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atp magazin 10 2018 Digitale Feldgeräte www.atpinfo.de Ausgabe 10 2018 Transforming Automation ENTFESSELUNG 4.0 Mehr Daten für mehr Effizienz HAUPTBEITRÄGE: • Strukturierte Modellierung von Validierungsregeln • Von der Laboranalyse zum Feldgerät • Voll integrierte und vernetzte Systeme und Prozesse • Next Generation Digital Twin

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atp magazin 10 2018

Digitale Feldgeräte

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Ausgabe 10 2018Transforming Automation

ENTFESSELUNG 4.0

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HAUPTBEITRÄGE:• Strukturierte Modellierung von Validierungsregeln

• Von der Laboranalyse zum Feldgerät

• Voll integrierte und vernetzte Systeme und Prozesse

• Next Generation Digital Twin

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Erfahren Sie mehr unterwww.de.endress.com/chemical

Konzepte zu entwickeln, welche die Leistungsfähigkeit, Produktivität und Rentabilität Ihrer Anlage steigern, ist für Sie wichtig.

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Endress+Hauser unterstützt Sie dabei, Ihre Prozesse zu verbessern:

• mit unseren Messgeräten, die Sicherheit eingebaut haben• mit weltweitem Branchen-Know-how• mit Technologien und Services für optimale Anlagenperformance

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Editorial

Smarte Feldgeräte sind der Schlüssel zu Industrie 4.0Wir alle erleben es in unserem Alltag auf vielfältige Weise: Die digitale Transformation ist in vollem Gange. Doch die Diskus-sionen um Industrie 4.0 hatten lange Zeit einen eher theoreti-schen Charakter. Jetzt werden die Anwendungen konkret und der Nutzen greifbar. Durch die Verfügbarkeit von Informatio-nen gewinnen wir an Transparenz; die Durchgängigkeit der Systeme steigert Datenkonsistenz und -qualität. Das macht es möglich, Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette und in allen Lebensphasen einer Anlage zu optimieren. Wir bei Endress+Hauser sind überzeugt: Datengetriebene Entschei-dungen und No-Touch-Transaktionen sind die größten Hebel für künftige Produktivitätssteigerungen in der verfahrenstech-nischen Industrie. Und Feldinstrumente sind ein wichtiger Schlüssel, um dieses Potenzial zu erschließen – auf neuen wie auf bestehenden Anlagen. Denn mehr Sensorik – und nicht zu-letzt mehr Information aus der vorhandenen Sensorik – bildet dafür die Grundlage.

In Zukunft wird jedes Feldgerät eine eigene IP-Adresse besit-zen. Der Advanced Physical Layer oder auch die 5G-Techno-logie werden uns Bandbreite ins Feld bringen. Bis dahin kön-nen wir selbst im Brown-Field-Bereich mit Edge Devices und Wireless-Adaptern für Konnektivität sorgen. Eine gewaltige in-

stallierte Basis wartet darauf, für Industrie-4.0-Anwendungen erschlossen zu werden. Neun von zehn Messgeräten, die wir ausliefern, sind in der Lage, digital zu kommunizieren. Genutzt wird diese Fähigkeit bislang gerade einmal in sieben von hun-dert Fällen.

Weit über 30 Millionen digitaler Zwillinge schlummern in un-serer Gerätedatenbank. Sie lassen sich in weniger als 60 Se-kunden zum Leben erwecken. Auf der NAMUR Hauptsitzung 2018 wollen wir mit Ihnen, den Anwendern und Praktikern der Prozessindustrie, diskutieren, wie wir gemeinsam dieses Po-tenzial heben können: durch Lösungen für Bestandsführung und Logistik, mit digitalen Services für Geräteauswahl- und Auslegung, Planung, Beschaffung, Betrieb und Instandhaltung oder durch den Einsatz smarter Sensoren und fortschrittlicher Analyseverfahren im Feld.

Wir freuen uns, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen!

Matthias AltendorfCEO der Endress+Hauser Gruppe

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Inhaltsverzeichnis

Sensorik 4.0Warum digitalisierte Feldgeräte die Voraus-setzung für Industrie 4.0 sind und wie Smart Sensors die in Maschinen und Anlagen verbor-genen Schätze heben können.

6, 18, 24, 28, 32, 36, 42

HauptbeiträgeWissenschaftlich hochwertig und unbedingt lesenswert: Die begutachteten Hauptbeiträge zu den Themen Smart Sensor, Digital Twin, Expertensystem und Feldgeräteentwicklung.

50, 60, 70, 86

AnlagensicherheitWas ändert sich durch die neue IEC 61511 Edition 2 für Betreiber, Integratoren und Dienstleister und wieso prädiktive Wartungs-systeme und digitalisierte Prozesse nicht nur die funktionale Sicherheit erhöhen.

32, 36, 100

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EDITORIAL

Matthias Altendorf 1

MACHER & MEINUNG

Nikolaus Krüger und Andreas Mayr: Wie Feldinstrumente die digitale Transformation unterstützen 6

INTERVIEWS

Dr. Dr. h. c. Atilla M. Bilgic: „Wir betreten eine neue Welt der Sensorik“ 18

Dr. Ralf Huck und Dr. Jürgen Spitzer: „Sensorik 4.0 bereitet Industrie 4.0 den Weg“ 42

HAUPTBEITRÄGE

Strukturierte Modellierung von Validierungsregeln CHRISTOPH SIEBER, HENRY BLOCH, MATTHIAS GLAWE, ALEXANDER FAY, LEON URBAS, STEPHAN HENSEL 50

Von der Laboranalyse zum Feldgerät JUDITH FALK, MONIKA HEISTERKAMP, ULRICH KAISER 60

Voll integrierte und vernetzte Systeme und Prozesse MICHAEL MAIWALD 70

Next Generation Digital Twin ROLAND ROSEN, STEFAN BOSCHERT, ANNELIE SOHR 86

TECHNOLOGIE + TRENDS

IEC 61511 Edition 2 – Was sich für Betreiber, Integratoren und Dienstleister ändert 100

PRODUKTE + PROJEKTE

Verborgene Schätze: den Wert von Anlagendaten optimal ausschöpfen 24

Sensoren: Augen, Ohren und Hände von Industrie 4.0 28

Enterprise Mobility: Industrie 4.0 für den Ex-Bereich 32

Predictive Maintenance 2.0 – Was hinter Prognostic Foresight steckt 36

Inserentenverzeichnis + Impressum 103

www.beckhoff.de/messtechnikMit den EtherCAT-Messtechnikmodulen der Serie ELM wird die hochpräzise, schnelle und robuste Messtechnik integraler Bestand-teil der PC-basierten Steuerung von Beckhoff. Direkt integrierbar in das modulare EtherCAT-Klemmensystem lassen sich die ELM-Module mit dem umfassenden Portfolio von über 500 EtherCAT-Klemmen kombinieren. schnell: Abtastraten bis zu 50.000 Samples/s zeitpräzise: exakte Synchronisierung < 1 μs wertpräzise: Messgenauigkeit von 100 ppm proaktiv: integrierte Anschluss- und Funktionsdiagnose

in den einzelnen Modulen fl exibles Stecker-Frontend: LEMO, BNC, Push-in Eingangsbeschaltungen: Spannung 20 mV … 60 V,

Strom 20 mA, IEPE, DMS, RTD/TC

Äußerst präzise, schnell und robust.

Highend-Messtechnik

| EK1

2-15

G |

Halle 7, Stand 406

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Wer hat’s gesagt?

Verena GrafVorstand der NCTE AG

„Für die sichere Übertragung zwischen Maschinen gibt es heute keinen herstellerübergreifenden Stan-

dard. Controller verschiedener Hersteller können daher heute nicht ohne weiteres direkt sicher mitei-

nander kommunizieren. OPC UA muss hier das Mittel der Wahl sein.“

30

Tim-Peter HenrichsMarketing Manager Europe (Chemical Industry), Yokogawa Deutschland GmbH

31

Pouria G. BigvandLeiter des Produktmanage-ments der Aucotec AG

27

Wer hat’s gesagt?

35Michael KrammelLeiter der Unterarbeitsgruppe „Organisation und Qualifikati-on“ der Plattform Industrie 4.0

„Die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten ist eine hoch in-terdisziplinärere Aufgabe. Erfolgsgarant kann nur die engagier-te Mitwirkung aller Beteiligten sein. Der Ist-Zustand aber zeigt, dass wir immer noch im Silo-Denken verhaftet sind. Doch erst

zusammen gestalten und schaffen wir Digitalisierung.“ 31

„Die gesamte Feldebene befindet sich dank neuer Technologien und Konzepte im Umbau. Durch die

Anwendung von KI-Methoden wird Schwarm-Sensorik Realität, denn die Vernetzung aller Sensoren findet

statt und führt zu neuen Kalibrierkonzepten.“

104

„Produktivitätsfortschritte durch digitale Geschäftsmo-delle lassen sich nur mit motivierten Mitarbeitern erzie-len, die über Digital-Know-how verfügen. Sie brauchen zusätzliche IT-Kenntnisse. Die Unternehmensführungen

sind gefordert, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen.“ 35

„Die Implementierung digitalisierter Prozesse in der Vernet-zung mit Kunden und in der Produktion wird sich zukünftig zu

einem Wettbewerbsfaktor bei der Rekrutierung von qua-lifizierten Mitarbeitern entwickeln. In Zeiten eines demo-

graphischen Wandels in der Gesellschaft sichern moderne Technologien die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit von

Unternehmen.“ 41

98

„Echte Computernetzwerke sind der Enabler für alles, was nach Industrie 4.0, IoT oder IIoT kommt. Solange die Basis für diese Entwicklungen nicht geschaffen wird, brauchen

wir über viele Entwicklungen gar nicht zu sprechen, weil sie nicht ermöglicht werden können.“

18

„Die sinnvolle Zusammenarbeit intelligenter Module, Ele-mente und intelligenter Agenten gehört zu den Fundamen-ten Industrie-4.0-gerechter Anlagen-Ökosysteme. In einer solchen Anlage sind Objekte lebendig, kommunikativ und

individuell. Sie gehören zur DNA der Anlage, und zwar über den gesamten Lebenszyklus.“

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Wer hat’s gesagt?

Dr. Thomas SteckenreiterVorstandsmitglied und CTO der SAMSON AG

104

Dr. Dr. h.c. Attila BilgicCTO der KROHNE Gruppe

18

Nikolaus KrügerMitglied des Executive Board bei Endress+Hauser

16

Dr. Jürgen SpitzerGeneral Manager Process Inst-rumentation bei Siemens

42

41

„Viele der Automatisierungsunternehmen wachsen 2018 stark, Raten im hohen einstelligen und mittele-ren zweistelligen Bereich sind keine Seltenheit. Wir

erleben momentan ein Ausnahmejahr. “

Dr. Ralf HuckVice President Product Manager Process Instrumentation bei Siemens

42

Karsten SchneiderVorstandsvorsitzender PI (PROFIBUS & PROFINET Inter-national)

98

Wer hat’s gesagt?

Dr.-Ing. Eckhard RoosHead of Industry Segment Ma-nagement Process Automation bei der Festo AG & Co. KG

16

„Grundsätzlich gilt, dass immer mehr und immer detaillier-tere Informationen über die Umgebung gefordert sind. Die

Grenzen werden durch konsequente Weiterentwicklung permanent verschoben. Keine Revolution, aber Evolution

mit rasanter Geschwindigkeit.“ 30

„Das Problem in der Prozessindustrie ist, dass Digitalisie-rung als die bloße Überführung von Prozessen oder einzel-nen Informationen in digitale Strukturen verstanden wird. Es geht aber eigentlich darum, wie sich Märkte verändern

und wie sich der Wandel zu software-orientierten Unterneh-men vollzieht.“

42

„Wir brauchen ein einheitliches Datenmodell. Zur Zeit wird an vielen Stellen an unterschiedlichen Datenmo-

dellen gearbeitet, was auf lange Sicht eine große Gefahr darstellt. Die Industrie muss sich zügig einigen, bevor

verschiedene konkurrierende Modelle auftauchen.“

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Macher und Meinung

nwender von Verfahrenstechnik möchten das Potenzial von Industrie 4.0 ausschöpfen – auf neuen ebenso wie auf bestehenden Anla-gen. Feldinstrumente sind dabei ein wichtiger

Schlüssel, um von den Möglichkeiten digitaler Technologien zu profitieren. Der Beitrag zeigt, wie industrielle Unterneh-men ihre Geschäftsprozesse sowohl über den gesamten Le-benszyklus einer Anlage als auch entlang der Logistik- und Wertschöpfungsketten mit dem Ziel optimieren können, den Durchsatz zu steigern, die Kosten zu reduzieren und da-bei Qualität und Sicherheit zu gewährleisten.

1. Herausforderungen für Anwender- und Hersteller Industrie 4.0 weckt hohe Erwartungen. Unternehmen der Verfahrenstechnik möchten die Möglichkeiten der Digita-lisierung nutzen, um ihre Produktivität zu verbessern, die Qualität ihrer Produkte sicherzustellen und die Flexibilität ihrer Anlagen zu erhöhen. Potenzial dafür verbirgt sich ent-lang der Wertschöpfungsketten über Firmengrenzen hin-weg, ebenso in sämtlichen Phasen des Lebenszyklus einer Anlage – Geschäftsprozesse entlang zweier Achsen, die sich im Schnittpunkt der Produktion kreuzen. Auch die Diskus-

Der Schlüssel zum digitalen Potenzial – Wie Feldinstrumente die digitale Transformation unterstützen

Nikolaus Krüger und Andreas Mayr, Mitglieder des Executive Boards von Endress+Hauser, über das Potenzial moderner Feldinstrumente in der digitalisierten Prozess- und Verfahrenstechnik:

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Macher und Meinung

sionen und Workshops am 57. Tutzing-Symposion um die Digitalisierung in der Prozessindustrie folgten dieser uni-versellen Struktur [1].

Die Diskussionen auf Anwenderseite drehen sich um Themen wie die modulare Automation, vereinfachtes Engineering, durchgängige Datenmodelle von der Pro-duktentwicklung bis zur Produktion, Ethernet-Techno-logien für das Feld (Stichwort Advanced Physical Layer – APL [2]) oder kleinere Chargen und schnellere Zyklen in der Produktion (Losgröße 1). Besonderes Augenmerk aber kommt der kostenintensivsten Phase im Anlagen-Lebenszyklus zu: dem Betrieb, typischerweise über 30 und mehr Jahre. Cloud-basiertes Asset-Management oder vorausschauende und vorbeugende Wartung gelten als Ansätze, die hohen Nutzen versprechen.

In Bezug auf die Feldinstrumentierung stellt sich Her-stellern wie Endress+Hauser die Frage, wie sich moderne Feldsensoren in neue Architekturen für das Industrielle In-ternet der Dinge (IIoT) einbinden lassen – und: ob und wie gut es gelingt, die installierte Basis zu digitalisieren und integrieren. Bei der Entwicklung neuer Messgeräte und messtechnischer Lösungen sowie Dienstleistungen stellt die Konnektivität lediglich einen Aspekt dar. Die gestie-gene Rechenleistung von Mikroprozessoren ermöglicht die Konstruktion smarter Feldgeräte mit verbesserter und erweiterter Funktionalität sowie prozesstauglicher Analysatoren. Die Verarbeitung großer Datenmengen in der Cloud mit Hilfe intelligenter Algorithmen schafft die Voraussetzungen für neue digitale Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Und schließlich verlangt eine digita-lisierte Lebens- und Arbeitswelt auch von Unternehmen der Investitionsgüterindustrie ein Umdenken, wie sie ihre Kundenbeziehungen ausgestalten.

2. Strategische Ausrichtung für die Prozess-messtechnikDiese Herausforderungen werden mit einer Digitalisierungs-strategie adressiert, die zwei wesentliche Ansätze verfolgt: Zum einen soll es Kunden möglichst einfach gemacht wer-den, mit Endress+Hauser ins Geschäft zu kommen und im Geschäft zu bleiben. Dies betrifft Transaktionen und Inter-aktion in allen Phasen des Anlagen-Lebenszyklus. Zum an-deren will Endress+Hauser das Potenzial des IIoT mit Feld-sensorik, Dienstleistungen und Lösungen für den Kunden nutzbar machen (s. Abbildung 1). Dies zielt insbesondere auf die Optimierung von Logistikkette und Produktionsprozess ab, betrifft aber ebenso Produkt- und Prozessentwicklung sowie Instandhaltung.

Maßnahmen in beiden Aktionsfeldern helfen, bei Investiti-onsprojekten die Dauer bis zum Produktionsanlauf zu ver-kürzen sowie in der Betriebsphase maßgebliche Einsparun-gen zu realisieren – sowohl auf neuen als auch bestehenden Anlagen. Allein die installierte Basis umfasst heute weltweit über 40 Millionen Feldinstrumente; neun von zehn Sensoren sind dabei fähig, digital zu kommunizieren.

Andere Schwerpunkte der gruppenweiten Strategie 2020+ unterstützen und ergänzen die Digitalisierungsstrategie. Dazu zählt insbesondere der gezielte Ausbau des Portfolios, etwa in der Analyse und Messung qualitätsrelevanter Parameter.

3. Optimierungsansätze über den Lebens- zyklus einer AnlageWelche Ansätze bietet Endress+Hauser nun aber konkret für die Herausforderungen der Digitalisierung? Betrachten wir zu-nächst – in Anlehnung an das eingangs erwähnte Schema [1] – die vertikale Achse der Geschäftsprozesse über den Lebenszyk-lus einer Anlage. Dieser beginnt dem Ansatz entsprechend mit der Produkt- und Prozessentwicklung. In diesen Phasen setzen Hersteller üblicherweise viele unterschiedliche Methoden zur Identifizierung und Bestimmung der qualitätsrelevanten Ei-genschaften ihrer Produkte ein. Der optischen Spektroskopie kommt dabei besondere Bedeutung zu.

3.1 Analyseverfahren für Labor und Feld

Verfahren, die sowohl bei der Produktentwicklung für Mes-sungen im Labor als auch inline bei der Prozessentwicklung und später in der Produktion zum Einsatz kommen können, versprechen eine deutlich kürzere Produkteinführungszeit, etwa durch einfachere Qualifizierung und Validierung der analytischen Parameter auf Grundlage konsistenter Daten. Endress+Hauser hat sich auf den Weg gemacht, um diese wichtigen ersten Phasen künftig mit Technologien und Lö-sungen zu unterstützen, die genaue Laboranalysen sowie auch stabile Echtzeit-Messungen für Advanced Process Con-trol (APC) erlauben. Ein Beispiel dafür sind die bereits heute verfügbaren Raman-Spektrometer, die sowohl im Laborum-feld wie auch über Lichtleiterverbindungen inline im Prozess einsetzbar sind. Sie bestimmen zum Beispiel Zellwachstum oder Glukosegehalt in Fermentern. Identische Bedingungen für konsistente Messungen in Labor und Feld bieten auch Flüssigkeitsanalyse-Sensoren mit Memosens-Technologie. So erlaubt das Soft- und Hardware-Tool Memobase Plus bei-spielsweise eine direkte Anbindung der Sensoren im Labor ohne weiteren Messumformer. Durch vollständige Rückführ-barkeit der Messungen werden Validierungsprozesse und Audits erleichtert.

Abbildung 1: Endress+Hauser will das Potenzial des IIoT mit Feldsensorik, Dienstleistungen und Lösungen für Kunden nutzbar machen – von der Opti-mierung der Logistikkette bis hin zur Instandhaltung.

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Macher und Meinung

3.2 Planung und Beschaffung

Entsprechend der NAMUR-Empfehlung NE 100 und klassifi-ziert nach dem internationalen eCl@ss-Standard [4], stellt Endress+Hauser für sämtliche Geräte die benötigten Merkma-le und Beschreibungen beispielsweise für den Anfrage- und Angebotsprozess oder auch für die Integration in Systeme der Planung (CAE), der Prozesssteuerung (PLS), der Waren-wirtschaft (ERP) oder der Instandhaltung (CMMS) in stan-dardisierter und strukturierter Form bereit. Dadurch ist ein elektronischer Austausch von Daten zwischen den Systemen des Betreibers bzw. seiner Auftragnehmer und des Herstellers möglich – automatisiert über definierte Schnittstellen und integrierte Systeme oder standardisiert über Dateien im XML-Format. Da der Gerätelieferant sämtliche Stammdaten liefert, entfällt für die Anwender der Aufwand der Datenpflege.

Mittels Online-Tools können Kunden aus einem Portfolio, das Geräte in Millionen Varianten umfasst, das richtige Produkt nach Branchenanwendung auswählen, auslegen und konfi-gurieren. Der jeweilige Produktcode bildet die Basis zur Er-stellung von Datenblättern, CAD-Modellen in 2D und 3D sowie Anschlusszeichnungen. Während des Engineering-Prozesses werden diese Daten durch Zusatzinformationen ergänzt. Die Anlagenstruktur wird zur späteren Wiederverwendung wäh-rend des Betriebs gespeichert.

3.3 Anlagennahes Asset-Management

Daten zu einer Anlage und ihren Komponenten werden bereits während der Planung, Beschaffung und Konst-

ruktion und später während des gesamten Lebenszyklus der Komponenten erzeugt. Endress+Hauser verfügt mit W@M Life Cycle Management über eine offene und flexi-ble Informationsplattform mit Online- und Vor-Ort-Tools – ganz im Sinne des in der NAMUR Empfehlung NE 129 [5] umrissenen Konzepts zum Plant Asset Management. Anlagenbetreiber haben direkten Zugriff auf stets aktu-elle Daten.

Auf dieser Basis werden Dienstleistungen angeboten, die in je-der Phase zu mehr Produktivität führen. So ist der Online-Kon-figurator in die Oberfläche des EPLAN Data Portals integriert. Parallel zur Übernahme technischer Daten und Dokumente so-wie kaufmännischer Informationen lassen sich dadurch Mak-ros generieren, die direkt in den Schaltplan einfließen können.

Mit der Fertigung des Geräts wird in der zentralen Gerätedaten-bank ein digitaler Zwilling erzeugt (siehe Abbildung 2). Dieser Common Equipment Record (CER) existiert seit über 15 Jahren. Inzwischen sind dort mehr als 30 Millionen Feldgeräte verzeich-net. Unter der individuellen Seriennummer werden relevante Gerätedaten gespeichert und mit den jeweils aktuellsten Versio-nen gerätespezifischer Dokumente und Dateien verknüpft. Über das webbasierte W@M Life Cycle Management sind Gerätekonfi-guration, Materialnachweise, Kalibrierzertifikate, Gerätetreiber, technische Dokumentationen, die Servicehistorie, Ersatzteillis-ten oder Informationen zur Verfügbarkeit des Geräts bzw. von Ersatzgeräten sowie vieles mehr überall und jederzeit verfügbar.

Der Wert von Geräteinformationen, die in hoher Qualität und Konsistenz jederzeit schnell und einfach abrufbar sind, ist

Abbildung 3: Zahlreiche Instrumente zur Durchfluss-, Füllstand- und Temperaturmessung sowie Flüssigkeitsanalyse verfügen heute bereits über die Heartbeat Technology, das Angebot wird darüber hinaus stetig ausgebaut.

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Macher und Meinung

nicht zu unterschätzen. Wird mit der Bestellung eine Mess-stellen- oder Tag-Nummer vergeben, wird diese automatisch mit der Seriennummer und damit mit dem elektronischen Eintrag verknüpft. Dieser umfasst sämtliche Daten, die zu die-ser spezifischen Messstelle bereits im Vorfeld – beispielswei-se beim Engineering – generiert wurden. Diese Informationen werden im Endress+Hauser SAP-System oder auf Wunsch in einer beim Kunden lokal betriebenen Anwendung archiviert.

3.4 Moderne Instandhaltungskonzepte

In den Augen der Anwender von Verfahrenstechnik liegen in der operativen Phase hohe Potenziale zur Kosteneinsparung brach. Entsprechend groß ist das Interesse an vorbeugen-der und vorausschauender Instandhaltung. Die Heartbeat Technology von Endress+Hauser unterstützt mit Diagnose-, Verifikations- und Monitoring-Funktionen entsprechende Konzepte. Inzwischen verfügen zahlreiche Instrumente zur Durchfluss-, Füllstand- und Temperaturmessung sowie Flüs-sigkeitsanalyse über die ins Messgerät integrierte Techno-logie, die über alle Bedien- und Systemintegrationsschnitt-stellen zur Verfügung steht (s. Abbildung 3).

Standardisierte Diagnosemeldungen mit klaren Hand-lungsanweisungen ermöglichen eine zustandsorientierte Wartung. Die permanente Selbstdiagnose des Gerätes ga-rantiert einen sicheren Anlagenbetrieb mit verlängerten Prüfzyklen. Ein geführter Ablauf zur Geräteverifikation ohne Unterbrechung des Prozesses und ohne Ausbau des Instru-ments generiert eindeutige Prüfergebnisse. Das automa-tisch erzeugte Prüfprotokoll unterstützt die Nachweisfüh-rung entsprechend den branchen- oder länderspezifischen Regularien, Gesetzen und Normen. Die Monitoring-Funktion erlaubt durch Trenderkennung das Umsetzen von Konzep-ten zur vorausschauenden Wartung. Und schließlich schafft die Verknüpfung von Geräte- und Prozessparametern die

Grundlage für gezielte Prozessoptimierungen.

Werden parallel zu den Prozesssignalen auch relevan-te Monitoring-Daten aus dem Gerät ausgelesen, kann die Heartbeat Technology die Grundlagen zur Umsetzung von Industrie-4.0-Konzepten schaffen. Mit einer Predictive Main-tenance App wird sich künftig der optimale Zeitpunkt für Wartungsarbeiten berechnen lassen. Ziel ist, die Instand-haltungskosten zu senken und die Anlagenverfügbarkeit zu erhöhen. Die Vernetzung der Daten mit anderen Geschäfts-prozessen erlaubt zudem die Automatisierung weiterer Auf-gaben, von der elektronischen Bestellung eines Ersatzgeräts über die automatisierte Konfiguration der Messstelle bis zur Planung von Liefer- und Austauschtermin.

4. Optimierung von Logistik- und Produktions-prozessBetrachten wir nun die Geschäftsprozesse entlang der Wert-schöpfungsketten. Um die Logistik- und Produktionsprozesse zu optimieren, nutzt Endress+Hauser die Möglichkeiten der Digitalisierung und bringt smarte Sensortechnik zum Einsatz.

4.1 Intelligentes Logistik- und Bestandsmanagement

Die zugrundeliegenden Ansätze zur Verbesserung von Lo-gistikprozessen und Bestandsmanagement durch die Di-gitalisierung werden schon lange in der Praxis angewandt. Endress+Hauser setzt beispielsweise ein Konzept für ein in-telligentes Logistik- und Bestandsmanagement bereits seit gut zehn Jahren erfolgreich um.

So auch für einen Hersteller von pflanzlichen Ölen, der mehr als 35 Raffinerien und Terminals in Asien, Europa und Süd-amerika mit insgesamt über 3.000 Tanks betreibt. Hochge-naue Messungen – teils mit Eichzulassung – von Füllstand

Abbildung 4: Mit der Lagerhaltungssoftware Supply Care liefert Endress+Hauser Echtzeit-Informationen über Bestände und freie Kapazitäten. Dies führt zu immensen Einsparungen aufgrund der Datenintegrität.