aufbau organischer festkörper mit intermolekularen ferromagnetischen wechselwirkungen durch...

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Aufbau organischer Festkorper mit intermole- kularen ferromagnetischen Wechselwirkungen durch Wasserstoffbrucken ** Von Esteve Hernandez, Montse Mas, Elies Molins, Concepci6 Rovira und Jaume Veciana * Der Ferromagnetismus rein organischer molekularer Fest- korper hat in den letzten Jahren betrachtliches Interesse ge- weckt"]. Bis heute sind nur drei organische Molekiile mit offenschaliger Elektronenkonfiguration - freie Radikale oder Radikalionen - rnit derartigen magnetischen Eigenschaften im festen Zustand bekannt[']. Da Ferromagnetismus ein drei- dimensionales Phanomen istK3I, ist es nicht nur notwendig, geeignete offenschalige Molekiile zu finden, sondern diese miissen dariiber hinaus auch in Form dreidimensionaler Netz- werke angeordnet werden. In diesen supramolekularen Ein- heiten miissen dann noch die korrekten elektronischen Me- chanismen zur parallelen, d. h. ferromagnetischen (FM) Spin- ausrichtung benachbarter Molekiile in drei oder zwei Raum- richtungen wirksam seinL4]. Strukturmodifikationen oder che- mische Funktionalisierungen stabiler offenschaliger Molekiile sind ein vielversprechender Zugang zu supramolekularen Einheitenrsl, in denen die natiirliche Neigung zur antiparal- lelen, d. h. antiferromagnetischen (AF) Spinausrichtung ver- mieden wird['.41. Die Verwendung von Elementen zum gezielten Kristallde- sign (crystalline design elements, CDE)16] ist eine der direkte- sten Moglichkeiten zur gezielten Anordnung von Molekiilen im Raum und daher zur Steuerung der elektronischen Wech- selwirkungen in kristallinen und nichtkristallinen Festkor- ern[^]. Es schien daher von Interesse, die grundlegenden Bedingungen fur die Beeinflussung der Kristallstruktur und damit der magnetischen Eigenschaften organischer moleku- larer Feststoffe zu untersuchen[']. Wir berichten hier uber das Nitronylnitroxid-Radikal 1 ['I, bei dem erstmals Wasser- stoffbriicken als CDE zu kristallinen, supramolekularen Einheiten rnit intermolekularen ferromagnetischen Wechsel- wirkungen fiihrten. 1 N+ 0- Untersuchungen von 1 schienen erfolgversprechend, da diese Verbindung vide der strukturellen und elektronischen Voraussetzungen zur Bildung von FM-Ordnung, zumindest iiber kurze Distanzen, erfullt: 1) Semiempirische MO-Be- rechnungen ergaben deutliche elektronische Polarisierungen der N-0- und 0-H-Bindungen im Sinne von bzw. 0 - H ['I, was dafiir spricht, daD in H-Briicken die NO-Gruppen als Acceptoren und die OH-Gruppen als Donoren fungieren konnen; 2) die nicht kollineare Anord- nung der NO- und OH-Gruppen zueinander und die Tatsa- che, dalj Wasserstoffbruckenbindungen gewohnlich stark gerichtet sind"], konnten die Bildung eines Festkorpergitters von hoher Dimensionalitat begiinstigen; 3) MO-Berechnun- +0.09 -0.34 N - 0 -0.27 +0.24 [*] Dr. J. Veciana, E. Herndndez, M. Mas, Dr. E. Molins, Dr. C. Rovira Institut de Ciencia de Materials de Barcelona Campus de la U.A.B., E-08 193 Bellaterra (Spanien) [*"I Diese Arbeit wurde vom Programa Nacional de Nuevos Materiales (C. 1. C. y T., Grant MAT 91/0553) gefordert. Wir danken Dr. B. Martinez Raboratori de Propietats Elktriques i Magnetiques, ICMAB) fur die Ausfuhrung der magnetischen Messungen. genrgl im Rahmen der UHF-Naherung sagen voraus"'], daB 1 iiber die meisten elektronischen Voraussetzungen fur FM- Kopplungen in molekularen Festkorpern entweder nach dem McConnell-I-Mechanismus oder nach dem Charge- Transfer-Mechanismus unter Verwendung der Grenzorbita- ieI4> 11, l21 verfiigt. Das Radikal 1 wurde nach Literdturangaben hergestellt und aus Toluol kristallisiert["]. Die Rontgenstrukturanalyse ergab zwei kristallographisch unabhangige Molekiile A und B in der asymmetrischen Einheit rnit nur geringen Struktur- unterschieden (Abb. Die Phenylringe beider Molekule sind nahezu coplanar rnit den OH-Gruppen, bilden jedoch Winkel von 32.7(1) und 33.6(2)' rnit der Ebene der a-Nitro- nylnitroxid-Einheit 0-N-C-N-0. Abb. 1. Struktur des Konformers A von 1 im Kristall. Ausgewihlte Bindungs- langen [.&I und -winkel ["I der Konformationen A [und B]: HI-01 1.04(4) [1.08(4)], 01-C2 1.360(4) [1.368(4)], C5-CX1.452(4) [1.445(4)], C8-N9 1.362(4) [1.330(4)],N9-010 1.274(3) [1.289(3)], CX-Nl3 1.340(4) [1.360(4)], N(13)-0(14) 1.283(3) [1.275(3)]; 010-N9-C8 125.0(2) [126.1(2)], N9-C8-N13 107.3(2) [107.0(2)], C8-N13-014 127.0(2) [126.5(2)], H1-01-C2 116.12) [107.(2)]. Die raumliche Anordnung der Molekiile im Kristall ist in Abbildung 2 dargestellt. Uberraschenderweise bildet nur ei- ne der beiden NO-Gruppen starke Wasserstoffbriickenbin- dungen zu den OH-Gruppen benachbarter Molekiile[151. Diese H-Brucken treten zwischen Molekiilen identischer Konformation auf und fuhren zu Zickzackketten entlang der a-Achse (Abb. 2a). Jede dieser Ketten ist rnit entlang der 6-Achse translatorisch aquivalenten Nachbarketten ver- zahnt. Die Verzahnung geschieht durch Wechselwirkungen zwischen den 0-Atomen der freien NO-Gruppen der einen Kette und den H-Atomen vicinaler CH,-Gruppen der Nach- barketten. Die aus den kristallographischen Daten abgeleite- te Charakterisierung dieser C-H . . . 0-Wechselwirkungen als Wasserstoffbruckenbind~ngen[~] wird durch spektrosko- pische Daten gestiitzt" 'I. Die Kristallstruktur von 1 kann daher als ein zweidimensionales, zur ab-Ebene paralleles, Wasserstoff-verbriicktes Netzwerk betrachtet werden (Abb. 2a). Dariiber hinaus sind diese 2D-Netzwerke entlang der c-Achse dicht gepackt, wobei die intermolekularen Ab- stande zwischen 3.5 und 4.0 8, betragen (Abb. 2b). Von groljter Wichtigkeit ist die bei der Analyse dieser dicht ge- packten Struktur gemachte Beobachtung, dalj keine signifi- kante intermolekulare Uberlappung der SOMOs besteht, wie sie iiblicherweise fur das Auftreten von AF-Wechselwir- kungen in molekularen Festkorpern verantwortlich gemacht ~ird[~, "I. Tatsachlich werden innerhalb und zwischen den 2D-Flachen nur Kontakte gefunden, wie sie gemeinhin als Ursache intermolekularer FM-Wechselwirkungen gelten[161. Diese lokalen strukturellen Begebenheiten legen daher die Angew. Chem. 1993, 105, Nr. 6 0 VCH Verlugsgesellschaft mbH, W-6940 Weinheim, 1993 0044-8249/93j0606-0919 J' 10.00 + .2S/O 91 9

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Aufbau organischer Festkorper mit intermole- kularen ferromagnetischen Wechselwirkungen durch Wasserstoffbrucken ** Von Esteve Hernandez, Montse Mas, Elies Molins, Concepci6 Rovira und Jaume Veciana *

Der Ferromagnetismus rein organischer molekularer Fest- korper hat in den letzten Jahren betrachtliches Interesse ge- weckt"]. Bis heute sind nur drei organische Molekiile mit offenschaliger Elektronenkonfiguration - freie Radikale oder Radikalionen - rnit derartigen magnetischen Eigenschaften im festen Zustand bekannt[']. Da Ferromagnetismus ein drei- dimensionales Phanomen istK3I, ist es nicht nur notwendig, geeignete offenschalige Molekiile zu finden, sondern diese miissen dariiber hinaus auch in Form dreidimensionaler Netz- werke angeordnet werden. In diesen supramolekularen Ein- heiten miissen dann noch die korrekten elektronischen Me- chanismen zur parallelen, d. h. ferromagnetischen (FM) Spin- ausrichtung benachbarter Molekiile in drei oder zwei Raum- richtungen wirksam seinL4]. Strukturmodifikationen oder che- mische Funktionalisierungen stabiler offenschaliger Molekiile sind ein vielversprechender Zugang zu supramolekularen Einheitenrsl, in denen die natiirliche Neigung zur antiparal- lelen, d. h. antiferromagnetischen (AF) Spinausrichtung ver- mieden wird['.41.

Die Verwendung von Elementen zum gezielten Kristallde- sign (crystalline design elements, CDE)16] ist eine der direkte- sten Moglichkeiten zur gezielten Anordnung von Molekiilen im Raum und daher zur Steuerung der elektronischen Wech- selwirkungen in kristallinen und nichtkristallinen Festkor- ern[^]. Es schien daher von Interesse, die grundlegenden Bedingungen fur die Beeinflussung der Kristallstruktur und damit der magnetischen Eigenschaften organischer moleku- larer Feststoffe zu untersuchen[']. Wir berichten hier uber das Nitronylnitroxid-Radikal 1 ['I, bei dem erstmals Wasser- stoffbriicken als CDE zu kristallinen, supramolekularen Einheiten rnit intermolekularen ferromagnetischen Wechsel- wirkungen fiihrten.

1 N+ 0-

Untersuchungen von 1 schienen erfolgversprechend, da diese Verbindung vide der strukturellen und elektronischen Voraussetzungen zur Bildung von FM-Ordnung, zumindest iiber kurze Distanzen, erfullt: 1) Semiempirische MO-Be- rechnungen ergaben deutliche elektronische Polarisierungen

der N-0- und 0-H-Bindungen im Sinne von

bzw. 0 - H ['I, was dafiir spricht, daD in H-Briicken die NO-Gruppen als Acceptoren und die OH-Gruppen als Donoren fungieren konnen; 2) die nicht kollineare Anord- nung der NO- und OH-Gruppen zueinander und die Tatsa- che, dalj Wasserstoffbruckenbindungen gewohnlich stark gerichtet sind"], konnten die Bildung eines Festkorpergitters von hoher Dimensionalitat begiinstigen; 3) MO-Berechnun-

+0.09 -0.34 N - 0

-0 .27 +0.24

[*] Dr. J. Veciana, E. Herndndez, M. Mas, Dr. E. Molins, Dr. C. Rovira Institut de Ciencia de Materials de Barcelona Campus de la U.A.B., E-08 193 Bellaterra (Spanien)

[*"I Diese Arbeit wurde vom Programa Nacional de Nuevos Materiales (C. 1. C. y T., Grant MAT 91/0553) gefordert. Wir danken Dr. B. Martinez Raboratori de Propietats Elktriques i Magnetiques, ICMAB) fur die Ausfuhrung der magnetischen Messungen.

genrgl im Rahmen der UHF-Naherung sagen voraus"'], daB 1 iiber die meisten elektronischen Voraussetzungen fur FM- Kopplungen in molekularen Festkorpern entweder nach dem McConnell-I-Mechanismus oder nach dem Charge- Transfer-Mechanismus unter Verwendung der Grenzorbita- ieI4> 11, l 2 1 verfiigt.

Das Radikal 1 wurde nach Literdturangaben hergestellt und aus Toluol kristallisiert["]. Die Rontgenstrukturanalyse ergab zwei kristallographisch unabhangige Molekiile A und B in der asymmetrischen Einheit rnit nur geringen Struktur- unterschieden (Abb. Die Phenylringe beider Molekule sind nahezu coplanar rnit den OH-Gruppen, bilden jedoch Winkel von 32.7(1) und 33.6(2)' rnit der Ebene der a-Nitro- nylnitroxid-Einheit 0-N-C-N-0.

Abb. 1. Struktur des Konformers A von 1 im Kristall. Ausgewihlte Bindungs- langen [.&I und -winkel ["I der Konformationen A [und B]: HI-01 1.04(4) [1.08(4)], 01-C2 1.360(4) [1.368(4)], C5-CX1.452(4) [1.445(4)], C8-N9 1.362(4) [1.330(4)], N9-010 1.274(3) [1.289(3)], CX-Nl3 1.340(4) [1.360(4)], N(13)-0(14) 1.283(3) [1.275(3)]; 010-N9-C8 125.0(2) [126.1(2)], N9-C8-N13 107.3(2) [107.0(2)], C8-N13-014 127.0(2) [126.5(2)], H1-01-C2 116.12) [107.(2)].

Die raumliche Anordnung der Molekiile im Kristall ist in Abbildung 2 dargestellt. Uberraschenderweise bildet nur ei- ne der beiden NO-Gruppen starke Wasserstoffbriickenbin- dungen zu den OH-Gruppen benachbarter Molekiile[151. Diese H-Brucken treten zwischen Molekiilen identischer Konformation auf und fuhren zu Zickzackketten entlang der a-Achse (Abb. 2a). Jede dieser Ketten ist rnit entlang der 6-Achse translatorisch aquivalenten Nachbarketten ver- zahnt. Die Verzahnung geschieht durch Wechselwirkungen zwischen den 0-Atomen der freien NO-Gruppen der einen Kette und den H-Atomen vicinaler CH,-Gruppen der Nach- barketten. Die aus den kristallographischen Daten abgeleite- te Charakterisierung dieser C-H . . . 0-Wechselwirkungen als Wasserstoffbruckenbind~ngen[~] wird durch spektrosko- pische Daten gestiitzt" 'I. Die Kristallstruktur von 1 kann daher als ein zweidimensionales, zur ab-Ebene paralleles, Wasserstoff-verbriicktes Netzwerk betrachtet werden (Abb. 2a). Dariiber hinaus sind diese 2D-Netzwerke entlang der c-Achse dicht gepackt, wobei die intermolekularen Ab- stande zwischen 3.5 und 4.0 8, betragen (Abb. 2b). Von groljter Wichtigkeit ist die bei der Analyse dieser dicht ge- packten Struktur gemachte Beobachtung, dalj keine signifi- kante intermolekulare Uberlappung der SOMOs besteht, wie sie iiblicherweise fur das Auftreten von AF-Wechselwir- kungen in molekularen Festkorpern verantwortlich gemacht ~ i r d [ ~ , "I. Tatsachlich werden innerhalb und zwischen den 2D-Flachen nur Kontakte gefunden, wie sie gemeinhin als Ursache intermolekularer FM-Wechselwirkungen gelten[161. Diese lokalen strukturellen Begebenheiten legen daher die

Angew. Chem. 1993, 105, Nr. 6 0 VCH Verlugsgesellschaft mbH, W-6940 Weinheim, 1993 0044-8249/93j0606-0919 J' 10.00 + .2S/O 91 9

1 2 1' 2' Abb. 2. Anordnung von 1 im Kristall. a) Zweidimensionales, Wasserstoff-ver- briicktes Netzwerk der Molekiile in A-Konformation projiziert auf die ub-Ebe- ne. b) Packung entlang der c-Achse. Das zweidimensionale Netzwerk 1 wird von Molekiilen in A-Konformation, das Netzwerk 2 von solchen in B-Konfor- mation gebildet. Die Netzwerke 1' und 2' sind iiber eine zweizahlige Dreh- schraubendchse parallel zu c zu den Netzwerken 1 bzw. 2 symmetrieiquivalent. Ausgewihlte Abstinde [A] und Winkel ["I der Wasserstoffbriicken von OH und CH zu 0 (A & ungestrichenen, B & gestrichenen Zahlen: Symmetriecode: (i) .x,y,z, (ii) -0 .5+x , -y . i , (iii) - 0 . 5 + x , I - y , z , ( i v ) 0 . 5 f x , l - y . r , (v) 0.5 + x, -y, z , alle Abstinde und Winkel erfiillen die geometrischen Anfor- derungen an Wasserstoffbriickenbindungen [7]; zur Atomnumerierung siehe Abb. 1): H1"" ' ' 014'"' 1.65(4), HI''''. . ~010'" ' ' 1.61(4), HI 13"'. .010""' 2.39(3), HI 22'" . . ' 0 10"" 2.34(3), HI 16'"' . . .014"' 2.61(4), HI 21 "I' . . ' 0 14'"' 2.45(3): 01-HI"" . . 014'"' 165.(1), 01'-H1""-010'"" 177.(5), C111- H 1 13"' . . - 0 10'"' 168.(3), C121 -HI 22'" . . . 0 1 0'"' 167.(2), C112'- H 1 1 6 ' " ~ ~ ~ 0 1 4 " ' 159.(3), C121'-H121'"'~~ . 014'" 163.(3).

Moglichkeit von FM-Wechselwirkungen rnit charakteristi- schen Intensitaten entlang der drei Raumachsen nahe.

Hinweise auf dreidimensionale magnetische Wechselwir- kungen in 1 ergaben sich aus Einkristall-ESR-Experimenten bei Raumtemperatur. Die Spektren enthielten ein einzelnes, durch Austausch verengtes Signal von reiner Lorentz-Form, unabhangig von der Orientierung des Kristalls. Dies ist cha- rakteristisch fur Austauschkopplungen in sich uber drei Di- mensionen erstreckenden Spin~ystemen["~. Die statische magnetische Suszeptibilitat wurde in einem SQUID-Magne- tometer iiber einen Temperaturbereich von 1.8 5 T < 250 K in einem externen Magnetfeld der Starke 10 kOe an 20 mg Probensubstanz aus mehreren Kristallen von 1 unter- sucht. Die paramagnetische Suszeptibilitat ist in Abbil- dung 3 dargestellt. Bei Temperatwen uber 5 K befolgen die Daten das Curie-Weiss-Gesetz xp = C / ( T - 0 ) mit C = 0.379 emuKmol-' und 0 = 0.8 K. Der Hochtemperatur- wert von x,T (0.37 emuKmol-') liegt nahe dem fur nicht- koppelnde S= 1/2-Systeme rnit g = 2.006 erwarteten Wert (0.376). Bei Temperaturen unter 50 K steigt x,T kontinuier- lich bis auf0.48 emuKmol-' bei 1.8 K. Dieser hohe Wert ist ein klarer Hinweis auf die Existenz intermolekularer FM- Wechselwirkungen in 1. Unterhalb von 5 K weichen die Wer- te der paramagnetischen Suszeptibilitat zunehmend von der Curie-Weiss-Kurve, die aus den Werten bei hoherer Tempe- ratur extrapoliert wurde, ab (Abb. 3a). Uber den gesamten Temperaturbereich von 1.8 bis 250 K betrachtet, stimmen die experimentellen Werte sehr vie1 besser mit den nach dem ferromagnetischen 1D-Heisenberg-Modell"81 berechneten Daten uberein (Kopplung innerhalb der Ketten J /k = 0.49 K, S = 1/2). Diese Tatsache deutet darauf hin, daD die FM-Kopplungen innerhalb der Ketten dominieren. Leider sind die weiteren magnetischen Spinwechselwirkungen die-

ses Systems zu schwach, um mit der statischen Methode bei Temperaturen uber 1.8 K nachgewiesen zu werden.

Die Feldabhangigkeit der Magnetisierung von 1 bei ver- schiedenen Temperaturen ist ebenfalls aus Abbildung 3 zu entnehmen, zusammen rnit der theoretischen Kurve fur ei- nen idealen Paramagneten rnit 5' = 1/2 und g = 2.006. Es ist offensichtlich, daU 1 schneller magnetisiert wird als ein ide- aler Paramagnet und daD der Anstieg der Magnetisierung bei Temperaturerniedrigung steiler ist. Dies ist ein weiterer Hin- weis auf intermolekulare FM-Wechselwirkungen dieses Spin- systems, der in voller Ubereinstimmung mit den Ergebnissen der Suszeptibilitatsmessungen steht.

i_-__ L 10' lo2 50 150 250

TWI - T[Kl -

0 .o 0 10 20 30

HIT [kOe/K] - Abb. 3. a) Links: Temperaturabhdngigkeit der paramdgnetischen Suszeptibili- t i t ~ ~ [ e m u m o l - ' ] von 1. Die unterbrochene Linie zeigt die Anpassung der experimentellen Daten an das Curie-Weiss-Gesetz, die durchgezogene Linie die Anpassung an das ferromagnetische 1D-Heisenberg-Modell (siehe Text). Rechts: ,y,T[emu K mol- '1 gegen T. b) Feldabhingigkeit der Magnetisierung M [pn pro Molekiil] von 1 gemessen bei 2 (o), 3 (A) und 5 K (0 ) in externen Feldern der Stirke 0.1 I H < 55 kOe.

Das magnetische Verhalten von 1 ist dem kiirzlich von der P-Phase seines Analogons rnit einem NO,- statt des OH- Substituenten bekannt gewordenen sehr ahnlich. In diesem findet unterhalb von 0.65 K der Ubergang in einen ferro- magnetischen Zustand statt[2as l9]. Es ist daher wichtig, die magnetischen Messungen auf den mK-Bereich auszudehnen, um die Gesamtheit der magnetischen Wechselwirkungen be- stimmen zu konnen und um AufschluD daruber zu erhalten, ob ferromagnetische Fernordnung auftritt. Experimente die- ser Art werden derzeit durchgefuhrt.

Wir konnten zeigen, daD die Bildung von Wasserstoff- bruckenbindungen zwischen offenschaligen Molekiilen eine

920 0 VCH Verlagsgesellschuft mbH, W-6940 Wernhezm 1993 0044-8249/93/0606-0Y20 $10.00 + .2Sj0 Angew. Chem. 1993. 105, N r . 6

geeignete Strategie zur Herstellung molekularer Festkorper hoher Dimensionalitat ist, die sogar zu Systemen rnit ferro- magnetischen intermolekularen Wechselwirkungen fiihren kann.

Eingegangen am 10. Dezember 1992 [Z 57451

Neuere Ubersichten: a) Mol. Cryst. Liq. Cr-yst. 1989. 176, 1-562; b) Muter. Res. Sac. Symp. Proc. 1990, t73, 3-92; c) Molecular Magnetic Muferiuls (Hrsg.: D. Gatteschi, 0. Kahn, J. S. Miller, F. Palacio), Kluwer, Dordrecht, 1991. a) H. Tamura, Y. Nakdzawa, D. Shiomi, K. Nozawa, Y. Hosokoshi, M. Ishikawa, M. Takahashi, M. Kinoshita, Chem. Phys. Left . 1991, 186,401; b) P.-M. Allemand. K. C. Khemani, A. Koch, F. Wudl, K. Holczer, S. Donovan, G. Griiner, J. D. Thompson, Science 1991,253,301 ; c) R. Chia- relli, A. Rassat, P. Rey. J . Chem. Sac. Chem. Commun. 1992, 1081; A. Rassat, Mol. Cryst. Liq. Cryst., im Druck. Ferromagnetismus kann in besonderen Ausnahmefillen zweidimensional, niemals jedoch eindimensional sein; siehe R. L. Carlin, Magnerochemrsrry. Springer, Berlin, 1986; F. Palacio in Lit. [l c]. S. 1-34. Zur Beschreibung der Mechanismen ferromagnetischer Kopplung in mole- kularen Festkorpern aus freien Radikalen siehe: a) H. Iwamura, Adv. Phys. Orx. Chem. 1990,26,179; b) C. Kollmar, 0. Kahn, Ace. Chem. Res., im Druck. A. Caneschi, D. Gatteschi, L. Pdrdi, R. Sessoli, Helv. Chim. Acta, im Druck. Manchmal auch ,,crystal engineering tools" genannt; dieser Ausdruck bezeichnet Substituenten. funktionelle Gruppen und Strukturmerkmale, die zu starken und gerichteten intermolekularen Bindungen wie Wasser- stoff- oder CI-C1-Bruckenbindungen fuhren. P. Dauber, Acr. Chem. Rex 1980, t3, 105; R. Taylor, 0. Kennard, ihid. 1984, 17, 320; G. R. Desiraju, Crystal Engineering: the Design ofOrganrc Solids, Elsevier, New York, 1989; M. C. Etter, Arc. Chem. Res. 1990,23, 120; J. A. Zerkowski, C. T. Seto, D. A. Wierda, G. M. Whitesides, J . Am. Chem. Soc. 1990, 112, 9025; M. C. Etter, J . Phys. Chem. 1991, 95, 4601. IUPAC-Name von 1: 2-(4-Hydroxyphenyl)-4,4,5,5-tetramethyl-4,5-di- hydro-1 H-imidazolyl-1-oxy-3-oxid. MO-Berechnungen rnit der MOPAC Version 5.0 (QCPE Nr. 581, J. J. P. Stewart, Department of Chemistry, Indiana University) unter Verwen- dung von MNDO- und AM1-Methoden. Rechnungen dieser Art belegen sowohl das Vorhdndensein von Atomen rnit positiver (NO) und negativer (H-Atome der OH- und CH,-Gruppen) Elektronenspindichte als auch die Lokalisierung der Grenzorbitale in ver- schiedenen Regionen des Raumes: So hat das einfach besetzte Molekulor- bital (SOMO) Koeffidenten an beiden NO-Gruppen, wihrend das hochste doppelt besetzte (HOMO) und das niedrigste unbesetzte Molekiil- orbital (LUMO) iiberwiegend am aromatischen Substituenten lokalisiert sind. H. M. McConnell, J. Chem. P h y ~ . 1963, 39, 1910. J. B. Goodenough, Magnetism and the Chemical Bond, Interscience, New York, 1963, S. 167; H. M. McConnell, Proc. R. A . Welch Found. Con$ Chem. Res. 1967, if, 144; K. Awaga, T. Sugano, M. Kinoshita, Chem. Phys. Lett. 1987, 141, 540. E. F. Ullman, J. H. Osiecki, D. G. B. Boocock. R. Darcy, J . Am. Chem. Soc. 1972, 94, 7049. Kristalle von C,,H,,N,O, sind orthorhombisch, Raumgruppe Pca2,, a =

11.765(3), b =12.726(4), c =17.601(4) A, V = 2635(1) A', Z = 8, eber =

1.26 Enrdf-Nonius CAD-4, Mo,, (A. = 0.7107 A), Graphit-Mo- nochromator; T = 293 i 3 K; MeRbereich: 2.0" < 2 8 < 50" ; 5023 ge- messene Reflexe, davon 2647 unabhangige, von denen 1978 mit F > l a(F) verwendet wurden. Die Struktur wurde rnit Direkten Methoden gelost (MULTAN 82); Vollmdtrixverfeinerung (MoLEN), Konvergenz bei R = 0.054, R, = 0.044. Weitere Einzelheiten zur Kristallstrukturuntersuchung konnen beim Direktor des Cambridge Crystallographic Data Centre, 12 Union Road, GB-Cambridge CB21EZ unler Angabe des vollstandigen Literaturzitats angefordert werden. Die OH- und CH,-Streckschwingungen von 1 in einer verdiinnten Losung (CCI,) und im festen Zustdnd (KBr) unterscheiden sich auffallig. Durch die Bildung von Wasserstoffbriicken im Festkorper nehmen die Frequen- zen beider Schwingungen ah; siehe Lit. [7]. Man geht davon aus, daR sowohl kurze Abstande zwischen Atomen positi- ver und negativer Spindichte als auch eine intermolekulare Uberlappung von SOMO/HOMO oder SOMO/LUMO intermolekulare FM-Wechsel- wirkungen bewirken; siehe Lit. [4,11,12]. R. Kubo, Lecfures in Theorerical Physics, Interscience, New York, 1959, S. 120; A. Bencini, D. Gatteschi, EPR qf Exchange Coupled Systems, Springer, Berlin, 1990, S. 135ff. D. D. Swank, C. P. Landee, R. D. Willet, Phys. Rev. B 1979, 20, 2154. Y. Nakazawa, M. Tamura, N. Shirakawa, D. Shiomi, M. Takahashi, M. Kinoshita, M. Ishikawa, Phw. Rev. E 1992, 46, 8906.

Vergleich der Strukturen von pyramidalen Carbokationen und ihren Siliciumanaloga ** Von Eluvathingal D. Jernmis *, Govindan Subramanian, Bharatam V. Prasad, Seiji Tsuzuki und Kazutoshi Tanabe

Die Ubertragung der Struktur von nido-B,H, 1 auf das isoelektronische pyramidale Carbokation C,H: 2''' war na- heliegend['", b]. Fur den Ubergang von der B4H,- zur C4H,- Pyramidenbasis wurden dabei die verbruckenden H-Atome elirniniert['"]. In der Folgezeit konnten Derivate von 2 herge- stellt werden[']. Wir stellen nun theoretische Berechnungen am homologen Si,H: und an verwandten Verbindungen vor. Hier entsprechen die Strukturen rnit verbruckenden H- Atomen und nicht die zu C,H: 2 isostrukturellen rnit termi- nalen H-Atomen Minima auf den jeweiligen Potentialhyper- flCchen. Folgt man bei den Strukturen rnit terminalen H-Atomen jedoch den berechneten negativen Schwingungs- frequenzen, so findet man stabilere Strukturen geringerer Symmetrie.

Die untersuchten Strukturen sind in Abbildung 1 zusam- mengefaRt. Bei den klassischen isoelektronischen Analoga von 1, d. h. bei 2-5, wird die Pyramidenbasis aus einem Kohlenstoffquadrat gebildet. Beim Austausch der vier BH,- Gruppen von 1 gegen SiH-Gruppen resultieren die Struktu- ren 6-8, wenn die terminalen H-Atome beibehalten werden, und die Strukturen 9- 11, wenn die verbruckenden H-Atome erhalten bleibenr3I.

1, C,, (X = BH)

6, C4, (X = BH) 7, C,, (X = SiH') 8, C,, (X = Si)

2, C,, (X = CH+) 3, C,, (X = BH) 4, C,, (X = SiH') 5, C,, (X = Si)

12, C, (X = BH) 13, C , (X = SiH') 14, C, (X = Si)

9, C,, (X = BH) 10, C,, (X = SiH+) 11, C,, (X = Si)

a = Si

Abb. 1. Strukturen von B,H, 1, C,H,X (X = CH', BH, SiH+, Si; 2-5) und Si,H,X (X = BH, SiH+, Si; 6-14).

Die Geometrien von 1-11 wurden zunachst rnit den Pro- grammpaketen Gaussian 82[4c1 und Gaussian unter Festlegung auf C,,-Symmetrie auf dem HF/6-31 G*-Ni- veaur4", b' optimiert. Die anschlieRende Bestimmung der Kraftkonstanten auf demselben Theorieniveau ergab, dalj die Strukturen 1-3, 5 und 9-11 wirklich Minima entspra- chen (Tabelle 1). Die Bedeutung der Elektronenkorrelation

[*I Prof. E. D. Jemmis, G. Subramanian School of Chemistry, University of Hyderabad Central Univ. P. O., Hyderabad - 500134 (Indien) Dr. B. V. Prasad Department of Chemistry University of Alabama at Birmingham UAB Station, Birmingham, AL 35294 (USA) Dr. S. Tsuzuki, Dr. K. Tanabe National Chemical Laboratory for Industry Tsukuba, Ibaraki, 305 (Japan)

[**I Diese Arbeit wurde vom Department of Science and Technology, Neu Delhi, gefordert. E. D. J. dankt der Research School ofChemistry, Austra- lian National University, fur eine Gastprofessur, wahrend der ein Teil der Rechnungen durchgefuhrt wurde.

Angew. Chem. 1993, 105, Nr. 6 0 VCH Verlugsgesellschaft mhH, W-6940 Weinheim, 1993 0044-8249193/06O6-09Zi $ 1 0 . O O i ,2510 921