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Page 1: Aufgaben der vergleichenden Physiologie der Augenbewegungen

A u f g a b e n de r v e r g l e i c h e n d e n P h y s i o l o g i e de r A u g e n - b e w e g u n g e n .

Von

Professor Dr. Martin Barrels, Stiidtische Augenklinik Dortmund.

Mit 5 Textabbi ldungen.

Die Lehre yon der Stellung und Bewegung der Augen des ?¢Ienschen ~nthiilt noch eine groBe Anzahl ungelSster Fragen. 'Bestimmte klinisehe Erscheinungen k6nnen wir auf Grund der Untersuehung am Menschen Mlein nicht deuten, wir mfissen das Tierexperiment zu I~ate ziehen. Die Untersuchung an Tieren hat uns auch in neuester Zeit iiber die Ab.*) wesenffiche Tatsaehen gelehrt, ich erinnere nur an die Lehre der vesti- bularen Ab. Schon der Begrfinder der Augenheilkunde G r a e f e erka, rmte die Wichtigkeit der Beobaehtungen der Ab. der Tiere, dies spricht sich .darin aus, dal3 die erste Arbeit des ersten Bandes des Grae fe sehen Archives yon den Rollbewegungen der Augen der Kaninchen handelt.

Aber nJeht nur fiir die Physiologie der Ab. ist die Tierbeobaehtung n6tig, sondern aueh ffir die ffir die topische Diagnostik so wichtige ge- naue Erforsehung der nervSsen Bahnen, auf denen die Ab. ablaufen. Hier ist schon viel gearbeitet, das Meiste, was vcir davon wissen, s tammt yon der vergleichenden Hirnanatomie. Aber wer sieh genauer mit den nerv6sen Bahnen beseha~ft.igt, sieh~ bald, wie unsicher und gering unser Wissen im einzelnen noch ist. Es wird z. B. so viel fiber die Verbindung des hinteren Li~ngsbfindels mit den Augenmuskelkernen gesehrieben, ana- tomisch einwandfrei naehgewiesen ist solehe direkte Verbindung zwisehen Fasern des Lgngsbfindels und Zellen des Oeulomotorius bisher nnr an der Forelle I s. E d i n g e r. Alle Arbeiten fiber die Bahnen der Ab. sind nun fast lediglieh rein anatomiseh angestellt, ohne jede Berileksiehtigung, welche Ab. das Un~ersuehte Tier eigenffich ausfiihren kann; eine Aus- n~hme bilden nur die Untersuehungen tiber die Bahnen und Kerne der vestibularen Ab. wenigstens beim Kaninehen. Nun verhMten sieh aber die Tiere, wie wir nachher sehen werden, ganz augerordentlich verschie- den in bezug auf ihre Ab. _&us diesem Gedanken heraus babe ieh vor • einigen Jahren begonnen, die Ab., der Tiere zu studieren (s. B a r r e l s 3) 1912). In letzter Zeit habe ieh diese Untersuehungen fortgesetzt, such

*) Ftir das Wort , ,Augenbewegungen" ist in dieser Arbei~ die Abkiirzung Ab. angew~nd~.

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die seinerzeit mir nicht zuggnglichen ~erstreut in der Literatur befind- lichen Notizen sammeln k6nnen. In dieser Arbeit m6ehte ich ver- suchen, das zusammenzufassen, was wir ~issen, um so Riehtlinien zu finden far die weitere Forsehung der vergleiehenden Physiologie der Ab. und der vergleiehenden Anatomic der zugehSrigen Nervenbahnen.

Wir mfissen uns bier erst einmal mit der yon M a r i n a neuerdings aufgeworfenen und yon ihm im negativen Sinne beantworteten Frag~ besch~ftigen, ob die anatomisehen Assoziationsbahnen far die Zentren der Augenmuskeln fix sind. Auf Grund yon Transplantationen yon Augenmuskeln mit erhaltenen Augenbewegungen leugnet M a r i n a die Best~ndigkeit der Bahnen. Wir wollen uns mit der Riehtigkeit oder Unriehtigkeit dieser Behauptung nur insoweit besch~ftigen, als wir untersuehen wollen, ob M a r i n a s Experimente zu dem yon ihm gezoge~ nen~Sehlusse bereehtigen. M a r i n a bzw. Co f l e r ~berpflanzte in frfiheren Arbeiten einmal den Obliquus superior an Stetle des Internus, ein anderes Mal vertausehte er den Externus mit dem Internus so, dab er den ersten innen am Bulbus zur Insertion brachte und den Internus aul~en. Seine letzten Schlasse 1915 zieht M ~ r i n a haupts~ehlieh aus l~berpflanzungen, die O b l a t h und D a n e l o n ausffihrten. In diesen F~ilen wurde der Rectus externus abgelSst und seine Sehne mSgliehst welt naeh hinten abgesehnitten, wie welt, habe ich weder aus dem italienisehen Protokol[ noeh aus der deutsehen Arbeit mit Sicherheit entnehmen kSnnen. Dann wurde der rechte Rectus externus zum Anwaehsen gebracht. Schon wenige Tage nach der Operation waren (trotz einer sich sti~ndig verrin- gernden Deviation des @erierten Auges nach innen) alle willkfirliehen und automatischen Ab. ar~gedeutet, nach erfolgter Vernarbung waren sie vollsti~ndig, z. B. auch Nystagmus nach beiden Seiten. Aueh bei GroB- hirnreizung (linkes Stirnhirn) fahrten beide Bulbi assoziierte Ab. naeh rechts aus. M a r i n a fiihr~ die M(iglichkeit atler Bewegungen, besonders aueh die Auswi~rtsbewegungen des reehten Bulbus, darat~f zuriiek, daf~ hier der 1%ectus superior v611ig die Funktionen des Rectus externns iiber- nommen habe. Er folgert dann welter, da$ dann aueh unmSglieh die Bahnen far diese Bulbusbewegungen fix sein kSnnen. Der letztere Sehluft wi~re vielleieht richtig, falls seine Voraussetzung stimmte, ni~mheh der Ersatz .des Rectus externus dutch den Rectus superior. Das wollen wit untersuchen. Es maBte glso nach M a r i n a s Ansicht der Rectus superior sieh genau so kontrahiert and ersehlafft haben wie fraher der Rectus externus.

Es fragt sich, ob die yon M a r i n a naeh der Verpflanzung konsta- tierten Angenbewegungen nieht auch anders erkli~rt werden k6nnen.

Zun~ehst ist meines Eraehtens nieht mit Sicherheit auszuschliel~en, ob nieht doeh ein Rest des Rectus externus mit dem iiberpflanzten Rectus superior verwachsen war u~id dann dieser meehanisch wie ein

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verlangerter ~uskel wirkte. Aber schalten wir diese Vermutung aus und nehmen wir einmal an, veto Rectus externus hatte wirkIieh nichts mehr existiert. Dann h~tte nach meinen Experimenten sogar noch am isolierten Musculus internus ein Iqystagmus nach beiden Seiten auftreten k5nnen (Barrels2) . Ieh habe seinerzeit solehe Kurven verSffentlieht; sie beweisen, dab ein einzJger Muskel noeh Nystagmus naeh beiden Seiten hervorrufen kann. de K l e y n a) und T u m b e l a k a haben neuerdings auch beim Menschen bei v6lliger OculomotoriusIahmung, wenn allein der Rectus externus erhalten war, ebenfalls Nystagmus naeh beiden Seiten festsfellen kSnnen. Also war in M a r i n a s Experiment die ~-ber- pflanzung des Rectus superior gar nicht n6tig, auch ohne des hatte Marina Nystagmus naeh beiden Seiten bekommen, jaer muftte ihn bekommen nach meinen Experimenten. Also sind die Sehliisse Marinas beziiglich des Nystagmus nicht auirecht zu erhalten. Nun wissen wir aber nicht, welche Bewegungen beim Affen, dessen Augen immerhin seit- ]icher (weniger frontal) stehen, wie die des Mensehen, der Rectus superior ausfiihrt, wenn der Bulbus nach auSen bewegt wird. Man miiSte erst am isolierten Muskel, den man aufsehreiben last, wie ich es ta~, dies umersuchen. Vielleicht kontrahiert er sich bei Auswartswendung (beim Menschen rollt er ja allerdings naeli irmen), dann w[irde er ja ohnehin wirken wie der Externus, ohne dab er anders innerviert werden miiBte! Aber wenn er das auch nicht t~te, es sind alle iibrigen Muskeln in' Ma- r l n as Experiment erhalten geblieben. Bei jeder Ab. wirken nun, wie ieh reich auf Grund yon Kurven der Kaninchenaugenmuskeln iiberzeugte, a l l e Augenmuskeln mit, sei es dutch aktive Ersehlaffung oder aktive Kontraktion. Diese geniig~en wohl sicher, werm, wie des Experiment zeigte, schon ein Augenmuskel 1Wystagmus nach beiden Seiten ver- ursaehte. Die ~berpflanzung des Rectus superior ~ r k t e aber schon r e i n m e c h a n i s c h g i ins t ig . Seine Annahung gab dem Bulbus eine Spannung naeh auSen, die ibm naeh einfacher Entfernang des Externus gefehlt hatte. So erklart sich aueh woht die bei ttirnreizung erhaltene Auswartsbewegung: es erschlaffte dabei der rechte Internus.

Ich glaube Mso, dab sich dutch alle diese Momente die Ergebnisse M a r i n a s erklaren lassen, ohne daft M a r i n a berechtigt w~re, den SchluS zu ziehen, daft der veto Oculomotorius anatomiseh versorgte Rectus superior die Funktion des Rectus externus iibernommen habe. Ich habe bei den vielen hunderten 1VIalen, die ich isolierte Augenmuskeln bei Kaninehen Kurven aufsehreiben lieS, aueh niemals die Beobachtung gcmacht, dab ein Augenmuskel eine andere Kontraktion oder Erschlaf- lung aufwies, als sie fOr seine normal-physiologische Wirkung charakteri- siert ist. ~¥enn M a r i n a Sehlilsse ziehen will, wie er es getan hat, so mi~Ste er bei Allen ein Auge intakt lessen und an dem anderen jeden Muskel isolieren und dann in versehie~lenen Lagen graphisch etwa bei

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Grol~hirnreizung seine Kurve aufschreiben lassen. Wenn er z. B. an einem Auge isoliert den Rectus internus und ebenso isoliert den Rectus superior aufschreiben l~f~t, so haben wir einen sieheren Beweis, wie die Aktionen erfolgen. Ob die Muskeln am Bulbus fixiert sind oder nicht, ist ganz gleichgfiltig in diesem Versuch, d. h. bei automatischen in Narkose hurvorgerufenen Ab. D e n n bei Reizung bestimmter Hirnste]len machen beide Bulbi doch nur eine Seitenbewegung infolge Kontrakt ion und Erschlaffung bes t immter Muskeln, und diese Aktionen treten aueh auf, wie ich naehwies, ob die Muskeln an einem Bulbus oder an einem Schreibhebel f ixiert sind. Wir kSnnen somit auf Grund des bisherigen Versuehs M a r i n a s ihm nieht beisiimmen, dM~ die Asso- zi~tionsb~hnen ffir die A b. nieht fix seien. Damit fal len auch die sehr weitgehenden sonstigen F olgerungen Mar l n as, dab n~mlieh ,;der ganzerr Hirnphysiologie der Bode n entzogen sei und sie neu umgearbeitet werden mfisse". Vorerst hMten wir meines Erachtens mit Reeht noch an unseren bisherigen Ansehauungen lest.

Es ist i~ul~erst mfihsam, an Tieren Beobaehtungen, die Mles er- schSpfen, anzustellen. E s gehSrt ein nieht geringes MM~ yon Geduld und Zeit dazu. Meine eigenen Beobaehtungen sehreiten deshalb auch nur ]~ngs~m fort, so gering si e sind, will ieh sie doch sehon in Folgendem mit- verwerten. Zuni~ehst wollen wit uns ktar werden, welche Kri~fte eigent- lich nach unserem heut igen V~issen auf die Augenstellung bei Tieren und Mensehen einwirken. Gem~I~ einem frfiheren Vorschl~ge von mir (s. Zib a) nennen wir die Lehre yon der Augenstellung O p h t h a l m o s t a - t i k ; je naeh den Reizen, die die Augenstellung bedingen, spreehen wit yon P h o t o o p h t h a l m o st a t i k , v e s t i b u l i i r e r 0 . , p e r i p h e r - s e n - s i b l e r 0 . , s e n s o r i s e h e r 0. und p s y e h o g e n e r 0. Die Ausdriicke ,,wfllkfirliehe" oder ,,un witlkiirlichd' Ab. mSehte ieh nur beim Mensehen anwenden, beim Tier kSnnen wir fiber Willkiir niehts wissen. Diejenigen Ab., die nieht phototaktiseher, vestibularer oder ph~ripher sensibler t te r - kunft sind, wollen wir , , S p o n t a n b e w e g u n g e n " nennen, t rotzdem dieser Ausdruek etwas Psychologisehes besagt und somit eigentlieh ffir das Tier nicht angewandt werden kann. Er wird aber allgemein ftir die Ab. beim Tier benutzt, die nicht auf einem uns bekannten Reltexe be- ruben (s. unten). Ieh mSehte aber uusdrficklieh betonen, dab unter den sparer angeftihrten sog. Spontanbewegungen gewif~ eine Anzahl sind, deren l~eflexe ahnlieh relativ einfach verlaufen, wie z. B. die vestibu- laren Ab. Die Li tera tur fiber Ab. der Tiere ist nur di~ftig. Schon vor 100 Jahren hat J o h . Mi i l l e r sich in seinem berfihmten Werke ,,Znr vergleiehenden Physiologie des Gesichtssinnes tier Mensehen und der Tiere" mit diesem Them~ besehaftigt. Er hat "in einer Tabelle die Be- wegliehkeit der Augen bei Tieren summarisch dargestellt. Seine Dar- stellung tr iff t abet Iiir viele Tiere nieht zu, z. B. ftihrt er unter Tieren

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,mi t bewegliehen divergierenden Augen, mit beweglieher Divergenz naeh der Entfernung der Objekte" die S~ugetiere und die VSgel auf. Unter den S~ugetieren haben z.B. einige Nager, wie das Kaninchen, wohl bewegliche, divergierende Augen, aber keine bewegliehe Divergenz naeh Entfernung der Gesichtsobjekte, unter den V5geln fehlt den Eulen beides. J o h a n n e s Miil ler hat zuerst aueh bei Tieren die Augenstellung nach der Lage der Orbita gemessen, ebenso den Winkel y bei versehie- denen Tieren, oder wie er es nennt, denWinkel, unter dem sieh bei Tieren die Augenaehsen mit den Sehaehsen kreuzen. Er sehlo] daraus sehon auf veto Mensehen versehiedene Korrespondenz (Identit~t, wie er noch glaubte) der l~etzh~ute und wies auch die MSgliehkeit des Binokular- sehens nach. Er bringt wenig Einzelbeobachtungen am lebenden Tiere. G r o s m a n n and M a y e r h a u s e n bestimmten dann, yon Der iders an- geregt, 1877 die Augenstellung an lebenden Tieren durch eine mSgliehst genaue komplizierte Messung, die die einzelnen Befunde yon Job. Mii l ler korrigierte. Sie erkl~ren in der Arbeit~ fiber die Ab. bei Tieren Slo~ter Untersuchungen zu verSffentliehen, die aber nieht erfolgt sind, soviel ieh feststellen konnte. Erst A n t o n v . T s e h e r m a k 1) hat sich 1910 gelegentlich seiner Untersuehungen fiber das Sehen der Tiere, speziell der Haustiere, wieder etwas ausffhrlieher mit den Ab. der Tiere besch~ftigt. B e er und H es s bringen einzelne Beobachtungen an Fisehen und Reptilien. Hess f~hrt in seiner vergleiehenden Physiologie des Ge- sichtssinnes die bisher bekannten Ab. der Tiere auf. Von Ab. bei ¥Sgeln weiB Hess nur die Bemerkung T s c h e r m a k s d910 anzufilhren, die dieser Autor 1914 wiederholt, dal~ die VSgel hSchstens ganz kleine spon- tane ~nderungen ihrer Augenstellungen erkennen lassen, soweit sie dem Sehen dienen. Wir werden naehweisen, dal~ dies nicht richtig ist,.wie ieh seiner Zeit schon ohne Kenntnis der Literatur auf Grund yon Beob- aehtungen i n dem Zoologischen Garten in Lima feststellen konnte (Bar re l s 8) 1912). Jetzt sind wir ja auch erst in der Lage, genau zwischen den einzelnen Ar tender Ab. zu unterseheiden. Die ~iteren Autoren wul~ten noeh nichts yon vestibularen oder ioeripher sensiblen Bewegungen. Ihre Angaben kSnnen Fehler in sich bergen. Ieh wilt versuchen, das, was wir fiber die einzelnen Ab. an Mensehen und Tieren wissen, unter bestimmten Gesichtspunkten zusammenzufassen, und auf einige der sich dabei ergebenden Probleme der Physiologie und der ver- gleichenden Hirnanatomie hinzuweisen.

Photoophthalmostatik. a) Gib t es e i n e n H e l l i g k e i t s t o n u s ?

Wir wissen fiber den Einflul3 des Lichtes (oder besser naeh Hess der Helligkeit) auf die Augen niederer Tiere, da6 einige ihre Augen zwangsm~ig nach dem ffir sie Hellsten einstellen, z. B. die Daphnien

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(l%abl, Hess) . W~hrend man bei Pflanzen in solehen F~llen yon P h o t o t r o p i s m u s spricht, nennt man sie bei Tieren P h o t o t a x i e . INese Phototaxien werden naeh H e s s nieht durch die Lichtst~rke be- stimm~ ( = Energie der Strahlung), sondern dureh HelHgkeit. Es ist naeh H e s s bestimmtes homogenes Lieht, das maximal reizt. Deshalb soHt~ man naeh H e s s nieht yon Bewegung zum Lichte spreehen oder zur Sonne (Heliotropismus), sondern zu dem filr sie Hellen. H e s s sprieht deshalb yon lamprotropen Tieren (2a, u~6¢, hell). Fttr Bewegungen vom Liehte weg, also flit negat ivphototrope Bewegungen, sehl~gt H e s s den Ausdruek skototrop vor (o~dro~ dunkel). Derartige zwangsweise Ab. zum Lieht oder zum Hellen, wie sie bei Daphnien eintreten, kennen wir bis jetzt bei Wirbeltieren nicht. Bei Fischen is~ es mir nieht gelungen, z. B. attf einen starken Liehtreiz hin eine zwangsweise Einstellung der Augen zu erzielen. Aber wir besitzen doch einige Beobachtungen, die naeh Vergndertmg bzw. AussehluB der Helligkeit Augenstellungs~ndertmg herbeiffihren. Ieh will sie hier anffihren, ohne sie irgendwie mit den sog. Phototaxien zu identifizieren. R a u d n i t z 2) entdeekte zuf~llig, dab junge Htmde, die im Dunkei gehalten waren, Augenzittern bekamen. Ich habe den Versueh an Hunden ohne Erfotg naehgemaeht, w o n weft ich die Tiere zu kurze Zeit im DunkeIn lieB. Kaninchen, die geblendet waren, bekamen ~ber trotz langer Versuclidauer keinen Nystagmus. Der Grund ist wohl der, dab diese Tiere fiberhaupt keine optiseh-reflek- torisehe Ab. zeigen.

Jedenfalls erzielte Ohm1) ~) an Hunden wie Katzen den , ,D u n - k e l n y s t a g mus", wie ich ihn nennea m6chte, g a ud n i t z l) hatte vorher gefunden, dal~ Kinder, die in dunkeln Wohnungen sieh a u2halten, in der dunkeln Jahresze.it Augenzittern und Sloasmus nutans bekommen Diese Beobaehtungen sind yon h5ehster Wicht.igkeit ffir die Erkt~rung des Augenzitterns der Bergleu~. Itierhin geh6ren meines Eraehtens auch die Beobaehtungen fiber Augenzittern der Blinden. Ieh wies seinerzeit darauf bin, dab anseheinend alle seit Geburt ocler l~.ngerer Zeit Erbtindeten das bekunnte Augenzueken bekommen. In allen den bisher angeffihrten t0~ilen Ifihrt also der AussehluB oder die Herabsetzung des Sehens dureh Verdunkelung zu einem Augenzittern. Uns interessiert hier nur die Frage, hut das Licht eine direkte Einwirkung }~uf die Augenmuskeln oder t ra t das Zittern nur auf, weft das Sehen unmSglieh gemacht oder stark gest6rt war, indem nicht mehr fixiert werden konnte. Wir wollert hier trennen: den direkten EinfluB des Lichtes auf die Augenmuskeln, abgesehen davon ob fixiert wird oder nicht, und die dutch Lieht erm6g- liehte Fixation. Mein Versuch an geblendeten Kaniuchen, bei denen trotz Aussehaltens des Sehens kein Nyst.agmus attftrat, kann die Frage nicht 15sere Kaninchen sind ja zwar Tiere, die keirm optiseh-refiekto- risehenAb.haben, undinsofern k6nnte man schlieBen, nur Tiere mit aktivem

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Sehen (Fixieren) bekommen Dunkelnysta, gmus, also sei das Aussehalten der Fixation die Hauptsache. Denn Hunde, Katzen, Menschen (Blinde), die sonst aktlv fixieren, bekamen ja in der Dunkelheit Nystagmus. Der Sehlu!~ ist abet nicht sicher, denn erstens hatte ich meine Kaninchen nur geblendet, ferner bildet das Kaninchen mit anderen Nagern durehaus eine Gruppe ftir slob, wie wir naehher sehen werden, der Einflui~ des Liehtes kSnnte hier auch ein anderer sein, wie bei allen anderen S~tugern. Besonders spreehen aber gewisse Beobachtungen am Menschen dafar, dab nicht allein die Ausschaltung der Fixation den Dunkelnystagmus hervorruft. Zungchst kSnnen ja die Bergleute alle auch bei der herab- gesetzten Beleuchtung fixieren. Es ist such nicht die Herabsetzung der Beleuehtung allein, wie die Literatur lehrt, sondern vielleieht tiberhaupt der Wechsel in der Helligkeit, der das Augenzittern der Bergleute zeit- weise veranlaBt. Schon t t e w e l l y n (dem sich Ohm ~) anschlieBt) fahrt die grSBeren Erkrankungsziffern des Zitterns der Bergleute im Winter an/ die Abwesenheit des Sonnenliehtes zurtiek. (Zitiert bei Ohm1). Ohm konnte direkt an Knrven den EinfluB der Helligkeitsver'~nderung bei feststehendem Kopf unabh~ngig veto Fixieren priifen. Die Zuckungs- dauer (-zahl) ist im Hellen geringer (grSlier) als im Dunkeln. Die geak- tion der Zuckungsdauer an/ Beleuehtungsanderung erfotgt ziemlieh schnell. Nach D r a n s a r t (s. Ohm ~) 15st sowohl Dunkelheit wie starkes Licht den Anfall aus. Ohm hglt aIlerdings den Dransar t schen Ver- such nieht ftir eindeutig,, da Kopf- und KSrperbewegungen mit hinein- spielen. Auch meint Oh m, es sei auffallend, dab zwei entgegengesetzte Dinge, wie Hell und Dunkel, denselben Effekt hervorrnfen sollten. Dies fahrt uns zu der Frage, ist es wirklich das Licht oder Dunkel als solches, welches die Veranderung des Augenzitterns der Berglente hervorruft, oder ist es nicht einfach die Zustands~nderung, die psychologiseh auf das Zittern einwirkt. Dann kSnnte nattirlich sowohl Hell wie Dunkel denselben Effekt hervorrufen. Um diese ~rage zu 15sen, mtiBte man Kur%n des Zitterns aufnehmen bei anderen Zustands~nderungen, z. B. bei starken Gergusehen, Stiehen in die Hant, geistiger T~tigkeit (LSsen yon Rechenaufgaben new.). Im groften und ganzen sprechen die Be- wegungen an BergIeuten dafar, dab irgendein hemmender Einflul3 durch Herabsetzung der Beleuehtung ausfitllt. Vielleicht tibt das Lieht direkt einen tonisierenden EinfluB auf die Augenmuskeln aus. An Wirbel- tieren liegen dari~ber, soviel ich sehe, noch keine experimentellen Unter- suchungen vor. Solehe maBten an Tieren, die spontan oder wenigstens optiseh reflektoriseh bewegbare Augen haben, angestellt werden; also nicht an Kaninchen, die ganzlich ungeeignet daffir sind. Far solehen tonisierenden Einflufl des Lichtes spreehen gewisse Beobachtungen tiber den EinfluB des Beleueh~ungswechsels bei einseitJger Amblyopie des Menschen. Bielschowsky~) beschgftigte sieh zuerst systematisch mit

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dieser Frage. Einige Autoren (Lewinsohn, Arndt, Freund, Gr imsda l e und L o h m a n n ) hatten schon vorher :F~lle beschrieben, in denen, wie sie meinten, eine Mitbewegung des Auges mit den Licht- reflexen der Pupille einhergeht. B i e l s e h o w s k y weist diese Erklarung meines Erachtens mit Recht zurfiek. B i e l s e h o w s k y stellte genauer folgendes lest; Ist ein Auge amblyopisch, so macht dieses wahrend das gutsehende fixiert, Vertikalbewegungen, die unbewul~t und unwfllkfir]ich sind. Diese kSnnen nun gesetzmal~ig beeinflut3t werden, und zwar so: ,,Verdeekt oder verdunkelt man das amblyopische Auge, so geht es in der Regel naeh oben, verbleibt so eine Weile, ehe von neuem kleine Vertikalbewegungen beginnen. LaBt man das a.mblyopische Auge wieder frei, so erfolgt eine prompte Abwi~rtsbewegung, worauf nach und naeh die frfiheren Vertikalbewegungen einsetzen." Man kann aber aueh dutch HelligkMtsanderungen der Beliehtung des fixierenden Auges :Bewegungen auslSsen. ,,Verdunkelte man das fixierende Auge durch Vorsetzen eines dunke~farbigen Glases, welches nut die fixierte Lich~flamme sichtbar bleiben laBt, so senkt sieh das andere Auge mitunter welt unter die ttorizontale, erheblieh tiefer als es bei seinen gew5hnlichen spontanen Be~egungen zu gelangen pflegt." B i e l s c h o w s k y hat solche Bewe- gungen auch an' kleinen phthisisehen Stiimpfen auslSsen kSnnen, tiler kommt also lediglich :Beleuchtungsiinderung des einen Auges ohne Fixa- tionsanderung in Betracht. Die Erklarm]g dieses Phi~nomens ist meines Er~chtens noch nicht gelungen, aueh B i e l s c h o w s k y s Erklarung arbeitet mit vie]en Unbekannten. Sicher ist meines Eraehtens nut der Einfluf~ der Hetligkeitsanderung, der allein Augenstellungsveranderungen auslSst. Es mii2te noch gepriift werden, ob bestimmte homogene Liehter das Maximum der Wirknng daistel]en. Die Helligkeit seheint in irgend- einer Weise auf den Tonus der Muskeln zu wirken, tonusvermindernd, bzw. tonuserh5hend. Welche Krafte au~ ein yon der Fixation ausge- schMtetes Auge wirken kSnnen, interessiert uns hier nieht direkt, es sind darunter die Faktoren, die wir im Verlaufe dieses Aufsatzes erSrtern. Wie gesagt, es mfil~ten noeh Tierexperin~ente fiber eine tonisierende ~Vir- kung des Liehtes auf dig Augenmusl~eln angeste]lt werden. Uber die Bahn, die ein solcher Lichttonus benutzen kSnnte, sind wit noch nicht genau unterriehtet, es k~.men vielleieht dieselben in Betracht, die fiir den nun zu besprechenden OlOtischen Nystagmus gfiltig sind.

b. Op t i sche r N y s t a g m u s .

Wiihrend aus all den eben erwiihnten Be.obaehtungen hSehstens mit aller Vorsicht die Vermutung ausgesprochen werden kann, dM3 ein Helligkeitstonus der Augenmuskeln existiert, kommen fiir diesen Teil der Photoophthalmostatik, d. h. ffir den optischen Nystagmus Seh - eindrficke in Betraeht. Wir kSnnen bier yon einer s enso r i s chen

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P h o t o o p h t h a l m o s t a t i k sprechen (s. u.). Sinneseindrticke, die durch die Netzhaut aufgenommen werden, bewirken unwillkiirlich und gewissermal~en zwangsmafig Ab. Den optischer, Nystagmus findet man schon bei niederen Tieren (Wirbellosen), wenn man die Tiere an Objekten vorbeibewegt, oder eine Reihe yon Objekten an den Tieren. Man mu$ deshalb ja, wenn man den vestibularen INystagmus rein priifen will, das Gesichtsfeld mitdrehen. Wirbeltiere wie Reptilien und V5gel zeigen den optisehen Nystagmus deutlieh, bei Fischen habe ich ihn mangels geeigneter Anordnungen noch nieht priifen kSnnen. Ein Tier, das ihn ganz vermissen Ii~Bt, ist das Kaninchen. Der Menseh bekommt ihn bekanntlieh sehr deutlieh, wenn er wi~hrend der Eisenbahnfahrt aus dem Fenster oder wghrend einer Schiffsfahrt anf die benaehbarte Wasser- flgehe sehant, oder auch wenn er an einem Lattenzaun vorbeigeht, naeh dem er sieht. Man kann ihn mfihsam unterdriieken, wenn man sich vor- nimmt., nicht zu fixieren; also ein psychischer Akt kann ihn hemmen. Im fibrigen erfolgt er bei jedem un~dtlkiirlieh unbewuBt und zwangs- Igufig horizontal oder vertikal je naeh der Richtung, in der sieh die Ob- jekte an den Augen vorbeibewegen. Aueh bei Idioten kormte ich ihn leicht nachweisen, indem ich parallele Papierstreifen mit par~llelen Striehen an ihren Augen vorbeiffihrte. Es erfolgte jedesmal optiseher Nystagmus in der Richtung der Bewegung des Papierstrei~ens. Dagegen gelang mir dies nieht bei ~qeugeborenen in den ersten Tagen. Man miiBte einmal untersuchen, wann er bei diesen auftritt, ob dies mit sonstigen Zeichen der Fixation zusammentrifft. Er entsteht ja dadurch, dab das Auge unbewuBt das Bild eines bewegenden Gegenstandes anf der Stelle des seha.rfsten Sehens festzuhalten sueht, bis das Ob]ekt entschwindet. Mit dem bewuBten Sehen (mit dem GroBhirn beim Menschen) hat aber diese optiseh reflektorische Bewegung as seheinend nichts zu tun, worauf ja die Beobaehtung an niederen Tieren hinweist. So wird aueh seine Bahn hSchstwahrscheinlieh sehr kurz verlaufen, wahrseheinlich direkt Optieus - - primgre Ganglien -- Augenmuskelkerne. Es ist im Sirme E d i n g e r s ein pa l i~eneephaler Re f l ex , der im U r h i r n abli~uft. Vorli~nfig kennen wir die Bahn noch nieht in ihren Einzelheiten genau, Wal len- b e rg hat sie aneiner eingngigen Forelle verfolgt. Von den iibrigen Verte- braten wissen wir fiber diese kfirzeste optiseh-reflektorisehe Bahn noch wenig Genaues. Hier wird die vergleiehende Beobachtung des optischen Nystagmus bei versehiedenen Tieren mit entspreehenden experimentellen Ausschaltungen bestimmter Hirnteile niederer Vertebraten uns gewiB welter bringen. Beim Mensehen kSnnen wir nur vermuten, dab die Bahn fiir den optisehen:Nystagmus auch via Opticus-- primate Gangtien (4 Hiigel)-- Augenmuskelkerne, verl~nft. Man kann wie gesagt, die Be- wegungen der Aug~pfel bei m optisehen Nystagmus nicht zu den Photo- taxien reehnen, wie die Augenbewegungen der Daphnien zum Lieht. Nieht

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nur die Helligkeitsunterschiede (auch wenn man mit ~bweehselnd hellen und schwaxzen Streifen die Bewegung hervorrtff~) fiLhren die Ab. des optischen ~N~sta, gmus herbei, sondern gush der Eindruek der Form spie.lt hier mit, ganz abgesehen davon, daI~ ein Wechsel der Gesiehts- eindriicke hier Bewegungen hervorruft? wihrend bei der Daphnie Hellig- keit eine Dauereinstellung veranlaBt. Beim optisehen Nystagmus kann bach die Einstellung unterbrochen werden durch Ablenkung innerer oder gni~erer Art, wihrenddie Einstellung des Daphnienauges dauernd zw~ngs- m~l~ig ist. K i ihn trennt deswegen mi~ ]~echt die Ab. beim optisehen Nystagmns yon der tropotaktisehen Lichteinstellung. Da beim o p - tisehen Nystagmus der Reiz, d. h. das Bild des gesehenen Objekts auf einer bestimmten'Stelle der Netzhant festgehMten wird, solange eseben geht, so nennt Ki ihn diese 0rientierungsreaktionen M e n o t a x i e n (yon/~{rstv bleiben, verharren). D~s ist ein sehr allgemeiner Ausdruck, der sc~diel3ilch auf Mle D~uerre~ktionen z. B. smf d~s Verh~rren in einer phototaktischeri Augenstellung wie bei der Daphnie, sogar noch besser

pal3~ wie auf das stets unterbroehene Festhalten des optisehen Nystag- mus. Ich glaube, er ist nieht glficklichgewihlt. Man kSnnte vielleieht, wenn man iiberhaupt Registrierworte haben will, bei deni optisehen Nystagmus yon O p t o t a x i e n spreehen. Das Wort ,,Opto" soll die Beziehung zu einem Seheindruck festlegen, im Geger, sat:z zur Phototaxie, und das ansehlieBende Wort ,,Taxie" soll die unter gegebenen Umstgn- den zwangsmgl~ige Bewegung ausddieken. Diese Optotaxien wi~ren dann eine Unterart der Photoophthalmostatik.

Vestibulare Ophthalmostatik.

Uber die vestibularen Ab. ist in den letzten J~hrzehn~en so viel geschrieben worden, dal~ ieh bier nur an der Hand der bisher gefundenen Tatsuchen ~tff einige Probleme eingehen will Zweifeltos kSnnen gewisse Fragen nut dutch Beobuchtungen an Tieren gel6st werden, wie ja auch Mle Grundtatsachen der vestibularen Ab. tierexperimentell festgestellt wurden. Wir wissen, dal~ yore Vestibularapparat aus Ab. in allen Meri- dianen des Auges ausgel6st werden kSnnen, ferner t~ollbewegungen und VertikMverschiebungen der Bulbi. Es unterliegt a.ueh keinem Zweifel, d~i~ stindig ein sicherer Tonus yore Vestibulargppara.t auf die Augen- muskeln ausgefibt wird. Wie Schlaf und N~rkose auf den Tonus wirken, ist noch unbekannt. An Tieren mit seitlichen Augen kann man die verti- kalen Ab. am besten beob~ehten. Bei Tieren mit frontal stehenden Augen wissen wit fiber die Vertikalbewegungen nnr wenig; bis jetzt sind, scheint es, meine Beobaehtungen an einem Mfen, bei dem eine vertikMe Diver- genz nach Acusticusdurchsehneidung auffxat und die Selbs~beobaehtung (vertikal versehobene Doppelbilder bei entzfindlieher Ohrreizung) iso- lier~ geblieben. Im Hinblick auf die vorher erw~thnten Vertik~lbewe-

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gungen, die B i e l s c h o w s k y bei einseitiger Amblyopie beobachtete, w~ren genaue Untersuehungen ~n hSheren Tieren mit frontat stehenden Augen sehr erwanscht. Es ist doeh wahrscheinlich, da$ aueh beim Mensehen un te r gewissen Bedingpngen vom Ohr ausgel6ste vertikale Bulbusverschiebungen ausgelOst werden k6nnen. Auch Oh ms an ,,Berg- leuten mit Zittern" beobachtetes H6henschielen ist vielleieht auf vesti- bulare Vergnderungen zurgckzufahren. Ferner mg$te experimentell tier Rolle der Otolithen bei kompensierenden vestibularen Ab. an geeigneten Tieren naehgegangen werden; und zwar kommen hier Fisehe mit ihren groSen Ohrsteinen in Betrgeht. Die einzigen Un~ersuehungen hierfiber hat K u b o vor Jah ren angestellt, ihre Richtigkeit hat sparer 1~ uy s c h bestritten. Die Rolte der Otolithen wird gewShnlich bei tier Er6rterung der vestibularen Ab. abergangen, weil man zu wenig dargber wei$ und well sie der experimentellen Beobachtung nieht reeht zug~tnglich sind. Im Gegensatz zu den Bogenggngen, an denen Ewa ld direkt die Wirkung der Lymphe naehweisen konnte. Meines Eraehtens kann man die dauernd kompensatorisehen Ab. die aueh beim Menschen auf Kopf- neigung auftreten, am besten dutch Ver~nderung der Otolithenlage er- kl~ren, die der Schwerkraft eher wie die Cristae ampullares folgen; es k~men evtl. die Hals-Augenreflexe (s. u.) in Betracht. Um hier Klar- heit zu sehaffen, sollten unbedingt die Otolithen an Tieren noeh einmal experimenteK versueht werden.

Bezi~glieh des vestibularen Nystagmus habe ich an Tieren nicht viet Neues beobaehten kSImen. Wir mfissen bei allen Tierbeobaehtungen zwischen aktivem und passivem Nystagmus unterscheiden, d. h. Nystag- mus, der auftr~tt, wenn die Teire spontan den Kopf bewegen, und solehem, wenn der Kopf passiv bewegt, wird. Bei beiden Arten kSnnen wir, wenn wir kein mit drehendes Gesichtsfeld besitzen, n'ie wissen0 ob nicht optischer Nystagmus in Betracht kommt. Nut wenn bei Kopf- bewegung Nystagmus ganz fehlt, kSnnen wir einen mangelnden vsti- bularen 2ffystagmus vermuten, falls nicht spontane aktlve Ab. ihn unter- driieken. Die wenigsten Tiere konnte ieh passivdrehend untersuchen und noeh weniger das 'Gesichtsfeld mitdrehen. Sehr schwer war der vestibulare 2qystagmus bei der Landschildkr5te (Testudo graeca) zu erzeugen, an manehen Exemplaren gar nieht, es erschwerte allerdings die dunkle Iris eine genaue Beobachtung; bei den iibrigen untersuehten SchildkrSten war der Nystagmus reeht lebhaft. Es ist mir bei einigen VSge]n aufgefallen, daft bei ihnen gar kein aktiver Drehnystagmus bei Kopfbewegungen auftrat, z. B. nicht beim Flamingo. Dieser Vogel verdreht seinen Kopf bei ~Tahrungsaufnahme vom Boden oft urn 180 o so daft die obere Schnabelh~lfte unten am Boden sehleift. Ieh habe aber nie bei ihm Ab. gesehen, aueh wenig beim Graupapagei. Die anderen VSgel zeigten fast alle deuttiehen aktiven Drehnystagmus. Beim Strauf~

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konnte ieh, wie ich frfiher schon mitteilte, nur geringe Ab. beim Drehen sehen. Ieh mul~ betonen, dab vielleieht spont~ne Ab. bzw. Fixation den Drehnystagmus unterdrfickten. Dena Tiere ohne solche spontane Ab., wie das Kaninchen, bekommen upter allen Umst~nden beim Drehen des Kopfes Drehnystagraus, einerle~, ob aktiv oder passiv gedreht wird. Einige Tiere kompensieren die Ab. durch Kopfbewegung, sie bekommen erst Augennystagmus, wenn man den Kopf fixiert, z. B. die t~ingelnatter. Der vestibul~re Augennystagmus fehlt der Eule vSllig. D~gegen hat dieses Tier (Syrnium aluco) einen lebhaften Ko pf nystagmus beim Dre- hen. Sehr eigent/imlieh verh~lt es sieh, wenn ma~u ein Ohr ealorisch reizt, bei offenen Augen tritt kein Kopfnystagmus, d~gegen starker Sehwindel ein. Bedeekte ieh dagegen die Augen mit einer Kappe und spritzte kalt ein, so trat ein sehr lebhafter Kopfnyst~gmus r~eh der Gegenseite auf. Dies scheint mir ein Beweis zu sein, wie sehr die Eule dureh Fixation den Kopfnystagmus fiberw~nden kann. Unter den S~ugern sah ieh bei der F ledermaus, selbst bei Lupenbetrachtung keinen Drehnystagmus. ~ber die Augenmuskeln der Flederm~use sehein~ noch nichts bekannt zu sein. Einige Wirbettiere bekamen nur einen aus Retraktionsbewegungen bestehenden Drehnystagmus, yon Fisehen z. B. eine Goldfischart (Carassius aurat~s) und yon S~ugern das Nilpferd (Hippopotamus). Ieh vermute, dug die Form des ,Bulbus (l~nglieh) hierbei mitspielt. Eine Frage des Nystagmus werden wir aueh wohl nut an Tieren 16sen kOnnen, ich meine die viel umstrittene Frage der Aus- 16sung der s chne l l en Phase und des Verlaufs ihrer Bahn. Uber den err der AuslSsung sell sp~ter noch gesprochen werden. Immer wieder mul~ ich iibrigens richtigstellen, dug ich nie behauptet habe, die schnelle Phase entstfinde im Grot~hirn, sondern nut fr~her vermutet habe, sie verliefe fiber das Grol~hirn. Ich betonte aber sohon in meiner ersten Arbeit, dab sie bei niederen Tieren natfirlieh nieht fiber das GroBhirn verlaufen kSnnte. DaB dies nicht fur das Kaninchen zutrifft, zeigten B a u e r und Leidler . Den Autoren ist wohl entgangen, da$, wie auch ieh erst jetzt land, sehen K o r a n y i und Loeb ~_hnliehes feststellten. Diese beiden Forscher trugen vordere Teile des Grol3hirns beim Ka- ninehen ab und bemerkten keine Abnormitaten des Nystagmus, hSehsten bei einseitiger Abtragung st~rkeren Naehnystagmus naeh dieser Seite, also sie konstatierten aueh sehon die yon B a u e r und Le id le r sparer beobaehtete ~[berempfindliehkeit. Waren gro[]e Stfieke des Hinter- hauptlappens exstirpiert, so traten die oben erwahnten Erseheinungen deutlieh konstant auf. Man kann nun diese Ergebnisse am Kaninehen sicher nieht ohne weiteres auf den Mensehen fibertragen, da gerade das K~ninchen eine Ausn~hmestellung in bezug auf Ab. einnimmt, ~de ich schon mehrfaeh erw~hnte. Ieh glaube allerdings jetzt auf Grund be- stimmter Uberlegungen, dal~ wahrseheinlieh aueh beim Mensehen die

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sehnelle Phase ohne Gro{~hirn zustande kommt, es ist dies ja wohl ein pal~eneephaler Reflex des Urhirns bei allen Wirbel~ieren. Zu er- kl~ren ist abet noeh, weshalb die sehnelle Phase (auch beim Kaninehen) in Narkose zuerst ausf~llt und weshalb sie bei TiefblSden und Frtih- geburten fehlt, w~hrend die langsame Phase vorhanden ist. Die Bahn der schnellen Phase hoffe ich durch Durchschneidungsversuehe an Fischen umgrenzen zu kSnnen. Vergleichend anatomisch miil3te man speziell das Nervensystem von R a j a und T o r p e d o untersuchen, wenn ihnen wirklieh, was nachzuprfifen w~re, die schnelle Phase des Nystagmus fehl~, wie K u b o behauptete Is. Barrels1)] . Haben wir in in dem relativ einfachen Fisehgehirn die Bahnen fiir die vestibularen Ab. festgestellt, so k6nnen wir eher daran denken, bei hSheren Verte- braten in dem komplizierteren Zentralnervensystem uns Klarheit zu ver- sehaffen. Bis jetzt haben nnr wenige, unter anderem L e i d l e r ver- gleiehend physiologiseh und anatomisch experimentell beim Kaninchen eine genauere Lokalisation der verschiedenen Nystagmusarten versuch~. L e i d l e r land bei Verletzungen oral veto Abducenskern Ny. v~ertiealis kombiniert mit Ny. rotatorius nach vorn. Bei eaudalen Verletzungen des Faseiculus longitudinalis erhielt Ny. horizontatis mit rotatorius naeh hinten. L e i d l e r studierte ~ueh genauer die Endst~tten des Vestibularis beim Kaninehen. Wir kSnnen hierauf nieht naher eingehen. Als ieh vergleiehende experimentelle Untersuchungen bei VSgeln iiber vesti- bulare Ab. anstellen wollte, und die Gehirnanatomie studierte, kon- statierte ich bald, dal~ die anatomisehen Verhgltnisse hier noch wenig geklgrt sind. Eine genauere mikroskopisehe Untersuehung verschiedener VSgelgehirne zeigte mir da~nn, dal~ im Ban des D e i t e r s s y s t e m s g~nz aul3erordentliche Unterschiede bestehen, z. B. zwischen Singv6geln und RaubvSgeln, so groin, dal] man an ihren eigenartigen Deiterskernen allein die Arten auseinander halten kSnnte (die Untersuchungen werden noeh verSffenthcht). Was wir dem Deiterskern zureehnen soUen, ist noeh einigermal3en sieher wegen der eharakteristisehen Zellen. Sehr schwierig is~ ~ber die Homologie des B e e h t e r e w s c h e n K e r n e s fest- zustellen. Das was Caj al 1) u. 8) daftir ansprieht, seheint mir nicht dem B e e h t e r e w der S~uger zu entspreehen. Uber die Verbindung der D ei t e r s - B e e h t e r e wsehen Kerne mi~ den Augenmuskelkernen wissen wit ~berhaup~ noch nicht viel Sicheres fin einzelnen. Ieh erwghnte schon die Untersuchungen B e e e a r i s an Forelten. Bei VSgeln hat allein W a l l e n b e r g 1) u. 8) an der Taube Einzelheiten angegeben. Er will die Resultate aber nieht ohne weiteres auf dig Sguger oder gar anf den Mensehen tibertragen. Erst wenn wir hier die Anatomie etwas sicherer festgestellt haben, kSnnen wir ~ueh experimentell physiologiseh dig vestibularen Ab. bei Vertetzungen best.immter Gegenden erforsehem Bei gewissen VSgeln ist dies vieUeieht um so gtinstiger, da hier der

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Deiterskern in viele festumsehriebene einzelne Teiie zerf~tI~. Wir mfissen be~ Mlen diesen Untersuehungen stets bedenken, dab bei Tieren mit seitlieh stehenden Augen andere nervSse Verknfipflxngen statthaben mfissen, wie bei Tieren mit frontal stehenden Augen. Bei seitlich ste- henden Augen werden beim Rollen der Bulbi stets gMehnamige Obliqni inuerviert; bei frontal stehenden stets auf einem Auge ein Obliquus superior auf dem anderen ein Obliquus inferior. Es ist also ira ersten Fatle eine Verbindung des Vestibularis mit dem Oeulomotorius in Aktion ge- treten beim Rotlen der Augen, im zweiten Falle eine Verbindung des Vestibularis mit Oculomotorius und Trochlearis. Ich komme am Sehlusse meiner Arbeit auf die Bahnen im allgemeinen noch zu sprechen. Die Untersuchungen Mar ina s , der die festen Bahnen zum Teil an- zweifelt, wurden oben er6rtert. B a r a n y s) hat ffir das Kaninehen, 0 h m 3) fiir den Mensehen mit vieler Miihe ein Schema der Verknfipfung der einzelnen Bogeng~nge mit den Augenmuskeln aufgestellt. Ieh meine, die aufgewandte Miihe des Theoretisierens lohnt rich kaum. Diese Fragen miiBten, fails sie iiberhaupt lSsbar rind, tierexperimentell er- forscht werden, in der Weise wie Lee und K u b o es an Fisehen ausifihr- ten, aber mit zum Tell widersprechendem'Resultat [s. die Ausffihrung und Besprechung in meiner Arbeit, ]~artelsl)]. Am besten wi~re es, wenn man die einzelnen Muskeln dabei Kurven sehreiben liel3e. Uber die vestibularen GroBhirnbahnen in der Tierreihe, die wie Wall e n b e r g 1) hervorhebt, beim Mensehen theoretiseh zu fordern rind, wissen wir niehts Anatomisehes. Aueh dieses Problem l~gt rich vielleieht am Tiere experimentell lSsen.

Die peripher sensible 0phthalmostatik.

a) Die Hal~s- A u g e n b e w e g u n g e n .

In neuester Zeit haben wir einen sehr merkwfirdigen EinfluB sen- sibler peripherer Reizung auf die Augenmuskeln keimengelernt. Da- wohl nieht sehr viele Faehgenossen meiner Erfahrung naeh davon'wissen (in den Lehrbiiehern steht noeh niehts davon), so will ieh die geringe bisherige Literatur ausfiihrtich bringen und dabei meflne spgrlichen Naehpriifungen anffihren. Es handett rich kurz gesagt um Beeinflussung der Augenstetlung dutch Reizung sensibler Halsnerven. Hess erwi~hnt in seiner vergleiehenden Physiologie kurz die folgende Beobaehtung L y o n s , die ich ausfiihrlich wiedergebe.

Experimente hatten L y o n 1899 gelehrt, dab kompensatorisehe Ab. bei Wirbeltieren bestehen bleiben, denen beide Optici und beide H6rnerven durchschnitten rind (was iibrigens B e t h e an Wirbellosen sehon feststellte, s. u.), z. B. beim Glatthai, Hundshai Mustelus canis, doch waren sie sehw~cher als normal. Bei verschiedenen Exemplaren warenes nicht immer die gleichen KSrperbewegungen, die hauptsiiehlieh

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Ab. aust6sten, bei dem einen mehr bei Drehung um eine dorsozentraie Aehse, beim anderen um eine transversale Aehse. Manehe Tiere zeigten keine kompensa~orisehen Ab. Wenn sie auftraten, waren sie nieht meehaniseh bedingg, denn beim toten Tier zeigten sie s~eh nie. Bei einem so operierten tIai tra~ bei Rollung um eine transversMe Aehse (KopI oben bzw. unten) regelm~gig elne kompensatorisehe Ab. a uf, jedoch keine Rotlung, sondern die Augen traten z. B. bei Kopf unten mehr naeh vorn, so dag hinten das WeiBe mehr siehtbar war. Es fehlte also die kompensatorisehe Rollung und es trat eine entgegengesetzte Kompen- sationsbewegung wie beim normalen Fisch, der, wie L y o n sehreibt, bei Kopf unten das Auge rollt und das WeiBe mehr vorn siehtbar zeigt. Das operierte Tier bewegte, das ist ffir uns yon Wichtigkeit (s. u.), spontan seine Augen und schien eine ebenso gute MuskelkontrolIe tiber sie zu haben wie ein unverletzter Fisch. L yo n hat damMs keine weitere Er- kl~rung ffir diese Ab. gehabt. Nun land er spgter zuf~llig, als er Fisehe, deren Kopf fixiert war, beim Vorbereiten zur Operation bog, dag sieh die Augen so prompt wie Kompagnadeln mitbewegten, und zwar regel- m~Big das Auge der Konkavseite des Tieres stirnw~rts, das Auge auf der konvexenSeite rfiekw~rts, und zwar dauernd. Die Ab. traten nut oder hauptsgehlieh nur beim Biegen des vorderen Rfiekenendes ein, aueh bei Tieren mit durehsehnittenem Aeustieus und Optieus. Er beob- aehtete die Ab. nur bei seitliehen Biegungen, dann bei allen ~Ssehen. Durehsehnitt er beim tIai das :Rfiekenmark 2 Zoll na.ch hinten yon der Medulla, so versehwanden diese Ab. Es ist also ein Reflex, ftir den das Rt~ekenmark dtr afferente Weg ist. Die Seitenorgane k6nnen dafttr seiner Meinung naeh nieht in ]3etraeht kommen, da sit ihre Nerven von der Medulla erhalten. L y o n stellte somit lest, dag kompensatorisehe Ab. existieren unabhgngig yon Gesiehtseindrileken und unabhangig vom Gleiehgewiehtsorgan des iImertn Ohres.

Ieh habe diese Beobaehtung L y o n s an den Fisehen, die ieh unter- suchte, durehaus bestgtigen k6nnen. Die Angen bewegen sich in der Tat mit, als wenn sie mit einer fest'en Steuerung mit dem X6rper verbunden wiiren.

B a r a n y ~) stellte dann 1907 Vtrsuehe an Kaninehen an, bei denen der Kopf jeweils in einer bestimmten Stellung fix~ert war. Fixierte er den Xopf in NormMstellung, d. h. mit horizontaler Lidspalte, so stellten sieh bei Drehung des K6rpers'naeh reeht,s die Augen ruekweise in der Drehxiehtung tin (bei 90 ° Drehung 1--3 Rueke), nach Aussehaltung des Sehens war das Ergetmis gleieh. Bei Fixierung des Kopfes naeh hinten (90 °) traten nur selten Ab. auf. Ahnlieh wie L y o n bei Tieren, so land B a r a n y aueh bei Kaninehen beim Heben mad Senken des K6rpers wohl Ab., aber keine Rollungen. Auf weitere Einzelheiten bei versehiedenen Kopfstellungen wollen wir hier nieht eingehen, nut noeh

v. Graefes Archiv fiir Oph~halmologie. Bd. 101. 21

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erw~hnen, dab in Narkose zuerst der Kbrperdrehreflex und dann der Bogengangreflex sehwand. B a r a n y erwi~hnt im Zusammenhang mit diesen Experimenten die yon Ewald angeregten Versuehe S t e p h e n - sons an Hunden, bei denen naeh Wendung des Kopfes nach einer Seite die Augen in entgegengesetzter Riehtung gewendet werden und stehen bleiben; letzteres kbnne wohl, wie B a r a n y mit Reeht hervorhebt, nicht mit Labyrinthreizung allein in Zusammenhang gebraeht werden.

Baran~y vermutet, dal3 bei seinen Kaninehenversuehen sensible Reize, die yon einer Drehung der Halsmuskeln ausgehen, auf die Augen- stellung wirken. Exakt wurden die Verhi~ltnisse von de K l e y n ~) unter- sucht, ebenfal]s an Kaninchen. Gegen die erwi~hnten Versuche yon B a r a n y wandte d e K1 e y n mit Recht ein, dal] man nicht scharf zwischen Labyrinth- und Halsreflex d~bei unterseheiden kbnnte. Wenn man den Kopf bei intaktem Labyrinth in verschiedener Lage fixiert und nun die Halsaugenreflexe prfife, so kbnne der Labyrinthreflex zum Halsreflex hinzukommen. De K l e y n experimentierte deshalb mit Recht an Kaninchen, denen beiderseits das Labyrinth entfernt war. Das Ergebnis war folgendes:

a) Nach beiderseitiger Labyrinthentfernung iibt die Stellung des Kopfes im Raume keinen EinfluI3 auf die tonischen Halsreflexe aus.

b) Fiir alle Stellungen des Kopfes im Raume (Genaueres s. im Orig.) trifft folgendes zu: i . Dreht man den Rumpf um seine dorsoventrale Aehse, so treten Ab. in der Riehtung der Lidspalte auf in der Drehrieh- tung des ~Rumpfes. 2. Dreht man den Rumpf um seine frontale Achse, so entsteht eine Rollung der Augen; bei Ann~herung an das Hinterhaupt wandert der obere Augenpol naeh der Nase zu, bei Drehung gegen den Kiefer wandert der Pol in der Riehtung des Ohres. 3. Dreht man den Rumpf um seine L~ngsaehse, so treten Vertikalbewegungen des Auges auf; das Auge, naeh dem der Riicken des Tieres gedreht wird, geht naeh unten, das andere nach oben. Dieselben Reflexe treten natiirlieh auf, wenn man nicht den Rumpf gegen den Kopf, sondern den Kopf gegen den Rumpf beweg~. Die Ab. erfolgen dann also, wie ieh im Hinbliek auf spi~tere Erbrterungen hervorheben m6chte, gegen die Kopfdrehrichtung. Wie de K l e y n schon betont, versti~rken sich nach dem Gesagten die Ha]s- und Labyrinthreflexe gegenseitig; alle beide suchen die Augen- stellung im Raume bei Kopfbewegungen festzuhalten. Zweimal dfireh- sehnitt dann de K l e y n an labyrinthlosen Kaninchen die ersten und zweiten Cervicalnerven. Bei dem ersten Experiment blieben flit mehrere Tage noch Spuren der Halsaugenreflexe erha.lten. Bei der anatomisehen Untersuchung stellte er lest,, dab die Durehsehneidung der distMsten Fasern des Cerviealis 1 nieht vbllig war. Bei dem zweiten Experiment fielen naeh der Durchsehneidung von Cervie~lis 1 und 2 alle Halsaugen- bewegungen a~us. Dureh diese wertvotlen Experimente de K l e y n s

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ist nun ffir das Kaninchen ein Reflexweg auf den Bahnen der ersten und zweiten Cervicalnerven sehr wahrscheinlich. Wie L y o n s Durchsehnei- dung an Fischen be~es, geht der Reflexweg yon da welter dutch das l~iickenmark zur Medulla, Genaueres m~i~te noch experimentell fest- gesteltt werden, auch ob diese afferente Bahn schlie•lich zum hinteren Langsbiindel geht dureh den Traetus spine cerebellaris, yon dem sie vielleicht zum De iterskern abzweigt, und zwar dem Tell des Deiters, der ffir die Ab. in Betr~cht kommt; Ierner ob sich im Cervicalm~rk ein besonderes Zentrum befindet (nach Art des Centrum ciliospinale), de Kle y n sprieht sehon st~ndig yon tonisehen Halsreflexen auf die Augen. Wir miissen auf Grund der mitgeteilten Versuche auch einen Tor~us an- nehmen.. Die Augen stellen sieh ja auch bei Reizung dieser Halsnerven dauernd kompensatoriseh ein. Es fragt sich nur, weleher Art der Reiz ist, der die sensiblen Endigungen dauernd erregt, etwa wie die Otolithen, die HSrh~rehen infolge der Sohwerkraft reizen. Ist es eine Musl~elver- ~nderung oder, was leichter zu denken w~.re, ein dauernder ver~nderter Druck in irgendwelohen Gelenken der Halswirbels~ule. Auch das w~re experimentell anzufassen, man kSnnte vielleieht auch die Cervical- nerven direkt reizen oder teilweise durchschneiden. Immerhin ist durch de K t e y n bewiesen, dad sensible Erregungen Ab. hervorrufen. Die Bewegungea wiirden in das Gebiet hineingrenzen, das die Zoologen unter T h i g m o t a x i e n registrieren, d. h. Bewegungen auf Berfihrung hin. Ioh habe, wie gesagt, an Fisehen L y o n s Beobaehtungen best~tigen kSnnen, an Kaninehen kann jeder leieht sieh yon der Existenz fiberzeugen, ieh land sie auch beim Meersehweinehen. Zur Untersuehung bei anderen Saugern fehlte mir bisher die Gelegenheit. Auff~lligerweise konnte ieh sie an VSgeln noch ni.cht mit Sieherheit nachweisen, ich untersuehte Ente, Gans, Grasmficke, Amsel. Es fragt sich, ob hier der verh~ltnis- m~l~ig lange l~ewegliche Itats "m Betracht kommt, oder ob Spontan- bewegungen, die die V5gel bei fixiertem Kopf (anseheinend ~ngstlibh, wean man den Ausdruck anwenden darf) leioht machen, die Halsaugen- bewegungen fiberdecken. Ex~ktere Experimente mfissen hier auf- kl~ren. In einer fr~heren Arbeit erw~hnte ich 1) auch die Versuche yon Be the an Krebsen. Dieser Forscher sah bei Carcinus maenas auch nach Zerst5rung beider statischen Apparate und na~h Blendung beider- seits beim Seitw~rtslaufen noeh Augennystagmus auftreten. Damals bemerkte ieh, dal~ ~dr dies vorl~ufig nieht erklhren kSnnten. Vielleicht beruht aber der Ny. auf sensiblen Reizen, die bei Seitwhrtslaufen auf- treten.

Wie steht es nun mit den peripher-sensiblen Hals-Augenbewegungen beim Mensehen ?

B a r a n y ~) hat neuerdings an l~eugeborenen die Frage studiert. Er land folgendeS: Hglt man ein neugeborenes Kind in horizontaler

-2l*

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Riiekenlage, li~Bt den Kopf fixieren und dreht nun den K6rper um die Li~ngsaehse des Kindes 90 ° naeh tinks, so dab also die linke Sehulter des Kindes naeh abw~rts steht, so wenden sieh beide Augen naeh links und bleiben linksgewendet stehen, so lange Ms die K6rperstellung ein- gehMten wird. Haufig beobaehtet man dabei eineu horizontMen Ny., dessen rasehe Bewegung naeh links sehl~gt. Andere Verar~derungen der K6rperstelluug hatten, soviel ieh sehen konnte, keinen Einfluft auf die Augeustellung. Dreht man den K6rper nieht gentigend, so t r i t t aueh die Augenstelltmgsver~nderung nieht auf. B a r a u y fund sie aueh bei Frtihgeburten vom 7. uud 8. Mouat. Veto 3. Tage naeh der Geburt an konnte er den Reflex nieht mehr naehweisen. Er ffihrt ihn aueh bier .auf Dehnung der ttalsmuskeln zurtiek. Ieh habe diese Beobaehtung B a r a - n y s naehgepriift. Ieh konnte abet aueh bei Neugeborenen, die noeh

n ieh t 3 Tage alt waren, nut in den wenigsten F~llen HMs-Augenbewe- gungen ~ e bei Tieren naehweisen. Den ruckweisen horizontalen Ny- stagmus kann ieh best~tigen. Dagegen behielten selbst die wenige Stunden alten Neugeb.oreneu, die den Reflex zeigten, nieht dauernd die veranderte Augenstellung bei. An einer Frfihgeburt im 7. Monat sah ieh keine ttMsaugenbewegung. Es seheint mir somit tats~chlieh auch beim Mensehen noeh ein Rest dieses wohl pali~encephalen Reflexes naeh- weisbar zu seiu, aber nieht konstant. Eine andere Frage ist die, ob dieser. Reflex nieht doeh dauernd beim erwaehsenen Mensehen noeh seine Wirkung ausiibt, nur verdeekt dutch andersartige Augenbewegungsreize. Dies ist sehr wohl m6glieh. Aneh den sehr vim stitrkeren Ohraugen- reflex sehen wir beim Mensehen jg nut nnter bestimmten Bedingungen, jedenfMls mtissen wir den HMsaugenreflex beim Mensehen in Fallen, w(~ die Fixation ausgesehMtet ist, oder wenn sons) pathologisehe Znsti~nde vorliegen, mit in Betraeht ziehen, um Fehlerquellen zu vermeiden. B a r a n y fiihrt in seiner ersten, diesem .Gegenstand gewidmeten Arbeit Beobadhtnugen auderer Autoren an, aus denen er merkwtirdigerweise damals den Sehluft zog, dab beim Mensehen eine mit der Seitw~rts- wendung des Kopfes zwangsmi~l~ig verbundene Seitwartswendung der Augen nieht existiert, und dag aueh K6rperbewegungen bei festge- haltenem Kopfe Verstellungen der Augen in g.esetzm~Biger Weise nieht auslSsen. Diesen Satz wird er naeh seinen eigenen Untersuchuugen an Neugeborenen uatiirlieh nicht mehr aufrecht erhalten. Abet aueh die von ihm angefiihrten Beobachtungen anderer sind vielleicht doeh auf Halsaugenreflexe zuriiekzufiihren. Er erwahnt A ub e r t , clef behauptete, daft bei Kopfwendung die Augen stets starker gewendet b l e i b e n . Auch S a e h s und WI as se k (zitiert bei B a r a n y) konstatierten bei dem einen yon ihnen Zuriiekbleiben der Augen bei dem st~rkeren Wenden der Augen bei Kopfdrehung. Bei Verdrehung des K6rpers unter dem festgehaltenen Kopfe konstatierten dieselben Autoren eine betrachtliehe

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Aufga.ben der vergleiehenden Physiobgie der Augenbewegtmgen. 317

Unbestimmtheit in der optisehen LokMisation der Medianebene; es f~nd sieh wohl aueh eine Verschiebung des bei Normalstellung erzeugten Naeh- bildes der Medianlinie im Sinne der K6rperdrehung, jedoeh war dieselbe nieht erkennbar abhgngig yon. der GrSGe der K6rperdrehung und yon geringer Bedeutung. Da hierbei eine geizung des Vestibularapparates ausgesehlossen ist, so sind diese naeh B a r a n y zitierten Beobaehtungen der Autoren meines Eraehtens doeh am ehesten mit den nun festgestetl- ten HMsaugenreflexen erkl~rbar. Wir miissen yon mm an, bei alien Ab. des Mensehen, die bei dauernder oder vortibergehender _~nderung der Kopfstellung eintreten, an diese Reflexe denken. Das bezieht sieh aueh meines Erachtens far die I~ollungen der Augen, die bei Seitwirtsneigung des Kopfes zu konstatieren sind, die wir bisher nut auf Labyrinthreize zurt~ckft~hrten. Es fragt sieh aueh, ob pathologisehe Zust~nde, wie das Zitteru der Bergleute auBer dem l~'nflusse der Dunkelheit, des Vesti- bularaploarates und der abnormen Augenmuskelkontraktion nieht auch auf Dauerreize der Halsaugenreflexe zurttckzufiihren sind. Es wird ja vielfach yon den Bergleuten mit starker Kopfbiegung gearbeitet. Viel- leieht sind aueh die Beobaehtungen Ohms i) (S. 132) fiber den EinfluB der Bewegung und Haltung des K6rpers auI das Zittern der Bergleute so zu deuten. Bergleute, die bei ruhiger aufreehter tIaltung weder bei Tageslieht noch im Dunkeln Zittern darbieten, bekommeu naeh Ohm Zittern, wenn man sie schnelle k6rperliche Bewegungen ausfiihren liBt, wie Umdrehen und Biieken, Drehungen des Kopfes, Bewegungen des ganzen K6rpers, starke Senkung des Sehidels in biiekender Haltung usw, Bei den erl~ankten Bergleuten ist wahrscheinlich das ganze Augen- muskeltonussystem im labilen jedenfalls gest6rten Gleiehgewieht, des- hatb geniigt vielleieht ein l~eiz auf die Augenmuskeln, der sieh beim Normalen nicht bemerkbar maeht, eben der tIMsaugenreflex, um das Zittern wieder hervorzurufen. An einer anderen Stelle sprieht Ohm, als er den EinfluB der KSrpertage a~uf das Auge untersuehte, d~von,. dab der Ubergang von einer Lage in die andere zungchst als ,,Ersehiit- terung" wirkt. Komint hierbei hauptsgch~eh aueh eine WirI~ung des Vestibularapparates in Betraeht, so mul3 doch yon jetzt, um Versuchs- fehle~'quel]en auszusehMten, die Beziehung zwisehen Ha.lsnerven mad Augen beriieksiehtigt werden.

b) Die m u s k u l g r e n p r o p r i o e e p t i v e n A u g e n b e w e g u n g e n .

Mehrfaeh habe ieh in friiheren Arbeiten ausgesproehen, dab mOg- tieherweise die sehnelle Phase des Ny. darauf beruhen k6nnte, dab die Kontraktion eines Augenmuskels proprioreflektoriseh die Kontraktion :seines An tagonisten ausl6ste. Co p pez hat sieh dieser Auffassung an- gesehlossen. Ieh will hier uicht weiter auI diesen speziellen Fall ein- gehen. Ich Wilt nut etwihnen, dab ich einmal bei meinen zahlreichen

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318 Martin BarteIs:

Experiraenten auf die mechanisehe Dehnung eines isolierten Augen- rauskels eine nactffolgende Kontraktion des Antagonisten gesehen habe, die nicht mechanisch bedingt war. Doch kann es kein allgemeingiiltiges Gesetz geben, dab Kontraktion eines Augenrauskels naeh einer gewissen Zeit oder Stiixke der Kon*rak~ion eine Gegenkontrak¢ion des An*ago- nisten auslSst. Denn wir kennen ja die dauernden Korapensations- stellungen, die durch vestibuliire oder Halsreflexe ausgelOst werden. Bei diesen wird dutch Kontraktion gewisser Muskeln das Auge in einer bestiramten Position festgehalten, z. B. bei Rollen oder bei Vertikal- dffferenzen des Auges auf Kopfneigen. Hier 16st. also die Kontrak~ion keine Gegenkontraktion aus bei noch so langer Dauer des ~rersuches, es tritt kein Zuriickschnellen des Auges ein, wie es z. B. bei horizontalen Kopfbewegungen der Fall is~. Da ich im Begriff bin, diese Frage ex- perimentell zu studieren, soll hier nut dieses peripher sensiblen Ein- flusses der Augenmuskeln selbst auf ihren eigenen Tonus der Voll- stgndigkeit bather gedacht werden. Beziiglieh der mutmaBlichen Bah- nen dieses Reflexes verweise ieh auf eine friihere Arbeit.

Hier m6chte ich einer eigentiimliehen Ab. gedenken, die Ewa ld an V6geln nachwies. Er schreibt: ,,Nimrat raan eine Taube in die Hand und beriihr~ man ganz leise den oberen Orbitalrand eines il:trer Augen, so ffihlt man yon Zei¢ zu Zeit ein merkwiirdiges kurzes Schwirren, das yon dem Auge ausgeht und sich dera tastenden Finger raitteil~." E w a l d nennt es , ,Augensehwingen" . Er konnte es bei allen untersuehten V6geln nachweisen und hat auch yon der Taube Kurven aufgenoramen, es sind 25--30 Sehwingungen in der Sekunde. Naeh Ewald ~hnelt dieses Augensehwingen dem von ihra friiher untersuehten Kopfsehwingen und ZghneMappern beira Menschen. Es beruht s. E. auf einer gleieh- zeitigen Innervation antagonistischer Augenmuskeln. Der Bulbus mach$ rotatorisehe Bewegungen ura die Sehaehse ira Tempo des Schwin- gens. In Narkose sinkt zungchst die Zahl der einzetnen Sehwingungen, und schlieBtich hSrt es ganz auf. ~ber die Innerva¢ion sind wit noch im unklaren.

Die cerebrocorticale 0phthalmostatik. Wie zuerst Thozer und S h e r r i n g t o n und dann T o p o l a n s k y

nachwiesen, iibt bei vielen hSheren S~ugen~ das Grol~hirn sicher einen st~ndigen tonisierenden Einflu~ auf die Augenrauskeln aus, beim Men- sehen ist~ dieser EinfluB am deutlichsten. Bei ihra Mlein sind auch nach Schgdigung bestirarater GroBhirnteile li~nger dauernde Abweichun- gender Augen beobaehtet. Dieser Tonus bewirkt in ~ihnlicher Weise wie nachgewiesenermaBen der Yestibulartonus so auf die A.ugen, dab yon jeder Seite aus die Augen nach der enggegengesetzten 8eite gewendet werden (siehe Schema). Normalerweise is~ der beiderseitige Tonus ira

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Au/gaben der vergleichenden Physiologie der Augenbewegungen. 319

Gleichgewicht. Bemerkenswert ist, dab bei Tieren yon verschiedenen Teilen der ttirnrinde aus Ab. hervorgerufen werden k6nnen, beim Men- schen wahrscheinlieh nut yore FuB der 2. S~irnwindung aus (Ngheres s. Bar re l s , ~ber cortieMe Augenabweichungen usw. Klin. Monatsbl. f. Ange~daeilk. 62. I919).

Es muB noch untersueht werden, wann in der Wirbel~ierreihe dieser GroBhirntonus auftritt und wie er im einzelnen auf die Augenwendung wirkf, bei Tieren mi~ seitlich stehenden Augen, bei Tieren mi¢ spontan- bewegliehen Augen und bei Tieren, denen die optisehreflektorisehen Ab. fehlen. Wit wissen, dag der Wegfall dieses cortiealen Tonus auf die Erregbarkeit des Vestibularal01oarates in bes~immter Weise wirkt, z. B.

Abb. 1.

auch bei Kaninchen, die keine spontanen Ab., fiberhaupt keine optisch- reflektorischen Ab. haben. Ferner ist noch ganz unbekannt~ welcher Reiz denn diesen GroBhirntonus unterh~lt. Es miissen doch beim Men- schen z. B. dem Full der 2. Stirnwindung st~ndig irgendwelche Reize zufliegen, die eben den Tonus verursachen. Auch diese Frage rnuB vergleichend physiologisch untersucht werden.

Wfl" haben somit 4 verschiedene Reizzufliisse, die auf die Augen- muskeln unbewuBt und unwillkiirlich wirken. ~Vahrscheinlich wirkt die I-Ielligkeib a u f dem o p t i s e h e n g e f l e x w e g e , der Ves t ibu - l a r t o n u s yore L a b y r i n t h e her , der p e r i p h e r - s e n s i b l e T o n u s

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320 ~a~]n Barrels :

v o m I { a t s u n d e v t t , v o n d e n A u g e n m u s k e l n s e lb s t her und zu- l e t z t der G r o B h ' i r n t o n u s s t~nd ig y o n der H i r n r i n d e her au f die A u g e n m u s k e l n e i n (s. Schema). In der Tierreihe ist der EinfluB dieser verschiedenen Tonusreize nach Art und Alter der Tiere sehr ver- schiedell stark. ~ber seine Bahnel~ bestehen zum Tail nur Vermutungen, im einzelnen fahlt noeh sehr vieles. Vielleieht wirken alle vier, zum mindesten der vestibulare Tonus, der peripher-sensible Halstonus und der eerebrocortiaale Tonus auf ein in der Medulla gelegenes Zentrum fiir koordinierte Ab. ein, da alle drei stets konjugierte Ab. hervorrufen (wenn auah evtl. auf einem Auge starker). Vielleicht tiegt dies im De i t e r s -Beeh t e r ewsehen Kerngebiet. Man k6nnt¢ die Tonnswirkung etwa naeh dam Schema in Abb. 1 (S. 319) darstellen:

Aus dam Schema geht ohne weiteres hervor, wie wir mls den Einflul} denken, z.B. yon der linken GroBhirnrinde (Cortex cerebri), vom linken Vestibularalaparat (vestibulum) wie you der linken Halsseite (eotlum) aus wirken stgndige Tonusreize, die die Augen naeh reehts zu wenden suchen (s. Schema). Ihnen wirken gleichstarke yon der reehten Seite entgegen, die die Augen naeh links zu wenden suehen. Ich habe aueh Pfeile an den Optiaus gezeichnet, die auf Reiza in der Richtung nach den Augenmuskelnervenzentren hindeuten. Wenn fibarhaupt ein soleher optiseh-reflektoriseher EinfluB der Helligkeit auf die Augenmuskeln existier$, so ist er wohl allgemein tonisierend auf Mla Augenmuskeln, nieht auf bes~immte koordinierte Gruppen.

Einllull der Fusionstendenz. Da, wie ieh bier sehon bemerken mSchte, alle Wirbeltiere ein, wenn

aueh zum Teit geringes, B~noeutarsehen haben, so wirkt als weiterer AnlaB unwillkiirlieher und unbewuBter Innervatidn der Augenmuskeln die Fusion. Manche Tiere haben nun gar keine bewegliehe Konvergenz, sie bewegen ihre Augen stets konjugiert in gleichmiiBigem Abstande, andere konjugieren deutlich, wie wir nachher sehen werden. Bei letzteren mug doeh wohl unbedingt eine Fusionstendanz angenommen werden, sonst wiirden sie ja keinen Drang zur Konvergenz haben. Im iibrigen kommen wit auf die besonders bei VSgeln so merkwih'dige Aufhebung der Fusion und Benutzung anderer Areae centrales beim monocularen Sehen n0ch zu sprechen. Im einzelnen muB beziigheh der Konvergenz und damit auch der Fusions$endenz sowie ihrer Bahnen noeh erst tier- experimentett die Grundtage geschaffen werden.

Es muB untersucht werden, unter Wvetchen Bedingungen in der Tier- reihe die Fusionstendenz auftritt.

Spontane Augenbewegungen. Der Mensch kann seine Augen willkiirlich und bewuBt bewegen.

Wir spreehen dann yon , , S p g h b e w e g u n g e n " . Ab., die auf Vor-

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Aufgaben der vergleichenden Physiologie der A~genbewegangen. 321

stellungen beruhen, wgren etwa in eine , , p s y o h o g e n e 0 p h t h a l m o - s t a t i k " einzureihen. Es gibt nun eine Menge Ab., die wir popular ,,unwillkiirlieh" nennen, yon denen nicht so ohne weiteres zu sagen ist, ob sie psychogener 1N'atur sind. Ich maine die Ab., die reflektorisch auf Sinnesreize erfolgen, sei es, dal3 ein Gergusch, oder das Aufblitzen eines Lichtes oder eine Beriihrung nns veranlal~t, nnsere Augen nach einer bestimmten Stelle hin zu riehten, we wir den Reiz vermuten. Diese Be- wegungen auf solche Sinneseindriicke (s e n s o r i s c h e 0 p h t h a 1 m o s t a t i k) erfolgen zweifellos sehr h~Lufig unbewugt, wie das tggliehe Leben zeigt. Es fragt sieh aber, wie welt spielen Vorstetlungen und alte Erinnerungs- bilder (alte GehOrs-, Gefiihls- und Gesiehtseindriieke) dabei eine l~olle. Sind es Reflexbewegungen, die zum Tell phylogenetiseh a l t sind und einstmals zwa.ngsmiiBig auf sensorische Eindriieke lain erfolgteti, oder sind sie erst ontogenetisch zu g~tomatischen Ab. geworden: Dariiber k6nnten ntis nur vergleichende Untersuchungen an Tiereti belehren. Es liegt dariiber noch kein 3Iaterial vet. lal dies Gebiet gehSren auch die oben erwghnten Ab. be'ira optischen Nystagmus; sie erfolgen bei niederen Vertebraten sieher, vie]leieht aueh bei uns zwangsm/il~ig. 3Ian miiBte erforsehen, welche Sinnesreize be ibes t immten Tieren Ab. hervorrufen, und kSnnte danti die zugehSrigen Bahnen suehen. Ein Tell der nun zu erSrternden vorlgufig noch als spontan angesprochenen Ab. geh6rt woht in dies Gebiet. Ieh vers~ehe under spontanen Ab., wie erwghnt, alle die Ab., die nicht rein vestibular oder peripher sensibel bedingt sind. Ich will hier nieht auf den Begriff , ,Spontaneitgt" eingeheti, t ro tzdem ich mir der Unkla.rheit des Ausdruekes bewugt bin: Wir h~beti abet zur Zeit keinen andereti Ausdruek, der allgemeinverst~Lndlich das zusammetifal3t, was ieh jetzt atifiihren will. Der Plan ist, die spontanen Ab. zu utitersuehen ztmiichst an Tieren mit einfaetl gebauten Gehirneti, tim so alIm~Lhlich die Bahnen zu finden, die aueh bei hSheren Wirbet- tieren fiir die spontanen Ab. in Betraeht kommnen. Wir k6nnen dabei nicht bei Tieren mit einfaehsten Ab. anfangen, denn solehe Tiere haben zum Tell, wie Z.B. das Katiinehen, dem die spontaneti Ab. fehlen, ein viel komlolizierteres Gehirn, als z. ]3. Fisehe, die mit ihrem relativ einfaehen Gehirn spontane Ab. zeigen. Wit fangen deshalb mit den Fischen an, die sozusagen nu t ein Urhirn ohne GroBhirn besitzen. Bei ihnen miissen die zu den spontanen Ab. gehOrenden Bahnen pali~encephal seiti und sich evtl. bei allen Wirbeltieren im Pal~eticephalon wiederfinden lassen. ~'ber die Sehwierigkeit der Beobachtung spontaner Ab.habe ieh oben sehon gesprochen. Es ist nieht leicht, im Eitizelfall alle vesti- bulitren und pe:dpher-sensiblen Reize auszusehalten, deshalb babe ieh aueh dig mitgeteilteri[]spontanen Ab. stets mehrfach gepriift. Fiir die vergleichend anatomisehe ttirnforsehung sind natiirlieh Wirbeltiere sehr wertvoll, die infolge Rudimentierung der Angen keine Ab. zeigen.

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322 Martin Barrels :

a) Fisehe.

Ab. fehlen bei Myxine, das Auge liegt ifier tier unter der Haut und is't im h6ehsten Grade rudimentiert. Augenmuskeln besitzt er iiber- haupt nieht [Franz~)]. Ibm fehlen die Augenmuskelkerne (van de r Hors¢). Das Auge von Petromyzon lleg~ ebenfalls under der IIaut, hat Augenmusketn, doeh ist noch nicht aufgekl~t, ob sie quergestreift oder glatt sind [Franz~), S. 351]. Die Lage des Oeulomotorius und des Troehleariskernes weichen bei Petromyzon yon tier bei den iibrigen Fischen iibliehen ab (van der Hor s t , S. 234).

A. v. T s e h e r m a k 8) ffihrt als einzige yon ibm beobaehtete Ab. bei Fischen eine sehr eigentiimliche Bewegung an: ,,Ein Fisch l~Bt kurz bevor er eine plOtzliche Bewegung beim Sehwimmen ausfiihrt, fiir einen Moment seine beiden Augen nach der intendierten Bewegungsrichtung

Abb. 2. Abb. • Abb. 4. Abb. 5.

bin zucken (,,als ob sie das Terrain rekognoszieren wollten" Is. Abb. 3]). Ieh kann diese Angabe bestgtigen. Man sieht diese , ,Vorschwimm- bewegung" , wle ieh sie nennen mSchte, nieht bei allen Fischen, deut- lieh ist sie z. B. bei Neetroplus, trod zwar auch, wenn anseheinend weder Kopf noeh Rumpf vorher bewegt sind. Diese Bewegung sieht aus, Wit eine Blickbewegung, sie beruht aber doch wohl auf einem uns bisher nicht bekannten PropTioreflex. Sie ist um so merk~irdiger, als sie der Ab. entgegengese~zt ist, die gesetzm~i~ig bei Bewegung des Kolafes in tier intendierten Bewegungsrichtung auftritt. Denn sehwimmt z. B. der Fiseh nach reehts, so erfolgt kurz vorher eine Ab. nach rechts (s. Abb. 3), aber eine Kopfbewegung naeh reehts 16s~ sowohl vestibular wie peripher-sensibel eine Ab. nach links aus. Urn ni~mlieh nach reehts zu sehwimmen, biegt der Fiseh seinen Schwanz naeh links (s. Abb. 4),

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dem Kopf zu (gegen den Uhrzeiger ~ n oben gesehen), was, wie wit oben auseinanderse~zten, peripher-sensibel eine Ab. in der Bewegungs- richtung des Schwanzes also nach links hervorruft (s. Abb. 4). Ebenso tritt bei Kopfbewegung nach rechts, wie sie beim Schwimmen naeh reehts eintritt, eine kompensatorsiche vestibul~re Ab. ebenfMls nach finks auf (prim~re langsame Phase des Nystagmus, s. Abb. 5). Dieser Widerstreit zwisehen der ¥orschwimmbewegung einerseits und der vestibularen sowie der peripher-sensiblen Ab. andrerseits ist noch nicht zu erkl~ren. Die Vorsehwimmbewegung w~re reflektorJsch zu erklaren, wenn etwa der Fisch, eheer in dem angefiihrten Falle den Schwanz zur Fortbewegung naeh links bewegt, ihn vorher eine kleine noeh nieh~ bemerkbare Bewegung nach rechts (d.h. im Sinne des lYhrzeigers) machen tieBe, gewissermaBen, wie wenn tier Fisch zu der st~rkeren Bewegung mit dem Sehwanze ausholte, dann miiBten die Augen erst nach rechts gehen. Ich babe aber nichts dergleiehen bis jetzt bemerken kOnnen. Eine weitere eigentfimliehe" Bewegung will ieh noch erwahnen, ehe ich auf die eigentlichen spontanen Bliekbewegungen eingehe. Beim Gold- fiseh (Carassius auratus) und der Barbe (Barbus fluviatilis) sieht man, wenn der K6rper stillsteht, pl6tzlieh eine blitzsetmelle beiderseitige Be- wegm]g der Augen naeh unten. Zweck und Ursache sowie die in Betracht kommenden Iqervenbahnen sind noeh ebenso dunkel, wit fiir die Vor- schwimmbewegung. Eine ganze Reihe yon Fisehen fiihren nun (z. B. Neetroplus) unzweife]hafte spontane Ab. aus, wie sehon Beer , Hess und Ziba beschrieben haben. Dies mug ieh im Gegensatz zu Tscher - m a k bestatigen. Wie T s c h e r m a k noeh 1915 schreibt, ,,~ugen" die l~ische nicht, er bezweifelt die Angabe von B e e r und H e s s. Die Spontan- bewegungen, die ieh bemerkte, waren konjugiert. !ch babe die von Beer und Hess beobachteten inkoordinlerten Ab. nieht mit Sieherheit sehen kSnnen. Man miil~te genauer festste]len, welche Fische derartige Be- wegungen ausfiihren kSnnen. Wiihrend die friiheren Untersueher die Fehlerquellen, die dureh Ohraugen- und HMsaugenreflexe verursachb werden, noch nicht kannten und evt]. iibersehen haben konnten, so kann ich jetzt mit Sicherheit sagen, daf~ spontane Ab. aneh bei absoluter l~uhestellung yon Kopf und iibrigem KSrper auftreten. Beim Goldfisch sieht man auch die yon Beer schon erw~hnten Ret~aktionsbewegungen gut. DaB die Fische wirklieh fixieren, babe ieh noeh nicht gesehen. Beer meint, dab die Labriden den Untersueher direk$ ansehen. Der- artiges ist sehr sehwer festzustellen. Jedenfalls ~st es mir hie gelungen, Fische zur Fixation du:cch vorgehaltene KOder oder Lichter zu ver- anlassen, wahrend man V6gel sehr leicht dazu bringen kann. Ob Fische konvergieren k6nnen, ist fraglich. Jedenfalls haben sie auch schon Binokularsehen [A. v. Tsehermakl) ] . Es is$ unsere Aufgabe, durch Aussehaltungsversuche gerade am :Fischhirn genauer den Verlauf der

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324 Martin Barrels :

Bahnen fiir solche spontanen Ab. festzustellen. Diese Untersuchungen solten, .wie oben erwghnt, die Grundtage fiir die Forsehung an kompli- zier~er gebauten Gehirnen bilden. Einige Hinweise fiber die Beziehung zwisehen Augenmuskelkernen. und dem biologischen Verhalten der Fisehe bringt, v a n d e r H o r s t . Er fiihrt z. B. an, dab im Gegensa~z zu den iibrigen Osta, riophysi bei Malepterurus und Silurus der Troeh- learis und OcuJomotoriuskern getrennt sind, weft diese Kerne im Ver- band mit dem sehledhten SehvermSgen der Tiere nur gering entwiekelt seien. Er finder aber aueh unter den Aeanthopterygii einzelne, bei denen dasselbe zutrifft, und bemerkt : ,,Hierfiir k~nn ieh keinen Grund angeben"; bei Esox lucius trifft dasselbe zu. Ebenso fiihrt er bei Silurus den ziem- lich welt kaudalen Aus~ritg des Oeulomo~orius auf das ,,sehleehte Ge- siehtsvermOgen" zuriiek. Er bemerkt andrerseits; dab diem (der kaudale Austritt) bei den Gadidae die Regel sei, ohne dab dies mit einer geringe- ten EntwieMung der Augen in Zusammenhang s~ehen k6nne. Also es existieren hier zahlreiehe Widerspriiehe; ieh verstehe aueh nieht, was der Ausdruek ,,sehleeh~es Gesiehtsverrn6gen" bedeutet. Man miiBte im Sinne unserer Abhandlung ganz genau bestimmen, ob und welche Ab. vorhanden sind. Es kann sin relativ gu~sehendes Auge vorhanden sein, wie wir es gleieh yon der Eule beschreiben werden, das ~ber nieht beveeglieh isL abet man kann da nicht von schleehtem Gesiehtsverm6gen reden, sondern nut yon feMender Bewegliehkei~. Es kSnnbe der Ausfall bes~immter Bewegungen der Augen die Trennung oder Vereinigung der Kerne yon I I I und IV" beeinflussen; so sind z. ]3. unter den Aean~ho- pterygii die von B e e r wegen ihrer Retraktionsbewegungen erw~ihnten Pleuronektiden. Die anatomisch so wertvollen Feststellungen yon v a n d e r Hors~ werde, n entsehieden an VerstSmdnis und Bedeutung ge- winnen, welm sie unter den in dieser Arbeit entwiekel~en Gesieh~spunkten noch einmal im Zusammenhange mit der vergleiehenden Physiologic der Ab. durehgemustert werden.

b) Re p t i l i e n .

Die Reptilien weisen zum Tell lebhafte spontane Ab. auf. Bekanng sind ja die Ab. des Chameleon. Leider konnte ich bis jetzt noch keines untersuchen. H e s s konstatierte aueh unkoordinierte Ab. dieses Tieres. Bemerkenswert ist vielleicht, dal~ es auch den stgrksten Ringwuls t aller Reptilien besitzt (P ii t t e r). Er konnte die yon I:[ a r r i s behaup- fete Konvergenz nicht bes~gtigen. Bei den SchildkrSten linden sieh erhebliehe Untersehiede. So sah ich bei der SumpfschildkrOte (Emys europaea) lebhafte konjugierte wie monokulare vertikMe und horizon- tale Ab., bei der SchnappsehildkISte (Chelydra serpent ina)noeh dent- liehe abet mit geringer Exkursion. Die Halswenderschildkr6te (Sterno- thaerus niger) kann ihre ]3uIbi sehr stark zuriiekziehen unter gleieh-

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Aufgaben der vergleichenden Physiologie der Augenbeweglmgen. 325

zeitigem AugenschluB. Dagegen habe ieh bei der LandsehildkrSte (Testndo graeea) trotz mehrfacher lgngerer Beobaehtung keine spon- tanen Ab. gesehen. Es waren, wie oben erwithnt, aneh die vesti- bularen Ab. bei diesem Tier nur sehwer und unvollkommen zu erzielen. Man muB abet, wie bei allen Tieren, so besonders bei den t~eptilien vorsiehtig sein, ehe man ein Urteil abgibt. Stundenlang bewegen die Tiere kein Auge, und pI6tzlieh bewegen sie es dann lebhaf~.

c) VOgel.

Am wenigsten hat man his jetzt auf die Ab. der VSgel geach~et, so sehr man die dazu gehSrige Augemnnskelnervenkerne nsw. auch dureh- forsehte. Und doch sind gerade die Ab. der V6gel am interessantesten. T s e h e r m a k sehreibt n0eh 1914 yon den VSgeln (was Hess ohne Er- g~nzung wiedergibt), dab sie hSehs~ens ganz kleine spontane Xnderungen ihrer Augensteltung erkennen lassen, soweit sie dem Sehen dienen. Abet auch mit letzterer Einsehrgnkung stimmt diese Meinnng nieht. Ich babe sehon in einer fritheren Arbeit, ohne dab ich die Literatur kannte, dariiber beriehtet. Bei den VSgetn linden wir die grSBten Unterschiede in bezug auf Ab., die iiberhaup~ unter den Wirbeltieren beobachtet sind. Auf der einen Seite stehen VSgel wie M6we und Cormoran mit den ausgedehntesten monoeularen und binoeularen Ab., auf der anderen Seite die Eule, die iiberhaupt ihre Augen nicht bewegen kann. Und zwar handelt es sich bei ihr nieht um rudiment~re Augen, :sondern um wohl umgebildete abet sehtiiehtige Organe. Die Enle besitzt eJn groges, 1/~nglich zylindrisches Teleskopauge, dessert tells verknorpelte, tells knSeherne Sldera der knSehernen OrbitMwand dicht anliegt und dutch seh~" kurze Faserziige lest mit ikr verbunden is~. Das Auge ist nieht nut sehr wenig, wie Hess meint, sondern iiberhaupt nieht bewegtieh, wie tibrigens sehon S o e m m e r i n g genau besehrieben hat. Selbst mit einer Pinzette gelingt es nicht, auch nicht am to*en Tier, irgendwie das Auge zu bewegen (wenigstens nicht bei Bubo bubo, Asio otus, Syrnium aluco, Athene noctua). Dabei besitzt die Eule alle Augennmskeln. Am Oberlid hal sie sogar noch einen akzessorischen Muskel. Ich untersuchte gemeinsam mit Herrn Dr. D e n nle r hier ein groBes U3anauge (Bubo bubo), der Befund wird im Zoologisehen Anzeiger erscheinen. Naeh Art der Anordmmg kSnnen nur der ~ickhautmuskeI (M. quadratus und p3¢ami- datis) die Lidheber und die inneren Angenmuskeln bei der Eule Be- wegungen eines Organes herbeifiihren, d. h. Lid- un8 Nickhaut heben, Iris bewegen usw. Die 4 geraden Muskeln, sowie die Obliqui kSnnen keine Bewegungen des Bulbus hervorrufen, sie entspringen an dem Knochen (Foramen optieum), der der teller~hnlichen hinteren Skleratwand direk~ anliegt, und setzen so an der genannten Flgche an, da$ eine Bewegung des Bulbus, selbst wenn er nicht fixiert wgre, mit Ansnahme einer gerin-

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326 Martin Barrels :

gen Rotation und RoHung gar nieht mSglieh w~tre. Augenscheinlich ist das Eulenauge aus einem Kugelauge entstanden [Franzl)] . Es ist kein verl~ngertes, sondern ein seitlich eingedriiektes Auge. Die Ans~tze der Muskeln sind dabei ganz nach hinten hinter den Drehpunk¢ geraten, die Form des Auges l~Bt aucll die 4 geraden Augenmuskeln nutzlos erseheinen, die Teleskopform des Auges h~tte ja auch nur eine t~e- traktion und wie gesagt eine Rollung gestattet. Man muB sieh wundern, dait an diesem unbeweglichen Augapfel iiberhaupt noch, wenn auch entschieden rudiment~re, aber wohl ausgebildete lVluskeIn ansetzen. Ihre Funktion ist unklar; m. E. kSnnten sie einen ganz geringen Zug auf ~die hintere Skleralwand ausiiben, ob dadureh die Retina mit ver- schoben wird oder der Augendruek verandert, miissen wir dahingeslbellt sein lassen. Gerade bei diesem Tier war das Verhalten der Nervenbahn fiir die Ab., wie ieh friiher sehon hervorhob, so wichtig. Man kann nun feststellen, dab alle Augenmuskelnervenkerne vorhanden sind; iiber den Oeulomotoriuskern, der eharakteristisehe Ver~nderungen aufweist (Mangelhaftigkeit der E d i n g e r - W e s t p h a l s e h e n Kerne usw.), wird Herr Dr. D e n n l e r beriehten. Der Abducenskern ist, wie ieh feststellen konnte, deutlich vorhanden, aber anseheinend sehw~cher als normal entwiekelt. ~ber die Ohraugenbahn der Eule kann ieh ein endgiiltiges Urteil noah nicht abgeben. Es seheint mir nach meinen bisherigen Unter- suchungen, dab die hSheren bzw. sekundaren Bahnen und Kerne fiir Ab. geringer entwickelt sind. Wenigstens war dies fiir die yon mir untersuehlbe B e c h t e r e w - Kerngegend der Fall. Die Arbeit erscheint sparer. Dasselbe k6nnen wir aueh wohl erwarten fiir die Bahn, die sonst bei VSgeln den Spontanbewegungen dienen. Wit wissen nur zu wenig noeh yon diesen Bahnen, um Untersehiede feststellen zu kSnnen. Das hintere L~ngsbiiadel der Eule (Athene noetua) ist nach Ziba relativ sehwaeh entwiekelt. Es ist merkwfirdig, dag die Augenmuskelnervenkerne bei der Eule so gut vor- handen sind, trotzdem schon in einer uniibersehbaren Reihe diese Kerne nieht mehr der Funktion gedient haben k6nnen, wie bei anderen V6geln. Seit fiir uns unbekannten Zeiten konnten die Eulen ihre Augen nieht bewegen, trotzdem existieren bei ihnen die Muskeln und die dazu- geh6rigen Kerne. Die Unbewegliehkeit der Augen der Eule, die noah dazu ein Raubtier ist, ist biologiseh zur Zeit nieht zu deuten; aueh nieht e~wa aus ihrer LebeI~sweise Ms Naehtraubvogel. Denn die untersuehten Eulen benutzten ihre Augen reeht gut. Das sieht man sehon daran, dab sie," um eben ihre Augen benutzen zu k6nnen, die fehlenden Ab. dureh blitzschnelle und ungemein ausgedehnte Kopfbewegungen ersetzen (s. o. bei vestibulgrer Ophthalmostatik). AnBer dem fehlenden Bliek- feld ist aueh das Gesieh~sfeld der Eule kleiner als bei anderen V6geln. Da ihre Augen am meisten frontal stehen yon alien V6geln, reieht das Gesiehtsfeld temporalwgrts viel weniger weit, abgesehen davon, dab auch

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die Retina nieht weir nach vorn geht. Vergleichend hirnanatomisch miil~teh wir eigentlich unbedingt einen Untersehied fiir die Bahnen der Augenmuskeln einer Eule mit ihren unbewegliohen Augen und einer M0we mi~ so sehr ausgedehnten Bewegungen linden. Bis jetzt stand mir leider keine brauehbare Schnittserie 'yon M6wen zur Verfiigung.

DaB man die Augenbewegungen der YSgel bisher iibersehen hat, liegt woh] daran, dab die V6gel zwangsm~Big, b i n o c u l a r sehen und deshalb meist mit dem Kopf eine Einstellung naeh dem zu' fixierenden Objek~ hin ausfiihren, Wenn auch gewi~ alle V6gel (s. unten) ein binoculares Gesiehtsfeld besitzen, so ist dies doch zu wenig ausgedehnt, so dab bei konjugierten Ab. bei ruhiger Kopfhattung die Objekte sehr ]eicht aus diesem tdeinen binocularen Gesichtsfelde verschwinden kann- ten, die Tiere wiirden dann nicht mehr so ausgezeichnet, wie es z. B. die M6we nur infolge des Binocularsehens kann, die Entfernung der zu haschenden Gegenst~nde absch~tzen und mit solcher Treffsicherheit auffangen kSnnen. Daher sieh~ man denn aueh z. B. wie die MSwen, die hinter einem Sehiff herfliegen, stgndig den Kopf hin und her bewegen. Ans diesen Kopfbewegungen sehon allein kann man vermuten, dag die Tiere einen ghnliehen optisehen Raumsinn wie wit haben und dag sie durch Kopfbewegungen herbeizufahren suehen, dab sieh die Objekte anf korrespondierenden NetzhautsteUen abbilden. Hglt man dagegen einer l~ISwe den Kopf lest, so ist man erstaunt, welche a u s g i e b i g e n Ab. dasTier mit e i n e m A u g e allein naeh e i n e m v o r g e h a l t e n e n O b j e k t auszufahren vermag, und zwar naeh allen Richtungen, dabe i s t e h t das a n d e r e Auge s t i l l , oder es wird naeh i r g e n d e i n e r a n d e r e n R i e h t u n g b in bewegt. Beim monocularen Fixieren f~llt die Ge- siehtslinie ungefghr mit der optischen Augen~chse zusammen. Das- selbe Verhalten zeigt, wie ieh seiner Zeit besehrieb, der Cormoran, aber aueh unsere Rabenkrahe. Zweifenos kSnnen einige VSgel, was J o h a n n e s Miil ler, wie er schreib~, nieht beobachten konnte, konvergieren, d. h. ihre Augen auf weitere und fernere Objekte einstellen. Anger bei den zuletzt erw~hnten VSgeln sah ieh Konvergenz aueh bei ttornrabe, Pelikan, Kakadn und Amazone. Aueh nnter den V6geln zeigen nah- stehende Arten groge Versehiedenheiten, so sieht man z. B. yon den Papageien bei dem Kakadu lebhafte spontane Bewegungen, wShrend die verwandten Amazonas nur sehr geringe anfweisen; eine ~hnliehe Beobaehtung, wie wit sie bei den Reptilien (SchildkrSten) maehten. Es mahnt dies, mit Verallgemeinerungen aus einem Befund und Uber- tragung sehr vorsichtig zu sein.

Die Beobachtungen, dag VSgel mit seitlieh stehenden Augen einmal konjugierte Bewegungen, sowie Konvergenzbewegungen ausfiihren, wobei sie mit ganz temporal liegenden Teilen beider Negzhgu~:e sehen, andererseits monocular ungefghr mit dem Zentrum der Netzhaut fixieren,

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gibt schwere Probleme auf. Die monocutaren Bewegungen beweise~ zuni~chst, dag ftir diese Tiere das H e r i n g s c h e Gesetz yon der stets gleichen Innervation der Augen nicht zutrffft, dabei handelt es sich um spontane Ab., nieht nm labyrinthgre usw. Die VSgel sehen gewig meist binocular, aber sie kSrmen zum Teil aueh monocular unabhSmgig vom anderen Auge nicht nur bex~egen, sondern auch fixieren, wovon man sieh leieht t~berzeugen kann. Dag die V6gel und S~uger mit seittichen Augen binocular sehen, wies sehon J o h a n n e s Mi i l l e r nach, indem er die hintere Orbitalwand wegnahm und ein Lieht vor den Augen bewegte. Er sah dann, dab sich bei bestimmten Stellungen des Liehtes dieses auf beiden Netzh~uten abbildete. T s c h e r m a k a) hat dies Verfahren auch ~bei Fischen benutzt. Alle Wirbeltiere haben wohl, wie wit heute annehmen kSnnen, ein wenn aueh noch so kleines binoculares .Gesiehts- feld und binoculares Sehen; manche Tiere vielleieht aueh; nach hintem J o h a n n e s Mi i l l e r schlog schon aus seinen Beobachtungen, dal3 file Verteilung der korrespondierenden (oder identischen, wie er sic nennt) Netzhautstellen bei Tieren mit seitliehen Augen anders sein muB, wie z. B. bei uns Menschen mit frontalen Angen. Bei ersteren werden beim Binocularsehen die Bilder eines Objektes beiderseits auf temporale Netzhautstellen geworfen, diese miissen korrespondent sein, sonst wtirden die Tiere doppelt sehen, wie es bei uns der Fall ist, wenn wir zwei Bilder desselben Objektes anf temporale Netzhautstellen bekommem Man sollte nun diese temporalen Stellen der Netzhaut der VSgel aueh ffir Stellen des sch~ixfsten Sehens hMten, woftir aueh viele anatomisehe B6funde sprechen; aueh bestimmte Anordnnngen der Iris, der Linse und des 0iliarkSrpers erleichtern das Zustandekommen eines scharfen Brides auf der temporalen i~uBeren Netzhaut. Nun fixieren aber z. B. M6we, Cormoran usw. monocular ungefi~hr mit der Nitre der Netzhaut, also miissen wir schon physiologiseh zwei Stellen des scharfsten Sehens in jedern Auge fordern. Bei den TagraubvSgeln ist auBer der zentralen Fovea aueh elne laterate bekannt [Franze)] . Die Fovea des monoeu- larch Sehens liegt racist etwas zentrM oder e~n wenig temporal, bei den Eulen ist nut eine laterale Fovea vorhanden, welehe dem Binoeularsehen dient. Diese V6gel k6nnen j a aueh ihre Angen nieht einstellen. Es ist ftir uns nun sehwierig, uns klar zu maehen, wie eigentlieh der Sehvor- gang abl~uft, wenn abweehselnd an demselben Auge versehiedene Stellen als Stellen des schi~rfsten Sehens zur Fixation benutzt werden. Einmal wird beim Binoeularsehen die monoeulare Stelle des seh~rfsten Sehens unterdriickt und die Augen werden binocular mit der temporalen Area eingestellt, wie wir sahen, aueh wird so konvergiert; andererseits wird beim monoeularen Sehen die temporMe Netzhautstelle des sch~rfsten Sehens zugunsten der zentrMen ausgesehMtet. Fi~nde diese Ausschaltung nieht stair, so miil3ten die Tiere stets monocular doppelwertig, d. h. elm

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deutliches und ein undeutliehes Bitd sehen. Mit der doppelten Art des Sehens jedes Auges hgugt vietleieht aueh die eigentfimliehe Linsen- form der S~gler zusammen.

Uber die nervSsen Bahnen ffir diese zwei Arten des Sehens wissen wir so gut wie nichts, hier werden uns auch hoffentlich experimentelle Aussehaltungen gewisser Hirnteile weiterbringen. Unsere Untersuehun- gen weisen jedenfalls daranf hin, dab manehe VSgel in bezug anf Ab. ein bedeutend h5heres E.ntwicklungsstadium zeigen als wie hShere S~uger einsehlieBlieh der Mensehen.

S~iugetiere. Es besteht also keine Ent~dcklungsreihe beziiglieh der Ab. yon den

V5geln zu den S~ugetieren. Gewisse S~ugetierc mit sonst ganz ent- wiekelten Augen nnd Muskeln stehen auch den Fischen nach. Ich er- w~hnte schon, dab unser Hauptversuchstier, das Kaninchen, fiberhaupt keine SpontamAb. aufweist, dab bei ihm auch kein optiseher Nystagmus, den doch schon niedere Tiere, wie K_rebs6, aufweisen, zu erzeugen ist: Auf der unvollkommensten Stufe der Ab. bei den S~ugetieren warden natfirlich Tiere stehen, denen die Augenmuskeln fehlen (wie Chrysochloris) ; und Motorycte typhlops, ein m~ul~nu~hnliehes Beuteltier, dessert Augen nach Sweet [zit. bei Franz2)] unter der unver~ndert hinwegziehenden t taut liegen und der anormal gelagerte sehr verschieden entwickette Augen- muskeln besitzL bei dem aber die 3 Augenmusketnerven fehlen solten; die Augenmuskeln sollen durch Zweige der Nervus ophthalmicus innerviert sein. Das Zentralnervensystem dieses Tieres wfirde yon hSehstem Interesse sein fiir uns. Aueh die Maulwiirfe geh~ren zum Teil hierhin, doeh be- sitzen sie alle Augenmuskeln. Bei der Durchsicht eines Gehirnes yon Talpa Europ~a konnte ich nur k~mmerliehe Reste yon Augenmuskel- nervenkernen linden, besonders gering veto Abducens. t~ei der Fleder- roans konnte ich bei einem ausgewachsenen Exemplar auch bei Lupen- betraehtung keinertei Ab. weder spont~n, noeh vestibular oder peripher sensibel nachweisen. ]3ei Vesperugo l%hinolophus land ich den Ab- ducenskern verkfimmert, dagegen den Oculomotorinskern gut ent- wickelt. Es kgmen dann in der Augenbewegungsreihe die Kaninchen, die nur vestibul~re oder peripher sensible Ab. sehen lassen. V i n c e n t gibt an, d~B die Ratte unter normalen Uinstgnden ebenfalls keine spontanen Ab., sondern nur Drehnystagmns zeige, yon anderen Nagern beriehtete ieh sehon fraher, daB, das Peruanische Baumsehwein und das Kanguru minimale Spontanbewegungen aufweisen. Unter den ttuftieren land ich beim Pferd, Esel, Ziege und Wildsehwein deutliche nicht sehr aus- giebige spontane Ab. G r o s s m a n n und M a y e r h a u s e n stellten beim Pferd eine Konvergenz yon 4 ̀0 ft~r jedes Auge fest; Tseher rnak gibt an, dab das Pferd bis auf 2 m Entfcrnung konvergiert. Beim Reh und

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der Vicufia war mir das Untersuchungsresultat zweifelhaft, mit Sicher- heir konnte ich keine spontane Ab. nachweisen. Geringe spontane Ab. hat der Elephant. Beim Nilpferd fallen die starken Retraktionsbewegun- gen auf, die aueh einseitig ausgeffihrt werden. Ob hier der Ban des Auges mitsloielt, wie ieh vermute, darfiber konnte ich Genaueres nicht erfahren. Die Ituftiere bewegen ihre Augen spontan vorwiegend in einer Horizon- ta.lebene, die also der Lidspalte entspricht. Ihre horizontale Pupille, wie auch ihre streifenfSrmige Area dienen wohl demselben Zweck, n~tm- lieh vorwiegend in dieser Ebene sehen zu k6nnen. Vc'ghrend unter den V6geln diejenigen, die am moisten frontatstehende Augen haben, ngm- lich die Eulen, ihre Angen tiberhaupt nicht bewegen k6nnen, so zeigen die Sguger mit frontal stehenden Augen gerade die ausgedehntesten Ab. und zwar spontane Ab. Man kSnnte da eine Reihenfolge feststellen, die yon den Raubtieren fiber die Affen zum Menschen. ansteigt. Ge- nauere Untersuchungen fiber das AusmaB der Bewegungsm6gliehkeit liegen noeh nieht vor. Bei den S~ugern seheinen die spontanen Ab. stets konjugiert zu sein, wenigstens konnte ich monoenlare nie beobaeh- ten. Alle hSheren Sgugetiere konvergieren aueh dentlich.

Zusammenfassung. Die vergleichende Physiologie der Ab. steckt noch in den allerersten

Anf~ngen. Uberblicken ~4r die Befunde, so s~llen wir sehon eine aul]er- ordentliehe Mannigfaltigkeit lest, die wit im einzelnen biologisch noch kaum erkl~ren kSnnen. Allen Wirbeltioren (abges~hen yon denen mit rudiment~ren odor festsitzenden Augen) seheinen die vestibuli~ren und peripher sensiblen Ab. gemeinsam zu sein, sie" werden abet bei vielen dutch die Fixation verdeekt. Aueh boi niederen Wirbeltieren sehen wit sehon spontane Ab. Die Bahnen ffir die genannten 3 Ab. mfisson sich alle im Urhirn sehon finden. Es sind pal~encephale Reflexbahnen, die wir aueh beim t~Ienschen in dem Teil des Gehirns suchen mfissen, der dem Pal~encephalon entspricht. Wir kSnnen somit eine Grundlage ffir die Forschung noch komplizierterer Bahnen gewinnen, besonders ffir die kortieo-cerebralen Bahnen, wenn wir Tiere mit wenig entwickelten I~rnen nnd lebhaften spontanen Ab. experiment~tl untersuehen. So allmi~hlich aufsteigend gelingt es uns vielleicht wieder, einen Toil des Faser- und Kernsystems zu entwirren, das uns bei hSheren S~ugern noch so vielfaeh dunkel ist. Diese Forschungen k6nnen unterstfitzt werden durch Untersuehungon an Tieren, denen die Ab. ganz fehten oder bei denen nur bestimmte Ab. ausfallen, wie z. ]3. die optisch-reflektorischen beim Kanineh.en. Die vergleiehende Hirnanatomie muB hier Hand in Hand gehen mit der vergleichenden Physiotogie der Ab. ~qe mfissen nun, da wit fiber die Artender einzelnen Ab. genauer unterrichtet sind, eigentlieh von jedem Tier, dessen Augenbahnen wir studieren, eine

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genaue physiologische Unte r suchung auf alle die erwi~hnten verschiedenen A r t e n der O p h t h a l m o s t a t i k fordern. Leider b le ib t dies vielf~ch ein Idea l , dessen E r f a l h m g sich gro~e p rak t i s che Hindern isse in den W e g stel len. Unsere Beobach tnngen der groBen Unte rsch iede der Ab. nahes t ehender Tiere m a h n e n a,uch znr Vorsicht , a n a t o n ~ c h e Befunde eir~ach auf nahe- ve rwand te Tiere zu ~ber t ragen . Ube r die Reize, welche die verschiedenen Tonus fiir d ie Ab. innervieren, wissen wir noch so gu t wie n~chts (s. oben). Diese A b h a n d l u n g soll n u t e in P r o g r a m m dars te l len , sie sotl te die Ge- s i ch t spunk te aufweisen, nach denen einzelne Untersuchungen , die folgen, sich r i ch ten werden.

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