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Zwischenbericht:
Studienaustauschprogramm an der Université de Montréal
Studienfach und -abschluss: Sport, Französisch (Lehramt an Gymnasien, GymPO)
Zielland: Kanada, Provinz Québec (französischsprachig)
Zeitraum des Aufenthalts: Akademisches Jahr 2016/2017
Universität: Université de Montréal
Identifikationscode: CA-2016-RC456-m
1) Wie waren Ankunft und die erste Woche in Ihrem Gastland? Gab es
Einführungsinformationen und waren diese hilfreich?
Ankunft in Montréal: Meine Einreise erfolgte über den Landweg, da ich vor meiner Ankunft Freunde
im US-Bundesstaat Maine besuchte. Mit allen Visumspapieren im Gepäck (Details hierzu siehe 3.)
dauerte die Ausstellung meines permis d’études am Grenzposten Stanstead (Vermont/ Québec) etwa
20 Minuten. Meine ersten Eindrücke von Québec waren die Hügel der Cantons de l’Est, die von der
untergehenden Augustsonne in ein warmes Licht getaucht wurden. Etwa zwanzig Minuten vor Ankunft
erhaschte ich einen ersten Blick auf die Stadt, in der ich die nächsten Monate leben würde: die im
Dunkel der Nacht hell funkelnden Wolkenkratzer von Downtown Montréal. Wenige Minuten später
fuhren wir über die Pont Champlain, von der aus sich die Stadt im Sankt-Lorenz-Strom spiegelte, und
landeten nach der Abfahrt von der Autobahn mitten im Stadtzentrum zwischen den gläsernen Türmen.
Das Haus meines Freundes, der mir für den Aufenthalt sein WG-Zimmer zwischenvermieten würde,
befand sich auf dem Plateau Mont-Royal zwischen dem Parc Jeanne Mance und dem Boulevard Saint-
Laurent und war dank des Karomusters der Straßen leicht zu finden. Bei meiner Ankunft in Montréal
in einer gemischten kanadisch-französischen 4er-WG anzukommen erleichterte mir die ersten Tage
sehr, da ich mich nicht mehr um eine Unterkunft kümmern musste und stattdessen Zeit und Energie
hatte, um die Formalitäten an der Université de Montréal (ab hier: UdeM) zu erledigen und meine neue
Umgebung zu erkunden.
Erste Woche an der UdeM: In der Woche vor Semesterbeginn (letzte Augustwoche) erledigte ich
innerhalb von drei Tagen alle Einschreibungsformalitäten an der UdeM. Da ich gleich nach meiner
Ankunft ein gebrauchtes Fahrrad über die Plattform kijiji (www.kijiji.ca) kaufte, dem kanadischen
Pendant zu ebay-Kleinanzeigen, brauchte ich nur 15 Minuten bis zur Uni und war auch auf dem Campus
mobil, von dessen einem Ende zum anderen man zu Fuß über eine halbe Stunde unterwegs ist. Das BEI
(bureau des étudiants internationaux) versendet in den Wochen vor Semesterbeginn eine Vielzahl von
hilfreichen Emails. Eine dieser Emails enthält die notwendigen Etappen für die Einschreibung und
Kursbelegung sowie einen Link zur Website, die selbige Informationen dauerhaft zur Verfügung stellt.
Ich folgte dem vorgeschlagenen Ablauf und traf überall freundliche und hilfreiche Mitarbeiter, sodass
ich die Formalitäten reibungslos hinter mich bringen konnte. Man muss viel Zeit mitbringen, da man
zwischen den Etappen ggf. von einem Ende des Campus zum anderen gehen muss, da die Büros und
Fakultäten weit verstreut liegen. Als erstes stellte ich mich im BEI im Pavillon J.-A.-DeSève vor (1) (siehe
Karte weiter unten), bevor ich mich zur Einschreibung in die Kurse ins Centre étudiant meiner Fakultät
ging, dem SAFIRE an der Faculté des arts et sciences im Pavillon Lionel-Groulx (2). Besonders bei der
Kurswahl darf man sich auf Wartezeiten von ein bis zwei Stunden einstellen. Zwei Tage nach der
Einschreibung in die Kurse konnte ich im Pavillon J.-A.-DeSève (1) meinen Studentenausweis abholen.
In der Zwischenzeit besuchte ich eine der empfohlenen Einführungsveranstaltungen, eine séance
d’accueil im Pavillon Jean-Brillant (3), die sich komplett mit der Email des BEI und der Website decken
und meiner Meinung nach hilfreich sein können, wenn man: a) Verständnisschwierigkeiten mit der
Website hat und persönliche Hilfe braucht, oder b) andere internationale Austauschstudenten
kennenlernen will. Wenn man alle Etappen hinter sich gebracht hat, muss man abschließend sein
Dossier im BEI vervollständigen und 324 $ CAN für die obligatorische Krankenversicherung von
Desjardins bezahlen (entweder online oder im Pavillon J.-A.-DeSève). Während der letzten
Augustwoche, der Semaine A, gibt es jede Menge Veranstaltungen, die von Studentengruppen
organisiert werden: Campus- und Bibliotheksführungen, Rallyes, Konferenzen, Aufführungen, usw.
Besonders interessant und lohnenswert fand ich die Veranstaltungen zur Begegnung mit den
autochtones bzw. first nations sowie die kostenlosen Filmvorführungen und Workshops, die bis in die
dritte Semesterwoche stattfinden.
Erste Woche in Montréal: Parallel zu den ersten Schritten an der Uni erkundete ich meine neue
Umgebung, das Plateau Mont Royal, ein Viertel, das viele Aspekte von Montréal vereint. Hier kann
man jeden Tag ein neues Café entdecken, abends das Bier einer der zahlreichen microbrasseries
probieren, zu Konzerten gehen, im Park den Spätsommer genießen, und und und… Nach meinem
Fahrradkauf wurde ich für einen Jahresbeitrag von 15 $ Mitglied in der Selbsthilfewerkstatt des collectif
santropol in der Rue Roy (http://santropolroulant.org/fr/quest-ce-que-le-roulant/des-
collectifs/santrovelo-2/). Weitere Selbsthilfewerkstätten findet man auf dem Plateau Mont Royal, im
Viertel Mile End sowie an den großen Universitäten. Während die Studentengruppen an der UdeM
nicht besonders aktiv zu sein scheinen, gibt es tolle Clubs der McGill-Studenten, die für jeden offen
sind. Ich schrieb mich für 25 $ Jahresbeitrag in den McGill Outdoors Club ein, der Aktivitäten
organisiert, ein Haus im eine Stunde nördlich von Montréal gelegenen Prévost besitzt und jede Menge
Material zu kleinen Preisen verleiht (http://www.mcgilloutdoorsclub.ca/). Für Tanzfreudige ist eine
Mitgliedschaft zu vergleichbaren Preisen beim den McGill Swing Kids interessant
(http://www.ssmu.mcgill.ca/msk/). (Für mehr Tipps siehe weiter unten.)
Ein gebührenfreies Bankkonto konnte ich bei Desjardins auf dem Boulevard Saint-Laurent eröffnen
(https://www.desjardins.com/index.jsp). Als Student erhält man eine carte débit, was der deutschen
EC-Bankkarte entspricht. Der relevé de compte, ein Pendant zum Kontoauszug, wird als
Wohnsitznachweis akzeptiert und ermöglicht die Eröffnung eines kostenlosen Kontos bei den
öffentlichen Bibliotheken der Stadt Montréal, die in jedem Viertel zu finden sind und einen super
Service sowie ein riesiges Sortiment bieten (http://bibliomontreal.com/). Bei Prepaid-Handyverträgen
sollte man genau auf die Konditionen achten, da teilweise eingehende Anrufe kostenpflichtig sein und
somit hohe Kosten entstehen können. Ein normaler Vertrag, der jederzeit kündbar ist, kostet um die
35-40 $ plus Steuern (siehe auch „Gewöhnungsbedürftiges“ unter 7.). Je nach Anbieter braucht man
unterschiedlich viele Dokumente: unkompliziert und schnell ging es bei mir in einer der Filialen von
fido (http://www.fido.ca/).
Auf dem Plateau findet man alle Arten von Einkaufsmöglichkeiten: große Supermärkte wie etwa
Provigo, Intermarché, Metro und PA bzw. PA Nature; kleine Supermärkte wie Sakaris oder Ségal auf
dem Boulevard Saint-Laurent; Wochenmärkte auf dem Marché Jean-Talon, an der Metrostation Mont-
Royal (http://www.marchespublics-mtl.com/) und vor dem Gebäude des collectif Santropol in der Rue
Roy (http://santropolroulant.org/fr/activites-et-services/marche-fermier/).
2) Hatten/Haben Sie einen Buddy?
Nein.
3) Hatten/Haben Sie Probleme? Konnten diese gelöst werden bzw. wussten/wissen Sie, an
wen Sie sich wenden können?
Visum: Grundsätzlich ist es kein Problem, den permis d’études für Kanada zu erhalten. Entgegen der
offiziellen Bearbeitungszeiten von drei Wochen für das CAQ (Certificat d’acceptation du Québec), das
man für den Visumsantrag benötigt, muss man meiner Erfahrung nach jedoch weit mehr Zeit
einplanen. Ich beantragte mein CAQ am 13.Juni 2016 und erhielt eine erste Antwort am 20.Juli 2016,
in der mir mitgeteilt wurde, dass elektronische Unterschriften nicht akzeptiert würden und ich ein
handschriftlich unterschriebenes Formblatt nachreichen sollte. Dies erledigt, erhielt ich mein CAQ am
9.August 2016. Damit konnte ich mein Visum am 11.August 2016 beantragen, das ich am 17. August
2016 erhielt.
Krankenversicherung: Da ich eine deutsche Auslandskrankenversicherung (AKV) für Kanada und die
USA abgeschlossen hatte, versuchte ich, mich von der obligatorischen Krankenversicherung der UdeM
bei Desjardins befreien zu lassen. Nach einer Prüfung durch das BEI wurde mir mitgeteilt, dass meine
deutsche AKV nicht akzeptiert würde. Somit musste ich 324 $ pro Trimester an der UdeM und rund
300 € für die deutsche AKV bei der AXA bezahlen.
Kurswahl: Auf der Website der UdeM findet man als Austauschstudent die Information, dass man
einen Kurs außerhalb des Programms belegen darf, in das man eingeschrieben ist. Ich war in das
interdisziplinäre Programm Mineure en arts et sciences eingeschrieben und versuchte aufgrund meiner
Fächerkombination in Deutschland (Sport und Französisch) einen Sport-Kurs an der Faculté de
Kinésiologie zu belegen. Dies war mit allerlei Schwierigkeiten verbunden, da mein zuständiges Centre
étudiant die Einschreibung nur nach Vorlage einer schriftlichen Erlaubnis der Lehrperson tätigen
wollte. Anschließend meldete sich das Centre étudiant derjenigen Fakultät, der mein Sportkurs
zugeordnet war, da ich nicht auf ihrer Liste der eingeschriebenen Studenten auftauchte. Nach einigem
Hin und Her zwischen den beiden Fakultäten und Weiterleiten der Erlaubnis konnte ich letztendlich an
dem Sportkurs teilnehmen.
Visum und Arbeitserlaubnis: Normalerweise hat man mit einem permis d’études eine Arbeitserlaubnis
für 20 Wochenstunden auf dem Campus der Gastuniversität (in manchen Fällen auch außerhalb des
Campus). Ein NAS (numéro d’assurance sociale = Sozialversicherungsnummer) erhält man bei Service
Canada in Downtown Montréal. Der Mitarbeiter dort konnte mir allerdings keine NAS ausstellen, da
auf meinem permis d’études unter dem Punkt conditions die nötige Information fehlte. Im BEI der
UdeM erfuhr ich, dass dies ein häufiges Problem der Austauschstudenten ist und man versuchen muss,
entweder eine schriftliche Bestätigung per Email von http://www.cic.gc.ca/ oder eine Modifikation des
Visums zu bekommen. Ersteres führte in meinem Fall zu wenig hilfreichen automatisierten Email-
Antworten. Zweites erfordert das Einsenden des Original-Dokuments mit Antrag auf Modifikation. Ich
schickte mein Visum am 28.Oktober 2016 an CIC ein. Am 29. Dezember 2016 erhielt ich es zurück.
4) Konnten Sie alle Formalitäten (Kurswahl, Wohnung, Versicherung etc.) klären?
Wohnung: Ein guter Freund, der aus Québec kommt und in Deutschland studiert hat, bot mir sein WG-
Zimmer zur Zwischenmiete für das Austauschjahr an, während er nach Europa verreiste. So hatte ich
bei meiner Ankunft ein großes, helles Zimmer und teilte Wohnzimmer, Küche und Bad mit drei anderen
Mitbewohnern. Die Lage auf dem Plateau Mont-Royal ist ideal, da ich mit dem Fahrrad 15-20 Minuten
zur UdeM brauche und alles andere direkt vor der Haustür ist. Die Miete in Höhe von 430 $ ist für das
Plateau relativ günstig. Das Plateau gehört neben Downtown Montréal zu den teureren
Wohngegenden, aber mit dem Wechselkurs von ca. 1 € zu 1,40 $ sind die Mietpreise ähnlich wie in
Freiburg bis ein bisschen günstiger.
Kurswahl: Die Kurse, die ich im Vorfeld notiert und im plan d’études angegeben hatte, konnte ich vor
Ort nicht alle belegen. Manche wurden im Herbst-Trimester 2016 nicht angeboten, andere waren zum
Zeitpunkt der Einschreibung bereits ausgebucht. Ich fand es schwierig zu entscheiden, welchen Kurs
ich an der UdeM belegen wollte, da es hier nur zu sehr wenigen Kursen eine Beschreibung mit Details
zu den Kursinhalten und Prüfungsanforderungen gibt. Zu manchen Kursen findet man Infoblätter von
vergangenen Semestern im pdf-Format, doch bei den meisten man sich mit dem Einzeiler der UdeM-
Website zufrieden geben. Man kann allerdings bis in die dritte Woche des Trimesters Kurse stornieren.
Deshalb kann es sinnvoll sein, ein bis zwei Kurse mehr als nötig zu belegen und in der ersten Woche
nach Besuch der ersten Veranstaltung eine Entscheidung zu treffen, wenn die Kursinhalte und
Formalitäten klar sind.
Versicherung: siehe oben bei 3.
5) Gab es etwas, was zu wissen im Vorfeld wichtig gewesen wäre?
Krankenversicherung: Im Vorfeld wurde mir von meiner Versicherung mitgeteilt, ich bräuchte
unbedingt eine AKV für Kanada und die USA. Das ist aufgrund des Gesundheitssystems der teuerste
Tarif für AKV. Zwar fand ich ein günstiges Angebot bei der AXA für rund 280 € für das Austauschjahr,
doch in Wirklichkeit kann man sich jegliche AKV von Deutschland aus sparen. Die UdeM erkennt die
deutsche AKV nämlich nicht an und man hier 324 $ pro Trimester zahlen. Wer also nicht doppelte
Ausgaben haben möchte, nimmt nur die obligatorische KV vor Ort.
6) Was war das Highlight Ihrer ersten Zeit?
Der erste Montag im September ist ein Feiertag, die fête de travail (labour day), so dass es ein
verlängertes Wochenende gibt. Meine Mitbewohner und ich mieteten von Freitag bis Montag ein
Auto, auf dem wir ab Québec (Ville) Kajaks transportierten und zum Fjord du Saguenay fuhren. Dieser
liegt an der Nordseite des Sankt-Lorenz-Stroms etwa vier Stunden nordöstlich von Québec (Ville) und
ist ein großer Nationalpark, in dem man wandern und Kajak fahren kann. Bei den Québécois ist der
Fjord bekannt als einer der besten und schönsten Orte zum Wale beobachten. Am Samstagmorgen
paddelten wir mit vollbepackten Seekajaks von L’Anse Saint-Jean los – hinein in ein dreitägiges Wildnis-
Abenteuer. Wir hatten zwei Nächte auf Zeltplätzen im Fjord reserviert, die lediglich aus ein paar
Holzplattformen im Wald, einem Plumpsklo und einem Bach zum Abkochen von Trinkwasser
bestanden. Die Landschaft ist atemberaubend und machte durch ihre Naturbelassenheit und Weite
einen großen Eindruck auf mich. Am zweiten Tag sahen wir zum ersten Mal in unserem Leben Beluga-
Wale. Sie zogen mit der hereinkommenden Flut den Saguenay-Fluss hinauf, um in einer der großen
Buchten auf Futtersuche zu gehen und später wieder der Ebbe zu folgen. An unserem dritten und
letzten Tag sahen wir nicht nur die Belugas wieder, sondern auch einen Finnwal, der neugierig zu sein
schien und uns immer näher kam, während er beim Auftauchen Drehungen zeigte als wolle er
Kunststücke vorführen und sehen, wer sein Publikum war.
Morgennebel über dem Saguenay
Der junge Finnwal taucht um unsere Kajaks herum auf
7) Was finden Sie ‚gewöhnungsbedürftig‘, fremd, anders als in Deutschland?
Steuern: Was eine große Umstellung im Alltag für mich war, ist der Unterschied zwischen etikettierten
tatsächlichen Preisen. In Deutschland zahlt man den Preis den man sieht. In Kanada sind bei den
meisten Preisen noch keine Steuern enthalten. Diese werden erst beim Bezahlen dazugerechnet.
Ausgenommen davon sind nur Lebensmittel im Supermarkt.
Trinkgeld: In Deutschland und den meisten europäischen Ländern bin ich es gewohnt, rund 15 %
Trinkgeld in Restaurants, Bars und Cafés zu geben – als Student je nach Finanzlage auch mal ein
Bisschen weniger. Wer schon einmal in den USA war, kennt die amerikanischen Trinkgeldpraxen, die
der Abwesenheit von angemessener Bezahlung in der Gastronomie geschuldet sind. In Québec gibt es
zwar mehr Lohn fürs Personal, aber verschiedene Möglichkeiten Trinkgeld zu geben. Als Orientierung
gelten hier 15 %. Wenn man mit Karte zahlt, kann man entweder einen Betrag oder eine Prozentzahl
fürs Trinkgeld angeben. Zahlt man in bar, lässt man anschließend etwas im Glas auf dem Tresen.
Wovon ich absolut abrate: Rechnung erhalten, Betrag X sehen, Betrag (X + Trinkgeld) sagen wie man
das in Deutschland zu tun pflegt, und dann Zahlungsmittel überreichen. Das hat in meinem Fall zu sehr
viel Verwirrung mit dem Personal geführt und wurde hier von noch niemandem verstanden…
Fahrradfahren: Montréal ist für nordamerikanische Verhältnisse eine super Stadt zum Radeln. Es gibt
einige von der Fahrbahn getrennte Radwege, zahlreiche Radspuren und jede Menge kleine Straßen,
auf denen kaum Verkehr ist. Zudem laden die Uferradwege entlang des Sankt-Lorenz-Stroms im Süden
und der Rivière des Prairies im Norden sowie der Canal Lachine zu Radtouren ein. Fahrräder gibt’s
gebraucht am besten über kijiji (www.kijiji.ca), in Radläden oder für Gelegenheitsradler eines der
öffentlichen Leih-bixis (https://montreal.bixi.com/). Viele Leute von hier, die selbst kein Fahrrad
fahren, meinten zu mir, dass es hier gefährlich sei. Ich bin nicht dieser Meinung. Allerdings darf man
nicht mit einer deutschen oder gar Freiburger Mentalität aus Rad steigen und denken, dass jeder
Autofahrer hier freundlich den Hut vor den Drahteseln zieht. Während in Deutschland die Autofahrer
den Schulterblick in der Fahrschule lernen, schule ich in Montréal das wachsame Auge beim
Überqueren von Kreuzungen. Immer. Hier darf ich nicht erwarten, dass die Autofahrer beim Abbiegen
an Radfahrer denken und sich umschauen.
Miete bezahlen: Während ich in Deutschland bislang meine Miete ausschließlich per Überweisung
bzw. Dauerauftrag bezahlt habe, gibt es hier weit mehr Möglichkeiten. Manche Vermieter (oder
Mitbewohner mit Mietvertrag) nehmen Bargeld an, man kann Email-Überweisungen tätigen, wenn
man Vertrauen ins Netz hat, oder einfach das Geld bei der Bank bar auf das Konto des Empfängers
einzahlen.
8) Beschreiben Sie bitte kurz den Ablauf eines typischen Wochentages. Bitte senden Sie uns
eine Kopie Ihres Stundenplans und erläutern Sie kurz die Unterschiede zu Ihrem
Stundenplan an der Universität Freiburg. Wie wird Ihr Wochenplan für das 2. Semester
aussehen?
Typischer Wochentag: Montags stehe ich gegen viertel nach sieben auf, frühstücke, mache mir ein
Mittagsessen für die Uni und schwinge mich um zehn nach acht auf mein Rad. Zwanzig Minuten später
sitze ich in meinem ersten Kurs im Pavillon Jean-Brillant. In der Pause gegen zehn Uhr vertrete ich mir
in den Gängen die Beine oder trinke manchmal einen Kaffee. Nach Ende des Kurses um halb zwölf gehe
ich mit einem Kommilitonen zu Mittagessen und gemeinsamer Pause ins Café Anthropo (siehe weiter
unten) oder (bis Mitte Oktober) raus in die Sonne. Von eins bis vier sitze ich im nächsten Kurs. Nach
einer kurzen Fahrradfahrt zum anderen Ende des Campus erwartet mich der dritte und letzte Kurs
meines Tages im Pavillon Marie-Victorin. Um halb acht rollt mein Fahrrad mich den Hügel hinunter
aufs Plateau und ich freue mich aufs Abendessen und Entspannen… Dienstags stehe ich morgens auf,
frühstücke und lese entweder daheim oder in der Bibliothek des CEPSUM (Unisportzentrum) Texte für
meine Theorieseminare. Gegen Mittag esse ich eine Kleinigkeit und gehe von eins bis vier in mein
sportpraktisches Seminar im CEPSUM. Im Anschluss bleibe ich mit Kommilitonen häufig am CEPSUM
und wir spielen noch eine Stunde lang spikeball; bis Mitte Oktober gehe ich alternativ manchmal nach
dem Kurs mit anderen Freunden in den Parc La Fontaine zum Musikmachen. Zurück daheim esse ich
etwas und gehe von acht bis neun zum Schwimmen ins YMCA du Parc, das fünf Minuten mit dem Rad
entfernt ist.
Tagesplanung an der UdeM: Wenn man einen Kurs morgens um 8:30 hat und den nächsten um 13 Uhr,
ist reichlich Zeit für eine ausgedehnte Mittagspause. Selbstzubereitetes Mittagsessen kann man in den
frei zur Verfügung stehenden Mikrowellen oder Sandwichtoastern aufwärmen. Die „Mensa“ hier ist
teuer und hat wenig Auswahl. Dafür gibt’s an den Fakultäten Studentencafés mit günstigen Preisen.
Geheimtipp: Kaffee für 75 ct $ im Café der Anthropologen (3. Stock im Pavillon Lionel-Groulx) oder
Riesen-Schoko-Brownie im CaféKiné (Eingangsbereich des CEPSUM Unisportzentrums)!
Stundenplan Trimestre d’Automne 2016: Im Herbsttrimester 2016 musste ich bei der Kurswahl einige
spontane Änderungen vornehmen. Statt eines Kurses am Donnerstag kam ein dritter Kurs am
Montagnachmittag dazu. Dies erwies sich nach einigen Wochen als keine besonders angenehme
Situation, da die dreistündigen Kurse an der UdeM sehr viel Aufmerksamkeit erforderten und der Kurs
von 16:30 bis 19:30 Uhr dadurch sehr anstrengend war. Die drei Kurse, die ich montags besuchte,
waren reine Theorieseminare mit unterschiedlicher Größe (zwischen 8 und ca. 70 Studenten je nach
Seminar). Die Seminare wurden unterrichtsmethodisch überwiegend frontal gehalten – die Lehrperson
hält drei Stunden Vortrag, stellt ab und zu mal eine Frage an die Studenten und es gibt eine
zehnminütige Halbzeitpause. Für mich war das (und ist immer noch) sehr anstrengend und nach zwei
Stunden Zuhören bin ich nicht mehr besonders aufnahmefähig. Das zweimal in Folge ist eine
Herausforderung und dreimal hintereinander keinesfalls zu empfehlen…
Kurstypen: Die meisten Seminare im 1er cycle sind sehr theoretisch, wofür die UdeM nach Aussage
von einheimischen Freunden und Mitstudenten bei den Québécois bekannt zu sein scheint. Die Kurs-
Charakteristika sind Vortrag durch die Lehrperson, Präsentation durch Studenten(gruppen), Lektüre.
Prüfungen gibt es mehrere pro Kurs pro Trimester und Hausarbeiten, Essays und Co sind innerhalb der
Vorlesungszeit zu verfassen und einzureichen. Der Arbeitsaufwand pro Kurs ist deutlich höher als in
Deutschland – deshalb die Belegung von vier, maximal fünf Kursen. Mein sportpraktischer Kurs an der
Faculté de kinésiologie war ähnlich wie die praktischen Kurse am Sportinstitut in Freiburg organisiert
und für mich sehr wertvoll. Manche Theoriekurse mit „pratiques“ im Titel sind eine Mischung aus
Theorie und Praxis und meiner Meinung sehr empfehlenswert, da abwechslungsreicher als reine
Theorieseminare.
Wochenplan Trimestre d‘Automne 2016
Wochenplan für das Trimestre d’Hiver 2017: Für das zweite Trimester habe ich mir vorgenommen,
nicht mehr als zwei Kurse pro Tag zu belegen. Meine vier Kurse sind somit folgendermaßen verteilt.
Wochenplan Trimestre d’Hiver 2017
9) Erzählen Sie uns von einem tollen und/oder prägenden Erlebnis (z.B. Fest, Uni-Leben,
Essen, Sport etc.)
Nach etwas mildem Wetter über die Feiertage sind die Temperaturen in Montreal wieder unter die
Nullgradgrenze gesunken. Der Schnee aus der Vorweihnachtszeit ist von den Straßen verschwunden
– abtransportiert durch das städtische Schneeräumkommando oder durch die Sonnenstrahlen der
vergangenen Tage geschmolzen. Nur in den Parks hat sich eine harschige weiße Schicht gehalten. Für
die nächsten Tage ist jedoch neuer Schneefall gemeldet.
Am nächsten Morgen schneit es dicke Flocken. Ohne Pause. Innerhalb kurzer Zeit ist alles weiß,
Gehwege und Straßen mit Watte überzogen, geparkte Autos werden ausgebuddelt, das Tageslicht
nimmt einen neuen Farbton an. Ich leihe die Schlittschuhe meines Mitbewohners aus und spaziere in
den Parc La Fontaine, um zu sehen, ob der Teich bereits gefroren ist. Es ist gegen Mittag und
mittlerweile dürften so um die zwanzig Zentimeter Schnee gefallen sein. Der Lärm der Großstadt
wird mehr und mehr gedämpft. Am Teich angekommen sehe ich Menschen im Schnee Schlittschuh
laufen. Ein Absperrband trennt eine Hälfte der Eisfläche von der Anderen, wo drei Raupen fleißig
dabei sind den durchgehend fallenden Schnee zu räumen. Im Gebäude neben dem Teich gibt es
Bänke, Schließfächer und einen Schlittschuhverleih. Für diejenigen mit eigenem Material ist das alles
einfach da, kostenlos… Ich ziehe mich um, lasse meine Schuhe in einem der Fächer und stakse hinaus
ins Schneetreiben. Das Eis ist aalglatt und lässt sich wunderbar befahren. Wenn ich schneller laufe,
stäubt der frische Pulverschnee von meinen Schlittschuhen weg. Ein Bisschen später kommen ein
paar Freunde aus der Uni dazu. Die Schneeraupen wechseln die Teichseite und nun ist eine noch viel
größere Fläche befahrbar. Ich bin seit Jahren nicht mehr so Schlittschuh gelaufen und kann mich
nicht einmal erinnern in welchem Jahr ich zuletzt auf einem zugefrorenen See in Deutschland war.
Die Erinnerungen daran erscheinen mir wie Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit. Ist das der
Klimawandel? Während wir versuchen, rückwärts zu laufen, Fangen spielen und Wettrennen
machen, schneit und schneit es weiter. Erneuter Seitenwechsel. Die Raupenfahrer machen einen
prima Job. Nach zwei, drei Stunden sind unsere Beine müde. Auf dem Heimweg ist der Schnee fast
knietief. Hier gibt es ihn, den Traumwinter, für Leute wie mich!
10) Bitte vervollständigen Sie folgenden Satz: „Am meisten vermisse ich ….“
… in 15-20 Minuten Fahrradfahrt aus der Stadt heraus zu sein.
… offene Landschaft, Feld- und Waldwege ohne „no trespassing“- bzw. „Propriété privé“-Schilder.
… Döner vegan mit Falafel, Vollkornbrot, Mensen mit Freunden und Thermalbäder.
11) Gibt es andere Dinge, die Sie gern berichten möchten?
Sport treiben: So günstige Sportangebote für Studierende wie im Hochschulsport in Freiburg gibt es
an der UdeM nicht. Mit dem Studierendenausweis kann man am CEPSUM zu den Öffnungszeiten
kostenlos das große Sportschwimmbad nutzen, Material und die anderen Sportstätten stundenweise
mieten. Sportkurse und -gruppen sind verhältnismäßig teuer. Für Ausflüge in die Natur bietet sich
eine Mitgliedschaft beim MOC (McGill Outdoors Club, siehe 1.) an. Ein meiner Meinung nach super
Preis-Leistungs-Verhältnis bieten die YMCA du Québec, von denen es mehrere in Montréal gibt
(http://www.ymcaquebec.org/fr/Accueil). Studenten zahlen hier 35 $ pro Monat und es gibt ein
riesiges Angebot an Fitness-, Sport- und Gesundheitsangeboten.
Anschaffungen: Wenn ich Kleidung, Bücher, Hausrat oder Anderes brauche, ist die erste Adresse für
Gebrauchtes der Laden Chainon auf dem Boulevard Saint-Laurent, wo es so gut wie alles für ganz
wenig Geld gibt (http://lechainon.org/fr/magasin). Einen Besuch wert und genial für die Suche nach
Halloween-Kostümen ist der hippe Second-Hand-Laden Éva B ebenfalls auf Saint-Laurent
(http://www.eva-b.ca/).
Savoir vivre: Im Café Dépanneur (Rue Bernard) spielen stündlich andere Musiker und Bands. Jeden
Tag bis fünf Uhr nachmittags. Spitzenkaffee und leckeres Gebäck.
Wir freuen uns immer über Fotos!
Ausflugstipp: Mit dem Commuter nach St-Jêrôme und Fahrradtour entlang des Petit Train du Nord
Bei La Maison des Cyclistes (Rue Rachel) gibt’s alle Infos zum Radeln in Montreal und leckeren Kaffee im Café Marius
Herbsttunnel im Parc La Fontaine
Vélo d’hiver : gut einpacken, Stollenreifen, und los geht’s!
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