sternstunden des ddr- humors / 1975 - 1976
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Die Jahre 1975 1976: Humor ist eingepl nt
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4 J•
Edgar Külow Wolln wir doch mal ehrlich sein . 7
1 Kapitel: Humor ist eingeplant 9
Edgar KülowGenossinnen und Genossen 10
Solo Abend in der istel
Ottokar DommaWann und wie darf ein Schüler lachen 17
Erwin F B. Albrecht
Der H11morist
Horst von Tümpling
itte lacht nicht
Günter Krone
20
22
Der Berufsaffe 26
2 Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes
_Humorvolles aus dem Alltag 27Angela GentzmerDie Verkäuferinnen
Sketch mit Helga Hahnemann und Dagmar Gelbke 8
Peter Ensikat
Kein Kapitel Zärtlichkeit
Johannes ConradHurra, ich habe ein Fremdwörterbuch
John Stave
Der allgemeine TrendErnst RöhlMUTTERsprache, MUTTERlaut
C. U. WiesnerFrisör Kleinkorte als Universalgenie
30
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Inhalt
3 Kapitel: Lernen lernen nochmals lernen
Als wir Schüler und Pioniere waren
Ottokar Domma
Unsere Schulwanderung
Renate Holland Moritz
Ein ElternabendJohannes Conrad
Familienszene
Hans Krause
Toast für einen frisch Geweihten
4. Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen
ir erktätigen in Stadt und Land
Jochen Petersdorf
Die Arbeitszeit
Sketch der rei ialektiker
Jochen Petersdorf
Laufkundschaft
Manfred Strahl
Das Erfolgserlebnis
Alfred Schiffers
Am Tag als die Kohlen kamen
Lothar KuscheWie wir unser Bestehen feierten
Alfred Schiffers
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46
s
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55
56
58
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Tagebuch eines Bockwurstverkäufers 72
5 Kapitel: Heißer Sommer
Von Ostseestrand Datsche und Jugendclubs ... 73
Jochen Petersdorf
Picknick im Walde 74Hansjoachim Riegenring
Einmal rückwärts E1·furt 79
Heinz Erkler
Hellende Natur 82
rnst Röhl
Nach uns die Sintflut 84
5
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6
ul ns lll t t =t n
•
6 Kapitel: Höher schneller weiter
Sportlich sportlich
John StaveEine strapazierfähige Sportart
Ernst RöhlPetri
heilFrank KleinkeIn Dur und Moll und Fußballschuhen
Jochen PetersdorfGesunde Lebensweise
Sketch der rei ialektiker
7 Kapitel: Unter vier AugenÜber Verliebte und Verheiratete
Ralph WienerLeben mit Antje
Heli Busseer Freizeit Lust und Last
Ernst RöhlDä11melinchen 75
Gerd W HeyseAbendspaziergang
8 Kapitel: Wo wir sind ist vorn
Es geht seinen sozialistischen Gang
John Staveer Tod im Neubau
Heinz WinklerDas Auftragswerk
Heinz HelmHilfe, es kommt Besuch
Nils WernerTeils, teils
Edgar Külow
Der Genosse Bornschein
Ernst RöhlKorrektur
Zeittafel
Rechtliches
Inhalt
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Was für ein heater 7
w r oe a
o tlie soiH ••.Was war das für eine bewegte Zeit im Kulturleben der DDR-
Bürger Wie Heuschrecken fielen die Künstler in die Produktionsbetriebe, interviewten und störten die Arbeiter, schrie
ben Drehbücher, Romane und Gedichte. Den Satirikern fielendie Stoffe ins ständig geöffnete Maul. »Kommt ein Einkäufer
in eine Pumpenfabrik. Sagt er zu einem Arbeiter: >Weißt dueigentlich, Kollege, was ihr für beschissene Pumpen produziert?< Sagt der Angeredete: >Moment mal, ich bin überhaupt
kein Arbeiter, ich bin Schriftsteller.< Meint der Einkäufer: >Ach
daher <«
Der Leiter des Hallenser Kabaretts »Die Taktlosen« schrieb insProgrammheft: »Schauspieler beraten Volkskunstschaffende «Und ADN meldete: »20 Künstler vom Bergarbeitertheater Senf-
tenberg leiten Volkskunstgruppen an. Ihre Hilfe trägt unter an-
derem dazu bei, das Kabarett des BKK Senftenberg zu einem
Arbeitertheater zu entwickeln.« Woraufhin sich das Kabarett»Die Taktlosen« verpflichtete, eine Arbeiteroper zu werden.Das Theater Senftenberg gibt es heute noch. Vom Arbeiter
theater hört man nichts mehr.
Dafür sind einige operettenreife Szenarien in Erinnerung geblie-ben, die von den Kulturpolitikern geschrieben wurden. Sie nah-
men die Kollegen Kulturschaffenden im allgemeinen und die
Kabarettisten und Satiriker im besonderen unter ihre Fittiche,feuerten sie zu kämpferischem Humor an oder zeigten ihnen -
zumeist mit Verweis auf eine »jähe politische Wendung« oderdie »besonders angespannte politische Großlage« - die Dau-
menschrauben. Kinder, Kinder, was habe ich an der Leipziger
Pfeffermühle, an der Berliner Distel und auf anderen Bühnenfür ein Auf und Ab von Genehmigung und Verboten, von Bei-
fall und Rückzügen erlebt. Da ließen sich Geschichten erzählen Und das waren keine Sternstunden des Humors Um sobesser, daß uns diese Anthologie das einstige Tun und Treiben
der Kabarettisten, Fernsehkomiker und Humorautoren nocheinmal vor Augen führt. Viel Spaß wünscht Ihnen
Ihr Edgar Külow
· ......::i
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1 • Hum o r ist i n g ~ 1an t= = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = =
Edgar ülow
OSSI O ~Solo-Abend in der Distel
Bitte keine Zwischenrufe, wenn Sie was zu sagen haben, mel
den Sie sich bei Ihrem Zehnergruppenleiter.
Genossinnen und Genossen, ich begrüße und beglückwünsche
Sie zum Welttheatertag, verlese Ihnen die Tagesordnung der
Zentralen Delegiertenkonferenz der Sonderkommission zur Un
tersuchung der gesellschaftlichen Relevanz des real existie-
renden Theaters, zur Beantwortung der gravierenden Frage:
Muß das Theater hier und heute unterhaltenden Charakter
haben?
Unser Lachen kommt weder aus
dem Kopf noch aus der Lende,
weder aus der Kehle noch aus
Kollegen, die Tagesordnung: Wahl des Präsidiums.
Zwotens: Kulturprogramm. Drittens: Referat. Vier
tens: Diskussion. Fünftens: Schlußwort. Sechstens:
Gemeinsamer Gesang der Hymne. Wer mit dieser Ta
gesordnung nicht einverstanden ist, den bitte ich umem Herzen. s kommt aus der
Faustdas Handzeichen. Keiner?
Wo ist die Bezirksdelegation Halle? Der Bezirksverband Halle
war vom Sekretariat angewiesen, eine Nein-Stimme zu stellen.
Warum ist das nicht erfolgt? Wir haben es mit Cottbus ver-
sucht, aber da wollte der Delegierte mit der Nein-Stimme auchzugleich die Ausreisegenehmigung haben.
Teilen Sie sich s ein es dauert drei Stunden. Das ist weiter
nicht tragisch, schreib ins Protokoll: Einstimmig.
Punkt 2 der Tagesordnung: Referat. Genossinnen und Genos
sen, Kolleginnen und Kollegen, Schauspieler und Schauspiele-
rinnen, Sänger, Genossen Sänger, heute begingen die Werktä-
tigen des Theaterwesens ihren internationalen Kampf- und Fei
ertag für sozialistischen Realismus und höhere Löhne. Liebe
Freunde, während es in Westdeutschland immer trauriger, nichtwahr, wird, ist seit dem IX. Parteitag der Frohsinn Bestandteil
unseres täglichen Lebens geworden. Früher waren unsere Men
schen vergnatzt, wenn es mal etwas nicht gab eine Schrank-
wand, einen Reißverschluß, ein Fahrrad. Heute lachen wir nurnoch darüber.
Welch ein bedeutender Fortschritt gegenüber dem EisenacherKongreß von 1869.
Wer hat denn in der Kunst so viel goldenen Humor wie die
DDR?
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1 1umor ist eingepl nt~ = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =
Keiner Wer hat denn Herricht/Preil? Wrr Wer hat denn Rei
ner Süß und Ingeborg Springer? Wir. Wer hat denn EkkehardSchall? Wir
Ja, manche mußten wir schon an den Westen abgeben.Und dieser Humor wird im nächsten 5-Jahr-Plan noch um 27,4Prozent zunehmen. Siegfried Wagner, Minister für Batik und
Kartoffelsiebdruck, wies auf der Unterhaltungskonferenz darauf hin, daß wir durch die selbstlose Mitarbeit der seriösenKünstler wie Reiner Süß, Gisela May, Jochen Thomas, IngeborgSpringer, Peter Schreier, Theo Adam, DieterMann den Humor planmäßig vorangebrachthaben.Ich wurde vor der Konferenz von einigen Dele
gierten gefragt, warum ich nicht auf der Konfe
renz der Unterhaltungskunst gewesen wäre. Es
ging nicht. Auf meinem Mandat saß schon derandere. Und ich wurde weiter gefragt, warum ichdenn nicht an der Gala-Schau der Komiker teilgenommen hätte, da saß auch schon der andere.Immer, wenn ich in der Heiteren Muse aufkreuze, schreit der andere: »Ich bin schon da « Naja,
vielleicht, liebe Freunde, ist der andere wirklichkomischer als ich. Auf alle Fälle ist er immer da,
der Genosse Professor Wolfgang Heinz.
Und schon, liebe Freunde, kommt in uns wiederdiese ungeheure Fröhlichkeit hoch. Aber, Genos
sen, diese Fröhlichkeit muß eine parteiliche sein.Sie muß Klassencharakter haben. Sie ist scharfund zupackend. Die Fröhlichkeit unserer Funktionäre ist kurz und vernichtend für den Gegner.
Es gilt, die Scheißfreundlichkeit kleinbürgerlicher Philanthropen zu überwinden. Unser Lachen kommt wederaus dem Kopf noch aus der Lende, weder aus der Kehle nochaus dem Herzen. Es kommt aus der Faust
Sie nehmen's mir nicht übel, aber schlagen Sie bitte noch malim Rechenschaftsbericht nach, da werden Sie an dieser Stellelesen: »Langanhaltender Beifall, der sich zu Ovationen steigert « Da hab ich nichts von bemerkt.Natürlich müssen wir uns beim Finden von neuem Humor aufbereits vorhandenen stützen. Unser klassisches Humor-Erbe
liegt zum Beispiel im Faschingstreiben, da liegt es volkstümlich verankert. Diese positiven Ansätze müssen von uns poli
tisch gelenkt werden. Wir müssen also heute darüber beraten,
Das Who is who der re-
volutionären Traditionen
Unser Bester Kabaret-
tist Edgar Külow - inder Mitte zwischen den
Helden von 1976.
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~ ~ = = = = = = = = = = = = = = = : : : = 1 = = = = ~ = = : : = = = = = = = = = = = _ ; ; = = = = = = = = = = u m o r ist ein fJ epl nt
Hennann x e n ~ Ho- ;neckers engster Mit7 .;arbeiter, besucht einelandwirtschaftlicheProduktionsgenossenschaft. Die Presseleute haben einpaar Fotos gemacht,die Axen inmitteneiner Herde Schweine
zeigen. Nunmehr entsteht in der Redaktion des »Neuen ··. · ,Deutschland« ein, k · .
Streit über den Textder Bildunterschrift.
.
Der erste Redakteurschlägt vor: »Axenunter Schweinen.<<
Der zweite Redakteur: »Das geht nicht.Besser ist: Axen i n ~mitten von Schwei
nen.« Darauf der.diät:.. " · · ~
. , ,
te Redakteur: »Urli · Y. .
Gottes willen das ·gibt Probleme m t derZensur. Ich schlagevor: Vierter von links:Hennann Axen.«
ob wir die Elferräte im Karneval zum Beispiel in Parteileitungen umwandeln - oder die Parteileitungen in Elferräte. Was j
in der Praxis bedeuten würde, daß der Parteisekretär den ver
pflichtenden Beinamen Prinz Karneval verliehen bekäme.Wie dem auch sei, liebe Freunde. Entscheidend ist nicht, ob du
eine Pappnase auf hast, sondern wie du zur Sowjetunion stehst.
Heute, am Welttheatertag, läuft im Fernsehen Richard III.Heinz Adameck hat also richtig erkannt, daß am Welttheatertag in der DDR Köpfe rollen müssen.Aber auch der Humor soll nicht zu kurz kommen. Im erstenProgramm läuft ein Ufa-Lustspielfilm von 1943. Naja ich bittedas, was jetzt kommt, nicht zu protokollieren: Hitler hatschließlich nicht nur Schlechtes gemacht, man denke nur andie Autobahnen und die Ufa-Filme. Überdies hat Grete Weisermal gesagt, Westberlin sei eine großartige Insel im kommuni
stischen Meer. Dafür müßte sie eigentlich schon mal bald im»Kessel Buntes« zu sehen sein.Entscheidend ist j schließlich immer der Aspekt, unter dem
man eine Sache sieht. Es hat zum Beispiel im abgelaufenenBerichtsjahr einige Theaterbrände im Süden der DDR gegeben.Uns liegt unter anderem ein Bericht über einen Theaterbrandim Süden vor darin meldet der Intendant dem Oberbürgermeister: »Mein Theater hat dank eines heldenhaften Einsatzesdie Feuerprobe heute bestanden.« Der OB meldet an den Rat
des Bezirkes: »Dank meines heldenhaften Einsatzes hat dasTheater ein glühendes Bekenntnis abgelegt.« Der Rat des Be
zirkes ans Ministerium für Kultur: »Unser Theater hat einenzündenden Beitrag geleistet.« Das Ministerium an den Mini
sterrat: »Der Süden unserer Republik ist ein leuchtendes Vor
bild geworden.« Und »leuchtendes Vorbild« wollen wir dochschließlich alle sein. Wir müssen alle brennen, oder? Ich denkdabei natürlich nicht an irgendwelche Selbstverbrennungen.Das wäre für unsern Staat auch zu teuer. Die Tonne Erdölkostet doch heute keine sechzehn Rubel mehr wie vor zehn
Jahren.Genossinnen und Genossen, das sozialistische Lager, insbesondere die DDR hat große Erfolge zu verzeichnen, und des
halb kann schon heute, und nicht erst, wie beabsichtigt, 1980,auf die grünen Essenmarken wahlweise auch Pudding abgegeben werden.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Sie hören nun dasübliche Kulturprogramm.
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umor ist eingeplant 3= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = =
Prolog
rr standen einst geschlossen hinter allen
Beschlüssen, die Partei und Staat gefaßt.
Doch sind dann leider ejnjge abgefallen
Und von zehn andern möcht ich sagen, fast.
Inzwischen haben wir sie umgemodelt.
Sie wissen wieder, wo sie hingehören.
Auch Volker Braun hat jüngst für uns gejodelt,
Und Jurek Becker will uns nicht mehr stören.
Verschiedene Mimen mimen jetzt im Westen,
So wird man von der DDR verwöhnt,
Ernst Kahler darf bei uns hier weiter spielen,
So sind die Künstler allesamt versöhnt.
Naja, die Kunst geht letztlich doch nach Brötchen,
Und so ein Schauspieler, der braucht viel Brot.
Der apportiert, gibt auf Kommando Pfötchen,
Schart Geld zusammen, und dann ist er tot.
n seinem Grabe grinsen die Kollegen,
Und sieben Witwen stehen hier schwarzbetucht.
Minister Hoffmann gibt den letzten Segen.Die kleinen Kinder wirken ausgeruht.
Wir denken heute aller dieser Mimen,
Die sich durch viel Theater intrigiert,
Die Funk und Femsehn tausendmal beschissen,
Und letzten Endes immer nur kassiert.
Doch gibt es Treue, echte deutsche Treue,
Und diese Treue gibt es im Verband,
Und sie ist frei, selbst bei Betrug, von Reue,
Und diese Treue nennt sich Hermann Kant.
Er steht geschlossen, hab ich jüngst gelesen.
Das rufen wir auch unserm Nachwuchs zu.
Hast du im eigenen Hause deinen Besen ...
Schön, kann ich die Zeile weglassen ...)
Auch für den Mimen bleibt der beste Job
ne Genexmucke und Synchron bei Intershop.
•
•
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4l .
Humor ist eingeplant
Bereits in der ersten Stunde unserer Konferenz liegen zahlrei
che Grußadressen vor. Einige verlese ich:Anläßlich der Delegiertenkonferenz der Freunde des 1. April
verpflichtet sich das ND in der Sonnabendausgabe statt einesbekannten Staatsmanns auf der Titelseite einen weiblichen Akt
zu bringen. Bewerberinnen müssen mindestens eine vierzigjährige Parteizugehörigkeit haben.Doktor Manfred Wekwerth grüßt die Delegierten und läßt wis
sen, daß er einen Film über Thomas Müntzer dreht. Den Münt
zer spielt Renate Richter.Die vom Fernsehen der DDR für den 1. April geplante Gala-
1 h h ff d ß. h h schau des Humors ist durch den Vorsitzenden einige
c o e, a 1c morgen noc Mal . hn·tt d ·· d rt d · t ··gtd. z t. d0 1
. rt e emgesc 1 en un veran e wor en. 1e ra
die
2usAim ml er e egie en jetzt auf allgemeinen Wunsch den Namen »Aktuelle
es . pr1 r1ege. Kamera«.
Der Verband der Harzer Natur- und Heimatroller grüßt die De
legierten. »FrräundewirrrgrrüßendieDeligrrrrrtenundrrrmpen
brrrpendrmmmten errrundrrrmpenbrrrpendrmmmtenterrr ...«Die Fußballnationalmannschaft der DDR grüßt die Delegiertenaus Athen vom Olympia-Qualifikationsspiel.
»Wrr sind hier auf der Akropolis. Die Griechen, sieht man hier,
hatten es schon immer schwer. Alles Krüppel: dem einen feh
len die Arme, dem andern die Ohren, einigen sogar die Köpfe.
Croy meint, das sei alles Tarnung, und wir sollten uns auf voll
ständige Gegner gefaßt machen. Georg Buschner will Vogelals Griechen einsetzen.«
Ich wurde in der Pause von zwei oder drei Delegierten ange
sprochen, ob es stimme, daß - ich will keine Namen nennen -der und der im Publikum wäre. Es sind zweifelsohne ein paarKöpfe da, die sehen wie ein paar andere Köpfe aus. Sind es aber
Gott sei Dank nicht.Es ist ein Antrag ans Präsidium gegangen von der Delegation
aus Krumhermersdorf. Dort macht man sich Gedanken ... Siewissen, wo Krumhermersdorf liegt? - Lieben Freunde, wenn
Sie wissen, was man dort für Antennen bauen muß, um über
haupt ... Da kaufen Sie sich hier in Berlin Autos für - Und die
haben gefragt, wie das ist bei der Kunstauswahl, ob die Wahl
des Stoffes dabei eine entscheidende Rolle spielt ... Ich will s
hier erklären.
Ja, sie spielt eine entscheidende Rolle. Sie spielt eine solch
große Rolle, daß man ein bißchen was dazu sagen muß.
Der Aufhänger zu dieser Angelegenheit ist: Ich sah jetzt imFernsehen aus Dresden den »Revisor«. Ich hab den »Revisor«
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15umor ist eingeplant~ = = = = = = : = = = = = = : = D = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =
schon sehr oft gesehen, aber was da losgelassen wird Ich habemal ein Laientheater ohne Anleitung gesehen, die Klassikerwaren gegen das, was da kam. So was Schlimmes hab ich nochnie gesehen und dachte: Das kann nicht sein Selbst Wolfgang
Dehler, ein durchaus seriöser Mensch, der ließ da die Hosenrunter. Und dann las ich die Kritik im ND und die war un-ge
heu-er guuut. Also das ist das Größte, was je auf unserm Theater lief Der Regisseur kam aus Leningrad
Ich habe Sie darauf hinzuweisen, daß schon inder ersten Stunde Glückwunschtelegramme ein-
gegangen sind. Ich möchte verlesen, von welchen Einrichtungen uns Glückwunschtelegram
me zugingen ... und auch von Einzelpersonen ...wahren wir den feinen Unterschied, jawoll, der
muß sein.Bertolt Brecht.Besamungsanstalt Pablo Picasso, Torgau.
Kreisparteischule Apostel Paulus, Wolmirstedt... vielleicht von der CDU?
Das Hilfswerk Vater und Kind ...
Das erste möchte ich verlesen. Es kommt vom
Fernsehen der DDR.»Anläßlich eurer Delegiertenkonferenz verpflich
ten wir uns, im kommenden Jahr >Distels Nacht-musik<, >Die Leiden des jungenW und >Die Kip
per< nicht zu senden. Darüber hinaus ist wederan Fernsehsatire noch irgendwelchen geistvollen Fernsehspaßgedacht. Ihr kennt das ja, zu leicht gerät man in die Situation,
daß, wenn man Gutes bringt, die Menschen dann immer mehrdavon haben wollen, während bei ständigem Mittelmaß doch
eine rechte Zufriedenheit herrscht. Ihr Intendant.«So, die anderen verlesen wir vielleicht später ...
So, ich hab die ersten Zahlen von den Kommissionen. Die Re
daktionskommission teilt mit: Auf unserer Delegiertenkonfe
renz befinden sich 6 hervorragende Persönlichkeiten, 24 Per
sönlichkeiten, 356 Delegierte, 48 Gäste. Der Frauenausschußergänzt, daß von den Delegierten heute abend 187 Frauen sind,
von diesen 187 Frauen nehmen 129 die Pille, 51 haben Angst,sieben sind emanzipiert.Wrr treten in eine viertelstündige Pause ein. Bitte die Dele
gierten pünktlich wiederdie
Plätze einnehmen
„
•••
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6
zr machen alles nur
m t Netz <<
Die Delegierten haben eine Grußadresse an die UNO, SektionApril verfaßt. Der Wortlaut: >>Angesichts der Tatsache des Um-
standes versichern wir, daß die DDR immer, stets und dau-
ernd Herzliche Grüße an Waldheim und die anderen Österrei-cher Die Delegierten des 1. April.«
Wer gegen diese Resolution ist den bitte ich ums Handzei-
chen. Ich hoffe, daß ich morgen noch die Zustimmung der De-
legierten des 2. April kriege. Du, Genosse? Ach so, schon fürmorgen
rr kommen zum Punkt 6 unserer Tagesordnung Aufforderungan das Präsidium und Publikum zum Singen der Hymne ...Und die Stelle mit »Deutschland einig Vaterland« summen wireinfach weg
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7umor ist e i n g e ~ l n t~ = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = : ; : ~
Ottokar Domma
' '
Das Lachen in der Schule gehört zu den schönsten Vorkomm-nissen im Leben eines Schülers. Man kann das Lachen in drei
Abteilungen einteilen:Erstens das normale Schülerlachen
zweitens das unfreiwillige Schülerlachen
und drittens das verbotene Schülerlachen.Einer der nicht mehr zur Schule geht denkt vielleicht Lachen
ist Lachen aber da irrt er sich mächtig und ich werde das aneinigen Beispielen erklären.
Das normale Schülerlachen ist am häufigsten und es entstehtmeist von ganz allein. Als Schüler könnenwir über alles lachen
zum Beispiel über Witze Blödheiten Versprecher Fratzendoofe und lustige Antworten auch über Tintenkleckse öffent-liche Kleidungsstücke ulkige Figuren beim Sport Witzzeich-
nungen nackichte Fotos Liebesbriefehen und Liebespärchen
Kaugummiblasen manche Bücher und Filme schlafende Schü-
ler Affen im Tierpark Clowns oder auch über moderne Damen
und Lackaffen über komische Stimmen betrunkene Werktäti
ge Aprilscherze Gesellschaftsspiele beim Faschingsfest undüberhaupt wenn die Erwachsenen sich wichtig machen und an-
geben. Manchmal lachen wir, wenn wir ausgeschimpft werdendamit keiner merkt wie es uns ärgert. Die Mädchen lachen oft
nur so dahin und wissen gar nicht warum. Es genügt schon
wenn sie sich bloß angucken. Man bezeichnet dies auch als al-
bernes Lachen und es entspricht nicht dem hohen Lachniveau.
Das normale Lachen muß man vom Auslachen unterscheiden.Das Auslachen ist pioniergesetzlich verboten macht aber Spaß.
Auch ist es nicht immer leicht zwischen diesen beiden Lach-
arten zu differenzieren wissenschaftlich ausgedrückt. Wenn
man nicht genau weiß ob jetzt ein erlaubtes oder ein verbote
nes Lachen dran ist braucht man nur zu gucken ob der Pio-
nierleiter oder der Lehrer mitlachen muß. Wenn ja dann istman gesetzlich geschützt wenn nein dann kann man immer
noch durch die Nase lachen. In diesem Falle ist es aber ange
bracht ein sauberes Taschentuch bei sich zu haben sonst ver-
geht auch dem lustigsten Lehrer die Lache.
•-• • •• • •
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1
Humor ist eingeplant~ ~ l n i i i i i l i i l ' m i i l : l i l ; . ~ 1 i + J b t : i : : : i . 1 l ;r ;;;;;;;:• „ i.,.ans„ &:, ··: „idf dll:Su:u.....-..ill:® 1/ W llilillll •R · >W4: .
Das unfreiwillige Schülerlachen, auch künstlerisches Lachengenannt, hat große Bedeutung für die Aufrechterhaltung derLehrerstimmung. Das künstlerische Lachen haben die Erwach
senen als schlechtes Vorbild erfunden
und ist meistens ganz schön falsch.
Dazu ein Beispiel:
Wenn der Herr Lehrer Kurz in unsereKlasse kommt, dann ist es besser, wir
stellen uns auf einen ernsten Gesichtsausdruck ein. Der Herr Kurz sprichtimmer sehr gebildet und wissenschaftlich, und in der Wissenschaft sinddumme Witze nicht erlaubt. Abermanchmal hat auch der Herr Kurz einen
Tag, an dem er lustig sein möchte. Das geht so vor sich. Er
kommt in die Klasse, zeigt ein künstlerisches Lächeln undspricht sehr schön hochdeutsch: Und nun wollen wir einmaleine Blüte der Wissenschaft anhören, was sie uns und derNachwelt zu sagen hat.« Er ruft dann meistens den armen
Schweine-Sigi auf. Das ist für manche Schmeichler und Krat
•
zer das Zeichen, dem Herrn Kurz zuzulachen,
und der Herr Kurz freut sich, wie es ihm ge
lungen ist, wenigstens einige Schüler fröhlichzu machen. Wer nicht mitlacht, ist die näch
ste wissenschaftliche Konifäre oder so wasähnliches.Ich war auch einmal ein Auserwählter, nämlich als wir unsere Klassenarbeiten zurückbe
kamen. Der Herr Kurz sprach lobend zu mir:
»Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn«,
und ich antwortete dankend: »Und ein alterGockel muß Federn lassen « Alle lachten,
aber das war schon ein verbotenes Lachen.
Denn der Herr Kurz fragte gleich streng, wie ich das meine. Ichsagte, biologisch, damit er mir nichts anhängen konnte.Es kommt auch vor, daß manche Lehrer ein richtiges Witzchenmachen. Trotzdem muß man dabei vorsichtig sein und darfnicht an der falschen Stelle lachen.
Das verbotene Schülerlachen tritt meistens dann in Erscheinung, wenn es nichts zu lachen gibt. Und das passiert öfter.
Aber manchmal kann man sich auch täuschen. Dazu ein wei
teres Beispiel:
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9umor ist eingeplant~ = = = - = - - = = = = = ~ = = = = = = = : : : = = = = = = = = ~ ~ ~ = = = = = ~ = : : : : = = = = = - = - -
Wenn ich Witzzeichnungen sehe, muß ich immer lachen, weil
die Figuren so ulkig sind. Manchmal schneiden w r sie aus und
kleben sie im Flur an die kritische Wandzeitung. Gestern standich wieder davor und habe mich über eine Figur halb kaputt ge-
lacht. Ich sagte zu meinem Freund Harald: »Guck mal, der dasieht aus wie der Herr Burschelmann. So ein Bauch und so eine
Knollennase « Der Harald hustete und gab mir einen Tritt vonder Seite. Ich dachte, es ist Freude, und fuhr fort: »Und die
Hosen sind genauso verbeult wie beim Herm Burschelmann «
Der Harald fing plötzlich leise an zu singen: »Paß auf, paß auf,sonst gibt's was drauf « Ich dachte, er besingt die Knollenna
se und ergänzte meine Bildbetrachtung: »Wenn ich jetzt nocheine Brille dranmale, dann ist es ganz der Herr Burschelmann «
Da sprach hinter mir eine tiefe Stimme: »Darf ich dir meinen
Filzstift dazu leihen?« - Es war tatsächlich der Herr Burschel
mann. Ich wollte mich schon entschuldigen, aber da geschahetwas Seltsames. Der Herr Burschelmann malte selbst die Bril-
le auf die Witzfigur, und danach lachte er, daß sein Bauch nur
so wackelte.Aber das hatte noch ein Nachspiel. In der Mathestunde tauch
te plötzlich der Herr Direktor Keiler auf. Er hatte die Witz-
zeichnung in der Hand und fragte: »Wer war das?« Auf die Figurwurde nämlich inzwischen noch ein Schnurrbart gemalt, und
jetzt sah sie aus wie der Herr Direktor persönlich. Ich wollte
nicht, daß der Herr Burschelmann reinfällt, und meldete michgleich als der Täter. Da sprach der Herr Keiler zum Herrn Bur-
schelmann: »Na, das erledigen Sie wohl am besten selbst « und
ging. Der Herr Burschelmann rief: »Ottokar, dein Tagebuch «
Ich war ganz erschrocken, denn nie hätte ich dem Herm Bur-
schelmann zugetraut, daß er mich dafür auch noch bestraft. Als
ich dann nachschaute, hätte ich beinah ein bißchen geheult,
aber ich riß mich zusammen. Nur dem Harald zeigte ich, wasder Herr Burschelmann hineingeschrieben hatte, nämlich die-
sen Satz: »Lob und Dank für Dein kameradschaftliches Verhal-ten « Harald bekam auch schon rote Augen, und so könnenwir
sagen, daßwir schon lange nicht mehr so fröhlich waren, abermehr nach innen. Die anderen in der Klasse freuten sich jetzt
auch - aber mehr aus Schadenfreude.
r•t
--
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2
Erwin F B Albrecht
Sauer wie ein Faß Essiggurken betrat der Humorist Peter Pilsator, in Kollegenkreisen auf »Pepi« abgekürzt, die örtliche Um
tauschzentrale, wurde vom Pförtner registriert, abgestaubt undunter aufmunternden Zurufen in das Büro der Aufnahme, Buch
stabe P, geführt.»Was hätten Sie denn gerne umgetauscht?« Der Mann amSchreibtisch sah den Besucher an wie eine Dackelmama ihrefrisch geworfenen Jungen. »Ihren Pfeifkessel oder die Ehefrauoder das Auto oder Ihr flämisches Barockspeisezimmer?«»Ich möchte meinen Beruf umtauschen«, erklärte Pepi, »denn
mich wurmt, daß trotz meines hohen Alters noch kein einziger
E MMM t t d Dampfer meinen Namen trägt. Es müßte ja nicht unbe-in neues en s an : dingt . Kri hiff · d h k · z hnt dt
Männermode von morgen. em egssc sem un auc em e ausen on-nenfrachter - wenn es nur einer von den kleinen grünen
Vergnügungsdampfern wäre, wie sie bei uns auf dem Dollbrägensee verkehren ...«Dem Dezernenten kommen die Tränen. »Sie haben recht - demHumoristen flicht die Mitwelt keinen Lorbeer.« Er betätigteeinen Druckknopf. »Wollen sehen, was unser Computer Ihnenzum Tausch anbietet.«
Auf dem Bildschirm erschien eine Wanderschrift: ,,peter pilsator, humorist, geb. 13. 7.16, im umtausch geeignet als 1. soßenkoch, 2. irrenwärter, 3. modeschöpfer. ende.«»Als Herrenmodeschöpfer hätte ich vielleicht ne gute Idee«,
meinte Pepi.Ein halbes Jahr später sah sich der Humorist als Objektleitereines »Herrenausstatters«, dessen Bestimmung als Versuchsanstalt kaum erkennbar war, weil Pepis Vorgänger, wie Experten sagten, nicht einmal den Versuch eines Versuches versucht
hatten, die Herrenmode zu beleben. Unter dem Slogan »Für dieGleichberechtigung des Mannes « schöpfte Pepi Mode. Einneues »MMM« entstand, der Begriff »Männermode von mor
gen«, die sich ausschließlich an den bisherigen Privilegien un
serer lieben Frauen orientierte.Neuartig wirkte auch das Herrenparfüm mit der Benzin- undÖlduftnote, und als apart durften nicht nur die Ohrclips mit denFußballanhängern gelten, sondern auch die Männerhandtaschen mit Kognakflakon. Die Nahtlosen, Modell »Bis oben
ran«, wurden dagegen mehr mit Zurückhaltung aufgenommen.»Wegen eurer Stachelbeerbeene«, meinte eine junge Dame.
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21umor ist eingeplant= = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = : : = : = : : = : : : = = = : : = = : : = = = = : : : : = ~ = = - - - -
Doch was tat s - von Tag zu Tag waren Pepis Schaumodelledichter umlagert, und bald schon kam die Stunde, wo der
Wagen des Generaldirektors der Vereinigung der Umtauschbetriebe vor dem Laden hielt. Der hohe Besucher lachte dezent,aber wegweisend. »Natürlich alter Hut, das da Damenimitato
ren gab s schon zu Ben Akibas Zeiten. Aber der Objektleiter hat
nicht nur Mutter-, sondern auch Vaterwitz. Und wie nötig brauchen wir Humoristen Werden ihm Engagement besorgen. Wozu
sind wir schließlich eine Umtausch-Organisation?«
So kehrte Pepi auf die Bühne zurück. Durch die direktorale Be
lobigung mächtig aufgepulvert, beschloß er, kühn dem Beispielder Herrenmode zu folgen und beim alten zu bleiben. Und kamnun, als »Ben Akiba des Humors«, erst richtig in Mode, nicht
zuletzt durch seine Fernsehreihe »Die heitere Mottenkiste«.Pepis Titel »Heute wird noch mal gesumpft, / Mor
gen kommt der Wendepumpft« wurde ein Karnevalsknüller. »Immer wieder, immer/ Knie ich mich ins
Zimmer, / Rufe froh, wo bleibst du nur, du Schlim
mer « - mit diesem Spaß also hat Pepi sogar zu einerVermehrung der Kaviarimporte durch den DIA bei
getragen.Doch all das war nur ein Anfang. Während die Män
nerhosen gerade wieder mal schlotterweit und mit
Umschlag um unsere Fesseln schlenkerten, ermun
terten Pilsators Erfolge eine wachsende Zahl jungerTalente, mit Witz und Ironie die verkalkte Schnulzezu liquidieren. »Der Humor besiegt den Wimmer
kitsch« schrieb bissig ein führender Kritiker. »Ein
völlig neues Zwerchfellgefühl überkommt die Men-
schen, während die abgelösten Schnulzentexter · · ·
durch unsere Umtausch-Organisation zu den Her- _ - ·- · _____
renausstattern vermittelt werden, so daß der Einfallslosigkeit
in der Männermode auch künftig nichts im Wege steht.«
Pepi aber konnte sich nun bald zur Ruhe setzen. Zur Erinnerung an den Applaus kultivierte er fortan in seinem GartenKlatschmohn. Und als er sechzig wurde, buk seine Wirtschaf-terin ihm eine Butterkremtorte.
Zur gleichen Stunde, da Frau Strietzel sie anschnitt, taufteman übrigens am Gestade des Dollbrägensees den jüngsten
Dampfer der grünen Flotte auf den Namen »PILSATOR«. Aller
dings wurde damit nicht des Humoristen Pepi gedacht, sondernder Erfindung eines gewissen Bierbrauers Eugen Pilsat, der jaauch Verdienste, gewissermaßen mehr geistiger Art an seineFahne geheftet hat.
So was äßt sich eben
nicht erzwingen
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22 • umor ist ·eingeplant
orst von Tümpling
Als die Szene kam in welcher der Verkehrspolizist auf seinem
Podest inmitten des flutenden Straßenverkehrs mit seinerMütze zu kämpfen begann da wollten sogar die beiden abge-
brühten Aufnahmeleiter fast zerplatzen vor Lachen.Auch der Regisseur warf prustend seinen Oberkörper vor und
zurück; seine Sonnenbrille die er weiß Gott warum immer im
Haar statt vor den Augen trug flog in weitem Bogen über drei
Stuhlreihen des Abnahmeraumes und zerbrach knirschend
unter den Absätzen des Kameramannes der vor Vergnügen mit
den Füßen stampfte.Währenddessen rutschte vom auf der Leinwand dem Verkehrs-
posten seine Mütze abwechselnd vor die Augen und in den
Nacken; der Mann stand so zeitweise im Dunkeln und mußte
sogleich der tückischen Kopfbedeckung mit der Kra-
genbinde einen unsicheren Halt geben. Auf dem rech-
ten und auf dem linken Ohr hing die Mütze abenteu-
erlich immer in Gefahr ganz herabzufallen. Endlich
Selbstverständlich sollen unsere
Menschen auch mal herzlich
lachen. s fragt sich eben immer
nur worüberklemmte sie sich der Unglückliche zwischen die Knie
aber sofort zeigte es sich daß ihm nun die vorschriftsmäßige
Wendung unmöglich wurde mit der er den Einbiegeverkehr
freizumachen hatte.
Jemand machte im Abnahmeraum Licht.In den Stuhlreihen sahen sich schweißnasse vom Lachenge-
rötete Gesichter verlegen an. Alle schwiegen betreten nur die
Ateliersekretärin in des letzten Reihe stieß noch einen letzten
spitzen Jauchzer aus.Der Regisseur erhob sich fuhr sich durchs Haar wo er die
Brille vermißte. Er wandte sich den Umsitzenden zu:
»Na?« fragte er.
»Ja ich glaube auch ... Ich fürchte sogar ...« stammelte der Pro-duktionsleiter dessen Kurzatmigkeit von dem soeben glücklich
überlebten Lachkrampf herrührte.
Der Regieassistent blätterte verlegen im Drehbuch.
»Ja« sagte der Regisseur »ich glaube das geht nicht. Es ist
nun ja es ist eine Klamotte. Einfach zu albern. Zu wenig Sub-
stanz ja.«
»Viel zu wenig Substanz« setzte der Produktionsleiter den Ge-
danken fort »das denke ich auch ...«
Der Regieassistent aber bemerkte entschlossen: >>Nicht nur
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3umor ist e i n g e ~ l n t = = = = = = i = = = = = = = = = = = = = ~ ~ = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = ~
das, es ist auch falsch. Denn was sagt uns diese Szene? Sie sagt
doch, daß unsere Verkehrspolizei keine passenden Mützen hat.
Und wollen wir das, frage ich?« Alles schwieg betroffen.
Der Kameramann aber wandte ein: »Aber er hat doch, Einstel
lung römisch sechs Strich vier, in der Inspektion nur versehent
lich eine fremde Mütze gegriffen. In der Eile. Weil er verliebt
ist, darauf beruht doch die ganze Story ... «»Trotzdem«, behauptete sich der Regisseur und schwitzte,
»trotzdem, und sehen Sie mal: Wie sagt zum Beispiel Brecht?
Brecht sagt: Nicht mehr fehlte mit der vierten Wand zugleich
der Erzähler. In seinem Aufsatz über
das epische Theater. Es trifft j viel-
leicht nicht ganz unser Problem, aber
immerhin, Brecht wußte, was er
sagte.«
Die Versammelten waren nun dochnachdenklich geworden. Dann mel-
dete sich der Regieassistent zu Wort:
»Ich denke so: Eine Mütze verwech
seln, was heißt das? Wollen wir
Wirklichkeit vielleicht so darstellen,
als ob in den Reihen unserer Volks-
polizei, ich will mal sagen, Schlampe
rei und Unordnung herrschen? Wie
ist denn unsere Wirklichkeit? Unse-re Wirklichkeit ist doch so, daß ge-
rade der Kampf gegen die Schlampe
rei und für eine noch bessere Einhal
tung der Ordnung ... «
»Es ist doch ein Lustspiel ... « wagte
sich der Kameramann wiederum her
vor. >>Und wir zeigen das doch auch,
hier im Drehbuch steht es ja «
•
•
Er reichte das Manuskript dem Regisseur, der reichte es dem
Produktionsleiter, der sofort mit fliegendem Auge über den
Text herfällt. Und was er sucht, das findet er auch:
»Na, bitte, hier steht deutlich: Während Leutnant Karstens ge-
lassen zum Telefon greift, hastet Wachtmeister Gerd zu seinem
Spind, greift dort, ohne hinzusehen, eine Mütze, die er - Schnitt
- auf der Straße aufsetzt ... Ja, merkt ihr denn nichts, Kolle-
gen? Gelassen der eine, hastig der andere. Wozu diesen künst
lichen Gegensatz in das Kollektiv einer Polizei-Inspektion hin
einkonstruieren? Und dann noch: ohne bjnzusehen Also han-
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4
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_ Elli Vo1Kspoiizist · · · . ·. sitz:lmit seinen,Fra.11· i l l r ~ t . ·Die . r i l ~ -· .
ß z ~ n ~ z e i g t e ~ e n · •.. ·
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Humor ist eingeplantMi l l IJJS&Jdl IWmalW'&Nll'' =m· i :l C · Y · S · 1;
delt unsere Volkspolizei sozusagen blindlings, kopflos, unüber
legt, was? Also, ich verstehe euch nicht, Kollegen ... «
»Ein Lustspiel ... «, wiederholte der Kameramann erneut. Man
blickte sich erstaunt an.
»Also, diese Frage des Lustspiels ist, denke ich, ausdiskutiert.
Selbstverständlich sollen unsere Menschen auch mal herzlich
lachen. Es fragt sich eben immer nur worüber « sagte der Pro
duktionsleiter scharf.
»Nur über meine Leiche « ließ sich der Regisseur hören, der
aber bloß falsch verstanden hatte. Dann zuckte er die Achseln .
»Man könnte vielleicht«, schlug er vor, »die Szene mit der Po
lizei noch einmal drehen. In anderen Uniformen. So daß das
ganze im Ausland spielt. Schweden vielleicht ... «
»Schweden Ich denke, wir haben keinerlei Grund, uns mit den
neutralen Ostseeländern anzulegen. Nachher heißt es, wir ma
chen uns über die Einführung des Rechtsverkehrs da oben lu
stig«, sagte der Produktionsleiter ernst.
»Lassen wir es doch bei der Szene, Kinder « rief der Kamera
mann mit gezwungener Munterkeit. »Was ist schon dabei: eine
Mütze ist zu groß. Sie rutscht. Hat eben danebengegriffen,
unser Wachtmeister. Das ist doch nur menschlich.«
Der Regisseur schlug einen Kompromiß vor: »Wir sollten viel
leicht einen echten Gegenspieler herausarbeiten. Also noch
besser das Besondere im Allgemeinen gestalten. Einheit von
Dings . na, Zeit und Ewigkeit, wie Lessing das mal gesagthat.« Er hatte aber Zweifel daran, verstanden worden zu sein.
Alles redete jetzt durcheinander.
»Was heißt hier im allgemeinen? Es wurde hier in bezug auf un
sere bewaffneten Organe genug verallgemeinert. Sie sollten
endlich einen Standpunkt ...«
».. soll doch überhaupt nicht typisch sein für die Volkspolizei «
versuchte der Kameramann noch einmal zu erklären. Umsonst.
»Was wir brauchen, das sind doch keine aufgebauschten nega
tiven Einzelfälle, sondern gerade die typischen Vertreter ...also, kurz gesagt, der Held als Träger des Neuen in unserem
Leben. Und das kann man nicht nur mit so ein paar Redensar
ten abtun. Das wäre ein glattes Zurückweichen, Kollegen « Der
Regieassistent schien während dieser Auseinandersetzung di
rekt ein Stück gewachsen zu sein.
Jetzt versuchte der Produktionsleiter zu vermitteln: »Greifen
wir doch den Gedanken eines echten Gegenspielers noch mal
auf. Wer ist denn dieser Gegenspieler?«
»Na, das ist doch klar, Kollegen « schrie der Aufnahmeleiter
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fröhlich. »Der Gegenspieler ist der, der nun eine zu kleine Mütze
aufhat. Das ist doch logisch «Niemand wollte aber diesen Knüller würdigen. Der Aufnahmeleiter war wegen seiner rüden Späße zu bekannt. Der Produktionsleiter erhob sich. Nach einer bedeutsamen Pause
sagte er: »Ich glaube wir brauchen kein Wort weiter zu sagen.Die Fronten sind nun klar denke ich. Alles weitere an ande
rer Stelle.«Damit ging er hinaus. In verzagter Reihe folgte der Drehstab.Zurück blieben der Aufnahmeleiter und die Ateliersekretärin.
Sie warteten daß es wieder dunkel wurde im Abnahmeraum.
Alles in allem so stellte sich später heraus war es ein nützlicher Meinungsstreit.
Noch jetzt lacht man manchmal herzlich im engeren Bekannten- und Freundeskreis von Regisseur Kameramann und Pro-duktionsleiter über den unglücklichen Verkehrspolizisten mit
der vertrackten Mütze. Vom oftmaligen Vorführen in den klima-tisch nicht immer günstig gelegenen Wohnsitzen der Filmschaf-fenden ist der kurze Streifen schon etwas brüchig geworden.Aber alle waren zufrieden und das ist die Hauptsache. Nur die
Volkspolizisten die an jenem Film als Statisten mitgewirkt hatten waren irgendwie enttäuscht als das Filmwerk in die Kinos
kam. Dabei erinnerten sie sich doch deutlich daß bei den Auf-
nahmen so viel gelacht worden war.Aber zum Glück wird gegenwärtig schon wieder ein neuesLustspiel gedreht.
25
>>Nelken in Aspik heißtdie DEFA-Komödie von
Günter Reisch aus dem
Jahr 1976. Im »Haus der
Werbung schwingt der
unbegabte Werbezeichner
Schmidt Armin MuellerStahl) große Reden, bis
er eines Tages insSchweigen fällt - ganz
einfach, weil er gerade
seine Schneidezähne ein
gebüßt hat. Sein Schwei
gen befördert seine Kar
riere, unfreiwillig bringter es bis zum General
direktor, ein vertrauens
würdiger, bedächtiger
sozialistischer Leiter, so
scheint es. ls er wieder
redet, ist es damit aller
dings vorbei.
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6 umor ist e i ~ e p l n t-==..=:=====================================================
•
Günter Krone
Ein Affe der dressiert als Star
schon häufig aufgetreten war
behängt mit Hose und Jackettgrinst von der Bühne ins Parkett.
Das Publikum auf die Dressurgespa.nnt lacht amüsiert retour.
Der Affe tapst im Kreis herumdie Beine breit den Rücken krumm.
Er stolpert bis zum Bühnenrandund patscht mit der behaarten Hand
auf seinen Bauch und den Poponach rt des Affen von Niveau.
Und weil wenn er Grimassen macht
das Publikum erheitert lachtspreizt er die Lippen bis zum Ohr.
Der Affe kommt sich komisch vorund hält die Faxen für Humor.
Ein Irrtum der uns unbedingt
dem Affen menschlich näherbringt.
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Wat ziehsten du an zur
Brigadefeier?
'n j nz irren Fummel <<
l les zum Wohle des Volkes
Angela Gentzmer
ia llar äl ari OSketch mit Helga Hahnemann und agmar Gelbke
Henne und Dagmar Gelbke als Verkäuferinnen beobachten die
Kunden und unterhalten sich.Henne: Na, sag mal, die drängeln sich hier wieder rum, diese
Knalltüten Können die nich' mitten inne Woche einholen?Ausjerechnet freitags falln se über ein' her wie de Heuschrek
ken - machen hier allet mistig und meckern oben-drein noch, det se anne Kassen so lange anstehenmüssenDagmar: Schad' se gar nischt
Henne: Wat haben Se denn da eben rinjeschmis
sen, junge Frau? Wat? Dit Eis is' jar nich' mehrim Karton? Sie ham wat am Karton Bevor sie'tinne Pfoten hatten, sah et nämlich noch janz manierlich aus Da kannste mal sehen, Jacqueline,schmeißt dit einfach uff den andern Matsch wieder ruff Dabei sieht et in die Kühltruhe sowiesoschon aus wie bei Hempels untert SofaDagmar: Du - die will gar keen Eis - ich gloobe,die sucht Spinat
Henne: Na, dit schlägt doch wohl dem Faß denBoden aus Wenn Se noch lange suchen, jungeFrau, werden Se zwischen dit Sahne-Eis vielleichtnoch uff Öl stoßen, aber Spinat - den finden Se beiuns neben de Makrelen Wrr sind ja schließlich 'ne
jut aussortierte HalleDagmar: Wrr halten nämlich den Hallenrekord.Henne: Da is' keener drin? Na, denn isser eben alle Mann,
jetzt muß man die Leute ooch noch sagen, wat se kochen sollen Für die paar Piepen Wrrd Zeit, det et mal wieder 'ne Prämie gibt.
Dagmar: Wat ziehsten du an?Henne: Zur Brigadefeier? 'njanz irren Fummel. Grün mit Pai
letten Also, hier is allet so jezogen, wa? Tiefer Ausschnittkeen BH drunter und 'n Chiffon-Schal - den wickel ick mirdreimal so um'n Hals - wat is, Oma? Wieviel der Käse kostet? Steht doch clruff Wenn Se nich' lesen können, müssenSe 'ne Brille tragen Meine Jüte, Oma, wie kann man dennin Ihr' Alter noch so eitel sein?
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Alles zum Wohle des Volkes
Dagmar: Also ehrlich, hier loofen nu so viel junge Leute rum
- gönnde ihr da nich' mal eener was vorlesen?Henne: Ach, die ham doch alle keen Benimm Siehste, jetzt
haben se ihr sojar noch jeschubst Halten Se sich an't Ku chenrejal feste, Oma So, aber wenn't jeht, die Schrippen
nich' mitte Hände anfassen wegen der Hygiene Wat is' los,
Fräulein? Ob dit allet Angola is'? Wenn Se inne Schule besser uffjepaßt hätten, wüßten Se, det wir inne DDR leben
Dagmar: Du, die meint Cola zum Trinken
Henne: Ach - Cola? Ja, dit is' allet Oder wollen Se sich an Cola
etwa dotsaufen?
Dagmar gähnt.Henne: Ick hab ooch so schlecht geschlafen. Am
besten schlaf ick immer bei's Fernsehen. Aber
sobald ich im Bett liege, bin ich hellwach.
Dagmar: Ick habe ooch keen Ooge zujemachtHenne: Haste Egon wieder mal nach oben genom-
men, wat?
Dagmar: Na, was sollt'sch denn machen? Sonst re-
pariert der doch nich' mein Fernseher - ach, dakommt Karl
Henne: Wat'n, unser AGLer? Den hab ick gefres
sen Der wollte mir inne Versa.mmlung mal kritisieren Aber, dit hab ick gleich im Keim er-
stickt Den hab ick erst mal meine janzen Orden
und Ehrenurkunden unter de Neese jeriebenUnd dann hab ick mir jegen seine oberflächliche
und unsachliche Formjanz energisch verwahrtZum Schluß hat er sich mit 'ne Pulle Wein bei
mir entschuldigt Und ick hab ihm 'n mk jejeben, det er
mein anjekratztet Image mit 'ne Prämie wieder uffpolierenkann
Dagmar: Du, aber soviel ich weeß ...
Henne: Na, sage mal - is' denn sowat möglich? Jetzt stehn die
schon hier hintenhin Schlange Herrschaften, habt ihr dennnischt besseret zu tun, als hier unser Dienstjespräch zu be-
lauschen? Fahr fort, Jacqueline, aber 'n bißchen leiser Du
weeßt, wir sind JeheimnisträgerDagmar: Ich wollte bloß sagen, daß ich gehört habe, daß du
diesmals gar keene Prämie kriegen sollstHenne: Icke? Keene Prämie? Da biste aber schief jewickelt
Mensch, wenn ick als Verkoofskraft mit Weltniveau schonkeene Prämie verdient habe wer soll'n denn eene kriegen?
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Herrschaften habt ihr
denn nischt besseret zutun als hier unser Dienst-
jespräch zu belauschen?«
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1
1
»Sie gucken mich im-
merzu an Kennen wir
uns?
Alles zum Wohle des Volkes-
Peter Ensikat
I apitoll
Unsere Menschen werden ausgezeichnet, wenn sie gut arbei
ten. Sie werden von Presse, Funk und Fernsehen an ihren je
weiligen Ehrentagen gewürdigt. Sie bekommen Prämien, wennsie irgend etwas Besonderes geleistet haben oder gerade dran
sind. Aber sie werden hier und da noch miserabel bedient, wenn
sie ein Bier trinken gehen. Da nutzen auch keine noch so zahl
reichen und gewichtigen Eintragungen in der Kaderakte unter
der Rubrik »Staatliche Auszeichnungen«, es gibt Kellner, vor
denen sind wir alle gleich.
Gewiß, Kellner ist kein leichter Beruf. Aber ehe sie Gast in un
serer Gastronomie werden, entschließen sich doch viele, lieber
Kellner zu sein. Sei es im gemütvollen Dresden, im schnoddrigen Berlin oder gar an der Ostseeküste, wo sich zur Saison
1
-.·--
alles zu treffen scheint, was es in
der Republik an Unfreundlichkeit
und schlechter Laune gibt.
Ein Restaurant betritt der Gast
nicht ohne Lampenfieber. Am
schlimmsten ist es in den feineren.
Da beginnt die Ungeselligkeit
schon an der Tür und anonym. EinSchild bittet den Gast oder fordert
ihn einfach auf, sich einen Moment
zu gedulden, da der Restaurantlei
t r oder Oberkellner ihn »ordnungsgemäß« (im Dresdner »Sze
ged« steht wirklich ordnungsgemäß plazieren werde. Nichts
kann bei uns so lange dauern wie dieser Moment. Da steht
dann der Bittsteller, der diesen Service auch noch mit höherer
Preisstufe bezahlt, verlegen an der Tür starrt den bereits »Pla
zierten« auf die Teller und sehnt sich nach dem Selbstbedienungsding an der Ecke, in dem alle stehen müssen.
Aber jetzt heißt es durchhalten, vielleicht einen verirrten Kell
nerblick auffangen, das Gesicht in Bittfalten legen und insge
samt einen trinkgeldfähigen Eindruck machen. Der Schlips
wird nur noch in Nachtbars verlangt, Trinkgeld überall. Kommt
dann der Restaurantleiter doch mal vorbei, schaut r einen an
mit dem Blick, den ich von meiner Stieftante Elly kenne, die
an der Ostsee wohnt und jedesmal, wenn man bei ihr klingelt,
über den vielen Besuch stöhnt. Dann ist man schließlich froh,wenn man überhaupt unterkommt.
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Alles zum Wohle des Volkes•
Vorbei der Traum von einem Platz an einem der schönen frei
en Fenstertische Die feine Entschiedenheit des gequältenOberkellners, der eigentlich Einsiedler werden wollte, heißteinen dankbar sein, wenn man sich irgendwo mit ranquetschendarf. Was dann kommt, muß nicht näher beschrieben werden.Es ist zwar überall ein bißchen anders, aber das Prinzip ist das
gleiche: sitzen, warten, bestellen, warten, essen, warten, zahlen. Was man zu essen bekommt, wie man's bekommt und wasden Kellner sonst noch an den Gästen stört - das hat j wohljeder schon erlebt. So.
Spätestens jetzt ist der Moment zu sagen, daß die Kellner garnicht gemeint sind. Wo kämen wir hin, wenn wir eine ganze Be
rufsgruppe ... Und ganz bestimmt gibt es auch einen Berufsverband, der mit aller Entschiedenheit darauf hinweisen muß, daßhier ganz einseitig nur das Schlechte gesehen wird, noch dazu
übertrieben und falsch verallgemeinert wurde. Stimmt. Deshalb lasset uns nun erst mal richtig verallgemeinern: Es sitzenoder stehen jene Kellner nicht nur in der Gastronomie herum.Wir begegnen ihnen auf der Post, im Wohnungsamt, im Kon
sum an der Ecke, im Warenhaus, kurz überall dort, wo es wasgibt, was jemand haben will. Sei es eine Fahrkarte oder einenWohnungstauschantrag, ein neues Auto oder einen Staubsau
ger, überall muß man damit rechnen, einem jener Kellner zubegegnen.
Ich habe vor kurzem meine Fahrerlaubnis erworben. Bei derPrüfung nahm ein stummer, aber durchaus nicht freundlicherHerr im Fond Platz. Er war von jener unfreundlichen Höflich
keit, die man bei uns Korrektheit nennt und gegen die manchmal auch eine Dienstbekleidung nicht schützt. Nachdem wirzwei Prüflinge die Prüfung bestanden hatten, begann der Prüfer seine Auswert11ng. Zum eigentlichen Prüfungsgegenstandhatte er wenig zu bemerken. Um so mehr zur Haartracht mei
nes Mitprüflings. Wenn es nach ihm ginge, bekäme so jemand
überhaupt keine Fahrerlaubnis, bevor er sich nicht seine Haareschneiden ließe und überhaupt, wie er herumlaufe, und wiesein Ausweis aussehe ...Der junge Mann hatte tatsächlich lange Haare. Mir fiel sogarauf, daß seine Finger nicht ganz sauber waren. Er war näm
lich Dreher und hatte für die Prüfung zwei Stunden freibekom
men, wie er mir hinterher erzählte. Weil er gern die Fahrerlaubnis haben wollte, ließ er sich alles stumm gefallen. Und dasmeine ich: Wer was haben will, muß sich noch so viel gefallen
lassen, daß man eigentlich nur froh sein sollte, wenn man malnichts will.
31
»Warum setzen Sie· len Kelliler nicht anl iil: L . ; · ~ ? J,' .o.;. .·e rU1t. u l ~ T U , l
.
·-Gast den GeschiiftS„ ·führer eines Restau
rants. »Jeder weißdoch, daß er für die
i$tasi spioniertfw :
W a r u m s o l l t e . 1.
·erwiderte der Re-·staurantleiter, »der
.nächste Spitzel istmöglicherweise kein ·'
" ; o ~ t e r Kellil,jlft• ·- ' . : 1 '
D . - -
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32 l les zum Wohle des Volkes
Johannes Conrad
r r a e a o 1H
wö to ~Sie wissen ja, wie das ist: Kaum hat man die Zeitung aufge
schlagen, da springen einem auch schon die Fremdwörter wie
kleine Affen an, und man versteht oft nur die Hälfte des Arti-
kels. Dann kommt man sich dumm und häßlich vor, denkt gar,
man sei ungebildet, wenn nicht schlimmer, schlägt sich vor die
Stirn, und schnell hat sich ein Minderwertigkeitskomplex bei
uns eingeschlichen. Wrr kriegen in Gesellschaft dauernd eine
rote Nase oder ähnliches, treten verlegen auf den Füßen und
werden darum nie mehr zum kalten Büfett geladen: »Das ist dermit der roten Nase «
Aus diesen Gründen habe ich mir kürzlich ein Fremdwörterbuch
gekauft: 20000 Fremdwörter aus Gesellschaft,
Wissenschaft, Technik und Kultur Der Winter
wind blies. Ich kam mit kalten Ohren zu Hause
an und schlug sofort das Buch auf.
Ich fand im Fremdwörterbuch Soljanka
bei deren Nennung man sofort an den
Klang der Balalaika und an Moskaus
goldene Zwiebeltürme denken muß. Es war wie eine Reise ins Abenteuer, Freunde:
an den Orinoko, zum Alpha Centauri oder an die BAM Manfühlte sich in seine Robinson-Crusoe-Periode zurückversetzt.
Zuerst habe ich natürlich schnellstens einmal nachgeschlagen,
was »Bidet« bedeutet, denn das lag mir am Herzen, weil mein
Kollege Wustermann in Paris anläßlich einer Gastspielreise in
der Toilette unseres Hotelzimmers beim Anblick dieses merk
würdigen Porzellanbeckens bemerkte, die Franzosen hätten
aber kleine Badewannen Dann hat er sich die dreckigen Füße
drin gewaschen .••
Ubrigens war das jene Gastspielreise, wo spät abends, als wirgerade ins Hotel zurückgekehrt waren, das Licht ausging. Mein
Kollege Wustermann, der sich nachts immer noch einen star
ken Kaffee aufbrüht, wollte sich nach den Ursachen des Stromausfalls erkundigen, verließ unser Zimmer und sah im Treppen-
haus plötzlich zwei große, kluge, weiße Menschenaugen ohne
alles auf sich zukommen. Er schrie entsetzlich auf, aber daging glücklicherweise das Licht wieder an, und die zwei gro-
ßen, klugen, weißen Menschenaugen gehörten einem gewissenSambesi Bdemilla, Bürger aus Zaire, welcher in schwarzem
Bademantel aus dem Bad gekommen war, um sich ebenfalls
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Alles zum Wohle des Volkes
über die Stromausfallursachen zu informieren. Sambesi spen-
dierte uns am gleichen Abend auf seinem Zimmer noch mehre-re Dosen Bier. rr haben uns in der Zeichensprache unterhal-ten, obwohl er drei Sprachen sprach. Für uns Spracharmewaren es aber leider fast nur Fremdwörter. Da hätten wir auchein Fremdwörterbuch gebraucht
Jedenfalls bekam ich durch den oben beschriebenen Badewan-neneindruck, wie ich erst jetzt beim Studium meines Fremdwör-
terbuches feststellen konnte, ein völlig falsches Bild von derfranzösischen Nation, denn ein Bidet ist nun mal keine für den
ganzen Menschen gedachte Badewanne, sondern ein zur Säu-
berung eines wenn auch wichtigen, aber doch relativ kleinenKörperteils gedachtes Sitzbadedings. Außerdem konnte mandas Bidet auch noch verwechseln, wie
ich eruieren konnte, mit dem Bizeps.
Wie sternenhimmelweit wird doch derHorizont des Menschen durch einFremdwörterbuch Vom Transverterdachte ich beispielsweise jahrzehnte-lang, er sei ein Nachahmer des ande-ren Geschlechts, so eine rt Weib-
mann also. Ja, Pustekuchen mit Elek-trizität hat der Kerl zu tun Und einTrend ist auch kein Wettermantel-
stoff.Beim Nachschlagen kann man natür-lich auch höllisch aufs Maul fallenZufällig schlug ich »Colla Destra« auf. Ich dachte erst an so waswie eine ausländische Vita Cola, doch es hieß: »Mus mit derrechten Hand«. Aha, dachte ich, das ist also ein mit der rech-ten Hand zubereitetes Mus: Pflaumenmus, Kartoffelmus und
anderes. Mir lief schon das Wasser im Munde zusammen. Aberdann lese ich doch plötzlich, daß »con dolore« »Mus, schmerz-
voll, trauernd« sein sollte. Erst dachte ich da auch noch, sturwie man ist, es sei eine Speise für traurige Anlässe: für Pre-mierenfeiern und ähnliches. Dann begann ich positiv zu zwei-
feln und fand unter »Abkürzungen und Zeichen«, daß Mus
Musik bedeutete und nicht Kartoffelmus So überrascht kannman werden, wenn man ein Fremdwörterbuch unsachgemäßbenützt. Ansonsten aber nur schiere Freude, Freunde Und Auf-
klärung Die Wörter erwachen zum Leben Das ist so, wie mitmeiner Kollegin Agnes Kraus, die jajeder aus dem Fernsehen
33
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34
Zwei Coµsins, der · ·
enie aus"Köln .·:·der .;an.dere aus Ro.stoclr,,
· . · .,....... -
treffen sich. Zum Ab-
schied sagt <i er Kö1:ner: »Du schieibst, .
wie es dir geb..t u n ~ ... ,:_
wie bei euch so dieLage is tt« - »Bas
wird schwer«, meintder· o s t O c k e ~ » b e iuns geht die Postdtfrch ~ Z e n s u r « ~
, -
»Macht i c h t ~ « , sagtder·Körner, »ist allesin Qrdntµig, s ~ h r e i b s t
u l n i t schwarzer . .
TiI1:te, ~ ~ n n P r obleine gibt, scllreibst
u dasselbe in Grün.«• :; 1 . ··- - „ „,- . : - =N ,, • ' ,J.'f. , .„_,_. __ ,
Wochen ·später ernält. .
der; K ö l . A ~ r n ;, .·· .c „r 1
Brief, mit schwarzer
TiQcte c h r i ~ v e n . .»Hier ist·alleswun
detbar. l1nserem . .....·.. _:- .
Land geht es immer
besser. · Bie Menschensind glücklich, undman kann kamen . . ~ ~ ; -
. ,was man will. Butter,
Eier, Apfelsinen, Rfu-derlilet - nur leiderkeille grilne Tinte.« \
Al les zum Wohle des Volkes
kennt, als wir einmal in Rostock waren und auf dem dortigen
Bahnhof eine fanatische Mutter ihr Kind hochriß und laut rief:
Na, nu gugge ma rischtsch, Danscha: Jädzd siehsdse ma lä
wändsch Und so läwändsch werden einem auch die Fremdwör
ter durch ein Fremdwörterbuch
»Non« beispielsweise ist kein geschwollenes Versammlungsredner-Nun, sondern es heißt »nicht«. Also, dachte ich mir, ein No
nagon ist so etwas wie das Gegenteil von Estragon, die Vernei
nung davon eben, ein negatives Gewürz also. Aber weit gefehlt
Es ist ein Neuneck. Nicht einmal ein Nichteck. Von der Char
meuse dachte ich schon als Knabe, sie sei ein charmantes Weib.
Ist aber ein maschenfestes Kunstseidengewirk Warum aber ein
charmantes Weib ein maschenfestes Kunstseidengewirk ist, das
konnte ich nicht feststellen. Das stand nicht drin.
Es steht aber das beliebte Biskuit drin, was wir ja alle kennen.Seltsam heimelig mutet es an zwischen Wörtern wie Biozöno
se und bizyklisch, was nicht etwa ein von einem Sachsen aus
gesprochenes »bezüglich« sein soll, sondern ganz etwas ande
res. Wie eben vieles ganz etwas anderes ist im Fremdwörter
buch
Selbst die Soljanka fand ich darin 0 Soljanka, bei deren Nen
nung man sofort an den Klang der Balalaika (auch die steht
drin ) und an Moskaus goldene Zwiebeltürme denken muß
0 liebliche, sahneveredelte Soljanka, bei deren Genuß meinKollege Lisewski vor Jahren anläßlich eines Ausflugs bei einem
Leningradgastspiel staunend fragte: »Det Soljanka sein?«, was
ich dann sofort in der EULE berichtete, wo man aber druckte:
Det soll Soljanka sein? Das war sehr traurig für mich, weil die
Kollegen mich daraufhin der pointenversauenden Bericht
erstattung und der Blödheit bezichtigten. Nur ein etwas vergeß
licher Kollege, dessen lieber Name hier ungenannt bleiben soll,
kam Wochen später, weil er einem jüngeren Freund die obige
Anekdote berichten wollte, zu mir und fragte mich: »Du, he, sagdoch mal, he, wo steckte denn gleich in dem Leningradwitz von
Lisewski >Det soll Borstsch sein?< der Witz, he? « Ich konnte es
ihm auch nicht beantworten. Aber es erfüllt mich mit Stolz, daß
ich das jetzt hier dank meines Fremdwörterbuches allen inter
essierten Schichten berichten kann, denn vorher wußte ich nie
so richtig, wie man Borstsch schreibt. Und sogar das wunder
bare Rumpsteak fand ich in meinem Fremdwörterbuch. Dage
gen ist ein Bootssteak nicht vorhanden. Also wird ein Boots
steak wahrscheinlich kein Fremdwort sein. Kein Wunder auch,wo man das Ding doch an jedem märkischen Tümpel findet.
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lleszum Wohle es Volkes
Aber das lernt man dann eben aus so einem Fremdwörterbuchgleich mit. Allgemeinbildung, Freunde Ahnten Sie zum Bei-
spiel, daß die Differentialgeometrie die Anwendung der Infini-
tesimalrechnung auf die Untersuchung von Raumkurven undkrummen Flächen ist? Von krummen Flächen Wann je hört
man sonst von krummen Flächen Das kommt einem vor wie
die vierte Dimension bei Stanislaw LernMit einer weniger ausschweifenden
Phantasie darf man bei krummen Flä-
chen natürlich auch an das Erzgebirge,
an Thüringen oder alten Zuckerkuchen
denken. Wie man sieht, steckt eben
selbst in der Differentialgeometrie die
süßeste Romantik und Barbara Utt-
mann und der ganze Rennsteig.
Das ist mir schon eine erfreuliche Kistemit den Fremdwörtern, trotz ihrer
hundsgemeinen Orthographie So
etwas von eindrucksvoll Wußten Sie,
wie die Leuchterscheinung beim Zer-
brechen von Kristallen heißt? Ja, ja,
jetzt möchten Sie wohl auch ein Fremd-
wörterbuch haben? Nun, ich will es
Ihnen verraten: Tribolumineszens heißt
sie Welch ein stattliches Wort Alskäme Altmeister Goethe persönlich an-
geschritten Wenn Ihre Frau beim Ab-
waschen die teure Bleikristallvase von
Tante Emmi fallen läßt und es leuchtet,
können Sie ab heute rufen: »Mach doch
nicht so eine Tribolumineszenz, Klara «
Schön, so ein Fremdwörterbuch
Zum Beispiel ist es mir jetzt möglich,
die unverständlichsten Sätze zu bilden,
•
•
KULTUR
IST
JEDER
ZW ITHERZSCHL G
UNSERES
LEBENS
5
und trotzdem verstehe ich sie. Das wichtigste aber ist: Ich kann
meine Tagesgazette nun immer ohne Mißverständnisse lesen
Mit einem Fremdwörterbuch wird man eben zum Digger, wie
man als alter Fremdwörterbuchleser sagt, was Goldgräber
heißt und nicht etwa ein wohlbeleibter Leipziger ist. Es lebe
das Fremdwörterbuch Ich nehme es jeden Abend mit ins Bett.
Meine Frau ist schon eifersüchtig
ie sehen doch selbst -für Bilder habe ich kei-
nen Platz «
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36 lles zum Wohle des Volkes
John Stave
Einern allgemeinen Trend folgend habe ich mir jetzt gewisser
maßen ein Auto gekauft einen sogenannten Trabant weil er,
als Wagen des kleinen Mannes am ehesten meinem ganzen
Charakter oder auch Habitus entspricht.
Zunächst muß ich jedoch einmal mitteilen daß unser Haus in
dem wir wohnen kein typisches Haus ist. Es hat keinen Fahr
stuhl und mißt auch nur drei Stockwerke. Das Bauwerk ist
außen ohne jeden keramischen Zierat und etwa kurz nach der
Jahrhundertwende entstanden.Die Bewohner sind zum größten Teil ältere Menschen die mei
sten Rentner. Einige jedoch sind noch jünger also berufstätig
zum Beispiel in einer Röntgenabteilung in einem Massage
institut bei der Deutschen Post und so weiter.
Das alleruntypischste in diesem alten Haus ist allerdings die
Tatsache daß kein einziger Mieter bis dato ein Auto besaß was
S h·ß t t . f d st· mich so lange auch nicht im geringsten störte. Denn die
c we ra mir au e 1rn. . . .
1 h b d. Straße als solche m der das Haus sich befindet wrrd
c egann, an em a gemeinen k aft t ffb t · b G fäh rt h h. ·T d
f1
von r s o e ne enen e en o ne 1n ausre1-ren zu zwei e n.
chend benutzt. Sogar eine Omnibuslinie führt von mor-
gens 4.45 Uhr bis abends 23.45 Uhr direkt am Haus vorbei.Aber ein allgemeiner Trend zielt j wohl dahin daß jeder Bür
ger der DDR bis zum Jahr 2000 ein bis eineinhalb Autos besit
zen wird. Und wenn jedes Haus es rein autobesitzermäßig
wie unser verehrtes Haus halten wollte da geriete die ganze
Planung mächtig ins Wanken.
Noch vor einigen Wochen sagte Frau Baumstamm aus dem
zweiten Stock zu mir: »Na, höm Sie mal daß Sie keinen Wagen
besitzen - das widerspricht doch völlig Ihrem Status. Sie könn
ten doch Autos noch und noch haben ...«
Ich redete so drum herum daß ich an und für sich gegen Um
weltverschmutzung jeder rt sei und daß die Unfallquote
schon hoch genug sei und so weiter und so fort. Aber insge
heim war der Keim des allgemeinen Trends in mir doch schon
aufgegangen wie bei einer eingekellerten Winterkartoffel.
Kurz und gut ich habe dem Lager der Fußgänger den Rücken
gekehrt und bin quasi ins Lager der motorisierten Bevölkerung
konvertiert.
Natürlich fühlte ich mich in meiner Haut anfangs nicht gleichsauwohl sondern kam mir vor wie der Mann, der in der Bibel
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lleszum Wohle des olkes
oder irgendwo anders immerzu den teuersten Wein trinkt, aber
lediglich Wasser predigt.Nun, jedenfalls eines Tages stand das betreffende Vehikel auf
der Straße vor dem genannten Haus. Es war kein nagelneuer
Wagen, er hatte 70 Kilometer herunter und bereits den er-
sten Besitzer hinter sich. Ich war der zweite. »Secondhand«,
sagt der Fachmann.Der Wagen war mir aus Freundeshand zugefallen, und zwar zu
einem so günstigen Preis 5000 Piepen), daß der betreffende
Freund mir sogar die Freundschaft aufkündigte, als er erfuhr,
was er unter Brüdern für den Schlitten hätte herausschindenkönnen, wobei mit den Brüdern keine leiblichen Geschwister
gemeint waren.
Ich stand also gewissermaßen auf der Straße und wusch den
Wagen. Er war von grauweißer Farbe, die nun langsam zum
Vorschein kam und in der Frühlingssonne blitzte. Hin und wie-der öffnete ich die Wagentür
und ließ sie bald darauf kra-chend wieder ins Schloß fallen,
einige Male betätigte ich die NMELDUNG
Hupe.
Hinter den Fenstern unseres
Hauses tauchten verstohlen
Gesichter auf. Zuerst das Ge-
sicht von Frau Lösche, danndas von Frau Baumstamm.
Frau Barley kämmte ihremschulpflichtigen Sohn Maximi-
lian auf dem Balkon die Haare.Herr Frei machte sich an seinem Fensterbrett zu schaffen. Sie
taten es alle sehr geschickt, aber ich merkte, daß ihr Interes-
se einzig und allein mir beziehungsweise dem Vehikel galt.
Um nun dem Wagen ein etwas besseres Aussehen zu verleihen,
hatte ich mir schon beim Zubehörzentrum eine rote Fondabla-ge zu 9,50 Mark angeschafft, des weiteren ein schwarzes
kunstledemes Lenkerband sowie eine chromblitzende Auspuff-
kralle, und zwar nicht nur angeschafft, sondern auch ange-
bracht.Herr Lösche kam mit seinem ewigen Rucksack aus dem Hausund ging offenbar in die Kaufhalle einholen. Der Nachbar sagte
freundlich »Guten Tag « und lief ohne Umschweife und ohne
meinen Wagen überhaupt zu bemerken weiter.
Auch der Knopflochfabrikant aus dem Nebenhaus nahm, als er
37
Und dabei habe ich nur
gesagt wenn er schnel-
ler bedient sein will
soll er die Scheiben
selber m t etwas Papier
abdecken. «
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38
»Als Trabantbesitzer
sollten Sie daran den-
ken daß mein VaterLeiter des rsatzteilla-
gers ist
- --
Alles zum Wohle des Volkes
seinem knallgelben Shiguli entstieg zwar von mir, nicht je
doch von meinem sogenannten fahrbaren Untersatz Notiz.
Gerade bückte ich mich, um dem linken Vorderrad den nötigen
Glanz zu verleihen als die Stimme von Frau Baumstamm er
tönte. Sie rief aus ihrem Erkerfenster: »So ein billiges Auto
paßt gar nicht zu Ihnen. Sie müßten doch mindestens einen
Wartburg de luxe diese Preislage jedenfalls haben «
Peng schloß sie das Fenster und zog hastig die Gardine zu.
Herr Frei kam mit seinem Hund herunter. »Hattest du nicht ge
sagt wir wollten mal bei Gelegenheit ein Bier trinken gehen?«
fragte Herr Frei während sein Hund ungeniert an meinen
- „._
Wagen pinkelte. Ohne eine Antwort abzuwar
ten zogen die beiden weiter.
Dann öffnete sich die Tür und Frau Barley
betrat mit ihrem Sohn Maximilian die Straße.
Ich nahm die Mütze ab und wollte einen meiner üblichen netten Scherze anbringen etwa
sagen: »Sonne auf allen Wegen, Frühlings
königin und Maienprinz ...«
Aber Frau Barley hielt die Hand ihres Sohnes
fest umschlossen und als sie grußlos vorbei
schritten hörte ich, wie die junge Mutter zu
ihrem Sohn sagte: »Sieh einmal Mäxchen die
ser violette Zastava dort drüben gehört Doktor
Meisel, bei dem wir nächste Woche einen Termin haben.«
Ich stand wie bedeppert mit meinem nassen
Lederlappen in der Hand da. Schweiß trat mir
auf die Stirn. Ich begann an dem allgemeinen
Trend zu zweifeln. Ich verfluchte den allgemei
nen Trend.
Plötzlich sah ich, wie die Spatzen auf den Bäumen ihr rußiges
Gefieder putzten bemerkte daß eine Taube zaghaft aus einer
Olpfütze trank. Die ganze Umweltverschmutzung kam mir aufeinmal wie kalter Kaffee hoch. Ich schleuderte den Lederlap
pen in den Plasteimer und das herausspritzende Dreckwasserbenetzte mein Beinkleid.
Noch am selben Tag begab ich mich zur nahe gelegenen
DEWAG-Anzeigen-Annahmestelle. Ich füllte ein Anzeigenfor
mular aus: »Verkaufe Trabant 601 Sx, Baujahr 70 Garagenwagen viele Extras etwa 7000 - Mark.«
Den kleinen Aufpreis müssen Sie schon entschuldigen verehr
ter Leser. Damit folge ich nur einem allgemeinen Trend.
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•
• •
ut „ . . . . ~ : . . . u- ~ V I „ . . ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ : t f ~ ~men un f Her,.,. .. o t n g ~ , , r o.J· ~ ~ ~
PolyeR W · f. ,
. z.Z, keinei Auskunft/( W N TZUNG
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„Hauptsächlich benutzen wir ihniu',11 H ~ ' . ' s a p e l n " ' ~ ' ' ' ' ' ' • . ... i
_ _ i , ,r••1 '*' t•• ~ - ~ m -... " ..,..,bi ,.,.,, - ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ „ ~ ~ ~ ~ )
, ·Erich Honecker geht in Ost-Berlin spazieren. rsieht eine Frau, vollbepackt mit Einkaufstaschen. >>Na Genossin, da haben Sie aber flei
ßig eingekauft <<>Das kann man wohl sagen, Genosse Staatsratsvorsitzender. DreiStunden musste ich dafür anstehen << - »Aber Genossin Es gibtLänder, da müssen die Leute für einen Schluck Wasser einen ganzenTag anstehen << »Ja, die sind dann aber sicher schon länger sozialistisch als wir ...«
•
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4 l les zum Wohle des Volkes
Ernst Röhl
Runkelbauer hatte ich seit unserer Schulzeit so gut wie aus den
Augen verloren. Neulich begegneten wir einander per Zufall,
jeder in Eile, und verabredeten einen Lokal-Tennin in meiner
Stammkneipe »Zum halben Liter«.
Leicht verspätet traf ich ein. »Entschuldige, Runkelbauer«,
sagte ich außer Atem, »ich habe noch ein bißchen was einge-
kauft. Frische Semmeln, wenn dir so was ein Begriff ist.«
»Semmeln? Semmeln??« Er legte die Stirn in Falten und ver-
stand offenbar nicht so recht.
»Diese handlichen, faustgroßen, knackigen Apparate. Bröt-
1 h b. „
1 h F h b .t f chen, Knüppel, Schrippen ...«
c 1n nam 1c ac a r e1 er ur 11 r · kl · b k, gt» eizen einge ac . «sa e er.Transpiration. Früher nannte man »Genau. Und stell dir vor: Im Kaufhaus hab ich end-das Schweißer.
lieh einen Zollstock erwischt.«
»Zollstock?« fragte er zurück und fing wieder an zu grübeln.
Ich öffnete meine Tasche und hielt ihm den Zollstock unter die
Nase.
Er klatschte sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Holzglie-
dermaßstab«, rief er. »Daß ich darauf nicht gekommen bin «
»Bei der Gelegenheit hab ich auch gleich mal geguckt, ob ich
für meine Tochter nicht 'ne nette Lampe und einen passablenOfen sehe.«
»Lampe?« fragte er, und ich wurde nun doch langsam stutzig.
»Für die Stube, Mensch. Mehr Licht «
»Ach, eine Wohnraumleuchte Pardon«, fügte er hinzu, »aber du
befleißigst dich da einer unpräzisen, seltsam antiquierten Aus drucksweise.«
»Hauptsache, du weißt wenigstens, was ein guter, alter Ofen
ist.«
»Bedaure, nein.«
Prüfend blickte ich ihm in die Pupille, ohne allerdings etwas
anderes als aufrichtiges Unverständnis zu bemerken.
»Ein Ofen«, erläuterte ich geduldig, »ist ein Gerät zum Behei-
zen von Räumen.«
»Siehste, und darum heißt es Raumheizer. Ofen hieß es viel-leicht früher mal.«
»Na schön, ein Raumheizer. Weißt du, meine Tochter, die Ros-witha, die arbeitet als Sekretärin ...«
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Alles zum Wohle des Volkes
»Als ...«
».. als Tippse, genau. «
»Als Facharbeiterin für Schreibtechnik.«
»Auch gut. Also die ist verheiratet, mein Schwiegersohn ist üb-
rigens Sargtischler ...«»Sargtischler?«
»Der stellt Särge her wenn's recht ist.«»Du meinst Erdmöbel. Särge sagte man früher.«
»Meinetwegen Erdmöbel. Also die bei
den bauen ein Häuschen ...«»Ein Eigenheim.«
»Richtig. Und die haben Ofenheizung
also Raumheizerheizung ...«
In diesem Augenblick erschien Otto,der Kellner: »Wie immer - der Herr,
Pils und Doppelkorn?«»Für mich ja. Und für diesen Herm ein
Gerstenkaltgetränk und einen poten
zierten Getreidebrand.«Otto schwirrte, leicht verwirrt, ab.
»Wär doch gelacht, Runkelbauer«, er-
klärte ich »wenn w r beide keine ge
meinsame Sprache fänden.«
»Eigentlich«, bemerkte er »könnten wir
auch etwas zu essen kommen lassen.«»Um Himmels willen - bei meinem••Ubergewicht Ich nehm sowieso schon
Nahrungsbedarfsminimierer. «
Runkelbauers Miene verriet eine gewisse Ratlosigkeit.
»Appetitszügler, wie man früher sagte. Trinken«, fuhr ich fort,
»dürfte ich strenggenommen auch keinen Tropfen. Ich hab näm-
lich ein ambulantes Harnausscheidungsorgan, verstehste.«»Nein.«
»Was - nein?«»Ich verstehe nicht.«
»Wanderniere«, sagte ich ungerührt. »Stört mich im Beruf
manchmal ganz schön. Ich bin nämlich, falls du das nicht wis-
sen solltest, Facharbeiter für Transpiration. Früher nannte man
das Schweißer.«
Otto baute die Lage vor uns auf. Lächelnd erhob ich mein Glas:
»Prost, alter Schüttgutbehälter Oder wie es früher mal hieß,
mein lieber Runkelbauer: Prost, alter Sack «
- a • • n
»Kein Zutritt ]ahres -
abschlußfeier
4
>Aber ich bin doch der
]ahresabschlußmann.
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Alles zum Woh l e des Volkes
C U Wiesner
risöt lloi o orto
lls Hi sa J l lllNehmse Platz, Herr Jeheimrat Was gibsn Neues aufm Bau?
Wieder Nachtschicht gehabt? Dis geht gleich los. Die Arbeits
kräftesittuatzjohn wird immer komplessierter, jedenfalls in mein
Salong. Nehmse sich mal so lange 'ne Zeitung, ick muß bloß
noch den Laden ausfegen. Einkaufen war ick vorhin schon. Nee,
ick bin momentan völlig auf mir alleine anjewiesen. Mein Per
sonal, also Herr Kafforke und Muttern, die rennen nämlich von
Lehrjang zu Lehrjang. So, nu leg ich bloß noch 'n paar Preß
kohlen nach. Ick muß mir j beeilen, denn um halb sechse mach
ick dichte und begebe mir meinerseits selber aufm Lehrjang.Oder dachten Sie, ich bin ein Frosch und schließ mir von die
neue große Massenignazjatiefe aus?
Wat denn? Sie ham noch nischt von dis Schulungsprogramm
vonne KaWeVau jehört? Na, villeicht hat ausjerechnet unser
Stadtbezirk damit anjefangen und jewissermaßen die Nullnull-
serie von diesen dicken Extraknüller jekreiert. Kann j sind, deß
ihnen sonst nich jenug einjefallen is zu den berühmten »Mach
mit Schöner unsere Städte als unsere Jemeinden « Denn unter
diese Losung drunter laufen nu die Kursusse für Selbsthelfer.Wattensema, ick muß rasch den Eimer auskippen. Dis Rohrun
ters Becken is schon seit Aujust undicht.
Zuerst hab ick noch wien Geier auf der Klempner-PeJeHa »Rohr-
spatz« drauf rumjehackt, aber nu hab ick mir inwendig richtig
jehend entschuldigt. Ick konnt doch nich wissen, deß sich die
Klempner alle auf ihre Lehrtätigkeit als qualefessierte Fach
lektoren bei der aWeVau vorbereiten. Wie sollnse denn da noch
Zeit finden für sone porfane Arbeit wie Rohrbrüche und ver-
stoppte Lokusse. Nee, in diese Zeit bringense nu die Bevölke-rung bei, wie man selber mit die Lötlampe und die olle Scheiß
spirale hantieren tut. Nehmense mal den Kopp 'n bißken run
ter Diesen Kursus besuch ick nämlich eigenhändig.
Herr Kafforke war sich zu fein dazu, und Mutternwolltick diese
Schweinerei nich zumuten. Aber die machen dis da sehr ordent
lich. Meine Professoren sind Buletten-Meyer und Umstands
Emil vonne PeJeHa. Meyer macht die Theorie und erzählt, was
es bei die Klempner für Arbeitskräftesorgen gibt, und Emil is
mehr so für die praktischen Vorführungen zuständig. Dis is auch
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Alles zum Wohle des Volkes
besser so als wie umjekehrt, denn Umstands-Emil braucht sonst
zu ville Zeit, trotzdem die beiden Herren Fachlektoren da villenüchterner sind, als wenn se bei mir vor Ort jearbeitet ham. Lei-
der hab ick mir in dis Fach »Zeitspüler und Spülkastenanlage«
schon ne Vier einjehandelt, weil ick mit Fritze Ladenthin je-
schwatzt habe.
Wenn ick mit den Kursus fertig bin fang ick noch an Ofenset-zerarbeiten zu erlernen, und dabei denk ick sojar perschpektie
fisch. Sehnse, je mehr Wohnungen mit Fernheizung der Staat
baut, um so mehr Töpper hängen ihre Lehmmolle an Nagel und
auf diese Weise hab ick noch ne Schangse,
falls ick doch mal altershalber mein Salonganne PeJeHa »Wellenreiter«abtreten muß.
Hinten n bißken kürzer, wa?
Die andern vier Kurse teilen sich Muttern
und Kafforke. Muttern hat Tischlern undSchlossern belegt. Erstens, meintse, kannst
du sowieso kein Nagel grade einklappen, und
zweitens, meintse, haste schon dreimal die
Schlüssel vermasselt, und wir standen vor
verschlossene Türen. Und was Herrn Kaffor-
ken betrefft, der tut sich in die Kurse Maler
sowie Maurer, Putz, Beton und Fliesenleger
arbeiten als Musterschüler hervor.
Dis is natürlich wie immer bei diesem staubigen Kunden eine janz schnöde Berechnung.
Bis jetz malert er nur Wohnungen, zum Teil
sojar mitten inne Dienstzeit, und als Je-
schäftsstelle mißbraucht er meinen Salong.
Quasselt die Stammkunden beis Haare
schneiden an und sagt, er kann ihnen noch
•. - . . f
< <
.. . „. - .
janz andre Sachen als bloß immer den Kopp verschönern. Ick
hätt ihn j längst rausjeschmissen, aber wo krieg ick denn n
andern Jehülfen her bei die komplessierte Arbeitskräftesittuatzjohn? Tschuldigense, dis is bloß n Kratzer, ick jeh gleich
mitm Blutstüller rüber. Nu denkt sich nämlich Herr Kafforke,
in Kürze kann er mit seine neue Fähigkeiten auch noch beim
Datschenbau groß rauskommen, aber da hat er sich jeschnit
ten. Sehnse, dis l ßt schon nach, brennt bloß noch n bißken.
Er rechnet j nich damjt, deß die andern Leute auch die janzen
Kurse besuchen und sich in Zukunft ihre Datschen janz alleine
hochleiern können. Dis is nämlich der Haken von die Medallje
und der endjültige Bankrott von bestimmte Handwerkerinnun-
,,
//
4
»Gottlob kann uns kei-
ner reinreden was wir
m t unseren vier Wän -
den anstellen.
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F v ~ ~ e i r r f { t i p o t l e r : , _ . · · ~ · · ·• · · • . ~ } > W f e lir ·Met:·•. ·;nufig ~ r i l iieilen ·
i a t t ~ t P i : ~ u i ~ ? · ·• ' ·:~ i n f i . i j c l i t 1 g . · ,·
· · ) > Y f / a s s a g ~ l S i . e z u ~ ·$ e l n f i s t e l l . e i 5 k ~ n : J _ ~ : ·
i j ~ ~ ~ t ~ . , i · ; ~ . : ~ x : - ~ i : ~ · . : : r . ; ; f · - ~ 1 ~ · l ~„ ; ~ · _ » R i g l t i g r g 1 1 ~ s . :
. ~ g t ; : : ~ ' . ' . \ ' . ; . : . f ~ ~ ; , : ; : } 0 · J : · ·>»Hab·en61e denn ; . >
~ e l i i ~ h ~ M ~ i ~ · : { f , : z ~ f :.·. i u ~ g ? ·:;, ·. . ~ : ; . : · · . ·?r:; ~ i . , . : ; : . ~ r . ~ ~ { : , . ~ ~:· · ~ & - i e· ~ · · ..: . ; ; . h · • · ~ . , ~ ~ : / : ~:} ·:- ..: , : : : : _ : 7 . \ - -~ · , ;.... · : : : ~ ~ - .' cli'geraae· :n ''« ··.< :. .· „ ,
; ; . .y. : ;: . . : i · ; : , „ ~ . ; } ~ ' ~ ~ · ~ t .: . „ ;;{t ~ - ; ; •; · •.
Al les zum Wohle des Volkes
gen wo sich besonders schlau vorkommen. Jenau wie ein Zau-
berkünstler, der seine janzen Tricke dis Publikum verraten tut••
Uber den grinsen die Leute doch und denn kann er höchstensnoch als Pausenklohn auftreten.
Wenn ick nu nachts wieder mal nich schlafen kann, denn stim-
mulier ick so vor mir hin, ob die janze neue Schampanje nich
noch mächtig inne Kinderschuhe drinnesteckt. Der erste Fortschritt war die Selbstbedienung inne Kaufhallen bei de Post und
anne Tankstelle, aber nu tritt man schon in eine neue, höhere
Phrase rein, die Selbsthelferei. Damit überwindet man sozusa
gen hüstorisch die Stufe »Eine Hand wäscht die andere« -könn
se mir jeistig noch folgen? - und nu heißt es, jede Hand is so
universaljebüldet, desse sich selber wäscht, natürlich unter die
Anleitung von quallefessierte Fachlektoren wie Buletten-Meyer
und Umstands-Emil.
Aber nu muß man ebent sone hoffnungsvollen Anfänge weiterentwickeln. Wenn erst alle Frauen ihre Männer selber die Haare
schneiden können, dis grassiert ja immer mehr um sich, denn
bewerb ick mir beim Magistrat als Scheffignazjator und knall
ihm meine kühnen Ideen aufm Tisch. Beispielsweise könnte
man in alle Jaststätten die Küche in lauter kleine Kochnischen
aufteilen, wo sich die }äste selber ihr Kotlett braten. Wie ick je
stem meine kühnen Pläne vor Robert Köppen ausbreite, Sie
wissen doch der vonne Bezirksleitung, wollte er mir gleich mit
sein elektrischen Matrijalismus aufs Kreuz legen. Wenn sonejutjemeinten Kurse übertrieben werden, meint er denn hätten
wir ja noch weniger Arbeitskräfte als wie vorher: Wenn näm-
lich die Leute alle Dienstleistungen selber machen müssen,
hamse jar keine Zeit mehr auf ihre richtige Arbeit zu jehn. Wat
denn, sag ick, ihr wollt doch immer den allerseits jebüldeten
Menschen?
Grinst er bloß und meint, aber jeder kann doch nicht alles kön-
nen, oder willste dir ooch deinen Tabak wieder selber aufm Bal-
kong anbauen wie fümmenvierzig? Und denn wollter mir nochweismachen, sie sind eigentlich mehr für Arbeitsteilung und
Spezialisierung. Aber in diese Beziehung bin ich ein Fuchs und
warte erst mal den Parteitag ab. Und wenn Robert Köppen recht
hat, denn sag ick den Töpperkursus ab und laß mir lieber aufe
Volkshochschule griechische Jötterkunde einbimsen. Denn ver-
steh ick wenigstens die modernen Theaterstücke. Macht zwei-
fuffzig.
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6 lernen lernen nochmals lernen
Ottokar Domma
Zu den wichtigsten Jahreszeiten gehört auch der Frühling.
Wenn die schöne Frühlingszeit daherkommt und wir Knaben
unsere Lederhosen anziehen und die Mädchen dumm kicherndann sagt eines Tages unser Herr Direktor Keiler, morgen Kin
der, ist ein Wandertag. Wir fangen dann an freudig zu jauch
zen und der Herr Direktor Keiler macht dazu ein gütiges Ge
sicht wogegen unsere Lehrer mächtig zischen und öfter fragen
ob wir uns jetzt in einem Zirkus befinden oder wo.
Wir können dann kaum den anderen Tag erwarten. Mein
Freund Harald und ich und wir beide denken uns dann gleich
einige Geheimnisse aus und Schweine-Sigi darf auch mit uns
kommen weil er nicht petzt und seine Schinkenstullen gegenKeks tauscht. Sigi sagt seine Mutter hat genug mächtige
Schinken und sein Vater den Schweinestall unter sich nebst
einer individuellen Sau welche öfter ferkelt. Wir bilden dann
ein Triumphirat und schwören niemals auseinanderzugehen.
Aber meist sagt unser Herr Klassenlehrer daß er uns durch
schaut und er wird sein Auge auf uns werfen.
Die Wanderung beginnt immer mit einer Ermahnung von unse
rem Herrn Klassenlehrer. Er will sich alle gut merken die Blöd-
sinn treiben und aus der Reihe tanzen. Auch müssen wir Höflichkeit zeigen und unseren Sitzplatz den Erwachsenen anbie-
h f t K hten. Dabei schaut mich unser Herr Klassenlehrer meist
c rag e unseren assen e rer, d . h h h ih h. uf · · artbl F bt an un 1c sc aue auc zu m 1na wie ein z es
wo es aue rauen 9 · Lamm. Zu unserer Schulwanderung gesellt sich immer
eine Klassenmutter oder auch zwei. Diese sind verschieden.
Wenn die Klassenmutter eine ordnungsliebende ist dann zupft
sie fortwährend an uns herum zum Beispiel am Halstuch oder
wenn das Hemd hinten raushängt. Neben den Zupfmüttern gibt
es noch Zählmütter die uns fortwährend zählen. Die meistenMütter machen ein freundliches Gesicht und freuen sich wenn
die Leute auf sie schauen und denken sie sind Lehrerinnen.
Manchmal ist auch eine Mutter dabei die nur ihr eigenes Kind
bewacht. Dieses tut uns leid. Es muß sich dauernd wie ein
dressierter Dackel benehmen und auf Kommando die Nase put
zen und immer laut danke und bitte sagen damit unser Herr
Lehrer hört wie gut das Kind dressiert ist.
Wenn wir marschieren dann latschen wir uns meist auf die
Hacken und sagen uns gegenseitig einige Schimpfwörter. Die-
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Lernen lernen nochmals lernen
ses ist dann die erste Prüfung für unseren Lehrer. Sind viele
Leute um uns drum herum dann besteht die Prüfung aus meh-
reren grausamen Blicken. Wenn wir in stiller Natur latschen
dann läßt unser Herr Klassenlehrer halten und er erkundigt
sich wer ein altes Kamel ist und o er jemanden vormerken
soll. Auch tauscht er öfter die Kinder aus und nimmt die Lieb-
linge in seine Obhut. Ich war auch manchmal sein Liebling.Die zweite Prüfung besteht unser Herr Klassenlehrer wenn
wir ein Stückchen mit der Bahn fahren . Der schönste Platz ist
immer am Fenster und darum beginnt ein großes Geschubse.
Das dauert aber nicht lange undwir sitzen wie die Engel. Jetzt
kommt die Zeit wo wir unserem Herrn Lehrer eine Freude ma-
chen können indem wir uns beim Herannahen der Erwachse-
nen von den Plätzen erheben. Und diese Erwachsenen sind
auch verschieden.
Einmal kam eine alte Oma und ich sagtebitte hier ist mein Platz. Sie schenkte mir
ein freundliches Lachen und einen Apfel.
Dann kam eine vornehme Dame mit viel
Schminke und einem drolligen Pudel. Mein
Freund Harald sagte auch bitte und die Pu-
deldame setzt sich auf seinen Platz und hat
meinen Freund Harald überhaupt nicht ange-
sehen nur ihren Pudel. Ich sagte zu meinem
Freund laut »Danke mein Junge«und zu Sigi
ob er nicht weiß wie man sich benimmt und
er möchte doch dem Herrn Pudel seinen
Platz anbieten. Unser Herr Klassenlehrer
nahm mich gleich wieder in seine Obhut weil die vornehme
Dame fortwährend fragte o die Kinder heute so erzogen wer-
den und sie möchte nicht meine Mutter sein.
Einmal kam ein besoffener Herr und sang uns lauter Lieder vor.
Unsere Klassenmutter ist ganz rot geworden und sagte immer-
zu wir sollen nicht hinhören. Ein andermal kam ein sowjeti-
scher Soldat und sagte strastwuitje und prüfte wie wir Rus-
sisch können. Auch setzte er uns seine Mütze auf. Manche
Leute steckten uns Bonbons zu und fragten ob wir einen Aus-
flug machen. Wir sagten dann ja.
Meistens machen wir hinterher eine längere Wanderung durch
Wald und Flur. Unterwegs läßt uns unser Herr Lehrer öfter
raten was wir für Bäume und Gräser sehen und wie man die
Himmelsrichtung bestimmen muß. Auch dürfen wir Spuren
lesen. Die tiefste Spur hinterlassen der Traktor die Wildsau
7
Schon eins Wo hast
du wieder rumgebum-
melt? Du kannst mir
nicht weismachen, daß
heute die letzte Stunde
nicht ausgefallen ist
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8 Lernen lernen nochmals lernen
und unser Herr Klassenlehrer weil er der Schwerste von uns
ist.
Wenn wir an einer Stelle mit schönem Ausblick sind dann
heißt es meist rasten. Die Stullen haben wir schon in der Bahn
aufgegessen jetzt kommen die Eier dran. Sind wir Ferkel dann
schmeißen wir die Eierschalen ins Gras. Sind wir naturlieben-
de Pioniere dann stecken wir die Schalen in unseren Brotbeu
Das Gemeine an Schulwanderun-
gen ist daß w r darüber einen
Aufsatz schreiben müssen.
tel oder in die Kapuze der Mädchen. Haben die Mäd-
chen die Schalen gefunden dann stecken sie die Scha-
len wieder heimlich in unsere Hosentaschen. Wenn
die Schalen mehrere Taschen und Kapuzen gesehen
haben dann landen sie am Schluß in Wallys Beutel. Wally gibt
sie dann zu Hause ihren Hühnern zu fressen damit sie neue
Eier legen. Harald nennt das eine Kalkverwertung und unser
Herr Klassenlehrer eine große Enttäuschung.
Manchmal rastenwir
auch in einer Gaststätte und trinken einGlas Limonade oder auch zwei je nachdem aus welcher Fa-
milie wir kommen. Die dicke Mia kommt aus einer Familie wo
man mit dem Geld nur so rumschmeißt. Die Mia zeigt uns meist
einen Zwanzigmarkschein und wir sollen uns ausdenken was
sie sich alles kaufen wird. Zum Beispiel Torte. Wir denken
aber daß ihr die Torte im Halse steckenbleibt. Einmal sagte
Mia zu unserem Herm Klassenlehrer sie will alles bezahlen
was er getrunken hat. Da ist unser Herr Lehrer furchtbar zor-
nig geworden wie noch nie und er hat der Mia vorgerechnet
wie lange man arbeiten muß bis zwanzig Mark zusammen
sind. Seitdem lieben wir unseren Herrn Klassenlehrer noch
mehr. Unterwegs haben wir Knaben Hühnerdreck gesammelt
und in Bonbonpapier gewickelt und zur Mia gesagt sie soll
nicht traurig sein und unsere Bonbons mitessen.
Am schönsten ist es wenn wir eine Fabrik oder eine LPG be-
sichtigen. Einmal waren wir auch in einem Burgmuseum. Wie
die anderen weitergegangen sind prüften mein Freund Harald
Schweine-Sigi und ich die Folterwerkzeuge aus zum Beispiel
die Daumenschrauben. Ich konnte am längsten zählen und habekeinen Mucks von mir gegeben. Nach vier Wochen ist wieder
ein neuer Nagel nachgewachsen.
Einmal waren wir in einer Bilderausstellung. Auf einem Bild
war eine Frau mit blauer Haut und violettem Haar. Es hieß»Die Sinnende«. Ich fragte unseren Herrn Klassenlehrer wo es
blaue Frauen gibt. Er sagte daß er auch noch keine blaue Frau
gesehen hat. Ein anderes Bild hieß »Die Feldbaubrigade«. Es
waren wieder verschiedene Frauen zu sehen. Sie waren alle
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Lernen le rnen nochmals lernen-==--======
sehr dick und in alten Klamotten. Daran kann man erkennen
daß ein Kunstmaler es schwer hat. Entweder ist ihm die Farbe
alle geworden und er hat nur noch Blau oder er sieht nur
dicke Frauen mit alten Lumpen. Die meisten Bilder waren
schön aber ich weiß nicht mehr welche weil wir uns beeilen
mußten. Denn unser Herr Lehrer wollte noch mit uns zum r-kus.So kann man auf einer Schulwanderung viel erleben. Das
Schönste an unseren Wanderungen ist wenn wir uns einmal
richtig austoben dürfen das Gemeine ist wenn wir darüber
einen Aufsatz schreiben müssen.
•• ..• •
•
-- -;::;
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-·. .,
9
»Warum ist die Schule
nicht etwas lustiger?«
»Weil sie euch auf den
Ernst des Lebens vorbe-
reitet <
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5 Lernen lernen nochmals lernen
Renate Holland-Moritz
Wie üblich waren vornehmlich Mütter erschienen. Die Väter
mit Ausnahme von Herrn Baumann, waren entweder durch
Scheidung abhanden gekommen oder besuchten just in diesemAbend kulturelle Veranstaltungen beziehungsweise Weiterbil
dungslehrgänge. Die Ausmaße der Schulbänke machten einigen schwergewichtigen Elternteilen zu schaffen. Um der Un
ruhe Herr zu werden, klopfte Sabine Walter nachdrücklich mit
dem Bleistift auf den Lehrertisch. Sie war sichtlich aufgeregt.
Zu ihrer Unterstützung hatten Sebastian Lehmann, Silke Ge
rasch, Mike Göschler und Tamara Tamke neben ihr Platz ge
nommen. Sabine Walter räusperte sich noch einmal kräftig und
begann.
1 N d G t b»Liebe Eltern Im Namen des Gruppenrates der 5 b
m amen es ruppenra es e b ß . h · h t · Elt b d Wiß · h s· Elt b d egru e 1c 1e zu unserem eu 1gen erna en . rr
gru e ic ie zum erna en · wollen uns gar nicht erst mit der Auswertung der Pio-
nierleiterkonferenz, mit Spendenaktionen und der Renovierung
einzelner Klassenräume aufhalten, sondern gleich zum einzi
gen Tagesordnungspunkt kommen, nämlich zu Ihren Kindern.
Mit denen gibt es einige Probleme, bei deren Lösung Sie uns
vielleicht behilflich sein können. Ist Frau Hermann anwesend?«
Eine füllige Dame in der letzten Bankreihe meldete sich zaghaft.»Sie brauchen sich nicht aufzuregen, Frau Hermann« sagte Sa
bine Walter beruhigend, »im großen und ganzen sind wir mit
der Arbeit Ihrer Tochter als Klassenlehrerin recht zufrieden.
Nur in letzter Zeit wirkt sie ausgesprochen unausgeglichen undlaunisch. Hat sie vielleicht privaten Kummer?«
Frau Hermann errötete heftig. »Na ja, da ist doch die Sache mit
ihrem Freund. Er ist ihr nämlich durchgebrannt, und zwar miteiner Sportlehrerin aus der 12 . Oberschule. Seither ist das
Mädel wie umgedreht. Statt sich auf den Unterricht vorzubereiten, schließt sie sich in ihrem Zimmer ein und heult. Ich binschon ganz verzweifelt.«»Ach Gott, die Arme« , rief Silke Gerasch mitleidig, »wenn ich
das gewußt hätte, wäre ich gestern nach ihrem Wutanfall nicht
so pan1pig zu ihr gewesen. Ich schlage vor wir beschließen
einen Monat der besonderen Rücksichtnahme auf Fräulein Her
mann. Bis dahin hat sie bestimmt einen neuen Freund gefun
den wo sie doch so urst schau aussieht «
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Lernen lernen no chmals lernen
Der Gruppenrat erklärte sich spontan einverstanden, und FrauHermann wischte sich die Tränen der Rührung aus den Augen.
»Weiter im Text « Sabine Wolter klopfte wieder mit dem Blei-
stift auf den Tisch. »Ein besonders trübes Kapitel sind die Ein-
tragungen. Die Lehrer fragen im allgemeinen gar nicht erst
lange, warum einer was tut, was er nicht soll. Sie verlangen••
sofort das Hausaufgabenheft, und wir haben abends den Argermit unseren Eltern.«
»Da möchte ich gleich ein Beispiel nen -
nen«, warf Sebastian Lehmann ein,
»gestern im Werkunterricht bei Herrn
Glaser haben wir Untersetzer gesägt.
Mir macht sowas großen Spaß, des
halb habe ich das Volkslied >Keine
Bange, wir holen eine Zange< gesun
gen. Darauf schrieb Herr Glaser dieEintragung: >Sebastian sang im Werk-
unterricht<. Als ich mich für die nette
Mitteilung an meine Eltern bedankte,
bekam ich zusätzlich einen Strich in
Betragen.«»Das verstehe ich nicht«, sagte Frau
Glaser, »als der Junge noch bei mir zu
Hause wohnte, haben wir immer beim
Abwaschen gesungen. Aber seit erdiese Frau hat, ist es aus mit Fröhlich
sein und Singen.«
Ehe sich Frau Glaser länger über ihre
Schwiegertochter auslassen konnte,
setzte Sabine Wolter fort: »Ich bitte Sie herzlich, liebe Eltern,
mit Ihren Kindern über Sinn und Zweck der Eintragungen zu
reden. Wenn jemand von uns eilig über den Flur rennt, hat er
unter Umständen nur Durchfall. Und wenn sich einer nicht
auf den Unterricht konzentriert, liegt s manchmal auch am Un-
terricht. Bei Herrn Baumann zum Beispiel ist es so langwei
lig, daß man sich beim besten Willen nicht konzentrieren kann.
Da helfen auch die Ausmeckereien zu Hause nichts.«
»Der Junge wollte j eigentlich auch gar nicht Lehrer werden«,
ließ sich Herr Baumann vernehmen, »ihn zogs schon immer
zur Wissenschaft.«
»Leider haben manche Lehrer auch zu wenig Humor«, sagte der
kleine Mike Göschler schnell. »Einmal sollten wir einen Auf-
51
•·-
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52
' . .. . . .
· >Welches.Tier hat ·• .·· s1ch am. e s t e ~ atif ·
die L e b e i j ~ b e d i n g u 1 1. ' . . · · . : • . '•
·gen ·in ·der DDR .ein-
· .•gestellt?« fragt der
· · Lehrer.· . · · · · . .· Fritzchel1 antwÖrtet:
Die Fliege, Herr .. . ..Lehrer. Sie fliegt.·.. ·
• . . - .. .
ohne .Benzfnund .
. cheißt auf die Bett- . . • · · . . • . . . ; . .
· wäsche.«' ·· ·· . · · · . .. .. ' · ' -; . „ · . . . ' '. . . ' . .
. .- . .
Ler nen lernen nochmals lernen~ - · - " i N f ' " ' • - - = a n r m l l i l l l l l l1 1 1 1 1 : . S . J ; Z l i i ~ • 1 =-· · • •P Z JWe•we:• 1 : 2 ' I r16 ?Tttt''W : r w
satz zu einem freigewählten Thema schreiben, und da hab ich
mir eine Ulkgeschichte ausgedacht. Unsere Deutschlehrerin,
Frau Ritter, gab mir dafür eine Fünf und schrieb drunter: >Höchstens für den Eulenspiegel geeignet<.«»Also Mike, nun hör auf mit den ollen Kamellen«, fuhr ihn Sabine Wolter an, »du weißt genau, daß Frau Ritter nicht mehr
an unserer Schule ist, sondern inzwischen bei der Lehrerzeitung arbeitet. Wenden wir uns doch wieder aktuellen Proble
men zu, wenn ich bitten darf «»Halt, halt, liebe Kinder«, rief die sonore Stimme des Direktors.
»Das war j schon alles recht hübsch, aber doch sehr zugespitzt
und allzusehr aus der Froschperspektive gesehen. Immerhin
beweist das Experiment, euch an einem Gruppennachmittag
einen satirischen Sketch nach eigener Wahl spielen zu lassen,
daß wir Lehrer sehr wohl Humor haben und auch Kritik nicht
scheuen. Aber nun singt noch ein paar fröhliche Pionierlieder,und dann ab in den Fernsehraum. Es läuft, wie immer im Ferienprogramm, der preisgekrönte DEFA-Film >Die Abenteuer
des Werner Holt< .«
Kürzlich war ich wieder mal auf dem Lande. Da hörte ich, wie
die fünfzehnjährige Tochter meines Freundes Knorr begeistert
rief: »Guckt mal, Mami und Papale, das Huhn und der Hahn
spielen Bremer Stadtmusikanten «
Ich glaube hieraus folgern zu dürfen, daß die Eltern Knorr docheinmal in sich gehen sollten mit der Frage: Was haben wir bei
der Erziehung unserer heranwachsenden Tochter versäumt?
Denn schließlich bestehen die Bremer Stadtmusikanten j nichtnur aus zwei Tieren
Johannes onrad
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Ver-ab.tw•. . - l t ~ ~ .
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>>Welches ist de; größte Strom der Erde?« fragt derGeografielehrer. . . .
» as ist die Elbe« sagt Fritzchen.
»Wie kommst du darauf?« wundert sich der Lehrer»Meine Großeltern haben gesagt, sie brauchen 60
. . .
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54 Lernen lernen , nochmals lernen~
Hans Krause
ottst i r OI O riseA
Mein Sohn bevor wir von der Hühnerkeule
zu Kalbs- und Schweinebraten übergehn
gestatte daß ich mir das Wort erteile.
Ich bin gerührt doch glaub nicht daß ich heule
denn heute könnt ich dich nicht feixen sehn.
Moral verdaut man besser vor dem Essen.
Drum nutze ich die letzte Möglichkeit.
Es ist dein Tag doch du darfst nicht vergessen
man kann ihn nicht am Wert der Gaben messen
die man dir heut zu Jugendweihe weiht.
- d s werden wir Zum Moped wird es sicherlich nicht reichen
obwohl der Onkel Heinz nicht kleinlich war.
Doch ließest du dich nach dem est erweichen.
das Holz zu hacken und den Zaun zu streichen
so klappte es vielleicht im nächsten Jahr.
eunjährige posieren
fiir den X Parteitag -
1976
Man hat dich heute morgen reif gesprochen.
Nun trag die Würde stolz und unverzagt.
Ich rechne zwar nicht gleich mit Flitterwochendoch wenn du willst dann kannst du darauf pochen
daß man Kollege Krause zu dir sagt.
Doch mit den Rechten kommen auch die Pflichten.
Die Weihe selber war nur Richtefest.
Noch gibt es manche Ritze zu verdichten.
Es liegt bei dir, das Haus so einzurichten
daß es sich ehrenvoll drin wohnen läßt.
Und nun entfaltet wieder die Serviette.
Du aber Junge sei dir stets bewußt:
Das Herz und nicht die erste Zigarette
macht dich zum Glied in jenere großen Kette
in der du Wert beweisen mußt.
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6 Was des olkes Hände schaffen
Jochen Petersdorf
Sketch der Drei Dialektiker
Uhlig: Damen und Herren Wir kommen nunmehr zum populär-
wissenschaftlichen Teil des heutigen AbendsKöbbert: Im Rahmen unseres Weiterbildungszyklusses für ge
mischtes Publikum und Schauorchester ...
Stückrath: ... und getreu unserem Motto: Der Kessel macht
nicht nur Pläsier, nein, sondern auch er bildet Dir Hören Sie
nun eine Lektion zum Thema: Die Arbeitszeit.Uhlig: Die Arbeitszeit ist aus unserem heutigen Leben nicht
mehr wegzukriegen
Köbbert: Wegzudenken
Uhlig: Wie bitte? Ach so. Nicht mehr wegzudenkenStückrath: Das macht uns stolz und glücklich
Unsere Vorfahren kannten dieKöbbert: QuatschStückrath: Wieso denn Quatsch? Das ist 'ne offizielle
Meinungrzeit nicht die Arbeitszeit
Uhlig: Aber die kommt jetzt noch nicht Wir gehn doch chrono
logisch vor
Stückrath: Ach so. Also Als unsere Vorfahren durch Einführung
des aufrechten Ganges langsam menschlich wurden, gab es
noch keine gesetzliche Arbeitszeit, sondern nur Urzeit.Köbbert: Heute ist es genau umgekehrt. Wrr haben eine feste
Arbeitszeit und die Uhrzeit spielt keine Rolle .••
Uhlig: Willste damit was gegen Uberstunden sagen?
Köbbert: Quatsch. Ich meine Urzeit ohne h. Wir gehen doch
chronologisch vor.
Stückrath: Genau. Also weiter In der Urzeit saß eines Tages
der große Denker Bitterlehmann, der später übrigens auch ein
gleichnamiges geistiges Getränk erfand, also Bitterlehmann
saß auf einem Stein und dachte.Köbbert: Die Sonne stand im Zenit.
Stückrath: »Hei nun «, rief da der große Bitterlehmann. »Es wird
Zeit, daß ich mal wieder was erfinde «
Uhlig: Und darauf erfand er die Arbeitszeit?
Köbbert: Genau Und als er die Arbeitszeit erfunden hatte ...
Stückrath: ...saß er da und wußte nich, was er machen soll.
Köbbert: Quatsch. Er wußte es genau. Er sagte sich: Die Erfin-
dung muß unter die Leute. Und er schritt zu Tal.
Uhlig: Zu wem?Stückrath: Zu Tal. Nach unten, Mensch
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Was des Volkes ände schaffen
Uhlig: Unsinn. Wenn man was erfunden hat, geht man doch
nach oben. Wie will man denn sonst 'ne Auszeichnung krie
gen?
Köbbert: Er wollte keine Auszeichnung, sondern seine Erfin-
dung anwenden
Uhlig: Junge, Junge Finsterste Urzeit
Stückrath: Ruhe und weiter: In der nächsten menschlichen Sied-lung war gerade ein munteres Volksfest im Gange. »Warum
feiert ihr Kollegen«, rief Bitterlehmann.
Köbbert: »Wrr feiern ohne Grund«, sagte der Vorsitzende.
Uhlig: »Das muß anders werden«, rief Bitterlehmann. »Ab sofort
habt ihr Grund. Denn ich habe die Arbeitszeit erfunden.«
Stückrath: »Das muß gefeiert wer-
den«, jubelten alle. Und dann
ging's rund.
Köbbert: Sie sangen: »Jetzt geht dieParty richtig los« - und am ande-
ren Morgen lagen alle flach.
Uhlig: Außer Bitterlehmann. Der
schritt durch die Siedlung und rief:
»Auf, auf - zum fröhlichen Jagen «
Stückrath: »Aber doch nich in der
Arbeitszeit«, murmelte der Häupt
ling.
Uhlig: »Das ist doch der Sinn der
Sache«, brüllte Bitterlehmann.
Köbbert: Und wer hat gewonnen?
Uhlig: Beide. Ein Teil ging jagen, und
ein Teil soff weiter.
Stückrath: Und damit war gleichzei-
tig die Ausbeutung des Menschen
durch den Menschen erfunden.
Uhlig: Genau
Köbbert: Das glaub ich nicht
Uhlig: Wieso?Köbbert: Dann müßten wir j heute
bei uns noch Ausbeutung haben. Denn wie oft wird während
der Arbeitszeit gebechert.
Uhlig: Das ist doch ganz was anderes. Heute gibts keine Anal-
phabeten mehr, sondern eine gebildete Nation.
Köbbert: Was hat'n das damit zu tun?
Stückrath: Ganz einfach. Wenn du früher gefeiert hast, anstatt
zu jagen, ging dir der Hase durch die Lappen. Heute kannste
schreiben. Stunden
•
7
Horst Köbbert Manfred
Uhlig utz Stückrath -
von links - als Die drei
Dialektiker.
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8
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Was des olkes Hände schaffen
Uhlig: Und wenns hart kommt, drohste mit Kündigung
Köbbert: Hab verstanden. Außerdem ist ja alles 'ne Frage der
Proportion. Man hat noch nie gehört, daß zur selben Zeit 'ne
ganz VVB blau war.
Uhlig: Sehr richtig. Es sind ja höchstens einzelne Abteilungen,
und die Zeiten sind gestaffelt.
Stückrath: So isses Außerdem gibt es niemanden, der stupidevor sich hinkümmelt. Die Menschen sind gewachsen
Köbbert: Genau Man kann stundenlang in der Kneipe sitzen• •
Aber worüber wird geredet? Uber die Arbeit
Uhlig: Womit bewiesen ist: Man muß die Sache als Dialektiker
sehen.
Stückrath: Die Arbeitszeit ist eine Einheit. Man muß sie einhal
ten und zugleich ausnutzenUhlig: Ende der Lektion Es ist bedauerlich, daß sich keiner
von Ihnen Notizen gemacht hat.Köbbert: Denn diese Rede erscheint nicht im Dietz-Verlag
Stückrath: Woran man wieder mal sieht, wie viele geistige Ar
beit mitunter völlig sinnlos ist Guten Abend
»Na, Frau Lehmann, wo wolln Sie denn hin?«
»Nach Pankow, mein Eisen reparieren lassen.«
»Was für ein Eisen?«»Mein Bügeleisen.«
»Aber warum sagen Sie denn nur Eisen, wenn Sie Bügeleisenmeinen?«
»Das ist wegen der Spezialisierung. In Pankow reparieren sie
nämlich nur das Eisen. Mit dem Bügel muß man jetzt nach Kö
penick.«
»Aber Frau Lehmann Ein Bügeleisen hat doch keinen Bügel,sondern einen Griff.«
»Sehr richtig, und den Griff reparieren sie in Weißensee.«
»Aber da machen die in Köpenick doch eigentlich gar nichts.«
»Ist doch unwichtig. Hauptsache, sie haben sich spezialisiert.- So, nun muß ich aber rennen «
»Und warum hüpfen Sie nur auf dem rechten Bein?«
»Das mache ich nur hinwärts. Zurück benutze ich das linke.
Wenn man mehr herumrennen muß, ist eine gewisse Spezialisierung ganz nützlich. Tschüß «
ochen Petersdorf
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Lothar ist 19 Jahre r arbeitet olsSattelschlepper beim VE Kraftver·lcehr dmuna e 1d der FDJ•
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60
))Ganz einfach Wzr fra-
gen den Chef, wer von
uns die Sache entschei-
den soll.
Was des Volkes ände scha f fen
anfred Strahl
Nicht weniger als ein Dutzend Drohbriefe und mindestens dop
pelt so viele Bittschriften hatte Pradelbroth in den letzten Wo
chen verfaßt. Umsonst Der VEB Bolzen und Beschläge bliebstur. Die restlichen zwei Drittel der für das laufende Planjahr
benötigten Winkeleisen so antwortete der Betrieb stets lako
nisch könne er bestenfalls um die Weihnachtszeit liefern.
Pradelbroth der die letzten Vorräte sowie seinen guten Ruf als
Beschaffungsexperte schwinden sah
war außer sich. »So geht das nicht
mehr weiter« verkündete er grollend
»jedes weitere Fernschreiben ist pure
Zeit- und Geldverschwendung. Ichschlage vor, Kollegen, wir rücken dem
VEB Bolzen und Beschläge mal höchst-
persönlich auf die Pelle.«
Die fünfköpfige Delegation mit Pradel-
broth an der Spitze wurde wider Er
warten recht freundlich begrüßt. Sogar
mit Kognak. Doch Pradelbroth verspür-
te wenig Neigung, sich auf ein langwie
riges diplomatisches Vorgeplänkel einzulassen.
»Nichts für ungut Kollegen«, sagte er
und schob energisch das Glas beiseite»mir wäre es ganz lieb, Kollegen, wenn wir gleich zur Sache
kämen.« Und in kurzen aber zu Herzen gehenden Worten schil
derte er die mißliche Lage, in die sein Betrieb geraten mußte
falls der VEB Bolzen und Beschläge nicht unverzüglich liefer-te.
Danach herrschte betretenes Schweigen. Die bekannte Ruhevor dem Sturm der Entrüstung dachte Pradelbroth. Doch
Krawinke der Sprecher der Gegenseite wirkte eher niederge-
schlagen. » rr würden euch wirklich gerne helfen«, sagte er
ehrlich betrübt »aber momentan sind unsere Kollegen einfach•
überfordert. Jede Menge Aufträge und keinen Penny mehr im
Prämienfonds.« Das klingt j fast entgegenkommend dachte
Pradelbroth und blinzelte vielsagend den Seinen zu, die Seinen
blinzelten vielsagend zurück.
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asdes Volkes ände schaffen
»An eine kleine finanzielle Zuwendung hatten wir ohnehin ge-
dacht«, erwiderte Pradelbroth.»Schön«, freute sich Krawinke, »unter diesen Umständen kön-
nen wir euch die ersten Wmkeleisen vielleicht sogar schon Ende
November liefern.«Pradelbroth glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Ende Novem-
ber? Das ist j lachhaft, Kollegen. Wir pfeifen doch jetzt schonauf dem letzten Loch.«
Krawinke zuckte bedauernd mit den
Schultern. »Was soll ich machen?«
fragte er. »Solange wir die neuen Au-
tomaten nicht montieren können,
geht s halt nicht.«
»Woran fehlt s denn?« erkundigte sich
Pradelbroth.
»Bloß an ein paar Handwerkern«,antwortete Krawinke. »Unsere eige-
nen sind leider voll mit der Instand-
haltung ausgelastet. Dabei könnten
drei qualifizierte Leute die Montage
bequem in zwei Tagen schaffen.«
Pradelbroth dachte eine Weile ange-
strengt nach. »Nun, wenn s weiter
nichts ist«, seufzte er schließlich, »die
stellen wir euch zur Verfügung.«»Wenn das so ist, könnt ihr vielleicht
schon übernächste Woche mit den
Winkeleisen rechnen«, räumte Kra-
winke launig ein.
»Was heißt hier vielleicht?« fragte
Pradelbroth. »Wir verlassen uns
drauf.«
»Etwas riskant ist die Sache natürlich noch«, erklärte Krawin-
ke. »Auf unseren Fuhrpark ist zur Zeit nämlich überhaupt keinVerlaß.«
»Na gut, wir holen uns die Wmkeleisen Montag in einer Woche
selber ab«, versprach Pradelbroth.
»Einverstanden«, sagte Krawinke, »für alles andere überneh-
men wir die Garantie. Ihr wißt ja, man hilft, wo man kann «
61
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62 Was des Volkes Hände schaffen
lf ed Schiffers
Um neun Uhr läutete es. »Das werden die Kohlen sein«, sagte
meine Frau. Ich war skeptisch: »Wo denkst du hin Die sind
zwar für neun Uhr angekündigt, aber erfahrungsgemäß trudelndie Herrschaften frühestens nachmittags ein, wenn nicht noch
später.«
Es läutete abermals. Meine Frau eilte auf den Balkon, warf
einen Blick nach unten und triumphierte: »Was ich gesagt habe,
die Kohlen «
Ich öffnete die Haustür. Vor mir stand ein feiner Mann, kein Koh-
lenträger, sondern ein Mensch in Zivil, mit Schlips und Kragen,
D b h
. d t . h d der seinen Hut mit vollendeter Armbewegung lüfte-
ann vera sc e e e s c as t d . h t d d h.. dritt zähn·K hl k kt' ·t H d hl e un mic mi en wun ersc onen en enen ° e iv mi an sc ag anstrahlte: »Einen guten, guten Morgen, Herr Meier
und allen guten Wünschen für eineallzeit glückhafte Heizperiode. Ihr Kohlenhändler, dem Sie im Mai diesen Jahres
das Vergnügen bereiteten, Ihre Bestellung aufzutra-
gen, gibt sich die Ehre rr haben die gewünschten achtund
zwanzig Zentner angefahren und sind - mit Ihrer gütigen Er-
laubnis - bereit, das schwarze Gold in Ihrem Keller unterzubringen «
Danach stellte er mir seine Mannschaft vor: Kohlenträger Au-
gust Schwemme , Kohlenträger Emil Kalkhahn und Kohlenträger Gottfried Lämmerwart. »Meine Leute werden mit der gewis
senhaften Einlagerung beginnen, sobald Sie die dafür vorgese
henen Räumlichkeiten geöffnet haben «
Bei einem Blick aufs rransportfahrzeug stellte ich fest, daß
man uns lose Kohlen zudachte. Krause reagierte schnell: »Wir
haben die Lieferung in dieser Gestalt bekommen und können in-
folgedessen - sehr zu meinem Bedauern - nur lose Kohlen brin
gen. Unsere vornehmste Aufgabe wird allerdings darin bestehen,
das Material so zu stapeln, daß Sie nach Beendigung des Lie-fervorganges das Gefühl haben, Sie hätten es von vornherein mit
gepackten Kohlen zu tun.«
Dann gab Herr Krause das Zeichen zum Beginn des Einkellerns.
Zu diesem Zwecke entrollte Kohlenträger Kalkhahn einen blitz
sauberen Läufer vom rransportfahrzeug über Gehsteig und Kel-
lertreppe bis vor Ort, womit jede Verunreinigung der genannten
Strecke ausgeschlossen werden sollte.
Die Träger eilten zügig hin und her. Sie vermieden sorgsam alle
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asdes Volkes Hände schaffen
unnötigen Nebengeräusche, fluchten fast gar nicht, niesten aus
schließlich hinter vorgehaltener Hand und ließen ihr bekannt
phonreiches Husten nur in angemessenen Abständen vom Haus
ertönen. Am Rande sei vermerkt, daß Herr Lieferant Krause
gleich zu Beginn der Aktion erkannte, daß die Glühlampe im
Keller ein zu kümmerliches Licht spendete. Spontan schritt er
zur Zugmaschine, kletterte hinein, förderte eine weitaus stärkere Lampe zutage und wechselte diese eigenhändig gegen die
schwächere aus. Eine Berechnung erfolgte nicht: »Kunden-
dienst«, sagte er freundlich und lächelte mild.
Es wäre müßig mitzuteilen, daß die Träger auf ihren Rückwe
gen vom Keller zum Fahrzeug alle Kohlenkrümel gewissenhaft
aufnahmen, vorübergehend in ihren Kohlenträgermützen depo-
nierten und sie nach Erreichen des Hängers in eine eigens dafür
bereitgestellte Kiepe ablegten. Das uns, den Kunden, verloren
gegangene Gewicht wurde durch Herm Krause, der in diesemStadium des Geschehens an der Waage weilte, sofort und groß
zügig ersetzt. Herr Krause nämlich beobachtete das Einwiegen
mit Argusaugen und ließ lieber eine Kohle mehr als zuwenig
über die Waage gehen, die er nebenbei bemerkt, erst am Tage
zuvor hatte amtlich justieren lassen.
Nachdem über die Hälfte der vorgesehenen Menge in den Kel-
ler getragen und lotrecht gestapelt worden war kehrte einer der
Träger zurück, flüsterte Herrn Krause etwas ins Ohr der dar
aufhin bedeutungsvoll die Brauen hob mich belustigt anschau
te und meinte, daß wir die Menge der anfallenden Kohlen wohl
ein wenig unterschätzt hätten; denn die von uns freigemachte
Seite des Kellers reiche leider nicht für die achtundzwanzig
Zentner 24 bis 26 Zentner seien an der vorgesehenen Wand mit
Ach und Krach unterzubringen, vierzehn Doppelzentner leider
nie und nimmer »Aber ...«
»Kein Aber lieber Herr Meier« wehrte der Chef des Unterneh
mens, fast beleidigt, ab. »Das machen wir schon Mitdreihand
festen Männern ist das Gerümpel schnell fortgeschafft. Wenn
Sie gestatten, fahren wir es sogar gleich ab. Die Gelegenheit istgünstig - unsere Fahrzeuge stehen sowieso vor dem Haus, und
es besteht natürlich gar keine Frage, daß wir das kostenlos er-
ledigen. Kundendienst - ganz einfach Kundendienst «
Nach weiteren drei Viertelstunden war alles geschehen. An einer
Längs- und Querwand unseres Kellers lagerten achtundzwan
zig Zentner herrlich gestapelter Kohlen. Das Gerümpel war weg
und der Keller gefegt. Weder auf der Treppe noch im Hausflur
6
/
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64
Vorwärts zum IX ar-
teitag 97
Was des olkes ände schaffen
oder gar auf dem Gehsteig die geringste Spur eines Kohlen-
stäubchens Zu einem freudigen Ereignis kam es darüber hin
aus - beim Begleichen der Rechnung. Entschieden weigerten
sich die Kollegen Träger, ein Trinkgeld anzunehmen. Herr Krau-
se erklärte dezent, daß der Gedanke, die kleine Mühewaltung
der Bürger Schwemme , Kalkhahn und Lämmerwart durch dergestalt irdische Güter zu lohnen, durchaus lobenswert sei, in-
dessen wäre es eine unerschütterliche Maxime des Hauses, die
werte Kundschaft nicht mit zusätzlichen Ausgaben wie bei
spielsweise Trinkgeld zu belasten. Vielleicht, so erlaubte sich
Herr Krause vorzuschlagen, kämen die vorgesehenen Beträge
einer gesellschaftlichen Institution, der Freiwilligen Feuerwehr,
dem Kaninchenzüchterverband, et cetera, et cetera gelegen.
Dann verabschiedete sich das Kohlenkollek
tiv mit Handschlag und allen guten Wünschen für eine allzeit glückhafte Heizperiode
und in der aufrichtigen Hoffnung, auch in Zu-
kunft als stets dienstbereiter Lieferant beehrt
zu werden.
»Das Erstaunlichste an der Sache«, jubilierte
meine Frau, als wir wenige Augenblicke spä
ter im Keller unseren unvermuteten Reich
tum betrachteten, »ist daß wir in den ver
gangenen Jahren auch immer 28 Zentner beiKrause bestellten, aber jedesmal sehr gut mit
der Fläche von nur einer Wand auskamen.«
»Trotzdem hat sich Herr Krause diesmal kei
nesfalls geirrt«, warf ich ein. »Diese erstaun
liche Menge haben wir ganz offensichtlich
einem Umstand zu verdanken, der mir erst
jetzt in den Sinn kommt. Vor ein paar Tagen
nämlich begegnete ich Herrn Krause vor dem
Rathaus. Wir grüßten uns, und ich sagte
nichts weiter zu dem Mann als >Na in der kommenden Woche
wollen Sie uns j laut Mitteilungskarte wieder beliefern, wie?
Was glauben Sie wohl, wie sehr wir uns heute schon auf die
achtundzwanzig Zentner freuen <Sprach ich, grinste ihn vielsa
gend an und verschwand mit meinem alten Freund Peter, der
zufällig des Weges kam. Du weißt doch Peter Lehmann, der von
der Arbeiter- und Bauerninspektion.«
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asdes Vo lkes Hände schaffen
othar Kusche
lt ~ S O toiortoH
Ich hätte gar nicht bemerkt dass unsere Firma schon seitzehn Jahren bestand wenn sie mich nicht eines schönen
Tages zur Feier eben dieses zehnjährigen Bestehens einge
laden hätten. Es gibt immer Leute die auf solche Jubiläen
achten und auch keinen Geburtstag vergessen können. Die
Vorstellung nichts vergessen zu können ist für mich schreck
lich; aber wahrscheinlich geht es anderen Leuten genau -
gekehrt und sie fürchten nichts so sehr als irgendeine Sache
zu übersehen.
Die Feierlichkeiten sollten in den Räumen der Firmastattfinden damit man das Geld sparen konn
te das die Saalmiete gekostet hätte und wir
waren auch alle der Meinung daß es in
den altgewohnten Räumen viel gemütli
cher sein müßte als in irgendwelchen
vornehmen Klubs oder Restaurants. Die
Feier sollte am Freitag um 13 Uhr mit
tags beginnen was meiner Frau etwas
zu früh vorkam. Aber Walter mit demich deshalb telefonierte meinte man
könne dem Pförtner nicht zumuten am
Tage unseres zehnjährigen Bestehens in
seinem Verschlag zu sitzen und deshalb
wolle man das Hauptportal gegen 14 Uhr mit
tags zusperren und danach würde es schwierig für
jedermann sein überhaupt noch in das Gebäude der Firma
hineinzukommen. Die Bezeichnung »Hauptportal« ist für den
betriebsfremden Leser womöglich irreführend; so nennen wirden Eingang den wir immer benutzen was wir schon aus
dem naheliegenden Grunde tun daß gar kein anderer Eingang
da ist.
Es war ungefähr um halb drei Uhr nachmittags als ich mit
meiner Frau an diesem Hauptportal ankam. Sie hatte soge
nannte feine Garderobe angelegt und sogar ich trug ein recht
weißes Hemd mit einem unbequemen Kragen denn ich weiß
was ich unserer Firma und ihrem zehnjährigen Bestehen
·-; . „.
; :.•.
·. ·
65
»Den Wert der Verwal-
tung erkennt man schon
daran daß wir einen
besseren Kaffee kochenals die meisten Gast-
stätten
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66 Was des Volkes ände schaffen
schuldig bin. Das Hauptportal war übrigens nicht zugesperrt
sondern weit geöffnet und gleich dahinter im Hausflur stan
den einige Kollegen um ein Faß Bier das mit einer Flasche
Kohlensäure verbunden war. Unser alter Pförtner betätigte
sich als Zapfer so gut er konnte; er konnte es aber nicht sehr
gut. Es gelang ihm viel leichter Kohlensäure in die Gläser zu
befördern als Bier was daran lag daß man vergessen hatte
etwas Eis auf das Bierfaß zu legen. Ich fragte meine Frau ob
sie Lust hätte etwas warmes Bier zu trinken aber sie hatte
keine Lust und so gaben wir einigen Leuten die Hand und lä
chelten und blickten etwas verlegen umher ob nicht jemand
da wäre den wir intimer kannten und mit dem wir uns unge
zwungener unterhalten könnten. Der alte Pförtner war offen
bar etwas gekränkt weil wir nichts von dem Bier genommen
hatten und er sagte: »Hier sind auch Spritzkuchen wenn Sie
die wollen.« Neben dem Bierfaß war nämlich auf einem Tisch
eine ungeheure Menge von Spritzkuchen aufgebaut. Ich sagte
ihm daß wir erst etwas später essen wollten und bot ihm
Das gehackte Fleisch war auf
Suppentellern zu Bergen aufge-
häuft höher als ein britischer
eine Zigarette an die zwar nicht gut war aber teuer
und dann gingen wir in den Speisesaal um uns dort
ein wenig umzusehen.
Im Korridor der zum Speisesaal führt war ausS hutzmannshe m.
einigen Büromöbeln eine Bar improvisiert hinter
welcher der Oberbuchhalter Schnaps ausschenkte Davor
standen einige Kollegen und unterhielten sich über Fragen der
Berliner Architektur über den Neuaufbau des Stadtzentrums
und darüber ob es neue Bars geben würde. Der Direktor be
grüßte uns. Er vertrat die Ansicht das Wichtigste in Bars
seien die Bardamen aber seine Frau meinte von Bardamen
könne man wohl nicht sprechen es handle sich bestenfalls um
Barfrauen oder Barfräuleins. Wir machten einige Witze über
unsern Oberbuchhalter als Barfräulein die er aber nicht übel
nahm. Er selber trank übrigens nichts von dem Schnaps ganz
im Gegensatz zum stellvertretenden Leiter des Fuhrparksder an der Theke des Oberbuchhalters geradezu festgewach
sen zu sein schien.
Als wir in den Speisesaal gingen kamen uns zwei Frauen aus
der Expedition entgegen die sich gegenseitig stützten. Eine
von ihnen sah uns mit sehr großen Augen an und sagte zu
meiner Frau: »Mann bin ich blau.« Dann verschwanden sie in
der Toilette. Im Speisesaal gab es Musik vom Plattenspieler.
Einige Paare tanzten. n den Tischen saßen ältere Betriebs-
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Was des Volkes ände schaffen
angehörige mit ihren Frauen und tranken Kaffee oder Wein.
Die ganze Längswand war mit Pappe verkleidet und einige
Kollegen mit Talent zum Zeichnen hatten Karikaturen darauf
gepinselt von denen manche sehr lustig anzusehen waren.
Wir beglückwünschten unseren Freund Thomas der diese
Dekorationen arrangiert hatte. In diesem Moment kam Spie
gel auf uns zu der Lagerverwalter.»Na hört mal« sagte Spiegel »ihr steht hier
rum als wärt ihr in einem Museum. Das ist aber
nicht der Sinn des Tages. Heute wird gefeiert.
Hier hat keiner rumzustehen ohne ein Glas Bier
in der Hand und zwar ein volles denn Spiegel
hat vorgesorgt. Geht mal rauf es ist in allen
Etagen was los und nen kleinen Imbiß könnt
ihr auch oben kriegen.«
..-
Wir gingen hinauf um Spiegel nicht zu kränken.Die einzelnen Büros waren von lachenden Leu
ten bevölkert die fast alle gleichzeitig sehr laut
redeten. Auch Spiegels Büro war aufgeräumt
worden und auf seinem Schreibtisch lag nicht
die kleinste Aktennotiz. Ich hatte bis zu meinem
Ausscheiden vor einem Jahr insgesamt neun
Jahre in der Firma gearbeitet aber es war mir
niemals in den Sinn gekommen daß Spiegel
überhaupt imstande sein könne seinen Schreib-tisch aufzuräumen. Ich sagte es meiner Frau
die Spiegel daraufhin ein Kompliment machte.
»Was blieb mir anderes übrig« sagte Spiegel
»wir brauchten doch den Platz für die Gläser und
einen kleinen Imbiß.« Tatsächlich waren so weit
ich sehen konnte alle Schreibtische mit Gläsern
und vor allem mit gehacktem Fleisch und mit
Wurst bedeckt. Das gehackte Fleisch war auf
Suppentellern zu Bergen aufgehäuft höher alsein britischer Schutzmannshelm. Auf anderen
Tellern lagen daumenlange Stücke von Jagd- und
Fleischwürsten. Diese Berge waren allerdings
etwas niedriger denn wenn Spiegel sie so hoch
.
gebaut hätte wie die Hackfleischberge so wären sie unwei
gerlich zusammengebrochen.
Meine Frau sagte: »Solche Fleisch- und Wurstmengen habe
ich noch nie auf einem Haufen gesehen.« Spiegel entgegnete:
--
67
.
rfahrungsaustausch
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68 Was des Volkes ände schaffen
»Da müßten Sie mal die Schlachthöfe von Chicago sehen, die
haben da noch mehr von solchem Zeug. «
»In Chicago vielleicht«, sagte meine Frau, »aber das ist wahr
scheinlich auch der einzige Ort auf der Welt, an dem mehr
Fleisch und Wurst gelagert wird als hier.«
Ich kostete von der Jagdwurst, die fett und salzig war. Spie
gel lächelte befriedigt und sagte: »Wenn du die Wurscht so
trocken nicht runterkriegst, dann nimm dir ne Schrippe
dazu.«Die Schrippen hingen in einem Netz an der Türklinke.
Das Waschbecken war mit Weißweinflaschen gefüllt, über die
kaltes Wasser hinweglief, und unter dem Waschbecken stan
den etwa zwanzig Flaschen Rotwein und ungefähr zehn Fla
schen Dessertwein. In den Sesseln streckten sich einige mei
ner früheren Kollegen und tranken Wein. Manche aßen auch
von der Wurst, was ihren Durst steigerte, obwohl sie nur
wenig aßen.Meine Frau fragte mich, ob wir nicht in einen Raum gehen
konnten, in dem etwas weniger Fleisch und Wurst sei, und so
Ich trank mit Thomas ein Glasgingen wir nach nebenan. Von dort hatten wir schon
vorher das dröhnende Lachen von Erwin gehört, der
mit mir gemeinsam aus dem Betrieb ausgeschieden
war und gleich mir aus alter Anhänglichkeit zur heu
Wein um ihn über seinen
Schmerz hinwegzutrösten
tigen Feier eingeladen worden war. Erwin, den jeder von uns
nur Onkel Erwin zu nennen pflegte, erzählte gerade von sei
nen Erinnerungen an die Zeit, in der er Repetitor und zweiter Kapellmeister bei einem Wandertheater gewesen war. Ich
kannte seine Geschichten; sie waren gut. Wir blieben da,
schon weil meine Frau Onkel Erwins gute Geschichten nicht
kannte, und er berichtete von dem Tag, an dem er mitsamt
dem Dirigentenpult zusammengebrochen war, und welche Po
pularität ihm dies bei sehr vielen Leuten eingebracht hatte.
Von jenem Tage an hatte man nämlich in einer ganzen Reihe
von Ortschaften Engagements des Wandertheaters davon ab
hängig gemacht, daß der Kapellmeister dirigieren müsse, dermitsamt dem Dirigentenpult zusammengebrochen war.
Als Onkel Erwin eine Pause machte, sagte meine Frau zu
ihm: »Jetzt müssen Sie sich aber stärken «Denn auch auf dem
Tisch neben Onkel Erwin standen Teller mit großen Hack
fleisch- und Wurstbergen. Die Leute aßen auch davon, aber
man konnte nicht sehen, daß es weniger wurde. » ein«, wehr
te Onkel Erwin den Vorschlag meiner Frau ab, »ich esse heute
weder Fleisch noch Wurst, denn ich mache eine Kur. « Dann
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Was des Volkes ände schaffen 69- . • II , , oa • , • lt • , . t '·a· d ·ult · lt ·Mil Z.Li Sill 5 • JSJl-:_'.,ß USS 221 Eil 2 i 1 ik 21 :3 Mali Si 5 s.;;:= R • M
trank er ein großes Glas Rotwein aus. »Ich mache nämlich
eine Rotweinkur; sie ist zwar teuer, aber gesund, denn Rot
wein ist das gesündeste Getränk, das es gibt.«
»Ich dachte, Milch ist das gesündeste Getränk«, sagte ich.
»Nein«, korrigierte mich Onkel Erwin, »Milch ist zwar gesund,
aber Milch ist kein Getränk. Meine Kur schreibt mir vier Fla
schen Rotwein pro Tag vor.«Er deutete mit der Hand auf dreinoch volle Flaschen Rotwein, die unter seinem Stuhl standen.
Meine Frau ging das Fenster öffnen, weil es ihr zu stark nach
Wurst roch. Eine Sekretärin kam herein und setzte sich auf
meinen Schoß und sagte: »Warum bist du so schrecklich nüch
tern?« Ich klopfte ihr auf den Rücken und wusste nicht recht,
UtJSElE ~ Z E l a i N U N uRL.6 SOZIALl Tl5CHESKOLLEKTIV ~ N N JliFEJERLIOI WERT EN "
ßl.1uJfDE·FEST
OHNfEH EfRJIUEN ?
was ich tun sollte, bis ihr Mann hereinkam und sie weghol
te. Unser Werbeleiter, der bis dahin stumm in der Ecke ge
sessen hatte erwachte aus seiner Lethargie und verkündete:
»Ich beherrsche drei Sprachen « Meine Frau war die einzige,
die den Witz noch nicht kannte; sie erkundigte sich bei ihm,
welche Sprachen das seien, und der Werbeleiter erläuterte:
»Laut, leise und langsam « Aus Gewohnheit lachten wir alle.
»Was lacht ihr denn?« fragte Spiegel, der in diesem Augen
blick das Zimmer betrat. »Habt ihr nichts mehr zu trinken?
Warum ißt niemand?« Er hatte beide Hände voller Weinfla
schen. »Wo ist Drops?« fragte er. Onkel Erwin gab Auskunft:
»Drops ist nicht hier, er muß unten sein. Wir wollten ihn nicht
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Es lebe der 1. Mai, der
Kampf und Feiertag
der Werktätigen der
ganzen Welt für Frie-
den Demokratie undSozialismu s
Was des o lkes ände schaffen
hier haben. Er fing schon wieder an, leere Flaschen aus dem
Fenster zu werfen, und wir haben ihn weggeschickt. Ich hatte
Angst, es könne ihm noch einfallen, auch volle Flaschen aus
dem Fenster zu werfen.«
»Aha«, sagte Spiegel, »soll ich noch etwas zu essen holen?«
Aber es waren noch genügend Vorräte da. Meiner Schätzung
nach hatte sich Spiegel auf eine Speisung der Fünftausend
eingerichtet, obwohl höchstens achtzig Gäste da waren.
Meine Frau stellte plötzlich fest, daß wir Thomas Frau noch
gar nicht gesehen hatten Ich sagte: »Ent-
schuldigt uns mal, wir wollen mal sehen, wo
die Frau von Thomas steckt.« Dann gingen
wir sie suchen.
Im Erdgeschoß gab es an der Bar des Ober-
buchhalters gerade eine Auseinandersetzung
zwischen Drops, der spaßeshalber die
Schnapsgläser an die Wand werfen wollte,
und dem Barmann, der die Gläser lieber auf
dem Schanktisch gesehen hätte. Die Ausein-
andersetzung endete damit, daß Drops die
ganze Bar umwarf, dem Oberbuchhalter eine
Ohrfeige und einer dazwischentretenden on-
toristin einen Kinnhaken verabreichte und
daraufhin durch den Direktor von der weite-
ren Teilnahme an der Feier unseres zehnjäh-
rigen Bestehens beurlaubt und hinausgewor-
fen wurde. Die Kontoristin begann zu weinen,
so daß meine Frau sich bemühte, sie zu trö-
sten. »Er hat mir einen Kinnhaken gegeben«,
sagte die Kontoristin, »und nun kriege ich Nasenbluten.« Sie
kriegte es tatsächlich. Alle waren sehr nett zu ihr und mach-
ten Witze; so hörte sie bald zu weinen auf.
»Wir wollen doch die Frau von Thomas suchen«, erinnerte ich
meine Frau. Aber wir brauchten nicht mehr zu suchen, denn
sie kam gerade die Treppe herunter und machte ein ganz
böses Gesicht. »Wo ist mein rechter Schuh?«rief sie verärgert.
Sie hatte in der Tat nur noch einen Schuh an, und zwar genau
den rechten, wohingegen ihr der linke fehlte. Ganz offensicht-
lich war sie in einem Zustand der Erregung, in dem man wohl
links und rechts einmal verwechseln kann, und im Grunde
war ja auch nur wesentlich, daß ihr ein Schuh fehlte, und
nicht, welcher Schuh ihr fehlte. »Es war so ein guter Schuh«,
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asdes olkes Hände schaffen
klagte die Frau von Thomas »und jemand muß ihn mir weg-
genommen haben.« Einige Kollegen machten sich auf die
Suche nach dem Schuh ausgenommen Thomas selbst.
Thomas tanzte im Speisesaal und war seiner Frau böse weil
ihr der Schuh abhanden gekommen war. »Natürlich« sagte er
»natürlich mußte sie den Schuh verlieren. Ich habe es vorher
gewußt. Sie läßt keine Gelegenheit vorübergehen mich zublamieren.« r schien davon überzeugt zu sein daß die Frau
den Schuh absichtlich verloren habe um ihn zu blamieren. Ich
trank mit Tho·mas ein Glas Wein um ihn über
seinen Schmerz hinwegzutrösten. Dann ging
ich wieder hinauf zu Onkel Erwin wo ich
neben anderen die Frau von Thomas und
meine Frau fand. Man hatte den verlorenen
Schuh wiedergefunden und nun weinte die
Frau von Thomas. Meine Frau gab ihr einBrötchen mit Wurst doch sie weinte weiter.
Spiegel brachte zwei neue Teller mit Wurst
sowie zwanzig Flaschen Wein und dabei
saßen doch höchstens zehn Gäste in diesem
Raum. Onkel Erwin schloß die Fenster denn
es war ihm inzwischen zu kühl geworden. Vor
den Fenstern war schon die Dunkelheit denn
wir feierten unser zehnjähriges Bestehen an einem Tag im
Frühjahr und da blieb es nicht lange hell am Abend.In allen Stockwerken war noch Betrieb als wir nach Hause
gingen; es wurde getanzt und getrunken gelacht und geweint
geredet und gesungen und Spiegel schleppte unermüdlich
neue Vorräte von Hackfleisch Jagdwurst Fleischwurst und
Wein herbei. » u bist mit deinen früheren Kollegen gar nicht
so richtig warm geworden« sagte meine Frau. »Vielleicht bist
du schon zu lange aus der Firma heraus.«
»Ich weiß nicht ob es das ist« sagte ich »wir haben uns ei-
gentlich immer sehr gut verstanden. Es ist ja gar nicht solange her daß ich in der Firma gearbeitet habe. Früher war
es ein bißchen anders. Da hatten wir auch nicht so schreck-
lich viel zu essen und zu trinken vor allem nicht so viel zu
essen. Vielleicht ist es das. Ich weiß nicht ob es das ist aber
vielleicht ist es das.« Mir war warm geworden und ich freu-
te mich schon darauf daß ich zu Hause mein Hemd auszie-
hen konnte.
71
00
DEINE HAND
FÜR DEIN · PR ODUKT
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7
Halberstädter Würstchen
- lecker und rar Zeitweise
verschwanden sie ganz
aus den Läden um in
Griechenland Zypern
oder der Bundesrepublik
wieder aufzutauchen.Mitte der siebziger Jahre
gab es die Halberstädter
in den Delikat-Läden«-
manchmal. Ubrigens: Aus
Halberstadt kamen 30
Prozent der gesamten
DDR-Wurst und -Fleisch
produktion.
Was des Volkes ände schaffen
Alfred Schiffers
a te oiHOS„
or ' ors
10.00:10.15:
10.50:
14.00:
14.10:
14.12:
14.15:
14.20:
15.00:
15.20:
15.25:
15.50:16.00:
16.15:
16.20:
16.45:
17.49:
17.59:
18.00:
18.01:
Ende.
••
Offnung der Bockwurstbude.Vorübergehende Schließung der Bock
wurstbude. Anruf im VEB Bockwurst:
Bockwürste liefern
Wiedereröffnung der Bockwurstbude.
Vorübergehende Schließung der Bock-
wurstbude wegen Warenannahme Bock-
würste).
Einfüllen des Wassers in den Topf.
Wiedereröffnung der Bockwurstbude.
Vorübergehende Schließung der Bock
wurstbude zwecks Beschaffung von
Streichhölzern.
Entfachung eines Feuers untenn Topf.
Wiedereröffnung der Bockwurstbude.
Einlegen der Bockwürste in den Topf.
Vorübergehende Schließung der Bock
wurstbude zwecks Bestellung von Senf
beim VEB Mostrich.
Wiedereröffnung der Bockwurstbude.Vorübergehende Schließung der Bock
wurstbude wegen Warenannahme Senf).
Wiedereröffnung der Bockwurstbude.
Vorübergehende Schließung der Bock
wurstbude. Anruf beim VEB Pappteller
zwecks Lieferung von Papptellern.
Wiedereröffnung der Bockwurstbude.
Vorübergehende Schließung der Bock
wurstbude wegen Warenannahme Papp-teller).
Wiedereröffnung der Bockwurstbude.
Schließung der Bockwurstbude. Heraus
nahme der Bockwürste aus dem Topf,
Einlegen in Salzwasser.Blick in die Kasse. Feststell11ng, daß sich
stundenlanges Abrackern auch nicht
auszahlt.
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7 eißer Sommer
ochen Petersdorf
Manche wissens ja bereits, meine Frau raucht auch. Und nicht
schlechter als ich. Wrr haben auch häufig Gäste. Alles Raucher.
Andere würden es nicht überstehen.Die Tapete unseres Wohnzimmers war vor zwei Jahren zart
gelb vorige Woche kaffeebraun. Und wir kochen keine Schmun
zelbrühe.
Kurz und gut, die Bude war fällig.
Das Tapetengeschäft gerammelt voll.
Von Menschen. Die Anzahl der Tapeten war nicht ganz so groß,
aber es gab fast dreißig Sorten.
Die Industrie stellt ein paar hundert Sorten her, habe ich in der
Zeitung gelesen. Der Leiter des Tapetengeschäfts liest wahrscheinlich nur das »Sportecho«.
Im Warenhaus stieß ich auf MischwaldMeine Frau fand trotzdem etwas Passendes.
Birkenwäldchen hatten sie nichtAuch was den Preis betraf. Da sah ich plötzlich
• •
diese Dinger. Ubem1annshoch und einen guten
Meter breit. Auf dem einen war ein hübscher
Kirschzweig, auf dem anderen ein Birkenwäldchen mit einem
schmalen Weg der nach hinten immer enger wurde und
schließlich hinter einem Gebüsch nach rechts abbog.
»Was ist das?«fragte ich die Verkäuferin.»Das sinn Dierfohdohs«, sagte sie.
»Aber es sind ja gar keine Tiere drauf.«
»Fier de Flur- oder Stupendiere « rief sie und beschoß mich mit
einem ungeheuer verächtlichen Blick.
»Ach so« murmelte ich und fragte meine Frau: »Gefällt dir so
was?« - »Nein«, meinte sie.
Daraufhin kaufte ich das Birkenwäldchen mit dem schmalen
Weg.
Unser Flur ist nicht sehr lang, aber immerhin länger als breit.An der Stirnseite, von der Wohnungstür aus gesehen, ist ein
Einbauschrank. Dort haben wir das Bettzeug drin und allerlei
anderen Krempel.
Ich klebte das Birkenwäldchen an den Einbauschrank. Die Wir
kung war verblüffend.
Betrat man nun die Wohnung glaubte man, am Anfang eines
romantischen Waldweges zu stehen, der sich durch einen Bir
kenhain schlängelt und in der Feme rechts hinter einem Ge-
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eißerSommer
• • •• 1
••
••
..__
büsch im Schlafzimmer verschwindet. Auch meine rau fand
die Sache ganz putzig. Sie ist nämlich sehr naturliebend, hat
nur etwas gegen die weit verbreitete Fotografiersucht. Aber
die Orientierungswanderungen, die unsere Heimatzeitung regelmäßig veranstaltet, macht sie ebenso regelmäßig mit. Des
halb gefiel ihr nun wohl auch der Weg durchs Birkenwäldchen.
Aber mich störte etwas. Die Illusion hatte einen Haken. Einen
optischen Knick oder, wenn man so will, Stilbruch. Die alber
ne Streifentapete unseres Flurs ging nicht nahtlos ins Birken
wäldchen über. Man mußte von der Wohnungstür aus zu lange
laufen, bis man in der Natur war.
Ja, wenn der ganze Flur von vorn bis hinten mit Birken beklebt
wäre, sähe die Sache anders aus: Man kommt nach Hause,schließt die Tür auf und steht im Wald. Jetzt ahnen Sie schon
etwas? Jaja, aber so einfach war das nicht.
Ich klapperte alle einschlägigen Geschäfte ab. Alle Birken
wäldchen-Fotos waren gleich.
In der Mitte der Weg, der nach hinten immer schmaler wird und
schließlich hinter einem Gebüsch nach rechts abbiegt. So etwas
kann man natürlich nur an die Stirnseite kleben. Die gleichen
Bilder rechts und links den Flur entlang würden den Effekt
75
S c h u l z ~ s v o r l ·neben;;
an wollen sich heute
~ b e n d lplSer: ~ a d i : ~ ilJorgen«, sagt die
l o c h t e J ; ~ .·
F ~ a g t J ~ ~Brdder:
»Wollen die etwat A ± l z e D ? < ii . . };i>
> Nein«, knurrt der
·Vater, >llie wollenschlafen.«
-
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7 eißer Sommer
einer großen Waldlichtung ergeben, von der nach allen Seiten
Wege abgehen. Man käme sich irgendwie hilflos, wenn nicht
sogar verirrt vor und könnte vor allem nachts beim gedämpften
Flurlicht auf dem Gang zur Toilette Angstzustände bekommen.
Also mußten einzelne Bäume her. Wald ohne Weg. Um es kurz
zu machen: Ich hatte Glück.
Nicht in Berlin, aber in Spremberg, wohin mich eine berufliche
Angelegenheit führte. Dort stieß ich im Warenhaus auf Misch
wald. Birkenwäldchen hatten sie nicht. Aber in diesem Misch-
wald kam auch etwas Birke vor so daß ich überzeugt war, er
D BV t lt· h ·t würde in unseren Flur passen.
er s e e sie m amen . . .
und Dienstgrad vor dann sagte
er uns die genaue Uhrzeit und
seine Meinung .
Außerdem kaufte ich noch einen Blick von der neuen
Dresdner Elbbrücke, unter der gerade ein Fahrgast
schiff mit fröhlich heraufwinkenden Menschen hin
durchfährt.
Das Dampferfoto klebte ich an eine Wand der Duschecke unserer Toilette. Natürlich überpinselte ich es noch mit Latex.
Wegen der Feuchtigkeit. Von nun an war das Duschen jedes
mal ein Erlebnis. Ich glaubte stets, in strömendem Regen auf
der Elbbrücke zu stehen und konnte mich nicht genug freuen
über die prächtigen DDR-Bürger auf dem Schiff, die trotz des
miesen Wetters fröhlich und optimistisch zu mir heraufwink
ten. Bald hatte ich mir ihre Gesichter alle eingeprägt. Den Dün
nen mit der auffällig großen Hakennase habe ich neulich sogar
mal im Warenhaus am Alexanderplatz getroffen. Er tat aber,als kenne er mich nicht. Was mich nicht wundert, denn die
Blondine, die er zärtlich am Händchen hielt, war wesentlich
knackiger als das untergehakte Muttel auf dem Dampfer.
Doch das nur nebenbei.
Zurück zum Flur.
Waren Sie schon mal auf dem Darß oder im Thüringer Wald?
Können Sie glatt vergessen, wenn Sie gelegentlich einen Blick
in meinen Flur werfen. Das ist ein Wald wie er im Bilderbuch
steht. Natur plus Fotokunst. Mit einem Wort: Kein schönerLand in dieser Zeit.
Ich habe ihn auch mit etwas Fauna durchsetzt. Auf der Rotbu
che an der Stubentür hockt eine prächtige ausgestopfte Eule,
und aus dem Haselnußstrauch neben der Toilettentür lugt ein
Rehkitz. Es ist ziemlich klein, denn ich habe es aus dem
»Bummi « ausgeschnitten.
In der NBI war mal ein größeres. Doppelseitig. Als Poster mit
der Jimmy-Wood-Combo drumrum. Und diese Jungs haben alle
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eißerSommer
einen leichten Schimpansen-Look. Musikalisch sind sie j nicht
schlecht, aber in meinem Wald möchte ich ihnen nicht begegnen.
Vorigen Freitag rief ich meine Freunde an. Ernst, Manne, Elli
und Antek sowie Horst und Reni.
»Morgen läuft ein Ding«, sagte ich. »Picknick im Walde Wir
treffen uns um 19.30 Uhr vor unserem Haus «
Lediglich der schlaue Manne sagte: »Zu dieser Jahreszeit einPicknick? Und dazu noch nachts? Warum denn nicht am Tage?«
»Tagsüber muß meine Frau die Wohnung säubern und den Flur
harken.«
»Wieviel hast'n heute schon wieder genascht?«rief Manne und
kicherte anzüglich.
Aber er sagte zu.
Am nächsten Abend versammelten wir uns alle vor
unserm Haus. Antek war im Lodenmantel erschie
nen, und Elli trug Gummistiefel, denn es nieselte.»Wolln wir nicht lieber in deiner Wohnung picknik
ken? « fragte Reni, »wir holen uns j sonst alle die
Grippe.«
»Wie ihr wollt«, sagte ich. »Kommt hoch.«
Als sie die Wohnung betraten, standen sie wie vom
Donner gerührt. Meine Frau hatte die grüne Flur
lampe angeschaltet, und aus der Stereoanlage im
Wohnzimmer erscholl der Jägerchor aus dem Frei
schütz.»Ich glaub mich knutscht ein Elch«, schrie Ernst.
Er hatte sich als erster gefangen und brach denBann der Ergriffenheit. Ein riesiger Tumult begann. Alle quirl
ten durcheinander, beklopften die Bäume, streichelten das Reh,
tippten der Eule an den Schnabel, und Antek versuchte sogar,
seinen Lodenmantel an einen Ast der Rotbuche zu hängen.
»Garderobe dort hinter der Krüppelkiefer«, rief meine Frau.
»Und die Gummistiefel nicht ins Gebüsch, sondern auf die Toi-
lette in die Duschecke Die Toilette ist hinter der Rotbuche mit
dem Herzchen «
Elli verschwand hinter der Buche. Als sie wieder hervorkam,
rollte ihr eine Träne übers Gesicht. »Onkel Max«, schluchzte sie.
»Vorige Woche haben wir ihn begraben, und hier fährt er
quietschvergnügt aufm Dampfer und winkt sogar.«
Verflucht noch mal. Wer hätte das geahnt
»Kinder«, rief ich, »das Leben geht weiter Laßt uns einen zur
Brust nehmen. Prosit. Schirijoh «
77
>>Im Rahmen der allge-
meinen Umstellung auf
Selbstbedienung eröffne
ich die diesjährige agd-
saison
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8 e i ßer Sommer
Wir breiteten ein paar Decken aus, hockten uns hin und ließen
die Gläser klingen. Es kam Stimmung auf. Elli fing an, recht
derbe Witze zu erzählen, die sie von Onkel Max geerbt hatte.
Meine Frau servierte Mititei, frisch aus der Bratröhre. Ich ver
sprühte Tannenspray. Gegen den Knoblauchduft.
Dann legte ich die Stimmungsplatte auf. »Denn im Wald da
sind die Roheuber, halli hallo, die Roheuber ...«Beim Kasatschok fiel die Eule herunter. Ich trug sie in die
Küche und legte sie in die Bratröhre. Meine Frau sagte: »Trink
nicht so hastig « und setzte sie wieder auf ihren Ast. Antek
hatte sich eine Flasche Wurzelpeter mitgebracht.
Als r keinen Tropfen mehr herausbekam, den Arm hob und
sang: »Er nahm die Büchse, schlug sie an ein' Baum«, riß ich
ihm die Buddel aus der Hand und versuchte sie zu vergraben.
Horst hatte unser Brotmesser aus der Küche geholt und be-
gann, ein Herz in die Rotbuche zu schneiden. Ich legte schnellseine Lieblingsplatte »La Paloma« mit Hans Albers auf und ret
tete den Baum.
Der ABV ist ein anständiger Kerl
s hätte teuer werden können
Antek machte plötzlich einen Heidenkrach, weil
seine Frau Elli sich weigerte, mit ihm Brüderschaft
zu trinken.
Ernst schlichtete den Streit mit dem genialen Vorschlag, eine
Treibjagd zu veranstalten. Wir schleppten alle verfügbaren
Topfdeckel zusammen und stolperten mit mörderischem Krach
durchs Unterholz.Manne stieß dabei mehrmals den Hetzruf aus: »Hussassa, pack
die Sau «
Da klopfte es an der Wohnungstür. Ich öffnete und rief: »Waid-
mannsheil, Herr Oberförster.«
Aber der Grüne war unser ABV. Er stellte sich mit Namen und
Dienstgrad vor, obwohl ich ihn genau kannte. Dann sagte er uns
die genaue Uhrzeit und seine Meinung. Ich versuchte gegen
zuhalten. Aber er hatte die besseren Argumente. »In Ordnung«,
sagte ich. »Ich blase jetzt zum Halali.«»Unterstehen Sie sich«, rief er. »Sonst sind Sie die Trompete los
und ein bißchen Taschengeld « Dann ließ er seinen Blick noch
kurz durch unseren Flur schweifen, schüttelte den Kopf und
ging mit kurzem Gruß.
»Ein anständiger Kerl«, sagte ich. »Es hätte teuer werden kön-
nen.«
»Wegen dem bißchen Krach?« krähte Antek.
»Quatsch«, sagte ich. »Deshalb doch nicht. Aber er hat groß
zügig übersehen, daß wir alle im Wald geraucht haben «
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eißer Sommer•
Hansjoachim Riegenring
Da war vielleicht was los, als am Montag der Platzkartenschal
ter vorzeitig geschlossen wurde. Zwei Stunden hatten manche
angestanden, und dann durften sie abziehen, ohne überhauptnach ner Karte fragen zu können.Ich glaube, ich war der letzte, der bedient wurde. »Ich möchte
übermorgen nach Erfurt«, sagte ich, »erster Klasse, mit dem
D 138.«
Der Platzkartenverkäufer nahmeine Karte, schrieb Wagen- und
Platznummer drauf, verlangte
eine Mark und gab mir die
Karte. Ich hatte nichts gegenden Mann. Bestimmt nicht.
Ich betone das, weil mir am
Fahrkartenschalter folgendes
passiert war. Ich verlangte eine
Karte erster Klasse D-Zug nach
Erfurt. Die Fahrkartenverkäufe-••
rin fragte: »Uber Leipzig? « und
ich antwortete: »Wieso über
Leipzig? Ich will mit der Bahnfahren und nicht fliegen. «
•••; „ „
Daraufhin wollte die Kollegin wissen, ob ich etwas gegen sie
hätte.
Also noch mal: Ich hatte nichts gegen den Mann am Platzkar
tenschalter. Ich wollte nur ganz sicher gehen beziehungswei
se fahren und erkundigte mich höflich: »Es ist doch hoffentlich
ein Sitzplatz?«
» st doch wohl klar«, meinte er.
So klar fand ich das gar nicht. »Ich habe mal für ein FußballLänderspiel eine Karte gekauft, zum doppelten Preis, auch an
geblich ein Sitzplatz. Und was durfte ich? Stehen «»Im D 138« sagte er »wird nicht Fußball gespielt. Beruhigt Sie
das?«
»Ungemein. Besten Dank. Dann ist ja alles in Ordnung.«
Ich sah mir die Karte flüchtig an. »Platz Nummer 53, ist das in
einem Raucherabteil?«»Wollen Sie damit andeuten«, fragte er aber nicht mehr ganz
79
[
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8 eißer Sommer
so freundlich, »daß Sie lieber in einem Nichtraucherabteil fah-
ren möchten?«
»Sie können Gedanken lesen« nickte ich anerkennend.
Er schrieb eine neue Karte aus. »So, bitte, D 138 übermorgen
erster Klasse Nichtraucher. Und nun machen Sie bitte für den
Nächsten Platz. Vorwärts «
»Gut, daß Sie daran gedacht haben. Rückwärtsfahren vertrage ich nämlich nicht. «
Er sah mich mit einem Blick an, den ich als außerdienstlich be-
zeichnen möchte. Ich kann mir nicht denken, daß ein Eisenbah
ner einen Reisenden dienstlich zum Teufel wünschen darf. Er
schrieb eine neue Karte aus. Er mußte sie dreimal schreiben,
weil seine Hand etwas zitterte.
»Vielen, vielen Dank « rief ich ihm herzlich zu und nahm die
Platzkarte. »Und sogar ein Eckplatz «
Meinen freundlichen Abschiedsblick konnte er nicht erwidern,weil er gerade eine Handvoll Beruhigungstabletten schluckte.
»Nur eine letzte, winzig kleine Bitte noch«, sprach ich ihn vor-
sichtig an, »ich glaube, Sie haben die Platzziffer falsch geschrie
ben.«
Seine Augen waren wie die Scheiben eines Vorartzuges. Trübe.
»Es ist doch ein Eckplatz «flüsterte er.
»Aber am Gang Jeder, der raus und rein will, klettert über
meine Beine.«
Er schrieb eine neue Karte aus. Beim achten Versuch gelang
Er legte einen Stapel Blanko-Platz
karten vor mich hin schloß das
Fenster und hängte ein Schild auf:
es ihm.
»So «, sagte er mit letzter Kraft, »mit dieser Karte
fahren Sie in einem Nichtraucherabteil auf einem
Fensterplatz des D 138 nach Erfurt, und zwar vor-
wärts Sind Sie nun endlich zufrieden?«egen Krankheit geschlossen.
»Vollkommen « rief ich. »Und nochmals herzlichen Dank Nur
eine Frage noch - ich fahre zwar vorwärts, aber nur bis Leip-
zig, stimmt's? Das ist ein Kopfbahnhof. Da müßte ich eigent
lich den Platz wechseln, sonst fahre ich von Leipzig nach Er-
furt rückwärts.«
Da legte er einen Stapel Blanko-Platzkarten vor michhin warf
seine Essenmarken, seine Angelkarte und einen Postabholer
ausweis dazu, schloß das Fenster und hängte das Schild auf
»Wegen Krankheit geschlossen«.
Eigentlich wollte ich noch beim Fleischer Gulasch kaufen.
Oder lieber nicht?
Es ist nämlich der einzige Fleischer in unserer Gegend.
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•
erte GiJstel
lhMA der·Aufonthalt in unsetcm\ Haus immer angonehmerbetatüht sich das gHOmf.e Kol6elctiv um Qine gute kulturelle
g o s t r o n o m ~ e Bettwung. die Sie w e i ~ unterstützen
Sie unsere Hausotdnung oinholten.
~ o U N r d n u n g verlangt von lhnon* . ·zv becachtea„ cloßwir nur noch Sibplclt:1kart• wHkouf4tn 11111d er:sudtt S . cforum„ RGdMI••• clo•Housauwedwndt ist. dcas a11tzw•
Wärt• vor d•m Houp1:ei119 a119 za val•lo11ea und noch Kaute
zugehen•
clcdl die TWM»tdnung eift9ehcaltiln wird
keine 6n.'1G.huae won Getränlultt bo St.II111
die Sa:u•11Wtw19 cler Thd..d1cflet1 uad d1s fulllnnlz•s
ke"9 ge9w l t lg Sratun auf dein Scl.e8 d e Arid,....„
bin SJelcf.en Tltdt
b i n Alkoholmiat.tauch.
kai•• Btrchlcllgung von Sodcwectila wie Tisdte„ Stahl.# GJa... „
At J11nb•d 1 r und Bawubsticman
keine lnsn11ierung waa e w o t t t a t i g ~eine TGM el'fonletfiche. Ktectuna
die Einholtungd ugeftCl1chuages1ba.
wünschen uns eine positiv• Untetstütiung Ihrerseits; urra genann-
Kriterffm unse r H a ~ n u n g dut<hzusetz«t. . ...
it werden ouf der gesetzlichen Gnmdlage gegen diejenigen vord;Q sida lJnS4INn Anordnungen w i d ~ c m .
tatkräftigen U n t e r s t ü t z ~ des gesamten Kolloktiw ist eine Ord- 'gebildet O f d e n ~ deren Mitad;)Qit Sie unbedingt respek
mÜSS8fl.
1_.
Konzm- und Veranslallungshaus
Lintkngarten KG
ga trieJnJ.Uung
. „....., ..... ~ „ „ ~ _ . I·t - - - ·::.:.;,.· ~ y , ; ; _ : ~ ~ - W W · , ( l ~ t \ < t • M f ; · - 4 , . . . . ~ J Y > : 111
~ • i a .Jl Oa Gesicht · . · : · · · o: ··
Der Rat der ~ t ~ ~ t ~ a t auch ...dieDienstleistungen für dit Badegaste
erweite1·t.. Ab diesem Jahr werdennicht nur Badsebegleitungen ausge-liehen. sondern auch Liegestühle
.
•
.•
1 .
,,
•
•--
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8 eißer Sommer
einz Eckler
t ~ rDer Arzt sagt: »Sie brauchen einen Garten. Ausgleichsbeschäf
tigung, ein bißchen körperliches Austun, Grünes für die Augen,
Vitamine für den Kreislauf, einen Liegestuhl zum Ausbaumelnder Nerven.« Wildbruch ist schockiert. Aha, denkt er, jetzt kom
men sie mir mit Naturheilverfahren. Er will schroff ablehnen
mit dem Hinweis auf seine beruflichen und gesellschaftlichen••
Verpflichtungen, auf seine Uberzeugungen und überhaupt. Aber
der Arzt handelt ihm das Zugeständnis ab, noch mal in Ruhe
darüber nachzudenken. Und als Wtldbruch hinaus ist, führt der
schlaue Doktor rasch einige Telefongespräche: mit dem Partei
sekretär, mit der Ehefrau, mit dem Chef Wildbruchs. Nach einer
Woche ist Genosse Wildbruch perspektivisch auf einen Schrebergarten ausgerichtet. Er glaubt mit der Kraft der Verzweif-
"ldb h . lung daran, daß er nur mit Hilfe eines Schrebergartens~ n o ~ s V' ' ruc ist vo . imstande ist, seine frühere Spannkraft wiederzugewin-, ~ e g r i e r t in das gesamte klein- nen. Er sieht sich mit einem Strohhut und mit halblangartner1sche Geschehen.
ger Pfeife an Rosenstöcken herumbosseln.
Wider Erwarten, ein wenig mit Nachhilfe höherer Gewalten, er
gattert Wildbruch recht bald eine Parzelle in der Anlage »Früh
lingserwachen«. Die Beete sind nur leidlich verunkrautet, und
die Laube kann mit erschwinglichem Aufwand zu einer Restnutzungsdauer veranlaßt werden. Nach vier Wochen hat Wild
bruch schon Schwung in der Sache. Die körperliche Arbeit be
kommt ihm wie Medizin nach Noten, und nun ist bereits jene
Phase in Aussicht, da er das Rackern im angenehmen Rhyth
mus mit Bosseln, Baumeln und Bräunen durchsetzen kann.
Da lehnt sich der Spartenvorsitzende über den Zaun.
»Na, Genosse Wtldbruch, schon eingelebt in unserer Gemein
schaft?«
Darüber hat sich Wildbruch noch keine Gedanken gemacht. Erist die ganze Woche über immerzu in Gemeinschaft und hatte
mit dem Garten eigentlich mehr die Ruhe und den Dialog mit
der Natur im Auge.
»Wird schon, wird schon, lieber Gartenfreund « setzt sich der••
Vorsitzende über Wildbruchs Sprachlosigkeit hinweg. »Ubri-
gens, am Sonnabend ist Großeinsatz am Spielplatz. Zaun strei
chen, das Karussell reparieren, ein bißchen planieren, frischen
Kies anfahren, na, du weißt schon, was so alles nötig ist für
das Kinderfest in vierzehn Tagen. Die Gartenfreunde rechnenmit dir. Glück auf «
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eißer Sommer
»Glück ab « dankt Wtldbruch überwältigt und läßt einige Hoff
nungen auf Ruhe und Beschaulichkeit fahren.
Nach dem Arbeitseinsatz am Sonnabend verteilt der Vorsitzen
de die Aufgaben für das Kinderfest. Wildbruch wird die Ehrezuteil, die politische Einleitung mit einem kurzen Referat zu
geben, von der politischen Lage geschickt zum Glück der Kin
der und zu den Bratwürsten überzuleiten. »Du weißt schon, dirbrauchen wir ja nichts zu sagen, du stehst ja in der Materie.«
Nach dem Referat wird Wildbruch als Kampfrichter beim Sack
hüpfen arbeiten, später die Biermarken für die Erwachsenen
verteilen und abrechnen und schließlich m Sonntag einen klei
nen Bericht für den Kreisverband über das geistigkulturelle
Leben in der Anlage erarbeiten.
Aber dann ist erst mal Ruhe. Nicht lange. Dann kommt eine
Obstbaumzählung. Anschließend überträgt ihm der Vorsitzen
de Vertrauenssache, Genosse Wildbruch ) die Erfassung vonErdbeeren, Johannisbeeren, Kirschen, Schoten, Gurken, Toma
ten, Radieschen, Por
ree, Kornäpfeln - Wild
bruch nimmt ehrfürch
tig eine nie geahnte
Breite des Anbausorti
ments zur Kenntnis. In
der Jahresversamm
lung, die Gartenfreunde erwarten das von
ihm als politisch expo
niertem Menschen und
Bürger, tritt er mit einem Diskussionsbeitrag auf, der ihn sofort
geeignet erscheinen läßt, im Vorstand mitzuarbeiten.
Damit ist Genosse Wildbruch voll integriert in das gesamte
kleingärtnerische Geschehen. Auf seine Erfahrungen in der Ar
beit mit den Menschen vertrauend, beauftragt ihn der Vorstand
mit Aussprachen: Liederliche Gartenfreunde sind unkrautfreizu erziehen, die gesamte Kolonie ist von einer einheitlichen
Zaunfarbe zu überzeugen, der sparsame Umgang mit Wasser
ist zur Herzenssache eines jeden Gartenfreundes zu machen.
Wildbruch arbeitet in seinem eigenen Gärtchen hektisch wie vor
Quartalsschluß, um Zeit für die gesellschaftliche Arbeit in der
Kolonie herauszuwirtschaften. Am Arbeitsplatz betrachten ihn
die Kollegen besorgt. Die sich anbahnende Bräune seines Ge
sichts weicht sorgenvoller Blässe. Der Chef läßt ihn kommen.
»Genosse Wildbruch, jetzt mal ernsthaft, das ist eineWeisung:
Zieh dich zurück von den gesellschaftlichen Aufgaben im Be-
8
»Siehste Paul, seit wirdie Grünanlage parze-
liert haben, klappt s mitder Pflege ausgezeich-
net
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8 Heißer Sommer. .
trieb und im Wohngebiet, ist doch alles mit der Partei abgespro
chen Verschwinde in deinen Garten Schalte ab Die Welt bleibt
nicht stehen, wenn du mal eine Weile untertauchst «
Um diese Zeit st Wildbruch schon Vorsitzender der Sparte,
steht vor seiner Wahl in den Bezirksvorstand und hat den eh-
renvollen Auftrag, den überparteilichen Erfahrungsaustausch• •zu organ1s1eren.
Als Wildbruch wieder vor seinem Arzt sitzt, hört der sich auf
merksam die Entwicklung der Kleingärtnerkarriere an und er-
kennt, daß er für einen rührigen Mann die falsche Therapie aus
gewählt hatte. Er denkt einen Augenblick an Briefmarken, hat
aber Befürchtungen im Hinblick auf die Kadersituation im Phi
latelistenverband und führt Wildbruch lieber zurück auf die
Plattform der Pharmazie: Er verschreibt ihm »Faustan«.
Ernst Röhl
Nael c ~ S dia s t ~ t t ~ todor Dia Ki-isto iHt Sopto11tOor
Wo die Ostseewellen schrecken jäh am Strand
und wo Strandkorbtrümmer modern tief im Sand,
wo's viel Wasser gibt, vor allem im Kaffee,
da ist nun allmählich die Saison passe.
Auf der Düne liegt ein alter Suppentopp
und daneben Dosen aus HO und Shop.
Selbst ein Damenhöschen weht im Wind verwaist,
wer es trug, st unten ohne abgereist.
Und die Hühner ziehen gnatzig überall
wieder ein in ihren finstren Hühnerstall;
Badegäste schliefen drin und fanden's toll -
Hühner, die sind eben ziemlich anspruchsvoll.
Wo man lange Schlange stand vorm Strandlokal
in der Hoffnung auf Makrele oder Aal,
steht ein weißer Golf, den hat der Wirt glashart
seinem werten Gast vom Munde abgespart.
Und die Riesenautoschlangen, die verziehn
sich nach Crimmitschau, nach Plauen und Berlin.Keine Abgasschwaden, alles öd und leer.
An der Küste riecht es ekelhaft nach Meer.
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86
-
•
. öher, schneller, weiter: i- t i , WR• p m. tf* f'ir' mwm m,t b± i lt
, s , . „ il 19 , • • ; g i
John Stave
Wieder war ein Bierlachs zu Ende. Damit erhöhte sich Kupfers
Verlierquote auf neun Pils und sechs Kurze. Martin hatte sechs
Pils, und Schikanowski war wieder mal leer ausgegangen. Kup-fer war bedient.
»Mir langts, Leute. Ickjeh za Hause«, sagte er und warf die Kar-ten hin. »Übrijens wartet Trude mits Ahmtbroot. «»Mensch, du würst noch ma vahungem. Wat sagstn, dette sofrieh za Hause kommst « bemängelte Martin sanftmütig.
»Nu jib ma noch mal, Kupfa«, feixte Schikanowski, »diesma
packste uns bestimmt in.«
Kupfer schüttelte den Kopf. »Man dürf dieSache nicht übertreihm. Wennick heute zusehr üban Zappen haue, denn kooft ma Trudeden Fußball am nächsten Sonntach nichmehr ab.«»Watt'n fom Fußball, Kupfa?« fragten Schi
kanowski und Martin wie aus einem Mund.»Na, Mensch, denkt ihr denn vielleicht, Trudeläßt ma nach unsan vorchten Marrathon
Skat noch mal zum Kartenkloppen? Un da
hab ick ihr einfach det Ding mit dem Fußballenjeschenkt, Turbine 89, hab ickjesagt, jejenChemie Halleluja, ein sehr intressanta
Kampf, Trude, hab ick jesagt, kannst ja mit-komm, Mädel, hab ick jesagt - bloß so, vastehste? Na, aus
Fußball macht die sich sowieso nischt. Ins Jejenteil: Obse mir
mal als Kind aus Vasehn mitn feuchten Lappen jetroffen ham,
frägtse. Na, ick komm ihr noch entjejen. Trude, hab ickjesagt,
et is auch bessa, du bleibst za Hause, wo et aufn Platz nich je
heizt is und du von unten so empfindlich bist bei Kälte. Und ge-rade heute, wo et ein Großkampf is, Obalija und so dreieinhalb
Stunden und so, da bleib ma lieba inne scheene warme Kiche.Und du würst ma doch nich die kleene Freude nehm, hab ick
jesagt, wo et doch keen reenes Vajnüjen is? Nee, nee, hatse je
schluchzt, so hatt ick ihr übazeucht, jeh man. Is ja wirklich
eene sehr strapazierfähige Sportart, aba immer noch besser
wie Schkat - Siehta, und dadrum muß ickjetzt Feierahmt ma-chen, so leid's ma tut. Gloobt mir, Leute, et zwickt ma inde Fin-
gern «
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Höher schneller weiter
Es trat eine kurze, andächtige Pause ein.
»Mann, Kupfa«, unterbrach Martin das Schweigen, »det haste
wien Paster jemacht. Ich hab janich jewußt, wat for Talente in
dir schlumman. Aber scheen wärt doch, wenn wa noch een
Lachs spielen könnten, oda?«
Kupfer zuckte die Achseln. Aber Schikanowskis Gesicht hell
te sich auf. »Ick habs, sprach Schika « grinste Schikanowski.» u azählst Trude einfach, det det een Pokalspiel wa, Kupfa.
Denn sagste, detse sich beit rejuläre Ende ein Remies erkämpft
hatten und det Spiel um zwee Stunden valängert werden
mußte «
»Mensch«, sagte Kupfer, »det ick dadruff nich alleene jekomm
bin Trude, wer ick sagen, eene Valängerung ließ sich nich va
meiden, wejen det Remies. Na, wirdse sagen, dir Luda kenn ick,
du willst ma wohl uff die Schippe nehm Fußball ins Dustre,
so wat jibs doch janich.«»Und wat sagsten denn?« fragten Schikanowski und Martin wie
aus einem Mund.
Kupfer deutete auf die Bierhähne. »Tiefstrahler « und gab Kar
ten.
Ernst Röhl
Potri l coiß
Der Morgen graut. Der Wurm ist drin.
Das Wasser schillert vage.
Was sagt der Fisch, hat s heute Sinn?
Das ist die Grätchenfrage.
Der Vogel singt. Der Angler schweigt.
Natur - welch ein ErlebnisDie Pose steht. Die Sonne steigt.
Kein Bißchen, kein Ergebnis.
Die Sonne sinkt. Genug gefischt.
Nun den Erfolg verdichten
Gebissen nischt, gefangen nischt,
doch sooooviel zu berichten.
•
87
_____,__
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88 Höher hneller weiter= = = = = = = = = : = = : = = = : ; : : ; : : : : = ~ ~ = = = = = : ; : = = = = = = = = = = = = = = = = =
Mehrzweckanlage Bei
Schnee nutzen wir sie
als Rodelbahn.
Frank Kleinke
OH
Die allseitige Entwicklung jedes Schülers ist ein feines Ziel.
Aber das Ziel ist das eine und das Kräfteverhältnis in einem Pädagogenkollektiv das andere.
Ich kam als junger Musiklehrer von einer Schule wo die kul
turell-ästhetische Erziehung edelstes Ziel war und ich ging an
eine Schule wo die sportliche Erziehung im Mittelpunkt der
Arbeit stand. Daß der Sport die erste Geige spielt wurde mir
sofort an den Pokalen Medaillen Siegerurkunden Rekord- und
Ergebnislisten im Schulhaus bewußt. Im Musikzimmer stand
zwar auch eine Beethoven-Büste
aber der Meister hatte das Gesicht bescheiden zur Wand ge-
> ;:. dreht.·
'
„. Diese ersten Eindrücke verfehl
ten nicht ihre Wirkung. Als ich
mich in der Direktion vorstellte
sagte ich nicht »Guten Tag« son
dern - wenn auch ein wenig zag
haft - »Sport frei «
»Du p ßt zu uns«, rief strahlendder Direktor »so stelle ich mir
einen Musiklehrer vor «
Das Kadergespräch war kurz. Danach wußte ich zweierlei: Er
stens daß ich als Vorstopper in der Lehrerfußballmannschaft
eingesetzt werde und zweitens auch in welchen Klassen ich
Musik unterrichte.
Einige Wochen danach hängte die AG »Sportfoto« ein übergro
ßes Porträt von mir ins Schulhaus. Ich war im zweiten Punkt
spiel so unglücklich gestolpert daß ich versehentlich das Siegestor geschossen hatte. Das bedeutete Tabellenspitze. Seit
dem hieß ich »Klein Frenzel« und war anerkanntes Mitglied des
Schul- und Pädagogenkollektivs.
Das aber änderte nichts daran daß in mir tausend kleine mu
sikbesessene Teufelchen tanzten. Und mit kleinen Teufeleien be
gann ich meinen denkwürdigen Feldzug für die Musik.
Mußte ich zum Beispiel eine Musikstunde ausfallen lassen um
dafür eine Stunde Sport zu geben begann ich mit leichten Lauf
und Lockerungsübungen. Dann gingen wir zu Atemübungen
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•
Höher schneller weiter 89= = = = = = = = = = = = = = ; ; = = = = ; ; ; = = = = = = = = ~ = = = = = = =
über. Ich erklärte den Schülern, daß die Atemgymnastik die
Lunge kräftige, und sagte auch, daß Singen eigentlich noch viel
besser wäre. Die kleinen Sportfans kamen von ganz allein dar
auf, daß man viel mehr singen müsse, um in Sport eine »l« zu
bekommen. Wir starteten deshalb sofort mit »Sonne, Sonne,
scheine heller«und trainierten kurz vor Stundenschluß das »Hei-
denröslein«. Die Akustik der Turnhalle war phantastisch Ichkonnte 4 Boxer, 3 Schwimmer und einenLeichtathleten für meinen Schulchor werben.
Solcherlei Fortschritte organisierte ich in der
Folgezeit zahlreich und ebenso fleißig, wie ich
mich um die Vergrößerung meiner Leistungen
im Fußball bemühte. Dann: mit maßvollen
Pässen für meinen Direktor und selbsterziel
ten Toren schoß ich mir mittlerweile als lin-
ker Flügelstürmer - sozusagen den Weg zurEntwicklung des musischen Klimas an der
Schule frei.
Ich gebe zu, daß die Kollegen und Schüler
meine kleinen Aktionen bald durchschauten.
Als ich eines Tages bei den Schachspielern auf-
tauchte, guckten die mich gleich mißtrauisch
an. Ich sagte erst einmal gar nichts und spiel
te Schach. Einige wenige konnten die Nieder-
lage gegen einen Musiklehrer nicht verkraften. Ebendiese begann ich zu trösten. Ich
sagte, sie sollten nicht enttäuscht sein. Laut
V K I N D E ~ · U N D J U G E N D ·SP RT KI DE ER DDR
Karl Marx stecke wirklich injedem ein Boris Spasski oder auch
ein Raffael und in ganz seltenen Fällen auch einmal ein Peter
Schreier. Aber sagte ich, man wisse natürlich vorher nie so
ganz genau, ob es nun gerade ein Spasski wird, wo vielleicht
ausgerechnet ein Schreier drin steckt.
Einige Zeit später fragte mich ein Schüler meiner Singegruppe
verschmitzt, ob Marx das wirklich gesagt hätte, denn ihm wäre
hinterher eingefallen, daß Marx damals weder Spasski noch
Schreier kennen konnte. Ich erwiderte, daß das mit dem Raf-
fael wirklich stimmt, und was den Spasski und Schreier betrifft,
so könnte er als FDJler wieder einmal lernen, wie Marx' Ideen,
auf die heutige Zeit angewandt, uns immer den rechten Wegwei
sen. Das befriedigte ihn denn er war nun einmal ein guter Sän-
ger aber eben nur ein mittelmäßiger Schachspieler.
Jedenfalls entwickelte sich alles in flottem Rhythmus günstig
weiter, zumal ich verbreiten ließ, daß ich die rote Karte zeigen
J Die Spartakiadeteilneh-
mer von heute sin die
Olympiasieger von mor-
gen
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90
Wenn Sie die Sterbe-
szene nicht besser brin-
gen hole ich mir mei-nen Hauptdarsteller
vom Fußballplatz <<
•
Höhe r, schneller weiter
würde, falls es irgendwelche Probleme mit der Musik geben
sollte. Da die Beendigung meiner aktiven Fußballerlaufbahn
einen Rutsch ins Mittelfeld der Tabelle bedeutet hätte, gab es
auch keine mir unangenehmen Fragen oder Aussprachen. So
verging das erste Schulhalbjahr, und es endete an einem Vor-
mittag mit dem Pädagogischen Rat. Der Schulrat lobte den Di-
rektor für die gute kulturelle Entwicklung an der Schule, ich
nahm als stellvertretender Kapitän die Urkunde für unseren1. Platz als Schulhalbjahresfußballmeister entgegen, und Fri-
dolin Breckenfelder aus der l wurde für den neuen Klassen
stufen-Weitsprung-Kreisrekord von 2,57 m ausgezeichnet.Am Abend wurde die traditionelle Abschlußfete des Kollegiums
gefeiert. Wir hatten schon alle mächtig einen geschweppert, als
sich unser Direktor erhob und vorsichtig zu sprechen begann.
»Koegen«,sagte
er, »Koegen,jetzt spricht
zueuch euer ieber
Di-
rektor ... Aso, was schulte uns das erste Lehrhalbjahr? - Na? -
Ich sage euch, Koegen, wir brauchen nich nur - musikbegabte
Füg .. Fügelstürmer ... Wir brauchen ... maaa ..lende Phys - hick
- lehrer, chemisch interessierte
Deutschehrer, poly... poly... poy-
technische Russischlehrer ... i tak
dallsche ... ponimajesch Koege
Warum? - In mir is nämlich derMozart wieder auferstanden, und
ich sage euch, in mir sch... sch ..
schlummert da noch der Darwin,
der Herr Einstein, der GoetheWolfgang und wie sie alle heißn. -Und wenn ihr für euer Fach so
kühn den Riemen auf die Orgel schmeißt wie unser Mus ...Musik-Frenzel, Koegen, dann ham wir genügend Sooo ...los für
unser pädagogisches Konzert ... «Mit einem Brummschädel zog ich heim. Und in meinem alkoholertränkten Gehirn kreiselte die bange Frage, wie ernst die Kol-
legen die direktorale Rede genommen hatten. Mein Chor zum
Beispiel hatte nämlich zur Zeit genau jene stimmliche Ausge-wogenheit, die man als »homogen« bezeichnet. Das würde na-
türlich sofort flötengehen, wenn meine lieben Fachkollegen
unter den 64 Sängern die Talente entdeckten, die zwar Singen,aber eben auch noch vieles andere mehr und vielleicht sogar bes-
ser können ...
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•
>-
Bei einem Internationalen Leichtathletik-Sportfest wirft ein a.merika
nischer Hüne den Hammer 84,23 Meter weit. Weltrekord Die
Reporter fragen ihn: »Sagen Sie, worauf führen Sie diesen Erfolg
zurück?« - »Auf mein College. Dort bin ich ausgebildet und train iert
worden. Ich liebe mein College und schenke ihm diesen Sieg.« Der
russische Konkurrent wirft seinen Hammer 85,26 Meter weit.
Weltrekord Wieder fragen die Reporter: »Wie haben Sie das
geschafft?«- »Ich liebe die ruhmreiche Sowjetunion«, sagt der Russe.
»Ich habe nur an mein Land gedacht. Ihm verdanke ich alles << s tritt
ein Sportler aus der DDR an, der schleudert seinen Hammer 87 Meter
weit. Neuer Weltrekord Die Reporter eilen herbei: »Weltrekord
Worauf führen sie das zurück?« - »Auf meinen Vater«, sagt der Sieger.
»Wieso auf Ihren Vater?« - »Als ich noch ganz klein war, hat mein
Vater zu mir gesagt: »Wenn dir jemals einer einen Hammer in die
Hand drückt, mein Junge, wirf ihn soweit weg wie möglich.«
·
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92 Höher schneller weiter= = = = = = ~ ~ ~ = = ; ; ; = = = = = = = = ~ = = = = ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; = = = = = = =
Jochen Petersdorf
O S ~ O SWOISO
Sketch der Drei Dialektiker
Köbbert: Werte Anwesende Weil wir erfahren haben, daß der
letzte Urania-Vortrag über die gesunde Lebensweise wiederum nur von 6 Rentnern und zwei Leistungssportlern besucht
war ...
Uhlig: Und weil wir Sie, die's eigentlich nötig hätten, gerade malso schön auf einem Raufen haben ...
Stückrath: Deshalb sehen wir uns veranlaßt, Ihnen einen kur
zen Lehrgang zum Thema gesunde Lebensweise unter die
Weste zu jubeln.
Köbbert: Der Lehrgang kostet Sie keine zusätzlichen Gebüh
ren. Er wird durch die Eintrittskarten finanziert und mit LottoMitteln gestützt
Uhlig: Mitglieder sozialistischer Brigaden können den Vortrag
in ihren Kultur- und Bildungsplan aufnehmen und abhaken ...
Stückrath: Und Teilnehmer am Parteilehrjahr haben trotzdem
Immer drauf auf die Butter
solange sie jung ist.
weiterhin ihre planmäßigen Zirkelabende zu besuchen. Es
geht los Die gesunde Lebensweise im Wandel der Zeiten
Köbbert: Die gesunde Lebensweise ist eine Abart des nor
malen Alltags und kommt mitunter sogar in den besten Fa
milien vor.Uhlig: Die gesunde Lebensweise ist so alt wie die Menschheit.
Sie führte schon lange, bevor Darwin entdeckt war, einen harten Kampf ums Dasein
Köbbert: Das wird durch folgendes Zitat bewiesen: »Am Ama
zonas, da saßen unsre Ahnen/ und warfen mit Bananen «
Stückrath: Gesammelte Werke, Band III
Uhlig: Diese Schmeißerei war eine äußerst negative Einstel
lung zum Obst und somit eine sektiererische Haltung zur ge
sunden Lebensweise.Köbbert: Durch die Menschwerdung des Affen kam es zu posi
tiven Veränderungen, und wir können heute mit Stolz feststel
len, daß es nur noch selten vorkommt, daß einem jemand Ba
nanen hinterherschmeißt
Stückrath: 'frotzdem erlebte die gesunde Lebensweise in ihremKampf um Anerkennung immer wieder Rückschläge. Als sich
Eva einen Apfel schnappte, was übrigens schon damals mit
einer Schlange verbunden war, bekam sie mit ihrem Adam ein
mächtiges Ding übergebraten und wurde zu körperlicherbeit verdonnert.
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Uhlig: Was jedoch kein ausgesprochener Nachteil war, denn Be-wegung an frischer Luft ist ein entscheidender Bestandteil der
gesunden Lebensweise.
Köbbert: Leider wurde diese gesunde Arbeit von den alten Ger-manen vernachlässigt. Das wird durch dieses Zitat bewiesen:
»Sie lagen auf Bärenhäuten/und tranken immer noch eins «
Stückrath: Gesammelte Werke, Band rv
Uhlig: Das Lieblingsgetränk der alten Germanenwar der Met.
Köbbert: Deswegen heißt es ja auch noch heute:
Met in Germany. Er war trüb, leicht säuerlich
und somit ein Vorläufer des Flaschenbieres.
Besonders verdienstvolle Zecher wurden vomdamaligen Getränkekontor mit dem Titel Dok-tor Met geehrt.
Stückrath: Und an allen Wanderwegen hingendamals Schilder mit der Reklame »Öfter malins Metropol
Köbbert: Wenn die Germanen etliche Humpen
gekübelt hatten, stießen sie urige Schreie aus
oder begannen zu singen.
Uhlig: Weil es noch keine Schlagerdichter gab,sangen die alten Germanen, was ihnen geradeeinfiel. Etwa: »Rumba, humba, Tätärä «
Köbbert: Auf dieser Stufe blieb ein Teil von ihnen stehen.Stückrath: Ein anderer, sehr beliebter Schlagergesang hieß:»Heute blau, und morgen blau und«- übermorgen kamen danndie Römer und sammelten die Bierleichen ein.
Uhlig: Woran man erkennt, daß Weintrinker moralisch überlegen sind, vor allem, wenn sie Originalabfüllungen zur Verfü-gung haben.
Köbbert: Trotzdem kann man auch die alten Römer nicht gera
de als Vorkämpfer der gesunden Lebensweise betrachten. ImGegenteil: 1.runksucht und Nikotin sowie übermäßiger Genuß
von schweren Speisen und leichten Mädchen rissen bei ihnen
mächtig ein und zehrten an der Substanz.
Stückrath: Bacchus, Gambrinus, Ganimed und Lukullus sind
dafür mahnende Beispiele. Deshalb haben spätere Generatio
nen nach diesen 'fypen Gaststätten benannt und sie aus er-zieherischen Gründen mit großer Preisstufe und kleinen Por-tionen ausgestattet.
Uhlig: Der Erfolg ist jedoch gering. Die Dinger sind trotzdem
immer voll - und wems zu teuer ist, der schlägt sich zu Hause
den Bauch voll. Denn auch die Freßgier ist bei uns volkseigen.
9
1972 erstmals im Fernsehen ausgestrahlt: Ein
Kessel Buntes. 8 Fol
gen lang führten Die
drei Dialektiker durch
das Programm bis ihre
satirischen Spitzen1976 nicht mehr ge-
fragt waren
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11URZE
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Höher, schneller weiterac== lt&J [ oL l r i&&dii ,. . . •• = 2 o w . •i:; • · h
Köbbert: Was durch folgendes Zitat bewiesen wird: »Immer drauf
auf die Butter, solange sie jung ist «
Stückrath: Und: »Solange der Bauch in die Weste paßt, I wird
keine Cama angefaßt « Ausgewählte Reden, Band I.
Uhlig: Ziemlich wissenschaftliche Untersuchungen haben erge
ben, daß man den enormen Butterverbrauch rapide senken
könnte, wenn man die Wartezeiten auf ein Kilo Butter derWartezeiten auf einen Trabant angleichen würde.
Stückrath: Es gibt auch Leute, die die umgekehrte Theorie ver
treten. Sie sagen: Wenn man Autos bekäme wie Butter,
brauchte man nicht mehr zu schmieren.
Köbbert: Was man jedoch ablehnen muß, denn es ist wesent-
lich gesünder, einen Autoverkäufer zu schmieren als einen
Trauerredner.
Uhlig: Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der
gesunden Lebensweise ist ein Minimum an Sauberkeit und Körperpflege.
Köbbert: Was durch folgendes Zitat bewiesen
wird: »Wasser ist zum Waschen da, valleri undvallera «
Stückrath: Köchelverzeichnis Nr. 12.Uhlig: Diesem Zwecke dienten im Mittelalter
die sogenannten Badehäuser, wo sich Männleinund Weiblein gemeinsam in einer Wanne tum
melten. Beim Format unserer heutigen Badewannen ist ein
derartiger Jux höchstens noch Eberhard Cohrs vergönnt.
Stückrath: Alle diese Badefreuden spielten sich damals nur infesten Häusern ab. Das Baden in Flüssen und öffentlichen
Gewässern galt als Schweinerei. Was wir heute nicht mehr
so empfinden, weil wir uns anschließend waschen.
Köbbert: Zur Körperwäsche benutzten die damaligen Menschen
genau wie wir eine gepreßte Masse mit seifenähnlichen Ei
genschaften.Uhlig: Und die Zahnpastaproduktion befand sich genau wie bei
uns noch im Versuchsstadium.Stückrath: Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die
gesunde Lebensweise schon immer nicht leicht in den Griff
zu kriegen war.
Uhlig: Sie ist das Einfache, was schwer zu machen ist.
Köbbert: Zum Abschluß noch 'n Zitat: Lachen ist gesund
Uhlig: Wo steht'n das geschrieben?••
Stückrath: Vertrauliche Verschlußsache. Nicht für die Offentlich-
keit.
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9 nter vier AuJJen
Ralph Wiener
ljo
Man kann verstehen, daß es Max Kleinweber gründlich satt
hatte. Ein Junggeselle mit vierzig will seine Ruhe haben und
nicht jeden Tag dieselben Fragen gestellt bekommen:»Was ist denn, Herr Kleinweber noch immer nicht unter der
Haube?«
»Sie wollen wohl wirklich als Hagestolz sterben?«
»Na Herr Kleinweber schon was in Sicht?«
Es war einfach nicht mehr auszuhalten. Ja, fast sah es aus, als
ob ein Unverheirateter in einem gewissen Alter zum öffentli-••
chen Argemis würde.
Kleinweber beschloß deshalb, die Sache mit einem Schlag zu
beenden. All den lästigen Fragen wollte er die Grundlage entziehen. Ruhe wollte er haben Nichts weiter Und so lasen die
um sein Lebensglück besorgten Nachbarn eines schönen Tages
folgende Zeitungsannonce:
WIR HABEN GEHEIRATET
Antje und Max KleinweberFreunde und Bekannte wunderten sich zwar daß sie diese
Antje noch nie zu Gesicht bekommen hatten, aber Max war
D d
. Fl 'tt h b schon immer ein Heimlicher. Auf jeden Fall waren sie
a 1e 1 erwoc en vor e1 f . d t lltM 1 . h zu ne enges e .waren reagierte ax rea rst1sc . J t t h t ih dl. h · ht gt F B.» e z a es n en 1c erwisc « sa e rau rrn-
baum zur Postzustellerin und sah dabei sogar ein bißchen scha
denfroh aus. »Sie sind schon auf Hochzeitsreise«, verkündete
die Zustellerin, »vierzehn Tage wollen sie bleiben, hat Herr
Kleinweber gesagt.«
»Wohin fahren sie denn? An die Ostsee?«
Das war ein kluger Schachzug von Kleinweber. Vorerst war er
die Fragesteller los. Er fuhr in aller Ruhe zu seiner Schwester
nach Heringsdorf, wo er seinen regulären Urlaub verbrachte.Gelegentlich schrieb er Ansichtskarten an seine Freunde und
Kollegen, die alle den gleichen Text hatten: Von der schönen
Insel Usedom senden die herzlichsten Grüße Antje und Max.
Nebenbei gesagt, kostete ihn die Hochzeitsreise fast gar nichts.
Nur die Ansichtskarten mußte er aufbringen. Eigentlich gar
nicht so teuer, verheiratet zu sein - dachte er sich, und als er
wieder zu Hause war, lenkte er sein Eheleben in entsprechen
de Bahnen.
»Meine Frau schläft früh sehr lange«, sagte er zur Postzustellerin, die unbedingt ihre Gratulation persönlich darbringen
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97nter vier ugen~ = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = : : : : : = = = = = = : : : = = = : = = : : = =
wollte. Auch andere hielt er fern. Das war nicht einfach, zum
Beispiel Fritz Meusel war ganz hartnäckig: »Menschenskind,
sag wenigstens, wie sie aussieht « - »Sie ist blond«, erklärte
Max, »hat ihre Haare am Scheitel eng anliegend, das macht sie
ein bißchen streng, aber hinten fallen sie schön auseinander.«
- »Nun weiß ich es genau«, sagte Meusel.
Um keinen Verdacht zu erregen, ging Kleinweber fortan mittagsnach Hause. Antje sei leidenschaftliche Köchin, hatte er er
klärt, und nun kaufte er täglich ein. Gemüse, Fleisch, Kartof
feln.
»Ihre Frau hat's gut«, sagte die Verkaufsstellenleiterin, »alles
schaffen Sie heran. So einen Ehemann möchte ich auch mal
haben «
Max verkniff sich weitere Bemerkun
gen und erlernte die Kochkunst. Das
ging nicht ohne Zwischenfälle ab. Oftbrannte etwas an. Der Geruch von An
gebranntem stieg in alle Etagen.
Da die Flitterwochen vorbei waren,
reagierte Max in solchen Fällen ganz
realistisch. Er rannte wild in der Woh
nung umher, rief: »Schlampe Wo hast
du bloß deine Gedanken « - und die
Hausbewohner tuschelten, indem sie
nach oben zeigten: »Bei Kleinwebers
ist wieder was los «
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1
Allmählich wurden Antje und Max ein normales Ehepaar. Sogar
zum Stammtisch ließ er sich nicht mehr überreden. »Ich kannSo nun können Sie
ni ht mehr durchs
meine Frau nicht allein lassen«, erklärte er, und die übrigen Schlüsselloch gucken. «
Ehemänner nickten verständnisvoll.
»Aber zwei Theaterkarten nimmst du mir wenigstens ab?«
drängte Kulturobmann Schmidtchen. »In >Rigoletto< wirst du sie
wohl mal mitbringen können «
Max nahm zwei Karten.
Kurz vor Beginn der Vorstellung stand er noch wartend am
Eingangsportal.
»Wann kommt denn deine Frau?«fragte Schmidtchen.
»Du weißt doch, wie das ist«, seufzte Max, »sie wird wahr
scheinlich mit dem Make-up nicht fertig.«
»Das ist wie bei meiner« , stellte der Kulturobmann fest, »gehen
wir also alleine «
Es fiel gar nicht auf, daß Antje nicht kam.
Auch der Postzustellerin fiel nichts mehr auf: Es kamen näm
lich hin und wieder Briefe, die klar und deutlich an »Frau Antje
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98
Kleinweber« adressiert waren. (Die hatte zwar Max geschrie
ben, aber das konnte die Christel von der Post nicht wissen )
Kleinweber seinerseits lebte glücklich. Er genoß in vollen
Zügen, daß ihn niemand mehr fragte, wann er endlich heiraten
wolle, alle Nachbarn waren beruhigt, und billig war diese Ehe
außerdem. So eine Frau wie Antje fand er nicht alle Tage
Aber er fand eine Petra. Just an seinem einjährigen Hochzeitstag lief sie ihm über den Weg. Zu dumm, daß Antje nicht in den
Weinkeller gekommen war Ausgerechnet am Hochzeitstag
hatte sie Migräne. Aber die Kollegen hatten dafür Verständnis.
»So ein Jubiläum regt Frauen immer auf«, hatte Bernd Breuer
gesagt, und allmählich war diese Petra nicht mehr von seiner
Seite gewichen. Spät am Abend kamen sie vor seiner Wohnung
an.
»Üb deine Frau wirklich schon schläft?« fragte sie.
»Ich nehme es an«, erwiderte Max. Sie schlichen die Treppe hin-auf.
Kurz vor der Tür blieb Petra stehen. »Nein«, flüsterte sie, »daskriege ich nicht fertig.«
»Sei kein Frosch « ermunterte sie Max. »Unsere Ehe ist nicht
wie andere. Antje h t für mich Verständnis. Ich wette, selbst
wenn sie aufwacht, wird sie uns nicht stören Sie wird tun, als
sei sie gar nicht da.«»Trotzdem«, beharrte Petra, »ich mache das nicht «
»Was ist hier los?« ertönte eine keifende Stimme, und eine Türüber ihnen offnete sich. »Gehört sich das mitten in der Nacht?«Eine wütende Frau wurde sichtbar. »Ach, sieh mal an, der Herr
Kleinweber Und mit einem jungen Mädchen noch dazu Neh-men Sie denn auf Ihre Frau gar keine Rücksicht?«
»Die arme Frau Kleinweber « ertönte es vom zweiten Stock, und
bald war das Treppenhaus von empörten Bewohnern angefüllt.
»Schämen sollten Sie sich « - »Ein Skandal « - »Und das in un-serm Hause «
Petra war längst weggelaufen, und Max Kleinweber schlichgesenkten Hauptes durch das zürnende Spalier.
»Verzeih, Antje«, sagte er, als er seine Wohnung betrat, »S
etwas soll nie wieder vorkommen «
Aber Antje kannte kein Pardon. Und irgendwie hatte sie recht.
Denn die Hausbewohner und überhaupt alle Nachbarn waren
erst wieder besänftigt, als Max mit einem Seufzer, aber doch
konsequent mitteilte: »Wir sind geschieden «
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Unter vier ugen
el i usse
roizoit lf t lf st
Auf die Gefahr hin, ein allgemeines, verständnisloses Schütteln
des Kopfes auszulösen, behaupte ich: Es ist bei uns etwas nicht
in Ordnung mit der GleichberechtigungSchuld daran sind - und nun werden mir wenigstens die Män
ner verständnisvoll zustimmen - wir Frauen. Es fällt mir gewiß
nicht leicht, dies einzugestehen, doch ein besonders beschä
mender und dennoch typischer Vorfall, dessen Zeuge ich zufäl
lig wurde, veranlaßt mich, die bislang geübte Rücksicht auf das
eigene Geschlecht aufzugeben.
Der Vorfall ereignete sich in dem erzgebirgischen Wall
fahrtsort für die Freunde der Schmalspurbahn Oberrit
tersgrün. Einern am ehemaligen Bahnhof des Ortes parkenden Pkw entstiegen Vater nebst Sohn, und während
diese mit verklärten Gesichtern die liebevoll konservier
ten Anlagen betrachteten, blieb eine Frau mit böse ver
kniffenem Mund im Wagen zurück.
Wie denn? fragte ich mich. Hat nicht auch sie das e-
dürfnis, durch Schauen und Betasten der Schmalspur
reliquien in den Genuß des tief beglückenden und zu
gleich unendlich wehmütigen Gefühls zu gelangen, da
sich ihre männlichen Artgenossen hier in so großer Zahlverschaffen?
Nein Und schlimmer noch: Als Vater und Sohn nach
wenigen Stunden von der Besichtigung des Heiligtums
zurückkehrten, beeilte sich diese Frau, das gesteigerte
Lebensgefühl ihres Gatten durch gezielte Schmähungen
wieder auf Normalnull zurückzuängstigen. »War es das«,
sprach sie hohntriefend, »wofür du mit mir zweihundertfünfzig
Kilometer wie ein Verrückter gerast bist? Diesen Schrott muß
test du unbedingt sehen?«Unauslöschlich hat sich mir eingeprägt, was sich bei diesen zy-
nischen Worten im Antlitz des Gatten widerspiegelte, nämlich
das ganze Leid der jahrhundertelangen Unterdrückung des
Mannes durch die Frau und darüber hinaus die schmerzliche
Erkenntnis, starke Gefühlsaufwallungen, wie sie im normal
empfindenden Manne etwa von einer gebrechliche, handbedien-
ten Schmalspurweiche ausgelöst werden, in seelischer Einsam
keit bewältigen zu müssen.
Dieses Erlebnis lehrte mich zu verstehen, was bei uns mit der
-
• -
•-
»Nun behaupte aber
ni ht mehr, daß ich dir
nichts biete «
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1 Unter vier ugen.
Gleichberechtigung nicht in Ordnung ist. Es geht längst nicht
mehr um ihre Durchsetzung am Arbeitsplatz. Dies Thema ist
bei uns nur noch für Historiker interessant. Das Problem liegt
heute vielmehr auf dem weiten Feld der sinnvollen Freizeitge
staltung auf dem die entscheidende Schlacht für ein weiteres
glückliches Zusammenleben der Geschlechter geschlagen wird.
Doch statt ihrem mutig in den Freizeitbereich einmarschierenden Mann zu folgen fällt die Frau ihm oft genug beleidigt in
den Rücken und dies nicht nur in Oberrittersgrün.
Dafür gibt es Beispiele die Fülle. So eine mir bekannte Dame
deren Gatte die äußerst wichtige Aufgabe eines Amateurfun
kers wahrnimmt. Von der Arbeit heimgekehrt begibt er sich in
den Keller des Hauses zu seinen Sendern und Empfängern wo
ihn die Frau bis in die tiefe Nacht hinein ohne jede Nahrungs
zufuhr sitzen läßt.
Anfangs wachte sie im Bett um ihn wenn er nach der harten••
Arbeit im Ather erschöpft auf seine Ruhestatt fiel zum Beispiel
für die viele Tausende Mark zu beschimpfen die er für die Ge-
räte verausgabte. Heute tut sie noch nicht einmal mehr dies für
ihn sondern nimmt ein Beruhigungsmittel ein träumt eine
Weile von einer Wolgareise und schläft ein. So hat der Mann
besseren Kontakt zu den Fidschiinseln als zu seiner Frau.
Ich fragte sie was sie davon abhalte mit ihm gemeinsam die
Fidschis anzufunken. Sie zählte den üblichen Kleinkram auf
daß ich mich in die Anfänge der Gleichberechtigung zurückversetzt fühlte: Beruf Haushalt Kinder Qualifizierung. Doch kein
Wort kam über ihre Lippen zum wahren Grund: ihr mangeln
des Interesse nämlich am wunderbaren weltumspannenden
Amateurkurzwellenbereich.
Eine französische Schachmeisterin soll auf die Frage warum
so wenige Frauen bei diesem Spiel anzutreffen sind geantwor
tet haben: »Weil Frauen nicht so lange schweigen können.«
Eine charmante Ausrede oder für Französinnen vielleicht auch
zutreffend. Die Frau eines meiner Kollegen aber hat gelernt ta-gelang zu schweigen.
Dennoch ist nicht sie sondern ihr Mann die Schachkoryphäe
des Ortes. Oft kämpft er vier- und fünfmal die Woche bis gegen
Mitternacht mit ungeheuer geistiger Konzentration am Brett
hoch angesehen und geschätzt bei allen die etwas von Schach
verstehen. Daheim aber mußte er sich abgewöhnen das Wort
Schach auch nur zu denken. Tut er es dennoch blickt ihn die
Frau aus entzündeten Augen haßerfüllt an und so fragt er sich
begreiflicherweise oft warum er sie geheiratet hat wenn sie
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Unter vier ugen 101= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = = =
mit Vierzig schon so schlimm aussieht und er sich mit ihr noch
nicht einmal über das Wichtigste in seinem Leben unterhalten
kann.
Ich hatte kürzlich Gelegenheit, mir in Altenburg beim Skatge
richt Anfragen aus fast allen fünf Erdteilen zu komplizierten
Spielsituationen anzusehen. Männer mit hohem geistigem Rang
und umfassenden intellektuellen Fähigkeiten sprechen hier
Skatrecht nach ehernen Gesetzen. Und dennoch ist dies Spiel
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in den meisten weiblichen Köpfen irgendwo zwi
schen sinnlosem Zeittotschlagen und unheilbarem
Schwachsinn angesiedelt. Ein sieggewohnter Skat
spieler wird daheim oft so behandelt, als wäre er
nicht ein überall begehrter drit ter Mann, sondern ir-
gendein Versager in zwischenmenschlichen Zweier
Beziehungen Die Frau weigert sich zu verstehen,
daß Ehe rasch, Skat aber nie langweilig wird.Oder unsere vierbeinigen Freunde, die Hunde, für
die doch gewiß jeder Verständnis haben sollte. Ein
Herr in unserer Straße hat es in besonderem Maße.
Fünf Jahre hintereinander gewann er mit seinen
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Hunden erste Preise, und man darf wohl ohne Uber-
treibung sagen, daß er und seine Hunde ein Herz
und eine Seele sind und haben. ußer den Tieren
besitzt dieser im ganzen Ort angesehene Mann drei
Kinder und eine Frau.
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Aber keines der Kinder gehorcht auch nur annä
hernd so wie die Hunde, und nur selten ist eines so
sauber gestriegelt. Hatte die Frau nicht die gleiche
Chance wie der Mann, ihre Freizeit sinnvoll zu nut
zen und aus den ihr anvertrauten Lebewesen preis
würdige Geschöpfe zu machen? Sie hatte und hat
diese Chance, doch statt sie wahrzunehmen, berei
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tet sie dem Gatten unfreundliche Szenen, wenn er an den Wo-
chenenden frühmorgens mit seinen Lieblingen in den Wagensteigt, um zur Trajningsbahn aufzubrechen• •
Ahnlich Erschütterndes ließe sich aus dem Leben der Kanin-
chenzüchter, Motorsportler, Modelleisenbahner und - ich sage
nur: - und und und berichten. Warum ist das so?
Stellvertretend für viele sei hier die Meinung von Herrn M
wiedergegeben. Herr M gehört zu jenen leidenschaftlichen
Fußballenthusiasten, die ihre sinnvolle Freizeitgestaltung nicht
vor der Bildröhre absolvieren, sondern mit ihrer Mannschaft
durch die Republik ziehen, um jedes Spiel direkt vor Ort zu ver-
. „ •
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1 2 Unt r vie r Augen=========-==o11:-====::;:;::;:;:;;;;===========================
folgen. So manches entscheidende Tor fiel oder unterbliebschon dank seiner wohlüberlegten Pfiffe. So ist Herr M. ein mitbeiden Beinen im Leben stehender, weitgereister Mensch, derviel Ärger mit seiner Frau hat und auf dessen Urteil man daheretwas geben sollte.Er sagte mir: »Das Unglück besteht darin, daß die Frauen die
Dinge nicht so sehen, wie sie sind Zum Beispiel die Haus-arbeit. Ist sie sinnvoll? Sie ist es Wird sie in der Freizeit er
ledigt? Sie wird Ist es eine Beschäftigung? Es ist eine Doch
welche Frau bringt den Mut und die Logik auf, die Bewältigungdieses Krams nun auch als sinnvolle Freizeitbeschäftigung zuakzeptieren?«»Keine «, gab ich zu, »aber es ist nun mal auch kein Hobby, dasErholung und Entspannung bringt.«»Halten Sie es für Erholung und Entspannung«, fragte michHerr M. hierauf, »Wochenende für Wochenende auf irgendeinemFußballplatz irgendwo in der Republik bei Wind und Wetter die
Niederlagen seiner Mannschaft miterleben zu müssen?In einer Vorstadtkneipe schales Bier trinken und beieinem Kameraden auf dem Fußboden schlafen zu müs
sen?« Herr M. h t den Nagel auf den Kopf getroffen Es
Zwei verschiedene wissen-
schaftlich fundierte sinnvolle
Freizeitgestaltungen sind in
einer Ehe unmöglich.ist der entscheidende Fehler der Frau, die sinnvolle Frei
zeittätigkeit ihres Mannes mit dem Wort Hobby und als Erho-
lung und Entspannung abzutun. Dadurch werden Skat oderFußball in die Nähe von Pulloverstricken oder das Abschleifendes Rostes von Schmalspurbahnpuffem in die irgendeiner un
verbindlichen Kulturveranstaltung gerückt, und es entsteht derEindruck, als ginge der Mann seinem Vergnügen nach, währenddie Frau davon ausgeschlossen ist.So entstehen Neid, Mißgunst und im schlimmsten Falle sogardie Überzeugung bei der Frau, es dem Manne gleichtun zu kön
nen. Die Frau eines Kollegen beispielsweise, der Biergläser
aus der Produktion aller sozialistischen Länder sammelt,tr t
der Kulturbundsparte der Kakteenzüchter bei. Zu spät begriffsie, daß zwei verschiedene, wissenschaftlich fundierte, sinnvol-le Freizeitgestaltungen in einer Ehe unmöglich sind. Der Kol
lege kam in kürzester Zeit völlig herunter und war kaum nochfähig, ein Bierglas zu halten. Natürlich ließ er sich scheiden.Ich denke, das genügt. Wie damals, als es um die Durchsetzungder Gleichberechtigung am Arbeitsplatz ging, haben die Män
ner auch heute bei der sinnvollen Freizeitgestaltung die grö
ßere Last zu tragen und die härteren Pflichten übernommen.Die Frau sollte ihnen dankbar dafür sein.
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„ ch g h dodt nicht mit ner Einkaufstasche • •,„...,,.„„ ....... ' . . . . _
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- - „ r c t ~ : r ~
Eine Frau will mit Erich Honecker verbunden, sie seieine persönliche Bekannte. »Ich bin's, die Edith Müller,
erinnerst du dich, Erich? Wir haben mal miteinandergeschlafen.«- »Ja? «sagt Erich zögernd. Die Frau: »Und
da dachte ich mir, du würdest mir bestimmt helfen. Ichbrauche ein neues Auto ... « - »Schon gut , sagt Erich,
»gib der Sekretärin deine Adresse.«Drei Wochen spä
ter ruft die Frau wieder an. »Hier ist die Edith, du erinnerst dich? Schönen Dank für das Auto, kannst du mir
1
noch mal helfen? Ich brauche eine bessere Wohnung•••« - »Geht in Ordnung«, sagt Erich, »sag es meinerSekretärin.« Nach vier Wochen ein erneuter Anruf.
»Hier ist die Edith, du weißt doch, w r haben mal ...« -
»Jaja«, sagt Erich unwillig, »was ist denn schon wie
j der?« - »Ich möchte Urlaub in Amerika machen.« -»Sag malcc, erkundigt sich Erich, »wann soll das eigentlich gewesen sein, dass w r miteinander geschlafenhaben?« - »Na, auf dem letzten Parteitag Ich in der
dritten Reihe und du im Präsidium.«
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1 4
Ernst Röhl
Vor 100 Jahren, 1875, starb Hans Christian Andersen. SeineMärchen leben, wie jedermann weiß, weiter, wenn sich auch
das eine oder andere heutzutage ein wenig anders liest:
Es war einmal eine Frau, die nichts mehr fürchtete, als ein
kleines Kind zu bekommen. Um diesem Mißgeschick vorzubeu
gen, nahm sie treu und brav und sehr gewissenhaft die Pille.
Jeden Abend vor dem Zubettgehen fragte ihr Mann, der gleich
falls nichts mehr fürchtete, als daß ein kleines Kind käme,
mißtrauisch: »Bevor wir zur Sache selbst schreiten, Schätz
chen, sag an - hast du heute schon dein Verhüterli eingenom
men? Nicht, daß mir plötzlich aus heiterem Himmel ein Kind
hereingeschneit kommt. Du weißt sehr wohl, wir sind in unse-
Das Kind wurde nicht etwa Schackeli- rer Vierzimmerneubaukomfortwohnung räumlich
ne oder Babsicola genannt, sondern
schlicht und einfach Däumelinchen.
stark beengt, bauen derzeit in der Dübener Heide
einen Bungalow und sind auf einen Shiguli ange
meldet «
»Du kannst mir vertrauen, Liebling«, beteuerte die Frau hoch
und heilig. »Ich habe doch Molly, unseren entzückenden Bed
lington-Terrier; wie könnte es mich da nach einem Kinde ver
langen « Aber wie es so geht - das Leben fordert sein Recht,
und sogar die Pille ist nicht unfehlbar. Eines schönen Tages trudelte ein Kindlein ein, und weil es so außerordentlich uner
wünscht war, war es nur sehr, sehr winzig, kaum einen halben
Daumen hoch. Es wurde deshalb auch nicht etwa Schackeline
oder Babsicola genannt, sondern schlicht und einfach Däume
linchen. Und weil es mit seinem Geschrei nicht nur den, wie
man so sagt, glücklichen Eltern auf die Nerven ging, sondern
auch dem Hund, kam es auf dem schnellsten Wege zur Oma.
Der Mann, von dem schnöden Vertrauensbruch seiner Frau zu
tiefst enttäuscht, ergab sich dem Trunke und trieb fortan in allerlei zwielichtigen Bars und Kneipen mit allerlei zwielichtigen
Weibspersonen Hallodri, ging schließlich und endlich aber ein
reichlich intimes Verhältnis mit der Bardame Vanessa Sommer-
latte ein.
Die Frau ihrerseits, von der Vertrauenswürdigkeit der antikon
zeptionellen Mittel zutiefst enttäuscht, suchte auf schier end
losen Spaziergängen mit dem Bedlington-Terrier zu vergessen,
was ihr widerfahren war. Auf einem dieser Spaziergänge übri
gens machte sie die folgenschwere Bekanntschaft des Dompteurs Rinaldo Perdido, der einen Boxer von männlicher Aus-
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strahlung an der Leine führte und auch selbst eine stattliche
Erscheinung genannt zu werden verdiente. Kurz und gut, die
Ehe konnte als zerrüttet gelten, und die Scheidung war unab
wendbar. Da aber unter solchen unerfreulichen Zuständen ein
unschuldiges Kind bekanntermaßen am meisten zu leiden hat,
beeilte sich der Vater, das kleine Däumelinchen von der Groß
mutter weg ins Elternhaus heimzuführen, wo er es rührendumsorgte und ihm gar das Fläschchen reichte.
»Haha « rief die Mutter. »Woher dieses überraschende Interes
se an meinem heißgeliebten Däumelinchen?«
»Einer muß sich schließlich um das Kleine kümmern, du
Schlampe«, entgegnete der Mann. »Du hast ja mit deiner Töle
genug zu schaffen.«
»Mein eigen Fleisch und Blut geb ich nicht preis «stieß die Mut
ter leidenschaftlich hervor und breitete, zum Äußersten ent
schlossen, beide Mutterhände über die Wiege.Alsbald traten Frau und Mann vor den Scheidungsrichter und
erklärten, daß sie fürderhin von Tisch und ett getrennt leben,
um nichts auf der Welt aber auf i r Kind verzichten wollten.
Der weise Richter jedoch, der klar erkannte, daß ihnen ledig
lich der Spruch »Wer das Kind hat, hat die Wohnung« im Kopfe
herumspukte, sprach das kleine Däumelinchen der Oma zu.
Doch halt Für dieses salomonische Urteil, so wünschenswert
es immer sein mag, kann der Autor leider keine Gewähr über
nehmen. Aber beim Märchenmuß ja
nicht unbedingt jede Einzelheit stimmen; Hauptsache, es ist wahr.
))Keine Auswahl bei der
Anschaffung kein
Stammbaum, lebenslang
dasselbe - nee «
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1 6
Wenn du kochen könn-test ließe ich drüber
reden.
Unter vier u n
Gerd W Heyse
Es riecht nach Frühling. Betty findet das auch. Sie schmiegtsich eng an mich. Ich schmiege mich zurück. Aber wir fallen
••
nicht auf. Uberall schmiegen sich heute zweie aneinander.Plötzlich bleibt Betty stehen. »Ich hätte es doch bald vergessen«, seufzt sie.»Ja, dein Gedächtnis«, seufze ich zurück. Aber da wird Betty so-
fort böse. »Mein Gedächtnis ist fabelhaft. Aber du hast überhaupt keins. Kannst du mir wirklich Vergeßlichkeit nachwei-sen?«
Ihr plötzlicher Ausbruch ernüchtert mich. Noch
mehr, daß sie sich nicht mehr an mich schmiegt,
sondern wütend neben mir einherstapft.»Aber Betty Wie soll ich dir jetzt Vergeßlichkeitnachweisen Um diese Zeit Ich habe keine Lust, ansolch einem Abend sinnlos zu diskutieren. Komm,
sei wieder nett, Betty. «Betty wirft mir einen wütenden Blick zu.
»Du bist grob und ungebildet. Warum schreist du
überhaupt gleich so laut «»Ich schreie j gar nicht«, schreie ich, »aber du bist
albern. Möchtest du dich nicht erst einmal einen Augenblicksetzen?«Aber Betty will sich nicht setzen.»Es wäre j auch der erste Abend, den du mir nicht verdirbst.Den ganzen Ärger des Tages läßt du immer an mir aus. Abereinmal wird das eben zuviel. Ich will nicht mehr. Gute Nacht «
Betty macht große Schritte. Ich auch.»Betty, jetzt hör mal zu . Ich sehe alles ein. Ich bin rücksichtslos, verärgert und launenhaft. Jawohl, ich bin ein Ekel. Ich bin
unbeherrscht, brutal und beinahe wie ein Mörder. Kannst dumir noch einmal verzeihen? Sei wieder gut, Betty «Betty zieht einen reizenden Schmollmund.»Unter einer Bedingung, mein Lieber. Du mußt mir zur Strafemorgen meine Balkonkästen streichen. Einverstanden?«»Ja, aber was hattest du vorhin eigentlich beinahe vergessen?«Betty zieht die Stirn kraus.»Daß ich dich bitten wollte, morgen meine Balkonkästen zustreichen« sagt sie ärgerlich.
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108 Wo wir sind ist vorn
John Stave
Wir sind, liebe Freunde und Genossen, vor einigen Wochen um
gezogen. Das Haus ist riesengroß, vielleicht fünfhundert Meter
lang, allerdings nur vierzig Meter hoch. Klar, daß man trotzdem in so verhältnismäßig kurzer Zeit nicht jeden Bewohner
oder Mitmieter auf Anhieb kennt oder sogar »Guten Tag «sagt,
zumal es sich insgesamt um nicht weniger als 1500 Seelen
handelt, und zwar um äußerst lebendige.
Die meisten sind überhaupt Kinder, Säuglinge und so weiter,
die in den ausgedehnten Fluren Rollschuh fahren oder einfach
mit den Fahrstühlen spielen. Dementsprechend zählen die mei
sten erwachsenen Bewohner um die dreißig Lenze. Aber es
gibt auch einige weitaus ältere Bürger ... Na ja, gut.Nun, eines sonnigen Nachmittags läutet es an der Tür.
Ich denke noch so: Wer kann denn das wohl sein? Aber
Geben ist seliger wie nehmen.
Ein guter Start für unsere weitere
Zusammenarbeit zum Gedeihen. da öffne ich auch schon. Eine mir völlig unbekannte
unserer Hausgemeinschaft Person männlichen Geschlechts steht vor mir und lüf-
tet den weichen Filzhut. Es ist eine Art Bleichgesicht oder viel
mehr eine sogenannte Leichenbittermiene. Alt ist die Person
etwa vierzig, fünfundvierzig.
»Guten Tag, mein lieber Kollege Zabel«, sagt die Person. »Gut,
daß ich Ihnen endlich einmal antreff. Ich war schon paarmalhier, aber immer unanwesend. Die Sache ist die, daß wir HGLmä
ßig noch nicht arbeitsfähig sind, aber trotzdem muß das Leben
j anrollen. Sie kennen auch kaum jemand im Haus, oder?«
»Nein«, entgegne ich furchtlos. »Und ich bin sowieso öfter auf
Achse«, setze ich noch entschuldigend hinzu und bitte densel
ben, also den Besucher, herein.
»Sie sind Genosse und so? «fragt er ein bißchen lauernd, wie
mir scheint.
Ich sage: »Ja, ich bin Genosse. >Und so< bin ich ebenfalls «»Gut, also hör zu«, sagt er. »Es handelt sich um einen sogenann
ten traurigen Fall. Gewissermaßen eine tragische Kiste .«
Er holt tief Luft, legt den Hut auf den Tisch und zieht aus der
Jacke ein Blatt Papier, das er entfaltet. Ich sehe genauerhin und
da entpuppt es sich als eine Sammelliste. Sie heißt: »Sammel
liste für einen Kranz der Hausgemeinschaft Oskar-Schulze-Allee
90 für den verstorbenen Kollegen Ewald Trappe (Mitmieter).«
»Ich kenne j den betreffenden Kollegen überhaupt nicht « sage
ich, denn ich spüre sofort, daß ich hier offenbar zur Kasse gebeten werden soll. Ich bin nämlich von Natur aus ein bißchen
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Wo wir sind ist vorn 109~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ ~ ~ ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = i ~
geizig und gebe an und für sich nur, wenn es sich absolut nicht
vermeiden läßt.
»Niemand kannte ihn Aber alle haben gegeben Hier, sehe dir
die Liste an: Neumann drei Mark, Selbelang vier Mark, Kunzeeine Mark, Doktor Knöterich zehn Mark, Waxmann fünf Mark
und so weiter und so weiter. «Dem Leichenbitter stehen direkt
Tränen in den Augen. Ich taste langsam und nachdenklich nachmeinem Portemonnaie in der Gesäßtasche. Ich tue es ungern,
aber was soll's. Ich seufze.
Er sagt: »Laß nur Laß deine Kröten stecken, Zabel Ich sehe
schon, was mit dir los ist, was für ein Typ du bist. Wir bringen
unsern Kollegen Trappe auch so unter die Erde. Er war neun
undachtzig Du brauchst nichts geben. Aber eins
sage ich dir: Es ist kein sehr ruhmreiches Ruh-mesblatt, das du dir da als Hausgemeinschafts- .
mitglied zwecks E. ·· g und Reklame an die - ·Brust heften tust «
Er schnaubt sich hörbar die Nase.
Ich rutsche so auf dem Stuhl rum. Ich sage: »Nunkomm, hör auf zu heulen Ich will mich j eintragen. Aber weißt du, der ganze Umzug und so,
das ist mächtig ins Geld gegangen. Ein Klappbett mußte ich auch anschaffen ...«»Der Kollege Trappe braucht kein Klappbett
mehr. Auf dem letzten Gang brauchst du nichtdas popligste Bett Gibst du nun, oder gibst dunicht?«
»Ich geb j schon«, beeile ich mich zu versichern. ,f cl
Er schiebt mir die Liste herüber, den Kugel-schreiber auch, und glotzt. Er h t rotgeäderte
Augen und riecht ein ganz klein wenig nach Lichtenberger Doppelkorn.
Ich notiere zaghaft eine »1«, aber der Leichenbitter wird sofort
von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt. Zusätzlichschluchzt er auch noch. Obendrein.
»Ewald Trappe« sagt er leise, »hatte sich so sehr gefreut, war
richtig glücklich, daß es endlich mit der neuen Wohnung geklappt hat. Er wohnte j solange in der Kleingartenanlage >Ei-
nigkeit<, und seine Laube war auch nicht mehr das, was sie einmal war. Sie sollten schon lange herunter, eigentlich. Die Obstbäume waren schon alle weg. Und dann die freudige Botschaft
Ich sehe noch, wie der gute alte Ewald vor der neuen Badewan
ne steht. Er war ...«Der Bleichgesichtige bricht ab. Er zuckt mitden Schultern. Ich setze entschlossen eine »Ü« hinter die »1«.
- - ·•
>>War hier mal ein sol-
ches?
a aber sie brauchten
Baufreiheit für die Er-richtung des Straßen-
schildes. «
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110
. .
Stalin fährt ·mit der
Transsib. Als sie ihm ··. . . ;
• u langsam fährt, · ·. .
·gibt er Befehl, den ·Maschinisten urtd ·. ·
. . . . .
·· alle Vera.ntWor.tli ; . .
·chen zu . r s c h i e ß e n ~ ·. .
Chruschtschow fährt. . ··. : .
mit der T r a n s s i b ~ Alst er i1lerkt, wie gering .·
· die Geschwindigkeitist, gibt er Befehl,
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merkt, daß der Zug ·. . .
sich nicht VOril.Fleck·rührt, sagt. r. »Laßt
uns die Fenstet ver- ···diinkeln Stellen :wir
· 111·s vor, wir a l l r ~ n. .: . · . :· · . . .
<111it Höchstgeschwin-µigkeit < •... ·· · . ·
Wo wir sind ist vorn
»Brav « sagt der Sammler. Er erhebt sich, reicht mir die Hand:
»Geben ist bedeutend seliger wie nehmen. Du, lieber Kollege
Zabel, stehst mit dem Doktor an der Spitze der Tabelle. Ein
guter Start für unsere weitere Zusammenarbeit zum Gedeihen
unserer Hausgemeinschaft «
Er steckt die Liste ein, schneuzt sich noch einmal und ver
schwindet. Ich höre, wie es beim Nachbarn »Klingklang« macht.
Auf der ersten Hausgemeinschaftsversammlung ist es geram
melt voll, weil auch die Mängel erfaßt werden sollen. Der Dr.
Knöterich hat die Leitung. Den Leichenbitter kann ich im Mo-
ment noch nicht entdecken, und der so früh von uns gegange
ne Kollege Trappe glänzt selbstverständlich auch durch Abwe-
senheit.
»Wir wollen nun einmal gleich in medias res gehen«, sagt der
Doktor, »und deshalb schlagen wir folgende Mie ... «»Moment emol« sage ich spontan. »Ich will mal was zur Ge-
schäftsordnung sprechen. Es handelt sich um folgenden Fakt,
daß wir uns zunächst einmal von den Plätzen erheben wollen,
was dem Doktor unterlaufen ist, um unseren teuren, jedoch ver
storbenen Mitmieter, den Kollegen Trappe, den wir alle so
schätzen, gewissermaßen zu ehren «
Sie stehen alle auf, einige erheben sich auch, nur der Hausmei
ster, der in seiner Ecke sitzt und raucht, denkt nicht im Traum
daran. Im Gegenteil, er fängt plötzlich an zu lachen: »WelcherMieter Trappe? Trappe haben und hatten wir hier nicht. Jeden
falls nicht, solange ich hier bin, und ich bin von Anfang an
hier«, sagt er völlig pietätlos. »Den müßte ich ja kennen, was?«
Nun geht natürlich ein Raunen durch die Massen. Alles ruft
durcheinander. Einer behauptet, er habe zwanzig Mark gege
ben, doch das läßt sich ja nicht mehr überprüfen
»Aber es hat doch jemand gesammelt « ruft einer. »Der mit dem
Vogelkopf.«
»Es war ein gewisser Sandmann, Kollege Sandmann. Ich hab
auch zehn Mark gegeben«, gibt der Doktor zu.
»Und ich erst « rufe ich dazwischen. Denn nun bin ich natür
lich ganz besonders sauer, weil es nicht einmal einem guten
Zweck gedient hat. Verflucht und zugenäht So ein Mist. Der
Sandmann, dieser fingierte Kollege, der hat uns ganz schön
auf die Nudel geschoben.
Aber insgeheim, liebe Freunde und Genossen, als die Versamm
lung ihren Fortgang nimmt, denke ich doch ganz unvermutet
bei mir: Die Idee als solche war nicht schlecht. Oder?
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Zeidu\Ung: Hei11z Behli"SJ Aber Kollegen, das ist doch schon erfunden f•.Trpisc:hl Und wir sind wieder mo1 nicht informiert worden.•
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Heinz Winkler
Endlich Penndorf rieb sich innerlich die Hände. Er, Sachbear-beiter beim Bezirk für Kultur am Arbeitsplatz, hatte die Werk
tätigen des VEB KULKOPANT, vertreten durch den Betriebs-leiter, den Hauptbuchhalter und den BGL-Vorsitzenden, von
ihrer künstlerischen Mission überzeugt. Penndorf versprach, in
Kürze bei dem auftragswilligen Malkünstler Sorgenfrey vor
stellig zu werden, um die Einzelheiten auszuhandeln. VEB
KULKOPANT produziert, wie der Name schon richtig sagt, Ku
gellager und in der Konsumgüterproduktion Antennen. Und
das muß, so forderten kategorisch die drei Werktätigen, in dem
Kunstwerk zum Ausdruck kommen.
Penndorf war mit Sorgenfrey so schnell zur Stelle, daß derHauptbuchhalter argwöhnte, der Künstler habe vor dem Be
triebstor gewartet.
Denkste Sorgenfrey versicherte den KULKOPANT-Ver
tretem, daß er ihr Bildverlangen wohl verstehen könne,
wer könne das nicht, nicht wahr, aber er sei total aus-
gebucht, doch für unsere Arbeiter täte er alles, und er
Sorgenfrey zog sich aus dem
Tumult zurück seine Schöpfung
hatte nicht nur die materielle
Seite gestärkt.wolle mal sehen ... »An wieviel hatten Sie denn ge
dacht?« wurde er endlich konkret.
»An ein oder zwei Bilder«, sagte der Betriebsleiter, ein bißcheneingeschüchtert schon. Penndorf vern1ittelte schonend: »Herr
Sorgenfrey meint den Wertumfang, damit er in bezug auf die
Größe des Bildes disponieren kann.«»Wollen wir nicht erst mal drüber reden, was drauf soll?« wagte
der BGL-Vorsitzende einen Einwurf.Man zeigte Sorgenfrey die große Wand im Speisesaal, und er
stellte sofort bindend fest: »Ein Triptychon « Aus einer abge-
schabten Aktentasche zog er einen dicken Stapel einschlägi-
ger Preislisten, überschlug die Fläche der Wand und fand aufder Liste 47 a, daß das Bild sechsunddreißigfünf kosten müsse.
Erneut mußte Penndorf verhandlungsfördemd eingreifen. Er
sprach von den Bedürfnissen unserer Menschen nach großer
Kunst, verwies auf die Verpflichtungen gegenüber nachfolgen-
den Generationen und brachte schließlich die Steigerung der
Arbeitsproduktivität ins Spiel, zu der sich die Werktätigen, von
dem Bildwerk angeregt, spontan entschließen würden.
Der Betriebsleiter forderte nur noch resignierend: »Aber Kugel
lager müssen hinein «
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owir sind ist vorn 3~ = = = = = = = = ~ ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = : ~ ~ ~ = = = = : ; : = = = = = = = = = : : . . . J
•
. 1 1
»Vielleicht sehe ich da gewisse Möglichkeiten« äußerte sich
der Künstler. »Wenn das Werk fertig ist lade ich Sie zu einer
kritischschöpferischen Diskussion über das Sujet ein. «
»Wrr als gesellschaftliche Auftraggeber sollen doch wohl auf die
künstlerische Konzeption Einfluß nehmen. Können wir dasdenn noch wenn das Ding schon fertig ist?« fragte vorlaut der
BGL-Vorsitzende.
»Die Diskussion wird dazu dienen daß Sie die richtige Einstel-
1ung zu dem Kunstwerk finden « Sorgenfrey wurde fast ärger
lich blieb aber höflich denn der Vertrag war noch nicht unter
schrieben.
Vier Monate später bereits wurde die schöpferische Diskus
sion über das fertige Werk zelebriert.
Jetzt stellten sie erst mal fest: Das Bild hatte großes Format.22 Quadratmeter. Auf dem unteren Teil breitete sich in acht
Meter Länge und eineinhalb Meter Höhe eine spätbürgerliche
Produktionslandschaft in voll entfalteter Apokalypse aus. Der
Betriebsleiter setzte die Fernbrille auf um zu entdecken ob
auch Kugellager mit an die Oberfläche kamen. Aber die nah
men mit vollem Recht den zukunftweisenden rechten Oberflü-
gel in Anspruch wo sie sich in langer Kolonne auf einer wel-
ligen Straße auf ein sperrangelweit offenstehendes Tor zuwälz-
ten hinter dem mächtige Schlote qualmten.
»Was r ufmuß wissen
wir schon. ivlr können
bloß nicht malen <<
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114
>>Dauert s noch lange?<<
Wo w r sind st vorn
»Bitte beachten Sie«, schwärmte Sorgenfrey »daß die Kugeln
in den Lagern ganz rechts noch nicht rund sind sie werden
nach links zu immer runder und symbolisieren so augenfällig
die wachsende Qualität unserer Produktion. Und ganz in der
fernen aber schon erreichten Zukunft rollen die Produkte un
serer Menschen in ein Atomkraftwerk hinein das als Status
symbol der wissenschaftlich-technischen Revolution mit seinen Schloten wie mit siegesgewissen Fingern in den Himmelgreift « Der wie immer naseweise Begeeller räusperte sich: »Sie
haben ein älteres Braunkohlenkraftwerk abgemalt.«
Sorgenfrey war heute nicht zu be-
leidigen. »Wer, mein lieber Freund
von solchen naturalistischen De
tails nicht zu abstrahieren ver
mag wird nichts Bleibendes
schaffen können. Für mich war eseine logische und künstlerische
Konsequenz daß die Kugellager
in einem Atomkraftwerk und nur
dort sich selbst realisieren kön
nen. Futuristisches Denken ist nu
klear determiniert.« Bei der feier
lichen Enthüllung des Bildes das mit einem Tieflader seinenBestimmungsort erreicht hatte guckten die Werktätigen kon
sterniert. Sorgenfrey verbrauchte zu seiner Selbstentäußerungin fünfundzwanzig Minuten das gesamte Vokabular, das ihn als
Modemen auswies und hatte dann nicht mehr die Nerven sich
dem Maschinengewehrfeuer der Fragen zu stellen. »Wer ist
denn das auf dem Pferd?« - »Hebt der mit dem dunkelgrünen
Gesicht die tote Katze auf oder schmeißt er sie weg?« - »Haste
schon mal solche Kullern gesehen?« - »Soll das immer hier
hängen bleiben auch beim Essen?« - »Kann man davon leben
wenn man so was malt?«
Und als gar ein älterer Brigadier seine jungen Kumpels in völliger Verkennung der Sachlage damit beruhigte daß man einem
geschenkten Gaul nicht ins Maul gucke verdrückten sich der
Betriebsleiter und der Hauptbuchhalter mit einem unangeneh
men Ziehen in der Magengegend.
Sorgenfrey zog sich aus dem allgemeinen Tumult ebenfalls dis
kret zurück. Er fuhr nicht ohne Stolz nach Hause. Seine Schöp
fung hatte nicht nur die materielle Basis stabilisiert. Sie hatte
auch stürmische Diskussionen herausgefordert.
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Wo w r sind st vorn 11 5= = = = ~ = = = ; : = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ; . ; ; ; ; ; = = = = = = = ~ ; ; ; ; . _ = ~
Heinz Helm
Versammlung am Rednerpult
A: Kollegen, ich komme nun zu Punkt 95 meiner grundlegen
den Ausführungen: Die Beitragszahlung für die DSF.
Wir mußten feststellen, daß bei einigen Mitgliedern Bei
tragsrückstände bis zu 4 Monaten bestehen. Kollegen, die
Deutsch-Sowjetische Freundschaft ist uns nicht nur Her
zenssache, sondern auch ein Lippenbekenntnis.
B kommt herein.A: Was ist denn?B: Der Pförtner hat eben angerufen. Unten sind drei Russen.
A: Das heißt nicht Russen, sondern Sowjetbürger. Was wol-
len sie denn?B: Der Pförtner sagt, er kann sie nicht verstehen. Sie sprechen
sowjetisch.
C: Das heeßt russisch Wo wollen sie denn hin?
B: Na zu uns.
D: Ach du meine Fresse, die kommen bestimmt wegen dem
Export.
C: Wieviel Planschulden haben wir denn?
A: Dreihunderttausend.
B: Deswegen kommen wahrscheinlich dreie, das macht eenenpro Hunderttausend
D: Ich gehe gleich mal runter in die Produktion. Die sollen so
fort eine Selbstverpflichtung abgeben, ihre DSF-Mitglieder
um 10 Prozent zu erhöhen.
C: Aber die sind doch schon alle drinne
D: Du guck mal nach, ob 'n paar ihren Ausweis verbummelt
haben, da könn' die wieder neue eingetreten werden.
A: Quatsch Das interessiert die drei da unten doch überhaupt
nicht.C: Dann möchte ich wissen, weshalb du dich eben so aufgepu
stet hast.
A: Mir schwant Schreckliches Karl-Eduard, sag die Wahrheit
Hast du bei deiner letzten Dienstreise eine Sowjetfrau un
sittlich berührt? Hast du dich dort so benommen, wie auf
dem letzten Betriebsvergnügen?
D: Nein.
A: Na was können die denn sonst noch wollen?
Der Parteichef von
Suhl berichtet im.
Dezember im Politbüro, daß es in seinem·Bezirk keine
Kohlen mehr gibt.
»Und was macht die
Bevölkerung da?«
erkundigt sich Hon-; .
ecket. ·
»Sie friert.«
»Es . st doch bewun
dem·swert« sagtHonecker, >>wie unse
re Menschen sichimmer wieder z hel
fen wissen.«
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6 Wo wir sind ist vorn-= > l l t J • ~ - • •-• • = s - - - . : z : : ~ - „ ~ • 1 1 1 - - = r : ? t ~ a l - · ,
B: Vielleicht kommen sie bloß wegen der Freundschaft.
A: Los, Frieda, koche Kaffee.
B: Die Russen trinken doch keinen Kaffee.
· A: Das heeßt nicht Russen, sondern Sowjetmenschen. Da
kochste Tee.
.................·- _;_„
>Ich denke, du kannst
russisch, von deinenDienstreisen?
>Ja aber nur die Spei-senkarten.
Auch 1975 gab es wie-
der für Freunde der rus-sischen Sprache Filme
aus dem Bruderland.
B: Sowjetischen?
A: Russischen natürlich. Daß du mir keenen chinesischenkochst. Was stellen wir denn nun mit den Russen an?
D: Siehste, jetzt sagst du 's selber.
A: Herrgott ja, aber mit so etwas hat doch kein Mensch ge rechnet.
C: Ich habs Wir lassen sie nicht rein.
• • )il()Uf-._ . , 4 1 ~
. , _
a . ~ t c c' ·- ' Y.
. „ „ .
D: Du spinnst wohl
C: Wieso? Es gibt eine Dienstanweisung, wo-
nach Ausländer den Betrieb nur mit Ge-
nehmigung des Generaldirektors betretendürfen
A: Das kann man doch mit Freunden nicht
machen Wo ist der Generaldirektor?
B: Auf Dienstreise in der Sowjetunion.
A: Dann müssen wir sie eben auf der Straße empfangen.
D: Freunde empfängt man nicht auf der Stra
ße . Was willst du denn zu ihnen sagen?
A: Ich? Wieso ich? Ich denke, du kannst russisch, von deinen Dienstreisen .
D: Ja, aber nur die Speisekarten. Ich kannsie doch nicht mit »Soljanka, Soljanka «
begrüßen Am besten, wir setzen uns mit
ihnen ihn eine Kneipe mit hohem Niveau.C: Aufn Fernsehturm
A: Quatsch, da ham sie doch in Moskau eenviel höheren.
D: Dafür sind bei uns die Preise im Cafe höher. Das gleicht sichwieder aus.
B (hat in Akten geblättert): Hier stehts. Die Dienstanweisung
ist wieder aufgehoben. Also dürfen se rein.
A: Das hat uns gerade noch gefehlt.Es klopft.
C: Das sind sie. Wie heißt »herein« auf russisch?A (laut): Drushba
E kommt herein.
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owir sind ist vorn 7= = = : = : : : : = : : ; ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = _ J
Wieso bläkst du denn russisch, wenn ich dich was fragen
will?
A: Mach mich nicht wahnsinnig Jeden Moment können die
Brüder - die Freunde kommen.
E: Ach die Die hab ich ins Klubhaus geschickt. Die waren ein-
geladen zu einem, zu einem Vortrag über Deutsch-Sowjeti
sche Freundschaft.A: Gott sei Dank Ich dachte schon, die wollen wissen, wie das
bei uns in der Praxis funktioniert.
Nils Werner
1ail s, tail s
Er ist natürlich nicht irgendwer,nicht irgendein kleiner Statist.
Er ist Funktionär, Kultursekretär.
Ein Preuße - und etwas Marxist ...
In seinen Adern pulst Pflaumenmus,
sein Wille ist schmiegsamer Kitt.
Auf tönernem Fuß, nach obenhin Schmus,
entfaltet er Stumpfsinn-Verschnitt.
Bekämpft eine Glosse (mit Recht) den Mief,
erhebt er sofort ein Geschrei:
»Das Ding liegt schief Zu negativ
Es freut nur die Gegenpartei «
Er ist im Amte und auf der Hut.
Er ist für Satire, gewiß.
Satire ist gut für Leute mit Mut.
Doch er hat meistenteils Schiß.
Er ist natürlich nicht irgendwer,
nicht irgendein kleiner Statist.
Er ist Funktionär, Kultursekretär.
Ein Preuße - und etwas Marxist ... >>Morjen Herr Direktor I<<
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118 Wo wir sind ist vorn, • 2 12* ' t 'llmaa•nw111,s1t• Jltt'612GJIO, JC:1 : -a • • tm 0
"1 'f'n:l115*4• •m L„.t t:J1n11211
7 u c ; ; s r c r : ~ s m · - II • • D II : • :llre.111C • 2 ·•
Ein Amerikaner, ein·Franzose und ein ·
DDR-Bürger unterhalten sich, was ihr
·tollstes Erlebnis war.. . ..
Der Amerikaner. _
·
sagt, sein tpllstes Er-lebnis war ·ein Multi-.
Millionen-Dollar· schäft .
Der Franzose sagt,sein tollstes Erlebniswar eine Nacht mit
·einer .Schönheitskö-• •
mgm.· Da sagt der R ~ .
Bürger, mein . ollstesErlebnis war, als ··morgens um fünf die
Stasi bei ihm klingelte und fragte, .ob ·er
·Herr Müller sei und. .
er ·antworten konnte:.
Nein, der wohnt ein ·
Stockwerk höher.. .
Edgar Külow
O SSO
Es gibt welche, die haben dauernd Pech. Der Genosse Born
schein, der war so einer.
Dienstag früh fragt sein Parteisekretär: »Komm mal rein,warum warst du gestern nicht in der BPO-Versammlung?«
Bornschein brach der kalte Schweiß aus: »Ich hab's glatt vergessen «
»Du hast in der Partei einige Male was vergessen. Ich hab mir
deine Kaderakte angeguckt, und was les' ich da?«
»Ich weiß, Genosse Parteisekretär, ich hab 'ne ganz mieseAkte.«
»Ja, Genosse Bornschein, du hast in den fünfziger Jahren, als
die Partei das gar nicht wollte, Westverwandtschaft ersten Grades gehabt, bist Volkswagen gefahren und hast versucht, 'ne
Datsche an der Ostsee zu erwerben «
»Ja«, sagte Bornschein, »es waren fürchterliche Jahre «»Und dann?« lauerte der Parteisekretär.
»Die Verwandten starben, die Datsche ließ ich sausen, denVolkswagen hab ich verkauft, in jeder Parteiversammlung hat
ten sie mich damals dran.«
»Und heute?«
»Was ist heute?«»Wir haben in der Leitung entsetzt festgestellt, daß einige Ge
nossen genau wie du die schon vor Jahren initiierte neue Parteilinie nicht befolgen Bei dir müssen wir konstatieren, daß du
keine Datsche hast, weder Gemüse noch Obst anbaust, daß du
keine Westverwandtschaft hast, daß du keine müde Westmark
in den Intershop trägst Ja, Genosse Bornschein, deine ideo
logische Unklarheit zieht sich wie ein roter Faden durch deinedreißigjährige Parteizugehörigkeit ... siehst du das ein?«
»Natürlich sehe ich das ein, bloß ich habe mich ideologisch inder letzten Woche wirklich stark gebessert.«
»Ah, hast du mal Marx und Lenin gelesen?«
»Nee, aber ich hab über hunderttausend Westmark geerbt ...«
»Mein Lieber, warum sagst du das nicht gleich?«
»Eigentlich wollte ich ... in meiner jetzigen Situation ... also,
ich wollte einen Ausreiseantrag ...«
»Alter, du mußt doch dumm sein Hier bei uns wohnen und ge
nügend Westgeld haben, besser kann's dir doch gar nicht
gehen «
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owir sind ist vorn 9; ; : = = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ _ _ : ~
»Aber ich kann ja leider nicht ... also, nach'm Westen kann ich
ja nicht «
Der Parteisekretär kam immer mehr auf Touren. Es ging
darum, über hunderttausend Westmark unserem Staat zu er
halten.»Genosse Bomschein, das machen wir doch, das machen wir
doch alles .... willste in die Schweiz? Zieh deine Ausreise zurück, mach Urlaub im Westen, mach Arbeitsurlaub im Westen,
aber bleib DDR-Bürger Das machen doch schon mit großem
Erfolg die Schauspieler und so weiter ... «
»Ja«, sagte Bomschein, »ja.«
Er holte sich einen Fiat, kaufte sich für Westgeld in Ahrens-
hoop ein Häuschen, lud die hohen Funktionäre und die Künst-
ler ein ... Ach, in der DDR Kommunist sein, das ist manchmal
verdammt schwer Aber es kann natürlich auch unheimlich
schön sein
K orro t ~Ein Vorurteil sei korrigiert:Der Pessimist, Kollegen, ist
genaugenommen Optimist,
nur besser informiert.
Ernst Röhl
))Allen muß sie es her-
ausposaunen daß sie
dieses Jahr wieder mit
den Kindern ins Aus-land reist ((
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120
„ -· ~ : : i > - „ ~ . ~ ~ ; ~ ; ; , ~ ~ : ? ~ 6 f ~ : ~ : ; ~ r ;
Breshnew
die Baustelle ~ ~ · ' ~. .
Trasse und wundert_
sich daß dort so ·
viele a t r o s e n a r ~beiten. Da raunt „
ihm sein Sicher-· ·
heitsoffizier zu:
hristine Errath
975
1. Januar
1.Januar
15. Januar
20. Januar
975
Die Sonntagsausgaben aller DDR-Zeitungen werden auf
grund von Papiermangel eingestellt.Die FDJ errichtet das Reisebüro >>Jugendtourist<< speziell fürjunge Leute.
Der VEB Transportable Wohnzellen schickt die ersten dreiWohnunterkünfte für die Unterbringung der Trassenbauerdes Zentralen Jugendobjekts Drushba-Trasse in die Ukraine.
Otto Winzer tritt als Außenminister zurück t 3. März 1975).Oskar Fischer wird sein Nachfolger.
25. Januar-2. Februar Günter Mittag vereinbart auf einer Japanreise den
Ausbau der Handelsbeziehungen. Die DDR erhält von Japaneinen Kredit zum Bau des internationalen Handelszentrumsin Berlin.
Ein Parteifunktionär läßt sich von einem japanischen Manager
die Motivation für das hohe Arbeitsethos der Japaner erläutern.
»Die Japaner arbeiten 3 Stunden für den Kaiser 3 Stunden für
Japan und 3 Stunden für sich.«
Der Parteifunktionär erleichtert: »Genau wie bei uns in der DDR
nur haben wir keinen Kaiser und Japan geht uns nichts an.«
28. Januar-2. Februar In Kopenhagen wird Christine Errath Europameisterinim Eiskunstlauf.
31. Januar Nach Unterzeichnung des Protokolls für den Warenaustausch 1975 zeichnet sich ab, daß die Sowjetunion die Erdölpreise schrittweise steigern wird. Die Verbraucherpreise inder DDR bleiben stabil.
14.-16. Februar Wolfram Fiedler, Margit Schumann und B Hahn/U. Hahnwerden Weltmeister im Rennschlittensport in Hammarstrand Schweden).
21. Februar
1. März
2. März
Ein neuer Film mit der beliebten Olsenbande aus Däne
mark läuft an: >>Die Olsenbande läuft Amok .Erstaufführung von Tennessee Williams >>Endstation Sehnsucht in Leipzig.
Gert-Dietmar Klause gewinnt als erster Mitteleuropäer denWasalauf.
13.-15. März Übergabe der Bauernkriegsgedenkstätte auf dem Mühlhäuser Kornmarkt. Richtfest fü r das Bauernkriegsdenkmal beiBad Frankenhausen.
25. März In Ost-Berlin unterzeichnen Österreich und die DDR einenKonsularvertrag, in dem Österreich als erstes westliches
Land die Existenz einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaftanerkennt.
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Zeittafel 1975
26. März Der Vorsitzende des Freien Deutschen Gewerkschaftsbun
des Herbert Warnke stirbt. Sein Nachfolger wird Harry Tisch.
5.-6. April Die 15. DDR-Juniorenmannschaftsmeisterschaften im Bad
minton finden in Dorfchemnitz statt.
14. April Vertreter der DDR und der Essener Firma Krupp unterzeichnen eine Rahmenvereinbarung über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit.
17. April DEFA-Filmpremiere >>Jakob der Lügner<< DEFA/Fernsehender DDR) nach Jurek Beckers Roman.
23. April Die Festveranstaltung zum 150jährigen Bestehen des Bör
senvereins des Deutschen Buchhandels findet in Leipzigohne Vertreter der Bundesrepublik statt.
23.-25. April 2000 Bauschaffende nehmen an der 6. Baukonferenz des
ZK der SED teil. Schlußwort Erich Honecker: >>Unsere ganze
Politik dient dem Wohle der Arbeiterklasse und aller Werk
tätigen.<<
25. April Die DDR unterzeichnet ein Rahmenabkommen mit der
Hoechst AG, das die Lieferung von drei schlüsselfertigenChemiewerken bis 1979 vorsieht.
27. April Die erste DDR-Baukolonne der Drushba-Trasse erreicht
Tscherkassy in der Ukraine.
Bei einem Moskau-Besuch bemerkt US -Präsident Gerald Ford,
daß abends die Straßen menschenleer sind. Er fragt einen Passanten, wie das zu erklären ist. - »Ach wissen Sie, Herr Präsi
dent, im letzten Jahr wurde Solschenizyn wegen seines Buches
in den Westen abgeschoben. Seitdem sitzen die Leute nach der
Arbeit zu Hause - und schreiben, schreiben, schreiben.«30. April
1. Mai
6. Mai
23. Mai
23. Mai
6. Juni
19. Juni
Mit der Besetzung Saigons durch Truppen des Vietcongendet der seit 1946 andauernde Krieg.
In Magdeburg wir das erste regionale Folklorezentrum,>>Zentrum Harzer Volkskunst<<, eröffnet.
Als erste Westbanken dürfen Credit Lyonnais, Societe Ge
nerale sowie Banco Commerciale ltaliana in Berlin eineDependance einrichten.
DEFA-Filmpremiere Till Eulenspiegel<< nach einer Vorlagevon Gerhard und Christa Wolf mit Winfried Glatzeder in der
Titelrolle.
Die erste Müllverbrennungsanlage der DDR nimmt in Ber
lin-Lichtenberg den Betrieb auf.
Egon Günthers Verfilmung des Thomas-Mann-Romans
>>Lotte in Weimar<< mit Lilli Plamer, Martin Hellberg, JuttaHoffmann und Rolf Ludwig läuft an.
Die Volkskammer verabschiedet das Zivilgesetzbuch. Erlaß
des Denkmalpflegegesetzes und des >>Gesetzes über dieBearbeitung von Eingaben der Bürger<<.
26. Juni DEFA-lndianerfilmpremiere >>Blutsbrüder<<.30. Juli/1. August Während der Abschlußphase der KSZE kommen Erich
121
Harry 1'isch
Günter Mittag auf- . •
der F r i l l l j a h r s s i ~ u n g,
des Zentralkomitees:
»Genossen, ich habeeine erfreulicheMit·
· ~ · .
· ·
teillilig für euct1; ab„ .
1. Mai wird derLebensstandard in
derl}DR um fü:illzig· _ c . J J , ~ ? ' • ·, ,? : v · : ~
Proient t e i g e n -
»Um fünfzig Prozent,
meinst du das im.
. I J ~ t ? : « -- »J Q ~ ~ „
jetzt hatten w r ·unter
Kält:e und Versorgungsschwierigkei-
. ten ~ u leiden, v-t>n. r Y; - · : ~ · ~ f .
Mai m nur noch ·
unter Versorgungs
schWierigkeiten:.«. _ ~ u : . ~ . f • , . . -
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Winfried latzeder
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976
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Honecker w ll Urlaubmachen und fragtHelmut Schmidt ob
er ihn nicht vertretenkönne. Schmidt isteinverstanden undfragt ob es Problemegäbe die er in dieserZeit lösen könnte.Honecker nennt erstens das Versor
gungsproblem zwei-. ens das Wohnungs
problem und drittens:»Es gehen immernoah zu viele SED - ·
Genossen in die i r ~ehe.« Nach drei Wo
chen kehrt Honecker· zurück und fragt ·
Sc.hmidt: »Hast du
meine Problemelösen können?« .
Schmidt antwortet:»Das war ganz leicht.Versorgungsproblem. .
gelöst - Ostgrenze·geschlossen. Woh:-
. .
nungsproblem gelöst- Westgrenze geöff- ·net.« - »Und das Kir- ·
.
chenproblem?« fragt·Honecker·erstaunt.
»Das war ganz leicht.
Ich habe in allen Kir
chen dein Bild auf
hängen lassen seit-. . _
dem läßt sich da kei-ner mehr sehen.«
Zeittafel 975.
Honecker und Bundeskanzler Helmut Schmidt erstmals zu
Gesprächen zusammen.
1. August Unterzeichnung der Schlußakte der Konferenz für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki durch 35
Staaten.
20.-25. August WM-Titel für Klaus Grünkeim 1000-m-Zeitfahren und Tho
mas Huschke im 4000-m-Einzelverfolgungsfahren bei den
WM im Bahnfahren in Lüttich-Rocourt (Belgien) .27. August Stapellauf des größten DDR-Fährschiffs, Mukran <<
3. September Die DDR bricht für anderthalb Jahre ihre diplomatischenBeziehungen zu Spanien ab, weil dort Todesurteile gegen
Regimekritiker erlassen wurden.
15 .-23. September Peter Wenzel (Mittelgewicht) wird Weltmeister im Zwei
kampf bei der WM im Gewichtheben in Moskau.
19.-26. September Bei den 3. Tagen des sozialistischen Films im Bezirk Karl
Marx-Stadt wird der sowjetische Spielfilm >>Kalina Kras
naja von und mit Wassili Schukschin erstmals in der DDR
gezeigt.
22. September Die Klaus Renft Combo wird verboten .
24. September Die Einwohnerzahl Jenas erreicht die 100000-Grenze,womit Jena zur 14. Großstadt der DDR wird.
6. 13. Oktober
7. Oktober
Erich Honecker weilt in Moskau. Der zweite >>Vertrag überFreundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Bei
stand<<mit der Sowjetunion wird unterzeichnet.
Der Gründungstag der DDR wird Nationalfeiertag.
8.-10. Oktober Wissenschaftliche Konferenz >>Grundlagen der sozialisti-
11. Oktober
schen Persönlichkeitsentwicklung junger Arbeiter und Studenten<< in Leipzig.
In den Berliner Kammerspielen hat Peter Hacks >>Jahr-
marktsfest zu Plundersweilern<< mit Eberhard Esche, Cox
Habbema und Dieter Franke Premiere.
13.-17. Oktober Besuch einer Delegation des Deutschen Sportbundes derBundesrepublik unter Leitung seines Präsidenten WillyWeyer in der DDR.
15. Oktober
28. Oktober
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eittafel 975
30. Oktober Uraufführung von Heiner Müllers >>Die Schlacht<< an derBerliner Volksbühne, Regie: Karge/Langhoff.
7. November Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler erhalten beim Internationalen Chansonwettbewerb in Paris den >>Grand prixde Paris<<
14. 20. November Festtage der DDR-Dramatik in der Sowjetunion. 120 Theater stellen Inszenierungen vor.
26. November Anna Seghers erhält anläßlich ihres 75. Geburtstages desKulturpreis des Weltfriedensrates.
1. 6. Dezember Die RGW-Staaten beschließen in Budapest ein Langzeitprogramm über den Ausbau des Straßennetzes. Die Autobahnen Berlin-Warschau-Moskau und Rostock-Berlin-PragBudapest-Bukarest sollen gebaut werden.
2. 13. Dezember Die DDR-Hallenhandball-Frauenmannschaft wird Weltmeister.
15. Dezember Günter Guillaume wird in Düsseldorf wegen Spionage für
die DDR zu13
Jahren Haft verurteilt.16. Dezember Der Korrespondent des Nachrichtenmagazins >>Der Spie
gel<< in Ost-Berlin, Jörg Mettke, wird wegen grober Verleumdung aus der DDR ausgewiesen. Er hatte in einem Artikel über >>Zwangsadoption<< von Kindern berichtet, derenEltern in den Westen geflüchtet waren.
19. Dezember Vereinbarung zwischen BRD und DDR über Verbesserung imBerlin-Verkehr, u.a. Sanierung der Autobahn Berlin-Marienborn.
1975 verlassen 16 285 DDR-Bürger das Land.
Sportler des Jahres:
Kornelia EnderSchwimmen
Roland MatthesSchwimmen
Europapokal-Mannschaft der Leichtathletinnen
Torschützenkönig
der Oberliga:
Hans Vogel vom FC
Chemie Halle mit 17
Treffern
Fernsehlieblinge:
Monika Hauff/ KlausDieter Henkler, Susanund Emöke, Helga Göring, Gisela May, Ingeborg Krabbe, MarianneWünscher, AngelicaDomröse, Maria Moese,
Nina Hagen, ReginaThoss, Agnes Kraus;Walter Richter-Reinick,Reiner Süß, Heinz Fülfe,Rolf Herricht, Hans-Joachim Wolfram, HerbertKäfer, Heinz Schröder,Frank Schöbe , AndreasHolm, Hans-JürgenBeyer, Armin MuellerStahl
neue Bücher:
Fred Wander>>Ein Zimmer in Paris<<
Günter Kunert>>Der Mittelpunkt derErde<<
Karl-Hermann Roehricht>>Vorstadtkindheit<<
Hermann Kant>>Eine Übertretung<<
Klaus Schlesinger>>Alte Filme<<
Kurt Bartsch>>Kalte Küche<<
Gert Prokop>>Der Tod des Reporters<<
23
Oberl iga Plazierung
975
1. 1. FC Magdeburg2. FC Carl Zeiss Jena3. SG Dynamo Dres
den4. BFC Dynamo5. FC Vorwärts Frank
furt/O.6. Stahl Riesa7. Sachsenring Zwik
kau8. 1 FC Lokomotive
Leipzig9. FC Rot-Weiß Erfurt10. FC Karl-Marx-Stadt11. Hallescher FC Che-
•m e
12. Wismut Aue13. FC Hansa Rostock14. Vorwärts Stralsund
große Hits:
>>Nach der Schlacht<<Renft
>>Mir doch egal<<
Reinhard Lakomy
>>Nie zuvor<<
Brot und Salz
>>Auf der Wiese<<
Veronika Fischer
Rote Gitarren>>Anna Maria<<
>>Die Liebe ist ein Haus<<
Regina Thoss
>>Doch ich wollte es•
wissen<<Kreis
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ranz ühmann
»Hast du schon ge
hört? Ein SP.ortwa- genmodell Trabantkommt auf den ·Markt « . · . ·
»Nö wie sieht denn
der·aus?« .
· »Mit Turnschuhen im.
·Handschuhfach « ·
·
976
1. Januar
6. Januar
14. -16. Januar
21. Januar
26. Januar
Zeittafel 976'·
Das Zivilgesetzbuch tritt in Kraft.
Sieger der Internationalen Vierschanzentournee BRD/Österreich wird Jochen Danneberg aus Halberstadt.
Die Direktive zum IX. Parteitag sowie der Entwurf des neuenParteistatus werden veröffentlicht.
Ehrung der Akademie der Künste zum 200. Geburtstag vonE. T. A. Hoffmann. Laudator ist Franz Fühmann.
Als Menschenhändler wird Rainer Schubert aus West-Berlin zu 15 Jahren Haft verurteilt.
4.-15. Februar Olympische Winterspiele in Innsbruck. Medaillenbilanz: siebenmal Gold fünfmal Silber siebenmal Bronze.
4. Februar
12. Februar
14. März
30. März
30 . März
12.April
25. April
25. April
In Reaktion auf die Ankündigung der französischen Kommunistischen Partei den Begriff >>Diktatur des Proletariats<<
aus dem Programm zu streichen betont die DDR: >>Wir sprechen von unserem Staat als einer Form der Diktatur desProletariats. Die Arbeiterklasse kann die sozialistische Ordnung nicht schaffen wenn sie nicht die Macht dazu hat.<<
DEFA-Filmpremiere >>Hostess<< von Rolf Römer mit Annekathrin Bürger.
Auf der Leipziger Messe ist nach der DDR die Bundesrepublik nicht mehr die Sowjetunion größter Aussteller.
Regierungsabkommen zwischen der DDR und der BRD zumPost- und Fernmeldewesen .
Uraufführung von Peter Hacks >>Ein Gespräch im HauseStein über den abwesenden Herrn von Goethe<< im Staatsschauspiel Dresden.
Das Fernsehen zeigt die erste Folge des Mehrteilers >>Da-
niel Druskat<< nach dem Roman von Helmut Sakowski .
Der Palast der Republik wird für die Öffentlichkeit zugänglich; auch Eröffnung des Theaters im Palast mit der PolitRevue >>Salut an alle - Marx<< und der Galerie mit 16 Gemälden u. a. von Tübke Mattheuer Womacka Paris imHauptfoyer.
Der Allgemeine Deutsche Motorsportverein führt Auto
cross als Meisterschaftssportart ein.
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Zeittafel 976
30. April
30. April
9. Mai
13. Mai
18.-22. Mai
27. Mai
30. Mai
30. Mai
5. Juni
29./30. Juni
Bei der EM im Segeln Soling-Klasse) sichern sich Dieter
Below/Olaf Engelhardt/Michael Zachries den EM-Titel in
Genf Schweiz).
Der Internationale Jugendcampingplatz am Leipziger Auen
see wird übergeben.
Christina Brehmer läuft in Dresden über 400 mWeltrekord;
Angela Vogt stellt einen Weltrekord im Weitsprung auf.
DEFA-Filmpremiere Das Licht auf dem Galgen<< nach einer
Erzählung von Anna Seghers; mit Alexander Lang, Erwin
Geschonneck und Jürgen Holtz.
Der IX. Parteitag der SED findet im Palast der Republik statt.
Ein neues Programm und ein neues Parteistatut werden an
genommen. Das Wohnungsbauprogramm wird zum Kern
stück der Sozialpolitik erklärt. Erich Honecker wird zum Ge
neralsekretär der Partei gewählt, Erich Mielke wird Mitglied
des Politbüros.
Beschluß des ZK und FOGB über die >>Weitere planmäßigeVerbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der
Werktätigen<<. 42-Stunden-Woche für Schichtarbeiter, 43
für alle anderen.
Heiner Müllers 1961 verbotenes Stück Die Umsiedlerin<<
wird unter dem Titel Die Bauern<< an der Berliner Volks
bühne aufgeführt, Regie: Fritz Marquardt.
Eröffnung der Ausstellung Junge Künstler der DDR 1976<<.
Die Schwimmerin Ulrike Richter erreicht in Berlin über
100 m Rücken eine neue Weltrekordleistung.In Ost-Berlin treffen sich 29 Delegationen von kommunisti
schen und Arbeiterparteien Europas.
Jemand fragt einen guten Freund: »Sag mal ehrlich, was hältst duvon dem Honecker?« Der Gefragte sieht sich um führt den ande-
ren aus der Kneipe durch mehrere dunkle Gassen in eine leere
Straße. Dort sieht er sich noch mal um und antwortet schließlich
leise, in das Ohr des Freundes flüsternd: »Find ihn gar nicht so
schlecht.«
9.-11. Juli Bei der 1000-Jahrfeier von Altenburg werden über hundertJugendliche wegen angeblicher Randale festgenommen.
17. Juli 1. August XXI. Olympische Sommerspiele in Montreal. Die DDR
Fußballelf holt Gold, ebenso Waldemar Cierpinski im Ma
rathon. Die DDR gewinnt insgesamt 40 Goldmedaillen .
30. Juli
18. August
Die Mindestlöhne in der DDR werden von 350 auf 400 DM
erhöht.
Der evangelische Pfarrer Oskar Brüsewitz aus Zeitz ver
brennt sich, um gegen die DDR-Regierung zu protestieren.
1 2 5
Was haben die DDR
und die Schweiz ge-
meinsam?
Beide bestehen ausBergen und Engpäs-
sen.
Jürgen Holtz
Nun muß man tat-
sächlich auf einAuto nur noch
4 Tage warten:Einen Tag Anmel-
dung und drei Par-
teitage.
Waldemar ierpinski
•
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Ein Offizier komm taufgeregt zuBreshnew: »GenosseGeneralsekretär.Auf dem RotenPlatz sind minde
stens hunderttausend Leute « - »Ja,
und? Das sind Tou
risten .« - »Genosse
Generalsekretär siesitzen alle auf dem
Boden « - »Sie wol
len sich wahrscheinlich ausruhn.« -
»Genosse Generalsekretär sie habealle ihr Essen ausgepackt « - »Sie
werden Hungerhaben was istdaran so schlimm? «- »Nichts Genosse
Generalsekretäraber sie essen mitStäbchen.«
ünter Kunert
Zeittafel 976
26 .August DEFA-Filmpremiere >>Die Leiden des jungen Werthers<<mit
Katharina Thalbach DEFA/Fernsehen der DDR).
26.-28. August Zum fünften Mal geht der Europapokal im Wasserspringen
der Männer an die DDR-Mannschaft - in Edinburgh.
6. September Als erster hochrangiger Politiker der DDR trifft Außenmini
ster Oskar Fischer in Großbritannien zu einem offiziellen
Besuch ein.9. September In Peking stirbt Mao Tse-tung.
15. September Während des Fluges von Sojus 22<<machen die Kosmo
nauten mit der Multispektralkamera MKF 6 Fotos von der
Erdoberfläche. Die MKF 6 ist bei Carl Zeiss in Jena konstru
iert worden.
20.-26. September Am 1. Puppentheaterfestival in Magdeburg nehmen 350
Puppenspieler aus der DDR, der UdSSR, Bulgarien und Polen
tei 1
24. September Die DEFA-Komödie>>
Nelken in Aspik mit
Armin MuellerStahl und Eberhard Cohrs hat Premiere.
29 . September Der Lessing-Preis wird an Hermann Kahler und Heiner Mül
ler verliehen.
5. Oktober In einem Interview mit einem französischen Fernsehsender
betont Leonid Breshnew, daß die Sowjetunion durch inter
nationale Bestrebungen der USA-Politik zur Verteidigung
gezwungen und mit einem zügellosen Wettrüsten kon
frontiert<< ist.
Breshnew bekommt Besuch von seiner Mutter. Er führt sie durch. .
den Kreml, zeigt sein Büro, seine Wohnung, sein Auto. Er fliegtmit i r nach Sotschi zeigt i r Datsche und Swimmingpool.
»Schön, schön Jungchen«, sagt seine Mutter »aber was machstdu, wenn die Roten k o ~ m e n « · · . ··· . ·· · .
7. Oktober
11. Oktober
13. Oktober
14. Oktober
17. Oktober
29. Oktober
-•
Angelica Domröse und Hilmar Thate erhalten den National
preis der DDR.
Am Deutschen Theater hat Die Insel ein Zweipersonen
stück des Südafrikaners Athol Fugard mit Alexander Lang
und Christian Grashof, Premiere.
Unterzeichnung des Abkommens über kulturelle Zusam-
menarbeit zwischen der DDR und Dänemark.
DEFA-Filmpremiere >>Beethoven - Tage aus meinem Leben
nach einer Vorlage von Günter Kunert.
Wahl der 7. Volkskammer.
Horst Sindermann, bisher Vorsitzender des Ministerrates,
wird zum Präsidenten der Volkskammer, Erich Honecker zum
Vorsitzenden des Staatsrates und des Verteidigungsrates
und Willi Stoph zum Vorsitzenden des Ministerrates gewählt.
1. November Erstmals verkehrt der Städteexpreß Gera-Leipzig-Berlin.
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Zeittafel 976
3. November Der Schriftsteller Reiner Kunze wird wegen des Erscheinens
seines Buches >>Die wunderbaren Jahre<< in der BRD aus
dem Schriftstellerverband ausgeschlossen .
11. November Für den Export von Getreide aus den USA dürfen DDR-Schif
fe erstmals in US-Häfen einlaufen .
16. November Während einer Tournee des Liedermachers Wolf Biermann
durch die Bundesrepublik beschließt das Politbüro der DDRdessen Ausbürgerung .
17. November Petition von Künstlern und Intellektuellen gegen die Bier
man.n-Ausbürgerung.
19. November In Dessau wird die Rekonstruktion des Bauhauses nach den
von Walter Gropius 1925 entworfenen Plänen abgeschlos
sen.
26. November Robert Havemann wird unter Hausarrest gestellt.
15. Dezember Beschluß des Fünfjahrplanes 1976-80.
18 . Dezember Der Sowjetdissident Wladimir Bukowski wird gegen denchilenischen KP-Sekretär Luis Corvalan ausgetauscht.
21. Dezember Das >>Neue Deutschland<< berichtet über die Regierungser
klärung von Bundeskanzler Schmidt vom 15.12 . Im Wider
spruch zu abgeschlossenen Verträgen wären Positionen der
Souveränitat der DDR zurückgenommen worden.
22. Dezember Der ARD-Fernsehkorrespondent Lothar Loewe wird aus der
DDR wegen Diffamierung des Volkes ausgewiesen, man
schieße >>auf Menschen wie auf Hasen<<.
25. Dezember Im Weihnachtsprogramm laufen erneut Folgen des Mehr
teilers >>Das unsichtbare Visier<<.
31 . Dezember >>Ferien ohne Ende<< - der erste Maxe-Baumann-Schwank
wird ausgestrahlt. Bis 1982 läuft immer zu Silvester eine
neue Folge.
1976 verlassen 15 188 DDR-Bürger das Land .
Sportler des Jahres:
Kornelia Ender
Schwimmen
Waldemar CierpinskiMarathonläufer
Fußball-Olympiamann
schaft
Torschützenkönigder Oberliga:
Hans-Jürgen Kreische
von der SG DynamoDresden mit 24 Treffern
Fernsehlieblinge:
Von 1976 bis 1979 werden keine Fernsehlieb
linge gekürt.
neue Bücher:
Jurek Becker
>>Der Boxer<<
Juri Brezan>> Krabat<<
Joachim Nowotny>>Ein gewisser Robel <<
Christa Wolf>>Kindheitsmuster<<
Erwin Strittmatter>>Die blaue Nachtigall<<
Sarah Kirsch
>>Rückenwind.
Gedichte<<
27
. ' '; .„. . . . .
O ~ ~ r l i g a ~ P l a z i e r u n g. . ' . '
.19 76 . ' .· > . t ' ' ' .· t · . . .-
• • •,1 SG f.?ynamo Dres- .· . d·en „· ... . ..„ · '· · · ·,• ' · . ' • · 1 • · . '. . . ; .
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12. FC Vorwärts Frank-,.
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große Hits:
>>Lebenszeit<<
Puhdys
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>>Suche ein Zimmer<<Karat
>>Wasser und Wein<<
Lift
>>Gartenparty<<
Gruppe WIR
>>Daß ich eine Schnee
flocke wär<<
Veronika Fischer
>>Wenn der Abend
kommt<<Holger Biege
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Nachweise
Die Karikaturen stammen von:
Horst Alisch: 88 94Peter Bauer: 61
Heinz Behling: 41 50 59 109 111 113
Henryk Berg: 39
Manfred Bofinger: 8 15 16 26 51 65 81 87 117
Henry Büttner: 53 81 97 99 103
Peter Dittrich: 7 5
Barbara Henniger: 32 43 47 69 105 119
Heinz Jankofsky: 24 30 91 103 114
Kurt Klamann: 63
Harald Kretzschmar: 120 121 124 125 126Lothar Otto: 21 35 91
HarriParschau: 23 60 67 79 86 90 101 103 111
Kurt Poltiniak: 71
Louis Rauwolf: 37 77 91
Horst Schrade: 83
KarlSchrader: 12 17 18 19 42 46 106
Klaus Vonderwerth: 38
Fotos:
DEFA-Siftung/Meister Rudolf: 25
Klaus Winkler: 28 29 57
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den Autoren Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns ge
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umor ist eingeplant
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