anamnestische ergebnisse bei mammacarcinomen mit besonderer berücksichtigung ihrer bedeutung für...

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Anamnestische Ergebnisse bei ~Iammaearcinomen mit be- sonderer Beriieksichtigung ihrer Bedeutung fiir die Therapie. Von Dr. Albert Simons. (Aus der Bestrahlungsabteilung [Leiter: Priv.-Doz. Dr. Italberstaedter] des Uni- versit~tsinstituts fiir Krebsforschung an der Charit6 zu Berlin [Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. Ferdinand Blumenthal].) (Eingegangen am, 3. t4pril 1922.) Bei don b6sartigen Geschwiilsten bildcn Sitz und Ausdehnung des primgren Tumors sowie das Vorhandcnsein you Metastasen in den region~ren Lymphdriisenbezirken oder in entfernteren Organen die bci der Prognosestellung und beim therapeutischen Vorgehen hauptsaeh- lich zu berficksichtigenden Faktoren. Der sich mit der Geschwulst- behandlung beschMtigende Arzt muft sich stets dar~ber im klaren sein, dal] er selbst bei genauester klinischer Untersuchung unter An- wendung aller heute zur Verffigung stehender diagnostischer Hilfsmittel niemals in der Lage ist, ein vollkommenes Bild fiber die wirkliche Aus- dehnung eines primdiren Geschwulstherdes zu gewinnen oder auf Grund des klinischen Untersuchungsbefundes eine bcreits erfolgte Ansiedlung yon Geschwulstzellen im region/~ren Lymphdriisenbezirk oder in ent- fernteren Organen mit Sicherheit auszuschliegen. Dieser Umstand erh~lt um so gr6f]ere Bedeutung, als die gegenw/irtigen Hauptwaffen im Kampfe gegen die b6sartigen Gesehwiilste, das chirurgische Vor- gehen und die Strahlentherapie, /ast immer nut eine lokale Beseitigung der in Angri// genommenen Krankheitsherde bewirken. Dazu kommt noch, daIt fiber die Art und Weise dos therapeutischen Vorgehens keine einheitliehen Ansehauungen herrschen, sondern hiiufig ver- sehiedene Ansichten schroff gegenfiberstehen. Das ist besonders beim Mammacareinom der Fall. Stets hat sich der Arzt, der eine bestimmte Behandlungsart bei einem Geschwt~lstkranken zur Anwendung bringt, zu vergegenwi~rtigen, dab ein MiBerfolg auf das Sehuldkonto der be- treffenden Methode gebueht wird und diese in Mif~kredit bringen kann. So hat der Gesehwulsttberapeut ira Interesse der Kranken und in seinem eigenen Interesse die Pfiicht, aile Hilfsmittel heranzuziehen, die eine geeignete Auswahl der F~lle fiir die jeweils in Anwendung zu bringende ~Behandlungsart ermbglichen. Zu diesen geh6ren neben dem klinischen Be/unde vor allem die anamnestisahen Ergebnisse. Aus vorstehenden Erwhgungen heraus folgte ich gern einer An- regung des Herrn Geheimrat Prof. Dr. _Ferd. Blumenthal, den anamne-

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Anamnestische Ergebnisse bei ~Iammaearcinomen mit be- sonderer Beriieksichtigung ihrer Bedeutung fiir die Therapie.

Von

Dr. Albert Simons.

(Aus der Bestrahlungsabteilung [Leiter: Priv.-Doz. Dr. Italberstaedter] des Uni- versit~tsinstituts fiir Krebsforschung an der Charit6 zu Berlin [Direktor: Geh.-Rat

Prof. Dr. Ferdinand Blumenthal].)

(Eingegangen am, 3. t4pril 1922.)

Bei don b6sartigen Geschwiilsten bildcn Sitz und Ausdehnung des primgren Tumors sowie das Vorhandcnsein you Metastasen in den region~ren Lymphdriisenbezirken oder in entfernteren Organen die bci der Prognosestellung und beim therapeutischen Vorgehen hauptsaeh- lich zu berficksichtigenden Faktoren. Der sich mit der Geschwulst- behandlung beschMtigende Arzt muft sich stets dar~ber im klaren sein, dal] er selbst bei genauester klinischer Untersuchung unter An- wendung aller heute zur Verffigung stehender diagnostischer Hilfsmittel niemals in der Lage ist, ein vollkommenes Bild fiber die wirkliche Aus- dehnung eines primdiren Geschwulstherdes zu gewinnen oder auf Grund des klinischen Untersuchungsbefundes eine bcreits erfolgte Ansiedlung yon Geschwulstzellen im region/~ren Lymphdriisenbezirk oder in ent- fernteren Organen mit Sicherheit auszuschliegen. Dieser Umstand erh~lt um so gr6f]ere Bedeutung, als die gegenw/irtigen Hauptwaffen im Kampfe gegen die b6sartigen Gesehwiilste, das chirurgische Vor- gehen und die Strahlentherapie, /ast immer nut eine lokale Beseitigung der in Angri// genommenen Krankheitsherde bewirken. Dazu kommt noch, daIt fiber die Art und Weise dos therapeutischen Vorgehens keine einheitliehen Ansehauungen herrschen, sondern hiiufig ver- sehiedene Ansichten schroff gegenfiberstehen. Das ist besonders beim Mammacareinom der Fall. Stets hat sich der Arzt, der eine bestimmte Behandlungsart bei einem Geschwt~lstkranken zur Anwendung bringt, zu vergegenwi~rtigen, dab ein MiBerfolg auf das Sehuldkonto der be- treffenden Methode gebueht wird und diese in Mif~kredit bringen kann. So hat der Gesehwulsttberapeut ira Interesse der Kranken und in seinem eigenen Interesse die Pfiicht, aile Hilfsmittel heranzuziehen, die eine geeignete Auswahl der F~lle fiir die jeweils in Anwendung zu bringende ~Behandlungsart ermbglichen. Zu diesen geh6ren neben dem klinischen Be/unde vor allem die anamnestisahen Ergebnisse.

Aus vorstehenden Erwhgungen heraus folgte ich gern einer An- regung des Herrn Geheimrat Prof. Dr. _Ferd. Blumenthal, den anamne-

A. Simons: Anamnestische Ergebnisso bei Mammacarcinomen usw. 57

s t i schen E r h e b u n g e n bei M a m m a c a r c i n o m e n besonderes In te resse zu- zuwenden. Als Ausgangsma te r i a l ffir meine Un te r suchungen d ien ten mi r die Krankengesch i ch t en der in den le tz ten 21/2 J ah ren , das s ind die J a h r e 1919, 1920 und die ers te Ha l f t e des J ah re s 1921, in unserem I n s t i t u t e un t e r such t en u n d behande l t en Mammacarc inome , deren Zahl sich auf fiber 300 belauf t . Von diesen liel~ ich zunachs t d ie jenigen unberf icks icht ig t , bei denen der kl inische Befund oder de r wei tere K r a n k h e i t s v e r l a u f nich~ mi t Sicherheit auf C a r c i n o m schliel3en lieBen, oder deren anamnes t i sche A n g a b e n ungenf igend waren, s o dab 235 v e r w e r t b a r e Fa l le i ibI~gblieben. U n t e r diesen 235 Fa l l en yon Mamma- carc inomen bef inden sich 4 MCinner (~- 1,7~ und 231 Frauen. Die K r a n k e n ver te i lcn sich auf die e inzelnen J ah re , wie fo lg t :

Tabelle L

Insgesamt

Jahr Zahl der Fmuen Zahl der Manner

1. Halbjahr 1921 6I 0 1920 72 1 1919 98 3

231 4

I n der nachs tehenden Tabel le I I s ind bei der Fes t s t e l lung des Lebens- alters die A n g a b e n der P a t i e n t e n fiber den K r a n k h e i t s b e g i n n zugrunde gelegt. Diese D a t e n k6nnen ke inen Anspruch auf Genau igke i t machen , s ind jedoch, da ihnen ira grol~en ganzen derse lbe Feh le r zugrunde liegt, zu vcrg le ichender Nebene inande r s t e l l ung zu verwenden , um das Ver- ha l tn i s der Ca rc inomerk rankung zu den versch iedenen S tu fen des Lebcnsa l t e r s zu beleuchten . D a in der Mehrzahl der Fa l l e die E rk ra n - kung ers t in vorger f ick te rem S t a d i u m b e m e r k t wurde, so s ind die Zahlen bezfiglich des Al t e r s eher zu hoch als zu t ier angese tz t . H ie rau f soll spa re r nochmals zur f i ckgekommen werden.

Tabelle II.

AlGer Jah r Jahr 1. Halbjahr 1919 1920 1 9 2 1 Insgesamt %

1 1 1 3 1,3 14 9 5 28 11,9 18 1 0 7 35 14,9 ~ /

27,7 13 11 6 30 12,8 i" 8 (]) 16 (1) 14 40 17,0 / ~

22 (1) 9 8 40 17,0 )" w 20 13 18 51 21,7

2 (1) 3 2 8 3,4 Insgesamt I 98 (3) 72 (1) 61 235 100%

Die cingeklammerten Zahlen bezeichnen die m~nnliehen Kranken.

Unter 30 Jahren 30--40 Jahre 40---45 ,, 45~50 ,, 50--55 ,, 55--60 ,, 60~70 ~ber 70 Jahre

58 A. Simons: Anamnestische Ergebnisse bei Mammaearcinomen

Die in der Literatur haufig wiederkehrende Bemerkung, dal] Frauen, die nicht gestillt, und besonder s solehe, die nicht geboren haben, vorzugs- weise von Brustkrebs befallen werden, hat reich zur Aufstellung yon Tabelle I I I veranlal~t.

TabeUe I l L

I ~ 1. s , , l b - . ~ - I Jahr J Jahr I . . ins- o,

_ _ '1919 1920 ~':',~ gesamt /o

F r a u e n , d i e g e b o r e n b a b e n . . . . . . 66 50 46 162 70,1 K i n d e r l o s v e r h e i r a t e t e F r a u e n . . . . 12 6 7 25 10,8 U n v c r h c i r a t c t e F r a u e n . . . . . . . . 20 16 8 44 19,1

I n s g e s a m t 98 i 72 61 [ 231 100~

Demnach ergeben sich bei unsercn Kranken folgende Zahlenver- hSltnisse :

1. Die Zahl der verheirateten Frauen verhhlt sich zu der der un- verheirateten wie 4 : 1.

2. Die Zahl der verheirateten Frauen, die geboren haben, verhi~lt sich zu der Zahl der kinderlos verheirateten Frauen wie 7 : 1.

3. Die Zahl der Frauen, die geboren haben, verh~tlt sich zur Zahl der Frauen, die nicht geboren haben, uric 2,3 : 1.

Hieraus geht hervor, daft die unverheiratete t 'rau relativ hdu/iger yore Brustkrebs be/allen wird als die verheiratete (nach Strauss ist im all- gemeinen das ZahlenverhMtnis zwischen verheirateten und unver- heirateten Frauen wie 5 :1) . Ebenso spricht diese Statistik zuungunsten der welblichen Kranken, die nieht gebore~( haben. (Es ist hier allerdings der normale Prozentsatz der sterilen Ehen mit in Anrechnung zu bringen.) Wie die Stillverh~ltnisse bei den 70% der Fraucn, die eins odcr mehrere Kinder geboren haben, lagen, kann leider den vorliegenden Kranken- blattaufzeichnungen nicht entnommen werden. Stichproben ergaben, da[~ ein gr61~erer Teil diescr Fraucn nicht gestillt hattc. Demnach wiirde, unter Zugrundelegung der vorstehenden Zahlen, die Statistik /iir die nicht zum Stillen e~nes Kindes gekommeneu weiblichen Brustkrebskranken besonders ungis sein.

Die Tatsache, da~ das Carcinom vorzugsweise in dem Lebens- abschnit t aufzutreten pflegt, in dam die Ovarialtdtigkeit der Frau am ErlSsehen oder bereits erloschen ist, hat dazu gefiihrt, da~ von vielen Seiten der Aus/all der Ovulation mit der Ents tehung des Krebses in Zusammenhang gebracht wurde, und es ist wiederholt die ver- stdrkte oder abgeschw~ichte Funktion der Geschlechtsdriisen als Erkli~rung fiir die Ents tehung yon Krebs herangezogen w orden. Wi~hrend, wie schon erwi~hnt, meist das ErlSschen oder die Abschw~ehung der spezi- fischen Keimdrfisenti~tigkeit mit der Careinomentstehung in Zusammen-

mit bes0nderer ]3ertleksichtigung ihrer Bedeutung ftir die Therapie- 59

hang gebraeht wurde, wie~ Beatson 1896 darauf hin, daft eine vermehrte Keimdriisentatigkeit auf das Ca-Wachstum fSrdernd wirken soll. I m gleiehen Sinne 5ul3erten sieh Kahen und Hans Meyer. Von diesen Autoren wird bei Mammaearcinom die Ausschaltung der Ovarialfunktion zur Unterstfi tzung der Therapie vorgesehlagen. Nach Joannovics blieb das Wachsturn von Impfcareinomen im Tierversueh urn 1/5 zuriick, wenn die Tiere kastriert wurden. Ich habe nun versucht, in den ana- mnestischen Angaben Tatsachen ausfindig zu machen, die auf St6rungen der Ovarial/u~Jctio~ beim Mammacarci~wm hindeuten. Als Ausdruck einer gestSrten Eierstocksfunktion werden im allgemeinen anormale Menstruationsverhdltnisse angesehen. Die nichtmenstruierende Frau li~ftt das Fehlcn der Ovulation und der mit dicser vcrkniipften Bildung des Corpus luteum erkennen, also den Ausfall einer wichtigen Funktion des Ovariums. In nachstehender Tabelle IV habe ich die Kranken unter 50 Jahren angefiihrt, bei denen die anamnestisehen Aufzeieh- nungeu in den Krankenbli~ttern oder nachtriiglieh angestellte Nach- forsehungen ergaben, daft sic bei Beginn der Behandlung in unserem Ins t i tu t oder zu der Zeit, wo sie wegen Mammacareinoms bereits chirur- gisch in anderen Kliniken behandelt wurden, noch menstruierten. DaB dieser Zei tpunkt ~ach dern eigentlichen Beginn der Erkrankung liegt, ergibt sich hieraus ohne weiteres, und spi~ter wird noeh gezeigt werden, dal3 oft eine geraume Weile zwischen dem Krankheitsbeginn und dem Beginn der i~rztlichen Behandlung lag.

Tabelle IV.

Alter C.esamtzahl Mens t rua t ion dcr F~tlle ;gestell t bei %

Unter 30 Jahren . . . 3 30--40 Jahrc . . . . 28 40---45 . . . . . . . I 35 4,5--50 . . . . . . I 30

Insgesamt [ 96

2 21 24 l0 57

66,7 75,0 68,6 33,3 59,4

Diese Tabelle ergibt, aber durchaus kein genaues Bild der in Wirk- lichkeit vorliegenden Verhaltnisse. Es konnten ni~mlich in dieser Zu- sammenstellung nur diejenigen Fi~lle berticksichtigt werden, bei denen die Krankcnbli i t ter Angaben fiber die Menses enthielten. Bei einer grol]en Zahl yon Kranken fehlt.en diese Angaben leider und lieBen sich heute nur bei einem Tell derselben noch naehholen. So ist yon den 3 F~llen yon Marnmacareinomen bei Frauen unter 30 Jahrcn bei zwcicn das Vorhandensein der Periode eingetragen, die als ,chwach und un- regelmi~i]ig gekennzeichnet wird. Bei der dri t ten Kranken, einer 28]t~hri- gen verheirateten Frau, die normal geboren hatte, finder sich beziig- rich der Menstruationsverh~ltnisse keine Angabe. Da Patientin bcreits

60 A. Simons: Anamnestische Ergebnisse bei Mammacarcinomen

einige Monate nach der ersten Untersuchung starb, ist eine Nach- priifung heute nieht mehr mSglich. Von den 28 Fallen zwischen 30 und 40 Jahren ist nur in einem Falle Fehlen der Menses infolge 6 Jahre vorher wegen Blutungen erfolgter R6ntgenkastra t ion festgestellt. Von den 21 menstruierenden Frauen dieser Gruppe wird bei 5 die Periode als schwach oder unregelmiiBig bezeichnet, bei 6 yon diesen Fallen lie2en sich die Menstruationsverhi~ltnisse nicht kli~ren, doch dfirfte man in der Annahme wohl nieht fehl gehen, dab diese Frauen ebenfalls menstruierten. Von den 35 Kranken zwisehen 40--45 Jahren waren bei 24 Frauen die Menses normal, 2 Frauen menstruierten nicht mehr; in 9 Fi~llen mul~ die Frage bezfiglich der Menstruation often gelassen werden. U n t e r den Frauen der Gruppe 45--50 Jahre menstruierten 10 Kranke, 5 ~'rauen befanden sich jenseits des Klimakteriums, die" fibrigen 15 Falle blieben ungekl~rt.

Hieraus folgt, dab in Wirkliehkeit der Prozentsatz der menstruieren- den Frauen mit Mammacarcinom, besonders ill den Fallen unter 30Jahren und zwischen 30 und 40 Jahren, ein wesentlich hSherer ist als der in der Tabelle IV errechnete. Nehmen wir an, dab nile Frauen bis z u 50 Jahren normalerweise noch menstruieren, so mfiBten fiir die Men- s t ruat ion in vorliegender Aufstellung 96 Fi~lle in Frage kommen. Von diesen hat ten nachweisbar jedoeh nur 57 Frauen ~ 59,4~/o die Periode noeh. Da der wirkliehe Prozentsatz, wie oben dargelegt wurde, aber noch welt grSger sein muB und auch bei den gesunden Frauen in unserem Kl ima ein erheblicher Tell im Alter yon 50 Jahren bereits Menopause aufweist, so dfirfte wohl kein wesentlicher Unterschied mehr in den Menstruationsverhi~ltnissen bei Nichtkrebskranken und Krebskranken unter 50 Jahren festzustellen sein. Die 96 Frauen unter 50 Jahren machen nun jedoch in der Gesamtstat is t ik der Frauen mit Brustkrebs 41,6~/o aus. Die 57 als menstruierend aufgeffihrten Frauen entspreehen einem Prozentsatz yon 24,7% der in der Gesamtstat is t ik aufgezi~hlten (231) weiblichen Brustkrebskranken. Wenn a b e l wie gezeigt, wenig- stens ein Viertel aller Frauen in unserer Zusammenstellung zur Zeit des Krankheitsbeginns und auch noeh lange Zeit darfiber hinaus noch Menstruation zeigt, so wird man sich wohl sehwerlich dazu entschlief~en kSnnen, im Menstruationsvorgange selbst einen hemmenden Faktor fiir die Krebsents tehung zu erblicken, dessen Fortfall den AnstoB oder sogar die Ursaehe der Geschwulstbildung abgeben kSnnte. Gegen eine solche Anschauung sprechen aueh noeh fo]gende Einzelheitcn der Statist ik: Von den 57 noch menstruierenden Frauen kamen 20 ---- 35,1 ~o mit einem Lokalrezidiv nach Operation zu uns in Behandlung. Ferner waren insgesamt unter den 231 Frauen 14 Falle mit doppelseitigem Brustkrebs. Unter diesen sind 8 noch menstruierende Frauen, bei denen nach Amputa t ion der kraaken Brust spi~ter aueh die bisher gesunde

mit besonderer Berticksichtigung ihrer Bedcutung ftir die Therapie. 61

Brust von Carcinom befallen wurde. Von den iibrigen 6 Fallen ist eine Frau fiber 60 Jahre alt, eine 57 Jahre, 4 Fhlle sind im Alter zwischen 40--45 Jahren. Es kommen also von der letzten Gruppe yon 6 Fallen noch 4 in Frage, die ebenfalls noch regelmaBige Perioden haben konnten, was leider heute nicht mehr zu ermitteln war. Die Tatsache des Auf- tretens eines Lokalrezidivs und besonders das Auftreten eines neuen Tumors in der bisher kliniseh gesunden Brust naeh Amputat ion bei menstruierenden Frauen spricht sicherlich gegen die Annahme, dab die dell Menstruationsvorgang auslSsenden innersekretorisehen Vor- gi~nge gleichzeitig hemmenden Einflul~ auf die Carcinoraentwieklung haben. Aueh der Umstand, dab vom Beginn der Menopause bis zum Bemerken der ersten Anzeichen eines Brustkrebses haufig ein groBer Zeitraum liegt (so sind z. B. in den Krankenbla t te rn bei einigen Fallen 20 Jahre und darfiber angegeben), gibt in dieser Hinsicht zu Bedenken AnlaB. Zur Vervollst~ndigung der Menstruationsfrage sei noch er- w~hnt, dab yon den 57 menstruierenden Frauen sich bei 8--~ 14% der Eintrag findet, dab die Periode schwach oder unregelmgi/3ig sei. Hieraus kSnnte man den SchluB ziehen, dab eine Dys/unlction des Ova- riums in diesen Fallen vorgelegen habe. Von diesen 8 Frauen haben jedoch 5 normal geboren, 2 sind kinderlos verheiratet, und eine ist un- verheiratet. Da be i den kinderlos verheirateten Frauen sich nicht feststellen ]i~Bt, ob die Frau oder der Ehemann ffir die Steriliti~t ver- antwortlich ist und bei der unverheirateten Frau die Frage naeh even- tueller Sterilit~t often gelassen werden muB, so ergibt sich hieraus, dab bei der Mehrzahl der als nicht normal menstruierend aufgezi~hlten Frauen mit Brustkrebs keine gr~bere St6rung der Ovulation vorgelegen haben konnte. Es sei aueh noeh erwi~hnt, dal3 yon den 57 menstruieren- den Frauen 36 ~ -63 ,1% geboren hatten, 14----24,6% unverheiratet und 7--~ 12,3% kinderlos verheiratet waren. Aus allem bisher Auf- gez5hlten, aus den anamnestischen Angaben bei Mammacarcinomen Ersichtliehen, dfiffte wohl hervorgehen, da[3, [alls i~berT~aupt Hypo- [un]ction oder das Erl~schen irgendeiner Funktion de80variums eine Rolle in der ~tiologie oder Genese des Carcinoms spielen, diese wohl schwer- lich mit St6rungen oder Aus/all des Ovulations- und Menstruationsvor- ganges identi/iziert werden k6nnen. Aus den vorliegenden Anamnesen und den klinisehen Befunden beim Brustkrebs ergaben sich ferner auch keine Anhaltspunkte ffir die Dys]unl~tion anderer Organe mit inner- seIcretorischer Bedeutung.

Die MSglichkeit einer ererbten Disposition fiir Carcinom liegt in 36 FMlen ~ 15,3% vor, bei denen sich in den Krankengeschichten Angaben fiber Vorkommen yon Krebserkrankungen bei Eltern, GroB- eltern oder Geschwistern finden. Vorkommen yon Carcinomen bei Verwandten entfernteren Grades sind i n dieser Zusammenstellung

62 A. Simons: Anamnestische Ergebnisse bei Mammacarcinomen

unberiicksiehtigt gelassen. Bei 7 Fifilen ist vermerkt, dab auch der Ehegatte an Carcinom litt (Cancer d deux).

Von 43 Kranken = 18,3~o wird in der Anamnese ein Trauma in Zusamraenhang mit der Krebserkrankung gebracht, sei es, dab ein solches der Gesehwulstbildung unmit te lbar vorausging, sei es, dab es zur Entdeckung der Geschwulst fiihrte, oder daft es von einer Ver- schlimmerung der bereits vorher bemerkten Erkrankung gefolgt wurde.

So weir die anamnestischen Ergebnisse, die ftir ~4"tiologie und Genese des Mammacarcinoms in ])'rage kommen. Der VollstSndigkeit halber soll noch hinzugefiigt werden, dab Vorkrankhciten oder gleichzeitig bestehenden anderen Erkrankungen, soweit dies aus den Krankenbli~ttern ersieht]ich ist, in dieser Hinsieht keine besondere Rolle zuzufallen seheint. Es finden sich 2 F~lle,. bei denen friiher im Woehenbet t eine eitrige akute .Mastitis bestand. Eine weitere geringe Zahl (6 Frauen) scheint nach den Angaben anfangs einen gutartigen Tumor oder eine chronische Mastiti8 gehabt zu haben, die dana sparer yon sieher naeh- gewiesenem Carcinom gefolgt wurden.

Hiermit soll dazu iibergegangen werden, die aus den Vorgeschichten der Brustkrebskranken-s ieh ergebenden Gesichtspunkte fiir die Ent- wicklung des Krankhcitsprozesse,% ffir den Krankheitszusta'~ui und fiir die prognostische Beurteilung desselben zu erSrtern.

Zeiehnen sich die malignen Geschwulsterkrankungen an sich sehon im allgemeinen durch ihren schleichenden Beginn aus, so ist dieses beim Mammaearcinom in ganz besonders hohem Mal~e der Fall. Keine St5rung des Allgelaeinbefindens, kein Krankheitsgeffihl, keine Schmer- zen oder sonstige alarmierende 5rtliche Sensation machen den Kranken auf den Krankheitsbeginn aufmerksam. Alle diese Symptome stellen sich in der Regel erst dann ein, wean sich der pathologischc ProzeB bereits in einem vorgert~ckten Stadium befindet. Hierdurch erhSht sich die Gefi~hrliehkeit der an sich schon so delethren Krankhei t erheb- lich. Ffihren wir uns kurz den Kranlcheitsverlau] beim Mammacareinom vor Augen, so unterscheiden wir, besonders mit Riieksicht auf die an- zuwendende Therapie und die Prognose, im allgemeinen drei Haupt- stadien: I. das Stadium, in dem der Prozel~ nur die Mamma ergriffen hat. In diesem Stadium ist wieder die GrSl~e des Tumors und seine Beziehung zur Umgebung yon wesentlicher Bedeut:ung, insofern eine geringe Ausdehnung, besonders zur tiefen Brustmuskulatur hin, eine leichtere Vernichtung des Krcbsherdes ermSglicht. Auf der Pectoralis- fascie unverschiebliche und mit der Hau t Iestverwaehsene oder ulce- rierte Tumoren und solche, bei denen sich Metastasen in dcr Hau t vor- linden, sind in dieser Gruppe fiir die chirurgische Therapie die ungfin- stigsten. I I . das Stadium, in dem bereits cine 2/nsicdelung yon Krebs- zellen in den regioni~ren Drfisen stat tgefunden hat. Hier ist vom chirur-

mil besonderer Beriicksichtigung ihrer Bedeutung ftir die Therapie. 63

gischen und besonders auch vom prognos t i schen S t a n d p u n k t e aus s t reng zu unterscheiden , ob die Metas tasenans iede lung nur in der Gruppe der AchselhShlendrf isen oder bere i ts auch in den Inf ra - und Supra- e lav iculardr t i sen erfolgt ist. I m I I [ . S t a d i u m h a b e n die Geschwuls t - zellen bere i ts den Sehu tzwal l des L y m p h d r i i s e n s y s t e m s du rchb rochen und h a b e n sich in en t f e rn t vom P r i m S r t u m o r gelegenen Organen an- gesiedelt . Ff i r d i e MSglichkei t e iner erfolgreichen Therap ie mi t nur loka langre i fenden Mit te ln , worun te r das chirurgische Vorgehen und die S t r ah l en the rap i e v e r s t a n d e n werden sollen, soweit n ieh t ]e tz tere e twa im Sinne e iner R e i z b e s t r a h h m g innersekre to r i seher Organe an- gewendeL wird, wie sie neuerdings Man/red Frdnkel propagie r t , k o m m e n n u t das I . und I I . S t a d i u m in Frage , mi t der E inschrgnkung , dab bei v 0 r h a n d e n e n Supra- odcr ] n f r a c l a v i c u l a r m e t a s t a s e n die K r a n k e n der chi rurgischcn Thc rap ie n ich t mehr zu un te rwer fen sind. Die Gesichts- p u n k t e t:fir die Prognoses te l lung e rgeben sich aus dem fiir die Therap ie b isher Gesagten yon selbst . Es soll hicr auch noch kurz erwi~hnt werden, dab Lokal- oder Dr i i senrez id ive nach Opera t ion den Therapeu ten , besonders den Chirurgen, vor eine besonders schwierige u n d wenig aus- s ichtsvol le Aufgabe stel len.

Beziigl ich des K r a n k h e i t s s t a d i u m s ergab die erste Untersuchung der 235 Brustkrebskranken in unserem Institut die ill nachs tehender Tabel le fes tge legten k l in ischen Befunde :

Tabelle V. Nichts Pathologisches nach Mammaamputation . . . . . . 44 F5lle ~ 18,7~ Nur lokalen Tumor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 ,, ~ 11,9O/o Lokalen Tumor und Hautmetastasen . . . . . . . . . . . 3 ,, ~ 1,3~ Nur Narbcnrezidiv nach Amputation . . . . . . . . . . 19 ,, ~ 8,1~ Nur Hautmetastasen naeh Amputation . . . . . . . . . . 2 ,, ~- 0,90/o SchonAchseldriisenmetastasen . . . . . . . . . . . . . . 56 ,, = 23,80/o Schon Supraclaviculardriisenmetastascn . . . . . . . . . 7I ,, ~-~ 30,2O/o Schon Pleurametastasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 ,, ~ 4,7% Schon Lungen- und Knochenmetastasen . . . . . . . . . 1 ,, ~ 0,4%

Insgesamt 235 Falle -~ 100,0%

Von den 235 K r a n k e n , die zweeks Behand lung das Krebsforschungs- i n s t i t u t aufsuchten , waren 143 ~ 60,9% bere i ts vorher anderwei t ig b e h a n d e l t worden. 92 Fa l l e ~ 39,1~/o waren noch n ich t behande l t . U n t e r die noch n ieh t Behande l t en s ind 7 Fa l le gerechnet , die bisher in Kurpfuscherhi~nden waren, und 5 Fiille, die i nVerkennung des K r a n k - he i t szus tandes mi t unzure ichendcn Mi t t e ln yore Arz t bchande l t wurden. Von den 143 berei ts vorher b e h a n d e l t e n K r a n k e n wareu 139 = 97,2o/o chirurgiseh angegangen worden. Von diesen 139 Fa l l en waren 5 FMle ~--3,6~/o unzure ichend oper ie r t (nur E x s t i r p a t i o n der Gesch~mlst) , bei 134 K r a n k e n = 96,4% war die R a d i k a l o p e r a t i o n vo rgenommen worden

6 4 A. S i m o n s : A n a m n e s t i s c h e Ergebn i s se bei Mammaca rc inomen

( A m p u t a t i o n d e r B r u s t m i t A u s r i ~ u m u n g d e r A c h s e l h S h l e ) . I n 4 y o n

143 F i~ l l en w a r d i e b i s h e r i g e B e h a n d l u n g n u r m i t R S n t g e n - o d e r R a d i u m -

s t r a h l e n c r f o l g t (---- 1 , 7 % ) .

Tabelle VI.

7Bei den 139 bereits vorher behandelten Brust~vebskrans ergab sich als Au/- nahmebe/und :

a) Bei den nngen~'~gend operier~en (Excision) 5 F~llen:

N u t Loka l r ez id iv in . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Fa l l en Bc re l t s A c h s e l m e t a s t a s e n m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Fal l B e r e i t s S u p r a c l a v i c u ] a r d t i i s e n m e t a s t a s e n in . . . . . . . . . . . . . 1 ,, Be re i t s P l e u r a m e t a s t a s c n in . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 ,,

I n sgesam~ 5 F~ille.

b) Bel den radikaloperierten (Amputation der Mamma und Ausrdumung der Achselh6hle) in 13g Fdllen:

N i c h t s Pa tho log i s c hes . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Fiille ~ 32 ,8% /~ur ~ a r b e n r e z i d i v . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 ,~ ~ 12 ,7% N u t H a u t m e t a s t a s e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 ,, = 1,5~o Bere l t s A c h s e l d r i i s e n m e t a s t a s e n . . . . . . . . . . . . . 10 ,, ~ 7 , 5% Bere i t s S u p r a c l a v i c u l a r d r i i s e n m e t a s t a s e n . . . . . . . . . 50 ,, : 37 ,3% Bere i t s P l e u r a m c t a s t a s c n . . . . . . . . . . . . . . . . 7 ,, ~ 5,2~o Be re i t s L u n g e n - u n d K n o c h e n m e t a s t a s e n . . . . . . . . 1 Fal i ~ 0,7~ N u t cin T u m o r der nichb a m p u t i e r t e n a n d e r e n B r u s t . . . 3 F~ille ~. 2,2~

I n s g e s a m t 134 Fiille.

Tabelle VII .

Van den bisher nur radiotherapeutisch behandelten 4 Fdllen zeigten bei Beginn der Behandlung im Krebsinstitut:

INur loka len T u m o r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 F~ille S c h o n A c h s e l m e t a s t a s e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 ,,

I n s g e s a m t 4 Fii l le.

B e i d e m e i n e n d e r F&lle m i t A c h s e l d r i i s e n m e t a s t a s e n f i n d e t s i c h i n d e r

A n a m n e s e v e r z e i c h n e t , d a B d i e M e t a s t a s e b e i m B e g i n n d e r B e h a n d l u n g

b e r e i t s v o r h a n d e n w a r , i m z w e i t e n F a l l g i b t d i e V o r g e s c h i c h t e k e i n e

A u s k u n f t f i b e r d e n S t a t u s b e i B e g i n n d e r S t r a h l e n b e h a n d l u n g .

Tabelle VI I I .

Bei den bisher noch nicht behandelten 92 Kranken ergab der Au/nahmebe]und:

N u r loka len T u m o r 23 F~tlle : 25 ,0% ~ u r loka len T u m o r u n d H a u t m e t a s t a s e n . . . . . . . . 3 ,, = 3 , 3 % Bere i t s A c h s c l d r i i s e n m e t ~ s t a s e n . . . . . . . . . . . . . 43 ,, ~- 46 ,7% Bere i t s S u p r a c l a v i c u l a r d r t i s e n m e t a s t a s e n . . . . . . . . . 20 ,, ~ 21 ,7% Bere i t s P l e u r a m e t a s t a s e n . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ,, -~ 3 , 3 %

I n s g e s a m t 92 F~ille.

B e z f i g l i c h d e s V o r k o m m e n s v o n L o k a l r e z i d i v e n u n d M e t a s t a s e n

n a c h c h i r u r g i s c h e r B e h a n d l u n g e r g i b t s i c h a u s d e n V o r g e s c h i c h t e n ,

mit besonderer BerUcksichtigung ihrer Bedeutung fllr die Therapie. 65

daft s~imtliche unzureichend chirurgisch angegangenen Fdlle ein Rezidiv bei Beginn der Behandlung in unserem Institut au/wiesen. Unter 134 tladikaloperlerten kamen 90 Kranlce ~ 67,2% mit Rezidiv zu uns. Trotz der geringen Zahl der in Betracht kommenden Falle diiffte hieraus wohl herv0rgehen, dab die Exstirpation der lokalen Geschurulst allein unbedingt zu verwer/en ist. Insgesamt sind laut Anamnese 8 Falle nur auf diese Weise behandelt. Von diesen wurden 3, ehe sie yon uns gesehen wurden, bereits radikal nachoperiert, und zwar ein Fall wegen Rezidiv in der Narbe und ein Fall wegeu Achseldrfisen- metastasen. Beim drit ten Fall ist nicht ersiehtlich, ob die Radikal- operation wegen Narbenrezidiv oder Achselh6hlenmetastasen erfolgt ist. Was die Rezidive naeh Radikaloperation anbetrifft, so ist noch zu sagen, dab in den Fallen, die oben mit dem Vermerk ,,bereits Achsel- driisen- oder Supraclaviculardriisenmetastasen oder Pleurametastasen" registriert wurden, sieh h~ufig gleiehzeitig aueh Narbenrezidive und Hantmetastasen oder l~Ietastasen in den jeweils dem Prim~rtumor nghergelegenen Lymphdriisenbezirken fanden. 2 Fglle, die in der Rubrik ,,bereits Supraclavieulardrtisenmetastasen" mitgez~hlt sind, hat ten gleichzeitig bereits Metastasen im Brustbein. Insgesamt sind unter 90 Rezidiven nach Radikaloperation 49 wokl als Imp[tumoren in den Narben anzusehen ~ 54,4 % der Rezidive. Bei den Rezidiven naeh ungeniigender Operation sind unter 8 Fgllen 5 als Impfrezidive in den Narben anznspreehen. Das ergibt insgesamt bei 139 chirurgisch behan. delten Brustkrebskranlcen 54 Narbenrezidive, die wohl als Imp/carcinome au]zu[assen sind : 39,6 %.

Bezfiglieh des sich mit der Rezidivstatistik befassenden Teiles der vorliegenden Arbeit kann mit Recht der Einwand erhoben werden, dab die Bereehnungen nieht das Bild der absoluten Verh~ltnisse vor Augen fiihren k6nnen, da yon den guten Fallen naeh Operation in der Regel nur die wenigsten in einem Institut, wie das unsere es ist, gesehen werden. Immerhin behalten diese Zusammenstellungen einen relativen Wert, da sie fiber die Arbeitsverhaltnisse der Inst i tute yon der Art des unsrigen orientieren und lassen in mancher Hinsieht aueh wohl weitere Schliisse zu.

Aus der Zusammenstellung der Rezidive naeh Radikaloperation bei Mammaearcinomen ist ersichtlich, dal3 eine groBe Zahl yon Fallen sich mit Supraclaviculardrii, senmetastasen zu uns in Behandlung begab. Ob dieser Befund ein post oder propter hoc ist, muB einstweilen dahin- gestellt bleiben. Imrnerhin ist die MSglichkeit vorhanden, dab w~ihrend der Operation Krebszellen in die erSffneten Lymphbahnen eindringen, dab die Lymphdriisen dem Ansturm eines gr6Beren Zellmaterials mit den ihnen eigenen Abwehrkrgften nieht stand halteD, kSnnen u n d e s so zu einer Ansiedelung des Carcinoms in den Driisen kommt. Sieherlich

Zeitschrlft ffir Krebsforschung. 19. Bd. 5

66 A. Simons: Anamnestische Ergebnisse bei Mammacarcinomen

ist aber bei einem Teil der Fiille anzunehmen, dab sich bereits vor der Operation klinisch noch nicht nachweisbare Metastasenbildungen in den erwihnten Drfisen fanden. Diese Fil le w~ren also in Wirklichkeit nicht mehr operabel gewesen, da durch die vorgenommene Operation die weitere Ausbreitung des Krankheitsprozesses nich~ aufzuhalten war. Die Frage ist nun: Kann man trotz Fehlen8 kliniacher Anhalts. punkte, etwa aus dem bisherigen Krankheitsverlau/, Schli2sse ziehen, die au] schon vorhandene Metastasenbildung in den Supraclaviculardriisen hindeuten ? Die Ergebnisse meiner Untersuchungen in dieser Richtung sollen in nachstehendem mitgeteilt werden.

Zuniichst beschiiftigte ich mich mit der Frage: Wie lange Zelt liegt zwischen der Entstehung des Primdrtumors und der Metastasierung~. Die Durehsieht der Krankenbli~tter ergibt, dab eine einheitliche und summarische Beantwortung dieser l~rage nicht mSglich ist. Aus dem Wesen der Krebskrankheit ergibt sieh allerdings yon selbst, dab mit dem Wachsen des Zeitraums, der zwisehen der Geschwulstentstehung und dem Zeitpunkte der einsetzenden Therapie liegt, die MSglichkeit einer bereits in den regioni~ren Lymphdrfisenbezirken erfolgten Metastasen- ansiedelung zunimmt. In zweiter Linie spielt naturgemi~l~ die Wachs- tumsgeschwindigkeit des Tumors eine Rolle, die sieh allerdings in weiten Grenzen bewegen kann. Der GrS[3e des Tumors hingegen scheint, all- gemein gesagt, nur eine relative Bedeutung beziiglieh der Metasta- sierung zuzufallen. Das Sehwergewicht liegt wohl in der histologischen Eigenart der Tumoren. Auf die Unterscheidung der einzelnen Carcinom- typen vom pathologisch-anatomischen Standpunkte aus bezfiglieh ihrer grSBeren oder geringeren Maligniti~t nigher einzugehen, ist hier nicht am Platze, da dieser Gesichtspunkt in meinen Untersuehungen nieht bertihrt wird und in der einschlagigen Literatur leicht nachgesehen werden kann. Es soll jedoch kurz erw~hnt werden, dal3 im allgemeinen der Scirrhus {fir weniger bSsartig gehalten wird als das Carcinoma simplex. Jedoch k5nnen auch Carcinome yon gleichem histologischcn Bau grol3e Unterschiede bezfiglieh ihres Wachstums und ihrer Neigung zur Metastasierung zeigen.

Es fragt sich nun zuniichst, wie kann der Arzt denZeitraum feststellen, der zwisehen dem eigentliehen Krankheitsbeginn und dem Zeitpunkte liegt, zu dem er denKranken erstmals sieht, und wie kann er auf die Wachs- tumsgeschwindigkeit des ~eoplasma schliei3en ? Hierfiir kommen als we- sentlichste Momente in Frage: 1. die Gr6[3e der Geschwulst bei ihrer Ent- deckung durch den Kranken, 2. die GrS[3e derselben zu dem Zeitpunlcte der Konsultatlon, 3. der Zeitraum, der zwlschen diesen beiden PunTcten liegt.

Nachstehende Tabellen geben eine Ubersicht fiber die diesbezfig- lichen Verhi~ltnisse bei den Kranken unseres Instituts, soweit die Ana- mnesen in den Krankenbl i t te rn hierfiber Auskunft geben.

mi t besonderer Be r t l cks i ch t igung ihrer B e d e u t u n g ftir die Therapie . 67

Tabelle I X . Wie grofl als bemerkt :

ErbsengrSf le . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 F/i l le -~ 16 ,3% Hase lnu l l - h is Ki r schgrS i le . . . . . . . . . . . . . . . 44 ,, = 34,1O/o Walnu l t - bis Pflaumengr611e . . . . . . . . . . . . . . . . 40 ,, = 31 ,0% I t i i hne rc ig rS l l e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 ,, -~ 10,9~o ApfelgrSl3e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ,, -~ 7 , 0 % Ulcus (ohne d e u t l i c h e n T u m o r ? ) . . . . . . . . . . . . . 1 Fa l l = 0,8o/o

I n s g e s a m t 129 F/ille.

V o n d e n 129 F i ~ l l e n h a t t e n 13 F a l l e b e r e i t s A c h s e l d r i i s e n m e t a s t a s e n ,

a l s d i e G e s c h w u l s t . e r s t m a l i g b e m e r k t w u r d e ( = 1 0 , 1 % ) , 1 F a l l h a t t e

b e r e i t s S u p r a c l a v i c u l a r m e t a s t a s e n .

Tabelle X. Wie grofl war die Geschwulst bei der ersten arztlichen Untersuchung :

Haselnul~- bis Ki r schgrS l le . . . . . . . . . . . . . . . 6 Fiille---- 4 , 5 % W a l n u l l - bis P f l aum e ngrS l l e . . . . . . . . . . . . . . 30 ,, ~ 22,7~ HiihnereigrSl3e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 ,, -~ 20 ,5% ApfelgrSfle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 ,, ~ 25 ,7% FaustgrSl~e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 ,, = 22 ,0% KindskopfgrSl~c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 ,, =- 4,5~

I n s g e s a m t 132 Ftille.

V o n d i e s e n 132 F i ~ l l e n z e i g t e n n e b e n d e m L o k a l t u m o r :

H a u t m e t a s t a s c n . . . . . . . . . : . . . . . . . . . . 3 F/ i l le = 2,30/0 A c h s e l d r i i s e n m e t a s t a s e n . . . . . . . . . . . . . . . . 49 ,, = 37 ,7% S u p r a c l a v i c u l a r d r i i s e n m e t a s t a s c n . . . . . . . . . . . . 18 ,, = 13,5% P l e u r a m e t a s t a s e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ,, = 2 , 3 %

I n s g e s a m t 73 Fs

E s h a t t e n a l s o i n d i e s e r G r u p p e y o n 132 F ~ l l e n i n s g e s a m t 74 F~i l le

= 5 6 , 1 % M e t a s t a s e n . B e i 3 4 F a l l e n w a r d e r T u m o r u l c e r i e r t ----- 2 5 , 7 % .

Tabelle X1.

Von 235 FSllen suchten nach diem Bemerken der Geschundst den Arzt au/ :

i m 1. M o n a t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Fii l lc ---- 18 ,8% ,, 1. V i e r t e l j a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 ,, ,, 2. V i e r t e l j a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 ,, ,, 2. H a l b j a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 ,, ,, 2. J a h r e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 ,, ,, 3. J a h r e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 ,, ,, 4. J a h r e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 ,,

,, 5. J a h r e u n d sp i i t e r . . . . . . . . . . . . . . . . 17 ,,

I n s g e s a r h t 229 Fi i l le Ohne n~here Z e i t a n g a b e n . . . . . . . . . . . . . . d- 6 ,,

l n sgesam~ 235

= 19 ,2% = 14,0% = 22 ,3% = 11,8% ---- 4 , 8 % = 1 ,7% = 7 , 4 %

Fiille.

5*

6 8 A . S i m o n s : A n a m n e s t i s c h e E r g e b n i s s e be i M a m m a e a r c i n o m e n

Tabelle XI I .

Vou 235 Fallen ]:amen nach dem Bemerken der Geschwulst in unserer Poll- klinik zur Untersuchung :

i r a 1. M o n a t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 4 F ~ l l e = 6 , 0 % ,, 1. V i e r t e l j a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 ,, = 9 , 5 % , , 2. V i e r t e l j a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 , , = 9 , 9 % , , 2. H a l b j a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 4 ,, = 2 3 , 3 % , , 2. J a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 4 , , = 2 3 , 3 %

3. J a h r 17 , , o / , , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 , 3 / o ,, 4 . J a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 , , ~ 3 , 4 % ,, 5. 5 a h r u n d sp i~ter . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 0 , , = 1 7 , 2 ~

I n s g e s a m t 2 3 2 F~tlle

O h n e g e n a u e Z e i t a n g a b e . . . . . . . . . . . . . . . . . + 3 ,,

I n s g e s a m t 2 3 5 F~ l l e .

Tabelle X I H .

Von 134 radikaloperierten Mammacarcinomeu wurden nach dem Bemerken der Gesehwulst operiert:

i m 1. M o n a t . . . . . . . . . . . 2 5 F ~ l l e = 1 8 , 7 % ,, 1. V i e r t e l j a h r . . . . . . . . . 29 , , = 2 1 , 6 %

,, 2. V i e r t e l j a h r . . . . . . . . . 2 5 , , = 18,7~ , , 2 . H M b j a h r . . . . . . . . . 3 3 , , = 24,6%0 , , 2. J a h r . . . . . . . . . . . . 7 , , = 5,2~ ,, 3. J a h r . . . . . . . . . . . . 5 , , = 3,7%0 , , 4. J a h r . . . . . . . . . . . . 2 , , ~- 1 , 5 %

, , 5. J a h r u n d s p a r e r . . . . . . 8 , , = 6 , 0 %

I n s g e s a m t 1 3 4 F/ i l le .

Hiervon rezidivierten sparer:

16 F ~ l l e = 6 4 , 0 %

18 ,, = 6 2 , 1 % 19 ,, = 7 6 , 0 % 25 ,, = j 5 , 6 %

5 , , = 71,4% 2 , , = 4 0 , 0 %

1 , , = 5 0 , 0 %

4 , , = 50,0%

9 0 F~ l l e .

Tabelle X I V .

a) Von der~ 90 Edllen yon Rezidiven oder Metastasen nach Radikaloperatiou ]anden slob:

i m 1. M o n a t n a c h d e r O p e r a t i o n . . . . . . . . . . . . 2 F ~ l l e = 2 , 2 ~ ) , , 1. V i e r t e l j a h r n a c h d e r O p e r a t i o n . . . . . . . . . . 16 ,, = 1 7 , 8 % , , 2. V i e r t e l j a h r n a e h d e r O p e r a t i o n . . . . . . . . . . 2 2 ,, = 2 4 , 4 % , , 2. H ~ l b j a h r n a e h d e r O p e r a t i o n . . . . . . . . . . . 2 4 ,, - - - - -26 ,7%

, , 2. t l ~ h r n a c h d e r O p e r a t i o n . . . . . . . . . . . . . 15 , , = 1 6 , 7 % ,, 3. J a h r i m c h d e r O p e r a t i o n . . . . . . . . . . . . . . 2 ,, = 2 , 2 %

,, 4. J a h r n a c h d e r O p e r a t i o n 4 , , = 4 , 4 % , , 5. J a h r n a e h d e r O p e r a t i o n u n d sp~i ter . . . . . . . 5 , , = 5 , 6 %

I n s g e s a m t : 9 0 F~ l l e .

b) Von 8 Fallen, die ungeni~gend operiert waren zeigten Rezidiv :

i m 2. V i e r t e l j a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 F~ille = 5 0 , 0 ~ o ,, 2. H a l b j a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 , , - ~ 2 5 ~o , , 3. J a h r 1 T a l l = 1 2 , 5 ~ )

, , 4. J a h r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 , , = 1 2 , 5 %

A u s v o r s t e h e n d e n t a b e l l a r i s c h e n 1 3 b e r s i c h t e n u n d d e n n ~ h e r e n E i n -

z e l h e i t e n d e r K r a n k e n g e s c h i c h t e r ~ s e l b s t e r g i b t s i c h , d a b bei Tumoren,

die die Gr6fle ungeffihr eines Hiihnereies e r r e i c h t h a b e n , b e s o n d e r s w e n n

mit besonderer Berficksiehtiguug ihrer Bedeutung f(ir (lie Therapie. 69

sie rasch gewachsen, mit der MSglichkeit einer Metastasenansiedelung im Ael~selh6hlendriksenbezirke, auch wenn klinische Zeichen dafiir fehlen, gereehnet werden muff. Daft der Wachatumsgeschwlndigkeit eine wesent- liche Rolle zufallen diirfte, geht, ganz abgesehen yon den gemachten Effahrungen, bereits aus der einfachen ~berlegung hervor, dab bei langsamemWaehstum immer nur eine geringe Anzahl yon Zellen nach und naeh in die Lymphbahnen einbrechen diifften und dann leieht der Verniehtungst~tigkeit der Lymphdriisen anheimfallen. Mit zunehmender Gr6fte des langsam gewaehsenen Tumors mul~ auch das versehleppte Zellmateria] schlieBlich an ~Menge zunehmen, so dab die Lymphknoten endlich auch hier im Kampfe gegen das Carcinom erlahmen. Wo aber bereits ldngere Zeit Dr~tsenmetastasen in d~r AchselhShle bestehen, da ist immer mit der Wahrscheinlichkeit zu rechnen, daft auch die Supra- und In/raelaviculardriisen bereits vom Careinom be/allen sind. Bezfiglich des Wachstums und der Neigung zur Metastasierung scheint besonders dem Alter der Kranlcen eine gewisse Bedeutung zuzufallen. Wahrend bei jugendlicheren Personen, besonders unter 40 Jahren, meist ein rasches Wachstum mit bald erfolgender Metastasenbildung auffallend ist, so finden sich jenseits des 55. Lebensjahres, besonders bei den Fallen fiber 60 und 70 Jahren, sehr haufig iiberaus langsam wachsende Tumoren, die faustgroft und dariiber hinaus werden kSnnen und sich sehr haufig ulceriert zeigen, ohne dab nachweisbare hfetastasierungen erfolgt sind. Der Brustkrebs bei Jugendlicheren scheint iiberhaupt, dem vorliegenden Material nach, einen welt deletdreren Verlau/ zu nehmen, wogegen das im h6heren Alter beginnende Careinom einen weniger b6sartigen Charakter trdgt. Es fallt bei der Durehsicht der Falle auch besonders auf, daff sich bei den dlteren Frauen diese VerMiltnisse umlcehren, sobald ein he/tiges Trauma den bereits vorhanclenen Tumor tri//t. Ein rapides Wachstum und ausgedehnte Metastasierungen scheinen haufig die Folgen eines solchen in der Anamnese erw~hnten Insultes zu sein. Ferner ist fest- zustellen, daft unter den vorher noeh nieht behandelten Fal len yon Brustkrebs in hSherem Alter sich zahlreiehe Kranke befanden, bei denen trotz jahrelangen Bestehens einer Geschwulst der Tumor vSllig lokal geblieben war, allerdings haufig eine respektable Gr61]e und Ul- ceration aufwies. Gleichaltrige Frauen dagegen, die, als die Geschwulst noeh relativ klein war, einer Radikaloperation unterworfen wurden, stellten sieh auffallend oft recht bald mit Narbenrezidiven und Meta- stasen in den Supraclaviculargruben oder entfernteren Organen ein. Es sei hier nut angedeutet, dab die Operation in diesen Fallen mSglicher- weise als Trauma ungfinstigen Einfluft ausgeiibt haben kann. Auch bei den jugendliehen Kranken (unter 40 Jahren) vermoehte in" den meisten Fallen die Operation den oft geradezu katastrophalen Verlauf nicht im geringsten aufzuhalten.

70 A. Simons: Anamnestische Ergebnisse bei Mammacarcinomen

Das Haupti~bel ]igr die Brustkrebsbehandlung bildet der Umstand, daft ein so aufierordentlich gro[3er Tell der Kranlcen erst in sachgem~ifle Behandlung kommt, wenn es zu spdt ist. Die Zahlen in den angeftihrten Tabcllen geben hiervon ein trauriges Zeugnis. Sie zeigen vor allem auch, unter welch ungfinstigen Bedingungen und mit wie wenig Aussieht auf v611ige Heilung Inst i tu te yon der Art des unsrigen arbeiten miissen. Man kann sie wohl als SammelsteIlen aller desolaten Fi~lle aus den min- derbemittel ten Bev61kerungsschiehten bezeichnen. I m allgemeinen li~Bt sieh ein Mammaearcinom klinisch wohl nicht friiher erkennen, als bis es ungef~hr Erbsengr61]e erreicht h a t . Ein Blick auf Tabelle I X zeigt aber, da[~ die Tumoren diese GrS~e in der Regel weit iibersehritten haben, wenn sie yon ihren Tr~gern entdcckt werden. Es erscheint jedoch oft fast unglaublich, dab solch groBe Geschwiilste nicht eher bemerkt werden. Mitunter fiihrt f iberhaupt erst ein Zu]ull zur Fest- stellung des Mammatumors . So wurde bei 4 Fi~llen der Statist ik das Mammacareinom gelegentlich einer aus anderen Griinden erfolgten ~rzt- lichen Untersuchung entdeckt. In einem Falle machte eine Masseuse die Pat ient in auf einen bereits hiihnereigroflen Tumor aufmerksam. In 18 Fhllen wurde die Geschwulst sofort nach cincm Trauma bcmerkt , und 5 Kranke entdeckten sic, als sieh BlutstrSpfchen aus der Mammilla entleerten, wogegen 4 Frauen durch N~tssen der Brustwarze auf den Tumor aufmerksam wurden. 11 Pat ienten gaben als erstes Symptom ])riisenknoten in der AchselhShle an, und eine Patientin gar wurde erst dureh Ansehwellung des Armes auf ein groBes Driisenpaket in der Achselh6hle und dann auf den Tumor hingelenkt. So sehen wir, daft der Kranke sich o/t schon in einem au[3erordentlich vorgeschrittenem Krankheitsstadium be/indet, wenn ihm der pathologische Prozefl erstmals au]/dllt. Aber damit noch nieht genug des MiBgeschickes. Das anfangs so harmlose Aussehen des Tumors, Unkenntnis, Indolenz und oft aueh wohl die hi~usliehe Arbeit halten die Frauen der Kreise, aus denen unsere Kranken kommen, davon ab, den Arzt zu konsultieren. Und nur vom st~ndigen Wachstum der Geschwulst heunruhigt, begibt sich schlieB- lich auch die indolentere Kranke zum Arzt, besonders aber dann, wenn der Krebsknoten ulceriert und sich infolgedesse n Sehmerzen einstellen, herrscht doch bei der nicht aufgekli~rten Masse im groBen und ganzen die Ansicht, dab der Krebs ein ,,fressendes Geschwiir" sci, und mit der B6sartigkeit verkntipft man meist den Begriff des Schmerzes. So wnrden denn aueh die Mehrzahl der Falle vorliegender Zusammenstellung wegen des unau/h6rlichen Wachsturas der Geschwulst zurn Arzt getrieben, be- sonders wenn der Tumor rasch an GrSge zunahm. 26 Kranke suchten den :~rzt erst auf, nachdem sich ein Ulcus gebildet hat te , 6 Kranke kamen wegen Schmerzen in der Brust, 3 Wegen Schmerzen und Schwellung im Arm, 3 weitere wegen eines entdeckten AchselMihlen-

mit besonderer Berticksichtigung ihrer Bedeutung ftir die Therapie. 71

knotens, eine P a t i e n t i n wegen .Bluten der Mammi l la , eine zweite, die schon langer e inen K n o t e n b e m e r k t ha t t e , well eine F r e u n d i n kfirzl ich wegen Carc inoms der B r u s t oper ie r t worden war, eine d r i t t e , d ie dem M a m m a t u m o r ke ine B e d e u t u n g be ige legt ha t t e , k a m wegen einer , ,Hals- geschwuls t " , d ie sich als umfangre ichc Supraclaviculardri~senmetastasen e n t p u p p t e n . DaB eine wei te re P a t i e n t i n aus Angst vor einer Operation ers t lZ/z J a h r nach dem B e m e r k e n e iner Brus tgeschwuls t den A r z t auf- suchte , d i i f f te auch keineswegs vere inze l t das tehen. Tabe l le X I zeigt , wie viel k o s t b a r e Zei t ve r lo ren geh t bis e r s tma l s ein A r z t aufgesucht wird . Aus e inem Verg]eich der TumorgrSBen in Tabe l l e X u n d X I u n d dem Meta s t a senve rha l t n i s yon 1 4 : 7 3 geh t deu t l i ch hervor , um wie vieles g t ins t iger bei m a n c h e n K r a n k e n die He i lungsaus ich ten gewesen wi~ren, wenn er sofor t sachgemi~2e i~rztliche B e h a n d l u n g aufgesuch t h~t te . Der Bel iebthei$ vieler, sich als , , t t o m S o p a t h e n " beze ichnender Kur- p/uscher be im P u b l i k u m s ind 7 F r a u e n yon 235 B r u s t k r e b s k r a n k e n zum Opfer gefal len ~ 3%. D a diese F~l le v ie l le ich t m i t zur W a r n u n g u n d Aufk l~rung dienl ich sein kSnnen, seien sie kurz hier angef i ihr t .

Fall 1. Kr.-Bl. Nr. 2485. 53jiihrige Fl~u, vor 4 •onaten mit einem hiihnereigrol3en Tumor beim Arzt;

angeratene Operation abgelehnt; dann vom HomSopathen mit Tropfen behandelt. Jetzt : apfelgrol~er verschieblichcr Tumor afit Achseldriisenmetastasen. Sofort zur Amputation geschickt. Einen Monat spi~ter erscheint Pat. zur postoperativen Bestrahlung bereits mit Supraclaviculardriisenmetastasen.

Fall 2. Kr.-Bl. Nr. 2294. 63j~hrige Frau, vor einem Jahr Tumor bemerkt, der nach einem halben Jahr

ulceriert war; dann 5 Monate bei einem HomSopathen in Behandlung. Jetzt : apfelgroBer, ulcerierter, unverschieblicher Tumor mit barren Achseldriisen. Tumor und Ulcus gingen unter R6ntgen- und Radiumbehandlung stark zuriick. 5 Monate naeh Beginn der Behandlung Spontanfraktur des Oberschenkels.

Fall 3. Kr.-B1. ~'r. 2039. 52j~hrige Frau; vor einem Jahr Stol3; seit a/4 Jahr kleine, erbsengrofle KnStehen

in der Brust; yore HomSoi~then mit HOhensonne behandelt. Jetzt : faustgrol~er Tumor und grol3es AchselhShlendriisenpaket.

Fal l 4. Kr.-B1. Nr. 1544. 51j~hrige Frau; vor 2 Jahren Achselh6hlenknoten bemerkt, z/2 Jahr spi~ter

Brustschwellung; dann beim HomSopathen. Jetzt : kindskopfgrol3er Tumor in der Brust mit AchselhShlen- und Supraclaviculardriisenmetastasen.

Fall 5. Kr. Bl. Nr. 1383. 61j~hrige Frau; vor l l /a Jahren Brustknoten bemerkt; vom HomSopathen

mit Dampfbi~dern behandelt. Jetzt : Cancer en cuirasse und Achseldriisen. Fall 6. Kr.-B1. Nr. 1331. 40j~ln~ge Frau; vor einem Jahr Knoten bemerkt; war beim Kurpfuscher.

Jetzt : Infiltration beider Mammae, HautknStehenaussaat, Ulcus reehts, Pleura- metastasen.

Fall 7. Kr.-B1. Nr. 1327. 43jiihrige Frau; vor 3 Monaten wahml3gq-oBen Tumor bemerkt; vom HomSo-

pathen mit Medizin behandelt. Jetzt : kleinapfelgroBer Tunmr, Aehsel- und Supraelavieularmet astasen.

72 A. Simons: Anamnestische Ergebnisse bei Mammacarcin0men

Aber auch dann, wean der Kranke sich zum Arzt begibt, ist oft das Spiel noch nicht gewonnen. So ist bei 5 Kranken dieser Statistik, wie eingangs bereits erwi~hnt, vom Arzt die richtige Diagnose versp~itet gesteltt worden. 9 Frauen lehnten die Operation ab, nachdem bei 2 yon diesen bereits eine Probeexcision, durch die ein Carcinom einwandfrei festgestellt wurde, vorhergcschickt war. Von diescn lie8 sich spi~ter eine Frau, nachdem sic crst zum Kurpfuscher gegangen war (Fall 1 oben) noch operieren, als es zur Operation eigentlich wohl schon zu spi~t ge- wesen sein mu0. 3 yon diesen Krankcn suchten die Strahlenbehand- lung erst auf, als auch diese ihnen yon vornherein keine Ret tung mehr bringen konnte (PIeurametastasen, bzw. ausgedehnter Cancer en cui- rasse).

I s t eine Radikalopcrat ion erfolgt oder eine Strahlenbehandlung mit gutem Erfolge eingeleitet, dann hMt sich oft der Kranke fiir v511ig geheilt, k o m m t zu den angesctzten Termincn nieht wieder, und taucht meistens erst dann wieder auf, wenn sein Zustand desolat gewordea ist. Welche Indolcnz an Brustkrebs operierte Frauen an den Tag legen kSnncn (falls nicht mangelhafte Aufklarung dureh den Arzt hier die Schuld tri~gt), zeigt ein Fall, in dem eine wegen Brustkrebs radikaloperierte Frau mehrere Jahre dem Wachsen eines neuen Tumors in der nicht ampu- tiertcn Brust zusah, ohne wieder zum Arzt zu gehen. Eine andere Frau kam wcgen einer seit 3 Wochen bestehenden Li~hmung der rcchten Hand zu uns, die sieh als eine durch umfangreicbes Supraclavicular- driisenrezidiv nach Radikaloperat ion verursaehte Radialisli~hmung her- ausstellte.

Aus alldem geht hervor, daft solange wir m i t unsercn Hauptheil- mitteln beim Carcinom nur lokale Wirkungen erzielen kSnnen, eine Ver- besserung der KrebsstatistiIc in erster Linie von einer sachgemg]3en und weit awsgedehnten Au/lcldrung aUer Volksschichten zu erwarten ist. Wenn ein groller Tell der Brustkrebskrankcn eine Anamnese aufweisen wird wie der von uns behandelte Fall Kr.-B1. Nr. 1985, der eine 60j~hrige Pfarrersfrau betrifft, die sich 2 Tage naeh der Entdeckung eines kleincn KnStchens in der Mamma operieren liei~ und 12 Tage naeh der Operat ion sich zur Bestrahlung einfand (seit fiber 2 Jahren rezidivfrei in Beobachtung geblieben), dann dfirften auch die Heilcrfolge mit den zurzeit vorhandencn therapeutischen Mitteln bessere werden. Es sei aueh an dieser Stelle auf das vom Deutschen Zentra]komitee zur Er- forsehung und Bekiimpfung der Krebskrankhei t herausgegebene ,,Krebsmerkblatt zu~" Aufkl(irung des Volkes iiber die Krebsl~.ankheit" hingewiesen, dessen weiteste Verbreitung wihlschenswert ist. Wir selbst konnten in letzter Zeit die erfreuliche Feststcllung machen, daft sich h~iufiger als frfiher fiber Krebs Aufgekl~rte, besonders auch jfingere Frauen und M~idchen der Arbeiterklasse, bei uns zur Untersuchung

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und Beratung eiIffanden, von denen die Mehrzahl durch Mastitis, Mammaekzem, kleine benigne Tumoren odor Naevi beunruhigt worden waren.

:Die Bedeutung der Friihdiagnose fiir den therapeutischen Erfolg ergibt sich aus oben Gesagten yon selbst. Auch ist es unbedingt erforder- lich, dal~ der Arzt jeden Kranken in eindringlicher und verstandiger Weise, ohne ihn jedoch allzu sehr zu beunruhigen, auf die Art und Schwere seines Leidens und auf die Folgen einer Vernachl~ssigung der Erkrankung hinweist, damit in Zukunft seltener als bisher durch vor- zeitigen Abbruch der Behandlung und :Niehterscheinen der Kranken zu den angesetzten :Nachuntersuehungsterminen die v611ige I-Ieilung vereitelt wi~d.

Uber die Art des anzuwendenden therapeutischen Ver]ahrens, ob Operation odor Strahlentherapie, muff in }edem einzelnen Falle au] Gr~end genauester Indikationsstellung an Hand des klinischen Be/undes und unter Beri~cksichtigu~. der oben dargelegten, aich aus den ana- mnestischen Erhebungen ergebenden Gesichtspunkte entschieden werden. Die Aufstellung allzu scharf geschiedener Indikationen fiir das eine oder das andere therapeutlsche Verfahren diirfte eher Naehteile als Vorteile mit sich bringen. Nur yon dem ttand-in-Hand-Arbeiten des Chirurgen and des Strahlentherapeuten ist die segensreichste Therapie beim Brustkrebs zu erwarten. Daneben ist die Allgemeinbehandlung der Kranken in richtiger Weise zu wiirdigen. ])as in unserem Institut grunds~itzlich angewendete chemotherapeutische Behandlungsverfahren mit Amen- und Jodpriiparaten scheint zur Unterstiitzung der chirurgischen und Strahlenbehandlung sehr geeignet und daher empfehlenswert zu sein.