augenhaltung und augenstellung

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(St~dtisehe Augenklinik Dortmund. ~ Prof. Dr. M. Barrels.) Augenhaltung und Augenstelhmg. Von Professor Dr. Martin Barrels. Unsere Augenmuskeln stehen im Leben stgndig unter einer bestimmten Spannung (']:onus), also einen absoluten Ruhestand der Augen (s. u.) gibt es nieht. Das Verhgltnis der Spannung der einzelnen Augenmuskein (Koordination) bedingt die Haltung der Augen, d.h. ihre Stellung (Ortho-tteterophorie). Da alle Augenmuskeln jederzeit eine bestimmte Spannung aufweisen, ergibt sich schon hieraus, dab bei jeder Augen- bewegung alle Augenmukseln beteiligt sein miissen. Eine Augenbewegung tritt ein, wenn der Spannungszustand der Muskeln ver~ndert wird.' Bei jeder Augenbewegung gndern gleichzeitig alle Augenmuskeln ihren T0nus. Die Meimmg yon Behr ist nicht riehtig, dab bei Seitenbewegungen nur 2 Synergisten zusammenarbeiten, bei anderen Bliekriehtungen 4---6 Mus- keln. Bei einer Seitenwendung z. B. werden nicht nur die Seitenwender, sondern gleichzeitig die tteber und Senker in bestimmter Weise inner- viert (gespannt). Durch die Spannung der tteber und Selxker wird der Butbus ge~dssermaBen so in seinen Angeln gehalten, dab eine geordnete seittiche geradlinige Augenbewegung mgglieh ist. Ebenso ,,halten" die Seitenwender das Auge bei vertikalen Bewegungen. Die Spannungs~nderung bei Augenbewegungen erfolgt nun stets so, dab die Antagonisten zuerst ersehlaffen und dann die Agonisten kontra- hiert werden (reziproke Innervation). Zum Beispiel ersehlafft bei Be- wegung des rechten Auges naeh rechts zun~ehst der reehte Internus, d. h. seine Spannung wird vermindert und dann erst kontrahiert sieh der reehte Externus, d.h. seine Spannung wird erhSht. Das ist nattirlieh zweekmgBig, da es Arbeit spart, andernfalls mii~te der sich kontra- hierende Muskel, in diesem Falle der Externus, erst die grSBere Span- hung des erschlaffenden Muskels in unserem Beispiel des Internus, tiber- winden. Fiir Augenbewegungen, die yon der ttirnrinde ausgelSst werden, ~esen dieses zuerst Sherrlngton und Topolanski naeh. Spgter konnte dies aueh fiir die vestibul~ren Erregungen an den Angenmuskeln fest- gestellt werden s. Diese feine Abstufung der Spannungsverh~ltnisse aller Augenmuskela bei jeder Haltung und Bewegung der Augen mug irgendwo im Zentralnervensystem reguliert werden. Es ist also ein Zentrum nStig, in dem das Zusammenspiel (Koordination) geregelt wird; dies mug den Augenmuskelkernen iibergeordnet sein. Ho['~ann 81 sagt mit Reeht, ,,dab allein schon die reziprpke Innervation eine supranukle~re Verbindung fordere". Deshalb haben aueh alle Forseher, die sieh mit

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(St~dtisehe Augenklinik Dortmund. ~ Prof. Dr. M. Barrels.)

Augenhaltung und Augenstelhmg. Von

Professor Dr. Martin Barrels.

Unsere Augenmuskeln stehen im Leben stgndig unter einer bestimmten Spannung (']:onus), also einen absoluten Ruhestand der Augen (s. u.) gibt es nieht. Das Verhgltnis der Spannung der einzelnen Augenmuskein (Koordination) bedingt die Haltung der Augen, d.h. ihre Stellung (Ortho-tteterophorie). Da alle Augenmuskeln jederzeit eine bestimmte Spannung aufweisen, ergibt sich schon hieraus, dab bei jeder Augen- bewegung alle Augenmukseln beteiligt sein miissen. Eine Augenbewegung tritt ein, wenn der Spannungszustand der Muskeln ver~ndert wird.' Bei jeder Augenbewegung gndern gleichzeitig alle Augenmuskeln ihren T0nus. Die Meimmg yon Behr ist nicht riehtig, dab bei Seitenbewegungen nur 2 Synergisten zusammenarbeiten, bei anderen Bliekriehtungen 4---6 Mus- keln. Bei einer Seitenwendung z. B. werden nicht nur die Seitenwender, sondern gleichzeitig die tteber und Senker in bestimmter Weise inner- viert (gespannt). Durch die Spannung der tteber und Selxker wird der Butbus ge~dssermaBen so in seinen Angeln gehalten, dab eine geordnete seittiche geradlinige Augenbewegung mgglieh ist. Ebenso ,,halten" die Seitenwender das Auge bei vertikalen Bewegungen.

Die Spannungs~nderung bei Augenbewegungen erfolgt nun stets so, dab die Antagonisten zuerst ersehlaffen und dann die Agonisten kontra- hiert werden (reziproke Innervation). Zum Beispiel ersehlafft bei Be- wegung des rechten Auges naeh rechts zun~ehst der reehte Internus, d. h. seine Spannung wird vermindert und dann erst kontrahiert sieh der reehte Externus, d.h. seine Spannung wird erhSht. Das ist nattirlieh zweekmgBig, da es Arbeit spart, andernfalls mii~te der sich kontra- hierende Muskel, in diesem Falle der Externus, erst die grSBere Span- hung des erschlaffenden Muskels in unserem Beispiel des Internus, tiber- winden. Fiir Augenbewegungen, die yon der ttirnrinde ausgelSst werden, ~esen dieses zuerst Sherrlngton und Topolanski naeh. Spgter konnte dies aueh fiir die vestibul~ren Erregungen an den Angenmuskeln fest- gestellt werden s. Diese feine Abstufung der Spannungsverh~ltnisse aller Augenmuskela bei jeder Haltung und Bewegung der Augen mug irgendwo im Zentralnervensystem reguliert werden. Es ist also ein Zentrum nStig, in dem das Zusammenspiel (Koordination) geregelt wird; dies mug den Augenmuskelkernen iibergeordnet sein. Ho['~ann 81 sagt mit Reeht, ,,dab allein schon die reziprpke Innervation eine supranukle~re Verbindung fordere". Deshalb haben aueh alle Forseher, die sieh mit

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der n~heren Innervation der Augenstellung und Bewegung beschaftigten, ein solches Zentrum besonders ftir die vestibul~ren und willkiirlichen Augenbewegungen angenommen, wenn aueh unter den verschiedensten Namen. Barany 3G, 3~ nennt es ,,supranuldeiires Koordinationszentrum", ebenso Barrels 9 fiir vestibulgren und optischen Nystagmus und Blick- bewegungen; Coppez 32 centre d'association; Ohm 34 spricht bekanntlich v~n einem ,,Augenmuskelsender" ; Behr 12 yon einem ,,statisch.dynamisehe~, Ap$arat"; Muslcens 41 yon ,,posturaler Koordination", das soll hei~en, ein Zentrum, das der ttaltung (Position) dient. Einige Autoren nehmen mehrere solche Zdntren an, wie schon Behr 12, n£mlich einen ttaltungs- und einen Schaltapparat (s. auch Wiedersheim 50); ferner Tschermals 4s: ,,bei ~ der Koordination der gul]eren Angenmuskeln scheinen zwei Regula- tionen hlntereinander geschaltet, und zwar e~m rein reflektori~scher Halte- mechanismus nnd ein auch der Wfllkfir nnterworfener Bewegungs- mechanismus (Schubert)". ,,Schon die Fixationsstellung entspricht einem tonischen Festhalten des Blickes, fiir welche ein besonderer Re- flexapparat angenommen wird (Stellungsapparat nach Gertz, Einschnapp- mechanismus nach Kestenbaum"). Muslsens 41 ffihrt 3 Tonuszentren an, Godlowski 2s ebenfalls mehrere (s. u.). Eine gauze Anzahl yon Autoren verlegen die langsame und schnelle Phase des vestibulgren Nystagmus in verschiedene Zentren. Manches spricht dafiir, dal~ ftir willkfirliche, vestibul~re und optische Augenbewegungen ein anderes Zentrum be- steht wie fiir bestimmte ~qystagmusformen, z. B. ,,Nystagmus der Berg- arbeiter", Nystagmus bei L£sion der ttypophysengegend s. Davon spgter. So sicher .wir ein Zentrum fiir die Koordination wiltkiirlicher, unwiIL kiir~cher, vestibularer, optischer, h~Isreflektorischer usw. Augenbewe- gungen fordern miissen, so wenig verl~Blieh ist es anatomisch festgestellt, wie immer wieder betont werden mul~. Mit grSBter Wahrscheinlichkeit liegt es in der Gegend der Vestibularkerne. Ob in diesen selbst is~ frag- lich, denn schon die Begrenzung der Vestibularkerne ist noch nicht vSllig gekl~rt. Dab ein solches Koordinationszentrum in dieser Gegend ]iegen mul~, ist eigentIich nur mit Sicherheit festgestellt far vestibul~re Augen. bewegungen yon de Kleyn 85. Dieser land nach Durchschneidung ober- halb der Vestibularkerne bei erhaltenen Abducenskernen noch normalen horizontalen vestibularen Nystagmus. Ebenso spricht dafiir der yon de Kleyn und Schenls s5 bei einem anencephalen Kind beschriebene noch deutlich auslSsbare calorisehe und Drehnystagmus. Denn ein geordneter ~Nystagmus ist nut mSglich, wenn die Reize koordiniert an die Augen- muskeln gelangen, anderenfalls, wiirden ja. Ilur ungeordnete Augen- bewegungen entstehen.

Ob Ganglienzellen fiir ein solches Zentrum n5tig sind (Ohm 42) und wie es wahrscheinlich ist, und ob ausschliel]lich Ganglienzellen, kSnnen wir noeh nieht entscheiden. Der auBerordentlieh verwickeIte Fibrillen- aufbau de~ Zentralnervensystems ist uns in seiner J~'unktion dazu noeh

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zu wenig bekannt. Schlie•lich sind Ganglienzellen Durehgangszellen und Bethes i5 Versuch am Taschcnkrebs hat gezeigt, dab jedenfalls bei Wirbel- losen aueh l~omplizierte Reflexe ohne jede Zelle zustande kommen kSnnen. Erinnert sei auch an die _Formatlo reticularis, in deren Fasernsystem nur zerstreut multipolare Ganglienzellen liegen, die aber sicher ffir die Augen- bewegungen eine Rolle spielt. (Lorento de ~ 23, Spiegel47) Schon Edinger ~5 bezeiehnete die Formatio retieularis als Assoziationszellen der Oblongat~, er schreibt: ,,DAB dieses Feld der reichen Assoziationsfase- rung wahrscheinlich die Fihigkeit zu der genauen Zusammenarbeit der Funktionen verdankt, denen sie dient." DaB~ die Formutio reticularis nicht absolut notwendig ffir einen geordneten vestibuliren Nystagmus (wenigstens bei Ka~zen) ist, glaubt S~oiegel 47 naehgewiesen zu haben, was allerdings Lorento de iV~ 32 bestreitet. Jedenfalls ist eine feinere Lokalisation des Koordinationszentrum ffir die Augenmuskcla zur ZeSt noch nicht mSglich, man kann nur sagen, ein solches Zentrum liegt in der Gegend der Vestibulariskerne. Ob dies das einzige ist, darauf kommen wir zuriick.

Um in diesem sehwierigen Gebiet der statischen und dynamischen Zentren (der Ausdruck yon Behr scheint mir sehr zweckn~Big) soweit als m/Sglich Klarheit zu bekommen, gehen wir am besten schematisch getrennt fiir den statischen (ttaltung) und den dynamischen (Bewegungs-) Apparat vet, wenn aueh eine ganz gesonderte Betrachtung nicht mSglich ist.

Zun/~chst miissen wh" festzustellen suchen, welehe Krafte wirken auf den Augenmuskelapparat in seiner Haltung. Es ist versucht, sic in einem Schema darzustellen a. Erg/~nzend se~ bemerkt, dab in diesem Schema versehentlieh das Kleinhh'n weggelassen ist. Wit kennen eine Anzahl yon Stellen des Zentrainervensystems, yon denen die Haltung tier Augen beeinfluSt wfl'd. Z. B. Frontal-, Occipitalhirn, Zentralganglien, Vierhiigel, Kleinhirn, Bri~eke. Ferner wirken periphere Reize der Haut des Beckens, des Halses (Naeken), yon der/Retina, yon den Augenmuskeln und be- kanntlich am st/~rksten tier periphere Reiz des Labyrinthes. Ein geringer Reiz geht auch vom HSrapparat auf die Augenmuskeln aus, wie neuer- dings Gedlngs und de Kleyn 26 in ~dbereinstimmung mit TuUio und Fr6schels feststellten. Allerdings nehmen die ersten Auforbn an, dab bei flaren Versuchen wirklich ein akustischer Reflex auf alas vestibulare System vorlige, w~hrend bei Tullios Versuehen die Crist~ der Bogen- gange direkt erregt werden.

Zu den Hals- (Naeken-) Reflexen sei bei dam oben erw/~hnten Schema noch erg/~nzend bemerkt, dab sich nach de Kiey~ .und stenvers ~ die tonisehen Nackenreflexe bei Neugeborenen un4 Erwaehsenen in hori- zontater und vertikaler Richtung nut bei schwerer Erkrankung des Zentralnervensystems nachweisen lieBen, bei Gesunden auch rotatorisch. Sic miissen also meines Eraehtens in mancher Beziehung durch Stetlen

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des Zen~ralnervensystems gehemmt werden, welche das sind, ist un. bekannt. Bei diesen Halsreflexen handelt es sich um Pal~oreflexe, die bei ,niederen" Tieren wie z.B. bei tfischen ufid Kaninchen eine sehr deutliche Rolle spielen, bei Menschen aber nut eine versch~dndende.

Hier sei auch noch einmal ein his~orischer Irrtum beriehtigt. Ohm 42 erkl~rt in seinem neuesten ~Verk ~ieder, Barany sei der Entdecker der Halsreflexe. Das ist ein Irrtun~. Lange Zei~ vorher (1901) hat Lyon 88 die Halsreflexe auf die Augen an ]~ischen zuerst nich¢ nut ~entdeckt, sondern auch ihren Reflexweg experimenteH festgeleg%

An einen Helliglceitseinflufl auf den Tonus der Augenmuskelu (Licht- tonus v, on v. Stein und Ohm) und damit auch auf die Haltung ist nicht mehr zu zweffeln; Ohms vielfache Kurven sprecheh dafiir, ebenso die Entstehung des experimen~ellen Di~mmerungszitterns. Dies versch~4ndet, wenn man dureh Durchsehneidung der Optici jeden Helligkeitseinftul~ ausschaltet.

Weiter kommen ffir die Haltung noch sensibIe Reize yon dot Orbita in Bet, racht, die genaue Nervenleitung und die Zen~ren, fiber die sie gehen, kennen wit nicht. Die yon Sherrington entdeckCen sensiblen zen~ripetalen ~asern der motorisehen Augenmuskelnerven leiten dem Zentralnervensys~em Erregungen zu, die zweifellos auf die Augenmuskeln und ihren Tonus auch wirken. Diese sensiblen Fasern in den motorisehen Nerven sind bekanntlich sehr empfindlieh. Jeder, der viel 1Xetzh~ut- operationen vorgenommen hat,, weil~, wie sehwer es ist, die Muskeln gegen Zug unempfindlieh zu machen. Die Versuche Goethlins 2~ spreehen sogar ffir eine subjektive Bewegungsempfindung der ~l~nderung des Tonus der Augenmuskeln, ,,fiir das Vorhandensein kin~sthetischer zentri- petaler yon den ~ul~eren Augemnuskelrt herkommender Impulse". Vom Hole ao nimmt ebenfalls eine indirekte sensorisehe Funktion der Augen- muskeln an. Tsehermak 48 versuchte das Zentrum dieser afferenten Erregungen zu lokalisieren. Er meint: ,,die afferenten Leitungen kSnnten die Endh~lfte der meseneephalen Trigemiauswurzeln, den Locus coeruleus ~ls Sehaltstation benutzen, so dal~ die zugehSrigen sensiblen-sensorisehen Endkerne dorsal yon den einzelnen motorischen Augenmuskelkernen eingeorduet w erden." Wenn d~s richtig ist, so mfi~ten sich die sensiblen Fasern yon den motorisehen Augenmuskelnerven bei deren Eintritt oder kurz naeh ihrem Eintritt in das Zentralnervensys~em abzweigen. An~tomisch ist dies noeh nieht erforscht. Bei der Annahme yon Goethlin mii~ten dann evtl. direkt oder naeh Durehgang durch den sensiblen Trigeminuskern ]~asernn~eh oben zur Gro~hirnrinde verlaufen. S0nst wiire j~ keine ,,Empfindung" der Muskel~nderung mSglich. Da, wie oben erw£hn$ ist, bei jeder Bewegung alle Augenmuskelu ihre Spannung ~ndern, mfil~te hier in den zentralen Weg nach der Hirnrinde auch ein Koordinationszentrum eingesehaltet sein, dami~ die Art der Bewegung richt, ig empfunden wird. Vielleicht ist dies das yon Tschermak erwi~hnte

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Schaltzentrum. Diese kinasthetischen Impulse k6nnten nun ~Jeder zentrifugal auf den Tonus wirken.

Techermak weist ferner auf die Wirkung der Schwerlcra]t auf den Augenmuskeltonus hin. Er meint lficht nur durch den Otolitenapparat (iGh mSchte die Bogeng~nge bei der Schwerkraftwirkung nieht ohne weiteres aussehaltGn), sondern auch durch schwerkrgft6mpfindliehe Re- eeptoren des HautldGides und des ganzen ]3ewegungsapparates. WiG stark der Druck auf bestimmte Hautstellen z. B. des Kopfes, die Augen- stellung, d.h. also den Tonus, beeinflussen kann, zeigte Maxwell 3~ an Fischen. Bei Druek auf bestimmte Kopfhautstellen erfolgten be- stimmte Augenbewegungen. Wahrseheinlieh haben alle diese verschie- denen oben ausgeffihrten Reflexe niederer Art yon Labyrinth, Hals usw. (die bei niederen Tieren allein vorhanden sind), nieht nur den ZweGk, das Auge bei Kopibewegungen zu ,,halten", sondern sic fixieren auch gewissermal~en bei hSheren Tieren die Augen st~ndig so, da$ geordnete Blickbewegungen besser ausgefiihrt werden kSnnen. Dafiir wiirde auch der Versuch yon Ewald sprechen. Ein I-Iund koimte nach bGiderseitiger LabyrinthGxstirpation (also Aufhebung des Labyrinthtonus) aufgewor- fen e Fleischstiieke nieht mehr ~4e tvorher mit den Blieken verfolgen. Ohm as nimmt nun auch noeh einen Eigentonus fiir die Augenmuskeln der Ganglienzellen der Vestibulariskerne an (s. das. oben bezfiglich der Ganglienzellen Ausgeffihrte). Die Ganglienzelten erzeugen nach seiner Theorie st~ndig sinusfSrmige Schwingungen (.Iunentonua) and reagieren auf zuflieSende Reize (Auflentonus) mit Anderung ihrer Frequenz. Dies ist alas I-Iauptstfick der gesamten Ohmschen Theorie fiber Nystag- mus. Woher der Reiz zu diesem angebliehen Eigentonus stammt, sagt Ohm ificht. ][st Gin solcher Irmen-Eigentonus in sich wahrsGheinlich ~. Nehmen wit an, die Ganglienzellen der Vestibularkerne bzw. des dort befindlichen Koordinationszentrums, watch wirklich der Sitz eines Eigentonus, so flie$en diesen ZeHen doch standig aueh in scheinbarer Ruhe viele kraftige Reize zu, wie oben fiir die Haltung ausgefiihrt ist. Diese mfi~ten den angenommenen Eigentonus auch bei sog. ruhiger ttaltung der Augen am Lebenden immer iiberlagern, also ein ,,Au~en- tonus" ist immer vorhanden, und zlvar ein sehr kriftiger. Das beweist ja schon der heftige Nystagmus, der sofort nach ZerstSrung eiues Laby- rinthes auftritt. Naeh sonstigen physiologisehen Beobachtungen ist wohl mit an Sicherhelt grenzender Wahrseheinliehkeit anzunehmen, da$ die Tonuserregung in dem angenommenen Koordinationszentrum und damit attf die Augenmuskeln nur dureh die Reize aufreeht erhalten wird~ die als die friiher erw/~hnten sensiblen (I-Iaut-, Muskeln., Orbita usw.), sensorischen (Lieht, Vestibularapparat usw.) und zentralen (Fron- talwindung usw. )dem Zentrum zugeleitet werden. Wfirde man diese l~eize aussehalten, so wiirde wohl yon einem auf die Augenmuskeln wir- kenden Tonus niehts iibrig bteiben. Es ist ziemlich sieher, dab die Augen-

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muskeln dann ebenso vSllig erschlaffen (tommlos) werden, wie der ~iusket im physiologischen Muskel-Nerven-Rfickenmarkspr~parat erschlafft, wenn die sensiblen zentripetalen Ercegungen ausgeschaltet werden. Also einen ,,Innen-Eigentonus" ira Sinne yon Ohm gibt es wohl nieht. Eine interessante Aufgabe mfil~te es sein, den AusfaH der einzelnen oben genannten Fak~oren auf den Tonus der Augenmuskeln zu erforschen. BeziigIich des Lichttonus hut Ohm dies ja schon wenigstens beim Nystag- runs vorgenommen und ich konnte den Einflul~ der Durchschneidung der Optici, a, lso Ausschaltung tier Einwirkung der Heltigkeit auf das Dgmmerungszittern nachweisen. Vielleich~ wgre es m6glieh, systematiseh sukzessiv vorzugehen unter Ableitung der AktionsstrSme eines Augen- muskels nach Ausschaltung der Labyrinthe, Aussehaltung der Retina- reize, Aufhebung der Sensibilitgt usw. K61lner und He//mann wiesen s3hon naeh, dab der normale kktionsstrom der Augenmuskeln durch vestibulare Reize nicht in seiner Frectuenz, nur in seiner Stgrke ver. gndert wird. Wi r wissen ja auch nicht, in welchem Ver]~ltnis alle diese Tormserregungen zueinandor stehen. Ob sic sich summieren oder gegenseitig hemmen unter bestimmten Bedingungen.

Beim wachen Mensehen wirkt nun am meisten der bewuSte oder unbewuBte Blick auf die Augenstellung und die _Fusion auf die SteIlung der kugenachsen zueinander. Dieser Einflul] fiberwindet bei Gesunden alle die oben genannten krgftigen anderen Einwirkungen auf die Augen- muskeln, z. B. auch die Reize, die stgndig so m~ehtig vom Vestibular- apparat ausgeiibt werden. Es ist noch ggnzlieh unkl~r, in weleher Weise dies gesehieht.

Mit dieser Darstellung ist aber die Zahl der Einfliisse auf die Augen- muskein noeh nicht ersehSpft. Am besten erhellt dies, wenn man sich klarzumachen sucht, weshalb eine Sehielstellung und warum im einzelnen Falle eine besondere eintritt, vor allem naeh Anssehaltung de~r Fusion durch einseitige Sehwachsiehtigkeit.

Hier mfiBte man yon der Ruhelage der Augen ausgehen. Welches ist diese ? Eine Ruhestellung der Augen gibt es am Lebenden nicht. Das geht ja sehon aus den bishbrigen ErSrterungen hervor fiber die nervSsen Einflfisse, die mmnterbrochen (fiir uns latent) auf die Augen- muskeln wirken. Wiedersheim 5o erwghnt bei ErSrterung der Wirkung des yon ihm physiologiseh angenommenen Halteapparates aueh die Schie]stellung. Er schreibt: ,,Das schwachsichtige Auge geht in seine anatomisehe Ruhestellung. Barrels hut, seheint es, eine andere Vor- stellung vom Halteapparat, wenn er meint, dub das in Sehielstellung gehende schwachsiehtige Auge nicht in seiner Stellung gehalten wird". Das ist richtig, ich glanbe auch, dab diese ]~[einung yon den meisten Autoren geteilt wird, die sieh mit der Schielstellung befal~t haben. Biel- schowslcy betont schon, dab es am Lebenden eine anatomische Ruhelago nicht gibt.

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Die mechan#chen Faktoren, welehe die Augenstellung beeinftussen, sind nach Bielschowaky 16' is: 1. Die topographisehen Beziehungen zwisehen Bulbus und Adnexen, den Lidern, Muskeln, Faszien und ligamentSsen Fortsgtzen, dem Fettgewebe, Sehnerven und BlutgefgBen. 2. Die physikMisehen Eigensehaften der Adnexe (Elastizitgt, Volumen usw.). (Dazu ist zu sagen, dab diese im Leben stgndig weehseln und aueh im Tode noeh.) 3. Besohaffenheit, Form, Gr6ge, ()ffnungswinkel der Orbita und Bulbi.

Meines Eraehtens spielen diese Faktoren im Leben nut eine geringe Rolle, sie entscheiden hauptsgehlieh bei einem Toten die anatomisehe l~uhelage, immerhin ist ihr Einftug noeh nieht geniigend erforscht. Entseheidend sind im Leben die nerv6sen Einfliisse.

Tschermak as unterseheidet zwisohen den sensorisehen und motorisehen Effekten, die auf die Augenstellung wirken. Er meint: ,,Beim Strabismus handel, es sioh nfeht um eine einseitige St6rung oder um eine Versehieden- heir der Ruhestetlung beider Augen, sondern um eine binokulare Tonus- versehiebung." Das ist sieher, aber unsere Frage ist, wodureh ist diese ,Tonusverschiebung" bedingt. An anderer Stelle heiI3t es bei T, chermalc: ,,Das Zusammenarbeiten der beiden Hglften des okulomotorisehen Apparates ist zwar grob prgformiert, wird abet erst auf Grund des Fusionszwanges fein ausregatiert". Das Letztere trifft bei Mensehen und vielleieht nur bei diesen (s. weiter unten) sieher zu Aber hier ist wieder f~r uns dis KerMrage, was heiBt ,,pr/~formiert" ? Welehe Kr/~fte wirken naeh Aussehattung der Fusion ? Bielschowsl~y 16 glaubt, die erlernte t{iehtigstetlung der Augen f/ir normale Korrespondenz dutch die Fusion wirke bei Aussehaltung der Fusion weiter. Das sehen wir ja meines Eraehtens h~ufig naeh Amaurose eines Auges beim Erwaehsenen. Dann gehen die Augen doeh meist erst allm~htieh in Sehielstetlung. Dutch die Auffassung yon Bielschowsky kommt also zu der ,,Pr/~formierung" yon 5%chermak noeh ein EinfluB hinzu, der dureh die Fusion im Leben er- worben ist. Abet sehon Cords 21 betont mit Reeht, dab es fragtieh sei, ob die oft hochgradige Sehielsteltung allein sieh dutch Sehwinden dieses ,,Ausgleiehstonus" erkl/~ren tasse. Gewig nieht. Da.s geh~ ja sehon aus unseren bisherigen Er6rterungen hervor. An anderer Stelle meint Biel- schowslcy, die latente Heterophorie bedinge die versehiedene Sehiel- steltung. Das ist aueh nur eine Umsehreibung. Die Frage ist wieder, wodureh ist die latente Heterophorie bedingt. Die letzte Arbeit naeh Bielschowsky, die genauer auf dis einzelnen Einfltisse ffir die Sehiei- stetlung eingeht, ist eine Dissertation yon A. Muncke 4o aus der Greifs- watder Klinik. Neben eigenen Beobaehtungen wird das gesamte damalige Sehrifttum ausfiihrlieh dargesteltt. AuBer den oben erw/~hnten Ein- fltissen wird noeh eingegangen auf den Einflug des Alters, der gdra.ktion, Grad und Zei~ seit Eintritt der Sehwaehsiehtigkeit usw. Aueh aus dieser Arbeit geht herr or, w}eweit wit noeh yon einer Erlfl~rung der Augen-

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haltung entfernt sind. Neuerdings hat Zieriug al die Frage des Sehielens naeh einseitiger Amblyopie erSrtert. Er kommt zu dem SehluB: ,,Das Sehielen ist der Ausdruek eines Mil~verh/~ttnisses zwisehen der Asym- metropie der Augenlage und dem diese Inkongruenz ausgleichenden Korrektionssystelas". Das ist etwas geheimnisvoll ausgedrtiekt. Ziering untersucht nicht, wie es doeh sehon Bielschowsky und Munclce taten, die einzelnen. Faktoren, welche ,,Asymmetropie der Augenlage'" und deren ,,Inkongruenz" bedingen, und welehe Faktoren das ,,ausgleichende Korrek~ionssystem". DSshalb sehwebt, aueh das Schema, das er gibt etwas in der Lnft. Wir wissen niehts darfiber, weshalb bei den meisten }Iensehen nach Aussehaltung der Fusion fiberhaupt eine Heterophorie, und zwar iiberwiegend eine Exophorie eintritt. Seiner Zeit gtaubte ich, die Wirkung, die vom Labyrinth aus auf das gleichseitige Auge st/~rker ausgefibt wird, k6mlte vielleicht einige Schielstellungen erkl/iren. Das hat sich aber nieht, bestg~tigt. Vielleicht kSnnen uns Tierbeobaehtungen einiges lehren. Zun/ichst lernen wir an ihnen die wichtige Tatsaehe, dab die AugensteUung, die zur richtigen Fusion n/%ig ist, ganz unabhgngig vo~ de~" Fusio)~ gehalten wird.

Hunde z. B. haben zwar seitiieh stehende Augen, aber eine vorz(ig- lithe Fusion, die ihnen eine aufterordentliehe genaue Tiefensch/~tzung z.B. beim Springen gew/ghrteistet. Sie blicken aueh spontan mnher, bekontmen aber naeh einseitiger Ambtyopie oder Amaurose niemMs eine Schietstellung, wie schon Schleich a5 nachwies. Die Augen bleiben sti~ndig wie vorher beim fusionstiichtigen Auge eingestellt. Also miissen andere Kr/~fte wie beim Mensehen die tlaltung mid FusionsmSgliehkeit bedingen. Wir gehen wohl nieht fehl, wema wir dis oben erSr~erten anderen reflek- torischen nerv6sen pal/~oencephalen Einfliisse als Ursache annehmen. Ziering 51 fragt in seiner ErSrterung fiber das Sehielen, weshalb in dem ersten Lebensjahr trotz fehlender (?) Fusionsf~higkeit nieht hi~ufiger manifestes Sehielen ~-orkommt. Er vermutet, weil im friihesten Kind- heitsatter Orthophorie vorherrscht. ])as mag richtig sein, abet weshalb herrseht in dieser Zeit die Orthophorie vor ? In der Ontogenese sind beim Sgugling wohl die phylogenetiseh alten Reflexe zuni~ehst allein wirksam, so daft die Augenstellung riehtig ist ohne Fusion wie bei den Tieren. In der Stammesentwicklung bildet sieh dann beim Mensehen die Fusion als Hauptfaktor ffir die Augensteltung aus. Die F/~lle yon eiuseitiger Amblyopie beim erwaehsenen Mensehen, in denen nach Fortfall der Fusionsm6gliehkeit niemals eine Sehietstellung eintritt, sondern Ortho- phorie bleibt, k6nnen wit m6glieherweise als einen Atavismus so erkl/~ren, die stammesgesehiehtliehe ,,Pr/iformierung" spielg da vielleieht eine I~otle. Bei Tieren, die, wie die Kaninehen, iiberhaupt nieht spontan blicken kSnnen, abet doeh Fusion besitzen, ist die Augenstetlung ganz Mlein o~bh~ngig yon niederen (pal/~ocephalen) Reflexen. Sie wird bei diesem Tier fast lediglieh dureh den Vestibularapparat und die Halsreflexe

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bedingt. Die Kaninehen bekommen weder nach einseitiger Erblindung eine Sehielstellung, noch nach beiderseitiger Erblindung Blindenaugen- bewegungen, noch D~mmerungszittern, welche beiden An0malien doch bei Hunden auftreten ~. Bei dem Kaninchen ist es offenbar, dab der Augenhalteapparat mit der Fusion nicht, s zu tun ha,t, sondern entschei- dend yon ganz anderen Reflexen beherrscht wird wie beim Menschen. Jedenfalls spielt die Fusionstendenz bei ihm keine Rolle, wem~ auch neuere Experimente naehwiesen, dal~ aueh Kaninchen unter besonderen Be- dingungen auf optische Reize ihre Augenstellung andern, d.h. sie be- kamen optokinetischen Nystagmns (Ter Braak ~9). Aus den Beobach- tungen an Mensehen, Hunden und Kaninehen kSnnte man voreilig sehlieBen, dag mit hSherer Entwicklung des Binokularsehens und des Spontanbtiekens in der Tierreihe aueh der Fusionszwang eine grSBere Rolle gegeniiber den iibrigen Haltereflexen spielt. Aber Beobaehtungen an V6geln bringen nns neue Sehwierigkeiten. Einige VSgeI, wie die Rabenkrghen, M6wen, Kormorane, k6nnen ausgezeichnet (wie iibrigens wohl alle V5geI) binokular sehen und spontan blicken. Sie vermggen abet aueh monokular zu fixieren, indem z. B. das eine Auge einen vor- gehaltenen Gegenstand verfolgt, wghrend da.s andere stillsteht s. Abet diese V6gel bekommen weder naeh einseitiger Amaurose eine Sehiel- stelkmg noeh Blindenaugenbewegungen, aueh ist bei ihnen kein Dunkel- zittern zu erzeugen. Wenn diese V5gel binokular sehen wollen, so k6nnen sie sofort die Augen wie bei regelreehter Fusionstendenz dazu riehtig einstellen. Sie haben also eine FusionsmSgliehkeit, die sie, man mSchte sagen, willkiirlich zu benutzen vermSgen. Es mul~ bei ihnen also, trotzdem wit sie doch entwieklungsgeschichtlich unter die S~uger stellen, ein viel ver~dckelterer and hSher entwickelter Zentralnervenapparat in dieser Beziehung bestehen, wie bei uns h5heren Sgugern. Hier liegt meines Er. aehtens ein groges Feld zur anutomisehen und physiologischen Erforschung vet, das uns auch vielleicht fiir den mensehliehen Augenhalteappa.rat weiterbringen k5nnte. Denn gerade die Betraehtung aus der Tierreihe zeigt uns die Schwierigkeiten, den Augehalteapparat and damit die En~stehung der Schielstellung. bei Mensehen zu erkl~ren. Andererseits ersehen wit aber aueh aus dieser Betraehtung, welche Einfliisse die yon Tschermalc erw~hnte ,,P#i]orrnierung" bedingen, sie geniigen bei manchen Tieren, aueh nach Wegfall der FusionsmSglichkeit, d.h. bei einseitiger Amb]yopie die tIaltung dauernd unver£ndert wie bei riehtiger Fusion bestehen zu l~ssen. Man kSnnte fragen, ob die frontale Augenstellung beim Menschen im Gegens~tz zu der seitliehen bei den erwihnten Tieren d~s ~berwiegen der Fusion bei der Augenhaltung des Mensehen herbei- gefiihrt hat. (Oder w~r die Auslese umgekehrt ?) Leider besitzt der einzige Vogel, n~mlich die Eule, der aueh eine frontale Augenste]lung hat, vSllig unbewegliehe Augen, trotzdem er s~mtliehe /~uBeren A ugenmuskeln und die zugehSrigen Augenmuskelkerne und Nerven

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hat 6, ~. Wir k6nnen also in bezug auf unsere Frage an diesem Tier niehts lernen.

Die gesehilderte augerordentliehe Versehiedenheit der reflektorisehen Einfliisse auf die Augmlstellung und -bewegung in der Tierreihe mahnt uns aueh zur grSftten Vorsieht, etwa die Erfahrungen yon Tierexperi- menten in dieser Hinsieht auf den Mensehen zu fibertragen, aueh bezfig- lieh der Nervenbahn. Jede Tierart hat, wie dargestellt ist, ihren be- sonderen Augenhalteapparat. Der Haltealoparat z. B. eines Kaninehens ist fiberhaupt nicht mit dem hSherer S~uger zu vergleichen. Nut pal/~o- eneephale I~eflexe, wie die vestibularen, k6nnen in ihrem Ablauf bei allen Wirbeltieren einigermaften verglichen werden.

Am gande sei folgendes vermerkt : Wenn man die Frage der Halt, e- apparate ffir die Augen bei den versehiedenen Tieren verfolgt, so kommt man sehon zu der letzten Frage fiber Sinn und Zweek bzw. Zweeklosig- keit in der Entwieklung.

Wie erw/~hnt ist, kann man die Einflfisse auf den statischen (Italte-) Apparat nicht isoliert yon dem dynamisehen (Bewegungs-) Apparat betraehten.

Die Frage der Zentren der Augenbewegungen ist noeh sehwieriger wie die der Hattung. Zur Zeit gehen bier die Meinungen noeh sehr aus- einander.

Allgemein wird auf Grund yon klinischen Erfahrungen angenommen, daft bei Mensehen im Furl der zweiten,Stirnbindun 9 eine Stelle sieh be- finder, naeh deren Verletzung oder Reizung eine Bliekbewegung auf- tr i t t , die aber weder rein horizontal noeh rein vertikal ist. Sie ist als Bliekl/~hmung am meisten bekannt. Naeh Muskens 41 ist es keine L/~h- mung, sondern eine Zwangsbewegung. Muskens (S. 101) meint sogar, dab der Beweis der Existenz okulomotoriseher Rindenzentren keineswegs definitiv geliefert sei. Auch Best ~a leugne t einen Grofthirntonus. Es mug aber yon dieser Gegend eine gewisse gegenseitige Hemmung des Eilfflusses stattfinden, der yon der reehten und linken Frontalwindung ausgeiibt wird, sonst k6nnte doeh nieht nach einseitiger Verletzung dieser Gegend eine Abweichung eintreten und naeh Reizung ebenfalls nicht. Also ein Einflug auf den HMtetonus wird sieher ,,'on dieser Stelte aus stattfinden. Nut ist dieser Einflug nieht sehr stark. Naeh einseitigem AusfalI dieser Gegend stellt sieh das Gleichgewieht und die Bewegungs- mSgliehkeit naeh beiden Seiten verhg!tnism/~l~ig bald wieder her. Wenigstens ist ffir unsere bisherigen Untersuehungsmethoden dann ein Unterschied nieht mehr zu entdeeken.

Viele Beobaehtungen spreehen daffir, daft aueh direkt yon der Occil)ital- rinde Angenbewegungen ausgelSst werden kSnnen (Best 4). Ieh babe allerdings an Schwerverletzten des Weltkrieges keine StSrungen beob- aehtet. Die Deutung ist hier ersehwert dureh meist gleiehzeitig vor- handene Ansf/~lle im Gesiehtsfeld. Wenn BliekI~ohmung nach V~rletzm~g

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der Oceipitalrinde auftritt, so wfirde das oben bei Sehadigung der Stirn- windung Ausgeffihrte auch hier zutreffen, d. h. die Oeeipitalrinde beein- fluBt ebenfalls den Haltetofius.

Am wenigsten gesiehert ist am Mensehen die Wirkung des Gyrus angularis auf die Augenmuskeln.

Nach allen klinisehen Erfahrungen/iben die Stammgangtien, also das ext~'apyramidale System, einen EinfluB auf die Augenmuskeln aus. Best t~ meint, die physiologisehe Funktion dieser groBen Ganglien, besonders des Striatum (dem auch Muskens 41 eine Bedeutung zumiBt), sei eine reflektorisehe Regelung. des Muskeltonus ffir automatisehe Bewegungen. Die klinisehen Erfahrungen an Sehaukr/~mpfen weisen auf das Para, striatum hin. Am Menschen wurde der EinfluB dieses Systems besonders dutch Cords 21 naehgewiesen als myostatisehe Starre bei der Encephalitis lethargiea. Fraglieh ist, w elehe besonderen Stammganglien dafiir in Betraeht kommen (s. oben). Ein Einflug dieser Gegend auf den Muskel- tonus ist abet gesiehert. Verwiesen sei auch auf die sparer zu erw~hnenden Experiments yon Ter Braalc 19, naeh denen fiir den subeortiealen opto- kinetisehen Nystagmus das Corpus genieolatum laterale nieht in Betraeht kommt. Es ist noch unklar, we und wieweit auf dem Wege Retina, Optieus bzw. Groghirnrinde-St~mmganglien-Augenmuskelkerne in den St~mmganglien eine Schaltung stattfindet. Auff~llig ist, wie diese extrapyramidalen Zentren unter dem EinftuB der IIirnrinde stehen. Naeh Klemme ae schwanden die Sehaukr~mpfe bei Encephalitis naeh Exstirpation der vorderen Grenze der motorisehen Region der ersten und zweiten Frontatwindung. Nach neueren Untersuehungen mug es unter bestimmten Bedingungen aueh einenqsubeortiealen optokinetisehen Reflexweg geben. Er wurde frfiher sehon angenommen ~, abet lange Zeit angezweifelt. Best 13 hat gewiB Recht, dab der zentrale Reflexweg for den/Fusionszwang nur in der Calcarina gelegen sein kann. Abet die neueren Untersuehungen kSnnen nicht seine Ansieht best/~tigen, dab ,,alle" optisehen t~eflexe fiber das Grol3hirn gehen und nut ffir den Hetligkeitstonus eine direkte Bahn fiber die prim/itch' Ganglien zur Kerngegend". Ter Braalc 19 konnte optokinetisehen Nystagmus im Dreh- zylinder naeh Wegnahme des Groghirns noeh bei Kaninehen, Hunden und Affen erzeugen, dasselbe Brecher ~o an Kaninehen und Visser und Rademalcer 49 an Tauben. Ter Braalc 19 hat dafiir den Ausdruek ,,Stier- n y~t~tgmus" {vom stieren Blick) gepr~igt im Gegensatz zum ,,Schau- nystagmus", dessen Reflexweg Anfmerksamkeit bedingt und deshalb fiber die GroBhirnrinde gehen muB. Ohm ~ betont mit gecht, dab der Ausdruek ,,S'~iernystagmus" leieht miBverst£1~.dtieh ist. Ter Braalc meint vorsiehtig, dait man aus diesen Tierexperimenten besonders bei Allen schliegen k6nnte, dag aueh bei Mensehen ,,Stiernystagmus °' vork£me (er meint also, dab es auch hier einen subcortiealen optokinetisehen Reflexweg g~;be). Ter Braak~ fiihrt dann welter aus, die Klinik kSnne

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das nur mit einiger Sieherheit an l%indenblinden beantworten. Dazu is~ zu sagen, da~ bei P~indenblinden dann aber auch mit Sieherheit das optomotorisehe l%indenfeld im Oeeipita]hirn zerst6rt sein miiBte. Ter Braalc f&hrt dann fort: ,,Insofern es aber fiberhaupt zuI~ssig ist, aus Tierversuchen Sehliisse auf die mensehliche Physiologie zu ziehen, sprechen die erwghnten Versuche fiir die Bejahung der l~rage. Del" Einwand, dM3 der Reflex beim Menschen ,eerebrMisiert" sein kSnnte, verlier~ durch die Beobachtung an Affen viel yon seinem Wert. ~ber die genaue Lage der betreffenden Zentren, welche wohl im Mittelhirn und in der Briieke zu erwarten siad, kSnnten noeh keine genauen An- gaben gemaeht werden. Aul~er Betraeht k/~me jedenfaHs das Corpus geniculatum laterale, d~ es bekanntlich nach Grol~hirn- oder Sehrinden- Exstirpation zugrunde gehe." Es bliebe dann meines Erach~ens haupt. s/~ehlich das Striatum daftir fibrig. Hier h/~tten wit dann ein tonisches oder klonisehes Augenbewegungszentrum, d~ der Thalamus sensoriseh sensible~l Funktionen dient und deshalb nieht in Be~racht komm~. Godlowslci 2s glaubt Mlerdings , ein Zentrum fiir horizontMe assozierte Augenbewegungen im inneren Kern des Thalamus und des ItypothMamuS annehmen zu kSnnen. Dafiir feMen aber meines Eraehtens .die Beweise.

Vietleicht sind auch die yon Rie]cen 4~ mi~ der Spiegelprobe gefundenen Augenbewegungen mindestens zum Tell dureh subcortieMe t%eflexe bedingt, da sie durch Aufmerksamkeit nieht iiberwunden werden kSnnen. Rielcen weis~ darauf hin, dag es sich dabei um eine optostatisehe Zwangs'- bewegung, wie beim Stiernystagmus, handeln kSnne, wenn auch" aus- reichende Beweise daftir beim i~Ienschen noch nieht vorl~gen. Hie r kSnnten me!nes Erachtens aueh die oben aageregten Versuehe a~ Rindenblinden uns weitere Kli~rung versehaffen. Nebenbei sei bemerkt, dM~ die MSg]iehkeit eines subeortieMen Reflex~veges beim Spiegelversuch yon Rielcen, den wir auch best~igen k0nnten, uns zu groBer Vorsieh~ bei der Beorteilung des Sehf/~higkeit, z.B. in der UnfMlbegutachtung mahnt. Es ist sehr. bedauertieh, da~ der friihe Ted den jungen Forseher hinderte in dieser ttinsieht, wie er es beabsiehtigte, seine Methode aus- zubauen.

Die Vierhiigelgegend muI~ naeh unseren klinisehen Erfahrungen irgendwie ftir die Hebung tmd~ Senkung der Augen wiehtig sein. Behr ~ nimm~ hier zwei gesonderte Zentren an, je eines fiir Itebung und Senkung in den hinteren Teilen tier Vierhiigel. Ob yon bier aus ein st~indiger toniseher Einflu8 auf die Augenmuskeln ausgetibt wird, wissen wir nieht. Doch ist dies wahrseheinlieh, da in klinisehen F~llen nach AusschMtung der einen VertikMmotoren, die anderen iiberwogen. Also hielten sie sieh da~s Gleiehgewieht, indem sie sieh gegenseitig hemmten. ~Naeh Muslcens ~1 gibt es VertikMmQtorel~l~hmungen nur bei stri~ren Erkrankungem Kleestadt ~ meint, durch die Beobachtungen yon Spiller sei die Angab~ De]erines erledigt, dM~ der lterd der Vertikalmotoren in den' Vierhiigeln

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liege. Ob es sich um den Herd fiir Vertikalbewegungen, d. h. den einzigen handelt, mag zweifelhaft bleiben. Sieher ist aber, dab unsere klinischen Diagnosen zu oft bei Operationen und Autopsien sich als richtig erwiesen, wenn wir bei StSrungen tier Vertikalmotoren einen Herd in den Vier- hiigeln anrrahmen. Allgemein spricht man. yon einem ,,Blickzentrum" in der Bri~cke, und zwar meist oberhalb der Abducenskerne. Leslie Pator~ verlegt es naeh Behr 1~ in den Zentralkern. Zunachst scheint der Aus- druck ,,Bhek"zentrum nicht passend. ,,Blicken" ist doch ein psychiseher Akt, an die GroShirnrinde gebunden, ein solcher kann web1 schwerhch ,con der Br~ieke ausgelSst warden, aber der Ausdruck ,,pontines Blick- zentrum" ist doeh sehon zu fest eingebiirgert. Dann schein$ as mir mit Marburg fraglieh, ob in der Brticke iiberhaupt ein solches Blickzentrum vorhanden ist, abgesehen yon dem vie1 erSrterten Koordinationszentrum. Man hat es doeh nur angenommen, weil nach Schadigungen in dieser Gegend seitliche Bhcklahmungen eintreten. Dies ist aber doeh geniigend erklart dt~rch die deft vorbeiziehenden Bliekbahnen. Da sie sich bier kreuzen, kommen bei ihrer Schadigung die eharakteristisehen diagnostisch verschiedenen BlicklS~hmungen zustande. Dann ware aueh yon hier aus kein tonischer Einflu$ auf die Augen durch ein Zentrum vorhanden.

Be~ tIerden im retch Kern is t naeh Best Is eine Kombination yon eerebellaren und gegenseitigen Oceulomotorinserseheinungen beob- achtet, bei der Nahe der Oculomotoriuskerne ist es schwierig, bier zu entscheiden, ~Se wait der rote Kern allein auf die Augenmuskulatur einwirkt. Da der rote Kern nach den Beobaehtungen yon Magnus und de Kleyn u.a. eine Rolle beim Tonus der KSrpermuskulatur spielt, so auch wahrseheinlieh auf den Tonus der Augenmuskeln. Per exclusionem kam ieh 3 zu der Vermu~ung, dug der rote Kern und die Substantia nigra mit dem Augenzittern der Bergleute zusammenhang~, das Nahere muB dort naehgesehen werden. Ein anatomischer Beweis dafiir fehlt. Im 2. Tell dieser Arbeit kommen wir darauf zuriiek.

Das Kleinhirn ist ein ausgesproehenes Tonuszentrum ftir die KSrper- muskulatur. Es W~re deshalb merkwiirdig, wenn as den Tonus der Augenmuskeln nieht beeinflul]te. Dafiir spreehen aueh die zahlreieh naehgewiesenen Verbindungen zum hinteren Langsbiindel und zu der Vestibulariskerngegend. Bemerkenswert ist ferner, dab bei SingvSgeln eine siehere Trennung der Vestibulariskerne yon den Kernen des Cere- bellum histologisch kaum mSglich ist i0 (s. Abb. 10 und 11 der Arbeit, bei Abb. 11 ist die Beschriftung verdruckt, hinter D.d.s. [d. 1/. Nucleus Deiters superior] gehSrt [Gemetli ?] und deft we [Gemelli ? ] steht, mu$ es Laminaris heiBen). ,Wahrscheinlich spielt bei dan meisten Tieren das Kleinhirn eine grSBere l~olle wie beim Menschen, andererseits sind bei Lasionen des Kleinhirns unsere klinisehen Erfahrungen in bezug auf die Augenmuskeln sehwer einheitlieh wegen der N/~he der :Briieke zu deuten. Ein Einflu$ des Kleinhirns besteht sicher, wie auch die ~nde.

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rung des Nystagmus bei Kleinhirnsehgdigung beweist. Ob vom Klein- hirn selbst Nystagmus'ausgelSst werden kann, ist iIamer noch nicht entsehieden. Die ~Tbertragung yon Tierversuchen auf den Menschen ist, wie erwghnt, nur sehr bedingt mSglich. Wir mfissen uns damit bescheiden, dab irgendwie ein EinflnB auch auf die Augenmuskulatur yore Kleinhirn ausgefibt wird.

Muskens 41 nimmt, wie erwi~hnt .ist, drel Reflexzentren im AnschluB an seine Beobaehtungen an VSgeln an (s. das Obengesagte fiber die Schlfisse aus Tierversfichen auf die menschliche Physiologie). 1. Primi~r in den vestibul~ren Kernen evtl. auch in den Hinterstrangkernem 2. Sekunditr in den Commissurenkei'nen und Nucleus spiriformis sowie viellaicht im Nucleus anterior thalami. 3. In verschiedenen pal~ostriaren Ker'nen. Die yon ibm zu 1. und 2. angenommenen, mit Ausnahme des Thalamus, sind wohl, ~de auch aus dieser bisherigen Darstellung hervor- geht, am besten begrfindet. Ohm 4~ hat die Schaltung in den Commissuren- kernen in seinen Grundplan der Augenbewegung fibernommen., Er zeichnat die Bahnen yore Corpus striatum fiber diese Xerne zu den Vastibulariskernen. ~ieines Erachtens "wissen wir fiber den Einflul~ der Kerne der hinteren Commissuren nichts Sicheres.

Dasselbe trifft auch anf die Substantia ¢eticuh~rls zu, die, wie oben erwghnt ist, Edinger als das Assoziationsfeld der Medulla oblongata bezeichnete. D-ber diese Gegend wissen wir eigentlieh nut dureh die Tierexperimente yon I~orento de N6 a~ und Spiegel a~, dal~ sie irgendwi~ mit den Augenbewegnngen zu tun hat. Der erstere Autor verlegte die schnelle PhaSe des Nystagmus in die Substantia reticularis, was Spiegel bestritt (s. o.). Die Substantia reticularis scheint eine Art Ersatz fiir das hintere LangsbfindeI abgeben zu kSnnen. Es ist auch m5glich, dat~ manche Vorggnge, die zur Zeit in die VestJbulariskerngegend lokalisiert warden, in der Substantia retieularis mit seinem Fasergewirr sich ab- spielen.

Ein Hauptzentrum fiir die Augenbewegungen, nach Ohm das Zentrum, liegt, wie mehrf£ch erwghnt ist, in der Gegend der Vestibularis£'erne. Dort muB mindestens ein sehr wichtiges Koordinationszentrum liegen ffir einen Tail der Bliekbewegungen der reflektorischen Hals-, Labyrinth- und optokinetischen Reflexe. Ob in den Vestibulariskernen selbst und wenn in diesen, ob in den primgren oder~ sekundiiren ist vSllig unbekannt. Oben ist schon darauf hingewiesen, daI] bei manchen Tieren eine Tren- nung der Kleinhirnkerne yon den Vestibulariskernen, besonders yore Nucleus Deiters. dorsalis fast unm6g]ich ist. Nach Ohm sind die Vesti- bulariskerne ja das Augenmuskelzentrum, zu dem und yon dem (,,Augen: muskelsender") alle Augenbewegungsreflexe gehen. Die bisherige Dar- ste]lung zeigte schon, dab dies nich~ notwendigerweise zuzutreffen braucht. Muskens ~1 sagt fiber die Beteiligung der Vestibulariskerne mit t~echt : ,,Obwohl man den vestibularen EinfluB auf die Augenbewegungen

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kaum zu hoch veranschlagen kann, so sind doch andere Beobachtungen geeignet, vor einer T3bertreibung in dieser Hinsicht zu warnen, wenigstens was den Mensehen betrifft." Muskens erirmert an den Fall yon Spiller, der aueh nach Erweiehung beider Nuclei triangulares (die zu den Vesti- bul~rkernen gehSren) normale Augenbewegungen beobaehtete. Da- gegen stellten allerdings Spiegel und DemeSriades as Ausfall der Augen- bewegungen naeh experimenteller Vernichtung der Vestibulariskerne lest. Sie hatten aber nieh~ ledigtieh die N. tri~ngulares zerstSrt, was experimentell isoliert aueh wohl k~um mSglich ist. Erwi~hnen kaml man vielleicht in diesem Zusammenliange, dab bei den Eulen, die keine Augenbewegungen hervorbringen k51men, zw~r wie erw/~hnt, die Augen- muskelkerne vorhanden sind, die No triangulares aber ganz verkiimmert sind und bei diesen Tieren yon den bei den Eulen riesigen ItSrkernen ganz zusammengedr/~ng~ sind. Die iibrigen Vestibulariskerne sind bei ihnen aber mgehtig entwickelt, l0 (s. Abb. 45 und 46). Anf Grund yon Tier- experimenten und klinischen Beobaehtungen kann man als wahrschein: tich annehmen, dab die caud~len Teile der Vestibulariskerngegend melir den horizontalen, die oralen mehr den vertikalen Augenbewegungen dienen, wenigstens in bezug auf den vestibuliren Iqystagmus. Wir miissen immer wieder betonen, dab mit Sicherheit in dieser Gegend nur fiir Augenbewegungen auf vestibulare Reize bier ein Koordinations- zentrum angenommen werden kalm. Dies untersteht aber bei Mensehen aueh fiir~vestibulare Erregungen noch hSheren Zentren. Das beweisen unt.er anderem die aueh yon Hofmann ~i erw/~hnten Experimente yon Graham.Brown usw. Ein abgeklungener bzw. zum Versehwinden ge- braehter Vestibul£rnystagmus trat nach Schgdigungen bzw. Erregungen der frontalen Bliekzentren wieder auf. Danaeh is~ also das Funktio- nieren dieses Koordinationsapparates bei hSheren S/~ugern viel kompli- zierter als z. B. bei Fischen und Kaninehen. Bei letzteren ist der EinfluB der GroBhirnrinde nieht so stark ausgesproehen. Bei den hSher Organi- sierten werden ja such sehon durch Blickbewegungen vestibulire Erre- gungen unterdriickt oder gesteigert. Die spontanen Bliekbewegungen fehlen aber, wie erw/~hnt, den Kaninehen. Es ist nun durchaus mSglieh, dab es auch noch hSher gelegene Koordinationszentren wie das in der Vestibulargegend ftir Augenbewegungen gibt. Diese kSnnten dann direkt ih~re Erregungen zu den Augenmuskelkernen ,,senden". ,,Sender" sind im iibrigen alle die vorhergenannten Zentren, die den Augenmuskel- bonus beeinflussen.

Ohm 41 hat sieh der dankenswer~en }Ifihe unterzogen, in einem Grtmd- plan die bisherigen Ergebnisse der Forsehung der Bahnen und Zentren der Augenbewegungen ldarzustellen. Sie stimmen mi~ den meisten iiberein, die im Sehrift~nm niedergelegt sind. Manehe sind noch um- strR~en, ~de ]~ auek aus den bisherigen ]~rSrterungen herv0rgeht. Yor allem, ob alle in seinem ,,Augenmuskelsender" endigen. D~rauf rafissen

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wir spiiter in einem 2. Tell eingehen. Ums~ritten ist noch, ob die -con Ohm yon den versehiedenen Brodmannsehen Feldern der OccipitMrinde abge]eiteten Bahnen zutreffen. Das kSnnten ers~ mfihsame experimen- telle und klinische Beobachtungen lehren. Dabei muB aber ~ gerade, wie immer wieder betont sei, bei den Augenbewegungen auf die Ver- sehiedenheit der Regulierung der Augenstellung in der WirbeltierrMhe ~ufmerksam gemacht werden. :Es kSnnen ~ierexperiment~elle :Ergebnisse gerade flit die hSheren Augenbewegungen nich~ ohne weiteres auf den Mensehen iibertragen weriten. Dies kann wohl bei den pal~oencephMen Reflexen, wie bei den Yestibularis-, HMs-Reflexen auf die Augenbewe- gungen geschehen. Bezfiglieh der Felder der Oeeipitah'inde ist aueh die ~fahnung yon Best la zu beherzigen, der sagt, ,,es fehlt der Schlfissel zum Verst/~ndnis der den verschiedenen Feldern entsprechenden funktio- nellen Bedeutung fast durehgehend". Sicher~estellt ist wohl nur, da$ die optiseh-motorische Bahn des/-Iinterhauptlappens yon seinem late- rMen Tell ausgeht, und zwar wahrseheinlieh direkt zu den Augenmuskel- kernen bzw. vorher zu einem Koordinationszentrum. Aus den bisherigen ]~rSr~erungen geht hervor, wie weir sieh der ,,Grundplan" yon Ohm mit den in dieser Arbei~ niedergelegten Ansieh~en deekt. :Es feh1~ in ibm die yon Ter Braak ~9 siehergestellte subeor~ieale optokinetisehe Reflexbahn.

Zugammen/assung.

Ein Koordin~t.ionszen~rum fiir die Augenbewegtmgen mul~ vor- handen sein; fraglich ist aber, ob nur eines. Ffir die optisehen, vesti. bulaxen und l=falsreflexe liegt es wahrscheinlich in der Gegend der Vesti- bulariskerne, sein Tonus wird aufreeht erhM~en durch peripher sensible, sensorisehe und zentrMe Erregungen. Gin ]~igentonus is~ unwahrschein- lieh. Fiir die Erkl~rung der Sehielstellung beim Mensehen ist die Tonus- frage wesentlich; fiir die tteterophorie, besonders fiir die Orthophorie, sind vielleicht pM~oencephMe Reflexe auch beim "Menschen yon Einflul~. Wa, hrend beim Menschen die Fusion die I-Iauptrolle spiel~ und deshMb d~s Auge in Schielstellung geht, wenn die Fusion nicht mSglich ist, ist die Fusionsstellung bei Tieren dutch /~ltere Reflexe geregelt; sie bekommen bei Schwa, chsiehtigkeit keine Sehielstellung, bei einigen Tieren kunn die Fusionss~ellung willkfirlich ein- und ausgeschMtet werden. Beim Menschen hat nicht nur die GewShnung naeh einseitiger Amblyopie naeh AusschMtlmg der Fusion noch einen EinfluB, so da$ die Augen nicht sofor~ in Schielstellung gehen, sondern die S~ellungs- innervation ist yon den vieIen anderen phylogenetisch /~lteren Ein- fliissen abh/~ngig. Das bedeutet auch wa.hrscheinlich die yon Tschermak angenommene ,,Pr~formierung"

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