antiÖkonomie und antipolitik

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  ANTIÖKONOMIE UND ANTIPOL ITIK  Zur Reformulierung der sozialen Emanzipation nach dem Ende des "Marxismus" 1. Der Politizismus und die Frage der emanzipatorischen Keimform Das Elend einer radikalen Kritik des warenproduzierenden Systems, d.h. der "auf dem Wert beruhenden Produktionsweise" (Marx) scheint es zu sein, daß sie keine historische Praxis (nicht zu verwechseln mit praktizistischer Handwerkelei) darstellen, keinen Anfang machen, keinen Übergang finden, sich dem Normalund Massenbewußtsein nicht erklären kann und deswegen zu einem esoterischen Dasein verdammt bleibt, das in den gesellschaftlich abgelegenen Gefilden der rein theoretischen Reflexion oder gar der philosophischen Spekulation angesiedelt ist und womöglich in ein merkwürdiges Sektenwesen ausläuft. Ob und wie eine emanzipatorische Vergesellschaftung ohne die fetischistischen Formen von Ware und Geld möglich sein kann, bleibt ein Buch mit sieben Siegeln. Daran ist der minoritäre Marxismus, der sich bisher überhaupt "irgendwie" als wertkritisch verstanden oder die Wertkritik mehr oder weniger vage hat anklingen lassen, keineswegs unschuldig. Denn diese Sorte marxistischer Kritik des "Warenfetischismus", die sich auf den jüngeren Lukacs von "Geschichte und Klassenbewußtsein", auf die Kritische Theorie von Adorno und Horkheimer oder teilweise auch auf die französischen Situationisten um Guy Debord zurückführt, hat entweder bewußt auf eine Zuspitzung und Konkretisierung der Kritik am Fetischismus der modernen politischen Ökonomie vornehm verzichtet oder in ihrer praktischen Wendung eher existentialistische Züge anklingen lassen, wenn sie nicht gar (wie Lukacs) auf eine verschämte Apologie des realsozialistischen warenproduzierenden Systems eingeschwenkt ist. Der neuere Linkskommunismus wiederum mit seinen teils maoistischen, teils aus dem italienischen "Operaismus" stammenden Ingredienzen ist über eine bestenfalls platonische Kritik der "Ware

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 ANTIÖKONOMIEUNDANTIPOLITIK

 Zur Reformulierung der sozialen Emanzipation nach dem Ende des

"Marxismus"

1.DerPolitizismusunddieFragederemanzipatorischenKeimform

Das Elend einer radikalen Kritik des warenproduzierendenSystems, d.h. der "auf dem Wert beruhenden Produktionsweise"(Marx)scheinteszusein,daßsiekeinehistorischePraxis(nichtzuverwechseln mit praktizistischer Handwerkelei) darstellen, keinenAnfang machen, keinen Übergang finden, sich dem Normal‐ undMassenbewußtsein nicht erklären kann und deswegen zu einemesoterischen Dasein verdammt bleibt, das in den gesellschaftlichabgelegenenGefildender rein theoretischenReflexionodergarderphilosophischen Spekulation angesiedelt ist und womöglich in einmerkwürdiges Sektenwesen ausläuft. Ob und wie eineemanzipatorische Vergesellschaftung ohne die fetischistischenFormenvonWareundGeldmöglichseinkann,bleibteinBuchmitsiebenSiegeln.

DaranistderminoritäreMarxismus,dersichbisherüberhaupt

"irgendwie" als wertkritisch verstanden oder die Wertkritik mehroder weniger vage hat anklingen lassen, keineswegs unschuldig.Denndiese SortemarxistischerKritikdes"Warenfetischismus",diesich auf den jüngeren Lukacs von "Geschichte undKlassenbewußtsein", auf die Kritische Theorie von Adorno undHorkheimeroderteilweiseauchaufdiefranzösischenSituationistenum Guy Debord zurückführt, hat entweder bewußt auf eineZuspitzung und Konkretisierung der Kritik am Fetischismus dermodernen politischen Ökonomie vornehm verzichtet oder in ihrerpraktischenWendungeherexistentialistischeZügeanklingenlassen,wenn sie nicht gar (wie Lukacs) auf eine verschämte Apologie desrealsozialistischenwarenproduzierendenSystemseingeschwenktist.Der neuere Linkskommunismus wiederum mit seinen teilsmaoistischen,teilsausdemitalienischen"Operaismus"stammendenIngredienzenistübereinebestenfallsplatonischeKritikder"Ware‐

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Geld‐Beziehungen" ohne philosophiekritisch und anti‐ökonomischfundierte Kritik der Wertform nie hinausgekommen und bei ganzkrudenVorstellungen stehen geblieben, die inder Praxis nichtvielmehr als eine hedonistische Maskierung der alten

Arbeiterbewegungs‐Ideologiewaren.Diese Randströmungen des heute historisch gewordenen

Marxismus,die inderReformulierungderNeuenLinkensogareineZeitlang dominierten und schillernde Amalgamierungen eingingen,haben (wie in der "Krisis" schon mehrfach angesprochen) einesgemeinsam:sieweigernsichstandhaft,dielogischeFormel"negatioest determinatio" anzuerkennen; d.h. sie schweigen wie das Grabüber die konkrete Aufhebung der fetischistischen, vom Wert

gesetzten Formbestimmtheit kapitalistischer Reproduktion. DieseIgnoranz,diejazunächsteinmalselbereinetheoretischeist,speistsichdaraus,daßdieFragederAufhebungauseinandergerissenwirdin die reine Negation einerseits ("hiermit erklären undunterschreibenwir,daßwirgegendenKapitalismus/Imperialismussindund ihn stürzenwollen")und ineinen inhaltlich völlig leeren,erstpostkapitalistisch(nachdem"Sturz"derkapitalistischenMacht)in Gang zu setzenden Praxis‐Pragmatismus der "befreitenGesellschaft"andererseits.

Man könne alsdann,wenn die Schwierigkeit der Machtfrageüberwunden sei, ganz leicht und geradezu nach dem Muster vonReklamesprüchen ("dann geht alles wie von selbst") die vomKapitalismus hervorgebrachten Produktivkräfte zum Wohle allerregulieren.DiebeidenFossiledesLinksradikalismusunddesgrünenEx‐Fundamentalismus in der BRD, Rainer Trampert und ThomasEbermann, sollen sich auf Veranstaltungen angeblich sogaranheischig machen, das Programm dafür in einer Viertelstunde

schreiben zu können, aber das sei angesichts des ungebrochenherrschendenKapitalismusgarnichtdasProblem.

So wird eine wirkliche Aufhebungsbewegung nicht denkenkönnen. Zwischen Kapitalismus und Nicht‐Kapitalismus liegtkeineswegsbloßdieFragederMachtbzw. "Verfügungsgewalt".DieAufhebung der warenförmigen Reproduktion ist keine mehr oderweniger technisch‐organisatorische Angelegenheit nach der(politischenundjuristischen)"Enteignung"derKapitalisten,sondern

die Aufhebung aller vom Wert bzw. der geschlechtlichen "Wert‐Abspaltung" (R. Scholz) strukturierten sozialen Beziehungen und

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Bewußtseinsformen. Und das geht weder leicht und reibungslos(weil das Massenbewußtsein ebenso wie das theoretischeBewußtsein in einem jahrhundertelangen Prozeß warenförmigkonditioniert worden sind) noch als eine erst postkapitalistische

Umpolung. Vielmehr ist schon die Bewegung radikaler Kritik undsozialerEmanzipationvomkapitalistischenIstzustandausüberhauptnur denkbar durch den bestimmten Ansatz eines begreifbaren"Anderswollens", weil sonst gar keine Negation und gar keinegesellschaftlicheVermittlungmöglichwären;unddieserAnsatzkannkeineswegs in der Form einer moralischen oder metaphorischenUnbestimmtheit bis zu irgendeinem "Tag X" verharren, ohne mitkonkretenBestimmungenindieTheoriebildungeinzugehen.

Das gilt umso mehr, wenn die postkapitalistischeReproduktion nicht hinter die Höhe der kapitalistischenVergesellschaftung einfach zurückfallen, sondern diese ebenaufheben soll. Unter diesem Gesichtspunkt ist es erst rechtunmöglich, die Negation und die positive Aufhebungauseinanderzureißen. Wenn die Potenzen, die der Kapitalismusselbst hervorgebracht hat, in der kapitalistischen Form nur nochdestruktiverscheinenundwirken,mußangegebenwerdenkönnen,wiediesePotenzendennalsaufgehobeneanderswirkenunddurch

InstitutionendirektergesellschaftlicherKommunikationjenseitsderbürgerlichen, warenförmigen Vergesellschaftung reguliert werdensollen. Das ist bereits Voraussetzung, damit eineAufhebungsbewegungüberhauptinGangkommenkann.

Hierhergehörtauchalles,wasinderbürgerlichenÖkonomie

alsdasProblemeiner"AllokationderRessourcen"erscheint.Wiesolldas Zusammenwirken von Millionen von Menschen in derFunktionsteilung ihrerReproduktion,wie der Fluß der Ressourcen

vom Stahlwerk bis zur Kohlenschaufel konkret aussehen, wenn alldies nicht mehr die "unsichtbare Hand" der fetischistischenWertform bewerkstelligen kann? Diese Probleme der sogenanntenPlanung werden keineswegs in einer Viertelstunde vonGeistesgrößenwieTrampert/Ebermanngelöstwerden.

Selbst wenn aber die Planungsfrage neu formuliert und

jenseitsderFormenvonWareundGeldingrobenZügentheoretischund analytisch gelöst wäre, um überhaupt praktische

postkapitalistische Erfahrungen machen zu können, so stellt sichdoch immer gleichzeitig auch die Frage des Übergangs, der

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praktischen Transformationsbewegung, des berühmten"Herankommens" an eine nicht‐wertförmige Reproduktion, bevordiesesichaufihremeigenenBodenentwickelnkann.Woundwieistanzusetzeninnerhalbdervorgefundenenundzunächstdiegesamte

Reproduktion beherrschenden kapitalistischenVergesellschaftungsform, um in diese sozusagen von innen eineBreschezuschlagenundausihrherauszukommen,ersteSchrittezutun, einen formulierbaren Anfang der sozialen Emanzipation zusetzen?

DerMainstreamdesaltenArbeiterbewegungs‐Marxismushat

dieses Problem schlicht umgangen und durch ein anderes ersetzt:nämlich durch eine politizistische und etatistische Orientierung ander vorgeschalteten "Machtfrage" (vgl.dazuden Artikel "Krise undBefreiung‐BefreiunginderKrise"vonErnstLohoffin"Krisis"Nr.18).MitanderenWorten:Erorganisiertesichnichtreproduktivundlebensweltlich antikapitalistisch, sondern bloß politisch, alshistorischeabstrakte"Willenskundgebung"ohnerealereproduktiveVerankerung, und damit als "politische Partei" (und parallel dazugewerkschaftlich für den Kampf um systemimmanente

Gratifikationen). Alles wurde dem Ziel der politischenMachtergreifung untergeordnet, um dann folgerichtig "von oben",durchzentraleetatistischeEingriffe,diekapitalistischeReproduktiongewissermaßen sozialistisch‐planwirtschaftlich "umstülpen" zuwollen. Die politische Macht erscheint hier als der archimedischePunkt und ein alternativer Staatsapparat ("Arbeiterstaat") als derzentraleHebelderUmwälzung.

KeineswegszufälligverschwindetdabeidieFrageeinernichtmehr an den Wert gebundenen Reproduktion und des"Herankommens"andiesevöllig.Der KampfumsystemimmanenteGratifikationen, der per definitionem die bürgerlicheVerkehrsformnicht verläßt, wird für das "Herankommen" an die politische undinsofern ebenfalls systemimmanente Machtfrage genommen (als"Einübung"indiese);unddasistauchdurchausfolgerichtig,denndieMachtfrage als positive, als Frageder Errichtung eineralternativen

Staatsgewalt, verbleibt ja ebenfalls in der (politischen) SphärebürgerlicherVergesellschaftung.

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DerWertwirdaufdieseWeisenichtgeknackt,sondernzum

neutralen, ontologischen Gegenstand. Weg und Ziel, Reform undRevolution, gewerkschaftlicher Verteilungskampf und politischesProgramm können so bloß deswegen zu einer Einheitzusammengeschlossenwerden,weil sie als "Kampf ums TeewasserundumdieMacht im Staat" (Bertolt Brecht)mitHaut undHaar inder basalen bürgerlichen Reproduktionsform von Waren‐ undGeldbeziehungen eingeschlossen bleiben. Die Wertkritik imunaufgehobenenKontextdesArbeiterbewegungs‐Marxismus,dieaufihre Konkretisierung verzichtete, mußte zwangsläufig direkt oder

indirekt in diesem politizistischen Fahrwasser mitschwimmen undebendeshalbalsWertkritikesoterischundunvermitteltbleiben.Tatsächlich istdiealtmarxistische Vorgehensweise inbeiden

Fällen,obesoterischwertkritischundverschämtpolitizistischoderoffenwertontologischundetatistisch,soziemlichdieselbe:nämlicheine "uneigentliche", d.h. der Antikapitalismus erscheint nicht

(zunächst einmal auch nur der theoretisch herausgearbeitetenMöglichkeit nach) als formulierbare, ansatzweise darstellbaresozialökonomische Reproduktions‐ und Daseinsform jenseits desKapitalismus, die um ihr Existenzrecht kämpft und sich gegen dieherrschende Vergesellschaftungsform behauptet, sondern als bloßindirekteMobilisierungderabstraktenNegation,dienichtanundfürsichschonnicht‐wertförmigist,sondernaufeinzunächstäußerlichesabstraktes Ziel, einen transzendenten vermeintlichenUmschlagspunkthinarbeitet.

Die soziale Emanzipation bleibt so immer ein bloßes

Versprechen für eine imaginäre Zukunft. Erstmüssedas politischeTal der Tränen durchquert werden, bevor das gelobte Land des"Sozialismus" in Augenschein genommen und praktisch besetztwerden könne. De facto war dies in Wahrheit das Programm derwertförmigimmanentensozialenReformindenMetropolenundder

"nachholendenModernisierung"an derkapitalistischen Peripherie;diese beiden Optionen sind inzwischen weitgehend

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zusammengebrochen.DieVorstellungeinerpolitischzentriertenunddeswegen abstrakten Umwälzung im politischen Himmel statt aufdersozialökonomischenErdewaridentischmitderBefangenheitinderFetischformdesbürgerlichenVergesellschaftungsmodus.

DasProblem,dashieraufscheint,istdasder"Keimform".Der

historische Materialismus hat analytisch bewiesen und anerkannt,daßdiebürgerlich‐warenförmige,kapitalistischeVergesellschaftungalsKeimformimSchoßederfeudalenGesellschaftentstandenist.Siebegann nicht mit der politischen Revolution (etwa der großenfranzösischen), sondern weit früher, um sich nach einer bereits

langen Entwicklung erst allmählich als selbstbewußte Krafthinsichtlich der politischen Machtfrage geltend zu machen. Diesozialökonomischen Keimformen des Kapitalismus entwickeltensich,währendnoch langeZeit"darüber"und "daneben"die feudaleMacht bestand. Als in den bürgerlichen Revolutionen "die feudaleHülle gesprengt" wurde, war die bürgerliche, warenförmigeGesellschaftlichkeit schon praktisch da; nicht bloß indirekt alspolitische und negatorische Kraft, sondern direkt und positiv alsreale sozialökonomische Reproduktionsform. Die politische

Bewegung ging der neuen Reproduktionsform nicht als abstrakteund symbolische Willenskundgebung voraus, sondern war imGegenteil ihre sekundäre Konsequenz und ihre notwendigeErscheinungsform.

Es ist von großer Bedeutung, sich diesen historischen

SachverhaltvorAugenzuführen.DennderhistorischeMaterialismus

"kippt" sozusagen, sobald es umdie Bestimmung der sogenanntensozialistischenRevolutiongeht.Einerseitswirdblinddiebürgerlichepolitische Bewegungsform mit allen ihren Erscheinungenübernommen (vom Revolutionsbegriff bis zur politischen Partei),was auf den Charakter des alten Marxismus als lediglich zweitenDurchgang der bürgerlichen Aufklärung und der warenförmigenVergesellschaftung verweist. Andererseits aber kann sich dieserImpuls gerade deswegen nicht auf eine bereits existente nicht‐bürgerliche, nicht‐warenförmige Reproduktionsform stützen. Die

Lebenslüge des Arbeiterbewegungs‐Marxismus verrät sich durchdiesen Mangel einer real existierenden Keimform. Der an sich

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bürgerlichen Bewegungsform der politischen Aktion konnte keinenicht‐bürgerliche, nicht‐warenförmige soziale Existenzformentsprechen.

Aus der Not wurde eine Tugend gemacht, aus dem

bürgerlichen Charakter der politischen Fixiertheit ein besonderersozialistischerCharakterderTransformation.Angeblichsollteesdasspezifische Merkmal der sozialistischen im Unterschied zurbürgerlichenUmwälzungsein,daßsiekeinerealeKeimformhabenkönne. Die zu transformierenden Potentiale der kapitalistischenProduktivkraftentwicklung sollen aufgrund ihres "totalen",

gesamtgesellschaftlichenCharaktersnichtimMaßstabeinersozialenundkommunikativenKeimformjenseitsderWertvergesellschaftungdarstellbar und mobilisierbar sein, sondern nur im Maßstab derunmittelbargesamtgesellschaftlichenOrganisation.

Also: "alles oder nichts", totale Unmittelbarkeit der

UmwälzungodertotaleUnmittelbarkeitderherrschendenWertform,

keine vermittelnde sozialökonomische Bewegung dazwischen.Stattdessen bloß die politische, also positiv staatsbezogeneBewegungeinesdemKapitalverhältnisinhärentenWiderspruchs,dieihrem Wesen nach im Bannkreis der kapitalistischen Kategorien(Wert, Ware, Geld, Kapital, Lohn, Staat, Demokratie) verbleibenmußte.PraktischwurdedaraushinsichtlichderZielbestimmungeinebürokratischeVision, die nur imKontextdes sozialdemokratischenund "kommunistischen" Staatsfetischismus Plausibilität gewinnenkonnte,nämlichalssozialistischeUntertanen‐Ideevom"guten"Staat,

vom "Arbeiterstaat", oder, um es polemisch zu formulieren, vomeschatologischen "DrittenReich" der "blauen Ameisen" imZeichengigantomanischverstandenerProduktivkräfte.

Diese in vieler Hinsicht mehr kathedersozialistisch‐

lassalleanische alsMarxsche Idee (aberauchMarx und namentlichEngels selber waren keineswegs völlig frei davon) erstickte unter

tatkräftiger Mithilfe der sozialistischen Partei‐ undGewerkschaftsapparate,derenTypologieschonimmerhabituellein

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Gruselkabinett proletarischer Eisenbahner‐Uniformiertheit,preußischerStechschritt‐MentalitätundüberhaupteinerAutoritäts‐und Staatsgläubigkeit von "Armeen der Arbeit" darstellte, alleAnsätze einer "antiökonomischen", selbstbestimmten Reproduktion

gegen die Zwänge des totalitären warenproduzierenden Systems.Alles Einschlägige, in welcher unausgegorenen Form auch immer,erschien als Konkurrenz zur politischen "Machtergreifungs"‐StrategieundzumameisenstaatlichentotalenPlanwirtschafts‐Ansatz"vonoben"(aufweiterhinwarenförmigerGrundlage).

Eswäre freilich ungerecht, dieses Verdikt einseitig über die

politischenundgewerkschaftlichenApparatederArbeiterbewegungauszusprechen, so groß ihr Anteil an der Verdunkelung und amZertrampeln der unsicheren, unausgereiften und schwachen"Keimform"‐Ansätze auch war. Denn umgekehrt brachten die alteGenossenschaftsbewegungseitdem19.Jahrhundertebensowiediesogenannte Alternativbewegung der Neuen Linken seit den späten70erJahrenwieausdemLehrbuchdesMarxismustatsächlichalldashervor, was ihnen die Politikaster und Staatsplanungs‐Fetischistenimmer schon vorgeworfen hatten:massive Kleinbürgerlichkeit und

Klitschenmentalität,AbwendungvonjedergesamtgesellschaftlichenPerspektive, technologische Rückständigkeit und Selbstausbeutung,VerblödungdesLandlebens;schließlichRückkehrindenSchoßderbürgerlichen Gesellschaft qua Bankrott oder qua kapitalistische"Professionalisierung".

Was zurückblieb, waren im Fall der älteren

Arbeiterbewegungs‐Genossenschaften stinknormale kapitalistischeKonzernewie Co‐opoderNeueHeimat, die sichbekanntlichdurchbesondere Anfälligkeit für Korruptionsskandale blamierten. DieReste der jüngeren Alternativbewegung dagegen besetztenhauptsächlich Marktnischen im Kasinokapitalismus durchhandwerkliche Luxusproduktion für eine betuchteHonoratiorenkundschaft, durch Edel‐ und Ethno‐Gastronomie,Kultur‐undSozialarbeitsklitschen(kommerzielloderamStaatstropf)usw. Hier hat sich ein klassisches Mittelstands‐ und neues

Spießbürgerpotential übelster Sorte zusammengebraut, dasentweder den keynesianischen Umverteilungsgeldern

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hochkonkurrentnachjammertodergarlängstwieder"stolz"aufsein"selbsterarbeitetes" und selbsterrafftes Kleineigentum ist,protestantischenArbeitsmasochismuspflegtundpolitischzwischenkommunaler SPD‐Mafia und grünen Realos angesiedelt ist. Daraus

kann auch noch bei weitergehender Krise ein Zulauf für denrechtsradikalen oder "linken" Sozialnationalismus kommen. ZwargibtesunterdenRestenderAlternativbewegungauchMenschen,diesich ihren emanzipatorischen Anspruch und die radikaleGesellschaftskritiknichtabgeschminkt haben, aber sie finden dafürinihremeigenenMilieukeinensozialenBodenmehr.

Eskannalsonichtdarumgehen,gegendengescheitertenundsowiesoniemals emanzipatorischen Staatssozialismusungebrochenund unvermittelt die Ideen der Genossenschaftsbewegung des 19.Jahrhunderts oder der Alternativbewegung der frühen 80er Jahrewiederauszugraben.GanzimGegenteilgiltes,diefalschePolaritätvon staatsökonomischem Politizismus und kleinbürgerlichemKlitschen‐undSchrebergarten‐Sozialismuskritischaufzuheben.DieFrage ist, ob es gelingen kann, die radikale Wertkritik theoretischund praktisch an die sozialökonomische Keimform einer

Transformation heranzuführen, die einen Weg aus denfetischistischen Strukturen heraus findet. Eine solcheProblemstellung ist nicht nur theoretischen und praktischenSchwierigkeiten(zumalineinerSituationderkasinokapitalistischenWindstille und der offenbar völligen Paralyse spontanerBewegungen),sondernauchdemTrägheitsmomentdesaltenlinkenScheinradikalismus und seiner noch immer vor sichhingrummelndenÜberresteausgesetzt.

DenndiegesamtebisherigeKritikdiverserLinksradikalismen

am Mainstream der alten Arbeiterbewegung umgeht ihrerseitssystematisch das Problem der Keimform einer VergesellschaftungjenseitsderWarenproduktion.WieihrestaatssozialistischenGegnerignorieren die Altlinksradikalen die Frage der basalenFormbestimmtheit völlig, um entweder auf eine unausgewiesenebürgerlich‐aufklärerische Subjekt‐Emphase "der Klasse" bzw. des

"Klassenkampfs"auszuweichen oderdenbürgerlichenRevolutions‐PolitizismuseinesbemoostenJakobinertumsbloßineinerbesonders

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martialischen Form zu präsentieren. Der explizit antistaatlicheLinksradikalismus etwa anarchistischer Provenienz (auch daraufwurdeinder"Krisis"schonmehrfachhingewiesen)bleibterstrechtan den unaufgehobenen Vermittlungsformen des

warenproduzierenden Systems und damit am anderen Polbürgerlicher Subjektivität kleben, wobei der an Proudhonanknüpfende Argumentationsstrang sogar offen für (tendenziellantisemitische) Formulierungen einer verkürzten Kritik deszinstragendenKapitalsist.

SelbstdieAnsätzederPariserKommunevon1870undderim

spanischen Bürgerkrieg untergegangenen Anarchisten haben keineausgewieseneIdeenicht‐warenförmigerReproduktionhinterlassen,obwohlesimmernocheineAufgabeist,dieseGeschichtekritischzurekonstruieren, umeine neue, über dieWarenform hinausgehendeEmanzipationsbewegung historisch reflektiert auszurüsten. Amallerwenigsten sind dazu offenbar die restlichen "orthodoxen"NachlaßverwalterderKritischenTheorieinderLage,dieimZustandeiner vermittlungsunfähigen Paralyse verharren wollen, um dasProblemimSchwebezustandesoterischerReflexionzubelassenund

jedenanzupinkeln,derdarüberhinausgehenwill.

2. Der Begriff der Produktivkräfte und diemikroelektronischeRevolution

WennwirunsvondenGespensternderVergangenheitnichtschrecken lassen, müssen wir versuchen, sozialökonomischeBestimmungen einer Keimform jenseits der Warenproduktion aufderHöhedesheutigenVergesellschaftungsgradesherauszuarbeiten,ohne einem kruden Praktizismus zu verfallen. Es geht alsokeineswegs um unmittelbare Handlungsanweisungen (die ja auchnur im Kontext einer sozialen Bewegung entwickelt werdenkönnten), sondern um selber theoretische und analytische

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VorüberlegungenfüreineKonkretisierungderWertkritik.DieFrageder KeimformeinernichtmehrüberWaren‐ undGeldbeziehungenvermitteltenReproduktionisthistorisch,analytischundtheoretischeinzukreisen.

Dabei können wir durchaus von einer bekannten

marxistischenProblemstellungausgehen,nämlichvonderFragederProduktivkräfte und ihrer Beziehung zu denProduktionsverhältnissen.Esistjedochkeineswegsnotwendig,einedeterministische Abfolge von "immer fortschrittlicheren"Gesellschaftsformationen anzunehmen, deren Krönung schließlich

der "Sozialismus"seinsoll.IngewisserWeisekannmansagen,daßdieProduktivkräfteimmerentwickeltwerden,weildermenschlicheGeist nie stillsteht; nur kann diese Entwicklung natürlich in ganzverschiedene Richtungen gehen (und sich z.B. auch von derProduktion im kruden ökonomischen oder dinglichen Sinneabwenden, wenn wir die gesellschaftliche Reproduktion und ihre"Kräfte" in einem umfassenden und daher auch kulturellen Sinneverstehen). Über die Richtung des Entwicklungsprozesses wird ingesellschaftlichen Auseinandersetzungen entschieden. Insoweit

könnte man sagen, daß im Spätmittelalter nach der Pestzeitkeineswegsentschiedenodergardeterminiertwar,daßalsnächstesder Kapitalismus "dran" zu sein hatte. Zu diesem Zeitpunktwarenauch ganz andere Entwicklungsrichtungen möglich, die nichtunbedingt zumKapitalismus (aberauchsicher nichtunmittelbarindie Emanzipation von fetischistischen Verkehrsformen) führenmußten.Das ist einehistorischeFrage,die zuuntersuchenlohnendwäre, weil sie ein Kontrastmittel gegen den starren historischenDeterminismus nicht zuletzt altmarxistischer Provenienz liefern

kann.Bei eineranderenRichtungund Formder Entwicklunghättesich natürlich auch die Frage der sozialen Emanzipation andersgestellt.

Nachdem sich aber nun einmal der Kapitalismus mit seiner

spezifischenFormderProduktivkraftentwicklungspätestensseitderMitte des 19. Jahrhunderts durchgesetzt hatte, konnte von diesem

ZeitpunktandieFragedersozialenEmanzipationundderAufhebungeinerblinden,unbewußtenGesellschaftlichkeitauchnurnochinder

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Form einerAufhebung des spezifisch kapitalistischen FetischismusundseinesModusderVergesellschaftungformuliertwerden.Daaberandererseits die vom Kapitalismus installiertenwarenfetischistischen Produktions‐ und Bewußtseinsformen in

seiner langen Durchsetzungsgeschichte beherrschend gewordenwarenundauchdasDenkenderGesellschaftskritikbestimmten(derArbeiterbewegungs‐Marxismus legt davon unübersehbar Zeugnisab),mußtedieseFormulierungderEmanzipationzunächstimSchoßder Geschichte verborgen bleiben und eine lange Inkubationszeitdurchlaufen.FüreineganzeEpochekonntenurnochdiehistorischeUngleichzeitigkeit innerhalb der Hülle des modernenwarenproduzierenden Systems abgearbeitet, also die Frage derEmanzipation nur in jenem verkürzten, formations‐immanenten

Sinne gestellt werden, der als bürgerliche Emanzipation derArbeiterklasse zu Staatsbürgerlichkeit und Sozialreform bzw. alsbürgerlicheEmanzipationeiner"nachholendenModernisierung"beiden historischen Nachzügler‐Gesellschaften der kapitalistischenPeripherieinErscheinungtrat.

Diese Konstellation, deren Erbschaft uns heute belastet, ist

keineswegs einer ontologischen Prädetermination geschuldet,sondern sie ist selber das Resultat einer ursprünglich offenen,umkämpften Geschichte. Nachdem aber das warenproduzierendeSystem gewaltsam durchgesetzt und zur allgemeinenBewußtseinsform geworden war, trat das ein, was Marxgeneralisierend für gesellschaftliche Prozesse gesagt hat: Ist einSystem einmal historisch installiert, dann kann es nicht mehrrückgängiggemachtwerden;esmußsozusagenseinenLebenszyklusdurchlaufen,bisessicherschöpfthatundanseineinnerenGrenzen

stößt. Diese Grenzen sind erreicht, wenn dieProduktivkraftentwicklung an einen Punkt führt, an dem dieProduktivkräfte mit den Produktionsverhältnissen unverträglichwerden. Dann bricht die versteinerte Hülle der objektiviertengesellschaftlichen Formen in katastrophischen Eruptionengewaltsam auf und kann durchbrochen werden, um zu neuen,höheren Formen der Vergesellschaftung überzugehen, die mit denneuenProduktivkräftenvereinbarsind.

An diesem Schema des "historischen Materialismus" ist zukritisieren, daß es vorschnell überhistorisch verallgemeinert, was

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wahrscheinlich so nur für die spezifisch kapitalistische Geschichtegültigist.Dawiresaberimmernochmitdieserzutunhaben,kanndasMarxscheSchemaauchnichteinfachverworfenwerden.Dennesist keineswegs "objektivistisch", wie es selbst linkeKritiker immer

wiederunterstellthaben,sondernrechnetnurmitdentatsächlichenObjektivierungendesFetischismus,diegleichzeitigalsgrundsätzlichüberwindbarerkanntwerden.WenndieseÜberwindungselbernochein Moment von historischer Bedingtheit aufweist, so ist dies dasnotwendige Moment einer Bewegung von Kapitalismus zu Nicht‐Kapitalismus, von Fetischismus zu Nicht‐Fetischismus. EineunbedingteAufhebungderBedingtheitwäreeinWiderspruchinsich.Der Arbeiterbewegungs‐Marxismus blieb nicht deswegen imBannkreis der bürgerlichen Gesellschaft, weil er das Moment der

Bedingtheit anerkannte, sondern weil sein Bewegungsschritt nichtüberdieFetischformdesWertshinausführenkonnte.Das Marxsche Schema von der Rolle der Produktivkräfte

wurde vom historischen Marxismus daher nur hinsichtlich derBinnengeschichte des warenproduzierenden Systems mobilisiert,nicht jedoch bezüglich der Aufhebung dieses Systems selbst. Dennder Widerspruch von Produktivkräften undProduktionsverhältnissenführtzwarerstamEndedersystemischen

Entwicklungsgeschichte zur absoluten Systemkrise und an dieSchwellederAufhebung;abererwargleichzeitigauchvonAnfangander innere Motor der kapitalistischen Entwicklung selbst, die zurelativen Krisen ("Durchsetzungskrisen") führte und obsoletgewordene historische Binnenformationen deswarenproduzierenden Systems aufhob, ohne dessen basale Formselber antasten zu können. Nur in dieser "schwachen" Versionkonnte der Marxismus den Marx'schen Begriff der Transformationverstehen,weilerinderunausgeschöpftenEntwicklungsgeschichte

derModerne gefangenwar. Deshalb trat der Sozialismus das Erbedes Liberalismus an, wie dieser das Erbe des Absolutismusangetreten hatte: protestantisch‐calvinistische Reformation undabsolutistische Zentralisierung, Französische und AmerikanischeRevolution,RussischeOktoberrevolutionundantikolonialenationaleBefreiungsbewegungen bilden eine einzige Kette derDurchsetzungsgeschichte warenförmiger Vergesellschaftung, in derjedesMomentderEmanzipationvoneinemjeweilsfrüherenZustandimmer gleichzeitig eine neue Stufe der Repression und

Entmündigungdarstellte.

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Als Paradigmen der sozialen Emanzipation sind derStaatssozialismus des Ostens und der Befreiungsnationalismus desSüdens heute so gründlich desavouiert, daß nur noch historischeIdioten an den daraus hervorgegangenen "schwachen"

Transformationsbegriffen festhalten können. Wenn wir denUntergangdieserParadigmenihrerhistorischenEinordnunggemäßnichtals"Sieg"deswestlichenKapitalismus(miß)verstehen,sondernalsBeginneinerabsolutenKrisedeswarenproduzierendenSystemsdechiffrieren,anderenEndejenehistorischeEntwicklungskettederWertform reißt, dann wird damit auch die "starke" Version desMarx'schen Transformations‐Schemas fällig. Auf der Ebene derProduktivkräfteisteszweifellosdieMikroelektronikalsuniverselleRationalisierungs‐ und Kommunikationstechnologie, die an die

Schwelle einer höheren, nicht mehr systemimmanenten Art derTransformation geführt hat. In demselben Maße, wie diemikroelektronischeRevolutionzurProduktivkraftderKrisefürdaswarenproduzierendeSystemwird,kannsieauchzurProduktivkraftder sozialen Emanzipation von den fetischistischen Formen desWertswerden.

Damit ist schon ein erster entscheidender Unterschied zur

Alternativbewegung der 70er und 80er Jahre gesetzt. Denn die

damaligen Vorstellungen einer "anderen Produktions‐ undLebensweise" waren durchwegsmit einer reaktionären "Kritik derProduktivkräfte" verbunden. Mikroelektronik, Computer undPotentiale der Automatisierung in der industriellen Produktionwurdenverteufelt.DieseProduktivkraftkritikkonnteundwolltedieFrage der sozialen Emanzipation nicht an die Aufhebung der"abstrakten Arbeit" binden, sondern umgekehrt an derenRückführung auf ein historisch tieferes Niveau. Damit blieb dieAlternativbewegung aber auch dem System der "Arbeitsplätze"

verhaftet;sieergriffdieParteider(vermeintlichalternativundsozialbefriedigend auszugestaltenden) "Arbeit" gegen die vomKapitalismus hervorgebrachten Produktivkräfte. Auf diese Weisewurde sie sogar kompatibel mit konservativen undkulturpessimistischen Ideologien, die schon seit dem späten 18.Jahrhundert etwa in Gestalt der literarischen, politischen undsozialökonomischen Romantik das Rad der Geschichtezurückzudrehenversuchten.IndenmeistenFällenwurdedabeinurinnerhalb der kapitalistischen Durchsetzungsgeschichte irgendein

früherer Entwicklungsstand phantasmatisch verklärt und in eine"schwarze",reaktionäreUtopieverwandelt.DieAlternativbewegung

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warmitdempolitischenundkulturellenKonservatismuszwarnichtidentisch;aberindemsiedieFragedersozialenEmanzipationnachrückwärtsgewandtgegendieProduktivkräftelösenwollte,wurdesiezumEinfallstorauchfürpolitischkonservativeIdeeninden"neuen

sozialenBewegungen".InderParteiderGrünenistvonderDebatteder frühen 80er Jahre fast nur noch das koalitionspolitischeLiebäugeln eines "wertkonservativen" Klüngels mit derRegierungsparteiCDUübriggeblieben.

Im Gegensatz dazu wird eine neue radikale

Emanzipationsbewegung in diesem Punkt zu Marx zurückkehren,also im Sinne der "starken" Transformation die Partei dermikroelektronischen Produktivkräfte gegen die

ProduktionsverhältnissedesKapitalsnehmen.Aberdaskannkeineunreflektierte, bloß äußerlich mit der Kritik an der Wertformaufgeladene Verlängerung des alten Marxismus und seinerFetischisierung der Produktivkräfte sein. Dies betrifft sowohl denBegriffderProduktivkräfteselbstalsauchdieFrageihrerBedeutungfüreinetransformatorischeKeimformnicht‐warenförmigersozialerBeziehungen.UndindieserHinsichtistdannauchwiederüberMarxselbst hinauszugehen. Es muß sich also um eine "aufhebende"Rückkehr zum "starken" Marx'schen Begriff der Transformation

handeln,nichtumeineplatteWiederholung.Gerade dieses Problem wollen und können die

übriggebliebenen Vertreter des "orthodoxen" Marxismus und derKritischen Theorie nicht begreifen. Sie bilden sich ein, dieProduktivkraftkritik der Alternativbewegung mit einer bloßenWiederholung marxistischer Essentials über das Verhältnis vonProduktivkräften und Produktionsverhältnissen abwatschen zukönnen.DabeiübersehensieeinentscheidendesMoment,dasschon

immer eine Schwachstelle des Marxismus ausgemacht hatte: dieTatsachenämlich,daßdieKritikanNaturwissenschaft,TechnikundIndustrialismus nicht bloß reaktionär und irrational ist, sondernauch keineswegs zu Unrecht den destruktiven und repressivenCharakter der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung moniert(vgl. dazu den Artikel "Weltgesellschaft ohne Geld" von NorbertTrenkle in "Krisis" Nr. 18). Der Marxismus wollte dienaturwissenschaftlicheundtechnologischeSeitederModernisierunggänzlich von der Repression freisprechen und diese allein dem

kapitalistischen Privateigentum und Profitstreben anlasten (das erebenfalls nur soziologisch verkürzt begreifen konnte).

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Naturwissenschaft, Technik und Industrie sollten also gänzlichunverändertinden"Sozialismus"übernommenwerden.

Dies entspricht aber gerade der "schwachen" Version einer

bloß binnenhistorischen Transformation, in der demMarxismus/Sozialismus ähnlich wie seinem noch schwächerenkeynesianischen Vetter für eine bestimmte Epoche unfreiwillig dieAufgabe zufiel, die damals fortgeschrittensten (fordistischen)Produktivkräfte für einen neuen Entwicklungsschub deswarenproduzierenden Systems zu repräsentieren. Die destruktiveund repressive Seite des kapitalistischen Gebrauchswerts inProduktionundKonsumtionkonntedaherebensowenigindieKritikeinbezogen werden wie die basale fetischistische Form des Werts.

Daraus ergibt sich notwendig ein doppelter Zusammenhang: einebinnengeschichtlichbeschränkteKritiklediglichobsoletgewordenerEntwicklungsstufen des noch unausgeschöpftenwarenproduzierenden Systems und eine blinde Affirmation derjeweils neuesten stofflich‐technischen Gestalt des Kapitals gehörenebensountrennbarzusammenwieumgekehrteineradikaleKritikander basalen Form des Werts mit einer entsprechenden Kritik derkapitalistischenTechno‐undGebrauchswertstrukturverbundenseinmuß. Da der Marxismus die "Realabstraktion" des Werts nicht

verstand und nicht kritisieren konnte,mußte ihm auch der innerelogischeundhistorischeZusammenhangvonentfesselterWarenformund naturwissenschaftlichen Abstraktionen entgehen. So blieb einAspekt der Kapitalismuskritik (auchbeiMarx selber) ausgeblendetund konnte in kruder, irrationaler Form von der reaktionärenRomantik besetzt werden, die den Vormarsch der warenförmigenModernisierungwieeinSchattenbegleitethat.

Als sichseitden70er Jahren immerdeutlicherherausstellte,

daß die Krise der fordistischen Entwicklungsstufe auch eineökologische Krise ist, und als die verheerende Zerstörung derNaturgrundlagen in den realsozialistischenStaaten bekanntwurde,ließdie grün‐alternativeNachfolgebewegungder Revoltevon1968den Marxismus weitgehend fallen und griff die anti‐industriellenMotivederProduktivkraft‐undWissenschaftskritikauf.Mankönntedie damals aufkommende ökologische Kritik am emphatischenmarxistischenBegriffderProduktivkräfteimSinnederHegel'schenLogikderAufhebungals erste, einfacheNegationbezeichnen.Diese

Negation war doppelt unzureichend: Zusammen mit ihrendestruktiven und repressiven Momenten in der Geschichte der

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Modernisierung wurde die Entwicklung der Produktivkräfteüberhaupt negiert, also das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.FolgerichtiggelangtedieseKritikderProduktivkräfteauchnichtzueinerKritikderWertformundihresFetischismus,sondernbloßzu

diversen Vorstellungen kleinbürgerlicher Warenproduktion, umspäterinder"grünenWirtschaftspolitik"wiederzukeynesianischenAuslaufmodellen zurückzukehren. Der Arbeiterbewegungs‐Marxismus und seine ökologischenDefizitewurde auf dieseWeisenichtaufgehoben,sondernbloßideologischverdrängt.

In demselben Maße, wie die absolute Krise des

warenproduzierenden Systems und damit die "starke"Transformation in Reichweite rückt, wird in der Frage der

Produktivkräfte die zweite Negation, die "Negation der Negation"notwendig, die bekanntlich keineswegs zum ursprünglichenAusgangspunktzurückführt,sonderndieunvermitteltenGegensätzeaufhebt. Es gilt also, die Partei der mikroelektronischenProduktivkräfte gegen die kapitalistischen Produktionsverhältnissezuergreifen, gleichzeitig aber den destruktiven Gebrauchswert derkapitalistischen Produktions‐ und Konsumstruktur aufzuheben.Diese aufhebende Kritik muß Wesen und Erscheinung dermikroelektronischen Revolution unterscheiden. Das Wesen dieser

neuenProduktivkräfteisteinePotenz,eineMöglichkeitalso,diederKapitalismusnichtumihrerselbstwillen,sondernfürseineneigenenabstrakten Selbstzweck derVerwertunghervorgebrachthat.Davonkann die erscheinende Wirklichkeit dieser Potenz nichtunbeeinträchtigt sein. Die konkrete Erscheinung dermikroelektronischen Produktivkräfte ist daher auch der stofflichenGestalt nach eine kapitalistische, die zusammen mit ihrergesellschaftlichenFormaufzuhebenist.

Diese Negation der Negation ist umso notwendiger, alsironischerweise die postmoderne Linke als unvermittelte Reaktionauf die unzureichende einfacheNegation des Marxismus durchdieProduktivkraftkritik der grün‐alternativen Bewegung heute wiederzum kruden Technik‐Fetischismus der alten Arbeiterbewegungzurückzukehrenscheint.OhnejedeReflexiondergesamten(globalenund strukturellen) Bedingungen der Reproduktion in sozialer undökologischer Hinsicht wird der jeweils "letzte Schrei" vor allemkapitalistischer Konsumtechnik zum "Muß", ohne die

Schmerzgrenzen von Schwachsinn und Gemeingefährlichkeitüberhauptnochwahrzunehmen.

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Sogar die fetischistische Verkehrung von sozialer und

dinglicher Beziehung, die auch auf der Seite des kapitalistischenGebrauchswerts erscheint, wird noch zur positiven Vision der

Zukunfthochgejubelt.DasisteinHohnaufjedenemanzipatorischenGedanken. Nicht umsonst geht diese postmoderne Tendenz einhermiteinerIndifferenzgegenüberdenstillschweigendvorausgesetztenVerkehrsformen des Geldes, deren Aufhebung kein ernsthaftesThema ist. Alter Arbeiterbewegungs‐Marxismus, grün‐alternativeProduktivkraftkritik und postmoderne Linke stellen nur Variantenderselben Unfähigkeit (und desselben Unwillens) dar, daswarenproduzierendeSystemzuüberwinden.DemgegenüberisteineAufhebungderfetischistischenWertformeinzuklagen,diesowohldie

erscheinende Verkehrsform des Geldes als auch die erscheinendeForm des kapitalistischen Gebrauchswerts in die aufhebendeNegation einbezieht und die Potenzen der mikroelektronischenRevolution gerade dadurch aufgreift, daß sie die kapitalistischenArtefaktekritischaussortiert,stattsichderLogikihresrepressivenGebrauchswertskritikloszuunterwerfen.

Diese Auseinandersetzung spitzt sich zu in der Frage der

Keimform. Aus Angst, hinter die kapitalistischen Produktivkräfte

zurückzufallen, bestehen auch der kritische Marxismus und diepostmoderne Linke vage auf einer unmittelbargesamtgesellschaftlichen Umwälzung, obwohl sie andererseits(zumindest teilweise) auch Etatismus und Politizismus kritisieren.Hier wird eine Unklarheit und Inkonsequenz sichtbar, denn dieAblehnung einer Keimform sozialökonomischer Reproduktionjenseits des Werts ist zwangsläufig mit einem etatistischenVerständnis der Umwälzung "von oben" verbunden, d.h. vomzentralenarchimedischenPunktderMachtaus.

Auch der Verweis auf Räte als Organeder gesellschaftlichenRepräsentation ist unzureichend, denn die Räte müssen jairgendetwas repräsentieren, also sich aus Elementenzusammensetzen. Die Crux der historischen Räte‐Bewegungenbestand gerade darin, daß sie nur die kapitalistischen Formen der"Arbeit" (Betriebe bzw. Unternehmen, die von Haus aus über denMarkt vermittelt sind) repräsentieren konnten, nicht dagegen dieKeimformen einer Reproduktion unabhängig von der

Vergesellschaftung durch die Realabstraktion des Werts. Genaudeswegen fiel die Organisationsform der Räte wieder in die

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etatistisch orientierte bürgerliche Form der politischen Parteizurück,wurdevondieserkommandiertundaufgesaugt.

Diese Crux hatte freilich auch etwasmit demCharakter der

Produktivkräfte auf dem Kulminationspunkt der kapitalistischenEntwicklungzutun.DeralteArbeiterbewegungs‐Marxismuskonntefür seinen etatistischen und zentralistischen Begriff derTransformation in gewisser Weise den Stand der ProduktivkräfteselbstinsFeldführen:VondenZeitenderDampfkraftundEisenbahnbis zur Blüteder fordistischen Industrienwarendie Aggregatederwissenschaftlich‐technischen Potenzen tatsächlich nur in einemrelativgroßengesellschaftlichenMaßstabdarstellbar.Dasgaltganzbuchstäblich für die Maschinen, Gebäude und die Techniken der

Zufuhr von Energie. Klein stand das Individuum vor denmaschinellen Ungetümen. Und "groß" war das Synonym fürFortgeschrittenheit.Daraus resultierte aucheinegewisse, geradezukindische Gigantomanie: Unternehmen und Nationen wetteifertendarin,diegrößteTurbinederWelt,dashöchsteGebäudederWelt,dengrößtenTankeroderdasgrößteSchlachtschiffderWeltusw.zubauen.

Dementsprechend groß war auch der organisatorische

Maßstab, um diese Produktivkräfte überhaupt realisieren undmobilisierenzukönnen.DaswarauchschonbeiderUrzeugungdesKapitalismus ein Faktor.Denndie frühesteKeimformderModernewarhinsichtlichderProduktivkräfteeigentlicheineDestruktivkraft:dieInnovationderFeuerwaffe.DiegewaltigenKanonenderfrühenNeuzeit und die dazugehörigen gigantomanischenBefestigungswerke konnten nicht mehr in der dezentralen undnaturalwirtschaftlichen Form der alten Agrargesellschaftendargestellt werden, sondern erforderten die Mobilisierung von

Rüstungsindustrie, stehenden Heeren, Geldwirtschaft undgesellschaftlicherZentralisierung.Erst auf diesem Boden konnten sich die Keimformen der

kapitalistischen Produktionsweise entwickeln. Und alle Trägerweiterer Entwicklungsschübe des warenproduzierenden Systems,der Sozialismus und seine Parteien eingeschlossen, blieben in derVorstellung einer durchzentralisierten, pyramidenartigstrukturierten Vergesellschaftungsform befangen. Nicht nur die

Diktaturen "nachholender Modernisierung", sondern auch dieentwickeltsten westlichen Demokratien sind negativ‐utopische, in

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jeder Hinsicht Pyramiden bauende "Sonnenstaaten". Diebürokratischen Apparate und die nationalen bzw. kontinentalengroßräumigen Märkte entsprechen Produktiv‐ bzw.Destruktivkräften, deren Aggregate nur von großen "Armeen der

Arbeit"unddesKriegesinBewegunggesetztwerdenkönnen.DiemikroelektronischeRevolutionführtdemgegenübernicht

nur die lebendige Substanzdes Kapitals, die abstrakte "Arbeit", adabsurdum; sie setzt auch die gesellschaftliche Zentralisation durchStaaten und Märkte zu einer archaischen, unangemessenenOrganisationsformherabundmachtdieGigantomaniederModernelächerlich. IndemselbenMaße,wie der Kapitalismus technologischdurchdievonihmselbsthervorgerufenenProduktivkräftezueinem

WettlaufderMiniaturisierunggetriebenwird,verfälltnichtnurseineSubstanz, sondern auch seine äußere Form. Füllten die erstenRechnervorwenigenJahrzehntennochganzeHallenunderfordertendie Kapitalkraft großer Unternehmen, so sind heute weit größereKapazitäteninhandlichenTischgerätenverborgenundkönnenselbstvondurchschnittlichenIndividuenerworbenwerden.

Die Vergesellschaftung steckt jetzt nichtmehr in der Größe,

sondern umgekehrt in der Kleinheit der Technologie. Die

fortgeschrittensten Kapazitäten von Werkzeugmaschinen,Steuerungstechnologien und Kommunikationsmitteln sind imkleinen Maßstab mobilisierbar und benötigen keine "Armeen derArbeit" und keine gesellschaftliche Zentralisation mehr. DieReproduktion kann zu einer dezentralen Form zurückkehren, abernicht mehr zu den voneinander vergleichsweise isoliertendezentralen Reproduktionsformen der Agrargesellschaft, die nuräußerlich durch Strukturen der Herrschaft verbunden waren,sondern auf höherer Entwicklungsstufe zu einer allseitig

kommunikativvernetztendezentralenStruktur.DasgiltimübrigennichtnurfürdieMikroelektronik,sondernzumindestperspektivischauch für die Ablösungder fossilen durchsolare Energie.Erforderndie energetischen Systeme der fossilen Brennstoffe große,zentralisierte Technologien und Organisationsformen, so ist dieSolartechnik ebenso dezentral und im kleinen Maßstab einsetzbarwiedieMikroelektronik.DieRepräsentantendesKapitalsschreckenvielleicht auch deshalb vor der forcierten Entwicklung solarerEnergietechnikzurück,weilsieahnen,daßdamitdemKapitalismus

undseinenzentralisiertenFormenderHerrschaftendgültigdieFelledavonschwimmenkönnten.

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Die Verbindung von Mikroelektronik und solarer Energie

eröffnet die Möglichkeit, daß Menschen sich dem Kapitalismus(teilweise, schrittweise) entziehen können und seinen totalitären

Anspruch durchbrechen, wie es in der Vergangenheit nur durchAbwanderung in die kapitalistisch unerschlossenen Weltregionenmöglichwar(z.B.inderPionierzeitderUSAdurchdieAnsiedlunginden Weiten des Westens, die oft auch eine Flucht vor denkapitalistischenZumutungenwar,washeutenichtmehrgerngehörtunddeswegenverschwiegenwird).NuristdieseMöglichkeit,sichzuentziehen, jetzt auf eine neue, ganz andere Weise durch dieEntwicklungderProduktivkräfteselbsthervorgetriebenworden.DerRaumdesEntzugsistkeinäußerer,territorialermehr,sondernein

innerer und sozialer Raum. Und es ist auch kein Auszug aus derVergesellschaftung in die Primitivität mehr, wie es noch dasproduktivkraftkritische und im schlechten Sinne "romantische"AussteigertumEndeder70erundAnfangder80erJahredargestellthatte. Im Gegenteil: In den Poren und auf den Trümmern derarchaischwerdendenkapitalistischenVergesellschaftungkönnendieKeimformeneinernichtmehrwarenförmigenReproduktionblühen,dieinAustauschundAuseinandersetzungmitdemKapitaltreten,ihrExistenzrecht behaupten und die kapitalistische Reproduktion

schließlichganzüberwinden.Die Analyse des Verhältnisses von Produktivkräften und

Produktionsverhältnissen unter den Bedingungen derMikroelektronik macht auch klar, daß es gerade für die "starke"Transformation keines zentralen, unmittelbargesamtgesellschaftlichen Hebels mehr bedarf. Dieser Gedankeentstammt noch der alten Vorstellungswelt der modernen prä‐mikroelektronischen Produktivkräfte. Der gesamtgesellschaftliche

Charaktererscheintjetztvielmehralsperspektivischvermittelter,alsBewegungsformundnichtalszentralerAktderUmwälzung.WiediePioniereder USA sich demKapitalismus zeitweilig entzogen,dabeiabertrotzdemkapitalistischproduzierteWerkzeuge(wennauchnureinfache) mitnahmen, so können sich auf einer viel höherenStufenleiter der Entwicklung heute Menschen mitten imkapitalistischen Territorium für einen Teil ihrer Reproduktion denkapitalistischen Zumutungen entziehen, indem sie kapitalistischproduzierte Mikroelektronik und Solartechnik für

nichtkapitalistischeReproduktionsformeneinsetzen.

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Das bedeutet aber auch, daß eine Keimform sozialerReproduktionjenseitsdesWertsnichtmitderProduktion,sondernmitderAnwendungvonChipsbeginnenwird.DenndieHerstellungder basalen Bausteine der Mikroelektronik erfordert sogar einen

höheren Kapitaleinsatz als die früheren fordistischenProduktivkräfte, wenn auch keine "Armeen der Arbeit" mehr. DieKosten liegen vielmehr in der Komplexität derProduktionsbedingungen von Chips, die heute selbstWeltmarktkonzernezu"strategischenAllianzen"fürdieEntwicklungderjeweilsnächstenGenerationzwingt.

ZumindestteilweisehatsichdieDDRauchdadurchruiniert,

daß sie unbedingteineneigenen Chip entwickeln und produzieren

wollte,waszuvieleRessourcenverschlang,stattdieChipsbilligaufdem Weltmarkt zu kaufen. Diese Fehlkalkulation war aber nichtzufällig. Sie ging auf das eingefleischte Bewußtsein deszentralistischen Sozialismus zurück, daß die metaphysischenSubjekte von "Partei und Klasse" von Anfang an die absoluteKontrolle über die gesamte Reproduktion ausüben müßten undinsofern vor allem die Grundstoffindustrien entscheidend seien.DeshalbkonzentriertesichdassozialistischeAugenmerkfrüheraufdie Betriebe von Kohle, Eisen und Stahl, deren Beschäftigte zum

"KernderKlasse"erklärtwurden.DieseDenkweisehatsichaufdiemikroelektronischen Produktivkräfte übertragen. EineAufhebungsbewegung gegen die Wertform wird das System derReproduktion genau umgekehrtaufrollen.DieGrundstoffindustrienund die Basisproduktion der Mikroelektronik selbst werden nichtdenGrundstein,sonderndenSchlußsteinderTransformationbilden.Es kommt nicht auf zentralistische Kontrolle, sondern auf dieKonstitutionundEntwicklungsozialerRäumederEmanzipationan.

GanzandersverhältessichmitderFragederAnwendungderMikroelektronik für emanzipatorische Zwecke. Muß die basaleProduktionstechnik einstweilen noch dem Kapital überlassenbleiben, so kann die Anwendung gerade nicht mehr denvorgezeichneten kapitalistischen Mustern entsprechen. Genau hierliegtauchderersteAnsatzpunktfüreineKritikderkapitalistischenGebrauchswertstruktur.DieerscheinendenAnwendungsformendermikroelektronischen Produktivkräfte sind ganz auf kapitalistischeProduktions‐ undKonsumtionszwecke zugeschnitten, indenen sich

der Selbstzweck des Werts und die warenfetischistischeVerdinglichungmanifestieren.

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Soweit die postmoderne Linke sich gerade auf den

verdinglichtenundinseinenAuswirkungenhochgradigdestruktivenKonsumismus positiv einläßt, wird sie auf die kapitalistische

Spielwiese und in die sozialpsychologischen Mechanismen vonkonsumistischem Status und konkurrenten Selbstbestätigungs‐Kämpfenabgedrängt.DieBehauptung,daskritischePotentialdieserGesellschaft sei gerade (und sogar einzig und allein) dadurchabzurufen, daß der Kapitalismus die von ihm hervorgebrachtenBedürfnissenichtmehrerfüllenkönne,greiftvielzukurz.SoweitdieBedürfnisstruktur aus der spezifisch kapitalistischenGebrauchswertstruktur folgt, ist sie selbst Bestandteil derfetischistischenWertabstraktion und somit der Entmündigung des

Menschen durch subjektlose gesellschaftliche Formen. Deswegenwird der Appell an diese Bedürfnissse, für die bloß nicht mehrgenügend Geldeinkommen erzeugt wird, nie und nimmer zu eineremanzipatorischen Bewegung führen. Der Widerspruch zwischendem Kapitalismus und den von ihm selbst hervorgetriebenenPotenzen liegt auf einer ganz anderen Ebene und ist nicht derartbilligzumobilisieren.

Nicht die Nintendo‐Spiele und nicht das Handy sind die

AnwendungspotentialeeineremanzipatorischenKeimform.ÜbrigensbestreitenKennerselbstbeidenbloßenKonsumgeräten,daßz.B.derÜbergangvonderSchallplattezurCDüberhauptnocheinFortschrittauf der Ebene des Gebrauchswerts war. Diese Entwicklung hattevielmehr nur das Ziel, neue Produktions‐ und Absatzfelder zuerschließen,umdiegesellschaftlicheArbeitsmaschineinSchwungzuhalten. Das ist nur eines von vielen Beispielen dafür, daß derSelbstzweck der Verwertung längst auf die Konsumstrukturübergegriffen hat. Im Gegensatz dazu kann es für eine soziale

BewegunggegendaswarenproduzierendeSystemnurdarumgehen,die mikroelektronischen Anwendungspotentiale selber erst füremanzipatorische Zwecke der Reproduktion zurechtzuschneiden.Wenn die mikroelektronisch bestückten Geräte zunehmend ausModulen bestehen, die dem verändernden Zugriff der Anwenderoder selbst der bloßen Reparatur entzogen sind, dann ist dieseTendenz nicht allein auf ökonomische Gründe ("geplantenVerschleiß"), sondern auch auf den Versuch sozialer Kontrollezurückzuführen: die Menschen sollen mit den Produkten nicht

selbständig umgehen können, sondern als fetischistische Arbeits‐und Konsumidioten der vorgezeichneten kapitalistischen

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Gebrauchswertstrukturfolgen.Deshalb wird die emanzipatorische Anwendung der

MikroelektronikselberaktivdastechnologischePotentialumformen

und damit experimentieren müssen, also etwa eigene Hardware‐Kombinationen und eigene Software entwickeln, die von Zweckenbestimmtsind,wiesieersteinmalzudefinierenwären.DafürbedarfesnatürlichaucheinesentsprechendenWissensundderTeilnahmevon Menschen, die mit den mikroelektronischen Potentialenentsprechend umgehen können. Schließlich ist auch eine bewußteVerbreitung dieses Wissens erforderlich, etwa in Gestalt einermikroelektronisch‐solaren"polytechnischenBildung",diesowohlineigenerRegieorganisiertalsauchinForderungenandasSchul‐und

Ausbildungssystemformuliertwerdenkann.Inverwandelterundandie neuen Aufgaben adaptierter Form sind also durchaus altesozialistischeIdeenrekonstruierbar.NichtdervollautomatischeNarrkann das Ziel der Emanzipation sein, sondern der selbstreflexiveMensch, der seinen Lebenszusammenhang bewußt reguliert undnichtvondentotenDingenbeherrschtwird.DiesesZielmußindenKeimformen emanzipatorischer Reproduktion erscheinen, weil siesonstkeinewären.

3.DieAufhebungdesPrivateigentums

Das veränderte, "aufgehobene" Verständnis derProduktivkräfte und ihrer Beziehung zu denProduktionsverhältnissenistnatürlichnurdieVoraussetzungdafür,das eigentliche Problem zu bewältigen: die Aufhebung derfetischistischen Wertform sozialer Beziehungen. Auch hier ist es

zunächst notwendig, sich durch das verkürzte, system‐immanenteVerständnis des Arbeiterbewegungs‐Marxismus und derGenossenschafts‐ bzw. Alternativbewegung hindurchzuarbeiten.éhnlich wie in der Frage der Produktivkräfte finden wir auch indieser Hinsicht ein spiegelbildliches, komplementäresBefangenbleiben in den fetischistischen Strukturen. Sowohl derpolitizistische Marxismus als auch die Alternativbewegungreduzieren ihre Zielsetzung auf eine Kritik und Aufhebung desPrivateigentums an den Produktionsmitteln, wenn auch in

verschiedenerWeise.Nunisteszweifellosrichtig,daßessichbeiderInstitution des Privateigentums um ein Moment des

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warenproduzierenden Systems handelt, nämlich um dessenjuristischeForm.Darauserhelltaberschon,daßdiesesMomentnichtisoliert aufgehoben werden kann, ohne die anderen Momente derWertform und damit diese selbst und als solche aufzuheben. Der

Versuch, das Privateigentum an den Produktionsmittelnabzuschaffen, gleichzeitig aber die Verkehrsformen vonWare undGeldbeizubehalten,kannnuringesellschaftlicheParadoxienführen.

DaßüberhauptdasPrivateigentumalsderartisolierterFaktor

gedacht und ihm die Hauptverursachung der kapitalistischen Übelzugeschriebenwerden kann, beruht auf einem naiven und typischaufklärerischen Mißverständnis: Das Privateigentum wird nämlichfälschlich als bloß "subjektive Verfügungsgewalt" der sogenannten

Besitzendenunddamit"Herrschenden"deklariert,derAugenscheinvon Selbstherrlichkeit und vermeintlicher Willkür seitens derkommandierenden Personage des Kapitals für bare Münzegenommen. Damit einher geht gewöhnlich ein ebenso naives undaffirmatives Verständnis des kapitalistischen Reichtums, der nur"ungleich und ungerecht verteilt" sei. Elemente dieses verkürztenBegriffs von "Privateigentum" finden sich auch noch beiMarx undEngels, obwohl esgeradeMarx ist, der gleichzeitig das begrifflicheInstrumentariumfüreineKritikdieserAuffassungliefert.

Tatsächlich geht die Institution des Privateigentums beiweitem nicht in einer "subjektiven Verfügungsgewalt" auf. EinsolchesVerständnissiehtnurdassubjektiveKalkülderBesitzervonProduktionsmitteln, nicht jedoch deren objektivierteFormbestimmtheit, die sich den vermeintlich"Verfügungsgewaltigen"alsäußeresZwangsprinzipaufherrschtundjedeAbweichungvondenForm‐undBewegungsgesetzendesWertspostwendendbestraft.DieÜbeldesKapitalismussinddaherletztlich

nicht den subjektiven Entscheidungen seiner Funktionsträgeranzulasten, sondern der subjektlosen, fetischistischenReproduktions‐und Verkehrsformselber. DieseErfahrungmußtenundmüssenimmerwiederdieAkteurevonBetriebsbesetzungenund"Belegschaftsbetrieben"machen, die versuchen, einökonomischandieWandgefahrenesUnternehmenineigenerRegiezubetreiben.Alsin den 80er Jahren die Krise der deutschen Schiffbauindustriebegann, lockte ein altmarxistischer Verlagmit dem Titel: "Stell Dirvor,dieWerftengehörenuns!".Undwaswäredamitgewonnen?Gar

nichts, denn die Markt‐ und Konkurrenzgesetze würden weiterhinwirken; die Belegschaft müßte sich selbst ausbeuten, zur

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Arbeitshetzetreiben,sichselbstwegrationalisierenusw.oderebeninallerSchönheitdesKollektiveigentumsbankrottieren.

Die beiden Eigentumsformen, die gemeinhin im verkürzten

undweiterhinandieWarenproduktiongebundenenVerständnisalsAufhebung des Privateigentums figurieren, nämlich dasgenossenschaftlicheEigentumunddasStaatseigentum,sitzenbeidegleichermaßen jenem aufklärerischen Mißverständnis von dersubjektiven "Verfügungsgewalt" auf. In Wahrheit aber ist jedebeliebigeEigentumsform,dieaufder"VerwertungdesWerts"beruhtund deren Produktion daher gesellschaftlich nur überMarktbeziehungen vermittelt sein kann, per definitionem immerschon Privateigentum. Die breit gestreute und tief gestaffelte

FunktionsteilungdergesellschaftlichenReproduktion,diesichnichtim Vorhinein durch Kommunikation und gemeinschaftlicheFestlegungen manifestiert, sondern erst im nachhinein durch denAustausch der Produkte, bildet die Matrix einer fetischistischenVergesellschaftung über den Wert, d.h. über eine metaphysischeSchein‐Eigenschaft der Produkte statt über direkte menschlicheKommunikation; und diese Matrix setzt die beteiligtenProduktionseinheitenaprioriindenStatusvonPrivateigentümern.

Die Matrix des Werts hat nur entfernt etwas zu tun mitvorkapitalistischen Ware‐Geld‐Beziehungen. Denn in den altenAgrargesellschaften (ganz zu schweigen von Jäger‐ undSammlergesellschaften) ist die Matrix der Vergesellschaftungüberhaupt nicht der Wert als metaphysische Eigenschaft derProdukte, sondern ein Kontext naturalwirtschaftlicher Formen, dieWarentauschnuramRandeoderals"Nischenform"(Marx)kennen;das bedeutet, daß nur Überschüsse oder relativ wenigeSpezialprodukteinMarktbeziehungeneingehen.Eineerweiterteund

tiefgestaffelte Funktionsteilung über den Markt ist aber nichtnotwendig eine Folge der Produktivkraftentwicklung, sondernvielmehreine logischeKonsequenzdesKapitalismus,der denWertzumgesellschaftlichenSelbstzweckgemachthat.Esistalsonichtso,wiedieVWLbehauptet,daßdieerweiterteFunktionsteilungdurchEntwicklung der Produktivkräfte notwendig zur Totalisierung vonWaren‐ und Geldbeziehungen führt. Diese Sicht verwechselt einenhistorischenmit einem logischenSachverhalt. Der Kapitalismus alsRückkoppelungdesWertsaufsichselber(alsVerwertungsmaschine)

istes,derdieEntwicklungderProduktivkräftealsidentischmitderVerallgemeinerungdesMarkteserscheinenläßt.Einallgemeinerund

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totaler Markt kann überhaupt nur als Sphäre der Realisation vonabstrakter Mehrwertproduktion entstehen. Für das bürgerlicheBewußtsein ist dies identisch mit entwickelten Produktivkräften,weilsichihmdieseimmerschondurchdieMatrixdesWertsgeformt

darbieten.Staatseigentum und genossenschaftliches Eigentum

verbleiben ihrem Begriff nach in dieser fetischistischenFormbestimmung. Der Staat ist die juristische (und insofernpolitische) abstrakte Allgemeinheit einer Gesellschaft vonWarenproduzenten, ebenso wie das Geld deren ökonomischeabstrakteAllgemeinheitbildet.AbstraktistdieseAllgemeinheitoderdasGemeinsamederGesellschaftsmitgliederdeswegen,weilsienicht

durch eine konkrete Kommunikation über konkrete stofflich‐sinnliche Bezüge der gemeinsamen Reproduktion vermittelt wird,sonderndurchdieAbstraktiondesWerts.WirdnunderStaatzumEigentümer warenproduzierender Unternehmen, so usurpiert derjuristisch‐politische Pol den ökonomischen Pol der abstraktenAllgemeinheit,was aus bestimmten historischen Konstellationen inder Entwicklung warenproduzierender Systeme zwar erklärlich,jedoch auf die Dauer dysfunktional ist, weil der Ersatz desökonomischen Konkurrenzmechanismus durch politische

Kommandos enormeReibungsverluste inder Produktion vonWertbzw.Mehrwerterzeugt.Gleichzeitig bleibt der Charakter des Privateigentums ander

FormdesStaatseigentumsindoppelterWeisehaften:Zumeinentrittder Staatsapparat gegenüber den Produzenten, da er nicht ihreeigene konkreteGemeinsamkeit,sonderneine ihnenals Individuenäußerliche abstrakte Allgemeinheit darstellt, in der Maske einerparadoxen "allgemeinen Privatheit" (als allgemeiner Exekutor der

"VerwertungdesWerts")aufundzwingtsiedadurchihmgegenüberebenfalls in die Form der Privatheit, sodaß sie sich alsPrivateigentümer ihresProduktionsmittels "Arbeitskraft"verhalten.Ander Bestimmung der Produktionsmittel im Staatseigentum sindsie qua ihrer Staatsbürgerlichkeit nicht konkreter beteiligt alsmittelalterlicheStallknechteamDomäneneigentumderkatholischenKirchequaihrerEigenschaftalsChristenmenschen.

Zweitens spaltet sich der Staatsapparat, soweit er

Unternehmensfunktionen usurpiert hat, selber notwendig ingegensätzlicheökonomischePositionenderPrivatheitauf,dajaauch

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die staatseigenen Unternehmen sich über Markt‐ undGeldbeziehungen vermitteln. Auf diese Weise rächt sich dieWertform am überzogenen Anspruch des Staates. Unterhalb dergesellschaftlichenKäseglockeeinerStaatsplanunginWertkategorien

positionieren sich gegensätzliche Interessen der getrenntenProduktionseinheiten, die ihren Anteil am gesellschaftlichenReichtum nur in der Geldform und daher nur privat aneignenkönnen. Demgegenüber haben die frommen Sprüche aus dempolitischen Himmel wenig Bedeutung. Eine analoge ErscheinungfindetsichübrigensneuerdingsinnerhalbkapitalistischerKonzernein Form des ultra‐neoliberalen Konzepts sogenannter "Profit‐Center": Nicht mehr das Unternehmen als ganzes soll Träger der"Wertschöpfung"sein,sonderndirektdieeinzelnenAbteilungen,die

sich daher auch untereinander als Privatproduzenten verhalten,gewissermaßen als "Unternehmen im Unternehmen". Auch diesesKonzept kannhinsichtlich des Gesamtunternehmens auf DauernurzuparadoxenunddysfunktionalenEntwicklungenführen.

Das Staatseigentum ist also aufs Ganze gesehen nur eine

besonders paradoxe Form des Privateigentums. Daran ändert sichauch nicht im geringsten etwas, wenn dieses StaatseigentumnichtvombürgerlichenStaat,sondernvoneinem"Arbeiterstaat"verwaltet

wird, getragen von den metaphysischen Subjekten der"Arbeiterklasse" und der (politischen) "Arbeiterpartei". Denn diestrukturellenBeziehungen,diesichausdemStaatseigentumergeben,bleibendieselben,unabhängig von ihrensozialenTrägern. Insofernist auch die in den 70er Jahren vieldiskutierte Analyse desStaatssozialismus durch Charles Bettelheim ungenügend und imVerständnishorizont des Arbeiterbewegungs‐Marxismus befangengeblieben. Bettelheim begriff die Elemente der Privatheit amStaatseigentum nur soziologistisch verkürzt, als bloß subjektiven

Griff einer bestimmten soziologischen Gruppe, der Unternehmens‐Leitungen,nachder"Verfügungsgewalt".Ersahnicht,daßdieFormdes Privateigentums unabhängig von den soziologischenWillensäußerungen jeder auf dem Wert beruhendenProduktionsweise notwendig inhärent ist. Ganz egal, welcheshistorisches Subjekt ein warenproduzierendes System konstituiert,dieses System wird stets eine ähnliche Art von Funktionselitenhervorbringen, wie sie den Formen einer "Verwertung desWerts"entsprechen. Insofern ist jeder Staat per definitionem ein

bürgerlicher Staat, ebensowie jedeNation ihremWesennach einebürgerliche Nation, jedes Geld als allgemeine Verkehrsform ein

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bürgerliches Geld und jede Warenproduktion als allgemeinegesellschaftliche Reproduktionsform eine bürgerlicheWarenproduktion ist. Das Attribut ist eigentlich überflüssig; es istlediglichsignifikantfüreinBewußtsein,dasnurindenbürgerlichen

KategoriendenkenkannunddieWidersprüchederkapitalistischenProduktionsweiseaufdemBodendieserbürgerlichenRealkategorienlösenwill.DasProblemliegtaberindenstrukturellenBeziehungen,wiesiediefetischistischegesellschaftlicheFormdesWertsaussichheraussetzt,undnichtindensekundären(bereitsaufdieseStrukturapriori bezogenen) Interessenhandlungen der soziologischenGruppen, Schichten oder Klassen, deren Existenz selber einhistorischesProduktderWertformist.

Nicht besser als mit dem Staatseigentum steht es mit demgenossenschaftlichen Eigentum, soweit es sich umwarenproduzierende Unternehmen in der Form vonGenossenschaften handelt. Der Träger dieses Eigentums ist zwarnicht die juristisch‐politische abstrakte Allgemeinheit derGesellschaft, sondern ein partikulares Kollektivsubjekt. Da diesesKollektiv eine überschaubare Einheit darstellt, wurde die Idee derGenossenschaft immer wieder mit der Keimform einer vomKapitalismusbefreitenReproduktion inVerbindunggebracht.Auch

die Alternativbewegung der frühen 80er Jahre propagierte eine"sinnvolle Produktion" in "egalitären Strukturen ohne Chefs" alsBestandteileineremanzipatorischenalternativenLebensweise.AberderalternativeCharakterbeschränktesichdabeivonvornhereinaufden sozialen Binnenraum eines warenproduzierendenUnternehmens. Die gesellschaftliche Vermittlung dagegen lief"selbstverständlich" über den Markt, auf dem die Produkte derGenossenschaftoderdesAlternativbetriebsabzusetzenwaren.

Damit wird natürlich nicht die Wertform aufgehoben. Diealternativen Unternehmen bleiben Teil der allgemeinenMarktwirtschaft, die nur als Realisationssphäre des Kapitalsexistieren kann. Deshalb bleiben sie auch Bestandteil derkapitalistischenReproduktionundunterliegendenZwangsgesetzender Konkurrenz. Als "Geldverdiener" bleiben die Mitglieder einessolchen Unternehmens gleichzeitig auch untereinander trotzgegenteiligen Willens in der ökonomischen Form desPrivatinteresses. Die ökonomische abstrakte Allgemeinheit des

Geldes muß sich in letzter Instanz für ihre Produktions‐ undLebensweise als bestimmend durchsetzen. Deshalb sind die

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genossenschaftlichen und alternativen Betriebe entwederuntergegangen oder sie mußten sich mit "Selbstausbeutung" überWasser halten, um sich schließlich qua "Professionalisierung" instinknormale kleinbürgerliche Klitschen mit Chef, Leistungsdruck

usw.zuverwandeln,dieihreBankkrediteabarbeiten.Eswirdalsodeutlich,daß jedesozialeVermittlungdurchdie

ökonomische Wertform notwendigerweise immer auch diedazugehörige juristische Form des Privateigentums in irgendeinerGestalt hervorbringt. Das gilt erst recht dann, wenn sich derreformerischeundemanzipatorischeEiferscheinbarandieFormderVermittlung selber heranwagt, aber statt deren Aufhebung nurirgendein Surrogat für denWert erfindenwill.Besonders drastisch

wird dies deutlich bei den von Marx so bezeichneten"Geldpfuschereien" etwa einesProudhon oder einerökonomischenSekte,wiesiedieAnhängervonSilvioGeselldarstellen.DasichderenKritik an der kapitalistischen Verkehrsform auf den Aspekt deszinstragendenKapitalsbeschränkt,wollensielediglichein"vomZinsbefreites Geld" als direkte Verrechnung von Leistungseinheiteneinführen, ohne das Problem der abstrakten Wertform als solcherüberhaupt wahrzunehmen. Diese verkürzte Kritik derkapitalistischen Verkehrsform fällt sogar noch hinter die

altmarxistischeverkürzteKritikdesPrivateigentumszurück:Weilsienur auf ein "ehrliches Geld" hinauswollen, ist für Proudhon, Gesellund ihre Anhänger das Privateigentum an den Produktionsmittelnsogarbesondersheilig.Was ihnenvorschwebt, ist überhaupt nichtmehr die soziale Emanzipation, sondern eine Gesellschaft vonKleinbürgern und die Reduktion der wertförmigenVergesellschaftung auf einen Klitschen‐Kapitalismus mitsamt allendazugehörigen repressiven Borniertheiten des Arbeits‐ undLeistungsfetischismus.

Noch bornierter und ebenfalls kaum mehr einergesellschaftskritischen und emanzipatorischen Intention folgendstellen sichdieneuerdings inModekommenden"Tauschringe"dar(dieallesamtanfälligfürGesellianischesGedankengutsind).HatderGenossenschafts‐SozialismuswenigstensnochdieemanzipatorischeKooperationeinessozialenBinnenraumsimAugeundistdiesebeidenGesellianernaufeinenkleinbürgerlichenKlitschen‐Kapitalismusreduziert, so setzen die Tauschringe bereits völlig entsozialisierte

abstrakte Individuen voraus, die untereinander Dienstleistungenaustauschen und verrechnen, ohne überhaupt noch in eine

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kooperativeProduktionstätigkeiteinzutreten.DiesozialökonomischeBeziehung beschränkt sich gänzlich auf die Organisation eineralternativenVerkehrsformvonLeistungsverrechnungen,dieparallelzumoffiziellenMarktläuft.AuchhierwirddasPrivateigentumnicht

aufgehoben, sondern schrumpft lediglich auf die individuelleFähigkeit, irgendeine Leistung (Babysitten, Tapezieren usw.) mitanderen Individuen auszutauschen; die Reproduktion von"Leistungsschwachen"wieBehindertenoderKrankenkommtdabeigarnichtvor.EinsolcherTauschringstelltkeinerleiAlternativezurkapitalistischenProduktionsweisemehrdar.ErorganisiertnureinenNotbehelf in nebensächlichen Dingen für "herausgefallene"monadisierte Individuen,die ihreproduktive Kooperationsfähigkeitvöllig an Kapital und Staat abgegeben haben. Insofern sind die

Tauschringe kein Neuanfang einer sozialen Emanzipation, sondernnurdieletzteVerfallsformderalten,gescheitertenAnsätzeinnerhalbderWertform,diebeihilflosgewordenensozialenAtomenangelangtist.

AusdiesenkritischenÜberlegungenergibtsichnotwendigein

zweites wesentliches Merkmal, das die Keimformen einer neuensozialen Emanzipation von der früheren Alternativbewegungunterscheidet:Die neueKritik amStaatssozialismuswirdnichtnur

die Partei der mikroelektronischen Produktivkräfte gegen diekapitalistischen Produktionsverhältnisse ergreifen müssen, stattdiese Produktivkräfte zugunsten eines niedrigeren Niveaus derunaufgehobenen "abstrakten Arbeit" zu negieren; sie wird sichebendeshalb auch nicht in der Form warenproduzierenderGenossenschaften organisieren und erst recht nicht auf bloßeSurrogatformen des Warentauschs und der Leistungsverrechnung("Geldpfuschereien",Tauschringe)hinauslaufenkönnen.DieAufgabebesteht vielmehr darin, an der Aufhebung des Privateigentums an

Produktionsmitteln festzuhalten, jedoch nicht mehr aus jenemnaiven, aufklärerischen Verständnis einer "Verfügungsgewalt"soziologisch bestimmter Gruppen heraus und daher auch nicht alsparadoxesStaatseigentum,sondernalsEntkoppelungeinessozialenRaums emanzipatorischer Kooperation von Warentausch,Geldbeziehung und abstrakter Leistungsverrechnung. Mit einemWort: Es geht darum, Elemente und Keimformen einer"mikroelektronischenNaturalwirtschaft"zuentwickeln,diesichdemVergesellschaftungsprinzip des Werts grundsätzlich entzieht und

davonnichtmehrerfaßtwerdenkann.

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Der Ausdruck "mikroelektronische Naturalwirtschaft"erscheint zunächst als paradox, weil das von der Wertformbestimmte moderne Bewußtsein sich daran gewöhnt hat,"Naturalwirtschaft"als "Zurückgebliebenheitagrargesellschaftlicher

Verhältnisse"zuübersetzenundmitfortgeschrittenenindustriellenProduktivkräftenfürunvereinbarzuhalten.ZunächsteinmalhandeltessichaberumeinenneutralenAusdruck,derlediglichbezeichnet,daß bestimmte reproduktive Tätigkeiten nicht die Form vonWarenproduktion annehmen und demzufolge auch nicht inGeldbeziehungeneingehen.Damitistnochnichtgesagt,welcherArtdie reproduktiven Beziehungen stattdessen sind. Invorkapitalistischen Gesellschaften war die naturalwirtschaftlicheReproduktion in andere, nicht vom Wert bestimmte Formen des

gesellschaftlichenFetischismuseingebunden.Esgehtnatürlichnichtdarum, zu diesen zurückzukehren, sondern mit Hilfe deremanzipatorisch angewendeten Mikroelektronik den Fetischismusüberhauptzuüberwinden."Naturalwirtschaft"bezeichnetindiesemKontextnur,daßdieReproduktionkeineWarenformannimmtundProduktionsmittel wie Produkte ihrem stofflichen, sinnlichenCharakter entsprechend und im Hinblick auf den menschlichenGenuß behandelt werden, also nicht mehr der fetischistischenAbstraktionderWertformunterliegen.

Seinen pejorativen Beigeschmack hat der Begriff der"Naturalwirtschaft" auch deshalb bekommen, weil er weitgehendsynonymmit"Subsistenzwirtschaft"verwendetunddiesewiederumals "Reduktion auf das blanke Überleben" verstanden wird. DamiteinhergehtdieBeobachtung,daßinderanKrisenreichenGeschichtederModernisierungnatural‐odersubsistenzwirtschaftlicheAnsätzetatsächlich fast immer blinde Resultate ökonomischer odermilitärischer Großkrisen ohne eine eigene, bewußt entwickelte

sozialePerspektivewarenunddahernuralsbloßeNotmaßnahmenoder "Survival‐Techniken" erscheinen können, deren Bedingunggerade darin besteht, daß das Niveau der Vergesellschaftungzusammenbricht und die Menschen auf primitiveProduktionsmethoden für das Überleben zurückgeworfen werden.Die Kooperation geht in solchen Fällen kaum über familialeZusammenhänge hinaus und wird durch Formen von"Naturaltausch"ergänzt,dienatürlichkeinePerspektivejenseitsderWertform darstellen, sondern lediglich durch das Fehlen einer

akzeptiertenWährungoderdurchdenallgemeinenMangelanGeldbedingtsind.

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So verhielt es sich bekanntlich in Deutschland nach dem 2.

Weltkrieg,alsdie "Zigarettenwährung" galtund indenHinterhöfeneine "Stallhasenkultur" blühte (ich habe es als kleines Kind noch

selbst erlebt, wie meine Großmutter einen solchen im Schuppengroßgezogenen Stallhasen, den mein Vater mit dem Hammererschlagenhatte,anderKüchentüraufhängteundenthäutete).Undnicht anders verhält es sich heute in vielen ökonomischenZusammenbruchsregionen der Welt, etwa wenn sichRentnerehepaare im Weichbild von Moskau aus einemSchrebergartenernährenmüssen,wennFamilieninKasachstansichglücklich schätzen durch den Besitz einer Kuh oder wenn in denBadewannen der Mietshäuser von Havanna Schweine gemästet

werden.Einederartige"Subsistenzwirtschaft"scheintnichtsalsdieHoffnungzuzulassen,daßmöglichstbalddieMarktwirtschaftwiederinGangkommt.InderVergangenheitwardiesjaauchtatsächlichderFallunddiekrisenhaftenEinbrüchederVergesellschaftungwurdenimmer wieder durch neue Entwicklungsschübe deswarenproduzierendenSystemsabgelöst,währendesfürdieheutigenKrisenregionen mehr als zweifelhaft ist, ob sie jemals wieder aufmarktwirtschaftlicheBeinekommen.

Die Vertreter der "orthodoxen" Kritischen Theorie und diepostmoderne Linke, die selber dem Problem einer Aufhebung derWertform ausweichen und dessen Konkretisierung verweigern,möchten am liebsten jede Debatte über eine Keimformemanzipatorischer Vergesellschaftung dadurch abwürgen, daß siedieser Thematik von vornherein unterstellen, sie könne entwedernur auf kleinbürgerliche Warenproduktion oder nur auf jeneprimitive Überlebenswirtschaft hinauslaufen, deren Praxis darinbestünde,eineKuhinderGarageodereinSchweininderBadewanne

zu halten. Diese blinde Polemik, die gleichzeitig jede Kritik derkapitalistischen Gebrauchswertstruktur ablehnt, verrät nichts alseineselberkleinbürgerlicheAngstvorderKriseundgleichzeitigdieUnfähigkeit und den Unwillen, die Frage einer Aufhebung desPrivateigentums an den Produktionsmitteln jenseits desArbeiterbewegungs‐Marxismus und seiner etatistischen Illusionenneu zu diskutieren. Dasselbe Problem, das sich schon in der Frageder Produktivkräfte und ihresBegriffsgestellthatte, stellt sichnunumsodeutlicherinderFragederAufhebungbürgerlicher,vomWert

bestimmterVerkehrsformen.

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4.DieEntkoppelungvonderWarenproduktion

Wie also ist eine "mikroelektronische Naturalwirtschaft" alsemanzipatorische Keimform möglich? Die Schwierigkeit bestehtdarin, daß die kapitalistische Form der gesellschaftlichenFunktionsteilungebensowenigunverändertineineemanzipatorischeReproduktion übernommen werden kann wie die kapitalistischeGebrauchswertstruktur. Die Belegschaft eines Betriebs, der z.B.Schiffe herstellt, kann sich nicht als das, was sie ist, von dergesellschaftlichen Wertform emanzipieren. Da sie die Schiffe nichtselbst konsumierenundmit den Produktionsmitteln ihresBetriebs

nichtdieeigenenBedürfnissebefriedigenkann,gleichzeitigaberdiespezielle Produktion ihres Betriebs in ein System kapitalistischerArbeitsteilung inkorporiert ist, bleibt sie auf die Warenproduktionverwiesen,mitallenbereitsgeschildertensozialenKonsequenzen.

Dieses Problem ändert sich nicht grundsätzlich, wenn eine

gesamtgesellschaftlicheBewegungaufderBasisallerBetriebeetwaaus einer Krise der kapitalistischen Reproduktion heraus dieWarenformunmittelbargesamtgesellschaftlichüberwindenwill.Die

"Räte" allerkapitalistischenBetriebewürden erst einmal nichtnurdieGesamtheitderkapitalistischenGebrauchswertstruktur,sondernauch ein Gesamtsystem durch und durch von der Abstraktion desWerts geformter Funktionsteilungen repräsentieren, von derRüstungsindustriebiszudenTransportunternehmen.EingroßerTeildieser Betriebe müßte wegen Unsinnigkeit oderGemeingefährlichkeitsofortstillgelegt,einanderervölligumgeformtundinneueBezügegesetztwerden.

Hinzu kommt die Tatsache, daß in einemwarenproduzierenden System so gut wie kein gesellschaftlichesWissen über die gesamte Vernetzung der Reproduktion auf dermateriellen, stofflich‐sinnlichen Ebene existiert. AllegesamtgesellschaftlichenAggregierungenerscheinennurinderFormabstrakter monetärer Fließgrößen (Einkommens‐ undAusgabenströme etc.), wie sie von der "volkswirtschaftlichenGesamtrechnung" dargestellt werden, während die einzelnenBetriebe in materieller Hinsicht nur ihre eigenen Zulieferer und

Abnehmer kennen, nicht jedoch den gesamten materiellenVernetzungsprozeß,dessenTeil sie sind.Esgibtalsoeinegeradezu

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groteske Unwissenheit der kapitalistischen Gesellschaft und ihrerMitglieder über die materielle Aggregierung ihres eigenenLebenszusammenhangs, der so fremd ist wie ein unentdeckterKontinent. Deshalb bedurfte es z.B. mühsamer Recherchen und

führte zu einem überraschenden Resultat, als Journalisten diephantastische Irrfahrt eines ganz gewöhnlichen Joghurtbechersdurch Europa und die damit verbundene irrsinnigeRessourcenverschleuderung rekonstruierten. Dies ist nur einbekanntgewordenesBeispiel;dasselbeProblemwiederholtsichaberbeiallenproduziertenDingenvonderGasturbinebiszurStecknadel.

Ein gesamtgesellschaftliches Repräsentations‐System von

Betriebs‐"Räten"hättealsonichtnurmitdenFurienderpartikularen

Betriebs‐Interessen bzw. deren Überresten zu kämpfen, sondernauchmit einerzunächstunüberschaubaren,vondenAbstraktionendesWertsgeformtenStrukturderReproduktion,diewievonselbstentwedernachwarenförmigenVermittlungendrängtoderaberdochwieder eine politischeMeta‐Instanz zu erfordern scheint, die "vonoben"und damitmehr oderweniger etatistischeingreift,mit allenGefahren einer Verselbständigung dieser Instanz. Eine alternativeterritoriale statt betriebliche Organisation der "Räte" auf der Basisvon Wohngebieten andererseits würde das Dilemma ebensowenig

lösen, denn auch auf dieser Ebene würde man nur Schnittstelleneines undurchschauten Zusammenhangs der Reproduktionvorfinden.SchondiealteArbeiterbewegungschwanktejazwischenbetrieblicherundterritorialerOrganisationsform,wobeiinderRegeldie Gewerkschaften auf betrieblicher und die Parteien aufterritorialer Basis organisiert waren. Dies entsprach völlig derBefangenheitinderÖkonomiederWarenproduktioneinerseitsundder dazugehörigen komplementären Sphäre der Politik (demjuristischen Ausdruck bürgerlicher Willensverhältnisse)

andererseits.Die Organisation einer emanzipatorischen Bewegung kann

daher weder allein von den Strukturen der kapitalistischenArbeitsteilung (Betrieben) noch allein von einer territorialen Basis(Wohngebieten) ausgehen, sondern sie muß bereits die (anti‐)ökonomischeKeimformeineralternativenReproduktionenthalten.Eine solche emanzipatorische, das Privateigentum an denProduktionsmitteln überwindende Keimform "mikroelektronischer

Naturalwirtschaft"istabernichtanbeliebigenPunktender(zunächstinkapitalistischerFormvorgefundenen)StrukturderReproduktion

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darstellbar,sondernnurandenEndpunkten:dort,wodieProduktionindieKonsumtionübergeht.DennnurandiesenEndpunktenistdieKonstitution eines sozialenRaumsder Kooperationmöglich, derenTätigkeiten nicht wieder auf den Markt zurückführen, sondern in

ihrenResultatenvondenBeteiligtenselberkonsumiertwerden.DieökonomischeAufspaltung(sogarderIndividuenselber)in

ein Produzenten‐ und ein Konsumenten‐Interesse ist ein basalesMerkmaldeswarenproduzierendenSystemsunddesdazugehörigenPrivateigentums an Produktionsmitteln; die soziale undkommunikative, institutionelle Identität von Produzenten undKonsumenten wird daher zur conditio sine qua non für eineAufhebung der Wertform. Unmittelbar ist diese Identität als

gesamtgesellschaftliche natürlich nicht möglich, aber vermitteltdurchInstitutionendirektergesellschaftlicherKommunikationistsiedurchausdenkbar:die"Direktheit"beziehtsichhieraufdasMediumselbst, die Sprache und die "Diskussionüber"alleAngelegenheitenderReproduktion; imUnterschiedzueinem indirekten,abstrakten,fetischistischen,subjekt‐undsprachlosenMedium,wieesderWertdarstellt.DiesevölligandereArtderVermittlungmußjedochselbererstvermittelt,geübt,ausprobiert,erweitertundverfeinertwerdenusw.,unddeshalbbedarfesauchderKeimformen,diedortansetzen,

wo das Verhältnis von Produktion und Konsumtion greifbar wirdohnedazwischengeschobeneInstanzen.DiesesProblemwirdsichfürjede emanzipatorische soziale Bewegung stellen, egal in welcherGrößenordnungund inwelchemStadiumder KrisekapitalistischerReproduktionsieoperiert.

HistorischhatsichderMarktvondenGrundstoffen,denVor‐

und Zwischenprodukten immer weiter vorgeschoben und immermehr reproduktive Bezüge okkupiert; nicht nur bis zu den

Endprodukten, die direkt in die Konsumtion eingehen, sonderndarüberhinausbiszurVermittlungderKonsumtionselber inFormvonDienstleistungenundbisindenIntimbereich.DerdemKapitalinhärente ökonomische Totalitarismus drängte dazu, diemenschlicheReproduktionmitHautundHaarzuerfassenundnichtden kleinsten Bereich mehr übrigzulassen, der außerhalb desVerwertungsprozesses (bzw. außerhalb der staatlichenRedistribution) steht. An der heute aufscheinenden historischenGrenzederWertformerlischtdieIntegrationskraftdiesestotalitären

ökonomischenSystems,weildiemikroelektronischeRevolutionaufvielfältige Weise immer mehr Menschen systemisch dysfunktional

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und überflüssigmacht. Gleichzeitig will und kann aber das Systemvon seinem totalen Anspruch nicht loslassen und versucht dieZwanghaftigkeit seinerFormauchdannaufrechtzuerhalten,wennes die menschlichen und stofflichen Ressourcen gar nicht mehr

ausreichendbesetzenkann.Für eine emanzipatorische Bewegung, die sich der

Notwendigkeit bewußt ist, aus Keimformen heraus diegesellschaftlicheIdentitätvonProduktionundKonsumtionaufeinerhöherenEntwicklungsstufewiederherzustellen,folgtdaraus,daßsieingenauumgekehrterReihenfolgevondenDienstleistungenunddendirekt in die Konsumtion eingehenden Endprodukten ausgehenddemMarkt seinehistorischeBeutewieder entreißenmuß, umvon

diesen Endpunkten aus die gesamte Reproduktion aufzurollen undemanzipatorischumzuformen,bissiebeidenGrundstoffenangelangtund das warenproduzierende System aufgehoben ist. Damit imEinklang steht es, das emanzipatorische Potential derMikroelektronikzunächstdurchdieAnwendungzunutzenundnichtmit der Produktion der Chips beginnen zu wollen.Wenn man diebasalen terms des Marxschen Reproduktionsschemas verwendet,läßtsichdieseVorgehensweiseökonomischaufdenNennerbringen,daßnichtmitderAbteilungI(ProduktionvonProduktionsmitteln),

sondernmitderAbteilungII(ProduktionvonKonsumtionsmitteln)sowie mit Dienstleistungen begonnen wird, um soziale TerrainskooperativerTätigkeitvonderWarenformzuentkoppelnundnichtmehrindenMarktzurückkehrenzulassen.

Diese Perspektive unterscheidet sich grundsätzlich sowohl

voneinerVorstellungkleinerautarkerGemeinschaftenalsauchvonallenKonzeptendersogenanntenDualwirtschaft.SozialökonomischeAutarkie wäre keine gesellschaftliche Keimform, sondern eine im

schlechten Sinne selbstgenügsame Endform, die das Niveau derVergesellschaftungundderProduktivkräftewederhaltenkannnochwill; sie würde auf eine noch tiefere Stufe als die Modellekleinbürgerlicher Warenproduktion herabsinken und übrigenstrotzdemillusorischbleiben,weilesimmerirgendwelcheWerkzeugeundIngredienzenderProduktiongibt,dieeinekleineGemeinschaftnichtselbstherstellenkann.DieselbeVorstellungderAutarkie,aberimMaßstab regionaler, "ethnischer" oder nationaler Bezugsräume,würde das Moment der regressiven Abschottung nur auf einen

größeren Zusammenhang übertragen und dann nicht einmal mehrauf einEndederWarenproduktionhinauslaufen, sondernnurnoch

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aufeine (rassistischeund lokalpatriotische) engherzigeBornierungdesjeweiligenBezugssystems.

Soweit eine autarke Reproduktion sich überhaupt

verwirklichen ließe, würde sie eine "Zwangsgemeinschaft"konstituieren, die das Individuum nach demMuster von religiösenSektenunterdrückt,wiesichindenIdeenvonautarken"spirituellenKommunen"desehemaligenDDR‐DissidentenRudolfBahrobereitsandeutet. Autarkie darf nicht mit dem Streben nach sozialerAutonomie verwechselt werden. Autonomie heißt nämlich nicht,alles selber zu machen und die Reproduktion unter ein borniertesGemeinschafts‐Ethos zu zwingen. Autonomie bedeutet vielmehrgerade umgekehrt, daß sozialökonomische Beziehungen keinem

äußeren, irrationalen und fetischistischen Zwangsverhältnis mehrunterliegen,sondernaufeinerbewußtenundfreienKommunikationberuhen, die dem Individuum Eigensinn, Entfaltungs‐ undRückzugsmöglichkeitenbietet. Es gilt also, ein sozialesTerrain derAutonomieindiesemSinnezubesetzen,dasnurlebenkann,wennessich nicht regressiv abschottet, sondern in vielfältige undweitreichende Beziehungen tritt, die gerade die irrationalennationalen, religiösen und "ethnischen" Bezüge, wie sie in derGeschichte der Modernisierung zu Ausgrenzungsmustern der

Konkurrenz geworden sind, durchbrechen und aufheben könnenstattsiezuzementieren.MitdendualwirtschaftlichenKonzeptenandererseitssinddie

Keimformen "mikroelektronischer Naturalwirtschaft" deswegenunvereinbar,weilsieinkeinenstatischenAustauschmitdenFormendes warenproduzierenden Systems treten und dieses nicht infriedlicherKoexistenz"ergänzen"(odergarseineReparaturkolonnedarstellen) können. Die dualwirtschaftlichen Ideen laufen allesamt

nicht ernsthaft auf eine Entkoppelung von derWarenform hinaus.Bei André Gorz etwa, der einer der wichtigsten Theoretiker derDualwirtschaftist,bleibendie"autonomen"Tätigkeitenletztlicheinebloße Spielwiese, weil sie durch ein "Grundeinkommen"subventioniertwerdensollen,dasinderunaufgehobenenGeldformausdemmarktwirtschaftlichenSektorgespeistwird.Gorzsiehtdiegesamte industrielle Reproduktion als eine unaufhebbar"heteronome" an, weil dieser Charakter in der technologischenPotenz selber begründet sei. Das Problem der fetischistischen

Wertform und die Differenz von Wesen und kapitalistischerErscheinung der mikroelektronischen Produktivkräfte hat er nicht

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durchdacht.Ebensowenig reflektieren Gorz und andere Vertreter der

Forderung nach einemmonetären "Grundeinkommen", daß dieses

nur durch einen Apparat der Redistribution in einemnationalökonomischenBezugsraumrealisierbarwäre.Dabeikönntees sich nicht, wie Gorz fälschlich annimmt, um eine schlichteBeteiligung aller am stofflich‐technischen Fortschritt derProduktivität handeln, denn das würde bereits einenaturalwirtschaftliche gesellschaftliche Reproduktion jenseits derWertform voraussetzen. In einem warenproduzierenden Systemdagegen muß jeder Produktivitätsgewinn zuerst durch dieVermittlungen der Wertform und deren Restriktionen

hindurchgehen. Das bedeutet, daß keine Verteilung der Produktenach Maßgabe der Produktivität möglich ist, sondern nur eineUmverteilung von Geld nachMaßgabe des Markterfolgsund damitgelingender Realisation von Mehrwert. Für das nationaleBezugssystemdes"Grundeinkommens"wiederumheißtdies,daßesimKonkurrenzkampfaufdemWeltmarkterfolgreichseinmuß,umgenügend Kapazität für die monetäre Umverteilung zuerwirtschaften. Implizit enthält daher das Konzept des"Grundeinkommens" einen nationalistischen und rassistischen

Vorbehalt; es ist nichts als ein Derivat des sozialnationalistischenLinkskeynesianismus.InderPraxiswürdedas"Grundeinkommen",egalinwelcher

Form,fürdieIndividuenimmernuraufeinVolumenhinauslaufen,das zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist, also dieMenschen letztlich zur "abstrakten Arbeit" stacheln und siemarktwirtschaftlichbeiderStangehaltensoll.Deshalbliebäugelnjaauch die Neoliberalen mit diesem Konzept, weil sie alle durch

Zwangsabzüge vom Lohneinkommen erworbenen Sozialansprüche(Renten, Arbeitslosenversicherung etc.) kappen und dieLohnabhängigen auf monetäre Notrationen setzen wollen, die siedazu zwingen, bis ins hohe Alter jede noch so miese "Arbeit"anzunehmen.

Vor allem aber rechnen die Konzepte der Dualwirtschaft

überhaupt nichtmit der Krise des warenproduzierenden Systems.AufeinesehrblauäugigeWeisesetzensieeinewigesFunktionieren

der angeblich leider ewig "heteronom" bleibenden industriellenMarktwirtschaft voraus, und nur deswegen können sie für die

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diversen Sektoren der Autonomie einen harmlosen Modus derErgänzungzumoffiziellenMarktsystemvorschlagen,dereine"duale"Struktur der Reproduktion langfristig ausbalanciert. Ganz andersaber sieht die Sache aus, wenn nicht nur die Intention der zu

gewinnenden autonomen Sektoren auf eine radikale Kritik undÜberwindung des warenproduzierenden Systems abzielt statt aufeine friedliche Koexistenz, sondern wenn auch gleichzeitig dieDynamik der Krisenprozesse jeden reformistischenBefriedungsversuch über den Haufen wirft. Wie die ganze Debatteselber schon ein Resultat der Krise ist, so werden die weiterensozialen und ökonomischen Verwerfungen kein dauerhaftesBeharrenaufdenRealkategorienderWertformmehrdulden.

Tatsächlich kann jeder Schritt zu autonomen, von derWertform entkoppelten Sektorender Reproduktion die Krisenichtmildern, sondern nur verschärfen. In einer Debatte der Zeitung"JungeWelt"hatmirderlinkeÖkonomKurtHübner,RedakteurderTheoriezeitschrift "Prokla", schon vor einigen Jahren vorgeworfen,daß meine Vorschläge zu einer Entkoppelung bestimmterTeilbereiche von der Warenproduktion in der Krise "prozyklisch"wirkenmüßten.Dasistvölligrichtig.Alles,wasMenschenkooperativjenseitsderWarenproduktiontun,wirddemMarktweggenommen.

Das bedeutet beschleunigten "Verlust" von Absatz, Arbeitsplätzenund Kaufkraft. Die Entkoppelung wäre also hinsichtlich derKrisendynamik notwendigerweise eine verstärkende "positiveRückkoppelung".

Und da es sich bei den ersten Ansätzen der Entkoppelung

neben der Produktion von Konsumgütern vor allem umDienstleistungenhandelnwürde,wärediesaucheindirekterSchlaggegen alle Hoffnungen auf eine marktwirtschaftliche Erneuerung

durch die berühmte "Dienstleistungsgesellschaft". Das betrifftübrigens ebenso das Konzept von Gorz, der diese Konsequenzebenfalls nicht durchdacht hat. Zwar ist die Option der"Dienstleistungsgesellschaft" ohnehin eine ökonomische Illusion,weil ein erheblicher Teil des tertiären Sektors an sich nichtkapitalproduktiv ist, also nur in sekundärer, abgeleiteter Formkommerziell dargestellt werden kann (Banken, Versicherungen,Handel usw.) oder in der Form des Staatskonsums (Infrastruktur,Bildung usw.) betrieben werden muß. Aber die verstärkende

Wirkung in der Krisendynamik könnte dem Konzept derEntkoppelung alseineArtmarktwirtschaftliche "Dolchstoßlegende"

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vorgeworfen werden. Wolfgang Schäuble, Vorsitzender der CDU‐Fraktion im deutschen Bundestag und ein fanatischer Protagonistkonservativer Lösungen für die Rekonsolidierung der totalenMarktwirtschaft, hat inseinemBuch "Undder Zukunft zugewandt"

(1994)allenErnstesgegendie"Do‐it‐yourself"‐Bewegunggewettert,sie würde der Marktwirtschaft Terrain und Möglichkeitenwegnehmenundeine"Schattenwirtschaft"begünstigen.

Hierwirdbereitsnegativgewendet,wasderUS‐PublizistAlvin

Toffler 1980 noch als positiven Entwicklungstrend gesehen hatte.TofflerkreiertedamalsdenBegriffdes"Prosumenten",dieMischungeines "Do‐it‐yourself"‐Produzenten und eines Konsumenten vonWaren. Tatsächlich wird auch eine Entkoppelungs‐Bewegung mit

Hilfe zunächst marktwirtschaftlich produzierter und erworbenerGüter einen Teil der "produktiven Konsumtion" aus demwarenproduzierendenSystemherausverlagern.Tofflerfreilichsiehthier nur den individuellen "Prosumenten" als eine Art KentaurökonomischerBeziehungen,derauchwiedernureineErgänzungzur(alsfunktionierendgedachten)Marktwirtschaftdarstellensoll.UnterKrisenbedingungen jedoch und als eine anti‐marktwirtschaftlicheBewegung kooperativer Reproduktionsformen könnte dieseEntkoppelung vom Markt soziale Sprengkraft entfalten. Gegenüber

EinwändenwiedenenvonHübneroderSchäubleistzusagen,daßwirsowiesonichtdieAbsichthabenkönnen,VerantwortungfürdasMarktsystem und seine "Arbeitsplätze" zu übernehmen. Da unserBerufdieAufhebungdiesesSystemsist,müssenwirnichtinTränenausbrechen,wennjederSchrittderemanzipatorischenEntkoppelunggleichzeitigdieKrisederwarenförmigenReproduktionforciert.

Esistnatürlichnotwendig,genauerzuklären,welcheBereiche

für eine solche neue Form der Transformation zuerst in Frage

kommen.DietheoretischeBestimmung,daßdieseEntkoppelunganden Endpunkten des Übergangs von der Produktion in dieKonsumtionansetzenmuß,liefertnureinenallgemeinenBegriff,derselberwiederzukonkretisierenist.ZurAbteilungIIgehörtz.B.auchdie Produktion von Fernsehgeräten, und zu den Dienstleistungs‐Unternehmen gehören auch Banken. Es ist klar, daß dieEntkoppelungnichtausgerechnetindiesenBereichenansetzenkann.VielmehrmußessichumSektorenhandeln,dieinderunmittelbarenReichweite von sozialen Initiativen liegen, damit überhaupt ein

Anfang gemacht werden kann. Die Produktion von Gütern undDienstleistungen sollte dabei nicht allzu tiefgestaffelt und in die

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kapitalistische Arbeitsteilung verwoben sein; sie sollte außerdemeinen lebensweltlichen Bezug haben und eine fühlbareUmstrukturierungdesAlltagsbewirken.ErstindemMaße,wieaufdiese Weise genügend sozialökonomisches Terrain gewonnen,

Erfahrunggesammeltundeinknow‐howentwickeltwurde,könnendieFelderderautonomenReproduktionerweitertwerden.

Die Initiativen für entkoppelte Sektoren der Reproduktion

können durchaus Kooperativen oder Genossenschaften genanntwerden; nur daß es sich eben nicht um warenproduzierendeUnternehmen, sondern um autonome Bereiche mit einer sozialenIdentität von Produktion und Konsumtion handeln würde. Es gibtwenigstens ein Beispiel für einen solchen Ansatz, das die alte

Arbeiterbewegung hinterlassen hat, und das waren dieKonsumgenossenschaften. Es ist merkwürdig und zeigt wiederumdie Ignoranz der "orthodoxen" Marxisten und der postmodernenLinken,daßdiebloßeErwähnungdiesesWortsbei ihnensämtlicheScheuklappenfallen läßt.Dabei istesgarnichtdieAbsicht,nunausdem Stand und Hals über Kopf irgendwelche neuenKonsumgenossenschaften zu gründen. Es ist vielleicht eine vonmehreren Möglichkeiten, auch praktisch ein Moment autonomerReproduktionzuerproben;aberzunächsthandeltessichnurdarum,

an einem Beispiel wie diesem die Geschichte des Entkoppelungs‐Problems kritisch zu sichten und seine sozialökonomischenProblemlagenzubeleuchten.DasThemavonvornhereinalsinferiorzubehandeln,istvölligunangemessen.

ÖkonomischhandeltessichbeidenKonsumgenossenschaften,

die zuerst von dem englischen Sozialreformer und "utopischenSozialisten"RobertOwengegründetwurden,ursprünglichumeinentatsächlichenSchrittderEntkoppelungvonderWarenform.Denndie

Absichtbestanddarin,einenganzenSektordesMarktsystemsfürdieBeteiligten auszuschalten, nämlich den Einzelhandel. An dessenStelle sollte die selbstverwaltete Organisation des Einkaufs vomGroßhandel treten. Ein Moment warenförmiger Reproduktion, derEinzelhandel, wird also durch ein Moment nicht‐warenförmigerSelbstorganisationersetzt.FürdieAktivistenderArbeiterbewegung,die diese Konsumgenossenschaften organisierten, handelte es sichdabei freilich um einen kaum beachteten Nebeneffekt, weil ihrhistorischerHorizontüberhauptnichtvonderIdeeeinerAufhebung

der Warenproduktion bestimmt war. Ihnen ging es nur um dieSenkung der Transaktionskosten für die Arbeiter und um ihre

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UnabhängigkeitvondenoftblutsaugerischenPraktikenderKrämerund vor allem des sogenannten Truck‐Systems (Zwang für dieArbeiter, zu überteuerten Preisen in Läden des jeweiligenFabrikbesitzers einzukaufen, also sozusagen ein zweites Mal

ausgebeutet zu werden und de facto einen verschlechterten"Naturallohn"zuerhalten).

Immerhin ist an dieser Intention der

Konsumgenossenschaftenwichtig,daßesnichtumein"Prinzip"undnichtumeinenabstraktenAltruismusoderdergleichenging,sondernumhöchstpraktischeZweckederpersönlichen"Kostensenkung"undder Erleichterung des Alltags. Dieses Motiv wird auch für einezukünftige Entkoppelungs‐Bewegung ganz entscheidend sein. Die

Strategie der betriebswirtschaftlichen "Kostensenkung" kanndurchaus durch eine emanzipatorische Strategie der"Kostensenkung" für die Haushalte konterkariert werden, die sichdamiteinStückUnabhängigkeitvonder"abstraktenArbeit"erobern.DieKraftderautonomenKooperation,dieganzanMarktundStaatverlorengegangen ist, gilt es gerade auf der Ebeneder alltäglichenReproduktion wiederzuentdecken und mit der Potenz dermikroelektronischenProduktivkräfteanzureichern.DerZeitaufwandfür die Beteiligung an der kooperativen Selbstorganisation ist mit

Sicherheit kleiner als der Gewinn durch persönliche"Kostensenkung", wenn man sich überlegt, wieviel Zeit undRessourcen die zersplitterten individuellen Haushalte für vielealltägliche Dinge vergeuden; zu Nutz und Frommen allein derjeweiligen"Märkte".

Die Konsumgenossenschaft ist dabei natürlich ein ziemlich

begrenztes Beispiel, das noch keine autonome Tätigkeit als solchesetzt, sondern historisch an die Existenz des Marktes selber

gebundenist.AberdieserAnsatzhätte jamöglicherweiseerweitertwerdenkönnen.Daßergescheitertist,lagwederalleinamStandderProduktivkräfteundammangelndenZeitfondsderArbeiternochammangelnden Zuspruch. Um die Jahrhundertwende waren inDeutschland immerhin mehr als eine Million Menschen inKonsumgenossenschaften organisiert und es schien so, als könntedieses Moment der Reproduktion zum Bestandteil des Alltags undder Arbeiterbewegung werden. Aber dieses Kind war bei denpolitizistischen Führern ungeliebt, und man sah es vielleicht nicht

einmal so ungern, daßderEinzelhandel Sturmdagegen lief undesschließlich erreichte, daß sich die Konsumgenossenschaften selber

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perGesetz in stinknormale Einzelhandelsunternehmen verwandelnmußten.DamitwardereigentlichenIntention"dieLuftabgelassen".Die Konsumvereine mutierten zu kapitalistischen Konzernen mitallenüblenBegleiterscheinungen,unddassozialeInteresseschwand,

zumaldas"Wirtschaftswunder"nachdem2.WeltkriegdasProblemüberflüssig zu machen schien. Die soziale und theoretischeGeschichte dieses Versuchs im Kontext einer Kritik deswarenproduzierendenSystemsistnochnichtgeschrieben.

FüreinenneuenAnsatzvonKonsumgenossenschaftenwären

die Bedingungen wahrscheinlich in den einzelnen Ländern sehrunterschiedlich.Zumindest inDeutschlandhandeltessichauchumeinProblemderLegalität,dennhierzulandebekommtniemandeinen

Metro‐ScheinoderdieMöglichkeit,engrosdirektbeidenErzeugerneinzukaufen, der sich nicht als "Wiederverkäufer" ausweisen kann.Es gibt zwar in einigen Regionen alternative Einkaufsringe, diemeistens eine direkte Verbindung von ökologischenlandwirtschaftlichen Produzenten und Stadtbewohnern herstellen;aber diese Versuche beschränken sich in der Regel auf das"Luxusgut" ökologischer Frischprodukte und kränkeln sowohl anihrer geringen organisatorischen Reichweite als auch an ihrermangelnden Vermittlung mit einer weitergehenden

gesellschaftskritischenBewegung.IneinemgrößerenBezugsrahmenkönntedieserAnsatzaberdurchausnocheinmalneuaufgebautundgesellschaftlichkonfliktträchtigwerden.

Ein zweites Beispiel sind Wohnungsbaugenossenschaften.

AuchaufdiesemGebietgibtesbereitseinelangeGeschichte,diesichmitderaltenArbeiterbewegungzumindestüberschneidetundauchBezüge zu anderen sozialreformerischen Ansätzen hat. Nichtunbedeutend war zum Beispiel die von England ausgehende

"Gartenstadt"‐Bewegung. Ökonomisch ist hier wiederum dasKriterium der Entkoppelungvon derWarenproduktion signifikant:Esgehtdarum,Häuserzubauenundinstandzuhalten,dievondenBeteiligten selber genutzt werden (Identität von Produzenten undKonsumenten). Natürlich müssen dabei auch Leistungen vonBaufirmeneingekauftwerden;aberimVergleichzumkommerziellenWohnungsbau ist auch ein hoher Anteil von gemeinschaftlicherEigentätigkeitmöglich.DieserAnteilkönnteumsohöhersein,wenndie Bautätigkeit (ähnlichwie auf dem Gebiet der Mikroelektronik)

begleitetwirdvonderVermittlungeinschlägigen"polytechnischen"Wissens (know‐how von Architektur, Handhabung von

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Baumaterialien,Installationusw.).Entscheidend ist, daß das Produkt nichtwieder alsWare in

denMarkteingeht,dieKooperationalsokeinewarenproduzierende

Genossenschaft darstellt. Das ist der große Unterschied zurkommerziellen Bautätigkeit, die Häuser als Waren produziert undihre Nutzung vermietet oder verkauft. Der Bau vonWohnhäusern,Büros, Werkstätten, Kommunikationszentren usw. wird auf dieseWeise zu einem Feld der Kapitalrendite gemacht. Da dieKapitalanlegerdieGebäudenichtselbstnutzenwollen,kannesihnennicht genügen, wenn die Gelder für Baukosten und Instandhaltungzurückfließen. Sie verlangen darüberhinaus, daß eine Renditeabgeworfen wird, die mit der Rendite anderer Kapitalanlagen zu

konkurrieren hat und in denMieten, Gebühren etc. enthalten seinsoll. Die Benutzer der Gebäude müssen also über die Kosten derProduktion und Instandhaltung hinaus dieseRendite bezahlenunddafür auf anderen kapitalistischen Feldern "abstrakte Arbeit"verausgaben. Das kapitalistische Regime drängt darauf, möglichstdengesamtenBereichderBautätigkeitalsFeldderKapitalanlagezuerschließen. Deshalb ist es kein Zufall, daß selbstorganisierte undselbstverwalteteBaugenossenschaftenjuristischundsteuerlichnichtbegünstigt, sondern im Gegenteil möglichst behindert und

unattraktiv gemacht worden sind; die Parallele zu denKonsumvereinen ist nicht zu übersehen. Auch hier gilt es, vomStandpunktderWertkritikausdieGeschichtederfrüherenAnsätzenocheinmalkritischzurecherchieren.

MitdenKonsumvereinenundWohnungsbaugenossenschaften

erschöpften sich die untergegangenen Entkoppelungs‐Ansätze derVergangenheit keineswegs. Das Problem ist allerdings, daß dieseAktivitätennuramRandedespolitizistisch‐etatistischenProgramms

deraltenArbeiterbewegungeinSchattendaseinführtenundgarnichtmit dem Begriff der Entkoppelung und in der Perspektive einerAufhebung des warenproduzierenden Systems antraten. Deshalbblieben sie auf einzelne Praxisfelder sozusagen "begriffslos"beschränkt.HinzukamderKontroll‐AnspruchderPartei‐undspäterder sozialistischen Staatsbürokratien, der jeden Ansatz vonSelbstorganisationundSelbstverwaltungebensounterbindenwolltewie jede selbständige "horizontale" Kommunikation vonorganisatorischen Basis‐Einheiten untereinander. Die

unaufgehobeneVerausgabung "abstrakter Arbeit" unter Staatsregietendierte automatisch dazu,möglichst den gesamten Zeitfonds für

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die gesellschaftlicheReproduktion zentralistischzuplanen und dieKommunikationhierarchischvonobennachuntenlaufenzulassen.Deshalb wurde der Unterschied der beiden Systeme bekanntlichauch in ihren eigenen Lehrbüchern als derjenige von "zentraler

Planwirtschaft" und "freier Marktwirtschaft" definiert und nichtanhand der Frage, ob Warenproduktion herrscht oder nicht. DiegesellschaftlicheIdentitätvonProduktionundKonsumtionerschiennicht in den "sozialistischen" Zielsetzungen (oder nur verzerrt alsPseudo‐IdentitätinderabstraktenAllgemeinheitdesbürokratischenApparats),undsokonnteauchdieFragederEntkoppelunggarnichtbenanntundindeneinschlägigenAnsätzenerkanntwerden.

Auf diese Weise (und in unheiliger Allianz mit der

AbwehrhaltungdeskapitalistischenRegimes) scheiterten nicht nurdie Entkoppelungs‐Ansätze der Konsum‐ undWohnungsbaugenossenschaften letztendlich, sondern auch daseinschlägige Potential der "Soziokultur" in der altenArbeiterbewegung blieb für eine transformatorische Perspektiveunausgeschöpft. Natürlich kann es nicht darum gehen, z.B. zur"Waschküchen‐ und Volksküchen‐Kultur" der alten proletarischenStadtviertelzurückzukehren.DiesesoziokulturellenFormenwurdenausderpurenNotgeborenundwarenandendamaligenStandder

Produktivkräfte gebunden. Aber es ist festzuhalten, daß die neuenfordistischen Produktivkräfte, die in Europa erst nach dem 2.WeltkriegTrittfaßten,diealtensoziokulturellenAnsätzeganzindenProzessen der Kommerzialisierung und abstraktenIndividualisierung ersäuft haben. Selbst die alten kollektivenWaschküchen wurden nicht etwa modernisiert, sondern derkapitalistische Angebotsdruck konnte die fordistische Produktionvon Haushaltsmaschinen auf die Struktur von Kleinfamilienzuschneiden.Das ergabviel zusätzlicheabstrakteArbeit und große

Marktvolumina; aber der Gewinn an disponibler Zeit für dieIndividuenwardurchdiesozialzersplitterteNutzungunddenZwangzur individuellen Ausrüstung viel geringer, als es eigentlich in derPotenzderProduktivkraftentwicklungangelegtgewesenwäre.

Ähnliches gilt für andere Elemente der untergegangenen

arbeiterbewegten Soziokultur. Die Institutionen derArbeiterbewegung betrieben zahlreiche logistische Strukturen wieBildungseinrichtungen, Versammlungszentren, Werkstätten usw.

FreilichwurdeauchdiesenEinrichtungenkeineigenerStellenwertinder historischen Perspektive zuerkannt. Das Potential der

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sozialökonomischen Entkoppelung kam hier ebensowenig wiehinsichtlich der Genossenschaften ins Blickfeld. Stattdessenbetrachteteman diese Ansätze ausschließlich als bloße Hilfsmittelfür den offiziellen staatspolitischen Zweck, sodaß sie keine eigene

Entwicklung nehmen konnten. Oft wurden sie auch ganzgeschäftsmäßig in Parteibesitz oder privat von Parteimitgliedernbetrieben, um Gelder für die politisch‐propagandistische"Kriegskasse"einzunehmen.Auchdie68‐erBewegunghatzumindesteinezeitlangsolcheEinrichtungenhinterlassen,dieteilweiseauchalsbürgerliche Kleinunternehmen weitergeführt wurden. Manchesdavon käme durchaus für eine Rekonstitution im Kontext einerEntkoppelungs‐undAufhebungsbewegunginFrage.

Das betrifft nicht zuletzt jenen ökonomisch als"Dienstleistung"firmierendenKomplex,derindenFormenderalten"Volksküchen", der Versammlungsräume, Kommunikationszentrenusw.betriebenwurde.EinrichtungendieserArtwarenschonimmereinwichtigesMomentjedersozialenBewegung,dennmanbrauchtOrte,womansichtreffen,diskutieren,zusammenessenundtrinkenkann.InderKulturgeschichtegibtesbekannteBeispieledafür.Mandenkeetwa andie jakobinischen "Straßenclubs"der FranzösischenRevolution, an die berühmten "Salons" der Romantiker, an die

literarische Caféhauskultur oder an die englischen "Clubs". Nichtunwitzig und wenig bekannt ist es, daß auch in der Frühzeit dersozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Deutschland Gastwirteeine bedeutende Rolle spielten. Ebenso haben die 68er‐ und dieAlternativbewegungsolcheEinrichtungenhervorgebracht;undeineeinschlägigeErscheinungwarinderBRDdiebreiteJugendzentrums‐Bewegung der 70er Jahre mit ihrer Forderung nachselbstverwaltetenHäusern. Die Reste der Kommunikationszentren,die damals entstanden (etwa das bekannt gewordene "Komm" in

Nürnberg)werden soebenvonden kommunalenVerwaltungenausKostengründenundkonservativ‐politischemKalkülgeschleift.Die alltäglichen Bedürfnisse, auf die solche Einrichtungen

bezogen waren, sind nun fast lückenlos in kapitalistische Formenausdifferenziert. Die Basis bildet auch in dieser Hinsicht dieZersplitterung in Kleinhaushalte, die ein Angebot von daraufzugeschnittenen fordistischen Küchenmaschinen strukturiert,währendesgleichzeitigderkapitalistischenMöbelindustriegelungen

ist, unter den fordistischen Normalos einen absurdenPrestigewettbewerbbeiKüchen‐Einrichtungenzukreieren,wofürsie

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sichebensodämlichinder"abstraktenArbeit"abbuckelnwiefürdenentsprechenden Wettbewerb bei den fahrbaren Untersätzen. Daßpersönliche kleine Küchen wünschenswert sind, die man z.B.gelegentlich für die ZubereitungeinesnettenMahlsbeiKerzenlicht

zuzweitnutzenkann,stehtaußerFrage.DerunglaublicheZeit‐undRessourcenverschleiß jedoch, der den sozial atomisierten Massentagtäglich durch die vom Verwertungsprozeß diktierteGebrauchswertstrukturdesEssensohneProtestaufgenötigtwerdenkann, muß als reife Leistung der kapitalistischenZumutungsmaschinebezeichnetwerden.

Als Ergänzung nötigen sich einerseits der sprichwörtlich

miserable Kantinen‐ und Mensa‐Betrieb der Großfirmen und der

staatsbürokratischen Einrichtungen auf, der nachbetriebswirtschaftlichen Rationalitäts‐Gesichtspunkten organisiertist, was beim Essen das allerletzte Kriterium sein dürfte.AndererseitshatsichdiekommerzielleGastronomiebreitgemacht;von den Fast‐Food‐Ketten auf der Basis von Billiglohn über dieFamilienbetriebe mit sklavenähnlichen Binnenverhältnissen undmanchmal zweifelhafter Hygiene bis zu den von wild professionelldreinschauendenBaby‐Yuppies mit Hitler‐Haarschnitt gegründetenund überteuerten postmodernen Etablissements, die sich in der

Regel durch besonders kleine Spatzen‐Portionen auszeichnen. Fürdie "neuen Armen" bleiben die Hilfsküchen der inzwischen selberkommerzialisierten caritativen Organisationen oder die Aktionenvon sozialinfernalischen Pfarrern, die schäbige Reste von Luxus‐BufettsfürObdachloseeinsammeln.JedebewaffneteGeiselnahmeistvergleichsweise eine emanzipatorische Tat zu nennen. Und dieVersammlungsräume befinden sich fest in der Hand konservativerdeutscher Vereinsmeierei und der kommunalenVerwaltungsapparate.

Wenn man für eine gesellschaftskritische Diskussion oderauchnureinEssenunterFreundennirgendwomehrhingehenkann,ohnesichzuspeien,stelltsichdochdieFrage,obnichtaufdiesemSektor selbstorganisierte "Clubs" als Bestandteil einerEntkoppelungs‐Ökonomie denkbar wären, wo man internationalePresse (und vielleicht eine Bibliothek) hält, Versammlungsräumenutzen sowie essen und trinken kann. In den angelsächsischenLändernundnichtzuletztinderGeschichtederUSAwardieslange

Zeit ein fast selbstverständliches Moment des gesellschaftlichenLebens, das freilich im Lauf der kapitalistischen Entwicklung

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abgebröckelt ist und ganze soziale Schichten, Wohnviertel undRegionennie erreichthat.Wesentlichdabei ist, daß ebennichteinauf Gewinn abzielendes kommerzielles Objekt für ein beliebigesPublikum gegründet wird, sondern daß Leute sich

zusammenschließen,umfürsichselbst,fürdeneigenenBedarf,einesolche Einrichtung bereitzustellen. Ökonomisch würde diesbedeuten, daß jede/r Beteiligte nach seinen/ihren Möglichkeiteneineneinmaligen und/oder regelmäßigenBeitrag bezahlt,mit demdannallesErforderlichebereitgestelltundbetriebenwird,ohnedaßdieserBetriebselbstwiederindenMarktzurückkehrt;alsoetwainder Manier von selbstorganisierten Kinderläden, die ein weiteresBeispiel (und eines der wenigen aus der 68er‐Bewegungüberkommenen) sind.Obman dabeidie erforderlichenTätigkeiten

abwechselnd organisiert oder einige Beteiligte teilweise finanzielldafür freigestellt werden (oder eine Mischform organisiert wird),bleibtgleichgültig,solangedasGanzesichnichtineinUnternehmenfürdenMarktverwandelt.UndselbstverständlichmüßteeinesolcheEinrichtung im Gegensatz zu einem betriebswirtschaftlicherRationalitätunterliegenden"Unternehmen"nichtengherzigseinundkönnteauchunbemittelteLeuteaufnehmen.

Freilich ist auch klar, daß all dies nicht mit einer Handvoll

Leuten möglich ist. Rein sozialökonomisch ist es zwar heute inDeutschland keineswegs unvorstellbar, daß etwa hundert Leutejeweils10.000DMalsAusgangsbasiszusammenlegen,unddaswärebereits eine satte Million; ebenso leicht denkbar ist es, daß diesehundert jeweils 100 DM pro Monat für einen laufenden Betriebausgeben (was auch schon 10.000 DM wären) und dieentsprechenden Dienstleistungen dafür nichtmehr auf dem Marktkaufen müssen. Aber die Linke ist bereits so starkzusammengeschmolzen und in so viele einander befehdende oder

bestenfallsignorierendeKleinststämmezersplittert,daßesselbstingrößeren Städten fast unmöglich scheint, auch nur hundert Leute(mitAnhang)füreinensolchenZweckzusammenzubekommen;ganzzuschweigenvondenkapitalistischenNormalos.MitEntsetzenmußman feststellen, daß es dem Kapitalismus gelungen ist, selbst inderart einfachen Dingen schier unüberwindlichesozialpsychologische Barrieren zwischen den atomisiertenIndividuenzuerrichten,diegegenwärtigfastnurnochvonreligiösenSektenfürmehroderwenigerfinstereZweckedurchbrochenwerden

können.

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DiebisherigenBeispiele,dienocherweitertwerdenkönnten,überschneiden sich von den Bereichen her sicherlich teilweise mitdenVorstellungenvonAndréGorz,unddiesewiedermitdenIdeendes angelsächsischen "Kommunitarismus". Es kann auch gar nicht

darum gehen, die notwendige Kritik an diesen Ansätzen etwa vonStandpunkten des alten Arbeiterbewegungs‐Marxismus aus zuformulieren, wie dies gelegentlich seitens verbiesterterAltorthodoxergeschieht,unddabeidiepositivenMomentebeiGorzundselbstbeiden"Communitarians"abstraktzunegieren.Aberwieschon hinsichtlicheiner KritikderDualwirtschaftangedeutet, stehtder wertkritische Entkoppelungs‐Gedanke trotz dieserÜberschneidungen in einem ganz anderen gesellschaftskritischenKontextalsdieGorzscheoderdie kommunitaristischeTheorie.Das

betrifftnichtnur die Grundfrage einerneuen radikalen Kritik statteinerbeflissenen"Ergänzung"deskapitalistischenSystems.Vielmehrsollen autonome Bereiche jenseits von Markt und Staat wie dieskizziertenjaauchderAusgangspunkteinerletztendlichdiegesamteReproduktion erfassenden Aufhebungsbewegung sein, und nichtbereitsderEndpunkteinerbloßmarginalen"Selbsthilfe".

Dassozialökonomische"Aufrollen"desgesamtenSystemsder

Reproduktion kann man sich zunächst (wenn auch nur für einen

begrenztenSchritt)sovorstellen,daßz.B.mehreresolcherInitiativengemeinsam einen vorgelagerten Sektor, der für sie bis dahin nocheine Zulieferung aus dem Markt dargestellt hat, in ihren nicht‐warenförmigen Zusammenhang integrieren. So könnten, um eineinfaches Beispiel zu nehmen, mehrere Baugenossenschaftengemeinsam eine Sandgrube, einen Steinbruch oder die ProduktionvonZiegelnnachBedarfbetreiben.Odereskönnten,umeinanderesBeispiel zu nehmen, das jede lokalpatriotische Einengungausschließt,verschiedeneKooperativendenKaffeefürsichundihre

Einrichtungen von einer beteiligten Kooperative in Lateinamerikabeziehen.Das ökonomische Grundproblem besteht dabei darin, daß

vorgelagerte Tätigkeiten nicht mittels Warentausch undGeldbeziehung verbunden werden, sondern daß eine vermittelteIdentität von Produzenten und Konsumenten auf erweiterterStufenleiter hergestellt wird. Es geht dabei nicht um einegrundsätzliche betriebswirtschaftliche Spezialisierung, sondern um

einepolytechnischeFunktionsteilung,diez.B.personellalternierendsein kann; selbst über Regionen und Kontinente hinweg, denn

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warum soll man nicht eine Zeitlang Ziegel in einer anderen Stadtoder Kaffee in Lateinamerika produzieren (was natürlich alles nurgeht,wenndasbasaleknow‐howalsWissenverallgemeinertistundwenn zumindest bei bestimmten Techniken die Präzision und

"Geschicklichkeit" mehr in programmierten Maschinen liegt als inder persönlichen Übung). Es geht ferner auch nicht um einenAustausch abstraktifizierter Äquivalente in einer bloß naturalenForm (wie etwa bei den sogenannten Barter‐Geschäften), sondernum eine rein stofflich‐technische Funktionsteilung, bei der es nurdaraufankommt,daßinnerhalbeinesFunktionszusammenhangsdienotwendigen Dinge in der notwendigen Quantität und Qualitäthergestellt werden. Man kann sich dies zwar einerseits wie dieFunktionsteilunginnerhalbeinerFabrikdenken,bloßinerweiterter

Form; aber die dabei anklingende altmarxistische Vorstellung vonder gesellschaftlichen "Gesamtfabrik" klebt andererseits noch anjenem Begriff der "Armeen der Arbeit", der das System der"abstrakten Arbeit" noch gar nicht transzendiert. Wie die äußereBeziehung von Reproduktions‐Einheiten nur als NaturaltauschdennochabstraktifizierterÄquivalentegedachtwurde,sodieinnereBeziehung quasi nur als Naturalform der betriebswirtschaftlichenRationalität.Eskämeaberdaraufan,dieFunktionsteilungenineinenrein am Bedarf der Beteiligten orientierten Zusammenhang der

Identität von Produktion und Konsumtion zu bringen. Vollständigwird dies sicherlich nur möglich sein, wenn bereits ein breitgefächertes und tief gestaffeltes System nicht‐warenförmigerReproduktion existiert. Für eine Übergangszeit könnte man sichvorstellen, daß z.B. bestimmte Produktionen teilweise nicht‐warenförmig für einen autonomen Zusammenhang und teilweiseauchfürdenMarktgeleistetwerden.AuchandereMischformensinddenkbar. Tatsächlich hört auf dieser Ebene die Möglichkeit reintheoretischerBestimmungenaufundesbeginnt,allerdingsjenseits

der altmarxistischen Konkretisierungs‐Verweigerung, der Bereich,wonurnochgesellschaftspraktischein"Learningbydoing"möglichist, das von einer interdisziplinären Theoriebildunggesellschaftskritischer Ökonomen, Techniker, Organisatoren etc.begleitetwird.

Überhaupt muß noch einmal betont werden, daß die

genannten Beispiele zwar auch im einzelnen praktiziert werdenkönnen(unddasistheutevorallemandenPunktenwünschenswert,

wo es sich um eine elementare Logistik für die theoretischeGesellschaftskritik selber handelt), daß aber eine gesellschaftliche

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Wirksamkeit nicht in erster Linie durch die allmählicheVerallgemeinerung praktischer Einzelbeispiele erreicht werdenkann.Daswärediealte,imschlechtenSinneutopischeVorstellung.VielmehrmußesdasZielsein,eineArtProgrammoderdenUmriß

einerAntwortaufdieunvermeidliche"Wastun?"‐FrageeinerneuensozialenBewegungauszuarbeiten.UndzwartrotzundgeradewegendergegenwärtigengesellschaftlichenWindstilleunterdembleiernenHimmeldesNeoliberalismus.

Gesellschaftliche Bewegungen können bekanntlich von

TheorieproduzentennichtausdemHutgezaubertwerden,sondernsie entwickeln sich spontan, wenn auch natürlich nicht ohnebestimmte Initialzündungen und ohne die willentliche Aktivität

bestimmterPersonen.Abereskannebennichtimvorausfeststehen,wo, von wem und auf welche Weise solche Bewegungen initiiertwerden. Entscheidend ist jedenfalls, daß erst durch sozialeBewegungen hindurch Ideen für eine umwälzende Praxis einegesellschaftlicheGestaltgewinnenkönnen.NurwennvieleMenschengleichzeitig und an vielen Orten beginnen, "aus der Spur zuspringen",weilsienichtmehrinderbisherigenWeiselebenwollenund können, wird die theoretische Möglichkeit zur tatsächlichengesellschaftlichenPraxis.

Andererseits ist aber die theoretische Konkretisierung derAufhebungsfrage nicht unmittelbar an die Existenz einerMassenbewegunggebunden.Geradewennwirdavonausgehen,daßsichalleFragenderTransformationzukünftignichtmehrunterdenBedingungen einer kapitalistischen Wohlstands‐ undWeltmarktgewinner‐Gesellschaft stellen werden, sondern nur nochdurch schwere ökonomische, soziale und (post)politischeErschütterungen hindurch, wird es umso notwendiger, daß

rechtzeitigdasProblemeinerAufhebungdeswarenproduzierendenSystemstheoretischkonkretisiertundeineDebattedarüberentfaltetwird. Insofern ist der von Vertretern der "orthodoxen" KritischenTheorie und von postmodernen Linken erhobene Vorwurf, dieradikaleWertkritikwürdesichmitdemBegriffder"Entkoppelung"und seinen Implikationen plötzlich einer inferioren undkleinkarierten "Praxis" zuwenden, nicht nur unsinnig, weil er dieThematisierung der Aufhebungsfrage in falscher Unmittelbarkeitmißverstehenwill;eristauchgrobfahrlässig,weilereineHaltung

impliziert, die gar nicht mit gesellschaftlichen Erschütterungenrechnet und die Wertkritik bestenfalls zum postmodernen

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subakademischenHobbydegradiert.Die über die Welt abrollende historische Krise und ihre

destruktiven sozialenKonsequenzensind esauch,die uns für eine

weitergehendePerspektivezunächstdie Frage einerSicherungderGrundbedürfnisse für alle Menschen aufzwingt. Und in der TatbeziehensichjaallegenanntenBeispielevonKonsumvereinenüberBaugenossenschaften bis zu Clubs, Kommunikationszentren oderKinderlädenaufmaterielle,sozialeundkulturelleGrundbedürfnisse.Man könnte auch noch Sektoren wie die Produktion vonNahrungsmitteln, Bekleidung, Möbeln und Gebrauchsgegenständen,kulturellen Gütern, die (solare) Energieversorgung, Teile derInfrastruktur, der Wissensvermittlung, der sozialen Dienste usw.

hinzufügen. Es ist albern, diese Problemstellung einerreduktionistischen Orientierung auf "Subsistenz" im Sinne einerAbsenkung des Bedürfnisniveaus zu zeihen. Im Gegenteil ist es jagerade das Ziel, nicht nur gegen die Krise des kapitalistischenSystemseinhohesNiveauderBedürfnissedurchautonomeSektorenzu behaupten, sondern auch die unsinnigen Restriktionen desMarktes zu überwinden, die durch abstrakte ökonomischeIndividualisierungenormeZeit‐undGenußverlusteaufnötigen.

DarüberhinausmußallerdingsauchdieFragegestelltwerden,was Reichtum und Luxus eigentlich sind. Zusammen mit der"abstrakten Arbeit" und der daraus historisch entstandenenkapitalistischen Gebrauchswertstruktur ist auch der kapitalistischeReichtums‐und Luxusbegriff zukritisieren.AlleinderGedanke,dieOrientierung auf Grundbedürfnisse könnte eine Orientierung aufBedürfnisarmut sein, ist schon verräterisch. Denn damit wirdunfreiwillig zugegeben, daß gerade die Grundbedürfnisse imKapitalismus tatsächlich arm gemacht worden sind. Der

kapitalistische Luxus bezieht sich in der Massenkultur (und in derpostmodernen Variante mehr denn je) vor allem auf sekundäreDinge.DerstolzeBesitzeinesHandyodereineWocheUrlaubinderKaribik (eine kulturelle Beleidigung nicht nur für die Karibik,sondern für jede Landschaft dieser Welt), womit man sichkonsumistisch auf der Höhe der Produktivkräfte glaubt, täuschenbloß darüber hinweg, daß die Ausdehnung des sekundärenReichtums historisch mit einer komplementären Ausdehnung derprimärenArmuteinhergegangenist.

Nicht bloß die disponible Zeit der Muße wurde in der

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kapitalistischen Modernisierung für die meisten Menschen (undnichtzuletztauchfürdasManagementselber)vermindert,undzwardrastisch. Auch simple Dinge wie frische Nahrungsmittel aus demGarten, Möbel aus massivem Holz usw. sind relativ nicht billiger,

sondern immer teurer und heute zu Luxusgütern geworden. Vorallem aber wurde die alltägliche räumliche Großzügigkeit für dieIndividuen immermehr eingeschränkt.Wennmannichtdie selberschon durch die kapitalistische Modernisierung erzeugteMassenarmut als Maßstab nimmt, sondern wirklich vor‐ undnichtkapitalistischeLebensformen, dann läßt sich eindeutig zeigen,daß der Wohn‐ und Lebensraum für die Mehrheit immer kleinergeworden ist. Der ostdeutsche Ausdruck von den"Arbeiterschließfächern" kann für den Wohnungsbau, die

Architektur, Stadtplanung und Siedlungspolitik des gesamtenwarenproduzierenden Systems verallgemeinert werden, das RaumundZeitzuWarengemachthat.Demgegenüberwäre,ohneaufdiemodernen Produktivkräfte als solche zu verzichten, gegen dieRestriktionen der Wertform gerade ein Reichtum derGrundbedürfnisse einzuklagen; und nicht zuletzt ein Raum‐Zeit‐Luxus. Das schließt auch eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüberimmer neuen, verselbständigten Innovationen auf der dinglichenEbene ein, deren Aufwand in keinem Verhältnis mehr zu ihrem

Nutzensteht.DasHandyz.B.unddieMöglichkeit,mitzweioderdreiPersonen gleichzeitig zu telefonieren, stellen gegenüber der schonmehr als hundert Jahre alten Basiserfindung des Telefons keinensinnvollenFortschrittmehrdar(ähnlichwiedieCDgegenüberderSchallplatte), der den irren Zeit‐ und Ressourcen‐Aufwand für diezusätzlicheProduktionundUmrüstungrechtfertigenwürde.

Die Perspektive autonomer Sektoren der Entkoppelung von

der Warenproduktion ist auch noch einem anderen Einwand

ausgesetzt, und zwar der Bezweiflung ihrer "ökonomischenEffizienz".EsscheintaufdenerstenBlickso,alskönntennochsoweitgespannte autonome Reproduktionsformen niemals die hoheKapitalintensität und den ungeheuren Grad der kapitalistischenArbeitsteilungkonterkarieren,ohnesofortaufeinprimitivesNiveauder "Effizienz" abzusinken. Dieses Argument läßt nicht nur denbesonderen Charakter der mikroelektronischen Produktivkräfteaußer acht, der ein hohes Potential der Produktivität in kleinemMaßstabanwendbargemachthat;esbleibtauchindenKategorien

betriebswirtschaftlicherRationalitätbefangen.

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Der Kapitalaufwand wird unter dem Druck dermarktwirtschaftlichenKonkurrenzgrundsätzlichnichtvonstofflich‐sinnlichen Erfordernissen bestimmt, sondern vom Zwang derDurchschnittsprofitrate,dereinereinegesellschaftlicheAbstraktion

darstellt.Daßz.B.dieProduktionvonÄpfelnoderTomaten,diefastüberallwachsen,sichkapitalistischnur"lohnt",wennsieeinriesigesMarktvolumen erfaßt, das völlig sinnlos Transportkapazitäten undEnergie verschleudert, ist einzig und allein dem Maßstab derabstrakten Verwertung geschuldet. Wenn vonbetriebswirtschaftlicher "Effizienz" die Rede ist, dann ist implizitimmerdieserMaßstabgemeint,waskeineswegsperseidentischistmit rationellen Methoden der stofflich‐technischen Produktion. Eswäre also notwendig, zwischen der Anwendung arbeitssparender

Techniken bzw. Organisationsformen einerseits und dem von derVerwertung diktierten Begriff der "Effizienz" andererseits zuunterscheiden.DiearbeitssparendeTechnikistnureinTeilmomentder insgesamt destruktiven betriebswirtschaftlichen Rationalität,und außerdem führt sie unter deren Diktat nicht etwa zurArbeitserleichterung,sondernbloßzur"Arbeitslosigkeit".

AmBegriffderbetriebswirtschaftlichen"Effizienz"istnochein

anderer Aspekt grundsätzlich zu kritisieren und für autonome

Reproduktionsformen überhaupt nicht erforderlich. Das ist diesogenannte "Kapazitätsauslastung". DiesesMoment erscheintunterkapitalistischen Bedingungen sogar in besonders absurder,gegensätzlicherForm:EinerseitsliegtdieKapazitätbrach,wenndasUnternehmen nicht genügend Kaufkraft auf sich ziehen kann;andererseits soll für marktwirtschaftliche Aufträge die Produktionmöglichst "rund um die Uhr" laufen, ohne Rücksicht auf dieBedürfnisse und dasWohlbefinden der "Beschäftigten". UnterdemDruck derWeltmarkt‐Konkurrenz verlangt das Management daher

heuteeine"VerlängerungderMaschinenlaufzeiten"unterEinschlußvonNachtschichtenund Sonntagsarbeit. Bei einerKooperation, dieeineIdentitätvonProduzentenundKonsumenteneinschließt,kanndiesnichtals "Effizienz", sondernnur als Ausgeburt eineskrankenHirnserscheinen.

SeitdemdieMenschenz.B.GebäudeausSteinerrichten,haben

siesichdasMaterialausSteinbrüchengeholt,wennsieesbrauchten,und ansonsten konnte der Steinbruch ruhen. Ebenso kann es ein

Zusammenhang autonomerKooperativen halten; und das gilt auchfür andere Werkstätten und Produktionsmittel. Ein Steinbruch als

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kapitalistisches Unternehmen hingegen wird als ökonomischatomisierter betriebswirtschaftlicher Roboter möglichst permanentSteine brechen und dann besonders "erfolgreich" sein, wenn dieganze Gegend in kurzer Zeit in eine Mondlandschaft verwandelt

wordenist.Ineiner"Wirtschaftskrise"wiederum(alleinderBegriffverweist ja schon auf den irrationalen Charakter derReproduktionsform), wenn das Brechen von Steinenbetriebswirtschaftlich nicht mehr "rentabel" ist, wird der Betrieb"geschlossen" und mit einem "Betreten Verboten"‐Schild versehen,selbst wenn die Bevölkerung in Zelten oder Erdlöchern hausenmüßte.

Es gilt also, einen grundsätzlichen Unterschied zu machen

zwischen der verrückten betriebswirtschaftlichen Rationalität undeiner Abwägung des Verhältnisses von Aufwand und ErgebnishinsichtlichZeit,Ressourcenusw.beieinerProduktionfürkonkreteBedürfnisse. Die verinnerlichten betriebswirtschaftlichen Kriterien,die in falscher Selbstverständlichkeit erscheinen, müssen bewußtüberwunden und in ihrer Absurdität enthüllt werden (das istgeradezu eine eigene analytische und sogar "propagandistische"Aufgabe). Wennmanden persönlichenAufwand der Beteiligten ineinemkooperativenZusammenhangmitdenAngebotendesMarktes

und dem dafür erforderlichen Aufwand an "abstrakter Arbeit"vergleicht, wird die autonome Reproduktion in vielen Fällen sehrwohl sozial "konkurrenzfähig" sein. Selbstverständlich gilt das imersten Ansatz nicht für alle Bereiche, und bestimmt nicht für dieProduktion von Grundstoffen. Es war z.B. absurd, daß in derchinesischen Kampagne des sogenannten "großen Sprungs nachvorn"unterMao‐TsetungStahlinHinterhöfenverhüttetwurde.Aberdas war ja auch keine Initiative der Beteiligten für eigeneausdiskutierteBedürfnisse,sonderneineetatistische(undnatürlich

gescheiterte) Kampagne "von oben" zwecks Steigerung derabstraktenvolkswirtschaftlichenGröße"Stahlproduktion".DiesozialökonomischeAlternativemußineinemvertretbaren

Verhältnis zum Aufwand stehen. Die "Selbstausbeutung" derfrüheren Alternativbetriebe war jedoch keineswegs schlicht einertechnischen und organisatorischen Unmöglichkeit geschuldet,sondern vielmehr großenteils der Produktion für den Markt unddamitderInvolvierungindiekapitalistischeFormderArbeitsteilung.

BeieinerunmittelbarenoderinstitutionellvermitteltenIdentitätvonProduzenten und Konsumenten dagegen kann die Frage des

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AufwandsanZeitflexibelgehandhabtwerden.WennmanfreilichineinemautonomenZusammenhangfüreinErgebnis10Stundentätigseinmüßte,dasmandurch"abstrakteArbeit"überdiewertförmigeVermittlung mit einem umgerechneten Aufwand von 10 Minuten

erhaltenkann,wäredasMißverhältnisnatürlichvielzugroß,alsdaßmanindiesemBereichansetzenkönnte.DieEntkoppelungvonderWarenform könnte hier erst bei einem viel höheren Grad derVernetzung erreicht werden. Ganz anders sieht esmöglicherweiseschonaus,wennesumeinVerhältnisz.B.vonzweiStundenzueinerStundeginge.DenndieabstrakteQuantitätderZeit,dieselberschonein Produktdes Kapitalismus ist (vgl.dazuden Artikel von GastonValdiviaindieserAusgabeder"Krisis"),kannkeineswegsdaseinzigeKriterium sein. Es ist eine leicht nachvollziehbare Erfahrung, daß

eine Stunde "abstrakte Arbeit" für das persönlicheEmpfinden einehalbeEwigkeitseinkann imVergleichzuzweiStundenTätigkeit ineinemsozialbefriedigendenZusammenhang.

Das von der Warenproduktion entkoppelte Kalkül der Zeit,

sowenigesalssolcheseinfachverschwindenkann,istmitKriterienangereichert, die in der betriebswirtschaftlichen Rationalität garnichtexistieren.DieReduktionderZeitaufabstrakteQuantitätenisteineFolgeder"abstraktenArbeit",dievonallenanderenMomenten

des Lebens abgetrennt ist. Die Aufhebung der Wertform bedeutetdaher auch, die Trennung von "Arbeit" und "Freizeit" aufzuheben,unddamitdie"Arbeit"alssolche.Dasheißtnatürlichnicht,daßmanz.B.währenddes Bedienens einerkomplexenMaschinegleichzeitigfrühstücktoderSchachspielt.Eswärealbern,sichdasProblemsozudenken. Etwas anderes ist es aber, daß der soziale Raum derProduktion nicht mehr durch das Diktat betriebswirtschaftlicherRationalitätsepariertist,daßmansich"Zeitlassen"kann,daßZeitund Raum der produktiven Tätigkeit durchsetzt sind mit sozialen,

kulturellen und ästhetischen Kriterien, mit Genuß, Kontemplation,Reflexion usw.; bis hin zur Architektur und dem Verhältnis vonWohn‐undProduktionsbereichen.

AuchsonstmußsichdasRessourcen‐Kalküleinerautonomen

Reproduktion in vielerlei Hinsicht vonderbetriebswirtschaftlichenRationalität unterscheiden. Wenn etwa die marktwirtschaftlicheProduktion von Obst und Gemüse nur deswegen als anscheinendunerreichbar "billig" erscheint, weil die Produkte nach

Verpackungsnormen gezüchtet, atomar bestrahlt und unter Gasmonatelang gelagert sowie an der Grenze der Geschmacklosigkeit

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angelangt sind, weil ganze Landschaften verseucht und die Flüssederartvergiftetwerden,daßmandarinnichtmehrbadenkann,oderweil sich Billiglohn‐Menschen ungeschützt Pestiziden undHerbizidenaussetzenmüssenwiebeiAngriffenmitKampfgas,‐soist

es in keiner Weise akzeptabel, die Vorgabe dieses kapitalistischenKalkülshinzunehmen.UnddasgiltauchfüralleanderenDinge.EineEntkoppelungvon derWarenproduktion bedeutet, unerbittlich allemateriellen und sozialen Bedingungen des eigenen LebensselbstreflexivzumachenbiszudenWurzelnunddaherdasdurchausnotwendige Kalkül von Zeit und Ressourcen‐Aufwand vomkapitalistischen Kalkül abstrakter Zeit zu entkoppeln. Unter demStrichwirddieseinengroßenZugewinndisponiblerZeitbringen,imeinzelnen aber auch große Verschiebungen des Kalküls, sobald

einmal die verzerrende betriebswirtschaftliche Vexierbrilleabgenommenist.EsgibtmehralsgenugGründe,daßeineAnti‐Ökonomieder

Entkoppelung von der Warenproduktion und die KonstitutionautonomerSektorenmöglichundnotwendigist,unddaßsieandenEndpunkten des Übergangs von der Produktion zur Konsumtionsowie auf der Ebene von Grundbedürfnissen anzusetzen hat.Entscheidend ist, daß damit erstens durch die Überwindung des

sozialzersplittertenAlltagsunddurchpersönliche"Kostensenkung"ein Zugewinn an disponibler Zeit und an Genußfähigkeit für dieIndividuen verbunden ist; daß zweitens ein Moment derSelbständigkeit und Unabhängigkeit von der totalitären Zumutungdes Kapitalismus gewonnen werden kann; und daß schließlichdrittens Erfahrung und know‐how für eine weitergehendegesamtgesellschaftliche Aufhebung des warenproduzierendenSystemsentwickeltwird.Alsanti‐ökonomischistdieseEntkoppelungdeswegenzubezeichnen,weilderBegriffdesÖkonomischeninder

Modernisierungsgeschichte von den kategorialen Formen derkapitalistischenVergesellschaftungbesetztwordenist.Es wäre aber verfehlt, sich den Prozeß als ganzen in einer

evolutionistischen Perspektive vorzustellen. Dies wirdmöglicherweise sogar der Vorwurf des unwilligen altmarxistischenoder postmodernen Lesers sein, dem "die ganze Richtung nichtpaßt".DieserLeseristmitWonnevorallemeines,nämlichinBezugaufungeliebteArgumentationenvergeßlich,undsohaterinzwischen

wahrscheinlichschonwiedervergessen,daßdasganzeProblem imKontext nicht einer beliebigen Träumerei, sondern einer

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existentiellenWeltkrisedeswarenproduzierendenSystemssteht,dieauchihnselbstamWickelhabenwirdoderschonhat.SowenigdieEntkoppelung als gesellschaftliche Praxis durch die allmählicheVerallgemeinerung einzelner Beispiele möglich ist, sondern nur

durch eine soziale Bewegung hindurch, ebensowenig wird einesolche Entkoppelungs‐Bewegung sich in aller Gemütsruheevolutionär von Sektor zu Sektor durch das System dergesellschaftlichen Reproduktion hindurchrobben können. Daß dieRichtung des "Aufrollens" im Verhältnis zum Programm desArbeiterbewegungs‐Marxismus entgegengesetzt ist, also nicht vondenGrundstoffindustrienzurKonsumgüterproduktiongeht,sondernumgekehrt, sagt nichts über die historische Geschwindigkeit desProzessesaus.

Hier ist auch einwesentlicher Unterschied in der Frage der"Keimform" zwischen der protokapitalistischen und einerpostkapitalistischen Transformation begründet. Die Dynamik derkapitalistischen Krise läßt den Zeithorizont des Übergangsdramatisch schrumpfen. Nicht Jahrhunderte einer evolutionärenEntwicklung liegen vor uns, die in ferner Zukunft einen "politisch‐revolutionären" Kulminationspunkt durchläuft, sondern derDurchgangdurcheinweltgesellschaftlichesErdbebenvoninsgesamt

höchstenseinigenJahrzehnten,indenenallesentschiedenwird,ohnedaß die Umwälzung überhaupt noch die Form einer "politischenRevolution"annehmenkann.Die"Keimform"entkoppelterSektorenhat also einen ganz anderen Stellenwert als die "Keimform" dermodernenWarenproduktioninderbürgerlichenUrgeschichte.SieisteinnotwendigesFerment,umdiebetriebswirtschaftlicheBornierungzudurchbrechenundeinesozialeAufhebungsbewegungreproduktivzu stabilisieren;aber sie ist kein "Keim" im Sinne der pflanzlichenMetapher.

Deshalb muß eine Theorie und Analyse der Entkoppelunggleichzeitig nicht nur von einer Theorie und Analyse der Krise,sondern auch von einer gesamtgesellschaftlichen Planungsdebattebegleitet sein. Die Theorie der Planung kann der realenEntkoppelungsbewegung vorausgreifen, weil diese möglicherweisesehr schnell in die Zwangslage versetzt wird, die Transformationnicht inkleinenSchritten, sondern ingroßenSchübenorganisierenzu müssen. Theoretisch ist diese Transformation sowohl in einer

Perspektive der unmittelbaren als auch der vermittelten Identitätvon Produktion und Konsumtion aufzurollen, einerseits auf der

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Problemebene der direkten Entkoppelung von GrundbedürfnissenundandererseitsaufderProblemebenedergesamtgesellschaftlichenStaffelung nicht‐warenförmiger Reproduktion. Dafür ist auch diehistorischePlanungsdebattegründlichaufzuarbeiten,unddavonsind

wir noch weit entfernt. Erst die Einheit von Krisentheorie,Entkoppelungstheorie und Planungstheorie kann eine kohärenteanti‐ökonomischeBegriffsbildungentwickeln.UndesistsicherkeinZufall, daß Altmarxisten, Vertreter der "orthodoxen" KritischenTheorie und postmoderne Linke genau diese drei Aspekte derTheoriebildungheuteüberhauptnichtspannendfinden,sondernamliebstenverdrängenundstillentsorgenwürden.

5.VernetzteBewegungundkybernetischeSubversion

Es wäre mehr als blauäugig, anzunehmen, daß eine neuesozialeBewegungunterdenBedingungenderKriseausdemStandmit einer radikalen Kritik des warenproduzierenden Systemsbeginnen würde. Vielmehr ist es wahrscheinlich, daß eine solchePerspektive erst durch eine widersprüchliche öffentliche Debatteund durch konzeptionelle Auseinandersetzungen in den

tatsächlichen sozialen Konflikten und Kämpfen vermittelt werdenkann. Dabei ist aber nicht von einem absoluten Nullpunktauszugehen. Immerhin gibt es in den Krisengesellschaften diverseAnsätze einer "Wirtschaft von unten", die allerdings unübersehbarnoch in den Kinderschuhen stecken. Dem Anspruch einerReproduktion"jenseitsvonMarktundStaat"werdendieseVersuchekaum gerecht, da sie meistens auf staatlichen (kommunalen)Subventionen beruhen oder bloße Surrogatformen von Markt undGeldentwickeln.

Dennoch ist es bemerkenswert, daß diese weltweit zu

beobachtenden kooperativen Zusammenhänge in dersozialwissenschaftlichenLiteraturbereitszumGegenstandgewordensindundunterdemBegriffdes"DrittenSektors"firmieren(vgl.dazudenausführlichenArtikelvonVolkerHildebrandindervorliegendenAusgabeder"Krisis").DasInteressantedaranist,daßhierungewolltein Gegenbegriff zum bisherigen marktwirtschaftlichen Begriff des"tertiärenSektors"kreiertwurde.Meintder"tertiäreSektor"inder

VWLalleBereichevon"Dienstleistungen",diewederzurAbteilungInoch zur Abteilung II gehören, aber dennoch Bestandteil der

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kapitalistischenReproduktionsind,sobezeichnetder"DritteSektor"die Tätigkeit von Initiativen, die wederkommerziell noch staatlichsind und für die sich die Kürzel NPOs (Non‐Profit‐Organizations)bzw.NGOs(Non‐Governmental‐Organizations)eingebürgerthaben.

Es wäre völlig verfehlt, diesen "Dritten Sektor" in seiner

vorgefundenen Gestalt schon als die Keimform emanzipatorischer,nicht‐warenförmiger Reproduktion zu betrachten. Davon sind diebestehendenOrganisations‐undBewußtseinsformendiesesBereichsin der Regel weit entfernt, die auch meistens nicht den Charaktereiner großen sozialen Bewegung angenommen haben. Es ist aberäußerst verdächtig, wenn die Vertreter der "orthodoxen"marxistischenbzw.KritischenTheorieundderpostmodernenLinken

dieAnsätzedes"DrittenSektors"unddiegesamtedamitverbundenesozialwissenschaftliche Debatte nicht aktiv eingreifend kritisieren,sondern bloß passiv abwehrend: Sie wollen damit nichts zu tunhaben, als handle es sich bei diesem Gegenstand um eine ArtUngeziefer der Theoriebildung. Hinter dieser unausgewiesenenHaltungstehtauchindieserFragederganzeunaufgearbeiteteundverdrängteArbeiterbewegungs‐Marxismus, dessenKategoriennochimHinterkopfspuken.UndindiesemZustandmöchtemanmitdemvornehmherablassendenGestusderWissendenverharren,ohnesich

mitdenBegriffeneinerverändertenRealitätzubeschmutzen.Für eineneue emanzipatorischeTheoriebildungaberkommt

es darauf an, in die Debatte um den "Dritten Sektor" kritisch zuintervenieren, sie zu radikalisieren und mit der Perspektive einerAufhebung des warenproduzierenden Systems zu verbinden. Dazugehört nicht nur die Auseinandersetzung mit denneokleinbürgerlichen, neoreformistischen Konzepten und dieVermittlung mit der Krisentheorie, sondern auch die historische

Reflexion und die kritische Aufhebung des Arbeiterbewegungs‐Marxismus mitsamt seinen verbrauchten Kategorien derTransformation. Statt die blind und unscharf gewordenen Begriffedes "Sozialismus", der "Weltrevolution", der "Abschaffung desPrivateigentums an Produktionsmitteln" usw. unreflektiert undignorant in der alten Weise weiterzuverwenden, als sei nichtsgeschehen,undsieden(meistensnicht"marxistisch"sozialisierten)AktivenderunausgegorenenneuenAnsätzeumdieOhrenzuhauen,gilt es bei der Neubestimmung einer "Übergangsgesellschaft" mit

grundsätzlichverändertenInhaltenundFormendaszuleisten,wasdie alte Arbeiterbewegung imHorizont ihreshistorisch verkürzten

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VerständnissesaufihreWeiseauchgeleistethat.Wir dürfen nicht vergessen, wie schwierig einst die

Vermittlung des "Marxismus" als kritische Theorie mit den alles

andere als radikalen sozialen Bewegungsformen der Lohnarbeiterschon in der alten, nunmehr entwirklichten historischenKonstellation seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war. Undebensowenigdürfenwirvergessen,wiereichhaltigindiesemKontextauchdieDebatteumdie"Übergänge",umdas"Herankommen"andiesozialeUmwälzungwar.EsistwiederumkeinZufall,daßdieResteder "Orthodoxie" und die postmoderne Linkeweder die Frage derVermittlung radikaler Kritik mit zunächst wenig radikalensozialökonomischen Initiativen aufwerfen noch auf die Frage eines

"Übergangs" unter den neuen historischen Bedingungen einenGedanken verschwenden. Sie können die alten Konkretisierungennichtmehrernsthaft insFeldführen,wollenaberauchkeineneuenentwickeln,weildieszumBruchmitihremtheoretischenParadigmaführenmüßte; unddeshalb operieren sie nur nochmit den leerenWorthülsenderVergangenheit,dieeherverschämtundbeiseltenenGelegenheiten hervorgeholt werden wie altes, schon stumpfgewordenesFamiliensilberausderverschlossenenSchatztruhe.

ImGegensatzdazuwirddieDebatteübereineneueTheorieder gesellschaftlichen Transformation, die das Paradigma einerEntkoppelungvonderWarenproduktionentwickelt,indiesemSinneihre eigenen gesellschaftlichen Vermittlungen findenmüssen. Dazugehört auch ein neues, verändertes Verhältnis zu den system‐immanenten sozialen Konflikten, die in der Krisen‐ undÜbergangsepochenoch für längereZeitweiterlaufenwerden.Esistklar,daßdietariflichenundsozialstaatlichenForderungen,dieinderKriseüberalleinendefensivenCharaktertragen,imUnterschiedzur

alten Konstellation kein entscheidenderMotor der Transformationmehr sein können, eben weil die System‐Transzendenz jetzt nichtmehr bloß zu einer neuen Entwicklungsstufe deswarenproduzierendenSystemsführt,sonderndieWarenformselbersprengt. Die Kämpfe um Gratifikationen auf dem Boden der"abstraktenArbeit"könnendahernurnochAuslaufmodellesein.Dasheißt aber nicht, daß sie bedeutungslos wären. Es ist eine derSchwächenderbisherigenAlternativbewegungundderAnsätzedes"Dritten Sektors", daß sie sich kaum oder gar nicht auf die

weiterlaufendenKämpfeinnerhalbderLohnarbeitbeziehenkönnen,sondern als bloßer "Ausstieg" aus diesem Zusammenhang unter

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ZurücklassungdersozialenMehrheitsproblemeerscheinenundnurallzu leicht in ihrer eigenen mikro‐ökonomistischenAlltagsbornierungversacken.

Für eine soziale Bewegung, die eine Entkoppelung von derWarenproduktion anstrebt, sieht die Sache ganz anders aus.Entkoppelungheißt ja, daß für eineÜbergangsperiode diemeistenTeilnehmer dieser Bewegung einerseits noch auf dem Boden vonLohnarbeit und Sozialstaat in irgendeiner Form operieren,andererseitsabersichinTeilbereichendurchautonomeFormenderReproduktion dem Kapitalverhältnis entziehen. Im Unterschied zuden dualwirtschaftlichen Konzepten ist dies aber kein statischer,sonderneindynamischerBezug,deraufvollständigeAufhebungder

Warenproduktion abzielt. Dies kann eine ganz ungeahnteWirkungauf die system‐immanentensozialenKämpfe haben: nämlichderenRadikalisierung, und zwar gerade weil sie bloß noch historischeAuslaufmodellesind.

Der alte Linksradikalismus, der selber nicht über die

Wertform hinausdenken konnte, bildete sich ein, die Kämpfe umLöhne und Arbeitsbedingungen durch eine bloß quantitativeSteigerungbiszur"Revolution"anheizenzukönnen.DieseRechnung

wurdejedochohnedenWirtgemacht.DenndenLohnarbeitern,diein den Formen des Fetischismus (Warenfetisch, Geldfetisch,Lohnfetisch) befangen bleiben und die nur in diesen Formen ihrWohlbefinden suchen wollen, ist natürlich bewußt, daß sie dieModalitätenunddieGrenzendesSystemsbeachtenmüssen,dessenTeilsiesindundausdemdieGratifikationeninderihneneinzigalsmöglich erscheinenden Form gezogen werden. Schon früh habendeshalb die Gewerkschaften ihre Forderungen nicht damitbegründet, daß sie wünschenswert oder lebensnotwendig, sondern

daß sie system‐immanent möglich und mit den Gesetzen derWertformvereinbarseien.UnterdenBedingungenderKriseundderverschärften Konkurrenz auf demWeltmarkt führt dies notwendigdazu, daß die Lohnarbeiter und ihre Gewerkschaften sich in die"Verantwortung"fürden"Standort"undfürdieÜberlebensfähigkeitdesSystemseinbindenlassen.

Wennman kein anderes Schiff hat, wirdman auf hoher See

bereitsein,selbstuntermiesestenBedingungensichinseinGeschick

zufügenundalleszutun,damitdasSchiffalssolchesintaktbleibt.WennaberschoneinanderesSchiffbereitsteht,aufdasmanohnehin

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überwechselnwill,kannmandasaltegetrostinBrandsteckenundden verrückten Kapitän Ahab an der obersten Rahe aufknüpfen.Solange eineandereReproduktion bloß inderVorstellungexistiertundauchdiesenochaufdieselbenGesetzmäßigkeitenderaltenForm

beschränktbleibt, ist eineRadikalität innerhalbder Formgarnichtmöglich.IronischerweisekanndersozialeKampfaufdemBodenvonLohnarbeitundSozialstaaterstindemMaßezugespitztwerden,wiedasZiel gar nichtmehr derGeldlohn ist. NurwennSektoren einerautonomen, emanzipatorischen Reproduktion greifbar sind, ist esmöglich,densystem‐immanentensozialenKampfvölligrücksichtslosund in Bezug auf das Schicksal der famosen Marktwirtschaftnihilistischzuführen.

Der Bezug einer sozialökonomischen Entkoppelung von derWarenproduktion auf die system‐immanenten sozialen Konflikteerschöpft sich aber nicht in dieser bloß negativen Zuspitzung,sondernenthältaucheinpositivesMomentderEntkoppelungselbst.Insofern gibt es auch innerhalb des neuen Paradigmas einengewissenKonnexvonSystem‐ImmanenzundSystem‐Transzendenz,wennauchmiteinerverändertenZielsetzung.Diesbetrifftvorallemdie Schaffungeinesgesellschaftlichen Zeitfonds für die Tätigkeit inentkoppelten,autonomenSektorenderReproduktion.Hiergilt:Zeit

istnichtGeld,sondernEmanzipationvomGeld.DeralteKampfderArbeiterbewegung umArbeitszeitverkürzungkann insofern für einneues, anderes Ziel wieder aufgenommen werden, während er imbisherigengewerkschaftlichenSinneunterdem Eindruckder Kriseund der "Standort"‐Debatte schon längst abgeschlafft ist und kaumnochernsthaftpropagiertwird.

Wenn das Ziel nicht mehr der Erhalt von

marktwirtschaftlichen "Arbeitsplätzen" ist, sondern die Schaffung

eines Zeitfonds für autonome Reproduktionsformen, dann könnenunter diesem Ziel ganz verschiedene, in der bloß system‐immanenten Perspektive auseinanderfallende Konfliktezusammengefaßt werden: die Frage einer allgemeinenArbeitszeitverkürzungunddesAbbausvonÜberstundenebensowiedie Forderung nach einer angemessen und voll anteilig bezahltenTeilzeitarbeit oder der Kampf gegen die Kürzung vonArbeitslosengeld und Sozialhilfe usw. LohnarbeiterInnen,Teilzeitarbeiter‐ und JobberInnen, Arbeitslose und

SozialhilfeempfängerInnen könnten sich für den gemeinsamenKampf um einen autonomen, alternativen Zeitfonds

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zusammenschließen, der die relativen InteressengegensätzeinnerhalbderWertformzurücktretenläßt.Damitdasmöglichwird,müßte natürlich das neue Paradigma gesellschaftlichherausgearbeitet und in der gewerkschaftlichen Debatte ebenso

präsentseinwieindenArbeitslosen‐undSelbsthilfebewegungen.DemKampfumeinenautonomengesellschaftlichenZeitfonds

entsprichtdieForderungnachmateriellen,"naturalen"Ressourcen.ZwaristeinAspektderEntkoppelungsicherlichauchderkollektivselbstfinanzierteErwerbvonProduktionsmittelnimweitestenSinne;undbevorderAltmarxisthieraufjault,sollteerbedenken,daßderStammvaterKarlMarxsogardas"Auskaufen"desenglischenKapitalsdurch die assoziierte englische "Arbeiterklasse" für möglich hielt.

Was im großenMaßstab denkbar ist, ist es grundsätzlich auch imkleinen Maßstab. Aber diese Vorgehensweise reichtselbstverständlichbeiweitemnichtaus.Esistnotwendig,StaatundKapitalauchdirektRessourcenwieGrundundBoden,GebäudeundProduktionsmittel für die freie, autonome Nutzung abzuverlangen,zumal in der Krise heute schon massenhaft Ressourcen aller Artbrachliegen.DieJugendzentrums‐undHausbesetzerbewegunginderBRD, aber auch die Landbesetzerbewegung in vielen Teilen der 3.Welt haben aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus bereits

ansatzweisesolcheForderungengestellt.DaßdieseBewegungenbisjetzt nicht in der Perspektive einer Aufhebung deswarenproduzierenden Systems agierten, ist kaum verwunderlich.Aber das kann sich ja ändern in demMaße,wie diese Perspektiveausgearbeitet wird und die marktwirtschaftlichen Optionen sichgleichzeitigalsIllusionenherausstellen.

Eszeigtsichalso,daßesdurchauseinenWeggebenkönnte,

systemimmanente Forderungen und Konflikte mit einer

Entkoppelungs‐undAufhebungsbewegunginhaltlichunddamitauchorganisatorisch zu vernetzen. Das wird überhaupt, derEntwicklungsstufe der mikroelektronischen Produktivkräfteentsprechend, die zukünftige organisatorische Form der radikalenGesellschaftskritiksein:AndieStelledesDualismusvon"ParteiundGewerkschaft" mit einem jeweils starren und hierarchisch‐autoritären, dem Markt‐ und Staatsbezug entsprechendenOrganisationsprinzip wird die flexible (und im übrigen schwerfaßbareund kaum"verbietbare")FormeinervernetztenBewegung

vonverschiedenenInitiativenaufverschiedenenEbenentreten.

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Dies bezieht sich sowohl auf die Inhalte als auch auf den"mehrdimensionalen" Charakter von Basis‐Organisationen.Entscheidend ist, daß sich die Initiativen einer Entkoppelungs‐Bewegung nicht eindimensional bornieren lassen. Zu einer

weitreichenden anti‐ökonomischen Orientierung muß eineentsprechende anti‐politische Orientierung hinzutreten. DerBegriffdes Politischen ist in der Linken schwammig definiert. Im Grundegenommen fällt darunter die gesellschaftskritische Aktivitätüberhaupt, von der Verbreitung theoretischer Inhalte bis zurantifaschistischenAktion.ImstrengenbegrifflichenSinneistjedoch"Politik" nichts anderes als die positiv staatsbezogene Aktivität,analogzur"Ökonomie"alseinerpositivaufdaswarenproduzierendeSystem des Kapitals bezogenen Tätigkeit. Anti‐Politik wäre

demzufolgeeineautonomegesellschaftskritischeAktivität,dienichtmehr positiv den Staat als strukturelle Form im Sinne einer"Machtergreifung" zum Ziel hat, ebenso wie die Anti‐Ökonomie alsAnsatz einer anderen gesellschaftlichen Form der ReproduktionnichtmehrpositivindenKategorienderWarenformagiert.

Dabei müssen die bisherigen Ebenen der Kritik alle besetzt

werden, wenn auch mit anderen Zielen und Inhalten. EineEntkoppelungs‐Bewegung kann sich nicht auf anti‐ökonomische

Fragestellungen der Reproduktion (was in der alten Terminologieder"ökonomischeKampf"gewesenwäre)beschränken.Anti‐Politikheißt,daßallegesellschaftlichenErscheinungenkritischbeobachtetund praktisch aufgenommen werden, von der kulturellenEntwicklung bis zum Rassismus, von der bürgerlichenIdeologieproduktion bis zur Krise der Nationalstaaten und derinternationalenInstitutionen.DasZieldieserInterventionenbestehtnicht mehr darin, waren‐ und geldförmige Interessen in daspolitische System zu "übersetzen", sondern auf allen Ebenen den

Nachweis zu führen, daß das warenproduzierende System derModerne mitsamt seinen politischen Institutionen historisch amEndeistunddasmenschlicheLebennurnochruinierenkann,alsoabgelöstwerdenmuß.

EinwichtigerAspektdabeiistdie"praktischeUntersuchung",

das kritische Aufrollen der gesamten stofflich‐sinnlichenReproduktion der Gesellschaft (auch dort, wo aktuell noch keinautonomerSektorentwickeltwerdenkann),umdieUnsinnigkeitund

Gemeingefährlichkeit des Systems zu beweisen. Es gilt also, etwanach dem ironischen Motto "Bürger beobachten ihre eigene

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Reproduktion", den gesamten weltweitenVernetzungszusammenhang auf der materiellen Ebene zuentschlüsseln und radikal zu kritisieren, die "Betriebsgeheimnisse"von Unternehmen und Verwaltungen aufzudecken, das der

GesellschaftunbekannteTerrainderRessourcenflüssezuerforschen(etwa in der Art der Rekonstruktion jener grotesken Reise einesJoghurtbechers), die Netzwerke vonVerkehr, Energie, Information,"Entsorgung", Kanalisation usw. auszuspähen und kritischdarzustellen,miteinemWort:Anti‐PolitikalseineArtrücksichtslose"sozialökologischeEnthüllungspolitik"zubetreiben.

Dabei kann man sicherlich auf das bereits vorhandene

Material sozialer und ökologischer Initiativen zurückgreifen.

Dennoch muß klar sein, daß die hier skizzierte VorgehensweisebishernochniemalssystematischundimgroßenMaßstabbetriebenworden ist, und zwar schlicht deswegen, weil die materielleReproduktion und ihre irrationale Vernetzung durch daswarenproduzierende System logischerweise weder ein GegenstandderÖkonomienochderPolitikinderbürgerlichenGesellschaftseinkann.UndsoweitdiesozialenundökologischenBewegungenbishernochimaltenSinneökonomischundpolitischagierten(undzuletztgar mit der illusionären und regressiven Perspektive einer

"sozialökologischen Marktwirtschaft" oder eines "ökologischenUmbaus"derkapitalistischenIndustriegesellschaftusw.),konntensieauch nicht zu einer umfassend und systematisch betriebenensozialökologischenEnthüllungs‐undAufhebungs‐Politikgelangen,janichteinmaleinenentsprechendenBegriffentwickeln.ZwarliegtdasMaterial, das von diesen Bewegungen und Initiativen gesammeltwurde,vonseinemInhaltherbereits"quer"zudenKategorienvonÖkonomie und Politik, aber verstanden und systematischaufgenommenwerdenkanndieserCharaktererstindemMaße,wie

das Paradigma von Wertkritik und Entkoppelung zum "Anti‐Politikum"wird.Im Sinne dieser neuen Vorgehensweise ist es vielleicht

möglich,inmodifizierterFormgewisseIdeenderOperaistenundvorallem der Situationisten erneut aufzugreifen. Der operaistischeBegriff der "Untersuchung" ist als eine Art "praktische Soziologie"(mit dem Thema der "Zusammensetzung der Klasse" und ihrerVeränderungen)nochsoziologistischbeschränkt;ermüßtealseine

"praktischeWertkritik"neugefaßtwerden. IndieseRichtungweistdas situationistische Thema einer Untersuchung des

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sozialökonomischenTerrainsvon Städten und Regionensowievon"Feldern" der soziokulturellen Reproduktion.Man könnte dabeian"Felder"wiedieNahrungsmittelproduktionundihrekapitalistischeGeschichte, andas System derMobilität ("Automobilmachung"), an

Architektur, Wohnungs‐ und Städtebau usw. denken. Es wäredurchaus spannend und in mancher Hinsicht vielleicht sogarabenteuerlich, die materielle Reproduktions‐ undGebrauchswertstruktur des Kapitalverhältnisses systematisch zuerforschenundkritischzuenthüllen.DieseVorgehensweisekönntebegleitet sein von Kampagnen gegen die Ideologie und Kultur der"Arbeit", wie sie seit dem Protestantismus die westlichenGesellschaften und heute die ganze Welt beherrscht. Dieweiterzutreibende theoretische Kritik und Analyse von Wertform,

"abstrakterArbeit"undKrisekönntesichsoeinweitgefächertesanti‐politisches Tätigkeitsfeld erschließen, das den Prozeß dersozialökonomischenEntkoppelungbegleitetundvorbereitet.

Von diesen Inhalten her ergeben sich auch die weiteren

organisatorischen Strukturen einer "vernetzten Bewegung".Vernetzung kann heißen, daß verschiedene Initiativen derTheoriebildung und Analyse, der praktischen sozialökonomischenEntkoppelung,desKampfesumsystem‐immanenteForderungen,der

anti‐politischen Untersuchung und Aktion usw. eine gemeinsameKommunikationsstrukturundLogistikschaffen.DieVernetzungkannabergleichzeitigauchdarinbestehen,daßeinebestimmteInitiativeoderBasis‐OrganisationsichnichtaufeineindimensionalesProjektbeschränkt, sondern gleichzeitig immer auch noch etwas anderesmacht. Dafür gibt es ein merkwürdiges strukturelles Beispiel. Inmanchen Ländern der 3. Welt ist es üblich, daß Armee‐ undPolizeieinheiten gleichzeitig auch ökonomische Aktivitätenbetreiben, entweder mangels Geldzufuhr für die Selbstversorgung

odermitUnternehmenfürdenMarkt.VonderStrukturherkönntemansichähnlichesineineranti‐ökonomischenundanti‐politischenAufhebungsbewegung vorstellen: Die Belegschaft eineswarenproduzierenden Unternehmens kann auch für die eigeneReproduktion einen Sektor autonomer Reproduktion organisieren(vom Kinderladen bis zur Lebensmittelproduktion); eineBaugenossenschaft oder ein Konsumverein können auch eineantirassistischeKampagneführen;eineInitiativederTheoriebildungkann auch ein Entkoppelungs‐Projekt planen; eine Kooperative

autonomerLebensmittelproduktionkannaucheinenFilmgegendie"Arbeit"drehenoderineinemanti‐politischenUntersuchungsprojekt

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tätig sein; und die Organisatoren eines autonomen Kinderladenskönnen sogar ein subversives Kommando‐Unternehmendurchführen.

Eine derartige mehrdimensional vernetzte Bewegung wirdsich bei einem bestimmten Grad ihrer Entwicklung auchzusammenfassende Institutionen von der lokalen bis zurtransnationalenEbenegeben,etwainFormvon"Räten".DieseRätewärendannzwaraufderterritorialenEbeneorganisiert,abernichtmehralsabstrakt‐allgemeinepolitischeWillenskundgebung,sondernals Repräsentanz‐ und Selbstverständigungs‐Organe einerpraktischen Gegengesellschaft, die gleichzeitig kein äußeres,abgegrenztes"Aussteiger"‐Terraindarstellt,sondernalseinflexibles

GegensystemvonLäusenimPelzdesKapitalismusselbersitzt.Diesevernetzte Bewegung als Keim‐ und Entwicklungsform einerGegengesellschaft wird von den kapitalistischen Institutionenidentifiziertundsymbolisiertwerden,undsiewirdsichauchselberin ihremnegatorischenBezugauf daswarenproduzierende Systemidentifizieren. Diese "negative Identität" installiert aber kein neuesfetischistisches "Prinzip", und so kann sie in demMaße erlöschen,historischwerdenundnurnoch"Gesellschaft"seinindemMaße,wiederKapitalismusaufgehobenist.

Als negatorische Bewegung stellt sie auch ein sozialesNetzwerkdar,das inseiner Intentionvonvornherein transnationalsein muß. Man könnte eine solche Struktur z.B. mit dem(informellen)Übersee‐NetzwerkderAuslandschinesenodermitdentransnationalenNetzwerkenvon religiösenSekten vergleichen, nurdaßebenderInhalteinganzandererundemanzipatorischerwäre.Jedes Mitglied dieser vernetzten Bewegung müßte sich in diesemnegatorischen Bezug auf der ganzen Welt bewegen können und

überalldort,wohindiesesNetzwerkreicht, immer"zuHause" sein.DerManagement‐Theoretiker JohnNaisbitt (Hongkong) hält solcheNetzwerke wie das der Übersee‐Chinesen für dasOrganisationsmodell des 21. Jahrhunderts, das den Nationalstaatablösen wird. Im Kontext des warenproduzierenden Systems, denNaisbittnatürlichnichteinmal imTraumverlassenwill,wirddieseOrganisationsform jedoch scheitern oder barbarische Zügeannehmen. Im Sinne einer Entkoppelungs‐ undAufhebungsbewegung jedoch kann man tatsächlich von einem

solchenOrganisationsmodellderZukunftsprechen.

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UnddieMachtfrage?DerArbeiterbewegungs‐Marxismuswarseiner Natur nach auf dieses Thema fixiert, weil es für ihn dieAufhebung der Warenproduktion ersetzen mußte. Wenn einewertkritische Bewegung etwas von den postmodernen Ideen

aufgreifen kann, dann die Verweigerung der Machtfrage im alten,positiven Sinne, als Strategie einer sogenannten Machtergreifung.Macht ist eine Erscheinungs‐ und Daseinsform des Fetischismus.InsofernistauchHannahArendtzukritisieren,diedenBegriffderMachtontologisch gesetzt und als Moment von Gesellschaftlichkeitschlechthin dargestellt hat, weil sie nie bis zu einer Analyse undKritik der Fetischform vorgedrungen ist. Es ist kein Zufall, daßliberale und marxistische Theoretiker an diesem Problemgleichermaßenscheitern.

DieMachtistnatürlichda,weilauchderFetischismusnochdaist und gefährlich die historische Krise strukturiert. Aber dasemanzipatorische Ziel kann nicht mehr die Eroberung der Macht,sondern nur noch die Entmachtung der Macht sein, die mit derAufhebung der Wertform einhergeht. Es wäre natürlich naiv,anzunehmen, daß sich die Macht konfliktlos entmachten läßt. DerKapitalismus wird nicht so sang‐ und klanglos abtreten wie seinstaatssozialistisches Derivat. Deshalb bedeutet ein negativer Bezug

auf die Macht auch keineswegs den Verzicht darauf, Druckauszuüben, um die eigenen Ziele zu erreichen. Ein abstrakterPazifismus ist dabei ebenso fehl am Platze wie ein militantesSäbelrasseln. Die Gewalt lauert immer in der fetischistischenKonstitution,undinderKrisemehrdennje.DabeiistnichtnurandieStaatsgewaltzudenken,sondernauchandieGewaltderkriminellenBandenundderZersetzungsproduktedesStaates,z.B.verwilderter"Sicherheits"‐Apparate, die selbst vor den braven Bürgern nichtmehr halt machen und eine Art Plünderungszoll fordern. Aber es

wäre falsch, das Problem der Entmachtung der Macht durch eineEngführungaufdieGewaltfragezukonzentrieren.Der Zusammenstoß einer gesellschaftlichen Bewegung (und

voneinersolchenistjadieRede)mitdenherrschendenInstitutionenbeginnt und verläuft ja inder Regelunterhalb der Gewaltschwelle.DieserZusammenstoßwirdschonineinemsehrfrühenStadiumundschon auf der lokalen Ebene beginnen. Auch wenn die Krise allemöglichen und momentan nicht für denkbar gehaltenen

KompromissemitdemApparatbringenkann,solltediesdochnichtblauäugig als die Regel angenommen werden. Eher wird das

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Gegenteil der Fall sein. Als ich vor einiger Zeit als Referent zumThema "Krise der Arbeitsgesellschaft" von einer Gruppe kritischerSPD‐Mitgliedereingeladenwurde,schütteltemandortüberdieIdeender Entkoppelung und autonomen Reproduktion als mögliche

Konsequenz die Köpfe. Überraschenderweise jedoch keineswegs,weil die guten Leute diese Perspektive für utopisch und praktischundurchführbar hielten. Das Argument war vielmehr nahezueinstimmig, so etwas würde keine Kommunalverwaltung jemalszulassen! Deren Grundinteresse sei es nämlich, nur Aktivitäten zuerlauben, die man irgendwie besteuern undmit Gebührenbelegenkann,diemarktwirtschaftliche"Arbeitsplätze"bringenusw.Undmandarf glauben, daß ein SPD‐Ortsverein in dieser Hinsicht seinePappenheimer kennt. Eine Entkoppelungs‐ und

Aufhebungsbewegung wird von Anfang an einen Existenzkampfgegendie"naturwüchsige"TendenzderkapitalistischenBürokratie(gerade gegen die eingefleischte sozialdemokratische"Kanalarbeiter"‐Mafia und ihre Seilschaften in denVerwaltungsapparaten) führenmüssen, diekeinen "exterritorialen"sozialenRaumfreiwilligzulassenkann.

Esistalsonötig,sozialenDruckauszuübenunddieMachtin

dieKniezuzwingen.SchoninderaltenArbeiterbewegungwardas

hauptsächlicheDruckmittel nichtder "bewaffneteKampf", sondernbekanntlichderStreik.Ursprünglichillegal,wurdedie"Streikwaffe"allmählichzumlegalenund schließlichfast ritualisiertenMittel dersystem‐immanenten sozialen Auseinandersetzung. Der Streik wirdauch imKontexteinerneuenTransformationsperiodenichteinfachverschwinden;abererhatbereitsheuteanBedeutungverloren.Diemikroelektronischen Produktivkräfte haben auch die Streikwaffestumpfgemacht."WenndeinstarkerArmeswill/StehenalleRäderstill": Diese alte Parole der Arbeiterbewegung gilt nicht mehr. In

vielenFällenläßtsichbeiStreiksdierationalisierteProduktiondurchNotdienste fast uneingeschränkt weiterführen; manchmal werdendabeisogarneueRationalisierungs‐Potentialeentdeckt.

Da eine wertkritische Entkoppelungs‐ und Aufhebungs‐

Bewegung aus den genannten Gründen ohnehin nicht mehrbetrieblich zentriert sein und die kapitalistischeReproduktionsstrukturbloßorganisatorischverdoppelnkann,wirdsieeinanderesDruckmitteldessozialenKampfeserfindenmüssen.

Dieses ergibt sich fast von selbst aus der vernetzten Struktur unddemUmgangmit denmikroelektronischenProduktivkräften, die ja

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zusammen mit der Ökologie den Begriff der Vernetzung ersthervorgebracht haben. Eine soziale Emanzipationsbewegung wirdsich nicht selber in kybernetischen Strukturen bewegen, denn einZusammenhang sozialer Vernetzung kann nur auf bewußter

Kommunikation und freier Entscheidung aufbauen, nicht aber aufeinem bewußtlosen Regelwerk. Aber mit dem neuen Denken derneuenProduktivkräftekannderKapitalismusselber,undbesondersin seiner mikroelektronischen Gestalt, als ein fetischistischeskybernetisches Regelwerk negatorisch begriffen und angegriffenwerden. Das soziale Kampfmittel der Zukunft wird daher diekybernetischeSubversionsein,dielegitimeForderungenauchohneoffizielle Legalität durchsetzenkann (in gewisserWeiseanalogzurGeschichtedesStreiks).

Kybernetische Subversion bedeutet ganz einfach, dieNervenwege der kapitalistischen Reproduktion (Transport undVerkehr,Energie,Information)durch"Unterbrechung"lahmzulegen.An die Stelle des Streiks wird also die Unterbrechung treten, dieüberallmöglichist.DieBlockadevonAutobahnkreuzendurchPKK‐Aktivisten oder französische Fernfahrer, die Blockade vonSchienenwegendesCastor‐Transports durchAtomkraftgegneroderderbewußtherbeigeführteZusammenbruchdesVerkehrsinBelgrad

durch die Aktionen der Opposition zeigen, daß diese Art derUnterbrechung Schulemacht. Nochmehr gilt das für dieWegederEnergieundvorallemderInformation.EineBewegung,dieohnehindie materielle Vernetzung der kapitalistischenReproduktionsstruktur untersucht und aufdeckt, kann auch sehrschnell das know‐how erwerben und verallgemeinern, um daskapitalistischeNervensystemnachBeliebenzulähmen.

Sicherlich ist es unmöglich, eine soziale Emanzipationsbewegung

theoretisch vorwegzunehmen. Aber es ist möglich und notwendig,theoretischundanalytischdieFrageneinerAufhebungderWertformzukonkretisierenundeineöffentlicheDebattedarüberzuentfalten.DertheoretischeFokusderWertkritikhatdiekritischeTheoriedesFetischismus und der Wertform zu entwickeln, aber er isthinsichtlich der Aufhebungsfrage nicht zum eisernen Schweigen inder reinen Abstraktionverpflichtet, und ermuß auchnichtauf diesozialeMassenbewegungwartenwiedieeschatologischen Christenauf den Jüngsten Tag. Die Frage der Vermittlung stellt sich von

Anfangan,undaucheinetheoretischeInitiativederWertkritikkannihre eigene "theoretische Praxis" imUnterschied zum bürgerlichen

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akademischen Betrieb nach den Kriterien der Entkoppelungbetreiben. Die darin liegenden, noch unausgeschöpftenMöglichkeitensindzureflektierenundpraktischzumachen.