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Armut von Kindern und Jugendlichen in Deutschland
Überblick I Armutsforschung I Armutsdefinition I Armutsmessung I Kinder- und Jugendarmut
Claudia Wenzig 4.07.2001
Überblick
• Armutsforschung in Deutschland• Armutsdefinitionen• Armutsmessung• Armut von Kindern und Jugendlichen
– Ausmaß der Armutssituation– Ursachen und Folgen von Armut im
Kindesalter– Lösungsansätze
Überblick I Armutsforschung I Armutsdefinition I Armutsmessung I Kinder- und Jugendarmut
Armut im Spiegel der Zeit
• 50er Jahre: Armut als allgemeine Notlage• 60er Jahre: Glaube an Überwindung der
Armut• 70er Jahre: Geißlers „neue soziale Frage“
Armut und Randgruppen• 80er Jahre: „neue Armut“
Auf und Ab des wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses
Überblick I Armutsforschung I Armutsdefinition I Armutsmessung I Kinder- und Jugendarmut
Was ist das neue an der „neuen Armut“?• neue Strukturelemente und Ursachen der
Armut• Neustrukturierung der Armutspopulation
– Armutsgefährdung weit über die traditionelle Schicht
– Heterogenisierung der Armutspopulation
• vielfältige Armutslagen– Armutsdauer
• Anstieg der Kinder- und Jugendarmut
Überblick I Armutsforschung I Armutsdefinition I Armutsmessung I Kinder- und Jugendarmut
Schwerpunkt: dynamische Armutsforschung• Längsschnittbetrachtung der Armut
– Armutsmuster im Zeitverlauf– Zu- und Abgänge der Armut
• Wurzeln in USA Anfang der 80er Jahre• in Deutschland „Bremer Studien“
Anfang 90er Jahre• Armut ist ‚verzeitlicht‘,
‚biographisiert‘ und ‚sozial entgrenzt‘• Kritik an dynamischer
Armutsforschung
Überblick I Armutsforschung I Armutsdefinition I Armutsmessung I Kinder- und Jugendarmut
Schwerpunkt: Kinder- und Jugendarmut• Kinder und Jugendliche als die
Gruppe, die am stärksten von Armut gefährdet ist
• Vielzahl von Publikationen über Ausmaß, Ursachen und Folgen der Armut im Kindes und Jugendalter erschienen
Überblick I Armutsforschung I Armutsdefinition I Armutsmessung I Kinder- und Jugendarmut
Schwerpunkt: Armut und soziale Exklusion• zentrale Frage: Räumlich-zentrierte
Armut und ihre Folgen• seit 90er Jahren Studien in USA • zögerlich auch in Deutschland
thematisiert • „gespaltene Städte“, „sozialräumliche
Polarisierung“ in den Großstädten (Hamburg, Berlin)
• Beispiel: Programm „Die soziale Stadt“
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Armutsdefinition
Was versteht man unter Armut?
Wer ist arm?
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Armutsdefinition
• absolutes Armutskonzept
• relatives Armutskonzept
• subjektives Armutskonzept
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Absolutes Armutskonzept• Arm ist, wer über weniger als das zum
Überleben notwendige Minimum an Ressourcen verfügt
• Basis: Subsistenzniveau
• Armutsgrenze=physisches Existenzminimum
• Problematik– keine Unterschiede zwischen Gesellschaften– kein Einbezug von Wohlstandsänderungen (Inflation,
Wachstum)– welche Güter gehören zum minimalen
Lebensstandard?
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Relatives Armutskonzept• Arm ist, wer den allgemein anerkannten
Lebensstandard einer Gesellschaft unterschreitet
• Basis: Wohlstandsniveau der Gesellschaft
• Armutsgrenze = sozio-kulturelles Existenzminimum
• Problematik:– Wer bestimmt Minimum?
– Welche Indikatoren beinhaltet das Minimum?
– Wann ist das notwendige Minimum erreicht?
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Zwischenfazit• Es gibt keine objektive Beantwortung
auf die Frage, wer arm ist
• es müssen immer Wertentscheidungen getroffen werden
• Walter Hanesch (1994: 23):„Es ist nicht nur eine technische Frage, sondern eine Frage der gesellschaftlichen Übereinkunft, wie wir Armut definieren (...) die Antwort hängt (...) davon ab, ab welchem Grad an Ungleichheit wir (...) Handlungsbedarf einfordern.“
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Subjektive Armut
• Arm ist, wer nach eigenem/ gesellschaftlichem Ermessen zu wenig zum Leben hat und nicht damit zurecht kommt
• Intension: gesellschaftlich akzeptierte Armut offenlegen
• Problem:– kaum Vergleichbarkeit– Zufriedenheitsparadox -
Unzufriedenheitsdilemma
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Fazit
• Unterschiedliche Ansätze von Armut– Armut als Überlebensgrenze– Armut in Bezug zu Wohlstand der
Gesellschaft– Armut als individuelles Empfinden
• Auf die Frage, was Armut ist, gibt es keine objektive, beweisbare Antwort
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Armutsmessung
• Orientiert sich am jeweiligen Armutskonzept
• Beispiele:– Warenkorb-Modell – Verfahren der öffentlichen Wahrnehmung– relative Einkommensarmut– Lebenslagenansatz
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Relative Einkommensarmut
• Ausgangsüberlegung:Einkommen bestimmt sowohl materielle Lebenssituation wie auch Realisierbarkeit immaterieller Wünsche
• häufig verwendete Indikatoren:–durchschnittliches Haushaltseinkommen–Bezug von Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt)
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Einkommensarmut - HHeinkommen• Arm ist, wer über weniger als einen
bestimmten prozentualen Anteil des durchschnittlichen Einkommens einer Gesellschaft verfügt
• verwendete Armutsschwelle: – strenge Einkommensarmut (40%)– mittlere Einkommensarmut (50%)– armutsnahe Einkommenssituation (60%)
• Indikator äquivalenzgewichtete HHeinkommen
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Äquivalenzeinkommen
Warum wird gewichtet?Wie wird gewichtet?
??
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Äquivalenzeinkommen
• Vergleichbarkeit zwischen den Haushalten– Haushaltsgröße (Kostendegression)– Alterszusammensetzung (alterspez.
Bedarfsgrößen)
• Gewichtungen variieren je nach Skala• alle haben gemeinsam,
– Haushaltsvorstand: Faktor 1– alle weiteren Mitglieder Faktoren zwischen 0,3 und
0,9
• wichtige Skalen– alte und neue OECD-Skala– Faktoren gemäß BSHG-Regelsatzproportionen
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Rechenbeispiel
HH-Nettoeinkommen
Äquivalenzeinkommen= Summe der
Gewichtungen
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Einkommensarmut - Sozialhilfe• Arm ist, wer Sozialhilfe (HLU) bezieht• umstrittener Indikator• Vorteile:
– Einkommensangaben häufig ungenau– Einkommensstatistik oft nur zeitverzögert
interpretierbar
• Nachteile:– reales Ausmaß der Armut wird schlecht
abgebildet– bekämpfte - verdeckte Armut
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Bekämpfte Armut
• all jene Personen, deren Anspruch auf Sozialhilfe anerkannt wird
• im strengen Sinne: staatliche Unterstützung bekämpft Armut
• als Indikator dennoch herangezogen, weil:– Bedarfsgrenze unterhalb 50%-
Armutsschwelle– diskriminierender Status
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Verdeckte Armut
• Phänomen, dass ein nicht zu vernachlässigender Anteil auf seinen Anspruch verzichtet– fehlende Information, Angst vor
Stigmatisierung, Stolz
• jene Personen haben Einkommen, das unterhalb der Bedarfssätze liegt
• „Dunkelziffer der Armut“• geschätzte Nichtinanspruchsquoten
liegen zwischen 54% und 63% (Zahl der Nichtempfänger im Verhältnis zu allen Anspruchsberechtigten)
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Fazit
• unterschiedliche Ansätze zur Armutsmessung
• kein Ansatz stellt den Königsweg zur objektiven Messung dar
• häufig Konzept der relative Einkommensarmut verwendet
• Lebenslagen-Ansatz insbesondere bei Kinder- und Jugendarmut gefordert
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Kinder- und Jugendarmut
• Ausmaß und Beschreibung der Kinder- und Jugendarmut
• Ursachen der Kinder- und Jugendarmut
• Folgen der Kinder- und Jugendarmut
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Ausmaß der Kinder- und Jugendarmut• „Infantilisierung“ der Armut seit den
80er Jahren• Anteil unter den
Sozialhilfeempfängern steigt• Armutsquoten gemäß relativer
Einkommensarmut
Quelle: Klocke/Hurrelmann (2001: 14); SOEP-Daten
1988 1990 1992 1994 1996 1998
Äquivalenzeinkommen 1402 DM 1573 DM 1706 DM 1828 DM 1925 DM 1938 DM
Armutsgrenze 701 DM 786 DM 853 DM 914 DM 963 DM 969 DM
Armutsquoten 11,0 % 10,6 % 9,7 % 11,1 % 10,4 % 10,5 %
Altersgruppen
0-18 Jahre 20,0 % 17,9 % 15,3 % 18,2 % 16,5 % 18,5 %
19 – 65 Jahre 9,2 % 9,2 % 8,2 % 9,7 % 9,4 % 9,3 %
über 65 Jahre 6,9 % 6,7 % 8,2 % 7,0 % 6,1 % 4,5 %
Überblick I Armutsforschung I Armutsdefinition I Armutsmessung I Kinder- und Jugendarmut
Determinanten der Kinder- und Jugendarmut
• Armutsrisiko für Kinder steigt, bei – kinderreichen Familien– Kinder mit alleinerziehendem Elternteil– ausländischen Familien
• Ursache der ungleichen Risikoverteilung:– Arbeitslosigkeit (Frauen und Nicht-Deutsche
betroffen)– ungenügender Familienlastenausgleich– sozialstaatliche Sicherungssysteme an
Kernfamilie orientiert
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Folgen der Kinder- und Jugendarmut• Kinder und Jugendliche in Armut
tragen höheres Risiko, hinsichtlich– niedrigere Bildungsabschlüsse – geringem Ausmaß an Sozialbindungen– geringerem Wohlbefinden– gesundheitliche Beeinträchtigungen
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Lösungsansätze/Forderungen• Finanzielle Entlastung von Familien• Angebote zur Betreuung von Kindern
– Verbesserung der Arbeitsmarktchancen für Frauen
– Stärkung sozialer Ressourcen
• Unterstützungsangebote für belastete Familien und ihren Kindern
• Präventive Konzepte, insbesondere im Bereich Gesundheit
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Wichtige Literatur
• Hanesch/Krause/Bäcker (2000): Armut und Ungleichheit in Deutschland.
• Hanesch (Hg.) (1994): Armut in Deutschland
• BMFSFJ (Hg.) (1998): 10. Kinder- und Jugendbericht
• Klocke/Hurrelmann (2000): Armut in Kindes- und Jugendalter
• Butterwegge (2000): Kinderarmut in Deutschland
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