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Wien
Studie zur Complete Mobility
Verkehrsberatung
, ‐konzepte und
‐lösun
gen für d
en öffentlichen
und
privaten
Sektor
Vorläufige Version
20. Mai 2009
Siemens AG
Erstellung: MRC Europe toronto ottawa kingston halifax brisbane sydney auckland edinburgh leeds brüssel
Wien: Studie zur Complete Mobility
Vorläufige Version
20. Mai 2009
Rue d’Idalie, 11-13 Brüssel Tel. +32 (0) 2 639 62 57 E-Mail: steve.cassidy@mrc-eu.com www.mrcmh.com
Geschäftsführer Steve Cassidy Prof. George Hazel OBE Ken Gosselin Eingetragen in Brüssel
Siemens AG
Erstellung: MRC Europe
Fallstudie Wien Vorläufige Version
MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen i
INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis........................................................................................................ i
1 Management-Zusammenfassung ................................................................... 1
2 Das Konzept der Complete Mobility ............................................................... 3
3 Warum Wien als Fallstudie?.......................................................................... 12
4 Neu überarbeiteter Index der Complete Mobility ........................................ 14
5 Wien: Grundlagen der Complete Mobility.................................................... 20
6 Wien: Leistung der Complete Mobility......................................................... 25
7 Wien: Complete Mobility in der Praxis......................................................... 29
8 Wien: globale Stadt der Zukunft ................................................................... 42
LISTE DER ABBILDUNGEN Abbildung 1 – Globale Trends...................................................................................... 6 Abbildung 2 – Regionale Bevölkerungsentwicklung in Österreich 2001-
2008. ......................................................................................................... 7 Abbildung 3 – Bevölkerung ausländischer Nationalität zum 1.1.2008......................... 9 Abbildung 5 – Erster Mobility-Index 2008 .................................................................. 12 Abbildung 6 – Aktualisierter Mobility Index 2009 ....................................................... 17 Abbildung 7 – Städterangfolge mit aktualisierter Mobilitätsbewertung ...................... 18 Abbildung 8 – Zeitleiste bis zum Erfolg ...................................................................... 22 Abbildung 9 – Urbanes Wachstum in Wien zwischen 1958 und 1997 ...................... 24 Abbildung 10 – Vergleich der Indikatoren für Fahrgastorientierung .......................... 26 Abbildung 11 – Vergleich der Indikatoren für Effizienz .............................................. 27 Abbildung 12 – Vergleich der Indikatoren für Nachhaltigkeit ..................................... 28 Abbildung 15 – der Wiener Masterplan Verkehr: Intelligent Mobility ......................... 42 Abbildung 16 – Bahnhof Atocha, Madrid.................................................................... 45 Abbildung 17 – CityCard in Nottingham..................................................................... 46
LISTE DER TABELLEN Tabelle 1 – Indikatoren............................................................................................... 14 Tabelle 2 – Wiens Ergebnis im aktualisierten Index .................................................. 25 Tabelle 3 – Beispiele für Complete Mobility ............................................................... 29 Tabelle 4 – Intelligent Mobility und Complete Mobility ............................................... 43
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Danksagungen Wir möchten allen danken, die uns bei diesem Bericht unterstützt und dazu beigetragen haben. Besonderer Dank gilt: Frau Winkler, Herrn Schremmer, Prof. Knoflacher, Herrn Stranz, Frau Kossina, Dr. Zeschmar‐Lahl, Herrn Deußner, Herrn Ablinger, Herrn Höfling, Herrn Cremer, Herrn Sattler und den Studenten von der TUW für ihre Tätigkeit als "Testfahrgäste".
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1 MANAGEMENT-ZUSAMMENFASSUNG Aufgrund der von Siemens und MRC McLean Hazel Ltd durchgeführten, umfassenden Untersuchungen hat sich ein tiefes Verständnis der Herausforderungen entwickelt, denen sich Städte heute und in der Zukunft stellen müssen. Globale Schlüsseltrends führen zu einem radikalen Wandel des Beförderungsbedarfs und eröffnen einen neuen Markt für Infrastruktur und Dienste in den Bereichen Personen‐ und Frachtmobilität sowie Luftfahrt. Man hat die Schlüsselrolle der Mobilität und Beförderung für die erfolgreiche Stadt der Zukunft erkannt und eine klare Vision eines an den künftigen Herausforderungen orientierten Mobilitätssystems definiert ‐ das Konzept der Complete Mobility. Mit dem im Jahre 2008 erstellten Index für Complete Mobility wurde in 46 Städten weltweit eine Beurteilung der Fortschritte im Bereich Complete Mobility ermöglicht. Dieser Index setzt sich aus 11 quantitativen und qualitativen Indikatoren zusammen, darunter Maßnahmen zur lokalen und externen Erschließungsqualität, zu externen Effekten und Finanzen. Die Daten für die quantitativen Indikatoren stammen aus der Datenbank "Millenium Cities" von UITP, in der Daten aus dem Jahr 1995 verwendet werden. Ein internationales Expertenteam wurde zur Beurteilung der qualitativen Indikatoren eingesetzt. 46 Städte weltweit wurden an allen 11 Indikatoren gemessen, und ein durchschnittliches Scoring wurde für jede Stadt errechnet. Dieses Endergebnis wurde dann dem Pro‐Kopf‐BIP jeder Stadt gegenübergestellt, um so die positive Beziehung zwischen der wirtschaftlichen Leistung und Complete Mobility zu veranschaulichen. Wien belegte im Index von 2008 zusammen mit einer anderen Stadt den dritten Platz und erzielte damit ein sehr gutes Ergebnis. Diese Studie legt einen aktualisierten und überarbeiteten Index für 2009 vor. Die verwendeten Indikatoren wurden grundlegend geändert und die Daten für jede Stadt aktualisiert. Die Auswirkungen dieser Änderungen werden hier insbesondere am Beispiel von Wien veranschaulicht. Auch hier schneidet Wien sehr gut ab. Zum wiederholten Male konnte sich Wien in der Spitzengruppe der Städte platzieren, die als "Best in Class" bezeichnet werden. Die Position von Wien im globalen Index bedarf näherer Erklärung, und dieser Bericht zeigt die Gründe für den Erfolg der Stadt auf. Damit soll ein Einblick gewährt werden, wie Wien diese Position erreicht hat. Angesichts der weltweit fortschreitenden Globalisierung suchen Entscheidungsträger nach Best‐Practice‐Lösungen und ‐Ansätzen, mit denen sie ihre Herausforderungen bewältigen können. Die führenden Städte im Mobility‐Index ‐ und dazu zählt Wien ‐ haben etliche Jahre hart daran gearbeitet, ihren aktuellen Status zu erreichen. Ein Einblick in die Herausforderungen, denen Wien sich stellen muss, und ein Verständnis der Art und Weise, wie die von Wien umgesetzten Lösungen und Ansätze Städten zu einer besseren Position im globalen Mobility‐Index verhelfen können, ist für andere Städte von großem Interesse. In dieser Studie werden die sich auf Weltstädte auswirkenden Trends und die Anwendbarkeit dieser Trends auf Wien behandelt. Überdies wird hier der Index beschrieben und das von Wien erzielte Ergebnis im Vergleich zu anderen Städten untersucht. Die Studie vermittelt außerdem einen Einblick in den von Wien verwendeten Ansatz und befasst sich schwerpunktmäßig mit lokalen Verfahrensweisen, die Städten nützliche Hinweise bei der Beurteilung ihrer eigenen Leistung im Index bieten und ihnen sogar mögliche Verfahrensweisen für die Zukunft aufzeigen. Fest steht, dass Wien eine Reihe von überzeugenden Verkehrsstrategien und ‐initiativen umgesetzt hat, die der Stadt eine solide Grundlage für künftige Entwicklungen bieten. Daraus geht das Bild einer integrierten Stadt hervor: Wien, eine Stadt mit integrierten Strategien, eine Stadt, die über integrierte Schlüsselfunktionen verfügt und eine Stadt, die lokales Wissen und bewährte Verfahren sowohl in Europa als auch weltweit erfasst und vereint. Viele der in Wien verwendeten Verfahrensweisen gehen in hohem Maße konform mit dem von uns empfohlenen Rahmenwerk für die künftige Entwicklung der Mobilität, wie im Konzept der Complete Mobility festgelegt. Vienna verfolgt bereits eine Vision der Smart Mobility, die eine Reihe interessanter Überschneidungen mit dem Konzept der Complete Mobility aufweist. Die Studie bestätigt, dass Wien zwar bekannte und weltweit anerkannte Beispiele bewährter Verfahren aufzuweisen hat (wie z.B. die weltweit niedrigste Niederflurbahn), die Stadt aber ihre eigentliche Stärke aus ihren durchgängigen, stimmigen und voll integrierten Strategien und Projekten schöpft. Es scheint, als spiegele die Stadt ihr eigenes musikalisches Erbe wider: Während viele Orchester einen einzelnen Star in ihren Reihen haben,
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haben andere die größte Bandbreite an Instrumenten und die am besten aufeinander eingespielten Musiker, die eine durchgängig gute Leistung gewährleisten. Aus demselben Grund gilt Wiens Mobility‐Orchester als eines der besten der Welt. Abschließend führt der Bericht weitere Entwicklungschancen im Zusammenhang mit dem Konzept der Complete Mobility auf, die der Sicherung des künftigen Erfolgs von Städten weltweit und Wien selbst dienen. Viele Wege führen zur Complete Mobility – man kann hoffen, dass durch die gemeinsame Nutzung bewährter Verfahren und die Eröffnung dieser Diskussion und Debatte ein Verkehrssystem entwickelt werden kann, das die lokale wirtschaftliche Entwicklung, die Lebensqualität der Einwohner und auch die städtischen und damit weltweiten Umweltvorgaben unterstützt.
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2 DAS KONZEPT DER COMPLETE MOBILITY Globale Schlüsseltrends führen zu einem radikalen Wandel des Beförderungsbedarfs und eröffnen einen neuen Markt für Infrastruktur und Dienste in den Bereichen Personen‐ und Frachtmobilität sowie Luftfahrt. Demografische, soziale und wirtschaftliche Trends führen zu einer Änderung des Mobilitätsbedarfs von Personen, Unternehmen und Behörden. Diese Trends sind unvermeidlich. Gleichzeitig verändert sich die physische Welt. Im Durchschnitt ziehen weltweit ca. 2 Menschen pro Sekunde in die Stadt. Dies entspricht 193.107 neuen Stadtbewohnern pro Tag. 1
Hinter diesen Zahlen verbergen sich ohne Frage starke geografische Schwankungen; dieser Zuwachs findet hauptsächlich in den Entwicklungsländern statt, während in den Industrieländern bereits ein hoher Grad der Urbanisierung besteht. 2 Nach dem "State of European Cities Report" (Bericht über den Zustand der Europäischen Städte) der Europäischen Union belief sich im Zeitraum 1996‐2001 die Wachstumsrate in einem Drittel der Städte auf 0,2 % pro Jahr 3, in einem Drittel der Städte blieb die Bevölkerung stabil, und in einem Drittel der Städte war ein beträchtlicher Bevölkerungsrückgang zu beobachten. Nach einer kürzlich von Siemens gesponserten Studie der weltweiten Megastädte sehen sich die Städte in der ganzen Welt mit ähnlichen Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit, Mobilität, soziale Entwicklung, Sicherheit sowie Wasser‐ und Energie‐Ressourcenmanagement konfrontiert. Interessant ist dabei besonders, dass nach Meinung der städtischen Interessenvertreter die Kriterien Mobilität und Beförderung von großer Wichtigkeit für die Umsetzung der Ziele der Stadt im Hinblick auf Wirtschaft, Lebensqualität und Umwelt sind. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass Mobilität als Hauptherausforderung für den zukünftigen Erfolg dieser Städte gesehen wird. Das Konzept der Complete Mobility begründet sich genau auf diesem Bedarf an ganzheitlichen und leistungsfähigen Mobilitätsstrategien.
Dieses Konzept stellt einen Paradigmenwechsel dar und beschreibt ein proaktiv verwaltetes Mobilitätssystem, das ein Gleichgewicht zwischen verbesserten individuellen Lebensweisen auf der einen Seite und Umweltqualität, globaler Wettbewerbsfähigkeit und Wünschen nach urbaner Lebensqualität auf der anderen Seite schaffen soll.
Mit dem Konzept der Complete Mobility soll eine Vorgehensweise zur Entwicklung einer Personen‐ und Frachtmobilität mit einem Höchstmaß an Leistungsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Fahrgastorientierung festgelegt werden.
Definition der Complete Mobility:
Das zukünftige Mobilitätssystem muss "fit" für die Zukunft sein: für Bürger, Geschäftswelt und Regierungsorganisationen. Das Konzept der Complete Mobility basiert auf den Anforderungen einer vom Wandel geprägten Welt. Die Leistungen eines solchen Systems sind für Städte unerlässlich, um Umweltqualität, globale Wettbewerbsfähigkeit und eine hohe Lebensqualität für alle Bürger zu gewährleisten. In dieser Studie wird das Konzept der Complete Mobility am Beispiel der Stadt Wien veranschaulicht. Wien verkörpert eine Stadt, in der die grundlegenden Werte der Complete Mobility mit beeindruckenden Ergebnissen angewendet werden. Bei der Nutzung von Verkehrsmitteln entfallen in Wien wochentags 35 % auf öffentliche Verkehrsmittel und 32 % auf den Individualverkehr. Wien weist außerdem den niedrigsten Anteil an Pkw pro 1.000 Einwohner in ganz Österreich sowie die beste Energiebilanz im Hinblick auf Kraftstoffverbrauch und CO2‐Emissionen im Verkehr auf."4
1 UN Habitat, State of the World’s Cities 2008/2009 ‐ Harmonious Cities 2 UN Habitat, State of the World’s Cities 2008/2009 ‐ Harmonious Cities 3 Die Abbildung bezieht sich auf die jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung. 4 UITP, Vienna: A City for All 2009
3 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen
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Im "Global Quality of Living Cities"‐Index (Index für die globale Lebensqualität in Städten) von Mercer gehört Wien seit vielen Jahren zur Spitzengruppe, doch in diesem Jahr (2009) hat die Stadt sogar den Spitzenreiter Zürich verdrängt.5. Dieser Erfolg in der Lebensqualität der Stadt wird weiter durch die "Economist Intelligent Unit" (Forschungsabteilung des britischen Magazins "The Economist") bekräftigt, die Wien in seiner Rangliste der globalen Lebensqualität an dritter Stelle platziert hat6. Außerdem ist Wien eine Wachstumsstadt und hat sich den dritten Platz unter den vom Wachstum geprägten europäischen Städten gesichert, deren Wachstum (ca. 7 % seit 2001) bedingt durch die internationale Migration, den Zustrom an Studenten und auch die Nähe zu den wachsenden Ostmärkten und ‐völkern andauert. Demnach steht die Stadt den gleichen Herausforderungen gegenüber, die von städtischen Interessenvertretern in der ganzen Welt genannt werden. Bei genauerer Betrachtung der Stadt Wien, d. h. ihrer Entwicklung, ihres aktuellen Systems und ihrer Positionierung, die der Stadt bei der Überwindung ihrer zukünftigen Herausforderungen helfen sollen, können wir nachvollziehen, auf welche Weise Complete Mobility ein nützliches Referenzrahmenwerk bietet, um die zukünftige Mobilität zu verstehen und den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.
2.1 Herausforderungen für Millionenstädte
In 2006 sponserte Siemens eine Studie mit dem Titel: Herausforderungen der Millionenstädte: Eine Stakeholder‐Perspektive. Das Projekt diente der Durchführung von Untersuchungen auf der Basis einzelner Millionenstädte, um objektive Daten sowie Perspektiven von Bürgermeistern, Stadtverwaltungen und sonstigen Experten zu lokalen Infrastrukturherausforderungen zu erfassen. Zu diesem Zweck wurden 500 Experten des öffentlichen und privaten Sektors aus 25 Städten der Welt befragt.
Das Ergebnis ist eine faszinierender und nützlicher Überblick darüber, wie die einzelnen Herausforderungen priorisiert werden und welche Infrastrukturlösungen am besten geeignet sind, die lokale Wirtschaft, die Umwelt und die Lebensqualität von Millionenstädten zu verbessern.
• Bei Millionenstädten liegt der Schwerpunkt auf wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung.
• Die Umwelt spielt zwar eine Rolle, wird aber ggf. dem Wachstum geopfert. • Beförderung ist wichtiger als alle anderen Infrastrukturbelange. • Eine bessere Steuerung (Governance) ist für eine Verbesserung in Städten absolut unerlässlich. • Ganzheitliche Lösungen sind zwar gewünscht, aber nur schwer zu erreichen. • Städte sind zwar bestrebt, ihre Serviceleistungen zu verbessern, könnten aber mehr für das
Bedarfsmanagement leisten. • Technologie unterstützt Transparenz und Effizienz. • Der private Sektor muss bei der Steigerung der Effizienz eine Rolle spielen.
Drei Aspekte dieser Schlüsselerkenntnisse sind für die Mobilität von besonderer Relevanz. Diese Aspekte waren Anlass für weitere Untersuchungen zukünftiger Mobilitätssysteme ‐ das Konzept der Complete Mobility, wie in den nachstehenden Abschnitten beschrieben. Folgende Schlüsselerkenntnisse wurden aus der Umfrage gewonnen: Das Verkehrswesen ist wichtiger als alle anderen Infrastrukturbelange Das Verkehrswesen ist mit klarem Vorsprung die bedeutendste Infrastrukturherausforderung für Millionenstädte. Dabei handelt es sich um denjenigen Infrastrukturbereich, der bei den Interessenvertretern als Bereich mit der stärksten Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt gilt. Die Interessenvertreter wissen auch um die Auswirkungen des Verkehrswesens auf die Umwelt (z. B. Luftverschmutzung) und sind an "grüneren" Nahverkehrslösungen interessiert. Dass das Verkehrswesen auch in punkto Investitionen als Schwerpunktthema behandelt wird, stellt keine Überraschung dar. Nach Aussage der Interessenvertreter sind auch Investitionen in den vier anderen in dieser Studie erfassten Infrastrukturbereichen notwendig, d. h. Wasser, Elektrizität,
5 http://www.mercer.com/qualityofliving6 Liveability Ranking, 2007 http://www.economist.com/markets/rankings/displaystory.cfm?story_id=11116839
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Gesundheit und Schutz & Sicherheit. Interessanterweise halten die Interessenvertreter einen starken Zusammenhang zwischen Ausgaben in diesen Bereichen und verbesserter Wettbewerbsfähigkeit für weniger wahrscheinlich, trotz der Tatsache, dass jeder einzelne Bereich wichtige Auswirkungen auf die Gesamtattraktivität der Stadt für Investitionen hat. Eine bessere Steuerung ist für eine Verbesserung in Städten absolut unerlässlich Angesichts der großen Anzahl von Bereichen, in denen Investitionen in eine bessere Infrastruktur dringend erforderlich sind, überrascht es nicht, dass in der Umfrage bei den Interessenvertretern die Finanzierung als großes Problem empfunden wird. Für die Stadtverwaltungen steht jedoch künftig eine Verbesserung der Steuerung und nicht das Geld an erster Stelle. Über die Hälfte der Befragten mit Stadtplanungskenntnissen sehen als Priorität bei der Lösung von Stadtproblemen eine bessere Planung, gegenüber lediglich 12 %, die eine Erhöhung der finanziellen Mittel priorisieren. Neben intensiverer strategischer Planung gilt ein effizienteres Management von Infrastruktur und Diensten als weiterer Schwerpunkt. Um beide Ziele zu erreichen, sind die Städte gefordert, von der passiven Verwaltung bestehender Dienste zu einem aktiveren Managementstil zu wechseln, der auf eine höhere Effizienz und messbarere Ergebnisse abzielt. Städte sind zwar bestrebt, ihre Serviceleistungen zu verbessern, könnten aber mehr für das Bedarfsmanagement leisten Angesichts des enormen Drucks auf die öffentlichen Dienstleistungen tendieren die Städte dazu, den Schwerpunkt auf direkte und unmittelbar angebotsorientierte Lösungen zu legen. Dies ist nicht immer gleichbedeutend mit einer Erhöhung der Kapazität: Häufig wird seitens der Interessenvertreter die Notwendigkeit hervorgehoben, die Effizienz der bestehenden Infrastruktur durch den Bau neuer Straßen, Eisenbahnen, Krankenhäuser, usw. zu erhöhen. Im Gegensatz dazu steht das Bedarfsmanagement nie an erster Stelle, obgleich es von einer Minderheit der Befragten genannt wird. Bedarfsmanagement‐Ansätze werden zwar in verschiedenen Bereichen gefördert, aber selbst Fachleute in spezifischen Infrastrukturbereichen sehen das Management des Bedarfs nicht als Hauptlösung für ihre Probleme an. Angesichts des Verbrauchs, der in zahlreichen Stadt‐ und Infrastrukturbereichen immer wieder das tatsächliche Angebot übersteigt, spricht dennoch vieles für eine breitere und globale Einführung von Bedarfsmanagementstrategien. Diesem Ziel könnte man mit einer angemessenen Preisgestaltung bei den Serviceleistungen näher kommen. Technologie unterstützt Transparenz und Effizienz Technologie kann die Stadtverwaltungen auf zwei wesentliche Arten unterstützen: Technologie erhöht die Effizienz der Stadtverwaltung und ihre Verantwortung für die Bürger. Von zehn Befragten sind acht der Meinung, dass ihre Stadt in den nächsten fünf Jahren immer mehr moderne Informationstechnologie in ihre Verwaltung und operativen Abläufe einbinden wird. Überdies prophezeien Stadtverwaltungsexperten eher eine starke Fokussierung auf Digitalisierung oder E‐Government als auf die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter (64 % ggü. 36 %). Zudem sehen nicht nur reiche Städte die Vorteile der Technologie. Neu entstehende Städte mit Liquiditätsproblemen messen E‐Government und Digitalisierung fast genau soviel Bedeutung bei wie Schwellenstädte und voll entwickelte Städte.
2.2 Trends der Complete Mobility
Die Zukunft der Mobilität wurde im Rahmen der zuvor durchgeführten Studie zur Complete Mobility aufgerollt. Dazu wurde eine tiefgehende Analyse der bedeutenden globalen Trends durchgeführt, die sich auf die Mobilität auswirken. Innerhalb von drei Gruppierungen wurden zwölf bedeutende Trends ermittelt. Dazu zählen:
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Urbanization
Suburbanization
Increased disposable income
Demographic Trends
Ageing Population
Increased workforce participation
Smaller householdsEnvironmentalAwareness
Safety & Security
Scarcity of fossil fuels
Economic Trends
Personal lifestyles(expectation, needs, behavior)
Lifestyle and Social Trends
Globalization
Increased motorization
Abbildung 1 – Globale Trends
Nach einer Prognose der Weltbank wird das Pro‐Kopf‐Einkommen in den meisten Regionen der Welt steigen. Dieser Anstieg lässt sich nicht nur auf einen zunehmenden Wohlstand der Reichen zurückführen, sondern ergibt sich auch durch die steigenden Einkommen der mittleren und ärmeren Klassen. In den Entwicklungsländern wird das Pro‐Kopf‐Einkommen im Zeitraum 2006 ‐ 2030 wahrscheinlich durchschnittlich um 3,1 % pro Jahr steigen.7 Diesem Trend folgt offenbar auch Wien: Im Zeitraum 1995 bis 2006 stieg das verfügbare durchschnittliche Einkommen von 15.800 € auf 19.400 €8. Die sich verschärfenden Finanzbedingungen untergraben jedoch zurzeit das verfügbare Einkommen in Wien ebenso wie in den Entwicklungsländern. Als zweiten globalen Trend mit weltweiter Wirkung haben wir die Globalisierung untersucht. Seit 1980 hat sich der Welthandel effektiv verfünffacht ‐ mit weit reichenden Auswirkungen. Die wirtschaftliche Integration, eine Lockerung der Vorschriften und die verbesserte Infrastruktur haben bei den EU‐Mitgliedstaaten zu einem Handelswachstum geführt. Durch die EU‐Osterweiterung und seine geografische Lage ist Österreich eine attraktive Drehscheibe für den regionalen Handel. Österreich konnte seine Exporte von 133,8 Milliarden US‐Dollar in 2006 auf 162,1 Milliarden US‐Dollar in 2007 steigern.9 Das Handelsvolumen zwischen Ost‐ und Westeuropa lässt sich auch gut anhand des Verkehrs entlang des österreichischen Donaukorridors messen: Im Zeitraum 1994 ‐ 2007 nahm der grenzüberschreitende Frachtverkehr um 157 % zu, d. h. von 31,4 Millionen Tonnen auf 80,7 Millionen Tonnen, während das gesamte Straßenverkehrsaufkommen um 590 % zunahm.10 Allein zwischen 2006 und 2007 wies das Lkw‐Verkehrsaufkommen entlang dieses Korridors einen Anstieg von 20 % auf.11 Die aktuelle globale Finanzkrise hat sowohl weltweit als auch in Österreich zu einem merklichen Rückgang des Wirtschaftswachstums und Handelsvolumens geführt, jedoch sind die langfristigen Trendprognosen weiterhin positiv. Die wachsende Motorisierung mag zwar vielleicht das Ergebnis anderer Trends sein, ist aber auch als eigenständiger Trend zu sehen. Die sinkenden Kosten des Autofahrens und die zunehmende Fertigung von Billigautos wie z. B. des Tata Nano führen dazu, dass immer mehr Menschen weltweit ein Auto ihr eigen nennen. Dieser allgemeine Trend setzt sich trotz der zunehmenden Knappheit an fossilen Brennstoffen und der Instabilität der Ölpreise fort. Die in 2008 stark angestiegenen Ölpreise hatten jedoch nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den Autoverkauf und die bevorzugten Autotypen, sondern beeinflussten auch die Entscheidung, ob man lieber in den Vororten oder näher an öffentlichen Verkehrsmitteln leben wollte. Während auch in Österreich die Anzahl der Autobesitzer allgemein gestiegen ist, hat sich Wien diesem Trend in gewissem Maß widersetzt. Im Zeitraum
7 Weltbank, Globale Konjunkturaussichten 2007 8 Statistik Österreich: Regionale Accounts 9 Economist, Austria Factsheet www.economist.com/countries/Austria/profile.cfm?folder=Profile‐FactSheet 10 http://www.donauschifffahrt.info/daten_fakten/statistiken/transportaufkommen 11 ÖIR basierend auf ASFINAG, konstante Verkehrsdatenerfassung
6 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen
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2004 bis 2008 stieg in Österreich die Anzahl der Personenkraftwagen von 4.109.000 auf 4.285.00012. In Wien war die Motorisierung jedoch rückläufig. Gab es im Jahr 2001 noch 414 Autos pro 1000 Einwohner zu verzeichnen, 13 so waren es im Jahr 2007 nur noch 395,114 (in Österreich entfielen in 2007 auf 1000 Einwohner 511,6 Autos). Wien verzeichnete überdies eine positive Verschiebung hin zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel: Von den verschiedenen Verkehrsmitteln entfielen in 1993 29 % auf öffentliche Verkehrsmittel und 40 % auf Personenkraftwagen. In 2007 entfielen bereits 35 % auf öffentliche Verkehrsmittel und 32 % auf Personenkraftwagen.15
Die Urbanisierung und Suburbanisierung sind zwei Trends mit erheblichen Auswirkungen auf die Bereitstellung öffentlicher Verkehrsmittel. Es ist allgemein anerkannt, dass der Anteil der in Stadtgebieten lebenden Bevölkerung global erstmals die 50 %‐Marke überschritten hat und relativ schnell 60 % erreichen wird. Die seit langem von diesem Phänomen geprägte Europäische Union hat in der Tat diese 60 %‐Marke bereits überschritten. Trotz dieser Urbanisierung nimmt die Dichte der Städte aufgrund der Suburbanisierung und der Erweiterung des bebauten Gebiets sogar ab. In den letzten zehn Jahren ging die Dichte der Städte mit einer Bevölkerungszahl von 100.000 und mehr in den Schwellenländern um durchschnittlich 2,2 % zurück.16 Abbildung 2 zeigt die Gebiete der Bevölkerungszunahme und ‐abnahme in Wien. Dabei zeichnet sich ein klares Erschließungsgebiet um den Stadtkern herum und entlang der Hauptverkehrsachsen ab.
Abbildung 2 – Regionale Bevölkerungsentwicklung in Österreich 2001‐2008. Quelle: ÖIR, PENDO‐Projekt. 12http://www.statistik.at/web_en/statistics/transport/road/stock_of_motor_vehicles_and_trailers/028447.html 13 UITP, Mobility in Cities Database 2005 14 http://www.wien.gv.at/english/politics/statistics/pdf/verkehr‐e.pdf 15 Stadt Wien, Smart Moves 2009
Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 7
16 Weltbank, Die Dynamik der globalen Stadterweiterung 2005
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Erschließung findet in Wien in den Randgebieten und in sogenannten "Zwischenstädten" statt. Zurzeit
lten stellen einen
lterung ein
in unterschiedlicher Ausprägung
sehr verschieden. Bei allen Lebensstilen hat jedoch eine Verlagerung hin zu
auf
über die Klimaveränderung und ihr
.3 Trend im Fokus: Migration
Das Phänomen der Migration in die Stadtgebiete in Verbindung mit der Landschaftszersiedelung und der sich ergebenden Suburbanisierung war in allen Megastädten vertreten. Auch Wien ist davon betroffen. Die Migration
Dieentsteht z. B. in Aspern am Nordrand von Wien ein neuer Stadtteil. Die landschaftsverbrauchende Zersiedelung des Stadtumlandes ist hier jedoch weitaus maßvoller als in vielen anderen Städten: Wien verzeichnete im Zeitraum 1950 bis 1990 eine Zunahme von weniger als 50 % an künstlich angelegten Gebieten. Der Rückgang der durchschnittlichen Haushaltsgröße und die steigende Anzahl an Single‐Haushabesonders ausgeprägten Trend in Westeuropa dar. Dabei sind in Westeuropa 28,9 % aller Haushalte Single‐Haushalte, gegenüber lediglich 3,1 % in Afrika und im Nahen Osten. Auch Österreich folgt dieser europäischen Tendenz. Dort war bei der Anzahl der Single‐Haushalte ein Anstieg von 893.500 in 1991 auf 1.240.000 in 2007 zu verzeichnen, mit einem Rückgang der durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,54 auf 2,32 Personen.17
Gegensatz zu den unterschiedlichen Trends der sich ändernden Haushaltsgröße ist die ÜberaIm
Phänomen, das die meisten Bevölkerungen betrifft. Die UN prophezeit, dass bis zum Jahr 2050 22 % der Weltbevölkerung 60 Jahre oder älter sein werden. In Österreich belief sich im Jahr 1998 die Anzahl der Einwohner der Altersgruppe "65 Jahre und älter" auf 15,4 % der Gesamtbevölkerung (1.224.215 Einwohner); im Jahr 2008 waren es bereits 17,1 % (1.427.625).18 In Wien wohnen traditionell ältere Menschen, obgleich in letzter Zeit bedingt durch den Zustrom von Menschen jungen und mittleren Alters in die Stadt eine gewisse "Verjüngung" stattgefunden hat.19 Zurzeit sind 22 % der Einwohner Wiens älter als 60 Jahre. Überall auf der Welt ist der Anteil der am Arbeitsmarkt Teilnehmenden gestiegen. In den Industrieländern sind mittlerweile wesentlich mehr Menschen teilzeitbeschäftigt, und flexiblere Arbeitsmodelle werden unterstützt. Weiter steigend ist in den meisten Regionen die Beschäftigungsrate von Frauen. Dies ist auf die zunehmende Bedeutung der Bildung für Frauen zurückzuführen. In Österreich ist der Anteil der erwerbstätigen Frauen im Zeitraum 1992 ‐ 2005 von 58,9 % auf 62 % gestiegen. Auch die Beschäftigung älterer Menschen (55‐64) nahm zu.20
ie persönlichen Lebensstile sind D
einer personalisierten Lebensführung und persönlicher Freiheit, Einfachheit, aber auch Luxus und Konnektivität durch neue Technologien stattgefunden. Die Internet‐ und Mobiltelefon‐Nutzung nimmt in allen Regionen zu und untermauert diese Lifestyle‐Trends. Österreich und Wien spiegeln diese technologischen Trends deutlich wider ‐ in Österreich verfügten in 2008 54 % aller Haushalte über Breitband‐Internet (entsprechend einem Anstieg von 15,9 % gegenüber 2004). In Wien liegt diese Zahl noch etwas höher. Überdies verfügten in 2008 90,4 % der österreichischen Bevölkerung über ein Mobiltelefon. In 2007 tätigten 27 % der Bevölkerung Online‐Einkäufe. Schutz und Sicherheit sind ebenfalls von großer Bedeutung, im Hinblick auf Verkehrsunfälle ebenso wie Verbrechen oder Terrorismus. Die Menschen in Wien und auf der ganzen Welt stellen in vielen Bereichen ihres Lebens immer höhere Erwartungen an Sicherheits‐ und Schutzmaßnahmen. Schließlich herrscht weltweit Einigkeit und ein allgemeines VerständnisNachhaltigkeit. Hieraus ergibt sich eine zunehmende Bereitschaft der Bevölkerung, Verhalten zu ändern und damit ihre Auswirkung auf unseren Planeten mindern. Die Stadt Wien ergreift in jedem Fall positive Schritte, um ihre Auswirkung auf die Umwelt zu reduzieren, z. B. durch Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität, Abwasserentsorgung und Abfallbehandlung. Wien sieht sich selbst als Vorbild für eine umweltbewusste Stadt.21
2
17http://www.statistik.at/web_en/statistics/population/households_families_living_arrangements/032308.html 18http://www.statistik.at/web_en/statistics/population/population_stock_annual_and_quarterly_data/population_structure/028626.html 19 European Urban Audit, State of European Cities Report (Bericht über den Zustand der Europäischen Städte) 2007 20 Europäische Kommission, Erwerbstätigkeit in Europa 2006 & Eurostat. (Der Beschäftigungsanteil stieg bei älteren Arbeitnehmern von 29,1 % in 1996 auf 38,6 % in 2007). 21 http://www.wieninternational.at/en/node/3621
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in W ist erheblich, führt zu einem ien hohen Anteil an ausländischen Einwohnern und damit zu einer weiteren Zunahme der Bevölkerungszahl.22 Abbildung 3 verdeutlicht die Konzentration von Menschen ausländischer Herkunft in Wien.
Abbildung 3 – Bevölkerung ausländischer Nationalität zum 1.1.2008
Laut Statistik Österreich lag der Ausländeranteil der Wiener Einwohner in 2008 bei 19,8 %. Dieser Ausländeranteilund d 2007 war eine Nettomigration von
545 und damit eine Zunahme von 25,4 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen.23
auptsächlich wegen der
tballungsraum darstellt, sind es 2,5 Millionen Menschen. Dies führt zu Problemen bei Steuerung und Verkehrsmanagement, die nachstehend untersucht werden.
ie Migrationsrate sind in den letzten Jahrzehnten ständig gestiegen. In
+12. Ein hoher Anteil der Migranten in Wien stammt aus dem früheren Jugoslawien (35 %) und aus der Türkei (12 %), aber auch die Anzahl der Migranten aus der Europäischen Union nimmt zu. Insbesondere die Anzahl der Migranten aus Deutschland ist mit 11,6 % pro Jahr hoch.24 Migranten kommen hBeschäftigungs‐ und Bildungsmöglichkeiten nach Österreich. Dank ihrer zentralen Lage in der erweiterten Europäischen Union ist die Stadt Wien zur regionalen Handelsdrehscheibe geworden. Dies schafft weitere Anreize für internationale Unternehmen, sich in Wien anzusiedeln. Ebenso wie der Rest des Landes hat Wien die Immigration durch vorübergehende Quoten für Arbeitnehmer und durch Verbote für selbständige Handwerker eingeschränkt.25 Mit dem Ablauf dieser Beschränkungen im Jahr 2011 wird sich jedoch die Beschränkung der Immigration als sehr viel schwieriger erweisen. Die Universitäten von Wien bieten einen zusätzlichen Anziehungspunkt: In 2005/2006 lag der Anteil der ausländischen Studierenden an den Wiener Universitäten bei fast 20 %.26
Natürlich haben die Migration und Bebauung der Stadt wie in Abschnitt 2.2 erörtert und in Abbildung 2 dargestellt zur Suburbanisierung geführt. In Wien selbst leben 1,6 Millionen Menschen; in der Region, in der Wien en Haupd
(Governance)
22 Statistik Österreich, Österreich: Daten, Zahlen und Fakten 2008 zeigt, dass die Bevölkerungszunahme in Österreich fast ausschließlich auf die Migration zurückzuführen ist ‐ die Geburten‐ und Sterberate (natürliche Bevölkerungsentwicklung) ist beinahe gleich. 23Stadt Wien, Wien in Zahlen, 2008 24 Statistik Österreich, Statistik des Bevölkerungsstandes 25 Reuters, Habsburg reloaded? Immigrants set to swell Vienna April 2007 26 http://www.wieninternational.at/en/node/3542
9 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen
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2.4 Von den Trends zum Konzept
Die zwölf vorstehenden globalen Trends stellen keine vollständige Aufstellung dar. Sie entsprechen jedoch den aupttrends, die nach unseren Ermittlungen den größten Einfluss auf die Mobilität und den Verkehrsbedarf
n. igrationstrend hinzu. Zwischen diesen Trends bestehen komplexe Reihe von Konsequenzen für und Anforderungen an die zukünftige
z
d
er Antwort auf künftige Mobilitätsbedürfnisse: "Complete Mobility".
einfach die Möglichkeit aben möchten, ihren eigenen Lebensstil mit minimalen Einschränkungen zu wählen. Dieses Beispiel zeigt, dass
auch als Anlass für segmentierte arktangebote angesehen werden, die gewährleisten, dass diese wachsende Gruppe entsprechende Angebote
Hhabe Bei Wien kommt noch der MWechselwirkungen, die zu einer ganzen Mobilität führen. Das ganze Ausmaß dieser Konsequenzen wird erst dann ersichtlich, wenn die Synergiebeziehungen dieser Trends berücksichtigt werden. Die Urbanisierung stellt beispielsweise als isolierter Trend die Städte vor eine Herausforderung, da sie zu einem erhöhten Bedarf an Personen‐ und Frachtbeförderungsleistungen im zentralen städtischen Bereich führt. Die Verbindung dieses Trends mit dem der Suburbanisierung ergibt eine gan andere Herausforderung. Wenn eine Stadt sowohl von der Urbanisierung als auch von der Suburbanisierung geprägt ist, muss das Management auf folgende Aspekte ausgerichtet werden: die Erhöhung der Beför erungskapazität sowohl im Zentrum selbst als auch außerhalb des Zentrums, die Erhöhung der Verfügbarkeit radialer Bewegungsmuster, da Menschen von Vorort zu Vorort sowie vom Vorort zum Zentrum befördert werden müssen, und die Erfüllung der Erfordernisse komplexer Reisemuster und Fahrten. In ähnlicher Weise dürfte jede mögliche Kombination von Trends zu einer neuen Aufgabenstellung für die Mobilität führen. Die nachstehende Abbildung 4 zeigt beispielsweise vier Trends, um in vereinfachter Form darzustellen, wie aus Trends Mobilitätsbedürfnisse werden. Diese Beziehungsanalyse wurde für alle Trends wiederholt und führte schließlich zu unser Es wurde festgestellt, dass sich in Wien und weltweit die Erwartungen der Bevölkerung geändert haben. Man möchte in der Lage sein, seinen eigenen, "personalisierten Lebensstil" zu wählen. Es geht hier nicht darum, für welchen Lebensstil sich die Menschen letztendlich entscheiden, sondern darum, dass siehMobilität und Verkehrssysteme zunehmend in der Lage sein müssen, den Menschen die gewünschte Lebensweise auch möglich zu machen. Unser Vorschlag ist eine gewisse Segmentierung des Verkehrsmarketings. Dazu können vielleicht verschiedenen Gruppierungen unterschiedliche Anreize geboten werden. Auf diese Weise werden den Menschen die Möglichkeiten geboten, mit denen sie ihren persönlichen Lebensstil verwirklichen können. Zwei fundamentale Bausteine des Konzepts der Complete Mobility sind daher eine "fahrgastorientierte Mobilität" und eine Mobilität, die einen "flexibleren Lebensstil" ermöglicht. Eine Segmentierung der Marktangebote ist eine Methode, mit der diese Bausteine in die Realität umgesetzt werden könnten. Dasselbe gilt für jedes der benannten Beispiele: Ein Trend (oder eine Kombination von Trends) erzeugt einen Mobilitätsbedarf; Complete Mobility bietet eine Vision, die Lösungen für diese Bedürfnisse vorantreibt. In Abbildung 4 sind zwei Aspekte besonders zu beachten: Erstens handelt es sich hier nur um einige Beispiele, die keine Wechselwirkung zwischen den Trends zeigen. Zweitens begründen verschiedene Trends oft ähnliche Mobilitätsanforderungen. Eine alternde Bevölkerung kann beispielsweiseMerhält und somit ihre Nutzung des Verkehrsnetzes entsprechend gefördert wird.
Fallstudie Wien Vorläufige Version
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Trends Mobilitäts‐bedarf
Bedarfsorien‐tierter
Transport
Suburbani‐sierung
Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 11
Complete Mob
ility
Globalisie‐rung
Effizientes Logistik‐
management
Persönliche Lebensstile
Segmentierte Markt‐
angebote
Alternde Bevölkerung
Zuverlässige Sicherheits‐maßnahmen
Effizient
Nachhaltig
Fahrgast‐orientiert – werthaltig
und lückenlos
Abbildung 4 – Von den Trends zum Konzept
Fallstudie Wien Vorläufige Version
MRC Europe
3 WARUM WIEN ALS FALLSTUDIE? 3.1 MobilityIndex
In der von Siemens in 2008 durchgeführten Studie zur Complete Mobility (wie im Magazin "Como" veröffentlicht) wurde der Index für Complete Mobility vorgestellt. Mit diesem Index sollte im Rahmen eines weltweiten Städtevergleichs ein Überblick über den Umsetzungsstand der Complete Mobility gegeben werden. Er setzt sich aus 11 quantitativen und qualitativen Indikatoren zusammen, darunter Maßnahmen zur lokalen und externen Konnektivität, externe Effekte und Finanzen. Die Daten für die quantitativen Indikatoren stammen aus der Datenbank "Millenium Cities" von UITP, die Daten aus dem Jahr 1995 verwendet. Zur Beurteilung der qualitativen Indikatoren wurde ein internationales Expertenteam eingesetzt. Für jeden Indikator wurden Scoring‐Anmerkungen erarbeitet, um die Bewertung jeder Stadt auf einer Skala von 1 bis 6 zu erläutern, wobei 1 der schlechtesten und 6 der besten Position im Hinblick auf die Mobilität entspricht. 46 Städte weltweit wurden an allen 11 Indikatoren gemessen, und ein durchschnittliches Scoring wurde für jede Stadt errechnet27. Dieses Endergebnis wurde dann dem Pro‐Kopf‐BIP jeder Stadt gegenübergestellt. In der sich ergebenden, in Abbildung 5 dargestellten Grafik werden drei Gruppierungen von Städten hervorgehoben:
1. Probleme mit der Bewältigung – diese Gruppe besteht aus Städten mit einem geringen Pro‐Kopf‐BIP. Diese Städte bieten nur grundlegende Verkehrs‐ und Mobilitätsmöglichkeiten.
2. Gefährdet – diese Kategorie umfasst viele entwickelte Städte, in denen eine hohe Abhängigkeit vom Privatfahrzeug besteht, der Energieverbrauch hoch ist und die Mobilitätskosten stark ansteigen.
3. Spitzengruppe – Städte in dieser Gruppe haben in punkto Mobilität für ihr BIP‐Niveau ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt.
Abbildung 5 – Erster Mobility‐Index 2008
Wie in Abbildung 5 dargestellt, konnte Wien in diesem ersten Index ein sehr gutes Ergebnis erzielen. Die Stadt erzielte im Bereich Mobilität 5.0 von maximal 6.0 Punkten und belegte gemeinsam mit Tokio den dritten Platz. Nur Amsterdam und Zürich punkteten höher. Wien erreichte bei allen Indikatoren ein durchgängig gutes Ergebnis. Bei 3 der 11 Indikatoren erzielte Wien die höchstmögliche Punktzahl. Dazu zählten: Straßeninfrastruktur, Energieintensität und Verkehrskosten. Bei den
27 Der Geltungsbereich der Indikatoren und die Definition dieser Indikatoren stehen selbstverständlich zur Diskussion, basieren aber auf einer sachverständigen Beurteilung und Prüfung.
12 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen
Fallstudie Wien Vorläufige Version
MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 13
verbleibenden 8 Indikatoren erreichte Vienna jeweils zwischen vier und fünf Punkten. Von den beurteilten Städten war Wien eine der Städte mit den gleichmäßigsten Ergebnissen. Einige der bewerteten Städte erreichten die gleiche Anzahl an Bewertungen mit 6 Punkten wie Wien, wurden aber auch dann bei einigen Indikatoren nur mit 2 oder 3 bewertet und lieferten daher eine unterschiedliche Leistung mit erheblichen Schwächen, die den Stärken entgegenwirken. Keine der von Wien erreichten Punktzahlen lag unter 4, was die solide ganzheitliche und integrierte Leistung der Stadt widerspiegelt. Wien hat auch die mit dem Wachstum einhergehenden Bedürfnisse gut bewältigt. Dies ist wichtig, da das Migrationsmanagement ein zentrales Thema für Städte in der ganzen Welt darstellt. Durch die Migration nehmen nicht nur die Gesamtanforderungen an die Infrastruktur zu, sondern es ändert sich auch – aufgrund der stärkeren Landschaftszersiedelung und/oder höheren Dichte in bestimmten Stadtvierteln (oft Gebiete mit geringeren Immobilienpreisen) – die urbane Stadtform.
3.2 Wien als Best Practice
Die Position von Wien im globalen Index von 2008 bedarf näherer Erklärung. Angesichts der weltweit fortschreitenden Globalisierung suchen Entscheidungsträger zur Bewältigung ihrer Probleme nach bewährten Lösungen. Es gibt jedoch kein Patentrezept für Erfolg. Die führenden Städte im Mobility‐Index – und dazu zählt Wien – haben etliche Jahre hart gearbeitet, um ihren aktuellen Status zu erreichen. Städte mit einem guten Ergebnis hatten auch im Hinblick auf ihre geografische Lage ein bisschen Glück und konnten vom Wissen anderer Städte profitieren. Aber auch sie haben auf ihrem Weg Fehler gemacht. Dieser offensichtlich stark vereinfachende Index ist darauf angelegt, weitere Einsichten vermitteln. Wir freuen uns, Ihnen solche Einsichten anhand der Mobilitäts‐Erfolgsgeschichte der Stadt Wien bieten zu können. Diese für Wien durchgeführte Studie soll den Lernprozess vereinfachen und andere Städte entsprechend unterstützen. Mit seiner Position im Index bietet Wien im Hinblick auf Best Practices for urbane Mobilität eine interessante Lernerfahrung. Best Practices können eine neue Fern‐ und Nahverkehrsinfrastruktur, zielgerichtete Initiativen oder neue Entscheidungsansätze beinhalten. Im Rahmen der im Auftrag von Siemens durchgeführten Untersuchungen der Complete Mobility wurden mehrere solcher Best Practices im Zusammenhang mit Complete Mobility ermittelt. Diese Maßnahmen und Initiativen können Städte dabei unterstützen, eine bessere Position im globalen Mobility‐Index zu erreichen und sind für diese daher von großem Interesse. Millionenstädte oder kleinere Regionalzentren: Best Practices können eine Änderung der Denkweise bewirken und einen positiven und produktiven Wandel mit sich bringen. Nähere Angaben zu Best Practices für Complete Mobility und zur Fallstudie Wien sind den nachstehenden Abschnitten zu entnehmen.
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MRC Europe
4 NEU ÜBERARBEITETER INDEX DER COMPLETE MOBILITY Der ursprüngliche Index der Complete Mobility wurde überarbeitet, um seine Stimmigkeit und Anwendbarkeit zu verbessern. Ziel war es, den Index zu stärken, indem aktuellere Daten (von 2007/8 statt von 1995) eingepflegt und einige neue Indikatoren hinzugefügt wurden (siehe Tabelle 1). In diesem Abschnitt werden die Änderungen im Index der Complete Mobility untersucht, die Bewertungsmethoden werden erläutert, und der angepasste Index wird vorgestellt.
4.1 Zusätzliche Indikatoren
Jeder Indikator des neuen Indexes der Complete Mobility wurde aufgrund seiner Bedeutung als Teil des Konzepts der Complete Mobility ausgewählt. Ein grundlegender Aspekt dieser Studie war es, zu untersuchen, ob Wien im überarbeiteten Index ebenso erfolgreich abschneidet wie im ursprünglichen, vorstehend angeführten Index von 2008. Tabelle 1 zeigt alle Indikatoren im neuen Index sowie die Anpassungen und Ergänzungen. Jeder neue Indikator wird anschließend genauer beschrieben.
Indicator No. Name Definition / Description Measure New or Original?
1 Public transport level of serviceLevel of organisational, regulatory and modal
integration which enhances user experience, service efficiency and urban management
Qualitative Original
2Transport management, control
& security
Uptake of urban traffic control and security systems and their application which provide infrastructure for
proactive management of mobilityQualitative Original
3Transport information and
payment systems
Implementation of customer facing tools for journey planning and payment to support both trip decision
making and city objectivesQualitative Original
4 Air transportLevel of connectivity of national and international air travel and integration of airport facilities with urban
infrastructureQualitative Original
5 Sea transportLevel of connectivity of national and international sea travel and integration of port facilities with urban
infrastructureQualitative Original
6 Road infrastructure Optimised provision of road space per 1000 population Road km‐lane/1000popOriginal (slightly adapted)
7 Accidents Rate of fatal accidents from transport Fatalities/vehicle populationOriginal (slightly adapted)
8 PollutionLevel of emissions arising as a consequence of
transportEmissions tonne/ha pa (NOx, CO2, particles) Original
9 Energy use intensity Level of energy use intensity from transport KJ/$GDP Original
10Cost of transport provision/unit
GDPCost of transport provision for the community Cost/GDP, (split for road and rail network) Original
11 Performance of road network Average journey time on road network% change of average journey time on road
(during peak hours)New
12 Reliability of Rail services Reliability of rail journey time Reliability of rail journey time ‐ percentage of
services "on time"New
13 AffordabilityAverage cost of travel as a percentage of household
incomeAverage cost of public transport travel as
percentage of household incomeNew
14 Dedicated Cycle lanes Level of provision of dedicated cycle lanes Dedicated Cycle Km‐lane/1000 pop New
15 Accessibility Percentage of stations with disabled access Percentage of stations with lift New
Tabelle 1 ‐ Indikatoren
Leistungsfähigkeit des Straßennetzes – Ein wichtiger Bestandteil von Complete Mobility ist ein effizientes Verkehrssystem sowie hohe Mobilität. Zuverlässigkeit und Änderungen der Fahrzeiten sind zwei Elemente dieser Effizienz. Für das Straßennetz wurden die Änderungen der Fahrzeiten innerhalb der letzten fünf Jahre untersucht. Um möglichst einfach zuverlässige Daten zu erhalten, wurde die Durchschnittsfahrzeit auf einer Strecke ins Hauptgeschäftszentrum (in der Innenstadt) über die meistbefahrene Straße (in einem Umkreis von 5 bis 10 km um das Zentrum) gemessen. Zuverlässigkeit im Schienenverkehr – Für den Schienenverkehr wurde die Effizienz über den prozentualen Anteil "pünktlicher" Fernverkehrszüge im Personenverkehr (in der Regel innerhalb von fünf Minuten nach fahrplanmäßiger Ankunftszeit) ermittelt. Die Pünktlichkeit eines Systems ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, öffentliche Unterstützung zu erhalten. Unzuverlässiger Service lässt die Wertschätzung, die Passagiere öffentlichen Verkehrsmitteln entgegenbringen, dramatisch sinken.
14 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen
Fallstudie Wien Vorläufige Version
MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 15
Ausgewiesene Fahrradwege – Es wurde festgestellt, dass der ursprüngliche Index den Straßenverkehr stark berücksichtigte, während andere wichtige Verkehrsbereiche jedoch vernachlässigt wurden. Die Erfassung der Bereitstellung ausgewiesener Fahrradwege trug zu einem Ausgleich dieser Bereiche bei. Erschwinglichkeit – Complete Mobility richtet sich vor allem auf ein benutzerorientiertes Verkehrssystem, das flexiblere Lebensstile ermöglicht. Ein wichtiger Faktor dabei ist die Sicherheit, dass das Verkehrsmittel für Reisende bezahlbar ist. Dies wurde im Index berücksichtigt, indem die durchschnittlichen Kosten öffentlicher Verkehrsmittel (pro km) als Prozentsatz des durchschnittlichen Haushaltseinkommens berechnet wurden. Barrierefreiheit – Es gibt viele Indikatoren, die für die Beurteilung barrierefreier Zugänge zu öffentlichen Verkehrsmitteln hätten verwendet werden können. Die Schwierigkeit liegt jedoch in den uneinheitlichen Daten der verschiedenen Städte im Hinblick auf die Indikatoren für den behindertengerechten Zugang. Es wurde entschieden, dass die Erfassung des Prozentsatzes der Haltestellen mit Aufzug die direkteste und verlässlichste Lösung darstellt. Weitere Anpassungen – Neben einzelnen neuen Indikatoren wurden zahlreiche alte Indikatoren des Indexes aktualisiert. So hielt man es für angemessener, die Straßenkilometer pro Fahrspur/1000 Einwohner zu messen statt einfach nur die Straßenkilometer/1000 Einwohner, denn Letzteres hätte einen Kilometer einer einspurigen Straße und einer dreispurigen Schnellstraße gleich stark gewichtet. Entsprechend wurde die Unfallzählung von Todesfällen/Einwohner zu Todesfällen/Anzahl der Fahrzeuge verändert. Die Daten für alle 15 Indikatoren in 46 Städten weltweit wurden von einer internationalen Fachagentur für Datenerfassung mit freundlicher Genehmigung von Siemens zur Verfügung gestellt.
4.2 Bewertung (Scoring)
Jede im Index aufgeführt Stadt wurde zu jedem Indikator auf einer Skala von 1 bis 6 bewertet. Aus den Ergebnissen wurde ein Durchschnittswert errechnet. Eine hohe Punktzahl des zusammengesetzten Indexes bezeichnet eine größere Nähe zum oben umrissenen Konzept der Complete Mobility. Eine niedrige Punktzahl steht für wenig Fortschritt. Beispiele der qualitativen und quantitativen Scoring‐Anmerkungen werden im Folgenden vorgestellt. Beispiele für qualitatives Scoring Verkehrsinformations‐ und Zahlungssysteme
1. Sehr wenige veröffentlichte Informationen. Nur am Haltepunkt verfügbar. Zahlung hauptsächlich bar beim Einstieg, in der Regel im Fahrzeug. Nur wenige Möglichkeiten für den vorherigen Kauf des Fahrscheins für längere Fahrten.
2. Öffentliche Fahrpläne für Kernstrecken, Bereitstellung jedoch sehr häufig nur "bei Bedarf". Zahlung beim Einsteigen. Offizielle Fahrscheine oder Wertmarken für Hauptstrecken, eventuell erhältlich in Geschäften/Verkaufsstellen in der Nähe der Haltestellen. Vorwiegend Barzahlung.
3. Gedruckte Fahrpläne leicht verfügbar. Eventuell auch über Webseite. Dauerkarten und Karten für längere Strecken an Bahnhöfen und in Verkaufsstellen erhältlich, auf Wunsch vorab, Barzahlung oder Kartenzahlung. Tickets normalerweise für Einzelfahrten, Tagestickets/Dauerkarten für einzelne Strecken oder Betreiber erhältlich.
4. Breite Verfügbarkeit von Fahrplänen und Streckeninformationen, auch online. Informationen häufig beschränkt auf einzelne Betreiber oder Verkehrsmittel. Einige Echtzeitinformationen für einzelne Systeme (z. B. Wartezeiten an Haltestellen, freie Parkplätze). Alternative Zahlungssysteme einschließlich Internet, Mobiltelefon u. a., jedoch beschränkt auf einzelne Strecken.
5. Breite Verfügbarkeit von Informationen für Reiseplanung unabhängig von Verkehrsmittel oder Betreiber, online und an öffentlichen Stellen. Innerstädtisches Verkehrsleitsystem zur Bereitstellung von Echtzeitinformationen für Nutzer. Internet‐, SMS‐ und Smartcard‐Tickets für umfassende Bedarfsdeckung bei einzelnen Verkehrsmitteln. Zahlungssysteme sind nicht immer verkehrsmittelübergreifend integriert.
6. Umfassende Reiseplanungsinformationen mit Echtzeit‐Systemleistung und für alle Arten von Verkehrsmitteln. Informationen zu Kosten (einschließlich der Umweltwirkung) und Zahlungsweisen für
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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 16
ganze Fahrten und viele verschiedene Zahlungsmöglichkeiten. Zahlungssysteme, die Anreize zur Maximierung der Effizienz und der allgemeinen sozialen Leistungen ermöglichen. Erreichte Punktzahl von Wien = 5
Luftverkehr Indikator enthält eine Bewertung von: Erreichbarkeit des Flughafens, Terminaleinrichtungen (einschließlich Fracht), Einrichtungen auf der "Luftverkehrsseite" (Airside) des Flughafens einschließlich ATC (Flugkontrolldienst); angeflogene Ziele
1. Keine ausgewiesene Verkehrsanbindung am Boden; möglicherweise lange Fahrzeiten. Minimale Kunden‐ und Airside‐Einrichtungen. Nur wenige internationale Ziele.
2. Verkehrsanbindung am Boden leicht überlastet/lange und nicht vorhersehbare Fahrzeiten. Wenige Kundeneinrichtungen. Hauptsächlich innerkontinentale internationale Ziele, wenige weltweite Stadtziele.
3. Ausgewiesene Verkehrsanbindung am Boden mit angemessen vorhersehbaren Fahrzeiten. Adäquate Terminaleinrichtungen, wenn auch Überfüllung möglich; adäquate Airside‐Einrichtungen. Angemessene Auswahl internationaler und nationaler Ziele.
4. Ausgewiesener, schneller, staufreier öffentlicher Verkehrsanschluss ins Geschäftszentrum. Hochwertige(s) Terminal(s), wenn auch überfüllt und eventuell komplex mit übermäßig langen Transferzeiten. Am Flughafen kommt es in Stoßzeiten zu Airside/ATC‐Verspätungen. Gute Auswahl internationaler und nationaler Ziele.
5. Ausgewiesene, schnelle öffentliche Verkehrsanschlüsse mit lokalen Systemen einschließlich Information, Fahrscheinverkauf, Netzmanagement, usw. Hochwertige Terminals mit angemessenen Einrichtungen und guten Anbindungen an Transfer und Zugänge. Gute Airside‐Anlagen, die die größten Flugzeuge abfertigen können. Große Anzahl internationaler und nationaler Ziele.
6. Hohe Qualität mit guten Einrichtungen. Nationaler Flugverkehr vollständig mit anderen nationalen Verkehrsmitteln integriert, um optimale Reisemöglichkeiten im Hinblick auf größere wirtschaftliche, ökologische und andere Zielsetzungen zu gewährleisten.
Erreichte Punktzahl von Wien = 4
Beispiele für quantitatives Scoring Tödliche Unfälle
Todesfälle/1000 Fahrzeuge Beschreibung Punktzahl >0,3 Extrem hohe Rate 1
(0,3 – 0,1) Sehr hohe Rate 2 (0,1 – 0,06) Hohe Rate 3 (0,06 – 0,04) Mittlere Rate 4 (0,04 – 0,025) Niedrige Rate 5
<0,025 Sehr niedrige Rate 6 Erreichte Punktzahl von Wien = 5
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Straßeninfrastruktur
Straßen‐km‐Spur pro 1000 Einwohner Beschreibung Punktzahl (0 – 0,25) Minimale Infrastruktur 1 (0,25 – 0,5) Sehr niedrige Bereitstellung 2
Niedrige Bereitstellung und übermäßige Bereitstellung
(0,5 ‐ 0,75) und (>3) 3
Mittlere Bereitstellung und sehr hohe Bereitstellung
(0,75 ‐ 1) und (2 ‐ 3) 4
Gute Bereitstellung & hohe Bereitstellung
(1 – 1,5) und (1,75 – 2) 5
(1,5 – 1,75) Optimale Bereitstellung 6 Erreichte Punktzahl von Wien = 6
Alle Scores von Wien können in der späteren Erläuterung zur Leistung der Stadt eingesehen werden – Abschnitt 6 und Tabelle 2.
4.3 Index für Complete Mobility
Abbildung 6 zeigt den aktualisierten Index. Wie im ursprünglichen Index steht Zürich an erster Stelle. Amsterdam, das ursprünglich auf Platz 2 war, fiel auf Platz 4 zurück und wurde durch München ersetzt. Wien hat zum wiederholten Mal sehr gut abgeschnitten und behält seinen dritten Platz. Die entsprechende Mobility‐Rangfolge ist in Abbildung 7 dargestellt.
Amsterdam
Athens
Bangkok
Barcelona
Beijing
Berlin
Buenos Aires
Cairo
Chicago
Copenhagen
DelhiDhaka
Dubai
Ho Chi Minh City
Istanbul
Jakarta
Johannesburg & East RandKarachi
Kolkata
Lagos
London Los Angeles
Melbourne
Metro Manila
Mexico City
Moscow
Mumbai
Munich
New York
Paris
Phoenix
Prague
Rio de Janeiro
Rome
Ruhr
Sao Paulo
Seoul
Shanghai
Singapore
St Petersburg
Sydney
Tehran
Tokyo
Toronto
Vienna
Zurich
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
0 1 2 3 4 5
GDP pe
r Capita (USD
)
Mobility Score
Complete Mobility Index
6
Group I ‐ "Struggling to Cope"
Group II ‐"At Risk"
Group III ‐"Best in Class"
Abbildung 6 – Aktualisierter Mobility Index 2009
17 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen
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MRC Europe
0
1
2
3
4
5
6
Zurich
Mun
ich
Vien
na
Amsterdam
Ruhr
Berlin
Paris
Barcelon
a
Tokyo
Shanghai
Lond
on
Cope
nhagen
Singapore
Beijing
Seou
l
Toronto
Melbo
urne
New
York
Chicago
Sydn
ey
Rome
Athen
s
Metro Manila
Phoe
nix
Sao Paulo
Istanb
ul
Los A
ngeles
Prague
Rio de
Jane
iro
St Petersburg
Buen
os Aires
Bangkok
Johann
esbu
rg & East Rand
Moscow
Dub
ai
Delhi
Karachi
Tehran
Jakarta
Mum
bai
Mexico City
Cairo
Ho Ch
i Minh City
Kolkata
Lagos
Dhaka
Mob
ility Score
Complete Mobility Ranking
Abbildung 7 – Städterangfolge mit aktualisierter Mobilitätsbewertung
Beim Vergleich des neuen Indexes mit dem ursprünglichen wird deutlich, dass die positive Korrelation zwischen Pro‐Kopf‐BIP und erzielter Mobilitätsrate weiterhin gilt. Obwohl sich die Beziehungen nicht geändert haben, haben sich die einzelnen Städte vertikal und horizontal verschoben. Für eine vertikale Bewegung gibt es zwei mögliche Erklärungen: eine reale Veränderung des Pro‐Kopf‐BIP oder eine höhere Datengenauigkeit. So war Dubai ursprünglich nah an der Trendlinie in Gruppe I platziert, mit einem BIP pro Kopf von 19,473 $ im Jahr 2005. Es scheint, dass diese aus der Datenbank der Kommunalbehörden stammende Zahl unter der tatsächlichen Zahl für Dubai in jenem Jahr lag. Zudem weist Dubais Wirtschaft inzwischen hohe Wachstumsraten auf, und das BIP pro Kopf ist gestiegen. Die Kombination dieser beiden Faktoren hat für Dubai zu einem erheblichen Sprung nach oben geführt. Die im Bereich Mobilität erreichte Punktzahl der Stadt ist jedoch nicht im Einklang mit diesem Wachstum gestiegen, was zur Wegbewegung von der Trendline führte. Für andere Städte, die eine vertikale Verschiebung erfahren haben, ist höhere Datengenauigkeit wahrscheinlich ebenfalls der vorherrschende Faktor. Einige Städte im Diagramm haben sich sogar vertikal nach unten verschoben. In den meisten Fällen ist es jedoch sehr unwahrscheinlich, dass dies aufgrund eines real niedrigeren BIP pro Kopf geschah. Dies ist der Fall bei Wien, wo wir davon ausgehen, dass das neue, niedrigere BIP weitaus genauer ist als die ursprüngliche Zahl. Auch die horizontale Bewegung ist wahrscheinlich das Ergebnis zweier Faktoren: zunächst findet sie aufgrund von Veränderungen bei Indikatoren und Scoring statt, aber eine höhere Datengenauigkeit kann auch hier ein Faktor sein. Die Zahl der Indikatoren im überarbeiteten Index ist 15 im Vergleich zu lediglich 11 im ursprünglichen Index. Allein dieser Umstand erklärt einige der allgemein festgestellten Abwärtsbewegungen bei den Mobility‐Ergebnissen. Der Index gibt vor, dass 6 ein relativ schwer zu erreichender Wert sein sollte und daher nur wenige Bewertungen mit 6 vergeben werden. Dadurch kann der Durchschnittswert bei einer im Ganzen größeren Indikatorenzahl leicht niedriger liegen. Weiterhin könnte es sein, dass eine Stadt bei einem der neuen Indikatoren sehr gut (oder sehr schlecht) abschneidet, was eine deutliche Auswirkung auf das Endergebnis hat. Datenverbesserungen werden als Erklärung für sowohl vertikale als auch horizontale Bewegungen angeführt. Diese wiederum ergeben sich größtenteils aus der Verwendung einheitlicherer Definitionen für den Stadtbereich. Die Datenerhebungsgesellschaft konnte zudem Daten aus einer Reihe solider Quellen gewinnen.
18 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen
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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 19
Auch fällt auf, dass die Städtegruppierungen weitgehend vergleichbar sind mit den alten Gruppierungen; in jeder Kategorie befinden sich die gleichen Städte. Gruppe II setzt sich beispielsweise hauptsächlich aus nordamerikanischen und australischen Städten zusammen, die allgemein als Städte mit einem Überangebot an Straßeninfrastruktur, hoher Energieintensität und hoher Verschmutzung gelten und ein öffentliches Verkehrssystem haben, das dem Standard in anderen Städten nicht entspricht. Der Gruppentitel "Gefährdet" trifft weiterhin zu. Es sollte berücksichtigt werden, dass die Segmentierung des Indexes für Complete Mobility auf Fachwissen und fachlichem Verständnis basiert. Durch ein Clustering auf der Makroebene werden breit gefasste Gruppierungen geschaffen, allerdings wird es wie bei jedem Index auch immer Städte geben, die an der Grenze zwischen zwei Gruppen liegen.
4.4 Anwendung der Ergebniss
Dieser Bericht beschreibt die Situation von Wien. Die Stadtdaten sowie der Index für Complete Mobility werden verwendet, um die bisherige Entwicklung und das Zukunftspotenzial der Stadt nachzuvollziehen. Die Daten wurden um Erkenntnisse aus tiefgreifenden Untersuchungen der Stadt sowie aus Interviews und Workshops mit den Hauptverantwortlichen der Stadt ergänzt. Das sich hieraus ergebende Bild ist das einer integrierten Stadt: einer Stadt mit integrierten Strategien, einer Stadt, die im Besitz integrierter Schlüsselfunktionen ist und einer Stadt, die lokales Wissen und Best Practices auf europäischer und globaler Ebene erfasst und kombiniert. Fest steht, dass Wien berühmte und weltweit anerkannte Best‐Practice‐Beispiele vorzuweisen hat (wie die niedrigste Niederflurbahn der Welt). Die eigentliche Stärke der Stadt liegt jedoch in ihren durchgängigen, harmonischen und vollständig integrierten Strategien und Projekten. Es scheint, als spiegele die Stadt ihr eigenes musikalisches Erbe wider: Während viele Orchester einen einzelnen Star in ihren Reihen haben, haben andere die größte Bandbreite an Instrumenten und die am besten aufeinander eingespielten Musiker, die eine durchgängig gute Leistung gewährleisten. Aus demselben Grund gilt Wiens Mobility‐Orchester als eines der besten der Welt.
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5 WIEN: GRUNDLAGEN DER COMPLETE MOBILITY Die vorstehenden Abschnitte haben gezeigt, dass Wien als globales Beispiel für Best‐Practices für Complete Mobility dienen kann. Eine Analyse der Ergebnisse individueller Aspekte der von der Stadt im Rahmen des Indexes erzielten Leistung erfolgt in Abschnitt 6. In diesem Abschnitt wird jedoch beschrieben, auf welche Weise eine solche solide Basis in Wien historisch gelegt wurde.
5.1 Complete Mobility Grundlagen für den Erfolg
Der Index für Complete Mobility beschreibt von seiner Konzeption her einen Weg: einen Weg von einem schlechten zu einem Mobilitätssystem der Spitzenklasse. Eine diesem Weg entsprechende Typologie der Städte wurde in Abschnitt 3.1 beschrieben und in Abbildung 5 dargestellt. Städte, die sich mit dem Index befassen, werden sich offensichtlich ihre eigene Position anschauen und wissen wollen, was diese Position über ihr eigenes Mobilitätssystem aussagt und wie sie in der Zukunft vorgehen sollten. Städte wie Wien, die mit einem sehr guten Ergebnis aufwarten können, werden ebenfalls in die Zukunft blicken, aber gegebenenfalls auch darüber nachdenken, wie sie ihre gute Position erreicht und welche Grundlagen sie bereits in der Vergangenheit gelegt haben. Nach der Typologie der in Abschnitt 3.1 betrachteten Städte gibt es drei Gruppierungen. Die Städte der Kategorie "Probleme mit der Bewältigung" weisen ein Defizit in der grundlegenden Infrastruktur und häufig eine unausgewogene intermodale Abdeckung auf. Die Städte der Kategorie "Gefährdet" haben gewöhnlich zwar die Löcher gestopft, verfügen aber nicht über die ausgewogenen Strategien und über das integrierte Management der Infrastruktursysteme, die für eine Reduzierung der extremen Abhängigkeit vom Kraftfahrzeug und des hohen Energieverbrauchs erforderlich wären. Zur Spitzengruppe gehörende Städte wie Wien haben es geschafft, eine vollständige Reihe an intermodalen Mobilitätsinfrastrukturen zu entwickeln. Sie sind in der Lage, über ein angemessenes Management Nachfrage und Angebot aufeinander abzustimmen. Der Index für Complete Mobility enthält Vorschläge zu wesentlichen Eingriffen und Infrastrukturen, die den Städten dabei helfen sollen, ihre entsprechende Position zu verbessern. Abschnitt 7 enthält konkrete, in Wien angewendete Beispiele; bevor jedoch die historische Entwicklung von Wien betrachtet wird (5.2), sollten die wichtigsten Hebel für eine Verbesserung der Position untersucht werden, die sich aus dem Index selbst ergeben. Die Complete Mobility‐Hebel, die den Städten am untersten Ende des Index helfen werden, ihre Position zu verbessern, sollen Infrastrukturlücken schließen und intermodale Verknüpfungen herstellen. Dies wird anhand folgender Beispiele dargestellt:
Weitere urbane Infrastrukturentwicklung ‐ insbesondere öffentliche Verkehrsmittel Verkehrslenkung und ‐kontrolle Besseres Logistikmanagement Verbesserte Anbindung an Häfen und Flughäfen Bessere Anbindung an wesentliche (inter)nationale, wirtschaftlich relevante Ziele Erschwingliche Beförderung für alle
Die übergeordneten Hebel, die die Städte im mittleren Bereich des Indexes dabei unterstützen, zu "Best‐In‐Class"‐Modellen für zukünftige Mobilität zu werden, fokussieren weitaus stärker auf integrierten Strategien und Managementsystemen sowie auf der Entwicklung von flexiblen, bedarfs‐ und kundenorientierten Dienstleistungen. Dies wird anhand folgender Beispiele dargestellt:
Strategische Maßnahmen für das Stadtgebiet mit höherer Dichte Bessere Verkehrslenkung und ‐kontrolle Bereitstellung öffentlicher Verkehrsmittel mit intermodalen Umsteigemöglichkeiten Bedarfsorientierte Beförderung Verbesserte Verkehrseffizienz – einschließlich Preisgestaltungsmaßnahmen und Bereitstellung von
Verbraucherinformationen Energieeffizienz, Technologien zur Reduzierung der Verschmutzung
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In Wien waren nach Meinung der lokalen Stakeholder mehrere Faktoren bei der Schaffung der Voraussetzungen für Wiens aktuelle Position im weltweiten Index entscheidend. Diese sind mit den Hebeln für Veränderungen bei Complete Mobility eng verknüpft und werden nachstehend besprochen.
5.2 Wien – Grundlagen für den Erfolg
Die Stakeholder in Wien haben mehrere Faktoren genannt, mit denen die Grundlagen für den aktuellen Erfolg der Stadt geschaffen wurden. Abbildung 8 enthält eine nicht vollständige Liste der von den Stakeholdern genannten wesentlichen Faktoren und Ereignissen. Die Hauptfaktoren werden in einen Planungs‐ und Strategiekontext gesetzt, der nach Ansicht der Stakeholder von übergeordneter Bedeutung ist: solide politische Vision der Mobilität, integrierter Planungsansatz. Beide unterstützen die vorstehend beschriebenen Hebel für Veränderungen. Solide politische Vision Während in vielen anderen Städten beträchtliche "Schwankungen" in der politischen Führung zu verzeichnen waren, die das Thema "Mobilität" als "politischen Fußball" benutzte, herrschte in Wien stets ein politischer Konsens über die Bedeutung eines ausgewogenen, integrierten und benutzerfreundlichen Stadt‐ und Mobilitätsystems. Im Zeitraum 1984 ‐1994 wurde das Netz der Fahrradwege entwickelt und das Nachtfahrverbot (23:00 bis 05:00 Uhr) für Lkw über 3,5 Tonnen eingeführt. In den sechziger und siebziger Jahren widersetzte sich die politische Führung in Wien der herkömmlichen Überzeugung, die gesamte Verkehrsinfrastruktur am Personenkraftwagen auszurichten, indem man sich für die Erhaltung des Straßenbahnnetzes und sogar für die Planung einer Erweiterung des Metrosystems entschied. Die Rolle der starken und populären Führung ist offenbar die "unsichtbare Hand" bei der Entwicklung erfolgreicher Mobilitätsstädte. Ob Lerner in Curitiba oder Livingstone in London – es handelt sich dabei gewöhnlich um politische Führer, die sich nicht nur für innovative Strategien einsetzen, sondern auch den Mut besitzen, die Umsetzung dieser Strategien bis zu einem erfolgreichen Abschluss durchzusetzen. In der Vergangenheit und insbesondere in den sechziger und siebziger Jahren rangierten in der westlichen Welt die Bedürfnisse der individuellen Nutzer der Stadt hinter denen der aktuellen und künftigen Autofahrer. Dies führte in vielen westlichen Städten zum Bau von Stadtautobahnen und großflächiger Parkplatz‐Neubauten. Wien widersetzte sich diesem Trend. Nach Ansicht der Verantwortlichen kam der Hauptwendepunkt in der Stadtentwicklung mit dem Einsturz der im Zentrum gelegenen Donau‐Reichsbrücke im Jahr 1975. Die neue Brücke war letztendlich nicht optimal mit dem bestehenden Straßennetz verknüpft, und man widersetzte sich jeglichem Druck, autobahnähnliche Anschlüsse bereitzustellen. Der Rahmen der zukünftigen Entwicklung wird oft von der politischen Haltung zu und Reaktion auf solche vorhersehbaren/geplanten Änderungen (erhebliche Zunahme an Autobesitzern) und ungeplanten Änderungen (Brückeneinsturz) bestimmt. Zurzeit ist geplant, sich gegen jeglichen Druck zur Wehr zu setzen, den Autobahnring im Nordosten der Stadt fertig zu stellen. Dies wird mit Interesse verfolgt.
Fallstudie Wien Vorläufige Version
MRC Europe
1983‐4:Single transport ticket for the city
2020:Completion of motorway ring
road??
1974‐5:First pedestrian
zone
End‐1960s:Planning for the
metro development
End‐1960s:Parking
regulations implemented
1980s‐90s:Strong city leadership
Stable Political Vision
Integrated Planning
1950 19701960 1980 1990 2000 2010
Social Partnership
IntegratedTraffic Management Team
2009:Sustainability
ReportUITP World Congress
1995:Short term
Parking Policy
Abbildung 8 – Zeitleiste bis zum Erfolg
2009 findet der bekannte UITP‐Weltkongress statt. Diese Veranstaltung wird von der Stadt Wien ausgerichtet, die damit wichtige Akteure im globalen öffentlichen Verkehrswesen anzieht, von Betreibern und Anbietern bis hin zu politischen Entscheidungsträgern. Die Stadt steht dabei im Mittelpunkt, und die Veranstaltung wird zum Schaukasten für alle Erfolge der Stadt Wien. Gleichzeitig wird der Nachhaltigkeitsbericht 2008 von Wien vorgestellt, der die starke Umweltleistung der Stadt im Hinblick auf Mobilität und andere Bereiche unterstreicht. Diese öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten bezeugen den unterstützenden und durchgängigen politischen und methodischen Ansatz der Stadt. Integrierte Planung Die integrierte Planung ist der Schlüssel zur Complete Mobility. Die Städte müssen zur Erfüllung der Mobilitätsbedürfnisse über ein grundlegendes Infrastrukturangebot verfügen. Wesentliche Hebel für Veränderungen sind jedoch die Bereitstellung intermodaler Verkehrsmittel sowie die aktive Nutzung von Informationen und Preislegungsmechanismen, um damit eine nahtlose Beförderung zu ermöglichen. In Wien wurde frühzeitig ein integrierter Rahmenplanungsprozess für das Verkehrswesen in Gang gesetzt, der sämtliche Verkehrsmittel, Parkmöglichkeiten, Fußgänger, Radfahrer und Sicherheitsaspekte umfasste. Das integrierte Verkehrsmanagementteam stellte einen grundlegenden Teil dieses Prozesses dar. Dieses Team setzte sich aus unabhängigen Experten, Akademikern und Verantwortlichen zusammen. Das Team wurde mit mehreren Studien zur Bewertung der Hauptstrategien beauftragt (z. B. Studie über die Auswirkungen von Langzeitparkplätzen in der Stadt und Bewertung der Auswirkungen eines Nachtfahrverbots für Lastwagen), was die Stadt bei der Festlegung eines integrierten und ganzheitlichen Plans für das Stadtgebiet unterstützte. Interessanterweise wurde in Wien bereits frühzeitig ein Verkehrsplanungsmodell entwickelt und angewendet, was in den siebziger Jahren ungewöhnlich war, da es ausdrücklich die Rolle der Fußgängerbewegungen mit berücksichtigte. Dieser Vorläufer des VISSIM‐Modells diente der Unterstützung der Planungsentscheidungen. Er hatte z. B. großen Anteil an der Entscheidung gegen die Einstellung der Straßenbahnlinien und in 1974 gegen das Großbauprojekt für Parkplätze am Heldenplatz.
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Definitionsgemäß bedingt eine integrierte Planung einen Konsens und damit Mechanismen zur Konsensbildung. Das integrierte Verkehrsmanagementteam vertrat diesen Ansatz schon frühzeitig, und die zentrale Rolle der Social Partnership in Wien hat sich bei der Bewältigung des Wandels als sehr mächtig erwiesen. Bei der Social Partnership handelt es sich um eine freiwillige Kooperation zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Stadt. Die Handelskammer in Wien spielt eine wesentliche Rolle und hat ihre aktive Unterstützung für die Förderung des Zugangs zu öffentlichen Verkehrsmitteln und die Nutzung von Parkrichtlinien zur Kontrolle und Priorisierung der Mobilität zugesichert. Die Partnerschaft spielt bei der Beurteilung und Förderung der im gegenseitigen Einvernehmen erfolgenden Änderungen eine zentrale Rolle. Wien steht seit langem an der Spitze der Mobilität. Dennoch ist Wien traditionsgemäß stark in europäischen Netzen involviert und nutzt die Erfahrungen spezifischer Städte. Der Umbau in Fußgängerzonen in Rotterdam diente Wien als Vorlage, wie auch die in Salzburg und Innsbruck durchgeführten Studien. Im Bereich des öffentlichen Verkehrswesens verfolgt man mit Interesse die Entwicklungen in Zürich. Im Bereich Radfahren wurde der Verkehrsclub Österreich von der Universität geleitet, wodurch der Fokus verstärkt auf die verkehrstechnische Innovation gelegt wurde. Der Club selber setzte sich für ein gut entwickeltes Radwegenetz ein und unterstützte seine Entwicklung. Wie oben angegeben können akademische und andere Forschungsgremien in einer Stadt starke Impulse für Innovationen geben. Wenn solche Gruppen eine unterstützende und enge Beziehung mit politischen Führern unterhalten, kann dies zu leistungsstarken Ergebnissen führen. Der wesentlichste Hebel der Complete Mobility ist wohl die Verbesserung der Verkehrseffizienz und der Fokussierung auf den Fahrgast, indem Preislegungsmaßnahmen durchgeführt und Verbraucher informiert werden. Das Kombi‐Ticket, das in den achtziger Jahren realisiert wurde, dient als bestes Beispiel für die Vereinfachung der Mobilitätssysteme und stellt ein wesentliches Werkzeug dar, um dem Reisenden den Zugang zu ermöglichen. Dieses Ticket kann an einer Stelle im Gesamtverkehrsverbund gekauft werden und ermöglicht den Fahrgästen, den Nutzen des Verbundsystems klar zu erkennen. Diese positive Entwicklung (intensivere Nutzung des öffentlichen Verkehrs – höherer Ertrag – höhere Investitionen) kann nur durch Fahrgäste angestoßen werden, die diesen Nutzen erkennen. Diese Fahrschein‐Verbundlösung bietet Reisenden in Wien auch die Möglichkeit, Fahrscheinautomaten der öffentlichen Verkehrsmittel zur Bezahlung der Parkgebühren zu verwenden. Das Parken selber ist ein zentraler Bereich der Bedarfsmanagementstrategie, und Complete Mobility berücksichtigt die Notwendigkeit, dieses Strategiemittel zum Management des automobilbasierten Bedarfs zu nutzen und gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile zu realisieren. In 1995 wurde die Strategie des Kurzzeitparkens umgesetzt, nach der Autos auf Straßen der Stadt und anderer zentraler Bereichen für längstens 2 Stunden geparkt werden dürfen. Damit wird aufgrund der hohen Umschlagrate auf den Parkplätzen eine wirtschaftliche Wertschöpfung erzielt. Langzeitparkplätze weisen dagegen eine geringe Umschlagrate auf, und damit keine Wertschöpfung aus den Parkplätzen. Als letzter Punkt gilt die gestiegene urbane Dichte als Haupthebel für Complete Mobility. Wien hat in der jüngsten Geschichte die zunehmende Dichte (siehe Abbildung 9) erfolgreich bewältigt. Dies setzt sich mit der geplanten Neubebauung im Norden der Stadt – Seestadt/Aspern und Siemens‐City – fort.
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Abbildung 9 – Urbanes Wachstum in Wien zwischen 1958 und 1997
Quelle: OIR
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6 WIEN: LEISTUNG DER COMPLETE MOBILITY 6.1 Wiens Ergebnis
Der abgeleitete Index zeigt die starke Leistung von Wien. Hier ist es interessant, sich auf einige einzelne Indikatoren zu konzentrieren und Wiens Leistung gegenüber anderen Städten zu erörtern. Tabelle 2 stellt zunächst nur die von Wien erreichten Ergebnisse dar.
City/Urban area
Country Population GDP/head
Vienna Austria 2.31 51.60
Local public transport services
Transport management/
control
Transport information
and payment systems
Airports inc surface access
Port facilities
5 5 5 4 5
Road infrastructure
Traffic fatalities
Energy Use Intensity
Polluting emission
Cost of transport provision/ unit GDP
Quality of road
network
Average household expenditure on public transport travel
Quality of Rail services
Dedicated Cycle Lanes
Accessibility ‐ Disable friendly stations
6 5 5 4 3 N/A 3 5 5 6
Final Index Score
4.7
Qualitative Indicators
Quantitative Indicators
N/A = Nach Ermittlungen des Datenerhebungs‐dienstes ist diese Zahl nicht verfügbar.
Tabelle 2 – Wiens Ergebnis im aktualisierten Index
Die Indikatoren können nach jedem der drei Hauptelemente der Complete Mobility eingestuft werden: Fahrgastorientierung, Effizienz und Nachhaltigkeit. Viele Indikatoren lassen sich mehreren Kategorien zuordnen; jedoch werden sie in dieser Untersuchung nur dort berücksichtigt, wo dies am relevantesten ist. Vergleiche werden zwischen Wien und 5 anderen europäischen Städten gezogen: München, Berlin, Amsterdam, Zürich und Prag. In den drei nachstehenden Abbildungen ist das Ergebnis von Wien gegenüber den anderen Städten in Diagrammform dargestellt. Hier werden die Punktzahlen aus dem aktualisierten Index für Complete Mobility verwendet.
In drei Fällen standen die Daten einer Stadt nicht zur Verfügung. Zur Vollständigkeit des Diagramms wurden diese Lücken mit der durchschnittlich bei allen anderen Indikatoren erreichten Punktzahl der Stadt geschlossen.
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Fahrgastorientierung
Die Kategorie Fahrgastorientierung beinhaltet 5 Hauptindikatoren, obgleich einige andere Indikatoren ebenfalls als relevant für die Fahrgastorientierung gelten. Wien ist in allen drei Spinnendiagrammen durch eine dicke blaue Linie gekennzeichnet.
0
1
2
3
4
5
6
Local public transport services
Transport information and payment systems
Average household
expenditure on public transport
travel
Quality of Rail services
Accessibility ‐Disable friendly
stations
Vienna
Munich
Berlin
Amsterdam
Zurich
Prague
Abbildung 10 – Vergleich der Indikatoren für Fahrgastorientierung
Wien erzielt bei allen Indikatoren für die Fahrgastorientierung in den meisten Fällen 5 und 6 Punkte und damit gute Ergebnisse. Zugänglichkeit und barrierefreier Zugang sind besondere Stärken des Verkehrssystems in Wien, und daher ist die für "Zugängliche Haltestellen" erreichte hohe Punktzahl nicht überraschend. Das schlechteste Ergebnis in dieser Kategorie erzielt Wien für "Durchschnittliche Haushaltsausgaben für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel". Dieser Indikator liegt laut "Statistik Österreich" in 2005 bei 13,10 % für Wiener Haushalte. Gegenüber den anderen hier dargestellten Städten ist dieser Prozentsatz hoch, und die Verkehrsmittel sind weniger erschwinglich. Dies erklärt die niedrige Punktzahl. Prag erreicht bei diesem Indikator ebenfalls drei Punkte, aber sogar die realen Zahlen für Haushaltsausgaben liegen mit 11 % etwas niedriger. Die hohen Zahlen der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel in Wien und die hohe Kundenzufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zeigen, dass Wiener Haushalte trotz der Kosten öffentliche Verkehrsmittel weiterhin nutzen werden. Die Fahrgäste scheinen mit der Qualität des Verkehrsservice einverstanden zu sein, denn sonst würden sie nicht die geforderten Beträge zahlen. Dies unterstreicht das starke Wertangebot des öffentlichen Nahverkehrs in Wien. Zürich erzielt bei allen 5 Indikatoren ein besonders gutes Ergebnis, das mit der von Wien erreichten Punktzahl bei allen Indikatoren gleichzieht oder diese Punktzahl sogar noch übersteigt. Zürich verfügt über ein sehr ausgedehntes und gut integriertes öffentliches Verkehrssystem, und die Stadt erlebt weiterhin steigende Benutzerzahlen bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Nach Meinung unseres professionellen Expertenteams, das die qualitativen Indikatoren bewertete, ist das System in Zürich fahrgastorientiert, zugänglich und benutzerfreundlich.
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Prag erzielte im Vergleich die niedrigste Punktzahl von allen 6 Städten. Prag ist eine schnell wachsende, historische Stadt. Dies bedeutet häufig, dass das Verkehrswesen nicht mit diesem Wachstum Schritt halten kann. Trotz der niedrigen Punktzahl in diesem Vergleich hat Prag bei der Entwicklung eines integrierten öffentlichen Verkehrssystems relativ gut abgeschnitten.
Effizienz
Die Effizienz des Verkehrssystems ist ein wichtiger, von allen Städten zu berücksichtigender Punkt. Sechs unserer Indikatoren zeigen am besten, wie gut ein System in punkto Effizienz abschneidet.
0
1
2
3
4
5
6Transport management/control
Airports inc surface access
Port facilities
Road infrastructure
Cost of transport provision/ unit GDP
Quality of road network
Vienna
Munich
Berlin
Amsterdam
Zurich
Prague
Abbildung 11 – Vergleich der Indikatoren für Effizienz
Die bei der Effizienz erreichten Punktzahlen sind uneinheitlicher als bei der Fahrgastorientierung. In dieser Kategorie erhält Wien Bewertungen zwischen 3 und 6. Auch hier (wie bei der Fahrgastorientierung) bezieht sich die niedrigste Punktzahl auf einen kostenbasierten Indikator. Um bei "Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel als Prozent des BIPs" sechs Punkte zu erreichen, muss der Wert im Bereich 0,05 ‐ 0,075 liegen, was relativ hohe Bereitstellungskosten (wenn auch nicht die höchsten) bedeutet, die für ein hochwertiges und ausgewogenes System erforderlich sind. Die Bereitstellungskosten in Wien liegen mit 0,019 niedriger. Im ursprünglichen Index für 2008 erhielt Wien 6 Punkte für "Straßeninfrastruktur". In Abschnitt 3.1 wurde erläutert, dass ein ziemlich hohes Maß an Infrastruktur (jedoch kein Infrastruktur‐Überangebot) erforderlich ist, um bei diesem Indikator 6 Punkte zu erzielen. Wien konnte auch bei diesem Indikator ein gutes Ergebnis erzielen und somit seinen Erfolg bei der Beschränkung des Straßenbaus bestätigen. Die mit der grünen Linie dargestellte Stadt Berlin erreichte in dieser Effizienzkategorie sehr ähnliche Ergebnisse. Das niedrigste, von Berlin erzielte Ergebnis ist drei Punkte, die wie bei Wien für "Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel" vergeben wurden. Ansonsten entsprechen die Ergebnisse von Berlin denen von Wien, mit Ausnahme des Indikators "Qualität des Straßennetzes", wo Berlin besonders gut abschneidet. Mit diesem Indikator werden Verbesserungen der Fahrzeiten im Stadtzentrum gemessen. Hier sollte angemerkt werden, dass für die enorme Verkürzung der Fahrzeiten keine 6 Punkte vergeben werden, da davon ausgegangen wird, dass diese Reduzierung auf umfangreiche Infrastruktur und nicht auf managementbasierte Techniken zurückzuführen ist. Bei diesem Indikator standen für Wien keine Daten zur Verfügung. Daher wird hier die von Wien durchschnittlich erreichte Punktzahl verwendet.
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Nachhaltigkeit
Das Verkehrswesen ist eine wichtige Komponente für die Nachhaltigkeit jeder Stadt. In diesem Index werden vier Indikatoren verwendet, mit denen verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit reflektiert werden sollen.
0
1
2
3
4
5
6Traffic fatalities
Energy Use Intensity
Polluting emission
Dedicated Cycle Lanes
Vienna
Munich
Berlin
Amsterdam
Zurich
Prague
Abbildung 12 – Vergleich der Indikatoren für Nachhaltigkeit
Die Stadt Wien hat sich im Hinblick auf ihr Nachhaltigkeitsprofil hohe Ziele gesteckt. Die Nachhaltigkeitsberichte der Wiener Stadtwerke für 2007 und 2008 zeigen die Zielbereiche und Zielsetzungen auf, die Wien zurzeit in punkto Nachhaltigkeit verfolgt. Diese Verpflichtung der Stadt hat ihr bei unseren Nachhaltigkeitsindikatoren ein gutes Ergebnis eingebracht. Wien verfügt über eine geringe Energieintensität, hat nur wenige Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang zu beklagen und bietet ein gut ausgebautes Radwegenetz. Die niedrigste Punktzahl erreicht Wien hier beim "Schadstoffausstoß", wo die Stadt dennoch ein respektables Ergebnis von 4 Punkten vorweisen kann. Der Indikator "Schadstoffausstoß" beinhaltet Messungen des Gehalts an Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und PM10. München konnte bei diesen vier Indikatoren mit einem besonders guten Ergebnis aufwarten und erhielt für alle Indikatoren eine 6, mit Ausnahme des Indikators "Radwege", für den die Stadt mit 5 Punkten bewertet wurde. Verkehrsmittel stehen an oberster Stelle der politischen Agenda in München, und die Planung der Stadt ist überzeugend. Hohe Bevölkerungsdichten, ein ausgedehntes und integriertes öffentliches Verkehrssystem sowie gute Strategien zur fußgänger‐ und fahrradfreundlichen Gestaltung der Stadt haben zu dieser starken Leistung der Stadt beigetragen.
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7 WIEN: COMPLETE MOBILITY IN DER PRAXIS Wien kristallisiert sich als eine Stadt heraus, die ihre Mobilitätsstärke aus ihren durchgängigen, stimmigen und vollständig integrierten Strategien und Projekten schöpft: ihre Integration von und ihre Breite an Strategien im Gegensatz zu spezifischen, sehr umfangreichen Infrastrukturen. In diesem Abschnitt soll die heute in Wien gelebte Praxis beschrieben werden. Dazu werden zwar einzelne, jedoch ganzheitliche Modelle der in der Stadt gelebten Complete Mobility beschrieben, gefolgt von einer integrativen Sicht der Stadt aus der Perspektive eines Fahrgasts.
7.1 Aktuelle Beispiele für Complete Mobility
Da die Stärke von Wien in der Integration von und Breite an Strategien liegt, sollte man sich bei der Beschreibung der in Wien umgesetzten Complete Mobility nicht nur auf einzelne Teile der Infrastruktur konzentrieren, um anderen Städten bewährte Verfahren aufzuzeigen. Dieser Abschnitt stellt daher fünf konkrete Beispiele vor, mit denen dargestellt wird, wie die Stadt ihre derzeitige Position im Hinblick auf Complete Mobility ‐ aufbauend auf ihren "Grundlagen für den Erfolg" ‐ erreicht hat. Die fünf Beispiele umfassen drei breit angelegte Themen und zwei kürzlich umgesetzte Projekte, die aus der Betrachtung von Wien im Kontext der Complete Mobility hervorgegangen sind. Diese Beispiele wurden deshalb gewählt, weil sie eine grundlegende Einhaltung bestimmter Aspekte des Konzepts repräsentieren und somit nützliche Informationen für andere Städte bieten. Jedes Beispiel wird beschrieben, veranschaulicht und im Hinblick auf Complete Mobility dargestellt. Die Beispiele werden in der nachstehenden Tabelle 2 zusammengefasst und anschließend erörtert.
Konzept der Complete Mobility
Complete Mobility Beispiel Fahrgastorientiert Effizienz Nachhaltigkeit
Proaktives Management
Integrierte Planung und
Eigentumsverhältnisse
Engagement der Fahrgäste
Öffentlicher Raum
Twin City Liner
ITS Vienna Region
Tabelle 3 – Beispiele für Complete Mobility
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Titel INTEGRIERTE PLANUNG UND EIGENTUMSVERHÄLTNISSE Konzept der Complete Mobility:
Effizienz; Nachhaltigkeit
Auswirkungen der Complete Mobility:
Koordination Flächennutzung und Verkehr; proaktives Management
Beschreibung: Der Wiener Masterplan Verkehr MPV03 und der Stadtentwicklungsplan STEP 05 sind mittels Konzepten und Leitbild integriert. Das Konzept der so genannten „Intelligent Mobility“ bzw. „Smart Mobility“ (siehe Abschnitt 8.1) liefert einen umfassenden Leitrahmen. Siemens Allissen ist dafür ein gutes Beispiel. Hierbei handelt es sich um eines der 13 Zielgebiete des Plans STEP 05, der hier unter anderem die Entwicklung eines neuen Standorts für 6000 Siemens‐Mitarbeiter vorsieht. Gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln steht bei der Planung weit oben auf der Liste. Das soll den Erfolg und die Nachhaltigkeit des Standortes sichern. Die Planung ist auf regionaler Ebene nicht so stark integriert (was aufgrund des großen Einzugsgebiets der Stadt erforderlich ist). Für den nächsten regionalen Verkehrsplan auf Länderebene, der 2012 herausgegeben wird, ist jedoch eine Anbindung mit der Stadt vorgesehen. Damit steigt die Abdeckung von 1,6 auf 2,5 Millionen Menschen. Der lokale Kenntnisstand ist hoch, mit einem starken Input durch akademische und forschungsorientierte Organisationen sowie Behörden. Eine weitere Stärke des Wiener Systems liegt in der Überwachung und Evaluierung der Pläne. Der zweite im Mai 2009 veröffentlichte Nachhaltigkeitsbericht der Wiener Stadtwerke ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Die Ziele wurden proaktiv verfolgt, führten aber nicht zu politischer Kurzsichtigkeit. Das klare Ziel der öffentlichen Verkehrsbetriebe Wiener Linien ist ein Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel von 40 %. Im Nachhaltigkeitsbericht wird dieses Ziel deutlich unterstützt; hier ist von Mobilität als Meilenstein für mehr Nachhaltigkeit die Rede. Zurzeit beträgt der Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel 35 %; die von den Wiener Linien geplanten Investitionen von 1,8 Milliarden € bis zum Jahr 2013 dürften helfen, dieses Ziel zu realisieren. In Wien besteht Einigkeit darüber, dass wettbewerbsorientierte Ausschreibungen (die es in Wien nicht gibt) lediglich zu einer Konzentration auf eng begrenzte betriebliche Kennzahlen führen. Die Wiener Linien sind Eigentum der Stadt Wien. Dieser Umstand fördert die Kommunikation und koordiniertes Handeln. Bei einer kürzlich vorgenommenen Betriebsstudie wurde das Zusammenspiel zwischen Verkehrsunternehmen und der Stadt untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass es in Wien zehnmal mehr Interaktionen dieser Art als in deutschen Vergleichsstädten gibt. Selbst minimales Feedback kann unmittelbare Einflüsse haben. So haben beispielsweise Fahrer Kommentare zu kleinen infrastrukturellen Änderungen gemacht, die ihrer Meinung nach erforderlich seien (z. B. größere Wendekreise an bestimmten Stellen). Diese Erfordernisse lassen sich leicht kommunizieren und umsetzen. Gemeinsame Verantwortung bedeutet in der Konsequenz gemeinsames Erbringen von Dienstleistungen; so gibt es beispielsweise nur eine Schulungsabteilung, die sich mit der Ausbildung aller Fahrer befasst – ob für Straßenbahn, Bus oder U‐Bahn. So wird eine einheitliche Kundendienstkultur gefördert. Industrielle Partnerschaften in Österreich sind durch das Konzept der Social Partnership geprägt. Und das Wiener Verkehrswesen weiß dies zu seinem Vorteil zu nutzen. Social Partnership basiert auf freiwilliger Kooperation zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und dem Staat. Aufgrund der Struktur der Social Partnership ist die verkehrspolitische Entscheidungsfindung auf Lösungen ausgelegt, über die bei diesen Partnern Einvernehmen herrscht. Die Verkehrspolitik kann somit einen gewissen Grad an Kontinuität erreichen, die stützend wirkt.
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Titel ENGAGEMENT DER FAHRGÄSTE
Fahrgastorientiert Konzept der Complete Mobility: Auswirkungen der Complete Mobility:
Marktsegmentierung und Schaffung einer Wertschöpfungskette; flexiblerer Lifestyle
Beschreibung: In Wien wird schon seit langem der Meinung und Haltung der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel viel Beachtung geschenkt. Alle zwei Jahre führt die Stadt eine Umfrage unter fünf‐ bis sechstausend Einwohnern durch. Das öffentliche Verkehrswesen schneidet dabei gut ab. Die Ergebnisse dienen dazu, die Beförderungsbedürfnisse enger auf die Erwartungen der Fahrgäste abzustimmen. Eine Untersuchung der EU‐Kommission zur Bewertung der Lebensqualität in 75 europäischen Städten aus dem Jahr 2007 ergab, dass 85 % der Befragten in Wien mit dem hiesigen Verkehrswesen zufrieden seien. Ähnliches ergab auch die im Rahmen der in 2006 durchgeführten Umfrage erstellte BEST‐Studie: Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien waren i.A. 74 % der Befragten zufrieden. Diese Studie vergleicht die Kundenzufriedenheit der Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr mit acht anderen europäischen Städten. Wien erreichte in zwei Kategorien die höchste Punktzahl: Nicht nur in der Kategorie „Sicherheit und Komfort“ belegte diese Stadt mit 81 % zufriedenen Kunden den ersten Platz, sondern auch in Sachen „Zuverlässigkeit“. Dieser Aussage stimmten 75 % der Befragten ganz oder teilweise zu und wollten die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel weiterempfehlen. Im Nachhaltigkeitsbericht 2008 wird dazu bemerkt, dass diese Platzierungen im Jahr 2008 nicht gehalten werden konnten. Man würde den Gründen dafür nachgehen.
Die Zufriedenheit wird auf einer Skala von ‐100 bis +100 bewertet. Eine Bewertung von null bedeutet damit also 50 % Zufriedenheit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Wert aus dem Jahr 2007 beträgt nun wie in der Grafik dargestellt +60. Das entspricht somit einem Zufriedenheitsanteil von 80 %. Quelle: Wiener Stadtwerke, Nachhaltigkeitsbericht 2008
Die Wiener Linien achten zudem traditionell intensiv auf ihre Kundenstruktur und setzen kundensegmentorientierte Angebote und Marketingaktionen um. Die Angebote für die jüngeren Fahrgäste sind besonders überzeugend und gut entwickelt, und es gibt eine spezielle Website für die junge Kundschaft (www.rideontime.at/). Dies ist ein Schlüsselaspekt für die Complete Mobility. Wer um die Bedürfnisse und Einstellungen der Fahrgäste weiß, kann klar segmentierte Angebote konzipieren. Wie zuvor erwähnt, kann diese positive Entwicklung (intensivere Nutzung des öffentlichen Verkehrs – höherer Ertrag – höhere Investitionen) nur durch Fahrgäste angestoßen werden, die dies zu würdigen wissen. Zudem führt eine fahrgastfreundliche Entwicklung zu innovativen Lösungen beim Ausbau des Verkehrsnetzes. Im Idealfall sollten alle Mitarbeiter des Verkehrswesens vollständig über die Bedenken, Ideen sowie aktuelle und künftige Bedürfnisse der Fahrgäste und die treibenden Faktoren hierfür im Bilde sein. Oft heißt es, im privaten Sektor seien benutzerorientierte und innovative Dienstleistungen am besten realisierbar. Wie im vorherigen Beispiel beschrieben sind die Wiener Linien im öffentlichen Eigentum, und doch ist die Botschaft klar, dass der private Sektor kein Monopol in diesem Bereich innehat, zumindest nicht im Mobilitätsmarkt. In Wien wird das sehr gut an folgendem Beispiel deutlich: Den Schwächen des herkömmlichen öffentlichen Verkehrswesens und dem aktuellen Bedarf begegnet man hier mit dem Anrufsammeltaxi‐System ASTax. Dabei können die Bewohner weniger dicht besiedelter Gebiete (und außerhalb der Stoßzeiten) ein von den Wiener Linien eingerichtetes Anrufsammeltaxi bestellen. Ein privater Betreiber übernimmt die Fahrten und plant die Strecken,
Abbildung 13 – 2007 Kundenzufriedenheit im öffentlichen Verkehr.
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bei denen sich mehrere Fahrgäste ein Taxi teilen. Der Fahrgast gelangt so bequem von A nach B. Diese Ausrichtung auf den Fahrgast brachte auch andere Innovationen mit sich, z. B. Mietfahrräder (in Anlehnung an das Pariser Fahrradverleihsystem Vélib) und City Car Share. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Wiener Linien die Erreichbarkeit ihrer Serviceangebote auf einen sehr hohen Prozentsatz der Bevölkerung ausgedehnt haben. Der Anteil der Bevölkerung im Umkreis von 300 m von Bus‐ und Straßenbahnstationen bzw. 500 m von Metro und S‐Bahn liegt bei 98,9 % (Schulen), 96 % (Privathaushalte) bzw. 96 % (Geschäftsgebäude).
"Ist das nicht der vom 26er??"
Abbildung14 – Werbung der Wiener Linien für junge Leute
33 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen
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Titel ÖFFENTLICHER RAUM „Straße fair teilen” Konzept der Complete Mobility:
Fahrgastorientiert; effizient; nachhaltig
Auswirkungen der Complete Mobility:
Flexiblerer Lifestyle; höhere Umweltqualität; höhere globale Wettbewerbsfähigkeit; höhere Lebensqualität
Beschreibung: Die Stadt Wien will bei allen neuen Entwicklungsvorhaben einen gemeinsamen Raum einplanen. Das ursprünglich von Hans Monderman vorgebrachte Konzept wurde in Wien weiterentwickelt. Es fußt auf der Idee, dass Straße und Bürgersteig keine getrennten Bereiche sein sollten. Der Verkehr soll hierbei beruhigt und durch gemeinsam genutzten Raum langsamer werden. Dies entspricht in etwa der im Konzept zur Complete Mobility vorgeschlagenen Verkehrsmittelneutralität. Gemeinsamer Raum erfordert einen neuen Denkansatz bei der Umsetzung von Infrastrukturen. In Wien wurde ein Bedarf an mehr Fahrradwegen ermittelt. So sollte das Radfahren gefördert werden. Beim gemeinsamen Raum sind jedoch auch die Fahrradfahrer aufgefordert, diesen entsprechend zu nutzen. Gesonderte Fahrradwege sind hier nicht vorgesehen. Erwiesenermaßen sind einige gesonderte Fahrradwege in bestimmten Bereichen recht unfallträchtig geworden (z. B. vor Schulen mit hohem Fußgängeraufkommen). Bei der Gesamtstrategie zur Erhöhung des Anteils gemeinsamer Räume soll auch das Fahrrad integriert werden. Das Kurzzeitparken in Wien gilt als weiterer erfolgreicher Ansatz zur Verbesserung des öffentlichen Raums. Kurzparken gilt in den Bezirken 1–9, 20 und in Teilen des 15. Bezirks. Hier wurde das Langzeitparken eingeschränkt, und es bestehen Pläne zum Bau von Parkhäusern abseits der Straßen. Beide Maßnahmen führen zu weniger Parkverkehr auf der Straße und schaffen mehr Platz. Die Parkplatzverwaltung hat außerdem das geschäfts‐ und einkaufsbezogene Parken reduziert. Zudem wurde die durchschnittliche Parkdauer reduziert. Das ist auch für die Anwohner angenehmer. In Wien gibt es außerdem die niedrigsten Niederflurwagen der Welt, genannt ULF (Ultra Low Floor). Dieser von lokalen Stellen in Zusammenarbeit mit Siemens entwickelte Niederflurwagen fügt sich ideal in den gemeinsam genutzten Raum ein.
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Titel TWIN CITY LINER: PER SCHIFF VON WIEN NACH BRATISLAVA Konzept der Complete Mobility:
Fahrgastorientiert; effizient; nachhaltig
Auswirkungen der Complete Mobility:
Höhere globale Wettbewerbsfähigkeit; höhere Umweltqualität; Fokus auf verschiedene Segmente (Besucher und Berufstätige); hochwertiger Service.
Beschreibung: Der Twin City Liner ist ein Schnellboot, welches das Herz von Wien mit dem Herzen von Bratislava verbindet – bis zu zehnmal täglich. Schiffseigner ist die Central Danube Region GmbH, eine Tochtergesellschaft der Wien Holding und der Raiffeisenlandesbank NÖ‐Wien. Die Fahrt dauert 75 Minuten. Anfangs war nur ein Schiff im Einsatz, doch aufgrund der hohen Nachfrage wurde die Flotte um einen zweiten Katamaran aufgestockt. Die Konstruktion zeichnet sich durch einen geringen Tiefgang und geringen Wellenschlag aus – wichtige Aspekte beim Befahren der Donau und des Donaukanals, die im Sommer häufig Niedrigwasser aufweisen. Bei den Schiffen handelt es sich um leichte, aus Aluminium gebaute Schnellkatamarane mit Jetantrieb. Für den Antrieb sorgen zwei Dieselmotoren und Hamilton‐Hydrojetturbinen. Die Jets erzeugen einen Turboeffekt und bringen so eine Höchstgeschwindigkeit von 69 km/h. Die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit im schnellen, leisen und wirtschaftlichen Fahrbetrieb beträgt um die 60 km/h. Seit 2006 verzeichnet der Twin City Liner eine Passagierzahl von insgesamt 340.000; allein im Jahr 2008 nutzten 150.000 Fahrgäste dieses Transportmittel. Dies zeigt, wie wichtig es ist, ein klares Wertangebot zu schaffen. Die einfache Fahrt kostet bis zu 25 €. Mit dem Zug zahlt man nur 10 €. Aber mit dem Schiff gelangt der Besucher direkt in die Innenstadt; nicht allein deshalb nehmen die Passagierzahlen seit dem Anfangsjahr 2006 stetig zu. Der Liner ist auch eine wichtige Versorgungslinie nach Bratislava. Diese östliche Anbindung war aufgrund des Eisernen Vorhangs in der Vergangenheit nicht besonders ausgebaut. Der Osten gilt als Wachstumsmarkt, und es gilt, die Anknüpfung an den Osten zu optimieren. Der Liner ist dafür ein praktischer und sinnvoller Dienst. Der Twin City Liner stellt nur eine unabhängige Infrastruktur und Beförderungsmöglichkeit dar. Dass er als Beispiel für Complete Mobility gilt, basiert auf der Tatsache, dass er trotz der relativ hochpreisigen Alternative zu vorhandenen Verkehrsmitteln einen klaren Wettbewerbsvorteil bietet und die Leute bereit sind, dafür entsprechend zu zahlen. Dies lässt sich auch in Bezug auf die Verschiebung vom reinen Freizeitangebot hin zu einer breiter gefächerten Freizeit‐ und Berufsnutzung feststellen: Jedes Segment erfährt klare Vorteile. Auch eine schlecht genutzte Ressource wird hier nachhaltig genutzt. Die größte Schwäche bei diesem Service ist die fehlende Integration in die Wiener Infrastruktur in Bezug auf das Fahrkartensystem und die allgemeine Verkehrsplanung. Der Unterschied zum CAT (City Airport Train) ist interessant. Für den CAT gibt es kein gemeinsames Fahrkartensystem mit dem Stadtgebiet, und da dieser Zug die vorhandenen Gleise nutzt, wird auch die Kapazität der S‐Bahn eingeschränkt.
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Titel ITS VIENNA REGION Konzept der Complete Mobility:
Fahrgastorientiert; effizient; nachhaltig; proaktives Management
Auswirkungen der Complete Mobility:
Flexiblerer Lifestyle; höhere Lebensqualität
Beschreibung: Im Mai 2009 startet die Wiener Stadtverwaltung das ITS (Intelligent Transport System). Dieses System dient zur Optimierung des Verkehrsleitsystems und soll Reisenden im Wiener Raum ein einfach zugängliches Hilfsmittel zur Routenplanung liefern. Das ITS konzentriert sich besonders auf Fahrten mit verschiedenen Verkehrsmitteln. Das System ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts. Das ITS nutzt verschiedene Datenquellen. Die präzisen Reisezeiten werden anhand von Daten von Transpondern in 2500 Wiener Taxis und von ungefähr 300 Sensoren (z. B. Induktionsschleifen und Radar) ermittelt. Außerdem werden Meldungen von der lokalen Polizei, dem ORF (der österreichischen Rundfunkanstalt, die Staus und Unfälle meldet) und der Stadtverwaltung (vor allem bei Straßenarbeiten u. ä.) zur Ermittlung der Fahrzeiten im Auto herangezogen. Zeitplanangaben aller öffentlichen Verkehrslinien kommen vom Verkehrsverbund Ost Region (VOR), und die Wiener Linien und die Österreichische Bundesbahnen (ÖBB) übermitteln Daten in Echtzeit. Alle Fahrradwege, Fahrradspuren und Fußwege (in Parks, Wäldern, auf Friedhöfen, usw.) wurden digitalisiert. Die Zielgruppe für das ITS sind ganz klar die Reisenden im Wiener Raum. Dabei konzentriert man sich besonders auf das Reisen mit verschiedenen Verkehrsmitteln und die Planung der gesamten Reisestrecke. Dem speziellen Reiseplaner für das Park‐and‐Ride‐System (siehe unten) und der Kombination aus Fahrradfahren und öffentlichen Verkehrsmitteln wird ebenfalls viel Platz eingeräumt. Die Entwickler des ITS arbeiten zurzeit an einer mobilen Onlineanwendung, die noch im Jahr 2009 startklar sein soll. Eine künftige Erweiterung soll den Informationsfluss in den Außenbezirken der Region verbessern, damit auch diese Bereiche von den Vorteilen profitieren können. Die Entwickler haben eine Reihe von Themen ermittelt, die weiter untersucht werden müssen. Die Forschungsprojekte in Bezug auf diese Aspekte sind in der Anfangsphase. Beispiele:
• Der Einfluss des Wetters auf das Verkehrsverhalten und die Integration von Wetterdaten in die Verkehrsmodelle und den Reiseplaner.
• Eine europäische Informationsdienstplattform für das Reisen mit verschiedenen Verkehrsmitteln. • Der Einfluss von aktuellen Reiseinformationen auf das Reiseverhalten und Möglichkeiten zur
Verbesserung der positiven Effekte von Online‐Reisedaten. • Abschätzung von Reisezeiten im regionalen Straßennetz. • Felderprobungen für Verkehrstelematiksysteme. • Automatisierte Tests in Bezug auf die Daten‐ und Servicequalität und Prozesse zur Verbesserung der
Qualität von ITS‐Systemen. Das ITS bietet sich als Hilfsmittel zum einfacheren, effektiveren Reisen an. Es kann als Vorläufer der Complete Mobility gesehen werden, bei der sehr viel Wert darauf gelegt wird, dass das System entsprechend vom Benutzer gewürdigt wird bzw. für ihn von Nutzen ist.
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7.2 Fahrgasterfahrungen
Vor dem Hintergrund, dass der Fahrgast bei der Complete Mobility im Mittelpunkt steht, wurde Ende April 2009 in Wien eine kleine Übung mit Testfahrgästen durchgeführt. Diese sollte die Ergebnisse der Fallstudie untermauern und die Arbeit aus der Perspektive der Fahrgäste darstellen.
Beim Testfahren handelt es sich um ein ähnliches Konzept wie beim Testkauf. Dabei sollen Personen Dienste nutzen und ihre Eindrücke in einem Fragebogen mit teils offenen, teils geschlossenen Fragen erfassen. Diese Technik dient nicht zum Erfassen großer Grunddatenmengen, sondern soll vielmehr einen Einblick in die tatsächliche Kundenzufriedenheit vermitteln.
Bei Umfragen mit Testfahrgästen wird die gleiche Technik eingesetzt; es werden die Erfahrungen von Reisenden im Verkehrsnetz erfasst.
Als Testfahrgäste wurden Studierende der Universität Wien angeheuert. Sie erhielten einen Start‐ und Zielpunkt für eine Fahrt, die sie vorher nicht kannten. Wichtiges Kriterium: Diese Studierenden durften zu jenem Zeitpunkt erst maximal 3 Monate in Wien gelebt haben. Die meisten von ihnen stammten außerdem aus Osteuropa und hatten Deutsch nicht als Muttersprache. Diese Testgruppe wurde deshalb ausgewählt, weil sie eine der wachsenden und schwierigeren Zielgruppen von Reisenden in Wien darstellte. Viele Migranten stammen aus dem Osten, und die Sprachbarriere und geringe Vorkenntnisse sind mögliche Probleme. Außerdem nimmt die Zahl der Studierenden in der Stadt zu, und deren Bedürfnisse müssen erfüllt werden.
Die Teilnehmer der TUW wurden in die Technik und das Bewertungsformular eingewiesen. Die Umfrage bestand aus drei Teilen: (i) vor der Tour; (ii) während der Tour; (iii) nach der Tour. Die Teilnehmer wurden gebeten, folgende Aspekte zu erfassen: Art der Nutzung und Bewertung der Reiseinformationen, Qualität und Zuverlässigkeit des Transportdienstes sowie Stärken und Schwachstellen des Transportdienstes in seiner jetzigen Form. Nach der entsprechenden Tour wurden die Testfahrgäste in einem Gruppeninterview eingehend befragt.
Jede der Touren beinhaltete die Fahrt in einen Teil der Stadt, der der Testperson relativ unbekannt war, sowie einen Wechsel des Transportmittels. Die Teilnehmer besaßen kein Auto bzw. Fahrrad28.
Erfahrungen vor der Tour
Mit einer Ausnahme nutzten alle Studierenden Google Maps und die darin enthaltene Software zur Reiseplanung. Diese verbleibende Testperson nutzte die Website der Wiener Linien. Alle Benutzer fanden, dass diese Informationen einfach zugänglich und verwendbar seien. Alle Befragten hielten die Informationen für hilfreich. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Testperson, die die Website der Wiener Linien zur Planung nutzte, die Erfahrung am positivsten bewertete: Für die Fahrt zum Flughafen wurde auf dieser Website auf die S‐Bahn als günstige Alternative zum normalen und teureren City Airport Train hingewiesen.
Die Testpersonen druckten die Informationen zum Service sowie die Karten mit Umsteigepunkten und Zielort aus, und ein Teilnehmer lud die Daten auf seinen Pocket PC herunter. Einer der Anwender befand auch die GPS‐Funktion im Mobiltelefon unterwegs als sehr nützlich. Der einzige Kritikpunkt einiger Teilnehmer an Google bestand darin, dass bei manchen Buslinien die entsprechenden Informationen zu den Bussen fehlten.
Erfahrungen während der Tour
Der Gesamteindruck der eigentlichen Tour wurde von allen Teilnehmern sehr positiv bewertet. Informationen, Pünktlichkeit, Komfort und Umsteigemöglichkeiten erhielten durchweg gute Noten. Alle Befragten fanden, dass die Touren leicht zu meistern waren. Ein aus Russland stammender Teilnehmer bemerkte dazu:
„Für uns ist das hier wie im Paradies.“
Dem stimmten auch andere osteuropäische Teilnehmer zu. Das Wiener Transportwesen sei gut zugänglich, und vor allem erfolgen Ankunft und Abfahrt pünktlich nach Fahrplan. Gelobt wurde auch die Lautsprecherdurchsage für die nächste Haltestelle, obwohl die nicht Deutsch sprechenden Teilnehmer Schwierigkeiten hatten, etwas anderes als den Namen der Haltestelle zu verstehen. Die teilnehmenden Osteuropäer sprachen den Wunsch aus, die Ansagen auf Deutsch und Englisch zu hören. Das würde auch den internationalen Charakter der Stadt unterstreichen.
28 Dies war nicht Bestandteil des Anforderungsprofils.
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Im Folgenden sind die wichtigsten Aspekte während der Tour aufgeführt:
• Fahrkartensystem: Die Fahrkartenautomaten in Metro und Straßenbahn erreichten keine hohe Punktzahl.
o Zuverlässigkeit der Fahrkartenautomaten und Auswirkungen: Ist einer von zwei Fahrkartenautomaten defekt, bilden sich vor dem anderen lange Schlangen. Dies war bei einigen der Fahrgäste der Fall, die einen Teil der Strecke ohne gültigen Fahrschein fahren mussten, weil sie den Anschluss nicht verpassen wollten. Ein anderer Teilnehmer verpasste den Zug, da er nicht ohne Fahrschein fahren wollte (zum Flughafen).
o Benutzerfreundlichkeit der Fahrkartenautomaten in Bezug auf Zusatztickets: Wenn ein Fahrgast ein Ziel außerhalb der „Komfortzone“ (Kernbereich von Wien) anfahren möchte, benötigt er ein Zusatzticket für die Endphase der Route. Zwei der Testfahrgäste benötigten derartige Zusatztickets für kurze Strecken in das Wiener Umland. Sie wussten nicht, wie sie diese Fahrkarten kaufen konnten, und deshalb war es ihnen auch egal – sie nahmen in Kauf, ohne Fahrschein zu reisen.
o Fahrkartenautomaten bei mehreren Verkehrsmitteln: Eine Testperson musste über Wien Mitte zum Flughafen fahren und hatte aufgrund von Bauarbeiten vor Ort Probleme, den Fahrkartenautomaten zu finden. Er wusste außerdem nicht, welchen Automaten er verwenden sollte. Er wollte mit den ÖBB zum Flughafen fahren, konnte aber nur die Automaten der Wiener Linien finden, die ziemlich ähnlich aussehen. Das war ziemlich verwirrend für ihn.
In den nachfolgenden Gesprächen kamen alle Teilnehmer überein, dass sie ihre Fahrkarten lieber vorab gekauft hätten, statt die Automaten zu nutzen.
• Kennzeichnung der Umsteigemöglichkeiten: im Allgemeinen gut, bietet aber noch Raum für Verbesserungen.
o Kennzeichnung der Ausgänge: In Bezug auf Umsteige‐Knotenpunkte bemerkten alle Testfahrgäste, dass die Ausschilderung in den Verkehrsmitteln (die den Reisenden von einer Linie zur nächsten leiten) gut sei. Beim Wechsel des Verkehrsmittels (z. B. Umsteigen von Metro auf Bahn) bzw. bei der Ankunft am Ziel sollten jedoch die Ausgänge besser gekennzeichnet werden. An wichtigen Umsteigestationen gibt es häufig viele Ausgänge, und die Ermittlung des richtigen Ausgangs fällt schwer. Wer den falschen Ausgang nimmt, ist schnell auf der falschen Seite einer Hauptstraße, verliert Zeit und ist weit weg vom gewünschten Zielort.
o Sicherheit: Alle Testfahrgäste waren männlich und unter 24. Sie alle fühlten sich im Allgemeinen sicher in den öffentlichen Verkehrsmitteln Wiens. Zwei hingegen gaben zu, sich während der Fahrt etwas unwohl gefühlt zu haben (dabei handelte es sich nicht um Nachtlinien). Andere Fahrgäste gaben an, sie hatten sich in den Wiener Verkehrsmitteln zwischendurch schon einmal unwohl oder bedroht gefühlt. Dieses Problem beschränkte sich auf Busse (in denen nur wenige Passagiere saßen) und große Verkehrsknotenpunkte (wo sich gern Betrunkene und Drogensüchtige aufhalten).
Erfahrungen nach der Tour
Alle Testpersonen meinten, die Fahrzeiten seien angemessen und entsprächen in etwa den Erwartungen. Lediglich ein Fahrgast hatte eine deutlich längere Fahrzeit als erwartet, da er aufgrund von Problemen mit dem Fahrkartenautomaten einen Zug verpasste.
Es gab keine negativen Bemerkungen zu überfüllten Verkehrsmitteln, Komfort, Sauberkeit oder Schnelligkeit. Das System „funktioniert einfach“. Es sollten mehr offene Toiletten zur Verfügung stehen (viele sind in der Metro verschlossen).
Der wichtigste allgemeine Kommentar in Bezug auf das Fahrerlebnis war, sämtliche Ansagen auf Deutsch und Englisch zu gestalten. Dieser Vorschlag kam nicht nur von den osteuropäischen Studenten, sondern auch von Österreichern. Die Osteuropäer merkten weiter an, dass ihnen einige allgemeine Informationen zur Verwendung der öffentlichen Verkehrsmittel, idealerweise auf Englisch, bei der Ankunft in Wien zur Verfügung gestellt werden sollten. Beispiele: wo und wie man einsteigen kann, wie die Bezahlung funktioniert – also einfache Bedienhinweise.
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Zusammenfassung
Die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Fahrgäste ist der wichtigste Aspekt der Complete Mobility: Erfolgreiche Städte ermitteln stets die Bedürfnisse ihrer Fahrgäste und handeln entsprechend. Beim Konzept der Complete Mobility geht es um reibungslose Fahrerlebnisse (vor allem beim Umsteigen) und somit um klare Vorteile für die Fahrgäste – Fahrgäste, die hochwertige Mobilität zu schätzen wissen und davon profitieren.
Die Botschaft, die sich aus der Übung mit den Testfahrgästen (aus einer komplizierten Untergruppe an Fahrgästen) ergibt, ist deutlich: Das Wiener Verkehrssystem ist zumindest hinsichtlich des öffentlichen Personenverkehrs ganz klar auf den Fahrgast ausgerichtet und als hochwertig einzustufen. Wie die Testfahrgäste selbst bemerkt haben: Es funktioniert einfach.
Kein System ist perfekt, und natürlich werden die Aspekte, die verbesserungswürdig sind, hervorgehoben. Raum für Verbesserungen bieten demnach die Fahrkartenautomaten und Umsteigemöglichkeiten – selbst wichtige Bestandteile für reibungslosen Ablauf und Wertschöpfung. Die Ergebnisse aus diesem Test fließen in nachfolgende Plangespräche ür das Wiener Verkehrswesen ein. f
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8 WIEN: GLOBALE STADT DER ZUKUNFT 8.1 Vorstellung
Das Konzept der Complete Mobility dient zur Steuerung der künftigen Mobilitätsentwicklung von Städten. Wie im Dokument beschrieben, basiert das Konzept auf unvermeidbaren Trends und den besonderen Problemen, die die Verantwortlichen dieser Städte auf der ganzen Welt nennen.
Viele Wege führen zur Complete Mobility. Städte der Kategorie "Probleme mit der Bewältigung" können sich umorientieren und schnell entwickeln, und im Prinzip sogar Zwischenstufen im Index überspringen. Der Einsatz von entsprechenden Techniken wurde in verschiedensten Zusammenhängen diskutiert und könnte auch für die Mobilität von Städten gelten.29
Gleichzeitig hat jede Stadt ihre eigenen Probleme und verbesserungswürdigen Bereiche, unabhängig von der Klassifizierung. In Abschnitt 2 wurde die Anwendbarkeit von Megatrends auf Wien beschrieben, in Abschnitt 2.3 die Bedeutung der „Migration“ als besondere Aufgabe für Wien. Die Übung mit den Testfahrgästen ergab einige spezifische Impulse für künftige Entwicklungsvorhaben.
In Wien wurde viel für ein stimmiges Gesamtkonzept für Entwicklungen, Investitionen und Schwerpunkte unternommen. Daher lohnt es sich, diesen Ansatz mit dem Konzept der Complete Mobility zu vergleichen, um Einblicke in das Wien der Zukunft zu erhalten.
Das Wiener Mobilitätskonzept heißt Smart Mobility.30 Es schöpft aus 5 Kernkomponenten: Nachhaltigkeit, Effektivität, Akzeptanz, Kooperation und Innovation; siehe Abbildung 15 unten.
Smart Mobility
Abbildung 15 – der Wiener Masterplan Verkehr: Intelligent Mobility
Das Konzept beinhaltet eine Reihe interessanter Überschneidungen mit dem Konzept der Complete Mobility (vgl. Tabelle 3 unten). Daraus geht hervor, dass es große Überschneidungen zwischen den beiden Konzepten gibt, die unserer Meinung nach Gutes für die Zukunft Wiens erwarten lassen. Ein Aspekt der Definition für Complete Mobility, die unserer Ansicht nach besonders nützlich ist, ist das Einbinden von verkehrsbezogenen Ergebnissen (effizient, nachhaltig und fahrgastorientiert), direkten Ergebnisse für den städtischen Raum (flexiblerer persönlicher Lifestyle, Umweltqualität, globale Wettbewerbsfähigkeit und Lebensqualität) sowie prozessbasierte Aspekte (Änderungsansätze, Ausgewogenheit und proaktives Management).
29 ICT‐bezogene Infrastrukturen (ICT = Information and Communications Technology; Informations‐ und Kommunikationstechnik) werden häufig als "Sprung‐Technologien" gesehen und bieten in der Tat ein großes Potenzial in bezug auf Transportverwaltung, Steuerung, Informationssystem und Zahlung. 30 Hieß bis vor Kurzem jedoch „Intelligent Mobility“.
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Anhand dieser Indikatoren konnten wir einen Index erarbeiten, der eine Gesamtmessgröße und Einblicke in die Entwicklung und Wege zu Veränderungen bereitstellt. Diese Informationen sind wichtig beim Führen von Verhandlungen, Entwickeln von Übereinstimmungen und Kompromissen und Definieren eines gemeinsamen „Endpunkts“. Zusammengenommen hauchen sie dem Konzept Leben ein und erhöhen seinen Nutzen.
Intelligent Mobility Complete Mobility
Nachhaltigkeit – in Bezug auf soziale Gerechtigkeit, zukunftsgerichtete Wirtschaftssysteme und nachhaltige Nutzung der natürlichen Umgebung
Bei Complete Mobility steht Nachhaltigkeit im Mittelpunkt aller erfolgreichen Mobilitätssysteme. Die gewünschten Ergebnisse sind u. a. höhere Umwelt‐ und Lebensqualität.
Effektivität – Mobilität, die Ressourcen schont, erfordert ein hohes Maß an konzeptioneller Vorstellung in der Organisationsphase
Complete Mobility trägt der Wichtigkeit von proaktivem Management bei Verkehrssystemen in ähnlicher Weise Rechnung wie der Wiener Effektivitätsaspekt. Das Schlüsselthema der Effizienz im Konzept der Complete Mobility ist ein weiterer übereinstimmender Punkt.
Akzeptanz – Vertrauen zwischen allen Beteiligten; das bedeutet Information, Kommunikation und Motivation als Voraussetzung für mehr Bewusstsein
Wir glauben, dass alle Nutzer von der Complete Mobility profitieren können sollen. Dazu muss zwischen den Fahrgästen und den Anbietern ein hohes Maß an Vertrauen bestehen; die Nutzer der Dienstleistung wissen die verkehrsbezogenen Dienste und Informationen zu schätzen.
Kooperation – Partnerschaft mit benachbarten Bezirken, den örtlichen Behörden, den ÖBB (Österreichischen Bundesbahnen), anderen Institutionen (länderüber‐greifend bzw. in den Nachbarländern) sowie Public Private Partnerships
Proaktives Management erfordert in der Regel intensive Kontrollbeziehungen. Ein nachhaltiges System erfordert Partnerschaften, die auf Konsens ausgelegt sind.
Innovation – Die Ziele Nachhaltigkeit, Effektivität, Akzeptanz und Kooperation können nur durch Innovation in Bezug auf Verfahren, Implementierung, Infrastruktur und Technik erreicht werden.
Obwohl der Punkt „Innovation“ in der Definition von Complete Mobility nicht explizit erwähnt wird, ist er automatisch im Konzept enthalten, da ohne Innovation Verbesserungen kaum möglich sind. Durch Beispiele für bewährte Verfahren in diesem Bericht können wir den Wissenstransfer unterstützen und verkehrsbezogene Innovationen fördern.
T
abelle 4 – Intelligent Mobility und Complete Mobility
8.2 Was kommt als Nächstes in Wien?
Dieser Bericht nennt die Stärken des Wiener Verkehrssystems. Es funktioniert kontinuierlich gut. Die hohe Passagierzahl und Kundenzufriedenheit bezeugen die Leistungsfähigkeit des Systems. Die Wiener Systeme (integrierte Planung und Eigentumsverhältnisse, Twin City Liner; Engagement der Fahrgäste; gemeinsam genutzter Raum und Entwicklung des "ITS Vienna Region") sind durchweg positiv zu bewerten und unterstützen die Konzepte der Complete Mobility. Diese Aspekte liefern eine gute Grundlage für die Zukunft des Wiener Verkehrswesens. Es wurden auch Bereiche ermittelt, in denen das System verbesserungswürdig ist. Die Stadt muss entsprechend auf die durch globale wie lokale Trends bedingten Mobilitätsbedürfnisse reagieren (vgl. Abschnitt 2). Das Konzept der Complete Mobility und der Index sind speziell darauf ausgelegt, Kontraste zu den vorherrschenden Systemen weltweit zu setzen und Einblicke in die gelebten Vorgehensweisen zu liefern. Diese Studie über Wien soll den Wissenstransfer fördern und andere Städte durch die gemeinsame Nutzung von Best Practices unterstützen.
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Die Übung mit den Testfahrgästen in Abschnitt 7.2 unterstreicht die Leistungsstärke des Wiener Verkehrssystems. Dies stimmt mit den allgemeinen Indexergebnissen und unserer Bewertung überein: Wiens Stärken resultieren aus den konsistenten, harmonischen und vollständig integrierten Verfahrensweisen und Projekten. Die Testfahrgäste fanden einige verbesserungswürdige Punkte, was durch die Leistungsanalyse im Index bestätigt wird. Die größte Schwachstelle im Wiener System (wenn man so sagen will – hier wird immer noch eine mehr als befriedigende Leistung erzielt) zeigt sich durch Indikatoren in Bezug auf die Bereitstellungskosten. Die Testfahrgäste fanden zudem heraus, dass das Umsteigen (vor allem in größeren Stationen) und Bezahlen von Fahrscheinen verbessert werden kann. Der Blick auf andere Städte lässt erkennen, wie sich die Effizienz und Ausrichtung auf den Fahrgast verbessern lässt. Im Folgenden werden zwei Beispiele für Best Practices nach dem Konzept der Complete Mobility beschrieben. Anschließend werden einige Empfehlungen für Wien ausgesprochen. Complete Mobility – Best Practice: Intercambiadores in Madrid Die Madrider Intercambiadores sind ein gutes Beispiel für Complete Mobility; hier wird allen Aspekten des Konzepts Rechnung getragen – Fahrgastorientierung, Effizienz und Nachhaltigkeit. In Madrid wachsen die Vororte, wie in so vielen Städten. Hochwertige Beförderungskorridore wurden geschaffen, die ein hohes Fahrzeug‐ und Passagieraufkommen in die Innenstadt bewältigen. Nach Feststellung der städtischen Behörden ist ein Schlüsselfaktor zur Reduzierung von Verkehrsstaus die Reduzierung der Anzahl von Fahrzeugen mit nur einer Person sowie des Busverkehrs ins Zentrum, wenn diese Busse nicht direkt die Innenstadt ansteuern. Das "speichenförmige" Muster des Pendler‐ und Lieferverkehrs, der morgens in die Stadt hinein und abends aus der Stadt heraus fließt, entwickelte sich zu einem im Tagesverlauf stetig ansteigenden Verkehrsstrom in allen Verkehrsnetzen. Deshalb haben die Madrider Behörden eine Reihe von Stationen an den Endpunkten der Beförderungskorridore zu ‘"Sammelplätzen" gemacht. Madrid verfügt jetzt über mehrere dieser so genannten ‘Intercambiadores' (verkehrsmittelübergreifende Umsteigestationen). Diese wurden im Zuge eines mehrjährigen Investitionsprogramms als Ergänzung zur allgemeinen Erweiterung von Metro (U‐Bahn), regionalen Zugstrecken und Fern‐ sowie Nahverkehrsbussen gebaut. Diese Umsteigestationen sind effektive Gateways zwischen regionalen und lokalen Verkehrssystemen. Sie bilden Kristallisationspunkte für die bauliche Erschließung und die Bildung von Gemeinden. Die ‘Intercambiadores' sollen attraktive ‘natürliche Bereiche' sein, die als verkehrsmittelübergreifende Drehscheiben sowie als Zielorte für den sozialen und wirtschaftlichen Austausch dienen. Der Bahnhof Atocha (Abbildung 16) hat zum Beispiel eine Promenade mit Geschäften, Cafés, einem Nachtklub und einem 4.000 m² großen überdachten tropischen Garten. Dazu kommt die Anbindung an Metro, Schnellzug, Regionalbahnen und Intercity‐ und Regionalbusse. In diesen Einrichtungen erhalten die Fahrgäste umfassende Informationen, die ihnen eine gute Orientierung erlauben. Im Zentrum dieser Bestrebungen stehen dabei Ausschilderungen und Informationen in Echtzeit. Dabei wird in Echtzeit angezeigt, wo sich welche Verkehrsmittel befinden. Das sorgt für zuverlässige, genaue und pünktliche Informationen zu Ankunfts‐ und Abfahrtzeiten und Ankunfts‐ und Abfahrtorten. Diese Umsteigestationen sind extrem gute, effiziente und fahrgastorientierte Gateways in die Innenstadt für einen nachhaltigen Pendelverkehr.
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Abbildung 16 – Bahnhof Atocha, Madrid
Complete Mobility – Best Practice: Flexible Smartcards Flexible Smartcards gelten ebenfalls als Vehikel der Complete Mobility. Sie unterstützen nicht nur das Konzept der Complete Mobility, sondern auch städtebezogene Funktionen und Dienste im weiteren Sinne. Sehr erfolgreiche Beispiele für auf Smartcards basierende Fahrkartensysteme weltweit sind die viel benutzten und anerkannten Karten der Städte Hongkong und London: die Hongkonger Octopus‐Karte und die Londoner Oyster‐Karte. Das Smart Ticketing selbst unterstützt zwar die Complete Mobility (durch reibungslosen Verkehr, effizienten Betrieb und fahrgastorientierte Dienste), aber eine echte Complete Mobility in der Stadt wird erst durch zusätzliche regionale und nationale Dienste erreicht, was neue Perspektiven für Kundenorientierung und lückenlose Möglichkeiten für das Leben im städtischen Raum eröffnet. Die flexible, kontaktlose Smartcard ‘EasyRider' im englischen Nottingham ist seit dem Jahr 2000 im Einsatz. Betreiber ist Nottingham City Transport (NCT). Mit der Smartcard kann der Reisende uneingeschränkt den Bus sowie die Straßenbahn nutzen, die von Nottingham Express Transit (NET) betrieben wird. Es stehen mehrere Optionen zur Verfügung, je nach Alter und Nutzungsverhalten der Reisenden. Außerdem gibt es verschiedene Zahlungsmöglichkeiten. So entsteht ein sehr fahrgastorientiertes System, das den Reisenden die für ihre individuellen Bedürfnisse nötige Flexibilität bietet. Später, genauer im Jahr 2007, brachte die Nottinghamer Stadtverwaltung eine neue Smartcard heraus, die so genannte ‘CityCard'. Diese sollte mehrere Anwendungen und Nutzungsmöglichkeiten in eine einzige Karte integrieren. Durch die zusätzlichen Funktionen werden die Vorteile derartiger, im Nahverkehr eingesetzter Smartcards weiter aufgewertet. Wie die bewährte EasyRider‐Karte können die Inhaber dieser Karte mit den NCT‐Bussen fahren. Das NET‐Straßenbahnsystem ist jedoch noch nicht in dieses System integriert. Die CityCard ermöglicht darüber hinaus den Zugang zu sowie Rabatte für Freizeiteinrichtungen, Bibliotheken und Einkaufs‐/Unterhaltungszentren in der Stadt. Außerdem werden weitere progressive Schritte zur Integration des Umweltaspekts unternommen: Es gibt für Karteninhaber ein Punktesystem als Zeichen dafür, wie man durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel statt des eigenen PKWs den CO2‐Ausstoß senken kann. Die CityCard gibt es für verschiedene Kundensegmente. Dadurch bleibt die Flexibilität des Systems gewahrt. Die Karte verspricht, ein nützliches Hilfsmittel für das Leben in Nottingham zu werden: Sie gewährt Zutritt, ermöglicht Zahlungen und bietet Anreize für das Leben in der Stadt Nottingham. Ein erfolgreiches Element der Karte war der Einsatz bei den Studenten in der Stadt. Der Campus der Nottingham‐Trent‐Universität liegt in der Innenstadt. Die Studierenden verwenden die Karte auch als Studentenkarte. So können sie problemlos Angebote
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der Stadt, wie z. B. die Karte zur Benutzung der Verkehrsmittel, herunterladen. Damit werden die Studenten vollständig in die Stadt eingebunden und können von Dienstleistern wie Stadtplanern als Zielgruppe angesprochen werden. Dies gilt auch für andere Städte in Großbritannien, allen voran Southampton. Flexible Smartcards liefern den Fahrgästen Anreize, ihr Verhalten zu ändern und davon zu profitieren. Und das ist einer der entscheidenden Faktoren des Ansatzes der Complete Mobility. Die CityCard ist noch in der Anfangsphase. Die zusätzliche Integration anderer Dienste und die Anbindung des NET‐Netzes machen die CityCard zu einem progressiven Beispiel, diese Technik zur Förderung der Complete Mobility für Fahrgäste verschiedenster Altersgruppen einzusetzen.
Abbildung 17 – CityCard in Nottingham
Abschließende Bemerkungen und Empfehlungen Am Anfang dieses Berichts befassten wir uns mit den wirtschaftlichen, demografischen und persönlichen Trends, die für Städte auf der ganzen Welt zu erwarten sind. Complete Mobility bietet den Städten eine Rahmenstruktur zur Errichtung von nachhaltigen und effizienten Verkehrssystemen, die auf den Fahrgast ausgerichtet sind und globalen Trends Rechnung tragen. Wien ist bereits gut für die Zukunft gerüstet. Das Transportsystem und die Stadtentwicklung sind gut entwickelt und basieren auf der so genannten Smart Mobility. In Wien werden bereits die Aspekte Nachhaltigkeit und Effektivität beim Stadtverkehr berücksichtigt. Der in Wien stattfindende 58. UITP‐Weltkongress im Juni 2009 ist eine ideale Gelegenheit, Wiens Verkehrssystem aus erster Hand zu erleben. Entscheidungsträger aus Städten auf der ganzen Welt können hier vom herausragenden Beispiel Wien lernen und einen Einblick in die von der Stadt umgesetzten Best‐Practice‐Initiativen im Bereich Mobilität gewinnen. Anhand unserer Analysen können wir sagen, dass Reisende in Wien ein Verkehrssystem der Extraklasse vorfinden werden: ein zugängliches und effizientes öffentliches Transportsystem, das hervorragend funktioniert und im allgemeinen einfach zu nutzen ist; eine lebendige Innenstadt, in der man die Rolle des Privat‐Pkw in der heutigen Gesellschaft anerkennt und es gleichzeitig versteht, der Verantwortung der Stadt den richtigen Stellenwert zu geben und ihren Bedarf zu managen. Dies ist eine Stadt, die ganz einfach „funktioniert“. Das große Plus der Complete Mobility: eine Rahmenstruktur zur Analyse des Verkehrsnetzes und dessen Entwicklung und Optimierung. Anhand unserer Analysen mit Hilfe dieses Rahmens unterbreiten wir für die Stadt folgende Vorschläge: Nutzungsstrategie für personalisierte „Smart Media“ Unserer Ansicht nach sollte die Stadt personalisierte Smart Media für den City‐Bereich einführen. Es sollte sich dabei nicht einfach um eine Smartcard für Fahrscheine oder sonstige Wertmarken handeln; das Anwendungsfeld sollte breiter gefächert sein, wobei Verkehrsanwendungen im Mittelpunkt stehen.
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ICT (Information and Communications Technology; Informations‐ und Kommunikationstechnik) ist eine echte Chance für den Schritt hin zur Complete Mobility. Personalisierte Smart Media können Smartcards, Handys, iPhones und andere benutzerspezifische Geräte sein. Das Angebot sollte Eintritts‐ und Fahrkarten, Zahlungsmöglichkeiten und spezielle Angebote und Anreize zur intensiveren Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln umfassen. Smart Media können auch betriebliche Daten in Bezug auf die Verwendung und Nachfrage liefern (obwohl dieser Vorteil im öffentlichen Personenverkehr häufig überbewertet wird). Smart Media werden unweigerlich immer billiger und populärer, und sie sind für jüngere Leute ein festes Lifestyle‐Element. Diese Generation verwendet erwartungsgemäß Smart Media, um das Leben bequemer zu gestalten (so war bei den Testfahrgästen „Google Maps“ das Hilfsmittel zur Planung der Touren). Wir glauben, dass mit Smart Media und Smartcards ein Großteil der Ziele der Complete Mobility realisiert werden kann. Das Beispiel der oben beschriebenen flexiblen Smartcards zeigt: Flexible Smartcards mit mehreren Anwendungen können bei der Verknüpfung von Diensten für die Bürger und auch den Dienstanbieter (einschließlich der Behörden) wichtig werden. Fahrkarten sind zwar eine der wichtigsten Anwendungen, aber nicht die einzige. Viele Servicebereiche entwickeln und führen eigene Smart Media ein – und diese können effektiv verknüpft werden. In Bezug auf die Londoner Smartcard „Oyster“ sind zwei Aspekte wichtig:
• Niedrigster Preis: Wer mit der Oyster Card reist, zahlt stets den niedrigsten Preis. Wer beispielsweise innerhalb eines Tages reist (wofür auch ein preiswerter Tagespass verfügbar wäre), bekommt auch den entsprechenden Preis berechnet. Dieses Tagespreisangebot sorgt dafür, dass das preiswerteste Ticket für die Fahrt ausgegeben wird (sofern der Fahrgast ein‐ und auscheckt). Die Fahrgäste müssen nicht mehr befürchten, den Geltungsbereich der Fahrkarte zu überschreiten, wie bei den Testfahrgästen zu beobachten war, und das Tarif‐Wirrwarr gehört endgültig der Vergangenheit an.
• Organisatorische Veränderungen: Die Oyster Card gilt bei Vielen als massive organisatorische Veränderung, die die Organisation des Londoner Transportsystems gebündelt und dem Service zu mehr Kundenorientiertheit verholfen hat. Das derzeitige Wiener System ist gut integriert. Durch Smart Media können jedoch neue verwaltungstechnische und betriebliche Ansätze und neue Services angeboten werden.
Die Einführung der Smartcard bedeutet wie gesagt nicht, dass sie auf das öffentliche Transportsystem beschränkt wird. Wenn es Anreize gibt, die Karte zu nutzen (z. B. das oben genannte Londoner Bestpreis‐Ticket oder Treuepunkt‐Aktionen für eingesparte CO2‐Emissionen), wird sie auch genutzt und bietet so Anreize für das Management des Bedarfs sowie Möglichkeiten zur Verbesserung der Kundenorientierung. Das Verkehrswesen in Wien wird von den Fahrgästen gut bewertet und akzeptiert. Das könnte zu der Annahme verleiten, dass keine Änderungen erforderlich sind, und selbst die Einführung von Smart Ticketing könnte ein Fehler sein. Unserer Meinung nach ist dies jedoch eher einer der Hauptgründe, der für die Einführung von Smartcards in Wien spricht. Das Verkehrssystem kann zur wichtigsten Anwendung für flexible Smartcards werden, in denen Angebote für die Bürger gebündelt werden. Gleichzeitig bieten sie zielgerichtete Services und Angebote für viele verschiedene Personengruppen in Wien – heute und morgen. Wir schlagen daher personalisierte Smart Media für die Nutzung von Angeboten in der Stadt vor, einschließlich einer Smartcard mit dem Schwerpunkt beim öffentlichen Personenverkehr.
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