptome nicht mehr verbergen lassen oder wenn
26
sich der Erkrankungszustand verschlechtert hat, wird schließlich doch eine stationäre
Behandlung aufgenommen. In diesen Fällen dauern die kliniksaufenthalte länger als bei
frühzeitiger Inanspruchnahme. Angst vor Stigmatisierung mag auch dazu geführt haben, dass
ein erheblicher Teil der Patientinnen und Patienten nicht in den zuständigen Fachabteilungen
behandelt wurde, sondern auf Stationen fachfremder medizinischer Disziplinen,. Z.B. in
Abteilungen der Inneren Medizin oder der Orthopädie.
Abschließend ist zu erörtern, ob die beschriebenen Ergebnisse auch heute noch Gültigkeit
beanspruchen können. Die bessere Abrechnungsmöglichkeit von Psychotherapien und ein
unkomplizierterer Zugang könnte zu einem leichten Rückgang stationärer Aufnahmen geführt
haben. Eine Verringerung sozialer Gradienten könnte in diesem Kontext durchaus
stattgefunden haben, dies könnte jedoch durch einen selektiv leichteren Zugang für besser
gebildete Versicherte ausgeglichen werden 58. Die Einführung von Fallpauschalen sollte
wiederum zu einer Zunahme der Behandlungen in psychiatrischen Fachabteilungen geführt
haben, da in diesen noch nach Tagessätzen abgerechnet wird.
Frühberentung nach psychiatrischen Diagnosen
Ziel dieser Untersuchungen war es, die Risiken für Invalidität und Frühsterblichkeit von
Versicherten mit depressiven Erkrankungen zu prognostizieren. Die Definition der
Studiendiagnose depressive Zustandsbilder umfasste die folgenden ICD-9 Kategorien:
296.1 endogene Depression, bisher nur monopolar 298.0 reaktive depressive Psychose 300.4 neurotische Depression 309.0 kurzdauernde depressive Reaktion 309.1 längerdauernde depressive Reaktion 311; anderweitig nicht klassifizierbare depressive Zustandsbilder Innerhalb der Studiengruppe wurden Subgruppen mit Personen gebildet, bei denen in der
Beobachtungsdauer die Endpunkte (Frühberentung unterhalb des 58. Lebensjahrs,
Versterben) eintreten bzw. nicht eintreten. Die Kontrollgruppe sind die entsprechenden
Risikopersonen ohne depressive Erkrankung im Beobachtungszeitraum.
Die Zuordnung der Versicherten in die Studiengruppe erfolgt anhand folgender Kriterien:
1. Arbeitsunfähigkeit aufgrund depressiver Erkrankungen (mindestens eine von maximal
sieben Diagnosen)
27
2. Stationäre Behandlung in Verbindung mit der Krankenhausprimärdiagnose einer
Depression
3. Verschreibung von Antidepressiva
Es zeigte sich, dass das Risiko einer Frühberentung (Altersspanne: 15-58) bei mindestens
einer Arbeitsunfähigkeit mit Depressionsdiagnose im Vergleich zu Versicherten ohne eine
solche Diagnose um 77% steigt. Auf das Risiko zu sterben (Alter in Jahren, Altersspanne: 15-
74) hat hingegen das Vorkommen mindestens einer Arbeitsunfähigkeit mit
Depressionsdiagnose keinen signifikanten Einfluss.
Betrachtet man zum Vergleich die stationär behandelten Versicherten mit Depression, so
zeigen sich sowohl für Frühberentung als auch für das Risiko zu versterben deutlich höhere
Risiken. Bei Versicherten mit einem stationären Aufenthalt mit Primärdiagnose Depression
ist das Risiko einer Frühberentung um etwa 250% erhöht. Ein Krankenhausaufenthalt
aufgrund einer depressiven Erkrankung erhöht das Risiko zu versterben um 44%. Dieser
Befund lässt sich jedoch statistisch nicht ausreichend gut sichern un .
Relative Risiken der Studien- gegenüber der Kontrollgruppe
Outcome Studiengruppe Relatives Risiko Sig.
Frühberentung AU-Depression 1,77 0,000 Frühberentung KH-Depression 3,47 0,000 Versterben AU-Depression 0,87 0,139 Versterben KH-Depression 1,44 0,086
Cox-Regression;. Zeiteinheit: Alter in Jahren; Altersspanne Frühberentung: 15-58 Jahre; Altersspanne Versterben: 15-75 Jahre Risikojahre: Beginn des Versicherungsverhältnisse bis Eintritt Ereignis oder Versicherungsende
Arbeitslosigkeit und stationäre Inanspruchnahme
Im letzten Kapitel wurden Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das Risiko eines
Herzinfarktausbruchs untersucht. Wie bereits dargestellt, kann lange andauernde
Arbeitslosigkeit zu psychischen Beeinträchtigungen und zu Verhaltensänderungen führen. So
nahmen in einer dänischen Studie Persönlichkeitsstörungen mit der Dauer der
Beschäftigungslosigkeit zu, und die Inanspruchnahme ambulanter medizinischer Dienste stieg
an 59, aber nur wenige Befunde zur stationären Inanspruchnahme wurden veröffentlicht 60.
In den uns vorliegenden KV-Daten war es möglich, die Inanspruchnahme nach spezifischen
Indikationen und nach der Dauer der Arbeitslosigkeit zu untersuchen. Wir wählten dabei
Neurosen und Persönlichkeitsstörungen (ICD 9: 300-316), Krankheiten der
Verdauungsorgane (ICD 9: 520-579), Muskel- und Skeletterkrankungen (ICD 9: 710-729),
28
Verletzungen und Vergiftungen (ICD 9: 800-999) und Erkrankungen der Atmungsorgane
(ICD 9: 460-519).
Mit den Analysen sollte die folgende Frage beantwortet werden:
- Wie entwickeln sich die Risiken für stationäre Aufnahmen wegen einer der genannten
Diagnosen in Abhängigkeit von der Dauer der Arbeitslosigkeit? Nehmen die Risiken
für Arbeitslose im Vergleich zu Beschäftigten zu oder ab oder bleiben sie
unverändert?
Die Arbeitslosigkeitsperioden wurden wie für die Herzinfarktanalysen des letzten Kapitels in
Perioden bis zu acht Monaten, acht bis 16 Monate und mehr als 16 bis 24 Monate eingeteilt,
die verfügbare Fallzahl war N=105.554 (Männer und Frauen), davon hatten 13.891
wenigstens eine Arbeitslosigkeitsperiode über den Beobachtungszeitraum 51.
Mit Ausnahmen von Neurosen und Persönlichkeitsstörungen zeigte sich für alle
Erkrankungen nach dem Übergang in die Arbeitslosigkeit eine deutliche Abnahme der
stationären Behandlungen, und zwar gleichermaßen für Männer wie für Frauen.
Setzt man die stationären Behandlungen von Beschäftigten auf 100%, verringerten sich die
Aufnahmerisiken für Erkrankungen der Verdauungsorgane nach dem Übergang in die
Arbeitslosigkeit um 70% und blieben auch in der Periode zwischen 16 und 24 Monaten ohne
Beschäftigung auf diesem Niveau.
Bei Muskel- und Skeletterkrankungen lag die Abnahme bei maximal 76%, und in diesem Fall
könnte man eine Reduzierung berufsbezogener Belastungen annehmen.
Neurosen und Persönlichkeitsstörungen folgen diesem Muster nur bedingt. Für die beiden
ersten Arbeitslosigkeitsperioden (16 Monate und weniger) blieben die stationären Aufnahmen
nach dem Übergang in die Arbeitslosigkeit etwa konstant, verringerten sich dann im
Verhältnis zu den Beschäftigten um 78%.
Es ist anhand der vorliegenden Datenbasis schwer entscheidbar, ob es sich hier um eine
Abnahme der Morbidität oder um einen Rückgang der Inanspruchnahme oder um eine
Kombination von beidem handelt. Im Fall des Rückgangs der Inanspruchnahme könnte dies
auf ein abnehmendes Aktivitätsniveau von Arbeitslosen in der Folge zunehmender
depressiver Verstimmungen zurückzuführen sein.
29
5. Forschungsmethodische Probleme bei der Arbeit mit KV- Daten
Die in den letzten Abschnitten vorgestellten Ergebnisse haben eine Reihe neuer Erkenntnisse
erbracht. Sie wurden vor dem Hintergrund großer Fallzahlen gewonnen und haben es
ermöglicht, zeitliche Abfolgen von Prozessen zu untersuchen. Viele Befragungsstudien lassen
solche Analysen nicht zu, es muss jedoch in Rechnung gestellt werden, dass die KV- Daten
nicht zu wissenschaftlichen Zwecken erhoben wurden, sondern zur Abrechnung
medizinischer Leistungen. Dies bringt einige Einschränkungen mit sich, die zu erörtern sind.
Die AOK Mettmann war zur Zeit der Registrierung der Daten regional organisiert, die
sozialstrukturelle Zusammensetzung der Versichertenklientel und die Höhe der berichteten
Effekte weichen daher von entsprechenden Befunden auf der Basis der Gesamtbevölkerung
Deutschlands ab 61. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Erfassung von
Krankenhausdiagnosen: Sie können nur eingeschränkt zur Untersuchung von Inzidenzen und
Prävalenzen verwendet werden, da nicht jeder Erkrankungsfall auch zu einer stationären
Behandlung führt; dies gilt insbesondere für psychiatrische Erkrankungen 57, aber auch für
nicht medikamentös behandelte Fälle des Typ-2-Diabetes 32. Auf die Verwendung ambulanter
Behandlungsdaten wurde wegen der ungeklärten Validität ganz verzichtet, andererseits lagen
Informationen zu Substanzverschreibungen vor, was es bei indikationsspezifischen
Medikamenten möglich machte, mit großer Sicherheit auf die zu behandelnde Erkrankung zu
schließen (z.B. bei Diabetes). Arbeitsunfähigkeitsdaten können schließlich nur für
beschäftigte Versicherte verwendet werden, für Mitversicherte sind die Analysemöglichkeiten
begrenzt.
Die Gültigkeit von Merkmalen sozialer Differenzierung hängt von der Regelmäßigkeit der
Jahresmeldung durch den Arbeitgeber ab. Zudem berücksichtigt das gemeldete Einkommen
nur das Individualeinkommen der Versicherten, nicht aber das Haushaltseinkommen 22. Die
Begrenzung auf gesetzlich Versicherte führt dazu, dass nicht die gesamte Breite der
Sozialstruktur abgebildet werden kann; aufgrund der Versichertenklientel der AOK
Regionaldirektion Mettmann waren die einzelnen Teile der Sozialstruktur sehr
disproportional vertreten, d.h. die Un- und Angelernte sowie Facharbeiter waren
überrepräsentiert, alle anderen Gruppen waren relativ geringer vertreten. Letzteres führte
jedoch nur dann zu Analyseproblemen, wenn die absoluten Fallzahlen zu gering waren,
Zusammenhänge zu berechnen.
Die vorliegenden Daten aus stationären Behandlungen ermöglichen zwar, Morbiditäten zu
betrachten, es gibt jedoch auch hier Ungenauigkeiten. So wurden auch bei der Verfügbarkeit
30
spezifischerer Klassifikationen oft nur die Oberkategorien codiert, was zu einer Vergröberung
von Aussagen führen muss. Bei anderen Erkrankungen ist auch aufgrund mangelnder
Codierungsmöglichkeiten im ICD9 keine Differenzierung möglich; so gibt es bei malignen
Erkrankungen keine Informationen über die Tumorgröße und andere prognostisch wichtige
Angaben. Schließlich fehlen die Todesursachen, es wurde lediglich festgehalten, wenn
Versicherte verstorben waren, weil es für die Zwecke der Abrechnung nicht erforderlich war.
6. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse
Die durchgeführten Analysen mit KV- Daten haben Antworten auf drei Fragenkomplexe
erbracht. Die Ergebnisse zu sozialen Ungleichheiten lassen sich folgendermaßen
zusammenfassen:
1) Es gibt erhebliche soziale Unterschiede im Hinblick auf Krankheits- und
Sterblichkeitsrisiken. Diese steigen mit abnehmender sozialer Position an, sodass es
nicht nur Unterschiede zwischen den Angehörigen der untersten und den obersten
Positionsgruppen gibt, sondern die Erkrankungsrisiken stellen sich als sehr fein
abgestuft dar.
2) Die Unterschiede in Krankheit und Sterblichkeit zeigen sich nicht nur auf einem
Indikator sozialer Differenzierung, sondern auf allen, die hier betrachtet wurden, also
für Einkommen, berufliche Position und Qualifikation. Sie sind auch bei gemeinsamer
Betrachtung mit unterschiedlichen Krankheits- und Sterblichkeitsrisiken verknüpft.
Ihre relative Bedeutung variiert in Abhängigkeit von der betrachteten Erkrankung.
3) Soziale Unterschiede manifestieren sich nicht nur bei Krankheit und Sterblichkeit,
sondern auch in der Dauer stationärer Aufnahmen, wie es am Beispiel von
Infektionskrankheiten bei Kindern und Jugendlichen gezeigt wurde.
Die Größenordnungen sozialer Unterschiede sind ebenso hoch, in manchen Fällen aber auch
größer als die Geschlechterunterschiede und damit nicht trivial. Sie lassen sich nur zu einem
geringen Teil auf herkömmliche physikalisch-chemische berufliche Expositionen (Staub,
Lärm, Schadstoffe, etc.) zurückführen 61. Berufliche Stressbelastungen und andere Faktoren
(familiäre Belastungen, Wohnsituation, gesundheitsschädigendes Verhalten wie Rauchen etc.)
spielen bei der sozialen Ungleichverteilung von Gesundheit eine wichtige Rolle 2462.
Die Kosten für die gesundheitliche Versorgung unterscheiden sich davon ausgehend erheblich
nach sozialer Lage. Weitergehende Analysen sollte es möglich machen, besonders exponierte
31
Gruppen zu identifizieren und deren gesundheitliche Risiken durch präventive Maßnahmen zu
reduzieren. Damit verbunden ist die Frage, ob sich die mit Unterschieden in Einkommen,
beruflicher Position und Qualifikation verbundenen Risiken aufaddieren. Entsprechende
Analysen zu kumulativen Effekten an den extremen Enden der Verteilungen führten mangels
ausreichender Fallzahlen an den oberen Enden zu keinem Ergebnis. Untersuchungen mit
Daten des Bundesgesundheitssurveys haben jedoch gezeigt, dass sich gesundheitliche Risiken
durchaus aufaddieren können, jedoch muss auch hier nach der Art der betrachteten
Erkrankung differenziert werden 20. Am Beispiel ischämischer Herzkrankheiten haben wir
jedoch auch mit KV- Daten (AOK Ulm) gezeigt, dass es neben kumulativen Effekten von
Einkommen, beruflicher Position und Qualifikation auch spezifische Kombinationen der drei
Indikatoren gibt, die mit erhöhten Erkrankungsrisiken verknüpft sind 63. Ein Beispiel für einen
solchen Fall ist der viel zitierte Taxifahrer mit Hochschulabschluss, bei dem eine hohe
Qualifikation mit einer relativ einfachen Tätigkeit kombiniert ist.
Die Höhe der in diesem Bericht dargestellten Effekte zu gesundheitlichen Ungleichheiten
sollten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung unterschätzt sein, denn die obersten 10% der
Einkommensbezieher sind nicht oder kaum in den Daten vertreten, weil sie meist
privatversichert sind. Diese Gruppe sollte die gesündeste Versichertengruppe überhaupt sein.
Am anderen Ende der sozialen Verteilungsskala fehlen Sozialhilfeempfänger in der
untersuchten Versichertenklientel; sie sind entweder nicht oder in nur geringen Zahlen
vertreten, ihre Erkrankungsrisiken sollten jedoch im Vergleich deutlich höher sein.
Die Analysen zum Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Herzinfarktausbruch haben
gezeigt, dass im Gefolge von Arbeitsplatzverlust die Risiken für den Ausbruch eines
Herzinfarkts deutlich erhöht sind. Im Vergleich zu Beschäftigten waren die Effekte von
Arbeitslosigkeit bereits innerhalb der ersten Achtmonatsperiode sichtbar. Sie erhöhten sich
kontinuierlich und erreichten in der letzten hier betrachteten Periode (16-24 Monate) ein
Maximum und lagen um mehr als das Doppelte über dem Risiko gleichaltriger Beschäftigter.
Damit erweist sich der Verlust des Arbeitsplatzes als relevantes Risiko für die Herz-
Kreislaufgesundheit. Arbeitslosigkeit ist damit nicht nur ein individuell belastendes
Lebensereignis, sondern auch ein Erkrankungsrisiko, auf Bevölkerungsebene entstehen durch
die notwendigen Behandlungen hohe Kosten bei gleichzeitig absinkenden
Beitragseinnahmen. Ein hohes Beschäftigungsniveau könnte sich im Hinblick auf die
Herzinfarktmorbidität als wirksame Präventionsmaßnahme erweisen.
32
Die Sterblichkeitsrate von Krebspatientinnen und Patienten nach Operation wird in der
Versorgungsforschung als Indikator für die Qualität und Leistungsfähigkeit des
medizinischen Systems betrachtet. Im Gegensatz zur Morbidität zeigten sich mit Ausnahme
von Lungenkrebs bei Stratifizierung nach Einkommen für die Sterblichkeit an malignen
Erkrankungen keine sozialen Gradienten. Insgesamt deuten diese Befunde jedoch im
Gegensatz zu Ergebnissen aus Großbritannien, Skandinavien, der Schweiz und den USA
kaum auf unterschiedliche Qualitäten bei der Behandlung maligner Erkrankungen hin 36.
Die Inanspruchnahme psychiatrischer Dienste wegen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen,
Suchterkrankungen, somatoformen und funktionellen Störungen sowie Stressreaktionen zeigt
eine deutlich höhere Inanspruchnahmerate bei Patientinnen und Patienten aus unteren sozialen
Gruppen. Inwiefern dies das Morbiditätsgeschehen widerspiegelt, lässt sich den Daten nicht
entnehmen, denn es muss von einer hohen Rate unbehandelter Versicherter ausgegangen
werden. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Wartezeiten zwischen Erkrankungseintritt
und stationärer Behandlung mit der sozialen Position zunehmen, d.h. je höher die soziale
Position, desto länger die Wartezeiten bis zur Aufnahme in eine stationäre Therapie, und die
resultierenden Behandlungsdauern verlängern sich damit entsprechend 57. Die Ursachen dafür
liegen wahrscheinlich in einer Angst vor Stigmatisierung, bzw. einer sozialen Abwertung
psychisch Kranker. Aus dem gleichen Grund nimmt mit der sozialen Position die
Wahrscheinlichkeit zu, nicht in einer psychiatrischen, sondern in einer anderen Fachabteilung
behandelt zu werden.
Bei der Untersuchung von Arbeitslosigkeit als Determinante stationärer Inanspruchnahme 51
zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit einer stationären Aufnahme nach dem Verlust des
Arbeitsplatzes generell absinkt. Für einige Erkrankungen sollte dies durch den Wegfall
beruflicher Belastungen erklärbar sein, mit steigender Dauer der Arbeitslosigkeit stellen sich
bei den Betroffenen jedoch depressive Verstimmungen und Passivität ein. Dies sollte sich u.a.
in einer Abnahme von Inanspruchnahmeformen manifestieren, die eine höhere
Eintrittsschwelle aufweisen, gleichzeitig haben andere Studien gezeigt, dass sich sowohl
Gesamtmorbidität und auch Sterblichkeit erhöhen.
33
Die Gültigkeit der Ergebnisse aus heutiger Perspektive
Die Analysen dieses Berichts basieren auf Daten der 1980er und 1990er Jahre. Es stellt sich
deshalb die Frage, ob die vorgestellten Befunde auch heute noch gelten oder ob sie durch
Veränderungen im Gesundheitswesen oder durch historische Entwicklungen überholt sind.
Die Studien zu sozialen Ungleichverteilungen von Krankheit und Sterblichkeit sollten auf die
heutige Zeit übertragen lassen. Es gibt weder aus deutschen noch aus Studien, die in anderen
Ländern durchgeführt wurden, Grund zu der Annahme, dass die gefundenen Zusammenhänge
nicht mehr reproduzierbar sind. Gesundheitliche Ungleichheiten finden sich in allen neueren
Untersuchungen wieder, es ist sogar anzunehmen, dass die einkommensbezogenen Effekte
sogar ausgeprägter sind, denn die Einkommensunterschiede haben in Deutschland in den
letzten Jahren zugenommen. Bei einer Wiederholung mit neueren Daten sollten also auch die
relativen Risiken der unteren Gruppen vergrößert haben.
Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das Herzinfarktrisiko sollten in einer heute
durchgeführten Untersuchung ebenfalls reproduzierbar sein. Arbeitslosigkeit ist in
Gesellschaften, die auf Erwerbsarbeit aufgebaut sind, eine starke Belastung und eine
Bedrohung für die individuelle und familiäre Lebensweise. In Zeiten wirtschaftlicher Krisen
trifft dies in materieller Hinsicht mehr zu, in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität wird längere
Arbeitslosigkeit dagegen auch stärker als persönlicher Fehlschlag wahrgenommen.
Die Sterblichkeit an Krebserkrankungen wird in der internationalen Forschungsliteratur als
Indikator für die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens interpretiert. In unseren Analysen
hat sich gezeigt, dass es im Gegensatz zu einigen europäischen Nachbarländern keine sozialen
Unterschiede in der Sterblichkeit an malignen Erkrankungen gibt, und dieses Ergebnis deckt
sich mit neueren Ergebnissen aus Frankreich. Unsere Analysen beinhalten keine Vergleiche
mit Privatversicherten, wir erwarten jedoch keine sozialen Disparitäten, denn
Krebserkrankungen werden nach Leitlinien standardisiert behandelt, und die zunehmende
Konzentration auf spezialisierte Zentren solle eventuelle Variationen zusätzlich minimieren.
Die in einer unserer Analysen gefundene Behandlung psychiatrischer Patienten in
nichtpsychiatrischen Abteilungen sollte heute eher nicht mehr gültig sein. Die Einführung
diagnosebezogener Fallpauschalen sollte zu einer Verschiebung in psychiatrische
Fachabteilungen geführt haben, denn dort gilt noch die tagessatzbezogene Abrechnung.
Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass Befunde, die nicht von Regulierungen
innerhalb des GKV- Systems berührt sind, auch heute noch reproduzierbar sein sollten. Ob
dies auch die Stärke der Zusammenhänge betrifft, muss offen bleiben.
34
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41
Die Autoren:
Prof. Dr. Siegfried Geyer: Studium der Soziologie und Psychologie an der Universität Mannheim, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter an den medizinsoziologischen Instituten der Universitäten Marburg und Düsseldorf (Direktor: Prof. Dr. Johannes Siegrist). Promotion 1989, Habilitation 1998, danach Ruf auf eine Hochschuldozentur an die Medizinische Hochschule Hannover und Übernahme des Arbeitsbereichs Medizinische Soziologie. Kommissarischer Leiter der Abt. Allgemeinmedizin (2002 bis 2005), seitdem Leiter der Medizinischen Soziologie als eigenständiger Einheit für Forschung und Lehre. Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie und der European Society of Health and Medical Sociology (ESHMS), Präsident der ESHMS 2002 bis 2006. Gutachter für nationale und internationale Forschungsförderungsinstitutionen und wissenschaftliche Fachzeitschriften, Mitglied des Herausgeberbeirats der Zeitschrift „Social Theory and Health“. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des „Centro di Ricerca Interdipartimentale sui Sistemi Sanitari e le Politiche di Welfare“ der Università degli Studi Magna Graecia di Catanzaro/ Italien Schwerpunkte in der Forschungsarbeit sind Zusammenhänge zwischen sozialen Belastungen und Ausbruch sowie Verlauf von Erkrankungen, soziale Ungleichheiten bei Gesundheit und Krankheit sowie in der gesundheitlichen Versorgung und empirische Forschungsmethoden.
Prof. Dr. Richard Peter: Studium der Soziologie, Politikwissenschaften, Psychologie und Pädagogik in Marburg, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter an den medizinsoziologischen Instituten in Marburg und Düsseldorf, Promotion 1991, Habilitation 2001, 1999 Wechsel an die Universität Ulm und Leiter der Arbeitsgruppe Medizinische Soziologie, seit 2007 kommissarischer Direktor des Instituts für Epidemiologie der Universität Ulm Mitglied des Vorstandes der International Society of Behavioral Medicine, Mitglied des Herausgeberbeirates des Internatioal Journal of Behavioral Medicine, Gutachter für nationale und internationale Fachzeitschriften und Forschungsförderungsinstitutionen Forschungsinteressen: soziale Ungleichverteilung von Gesundheit, berufliche Stressbelastungen und Gesundheit, betriebliche Gesundheitsförderung.
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