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AUSGESTALTUNG DER
LOKALEN HÖRFUNKLANDSCHAFT
IN BADEN-WÜRTTEMBERG 2025
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK)
AUSGESTALTUNG DER LOKALEN
HÖRFUNKLANDSCHAFT IN
BADEN-WÜRTTEMBERG 2025
AUFTRAGGEBER
Landesanstalt für Kommunikation
Baden-Württemberg (LFK)
Herr Thomas Rathgeb
Leiter der Abteilung Medienkompetenz,
Programm und Forschung
Reinsburgstraße 27
70178 Stuttgart
STUDIE DURCHGEFÜHRT VON
Goldmedia GmbH Strategy Consulting
Prof. Dr. Klaus Goldhammer
Tim Prien, M.A.
Johannes Renger, M.A.
Oranienburger Str. 27 | 10117 Berlin-Mitte
Tel. +4930-246266-0 | Fax +4930-246266-66
www.Goldmedia.com
Stuttgart/Berlin, September 2017
Coverfoto: © Benicce – Fotolia.com
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Redaktionsschluss: 04.10.2017
Ausgestaltung der lokalen Hörfunklandschaft in Baden-Württemberg 2025 Seite 1
Inhaltsverzeichnis
1 Zusammenfassung und Fazit ................................. 3
2 Auftrag und Fragestellung .................................... 4
2.1 Auftrag und Ziele des Gutachtens ................................................... 4
2.2 Methodik und Hintergründe des Gutachtens ................................... 4
3 Modul I: Analyse des Status quo ........................... 6
3.1 Stand der Hörfunk-Digitalisierung in Europa .................................... 6
3.2 Der deutsche Hörfunkmarkt im Überblick ........................................ 9
3.3 Technisch-strukturelle Rahmenbedingungen ...................................12
3.3.1 Technische Distributionswege im Überblick .................................... 12
3.3.2 Endgeräte zum Hörfunk/Audio-Empfang ........................................ 15
3.3.3 Angebotsdistribution in Baden-Württemberg ................................. 21
3.3.4 Ausbaupläne zur Digitalisierung des Hörfunks ................................ 24
3.4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen des Hörfunks .........................27
3.4.1 Anbieterstrukturen ......................................................................... 27
3.4.2 Aufwand und Erträge im Hörfunk in Deutschland .......................... 29
3.4.3 Entwicklung der Werbemärkte ....................................................... 31
3.4.4 Einwohner und Hörerbasis ............................................................. 41
3.4.5 Radionutzung ................................................................................. 41
3.4.6 Marktkräfte der Digitalisierung des Hörfunks.................................. 44
3.5 Zwischenfazit: Status quo des Hörfunkmarktes Baden-Württemberg 52
4 Modul II: Prognosen zur Entwicklung der
Hörfunklandschaft ................................................ 53
4.1 Methodik der Forecast-Analyse ......................................................53
4.2 Forecast-Ergebnisse ......................................................................54
4.2.1 Makroökonomische Entwicklungen ................................................ 54
4.2.2 Population und Nutzerbasis ............................................................ 54
4.2.3 Endgeräte-Entwicklung .................................................................. 55
4.2.4 Werbemärkte ................................................................................. 57
4.2.5 Wirtschaftliche Entwicklung des Hörfunkmarktes ........................... 59
4.3 Zwischenfazit: Hörfunkmarkt bleibt fragil .......................................62
5 Modul III: Experteninterviews ............................. 63
6 Szenario-Analysen zur Zukunft des
Hörfunkmarktes .................................................... 65
6.1 Zur Methodik der Szenario-Analyse ................................................65
6.2 Überblick der Szenario-Modellierung .............................................68
6.2.1 Szenario 1: Starker Hörfunk dank DAB+ ......................................... 68
6.2.2 Szenario 2: Fragmentierter Markt analog & digital .......................... 69
6.2.3 Szenario 3: Streaming ersetzt Terrestrik .......................................... 70
6.2.4 Szenario 4: Radio weiter analog, Streaming stark ........................... 71
Ausgestaltung der lokalen Hörfunklandschaft in Baden-Württemberg 2025 Seite 2
6.3 Ergebnisse der Szenario-Modelle ...................................................72
6.3.1 Starker Hörfunk dank DAB+ ........................................................... 72
6.3.2 Fragmentierter Markt analog und digital ........................................ 72
6.3.3 Streaming ersetzt Terrestrik ............................................................ 73
6.3.4 Radio weiter analog, Streaming stark ............................................. 74
6.4 Zwischenfazit: Digitalisierung stellt den Hörfunkmarkt vor größere
Herausforderungen ......................................................................75
7 Handlungsoptionen .............................................. 76
7.1 DAB+ braucht eine starke (Simulcast-) Förderung, um sich
durchzusetzen .............................................................................76
7.2 Eine Zukunftsstrategie für den Hörfunk sollte auch Streaming
berücksichtigen ............................................................................76
7.3 Handlungsfeld Lizenzierungspolitik ................................................77
7.3.1 Lizenzierung von Funkhausmodellen .............................................. 77
7.3.2 Gestattung von Programmkooperationen ....................................... 78
7.3.3 Kombi-Ausschreibungen für DAB+-Multiplexe? .............................. 79
7.3.4 Lizenzierungsmodell-Optionen in der Übersicht .............................. 79
8 Literatur ................................................................ 81
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 3
1 Zusammenfassung und Fazit
Dieses Gutachten zur „Ausgestaltung der lokalen Hörfunklandschaft in Baden-
Württemberg 2025“, das die Goldmedia GmbH Strategy Consulting im Auftrag
der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) Anfang 2017 realisiert hat, kommt zu
folgenden Ergebnissen:
Kernergebnisse der Prognose-Rechnungen
▪ Die Einwohnerzahlen und damit die Zahl der potenziellen Hörer wächst in Ba-
den-Württemberg deutlich: Durch Zuwanderung und Flüchtlinge wird die Be-
völkerungszahl bis 2025 um mindestens 570.000 Einwohner ansteigen.
▪ Das Smartphone ist „Endgeräte-Sieger“: 87% aller Haushalte werden 2025
über mindestens ein Smartphone verfügen.
▪ Streaming-Angebote wie klassisches Webradio oder Musikstreaming-Dienste ent-
wickeln sich weiter und gewinnen an Relevanz.
▪ DAB+ Geräte: Von heute 14,5 Prozent startend, werden in Baden-Württem-
berg rd. 42 Prozent der Haushalte 2025 mindestens einen DAB+ Empfänger
haben. Dies entspricht rund 2,1 Mio. Haushalten. Bis 2025 werden zudem rd.
35% aller Pkw in Baden-Württemberg ein Empfangsgerät für DAB+ haben.
▪ Der Hörfunk-Werbemarkt bleibt zyklisch und konjunkturabhängig: Goldmedia
erwartet einen Anstieg bis 2021 auf rd. 68 Mio. Euro in Baden-Württemberg,
dann ist ein Absinken bis 2025 auf 59 Mio. Euro möglich.
▪ Klassisches Radio bleibt bis 2025 weiter relevantes Massenmedium trotz leicht
sinkender Reichweiten wegen des steigenden Streaming-Wettbewerbs. Dieser
bietet aber auch für die Anbieter zusätzliche Verbreitungschancen.
Kernergebnisse der Szenarioanalysen und Handlungsoptionen
▪ Egal welche Szenario-Annahme: Der Nutzungs-Marktanteil für Simulcast-
Streaming wird immer rd. 20-30% erreichen. Hier könnte sich die LFK positi-
onieren und Radio-Anbieter im Wettbewerb unterstützen.
▪ DAB+ kann sich vor allem mithilfe einer von der LFK initiierten Förderpolitik
durchsetzen. Ansonsten droht eine Doppel-Versorgung mit unklaren Perspek-
tiven für die Anbieter aufgrund des Wettbewerbsdrucks aus dem Streaming-
Bereich.
▪ Ein realitätsnahes „Status quo“-Szenario führt zu schwierigen Marktverhält-
nissen für Hörfunk-Anbieter. Daher bietet sich für die Zukunft an, verschie-
dene, offenere Lizenzierungsmodelle zu prüfen. Dazu zählen ebenso Pro-
grammkooperationen wie Funkhausmodelle und Kombi-Ausschreibungen für
DAB-Plattformbetreiber. Weiter sind die Netzabdeckung und ein kommuni-
ziertes Abschaltdatum relevante Faktoren.
▪ Die inhaltliche Lokalität der baden-württembergischen Lokalradio-Anbieter ist
dabei ebenso eine wichtige Zielgröße wie die wirtschaftliche Stabilität. Diese
Ziele lassen sich durch eine substantielle Gestaltung der LFK bis 2025 errei-
chen.
Die Ergebnisse und deren Herleitung werden nun detailliert diskutiert.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 4
2 Auftrag und Fragestellung
2.1 Auftrag und Ziele des Gutachtens Im Oktober 2016 hat die Landesanstalt für Kommunikation (LFK) ein Gutachten
zur „Ausgestaltung der lokalen Hörfunklandschaft in Baden-Württemberg 2025“
ausgeschrieben und am 7. Dezember 2016 die Goldmedia GmbH Strategy Con-
sulting mit der Erstellung beauftragt.
Neben den öffentlich-rechtlichen Angeboten des SWR und des Deutschlandradios
sind über UKW auf privater Seite ein landesweites Jugendradio, zwölf Lokalanbie-
ter sowie drei Regionalanbieter in Baden-Württemberg auf Sendung. Hinzu kom-
men zwölf Anbieter für nichtkommerziellen Lokalfunk (NKL), vier Lernradios sowie
vier weitere bundesweite kommerzielle Hörfunkanbieter (sog. „Nr. 7-Pro-
gramme“). Nach dem Start des bundesweiten DAB+-Multiplexes kamen zudem
neben den öffentlich-rechtlichen weitere vier private Angebote in Baden-Württem-
berg hinzu1.
Diese heterogene, gewachsene Hörfunk-Struktur in Baden-Württemberg gilt es zu
analysieren, um zukunftsweisende Szenarien für die weitere Entwicklung des Hör-
funkmarktes bis 2025 zu erstellen.
2.2 Methodik und Hintergründe des Gutachtens
Die digitale Transformation bringt für nahezu alle Wirtschaftsbereiche große Um-
brüche. Im Medienbereich sind die stark unter Druck geratenen Tageszeitungen
das wohl populärste Beispiel für die Herausforderungen, welche die Digitalisierung
für lange zuverlässig funktionierende Geschäftsmodelle mit sich bringen kann.
Auch die Hörfunkbranche befindet sich aufgrund der an Popularität gewinnenden
Online-Streaming-Angebote und der voranschreitenden Digitalisierung der terrest-
rischen Empfangswege in einem laufenden Veränderungsprozess - wenngleich
auch nicht verbunden mit ökonomischen Problemen, wie in der Presse.
Aus den erkennbaren Umbrüchen des Hörfunkmarktes ergeben sich aber speziell
für die LFK als Regulierungsbehörde grundlegende, strukturelle Fragen, wie eine
zukünftige Hörfunklandschaft Baden-Württembergs auszugestalten ist, insbeson-
dere auch mit Blick auf gewachsene Marktstrukturen mit lokalen, regionalen, lan-
des- und bundesweiten Hörfunkanbietern.
Besonders relevante Aspekte für dieses Gutachten sind in diesem Zusammenhang
unter anderem
▪ die voraussichtliche Entwicklung der technischen und wirtschaftlichen Rah-
menbedingungen für (digitalen) Hörfunk,
▪ relevante Einflussfaktoren auf den zukünftigen Erfolg verschiedener Hörfunk-
Verbreitungswege und ihre mögliche Ausprägung,
1 Vgl. http://www.mediendaten.de/medienthemen/medienstandort-baden-wuerttemberg/privater-
rundfunk/hoerfunk/ und http://www.landeskunde-baden-wuerttemberg.de/medien_rundfunk.html
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 5
▪ Auswirkungen möglicher Entwicklungen auf die wirtschaftliche Situation der
Anbieter verschiedener privater Hörfunkformen (lokal, regional, landes-/bun-
desweit),
▪ Perspektiven für den erfolgreichen Ausbau digitaler Hörfunk-Infrastrukturen
▪ sowie lizenzpolitische Rahmenbedingungen, um den digitalen Wandel im Hör-
funk substantiell und im Interesse des Erhalts der Meinungsvielfalt im Rund-
funk zu gestalten.
Gemäß der Ausschreibung der LFK widmet sich Goldmedia diesen und weiteren
Zukunftsfragen zum baden-württembergischen Hörfunk in diesem Gutachten an-
hand von drei Modulen.
▪ Modul 1 analysiert zum einen den Status quo der Hörfunklandschaft in Baden-
Württemberg und bietet zum anderen Prognosen für die Entwicklung bis
2025. Hierbei werden die bedeutendsten Kenngrößen für den Hörfunkmarkt
berücksichtigt, so u.a. die gesamtwirtschaftliche und die demografische Ent-
wicklung, die Reichweiten des Hörfunks und seiner näheren Konkurrenzpro-
dukte, die Ausstattung mit digitalen Radiogeräten und die Ertrags- und Auf-
wandssituation des privaten Rundfunks.
▪ Modul 2 beschreibt verschiedene von Goldmedia erarbeitete Szenarien, die
mögliche Entwicklungen des baden-württembergischen Hörfunkmarktes bis
2025 aufzeigen. Der Modellierung dieser Szenarien liegt auf Basis der Exper-
tengespräche (vgl. Modul 3) eine Auswahl von Einflussfaktoren zugrunde, de-
ren Ausprägung sich jeweils von Szenario zu Szenario unterscheidet. Dabei
werden politische, technische und wirtschaftliche Einflussgrößen berücksich-
tigt. Der Vergleich der Szenarien-Ergebnisse ermöglicht Rückschlüsse darauf,
wie die digitale Transformation des Hörfunks in Baden-Württemberg gestaltet
werden kann. Ein sogenannter „Custom Case“ ermöglicht zudem eine inter-
aktive Modellierung, sodass für eine Vielzahl von Kombinationen unterschied-
lich ausgeprägter Einflussfaktoren eine Entwicklung des Hörfunkmarktes bis
2025 auf Basis des Goldmedia Modells errechnet werden kann.
▪ Im Rahmen von Modul 3 hat Goldmedia insgesamt 16 Expertengespräche mit
Branchenvertretern geführt. Darunter sind Repräsentanten von privaten und
öffentlich-rechtlichen Hörfunkanbietern, Medienpolitiker sowie Vertreter von
Branchenverbänden. Die Gespräche wurden anonymisiert geführt, um mög-
lichst offene Antworten zu generieren. Daher werden die Gesprächsnotizen
und ihre Auswertung hier nicht gesondert ausgeführt werden. Die Ergebnisse
dieser Expertengespräche dienen als eine Grundlage und zur Überprüfung der
Szenarien in Modul 2, gleichzeitig aber auch der Validierung der Ergebnisse
aus Modul 1 und 2.
Die Methodik der verschiedenen Ansätze dieses Gutachtens wird im Zusammen-
hang mit der Ergebnisübersicht einzeln erläutert (vgl. Kap. 4.1 und 6).
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 6
3 Modul I: Analyse des Status quo Radio zählt für die große Mehrheit der Bevölkerung weiter fest zum Medienreper-
toire: 78,1 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung hören werktäglich Radio.2
Die Digitalisierung wird von Hörfunkanbietern auf vielfältige Weise substantiell
mitgestaltet, beispielsweise durch eigene Streaming-Angebote und zusätzliche In-
teraktionsmöglichkeiten für die Hörer im Internet sowie durch die zunehmende
digitale Verbreitung bestehender sowie neuer Hörfunkangebote über DAB+.
Mit der Auswahl des zweiten bundesweiten DAB+-Multiplex Plattformbetreibers
Antenne Deutschland durch die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) der Landes-
medienanstalten im Juni 2017 hat ein Zusammenschluss erfahrener Netzbetreiber
und Programmanbieter den Zuschlag für den Ausbau des digitalen Hörfunkstan-
dards erhalten.3 Mit bis zu 18 neuen nationalen privaten Angeboten werden
dadurch das Angebotsspektrum von DAB+ und damit Vielfalt und Auswahl für die
Hörer im digitalen Radiostandard deutlich erweitert.
Zugleich bringt die Digitalisierung auch branchenfremde Player in den Markt, vor
allem im Onlinebereich: So bündeln beispielsweise Aggregatoren wie radio.de,
phonostar oder TuneIn Radio-Livestreams und generieren dabei einerseits neue
Reichweiten, können aber andererseits dadurch neue Gatekeeper-Funktionen ein-
nehmen. Daneben erzielen Musikstreaming-Dienste wie Spotify, Amazon Music
oder Deezer, insbesondere bei jüngeren Zielgruppen, zunehmende Reichweiten.
Bei diesen Diensten steht die Frage im Raum, ob sie eine Konkurrenz für klassische
Radioangebote darstellen oder ob die Nutzung solcher Angebote zusätzlich zur
Radionutzung stattfindet. Umgekehrt können Musikstreaming-Dienste auch für
die klassischen Radioanbieter eine Chance sein, als neue Vertriebswege Hörerkreis
und Markenbekanntschaft zu erhöhen.
Um den aktuellen Entwicklungen angemessen Rechnung zu tragen, wird im ersten
Modul zunächst die aktuelle Lage des Hörfunks unter technischen, strukturellen
und wirtschaftlichen Gesichtspunkten analysiert. Der Schwerpunkt wird dabei auf
die Situation in Baden-Württemberg gelegt, teilweise wird zur besseren Einord-
nung auch Bezug auf die Situation in Deutschland sowie im Ausland genommen.
Auf dieser Grundlage werden im zweiten Modul die Szenarien gebildet.
3.1 Stand der Hörfunk-Digitalisierung in Europa
Eine Betrachtung zum Stand der Radiodigitalisierung in Europa ergibt zunächst ein
disperses Bild: In Nordeuropa4 stechen insbesondere Norwegen und Dänemark mit
einer nahezu vollständigen technischen Abdeckung hervor (Norwegen: 99,5 Pro-
zent der Bevölkerung, Dänemark: 98 Prozent).
2 Media-Analyse 2017 Radio I 3 Vgl. http://www.die-medienanstalten.de/presse/pressemitteilungen/die-medienanstalten/detailansicht/arti-
cle/die-medienanstalten-pressemitteilung-102017-zweiter-bundesweiter-dab-multiplex-gvk-macht-an-tenne.html
4 Die geografischen Einteilungen europäischer Länder erfolgen hier analog zur Klassifizierung der Vereinten
Nationen, s. United Nations (o.J.)
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 7
In beiden Ländern ist DAB(+)5 im Regelbetrieb verfügbar. In Norwegen wurde die
UKW-Abschaltung im Januar 2017 eingeleitet und soll innerhalb von 12 Monaten
in allen Regionen Norwegens erfolgen. Davon ausgenommen sind zunächst ledig-
lich kleinere Lokalanbieter sowie Community-Anbieter, für die verlängerte Über-
gangsfristen gelten.6
Abb. 1: Technische Abdeckung mit DAB/DAB+ in Europa, in Prozent der
Bevölkerung, 3/2017
Quelle: WorldDAB; Datenabruf am 03.03.2017; Daten für einzelne Länder können älter sein
In Dänemark sollen UKW-Frequenzen abgeschaltet werden, sobald die Digitalhö-
rerquote 50 Prozent erreicht hat – momentan liegt die Quote erst bei 36 Prozent.7
Schweden dagegen befindet sich noch in einer Digitalradio-Testphase und hat den
Wechsel von UKW zu DAB+ vorläufig gestoppt.8
5 Die in diesem Kapitel genannten Länder senden teilweise sowohl DAB als auch per DAB+ . Die Prozentwerte
für die techn. Abdeckung beziehen jeweils beides additiv mit ein, sofern nicht anders vermerkt. 6 WorldDAB (2017b) 7 WorldDAB (2017a) 8 Fuhr, M. (2015): „Schweden und Niederlande wollen UKW-Hörfunk nicht abschalten“, online:
https://www.teltarif.de/dab-dab-plus-digitalradio-multimedia/news/60186.html, abgerufen 06.03.2017; WorldDAB (2016)
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 8
Das Vereinigte Königreich (UK) gilt als Vorreiter bei der Digitalisierung und weist
eine technische Abdeckung von 97 Prozent der Bevölkerung auf, 87 Prozent der
Neuwagen in UK werden serienmäßig mit DAB/DAB+-Geräten ausgestattet.9
In Osteuropa hingegen ist die technische Abdeckung deutlich geringer: Während
Polen (56 Prozent), Tschechien (58 Prozent) und Slowenien (73 Prozent) bereits
mehr als die Hälfte der Bevölkerung über DAB erreichen, wird in der Slowakei (24
Prozent), Ungarn (30 Prozent) oder Rumänien (10 Prozent) deutlich weniger als die
Hälfte der Bevölkerung erreicht.
In Südeuropa zeigt insbesondere Italien eine relativ hohe Abdeckung und versorgt
drei Viertel der Bevölkerung (75 Prozent), während in Spanien rechnerisch lediglich
jeder fünfte Einwohner mit Digitalradio erreicht wird (20 Prozent).
Tab. 1: Technische Abdeckung mit DAB/DAB+ in Europa, 3/2017
Land Digitalangebote Technische Abdeckung
Einwohner Einwohner pro Digitalangebot
DAB DAB+ in Prozent in Mio. in Tsd.
Norwegen 63 45 99,50% 5,1 47
Schweiz 15 121 99,50% 8,1 60
UK 487 8 97,00% 64,1 129
Irland 21 10 56,00% 4,6 148
Niederlande - 112 95,00% 17 152
Slowenien - 12 73,00% 2,1 175
Dänemark 14 14 98,00% 5,6 200
Schweden 10 16 35,00% 9,1 350
Tschechien - 29 58,00% 10,5 362
Belgien 16 12 95,00% 11 393
Italien - 136 75,00% 60,8 447
Deutschland - 150 96,00% 81,6 544
Frankreich - 115 19,00% 63 548
Österreich - 15 29,00% 8,5 567
Slowakei - 8 24,00% 5,4 675
Polen - 28 56,00% 38,5 1.375
Ungarn - 7 30,00% 9,9 1.414
Spanien 18 1 20,00% 46,4 2.442
Rumänien 6 - 10,40% 20 3.333
Quelle: WorldDAB; Datenabruf am 03.03.2017; Daten für einzelne Länder können älter sein; Sortierung nach
Bevölkerungsabdeckung aufsteigend
In Westeuropa gibt es in den Niederlanden (95 Prozent), Belgien (95 Prozent) und
insbesondere in der Schweiz (99,5 Prozent) sehr hohe Digitalradio-Abdeckungen.
In der Schweiz ist ein Übergangsprozess definiert, der zunächst Marketing- und
Kommunikationsmaßnahmen mit begleitender Hörerforschung bis 2019 vorsieht
9 WorldDAB (2017c)
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 9
und im Anschluss eine phasenweise Abschaltung der UKW-Angebote in den Jah-
ren 2020 bis 2024 einläutet.10
In Frankreich beträgt die Abdeckung hingegen lediglich 19 Prozent. In 2017 wird
DAB+ dort insbesondere in Straßburg, Lille und Lyon weiter ausgebaut, die großen
Privatradiogruppen RTL, Lagardère, NRJ und NextRadioTV beteiligen sich allerdings
nicht daran, sondern bauen auf eine Verbreitung über mobiles Internet.11
Bei einer Analyse fällt auf: Länder, in denen die DAB+-Einführung in konkrete
Übergangsprozesse gemündet sind, zeigen ein sehr niedriges Verhältnis von Ein-
wohnern pro Digitalradioangebot: In Norwegen und der Schweiz kommen 47.000
bzw. 60.000 Einwohner auf ein Angebot im Digitalradio. In Deutschland liegt diese
Zahl mit 544.000 Einwohnern pro Digitalradioangebot deutlich höher.
3.2 Der deutsche Hörfunkmarkt im Überblick
In Deutschland können bis zu 96 Prozent der Bevölkerung Digitalradio via DAB+
technisch empfangen. Unterschieden wird zwischen einer „Portablen Indoor“-Ver-
sorgung12 und einer „Mobilen“ Versorgung über DAB+ (Abb. 2).
Indoor werden bisher 82,2 Prozent der Einwohner erreicht, das entspricht einer
Flächenabdeckung von 73,1 Prozent. Mobil werden hingegen bereits 95,8 Prozent
der Bevölkerung erreicht, was eine Flächenabdeckung von 91,7 Prozent bedeutet.
Abb. 2: Bundesweites DAB+ Netz im Kanal 5C, 2016
Versorgung 110 Senderstandorte (Ende 2016)
Versorgt mit
Portabel Indoor
Mobil
Versorgte Einwohner
67,6 Mio. 78,9 Mio.
In % 82,2 95,8
Versorgte Fläche (km2)
261.699 328.174
In % 73,1 91,7
Quelle: Media Broadcast (2016)
Der technische Aufbau des ersten bundesweiten Multiplex im Kanal 5C wird in
Deutschland über den Service Provider Media Broadcast durchgeführt, der im Jahr
2011 mit dem Aufbau von 27 Sendeanlagen startete.
10 BAKOM (2014) 11 WorldDAB (2017d); Sprenger (2016). 12 Empfang in Wohnungen über Geräte mit eigener Antenne
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 10
Bis Ende 2016 waren 110 Sendeanlagen in Betrieb.13 2017 will Media Broadcast
den Ausbau auf insgesamt 120 Anlagen weiter vorantreiben14, für fünf Sender-
standorte ist die Inbetriebnahme bereits erfolgt (Stand: Mai 2017, vgl. Tab. 2).
Nach der Auswahlentscheidung der GVK der Landesmedienanstalten für den Platt-
formbetreiber Antenne Deutschland wird noch im Laufe des Jahres 2017 voraus-
sichtlich ein zweiter bundesweiter Multiplex starten und die 13 Angebote aus dem
ersten Multiplex ergänzen (vgl. 3.3.4).
Tab. 2: Fest geplante neue Senderstandorte der Media Broadcast für den
ersten DAB+-Multiplex mit Aufschaltung in 2017, Stand: 5/2017
Bundesland Standort Aufschal-
tung
Details
Baden-
Württemberg
Bad
Mergent-
heim
20.04.2017 Versorgung Nordost-Baden-
Württemberg, Gebiet zwischen
Heilbronn und Würzburg mit
5kW Sendeleistung
Schleswig-
Holstein
Bungs-
berg
09.05.2017 Versorgungsverbesserung Ost-
Schleswig-Holstein mit 0,5kW
Sendeleistung
Mecklenburg-
Vorpommern
Neubran-
denburg
16.05.2017 Versorgungsverbesserung Zent-
ral-Mecklenburg-Vorpommern
mit 2 kW Sendeleistung
Brandenburg Branden-
burg
26.07.2017 Versorgung West-Brandenburg,
insbes. entlang der A2, mit 3kW
Sendeleistung
Brandenburg Templin 26.07.2017 Versorgungsverbesserung in Ost-
Brandenburg mit 10kW Sende-
leistung
Quelle: Goldmedia 2017 nach: Media Broadcast 2017: „Ausbau des bundesweiten Digitalradio-Sendernetzes
durch MEDIA BROADCAST geht weiter voran“, online: https://www.media-broadcast.com/uploads/media/PM_
DAB_Ausbau_2017_final.pdf, abgerufen: 08.05.2017
Auf Bundesebene wird die Digitalisierung des Hörfunks durch das „Digitalradio
Board“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ko-
ordiniert. Dem Gremium gehören Vertreter von Bund und Ländern, öffentlich-
rechtlichen und privaten Rundfunkanbietern, Landesmedienanstalten, der Bundes-
netzagentur sowie von Radio- und Automobilherstellern an. Ziel des Gremiums ist
es, einen konkreten Plan für die Umstellung des Analogradios auf digitale Technik
zu erarbeiten.
In der ersten Sitzung am 17. Juni 2015 wurden die Prämissen für die Roadmap
erläutert. Am 16. Februar 2017 wurde der „Aktionsplan für die Transformation
13 Media Broadcast 2016: „KLAR. MEHR. HÖREN. Der neue Hörfunkstandard: Digitalradio mit DAB+“, online:
https://www.media-broadcast.com/fileadmin/Downloads/Radio/MB007_DAB_plus_Facts-heet_DE_R1_17.pdf, abgerufen: 21.03.2017
14 Digitalradio Deutschland 2017: „DAB+: Bund und Länder gemeinsam für den Erfolg von Digitalradio“,
online: http://digitalradio.de/index.php/de/pressebereich-downloads-zum-digitalradio/item/dab-bund-und-laender-gemeinsam-fuer-den-erfolg-von-digitalradio-auswahlentscheidung-zum-zweiten-bundesmux-im-juni-dab-autoradios-immer-beliebter, abgerufen: 09.03.2017
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 11
der Hörfunkverbreitung in das digitale Zeitalter“15 verabschiedet. Dieser sieht fol-
gende Eckpunkte16 vor:
1. „Smart-Radio“-Regelung: Verpflichtende Ausstattung von Hörfunkempfangs-
geräten mit mindestens einer digitalen Schnittstelle
2. Schaffung einer Regelung, die sicherstellt, dass vom öffentlich-rechtlichen
Rundfunk freigegebene analoge Übertragungskapazitäten nicht mehr für eine
Realisierung von neuen oder veränderten analogen Rundfunkbedarfen zur Ver-
fügung stehen
3. Unterstützung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetze
4. Bereitstellung der erforderlichen Übertragungskapazitäten zur Realisierung ei-
nes zweiten bundesweiten DAB+-Multiplex durch die Bundesnetzagentur
5. Schaffung der Voraussetzungen für die Nutzung von TPEG
6. Verständigung auf eine Methode zur Ermittlung der DAB+-Geräteausstattung
7. Weiterentwicklung der Messmethoden zur Radionutzung in Abstimmung mit
der ag.ma, die auch die Nutzung der digitalen terrestr. Verbreitung umfasst
8. Politische Begleitung des Transformationsprozesses von der analogen zur digi-
talen Hörfunkverbreitung durch Evaluation und Fortschreibung der Roadmap
Anzumerken ist, dass der Aktionsplan kein festes Abschaltdatum für UKW bein-
haltet. Jedoch wird darauf verwiesen, dass es in den Ländern unterschiedliche me-
dienrechtliche Vorgaben für die Verbreitung von Hörfunkangeboten über UKW
gibt. So soll in Sachsen die terrestrische Hörfunkübertragung ab 2026 ausschließ-
lich digital erfolgen. Auch im Mediengesetz von Sachsen-Anhalt ist ein Abschalt-
datum für UKW vorgesehen, derzeit ist dies der 31. Dezember 2025.
Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT), zunächst Mitglied des
Digitalradio Boards, lehnte den Aktionsplan als „nicht markttauglich“ ab und be-
endete daher seine Mitarbeit. Aus Sicht des VPRT sehe der Aktionsplan kein markt-
konformes Szenario vor. Der Übertragungsstandard DAB+ werde einseitig und an
den Markt- und Nutzungsgegebenheiten vorbei gefördert. Es sei nicht akzeptabel,
dass freiwerdende UKW-Frequenzen keiner neuer Verwendung zugeführt werden
sollen. Außerdem wird vom VPRT kritisiert, dass die Regelung für Hörfunkemp-
fangsgeräte mobile Endgeräte ausklammere, obwohl Smartphones ein wichtiger
und wachsender Markt für den digitalen Radioempfang seien.17
Dem gegenüber steht der Verein Digitalradio Deutschland, eine „Gemeinschafts-
initiative von ARD, Deutschlandradio, privaten Radioanbietern, Geräteherstellern
und Netzbetreibern“. Er begrüßt den Aktionsplan als „Meilenstein in der Ge-
schichte des Hörfunkstandards DAB+ in Deutschland und in Europa“. Der Verein
bedauert die Ablehnung durch den VPRT, betont aber gleichzeitig, dass der VPRT
15 Der Aktionsplan wird von der parlamentarischen Staatssekretärin Dorothee Bär an die Staatssekretärin
Heike Raab (Rheinland-Pfalz) zur weiteren Beratung an die Rundfunkkommission der Länder übergeben. 16 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2017), S. 4 17 VPRT 2017: „Privatradios verlassen Digitalradio-Board des Bundesverkehrsministeriums ohne Zustimmung
zu einem gemeinsamen Aktionsplan“, online: http://www.vprt.de/verband/presse/pressemitteilungen/con-tent/privatradios-verlassen-digitalradio-board-des-bundesverkeh?c=4, abgerufen 23.02.2017
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 12
nicht für „die Privatradios“ in Gänze spreche und dass der zweite Privatradiover-
band APR dem Aktionsplan zugestimmt habe.18
3.3 Technisch-strukturelle Rahmenbedingungen
In diesem Kapitel wird der aktuelle Stand der technischen und strukturellen Rah-
menbedingungen für den Hörfunk in Deutschland und Baden-Württemberg ge-
schildert. Dazu gehören die technischen Distributionsmöglichkeiten des Radios im
Allgemeinen ebenso wie die Verfügbarkeit entsprechender Empfangsgeräte.
Darüber hinaus gibt das Kapitel einen Überblick über Status quo und Ausbaupläne
der digitalen Hörfunk-Infrastruktur in Baden-Württemberg sowie die Zusammen-
hänge der Regulierung im Hörfunk.
3.3.1 Technische Distributionswege im Überblick
Generell werden Hörfunkinhalte übertragen durch terrestrische Antennen via UKW
(analog) und DAB+ (digital), als Online-Stream über das Internet (stationärer An-
schluss: über Kabel, DSL oder indirekt per WLAN und beim mobilen Zugang: über
3G oder LTE) sowie über Kabel und Satellit.
UKW stellt dabei momentan den Hauptübertragungsweg dar. Viele Hörfunkange-
bote, die über UKW empfangbar sind, werden auch auf zahlreichen anderen We-
gen (DAB+, per Kabel, Online als sog. IP-Radio, Satellit usw.) übertragen. Die öf-
fentlich-rechtlichen Hörfunkangebote, welche per UKW verbreitet werden, sind
zusätzlich über DAB+ empfangbar. Zusätzlich wird eine zunehmende Zahl an Pri-
vatradioangeboten über DAB+ verbreitet.
Abb. 3: Hörfunk-Empfangsgeräte in Deutschland, 2013 bis 2016, in Mio.
und Veränderung in Prozent
Quelle: Goldmedia nach: Digitalisierungsbericht 2016, S. 54. UKW in 2016 ohne eigenständige Erfassung von
MP3-Playern mit UKW-Empfang. IP-Radio in 2016 erstmals inklusive fest installierte IP-Radiogeräte im Auto
18 Verein Digitalradio Deutschland 2017: „Meilenstein für die digitale Hörfunkverbreitung: Verein Digitalradio
Deutschland begrüßt Aktionsplan des Digitalradio Boards“, online: www.digitalradio.de/index.php/de/pres-sebereich-downloads-zum-digitalradio/item/meilenstein-fuer-die-digitale-hoerfunkverbreitung-verein-digi-talradio-deutschland-begruesst-aktionsplan-des-digitalradio-boards-der, abgerufen 23.02.2017
139,6
2,7
1,3 8,4
6,0
14
2,9
4,9
1,9 9,5
6,2
14
3,5
6,4
3,1 9,8
6,2
139,4
8,2
4,6 9,1
6,1
020406080
100120140160180200
UKW DAB+ IP-Radio Kabel Satellit
2013 2014 2015 2016
- 3% + 29% - 7% - 2% + 49%
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 13
Klar ist aber, dass die Verbreitung der knapp 140 Mio. UKW-Empfangsgeräte in
Deutschland in den letzten Jahren leicht gesunken ist (-3%), während die Zahl der
Empfänger für DAB+ (+29%) und vor allem für IP-Radios (+49%) von 2013 bis
2016 deutlich zugenommen hat (vgl. Abs. 3.3.2).
Terrestrischer Hörfunk
Für den terrestrischen Hörfunk werden zahlreiche Sendeanlagen betrieben, die sich
entweder in direktem Besitz der öffentlich-rechtlichen Anbieter befinden oder von
privaten Anbietern vermietet werden. Als privater Sendernetzbetreiber tritt haupt-
sächlich die Media Broadcast auf, welche die von ihr vermieteten Sendeanlagen
zumeist auf Türmen und Masten der Deutsche Funkturm GmbH betreibt oder auf
Türmen, die sich im direkten Eigentum der Media Broadcast befinden. Daneben
konnten sich in den vergangenen Jahren eine Reihe weiterer privater Sendernetz-
betreiber wie die Uplink Network oder Divicon Media etablieren, die zunehmenden
Wettbewerbsdruck im Markt entwickeln.
Für die analoge Verbreitung eines Hörfunkangebots über UKW wird in der Regel
an einem zentralen Playout das Sendesignal des Anbieters via Richtfunk oder lei-
tungsgebunden an die Hauptsenderstandorte übermittelt. Neben den Hauptsen-
deanlagen müssen auch die kleineren Füllsender versorgt werden, die das Angebot
oft über einen „qualitativ besonders hochwertigen Empfänger“ von den Haupt-
sendeanlagen empfangen und selbst wieder ausstrahlen („Ballempfang“)19. In ei-
nigen Fällen (z.B. für das Deutschlandradio) wird das Signal auch via Satellit an die
Hauptsendeanlagen übertragen, dabei wird das digitale Satellitensignal dann von
den Sendeanlagen in ein analoges Signal gewandelt, bevor es auf die Sendefre-
quenz moduliert wird.
Für die Verbreitung über DAB+ wird ein Angebot zunächst digital codiert. Das Au-
diosignal wird anschließend mittels eines sogenannten Multiplexers mit weiteren
Angeboten zu einem „Ensemble“, also einem Bündel an Angeboten, zusammen-
geführt. Auch bei DAB+ erfolgt die Signalzuführung zu den Sendeanlagen über
Richtfunk oder leitungsgebunden. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Vorgehens-
weisen.
▪ Möglichkeit 1: Ein ETI-Signal (Ensemble Transport Interface) wird an den Mo-
dulator in der Sendeanlage gesendet. Im Sender erfolgt die benötigte Modu-
lation und die Synchronisation für den Gleichwellen-Sendebetrieb.
▪ Möglichkeit 2: Das Sendesignal wird schon im Playout auf die Trägerfrequenz
moduliert und in einem IP-fähigen Format an die Sendeanlagen geschickt.
Dadurch entfallen Prozessschritte im Sender, die bereits zuvor zentral im Play-
out ausgeführt wurden, wodurch Kosten eingespart werden können.
DAB+ wird über Gleichwellennetze verteilt, das heißt jeder Senderstandort eines
Netzes sendet auf der gleichen Frequenz. Dadurch können große Flächen mit nur
einer Frequenz abgedeckt werden. Im Gegensatz zu UKW gibt es keine Störstrah-
lung durch angrenzende Senderstandorte, vielmehr ergänzen diese sich gegensei-
19 Meinke, H.H./Gundlach, F.W. 1992: „Taschenbuch der Hochfrequenztechnik“, Bd. 3, S. 15
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 14
tig. UKW-Angebote hingegen müssen auf unterschiedlichen regionalen Frequen-
zen, die zuvor aufwändig koordiniert wurden, ausgestrahlt werden, um Störein-
strahlung zu vermeiden. UKW-Signale sind zudem störanfälliger (z.B. durch Signal-
reflexion) und müssen durch mehr Stützfrequenzen und Füllsender unterstützt
werden als DAB+-Signale.20
Distribution über das Internet/Webradio
Webradio-Angebote werden über das Internet übertragen, indem für jeden Hörer
ein Stream ausgeliefert wird. Die Hörfunkanbieter stellen ihr Angebot einem Inter-
netserviceprovider zur Verfügung, der dieses digitalisiert und über Streaming-Ser-
ver an die Hörer weiterverbreitet. Die benötigten Bandbreiten für Audiosignale sind
mit bis zu 128 kbit/s vergleichsweise gering. Bei vielen gleichzeitigen Hörern wer-
den dennoch entsprechend höhere Bandbreiten erforderlich.
Vorteil der Übertragung über das Internet ist die Möglichkeit, die Nutzung exakt
technisch zu messen. Allerdings fehlen bei dieser Messung im Gegensatz zu her-
kömmlichen Reichweitenmessungen die soziodemografischen Daten der Nutzer.
Die Bandbreiten der Mobilfunktechnologien UMTS und LTE sind schon heute aus-
reichend, um Audio-Streaming auch mobil, speziell per Smartphone, zu nutzen.
Allerdings ist die Versorgung mit schnellem mobilen Internet in Deutschland bei
Weitem nicht flächendeckend.
Da für jeden Nutzer ein Stream übertragen werden muss, war diese Technik bis-
lang wirtschaftlich schlecht geeignet, um alle (mobilen) Nutzer gleichzeitig zu er-
reichen. Abhilfe kann hier der sog. Broadcast-Modus (eMBMS) schaffen, der im
4G-Standard (LTE) bereits vorgesehen ist, aber bisher nicht zum Einsatz kommt.21
Auch für den Nachfolge-Standard 5G, der ab 2020 Marktreife erreichen soll, wer-
den Broadcast-Funktionalitäten entwickelt. Hierbei werden die klassischen Punkt-
zu-Punkt-Verbindungen erweitert auf Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindungen, sodass
auf Basis des Mobilfunksignals eine „Ausstrahlung“ ähnlich der klassischen Ver-
breitungswege möglich wird und die Kosten für viele Einzelverbindungen vermin-
dert werden (für Details zu eMBMS vgl. 3.4.6).
Hörfunk-Distribution über Kabel und Satellit
UKW-Hörfunk ist auch über Kabel zu empfangen. Dazu wird von den großen Ka-
belnetzanbietern häufig das UKW-Signal an regionalen Kopfstellen abgegriffen
und in das Kabelnetz eingespeist. Beim Hörer kann das Signal aus der Kabeldose
direkt zur Stereoanlage geführt werden, dafür ist lediglich ein einfaches Anten-
nenkabel notwendig.
Aktuell steht die Radioübertragung via Kabel zur Diskussion, da die Kabelnetzbe-
treiber auf den leistungsfähigeren Standard DOCSIS 3.1 umsteigen möchten. Die-
ser Standard definiert für den Upstream den Frequenzbereich 5 bis 204 MHz – die
20 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) 2016: „KRITIS-Sektorstudie Medien und Kultur“,
BSI, S. 156 21 die medienanstalten 2015: „Digitale terrestrische Verbreitung des lokalen/regionalen Hörfunks“, online:
http://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/Download/Positionen/Gemeinsame_Positio-nen/20151020_Digitalradio_lokal_regional.pdf, abgerufen 07.02.2017
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 15
UKW-Frequenzen liegen mitten in diesem Frequenzbereich und könnten ggf. zu-
gunsten eines besseren Upstreams anderweitig genutzt werden.
Es gibt Alternativen, Radio weiter über Kabel zu verbreiten, die aber entweder mit
technischem Aufwand beim Hörer oder mit Einbußen beim Upstream verbunden
wären.22 Unitymedia wollte die Verbreitung ursprünglich zum 30.06.2017 einstel-
len, hat später jedoch mitgeteilt, dass analoges Radio via Kabel noch mindestens
bis zum Jahr 2020 übertragen werde.23
Alternativ können Radioangebote zum Teil über das Kabelnetz auch mittels TV-
Empfangsgeräten gehört werden. Vor allem die Angebote der ARD werden über
den Kabel-TV-Standard DVB-C mit ausgestrahlt.
Ebenso ist per Satellit ein Hörfunk-Empfang neben der TV-Nutzung möglich.
Marktbeherrschender Anbieter hierfür ist die SES S.A. mit dem Satelliten Astra
19,2° Ost. Über diesen sind neben den öffentlich-rechtlichen Radioangeboten vor
allem große landes- und bundesweit über terrestrische Standards verbreitete Hör-
funkangebote zu empfangen. Deren Anbieter verfügen über die entsprechenden
finanziellen Mittel für die Satellitenverbreitung und erhoffen sich dadurch Reich-
weitensteigerungen.24
3.3.2 Endgeräte zum Hörfunk/Audio-Empfang
Märkte entstehen dort, wo Nutzer mit entsprechenden Endgeräten sind. Die fol-
genden Abschnitte analysieren daher die aktuelle Verbreitung verschiedener tech-
nischer Geräte, die Radioempfang ermöglichen.
Abb. 4: Anzahl der Hörfunk-Empfangsgeräte in Dt., in Mio., Stand: 2016
Quelle: ALM 2016: „Digitalisierungsbericht 2016“
22 Neuhetzki, T. (2016): „Radio könnte schnellerem Kabel-Internet zum Opfer fallen“, online: https://www.tel-
tarif.de/kabel-netz-radio-ukw-frequenzen-docsis-zukunft/news/63231.html, abgerufen 28.03.2017 23 Fuhr, M. (2016): „Unitymedia will Radio weiter auch analog ausstrahlen“, online: https://www.telta-
rif.de/unitymedia-kabel-ukw/news/64761.html, abgerufen: 28.03.2017 24 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) 2016: „KRITIS-Sektorstudie Medien und Kultur“,
BSI, S. 157
139,385
8,244
4,636
9,119
UKW/Analog
DAB+
IP-Radio
Kabel
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 16
Die meisten Empfangsgeräte sind noch analog
Der Digitalisierungsbericht 2016 weist insgesamt rund 161,3 Mio. Radio-Emp-
fangsgeräte in Deutschland aus. Davon entfällt mit 139,4 Mio. Geräten (92,6 Pro-
zent) der mit Abstand größte Anteil auf klassische UKW-Radios. Daneben sind 8,2
Mio. DAB+-Radiogeräte (5,5 Prozent) sowie 4,6 Mio. IP-Radiogeräte (2,0 Prozent)
im Umlauf (vgl. Abb. 4).25
Auf bundesweiter Haushaltsebene herrscht mit 93,3 Prozent nahezu eine Vollver-
sorgung der Haushalte mit UKW-Empfängern. 12,6 Prozent der Haushalte in
Deutschland verfügen über mindestens ein DAB+-fähiges Endgerät. In absoluten
Zahlen ausgedrückt besaßen 4,97 Mio. Haushalte in 2016 mindestens ein DAB+-
Radio, das sind fast eine Million mehr als noch 2015. Damit haben inzwischen rd.
9,5 Mio. Menschen (oder 13,8 Prozent der Personen ab 14 Jahren) Zugang zu
digitalem Radioempfang über DAB+.
Darüber hinaus sind 8,6 Prozent der Haushalte mit einem IP-Radio ausgestattet
und 29 Prozent der Haushalte können Radio über Kabel oder Satellit empfangen.
Überdurchschnittlich viele DAB+-Empfangsgeräte in Baden-Württemberg
Im Vergleich der Bundesländer liegt Baden-Württemberg in Sachen DAB+ seit
2015 klar über dem Bundesschnitt. Baden-Württemberg gehört neben Sachsen
(15,6 Prozent) und Bayern (15,0 Prozent) zu den drei Ländern mit der höchsten
Ausstattungsquote, wobei nach einem deutlichen Sprung von 7,3 Prozent (2014)
auf 14,0 Prozent (2015) der Haushalte im Südwesten bis 2016 nur noch um 0,5
Prozentpunkte zulegen konnte. (vgl. Abb. 5 und Abb. 6).
Abb. 5: Ausstattung der Haushalte mit Radiogeräten für verschiedene
Empfangswege 2016, in Prozent
Quelle: Goldmedia Analyse nach: die medienanstalten 2016: „Digitalisierungsbericht 2016“
Damit verfügten 14,5 Prozent der Haushalte in Baden-Württemberg 2016 über
mindestens ein DAB+-fähiges Empfangsgerät.
25 ALM (2016): „Digitalisierungsbericht 2016“, S. 54
93,3
12,6
29
94,5
14,5
29,5
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Mind. 1 analoges Gerät Mind. 1 DAB+-Gerät Mind. 1 Gerät über Kabeloder Satellit
Schnitt Deutschland Baden-Württemberg
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 17
Abb. 6: Anteil der DAB+-Haushalte in Baden-Württemberg und im
deutschen Bundesdurchschnitt, 2014-2016, in Prozent
Quelle: ALM (2015/2016): „Digitalisierungsbericht 2015“; „Digitalisierungsbericht 2016“
Markt für digitale Empfangsgeräte in Deutschland wächst stetig
Der Absatz von digitalen Radio-Empfangsgeräten steigt stetig. Von Beginn der Er-
hebung des Digitalisierungsberichts der Landesmedienanstalten im Jahr 2013 bis
2016 hat sich die Anzahl der DAB+-Geräte von rd. 2,7 auf rd. 8,2 Mio. Geräte
mehr als verdreifacht.
Allein 2016 wuchs die Zahl der Geräte gegenüber 2015 um +29%. Basierend auf
den Daten aus den jährlichen Digitalisierungsberichten der Medienanstalten hat
Goldmedia eine Prognose für die Entwicklung der Zahl von DAB+-Geräten und -
Haushalten errechnet: 2025 wird es demnach rd. 30 Mio. Geräte in rd. 15 Mio.
DAB+-Haushalten geben (vgl. Abb. 7).
Abb. 7: Goldmedia-Prognose zur Entwicklung von DAB+-Geräten und
DAB+-Haushalten in Deutschland, in Mio., 2015-2025
Quelle: Goldmedia-Forecast 2017 nach: Digitalisierungsberichte der ALM
7,3
14,0 14,5
7,5
10,0
12,6
2014 2015 2016
Baden-Württemberg Bundesdurchschnitt
6,4
8,2
11,0
14,0
16,4
18,6
20,8
23,0
25,3
27,5
29,7
4,05,0
6,58,1
9,310,4
11,412,4
13,414,3
15,2
0
5
10
15
20
25
30
2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025
DAB+-Geräte
DAB+-Haushalte
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 18
Der Zuwachs an DAB+-Geräten insgesamt ist auch auf den deutlichen Zuwachs
DAB+-fähiger Autoradios zurückzuführen: 7,5 Prozent der Autoradios waren 2016
DAB+-fähig, insgesamt machen sie 37 Prozent aller DAB+-Geräte aus.
Während die Zahl der Autoradios 2016 gegenüber 2015 um rd. 62% zunahm,
stieg die Zahl der Empfangsgeräte in Wohnungen lediglich um rd. 15%.26 Bislang
ist der Anteil stationärer Endgeräte (63%) noch größer als der Anteil von Empfän-
gern in Pkws (37%), bis 2021 wird sich das Verhältnis jedoch voraussichtlich –
aufgrund des verstärkten Einbaus von DAB+-Radios in Neuwagen – umgekehrt
haben (vgl. Abb. 8).
Abb. 8: DAB+-Geräte in Deutschland: Anteil am Gesamtmarkt und
Wachstum 2016 ggü. 2015 (außen), in Prozent
Quelle: Goldmedia auf Datenbasis der ALM (2016), S. 55
IP-basierter Hörfunk-Empfang findet über verschiedene Endgeräte statt
Neben DAB+-Endgeräten zeigen auch IP-fähige Radio-Empfangsgeräte ein erheb-
liches Wachstum.27 Der Absatz stieg von 2015 zu 2016 um 49 Prozent auf insge-
samt 4,64 Mio. Geräte. Davon sind 4,09 Mio. Geräte in Wohnungen (88 Prozent)
und 0,54 Mio. IP-fähige Autoradios (12 Prozent). Bei den stationären IP-Radios
handelt es sich bei 41 Prozent um hybride Geräte, die DAB+ und IP-Radio empfan-
gen können28 (vgl. Abb. 9).
Vergleicht man die Anzahl der IP-Geräte mit der Verbreitung von Endgeräten, die
auf anderen Technologien basieren, so erscheint der Anteil zunächst gering: IP-
Radiogeräte liegen deutlich hinter DAB+-Endgeräten (vgl. Abb. 3, Abb. 4).
Doch die Hörfunknutzung über das Internet spielt keine marginale Rolle: Mindes-
tens 34,1 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren hörten laut Digitalisie-
rungsbericht im Jahr 2016 Radio über das Internet – allerdings hauptsächlich über
Smartphones (17,3 Prozent), PC (12,9 Prozent), Laptops (10,6 Prozent), Tablets
(6,4 Prozent) und Smart-TVs (4,7 Prozent) – und nur wenig über ein festes IP-
26 ALM (2016): „Digitalisierungsbericht 2016“, S. 55 27 IP steht für Internet Protocol. IP-Radioempfänger sind somit „Internetradios“, die das Hörfunkprogramm
z.B. über WLAN oder über eine mobile Datenverbindung via Mobilfunknetz empfangen. 28 ALM (2016): „Digitalisierungsbericht 2016”, S. 55
+62% +15%
37% 8,2 MIO. ENDGERÄTE
IN 2016 63%
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 19
WLAN-Radio-Gerät (2,9 Prozent). Dennoch verzeichneten die IP-fähigen Radioge-
räte in Wohnungen 2016 gegenüber 2015 ein deutliches Wachstum von 32%.29
Abb. 9: IP-Radiogerätetypen in Deutschland, 2016, in Prozent
Quelle: Goldmedia auf Datenbasis ALM (2016): „Digitalisierungsbericht 2016“, S. 55
Da die meisten internetfähigen Endgeräte Audio-Streams abspielen können, ist die
reine Anzahl an IP-Radios kein ausreichender Indikator für Nutzung und Bedeutung
dieses Übertragungsweges.
Abb. 10: Ausstattung deutscher Haushalte mit internetfähigen Endgerä-
ten und Radio-Empfangsgeräten, 2015-2016, in Prozent
Quelle: Statistisches Bundesamt (2016): „Ausstattung privater Haushalte mit Informations- und Kommunika-
tionstechnik – Deutschland“, online: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Einkommen
KonsumLebensbedingungen/AusstattungGebrauchsguetern/Tabellen/Infotechnik_D.html, abgerufen:
17.05.2017; Ecke, O. (2016): „Sonderauswertung - Entwicklung der Verbreitung und Nutzung des Radio-
empfangs in Deutschland. Aktuelle Ergebnisse aus dem Digitalisierungsbericht 2016“, in: die medienanstalten
(2016): „Digitalisierungsbericht 2016“, S. 4
29 ALM (2016): „Digitalisierungsbericht 2016”, S. 57. Im weiteren Verlauf des Gutachtens werden noch an-
dere Werte diskutiert. (vgl. Abs. 4.2)
12%
36%
52%
88%
IP-Radiogeräte
93,5
68,0
51,3
31,8
20,1
93,0
10,0
95,0
68,5
49,4
37,6
27,6
93,3
12,6
Mobiltelefon(Smartphone,
Handy)
Laptop PC stationär Tablet Smart-TV UKW-Radio DAB+ Radio
2015
2016
Hybrid:
IP & DAB+
IP-Only
41%
59%
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 20
Vielmehr ist in diesem Zusammenhang auch die Verbreitung weiterer internetfähi-
ger Endgeräte wichtig. Abb. 10 zeigt deutlich, dass der Großteil der deutschen
Haushalte auch ohne IP-Radiogeräte ausreichend mit anderen internetfähigen End-
geräten ausgestattet ist, um Radio über das Internet zu empfangen.
Dem Smartphone kommt hier eine besondere Bedeutung zu: Es ist einerseits das
primäre Empfangsgerät für internetbasierten Radioempfang und wird andererseits
nicht nur für den mobilen Empfang genutzt, sondern darüber hinaus zunehmend
auch zu Hause, indem es beispielsweise an Funklautsprecher gekoppelt wird.30
30 ALM (2016), S. 58
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 21
3.3.3 Angebotsdistribution in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg sind 28 Angebote über UKW und bislang 30 Angebote
über DAB+ empfangbar.31 Diese Angebote sind entweder lokal oder regional, viele
aber auch landes- oder sogar bundesweit zu empfangen (vgl. Tab. 3).
Digitalangebote erreichen in der Regel eine größere Gebietsabdeckung als UKW-
Angebote. Während über UKW viele Angebote lokal oder regional ausgestrahlt
werden, werden Digitalangebote via DAB+ bislang zumindest landesweit, teilweise
sogar bundesweit verbreitet.
Tab. 3: Hörfunkanbieter in Baden-Württemberg nach technischem
Übertragungsweg und Angebotsart (ÖR/Privat), 2/2017
UKW DAB+ Internet2
öff
en
tlic
h-r
ech
tlic
h
▪ 2 Angebote
bundesweit
(Deutschland-
funk, Deutsch-
landfunk Kultur)
▪ 6 Angebote
landesweit1 (SWR 1-4, SWR Aktuell,
DASDING)
▪ 3 Angebote
bundesweit
(Deutschlandfunk,
Deutschlandfunk
Kultur, Deutsch-
landfunk Nova)
▪ 6 Angebote
landesweit1 (SWR 1-4, SWR Aktuell,
DASDING)
▪ 13 (davon 8 SWR4
mit
seinen Regional-
ausgaben, alle
Simulcast)
ko
mm
erz
iell
▪ 1 überregionales
Jugendradio
▪ 3 regionale
Angebote
▪ 12 lokale
Angebote
▪ 4 weitere
Angebote
▪ 10 Angebote
bundesweit
▪ 11 Angebote
landesweit
▪ 167 (davon
28 Simulcast,
29 Online-Sub-
marken von UKW-
Anbietern und ein
Anbieter User Ge-
nerated Radio,
laut.fm)
NK
L u
. Le
rnra
dio
s ▪ 12 nicht-
kommerzielle
Angebote
▪ 4 Lernradios
Quelle: Goldmedia-Analyse auf Grundlage der LFK-Hörfunkliste vom 23.02.2017, sowie der UKW-Angebotsliste
des SWR mit Stand 02/2017 und Daten des Goldmedia Webradiomonitors 2016; NKL = nicht kommerzielle
Radios. 1Ohne Regionalausgaben von SWR4. 2Umfasst diejenigen Internet-Angebote, die in Baden-
Württemberg produziert werden.
Digitalradio wird in Baden-Württemberg aktuell über vier Multiplexe gesendet:
Dazu gehören der bundesweit einheitliche erste Multiplex 5C, die vom SWR be-
31 Nicht berücksichtigt sind hier die Nichtkommerziellen Radios (NKL) und Lernradios. Stand 03/2017.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 22
triebenen Multiplexe 8D und 9D sowie der vom Digital Radio Südwest (DRS) be-
triebene Multiplex 11B. DRS ist ein Gemeinschaftsunternehmen des SWR und der
Media Broadcast (vgl. Tab. 4).
Tab. 4: DAB+ Multiplexe in Baden-Württemberg, 2017
Multi-
plex Betreiber
Angebote
Abdeckung Sender-
standorte öffentlich-
rechtlich privat
5C Media
Broadcast 4 9 bundesweit 16
8D SWR
9 (inkl. Re-
gionalaus-
gaben von
SWR4)
8D und 9D er-
gänzen sich zu
einer landeswei-
ten Abdeckung
der SWR-Ange-
bote
13
9D SWR
9 (inkl. Re-
gionalaus-
gaben von
SWR4)
10
11B
Digital
Radio Süd-
west
(SWR und
Media
Brodcast)
1 (SWR4) 12
Eher im Norden
Baden-Württem-
bergs, kaum Ab-
deckung im Sü-
den (vgl. Abb.
12)
12
Quelle: Goldmedia Analyse 2017 nach: digitalradio.de und Dehn, P. (2017): „DAB+ in Baden-Württemberg“,
online: http://www.dehnmedia.de/?page=radio&subpage=sender01, abgerufen: 17.05.2017
Eine Betrachtung der Abdeckungskarte (vgl. Abb. 11) für Baden-Württemberg
zeigt, dass insbesondere im ländlichen Raum die technische Gebietsabdeckung mit
DAB+ nicht vollständig ist, während Ballungsgebiete bereits gut für den Empfang
„zu Hause“ abgedeckt sind. Die Notwendigkeit des Ausbaus in ländlichen Regio-
nen wurde auch in den Experteninterviews mehrfach betont.32
Der Multiplex 11B versorgt zudem aktuell eher den Norden Baden-Württembergs,
während im Süden des Landes bisher kaum Abdeckung existiert (vgl. Abb. 12). Es
lässt sich festhalten, dass die technische Abdeckung für die öffentlich-rechtlichen
Angebote momentan besser ausgestaltet ist als die Abdeckung für Privatanbieter,
sofern diese auf Landesebene verbreitet werden und nicht über den bundesweiten
Multiplex 5C.
Insgesamt existieren in Baden-Württemberg laut „Wittsmoorliste“ 48 Sendeanla-
gen, die DAB+ ausstrahlen (Stand: 05/2016). Davon sind 31 Angebote für die lan-
desspezifische Programmversorgung zuständig, die übrigen Sender strahlen
hauptsächlich bundesweite Angebote aus.33
32 siehe auch Kap. 5, Experteninterviews 33 Die Wittsmoorliste ist ein Senderverzeichnis, das vom Institut für Rundfunktechnik (IRT) in München bereit-
gestellt wird und online abrufbar ist unter https://www.irt.de/fileadmin/media/wittsmoor/DAB_Deutsch-land.pdf. Der Abruf für diese Studie erfolgte 03/2017, die Liste weist einen Datenstand von 05/2016 auf.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 23
Abb. 11: Abdeckung DAB+ in Baden-Württemberg, Stand: Jan. 2017
Quelle: http://www.digitalradio.de/index.php/de/empfangneu, abgerufen: 23.03.2017
Daten der Karte basierend auf Informationen von ARD, Media Broadcast, BLM
Abb. 12: Abdeckung DAB+ (nur Multiplex 11B), Stand: Jan. 2017
Quelle: http://www.digitalradio.de/index.php/de/empfangneu, abgerufen: 23.03.2017
Daten der Karte basierend auf Informationen von ARD, Media Broadcast, BLM
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 24
Neben der geschilderten Verbreitung von Hörfunkangeboten via UKW und DAB+
existieren laut dem „Webradiomonitor 2016“ insgesamt 180 Onlineradio-Ange-
bote, die in Baden-Württemberg produziert werden (vgl. Tab. 3).34
3.3.4 Ausbaupläne zur Digitalisierung des Hörfunks
Historische Ausbaupläne für Digitalradio in Baden-Württemberg
Der digitale Ausbau der lokalen Radio-Infrastrukturen in Baden-Württemberg wird
von der LFK geplant und hat eine breite digitale Netzabdeckung erreicht (vgl. Abb.
11). Bereits im Oktober 2012 präsentierte die LFK nach einer mehrjährigen Pla-
nungs- und Vorbereitungsphase den ersten Entwurf einer Planung der Zuordnung
von vier regionalen DAB+-Gebieten (als sog. Kacheln). Nach einer internen Revision
wurde im November 2015 die Aufteilung der Gebiete und die Planung durch den
LFK-Vorstand modifiziert.
Das resultierende DAB+-Strukturraster umfasst ganz Baden-Württemberg und teilt
das Bundesland in vier „Kacheln“ auf, die durch landesweite Multiplexe abgedeckt
werden (vgl. Abb. 13).
Die Aufteilung dieser vier Kacheln basiert auf Gebietsanalysen, die Faktoren wie
Kaufkraft, Einwohner etc. berücksichtigen. Ziel war es, mit den resultierenden
DAB+-Gebieten die bestehenden UKW-Gebiete abzubilden und dabei zwei bis vier
L-Band-Gebiete pro DAB+-Multiplex-Kachel zu inkludieren.
Abb. 13: Geplante Aufteilung der DAB-Gebiete und Vergleich zu
heutigen UKW-Gebieten, Stand: 11/2015
Quelle: Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg 2015
34 Gemäß §20b Rundfunkstaatsvertrag bedarf es für reine Online-Radios keiner Zulassung, jedoch muss das
entsprechende Angebot bei der zuständigen Landesmedienanstalt angemeldet werden.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 25
Bundesweiter Multiplex
Parallel dazu meldeten die Länder im Juni 2016 bei der Bundesnetzagentur Bedarf
für einen zweiten bundesweiten Multiplex für private Hörfunkanbieter an.35
Tab. 5: Zusätzlicher Versorgungsbedarf der DAB+-Abdeckung in
Deutschland durch einen zweiten bundesweiten Multiplex
2019 2025
Versorgungsziel (Erste Ausbaustufe):
40% der Bevölkerung Deutschlands
70% der Bevölkerung Deutschlands
Versorgungsgrad (Erste Ausbaustufe):
70% Ortswahrscheinlichkeit (Empfang in Gebäuden)
70% Ortswahrscheinlichkeit (Empfang in Gebäuden)
Versorgungsziel (Endgültiger Versorgungsbedarf):
50% aller Autobahnstrecken
90% aller Autobahnstrecken
Versorgungsgrad (Endgültiger Versorgungsbedarf):
99% Ortswahrscheinlichkeit (mobiler Empfang)
99% Ortswahrscheinlichkeit (mobiler Empfang)
Quelle: die medienanstalten 2016, Bedarfsanmeldung für den 2. bundesweiten DAB+ Multiplex
Stand: 28.06.2016
Als Richtlinien für den zweiten bundesweiten DAB+-Multiplex wurden bis 2019
Versorgungsgrade festgelegt, die eine 70-prozentige Ortswahrscheinlichkeit, aus-
gelegt für guten Empfang in Gebäuden, und eine 99-prozentige Ortswahrschein-
lichkeit, ausgelegt für mobilen Empfang, vorschreiben. Als Versorgungsziele wur-
den 80 Prozent der Bevölkerung jeder Landeshauptstadt der beteiligten Länder, 40
Prozent der Bevölkerung Deutschlands und 50 Prozent der Autobahnstrecken fest-
gelegt. Bis 2025 sollten alle Versorgungsziele und -grade zwischen 70 und 99 Pro-
zent liegen (vgl. Tab. 5).
Die Bundesnetzagentur legte im März 2016 eine erste Version des Bedarfsstruk-
turkonzeptes vor. Die Ausschreibung für den Plattformbetrieb wurde von der Säch-
sischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) koordiniert.
Zum Bewerbungsschluss am 24.02.2017 langen vier gültige Bewerbungen vor.36
Am 21.03.2017 hat die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medi-
enanstalten beschlossen, das Verständigungsverfahren gemäß Rundfunkstaatsver-
trag einzuleiten, um zu prüfen, ob sich einzelne Bewerber ggf. auf eine gemein-
same Bewerbung einigen können. Das Verständigungsverfahren endete im April
2017.37 Absolut Digital und Media Broadcast haben sich im Rahmen des Verfah-
rens zum gemeinsamen Plattformbetreiber Antenne Deutschland GmbH & Co. KG
35 Aktueller Stand ist hierbei die fünfte Revision der Bedarfsanmeldung vom Juni 2016, online:
http://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/Download/Ausschreibungen/Anlage_Ausschreibung_bun-desweit_2.DAB_Multiplex_Bedarfsanmeldung.pdf, abgerufen 23.03.2017
36 Die Bewerber sind: Digital Audio Broadcasting Plattform DABP GmbH; Absolut Digital GmbH & Co. KG;
MEDIA BROADCAST Digital Radio GmbH; Radi/o digital GmbH 37 Zum zweiten bundesweiten Multiplex vgl. ALM (2017); Digitalradio.de (2017); Munder (2017a, 2017b);
Schwegler (2017)
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 26
zusammengeschlossen. Diesen Bewerber wählten im Juni 2017 die Gremienvorsit-
zenden der Landesmedienanstalten als neuen Plattformbetreiber für den 2. Bun-
des-Multiplex mit bis zu 18 neuen nationalen privaten Angeboten aus.38 Mit dem
zweiten Multiplex wird die Anzahl der DAB+-basierten Angebote, die man in Ba-
den-Württemberg empfangen kann, bis 2025 auf rd. 72 Angebote anwachsen.
Diese Anzahl an Angeboten setzt sich wie folgt zusammen:
▪ Auf bundesweiter Ebene können durch zwei voll ausgelastete Multiplexe rund
26 Radioangebote angeboten werden.
▪ Auf Landesebene können Hörfunkanbieter bei angenomn. Vollauslastung
ebenfalls zwei Multiplexe mit 14 privaten und neun SWR-Angeboten betreiben.
▪ Hinzu kommen könnten 23 weitere regionale DAB+-Angebote, von denen
neun von öffentlich-rechtlichen Anbietern betrieben werden sollen.
Bedarfsstrukturkonzept der Länder bis 2025
Generell sieht das Bedarfsstrukturkonzept der Länder für digitalen terrestrischen
Hörrundfunk bis 2025 vor, dass in Baden-Württemberg – neben den beiden bun-
desweit empfangbaren Multiplexen – noch vier weitere flächendeckende Bede-
ckungen ermöglicht werden.39
Tab. 6: Bedarfsstrukturkonzept für digitalen terrestrischen Hörrundfunk
in Baden-Württemberg bis 2025 (inkl. Zwischenschritt-Planung)
Versorgung
2017 Zwischenschritt Zielvorgabe 2025
Bundes-
ebene 1 Multiplex (5C) 2 Multiplexe 2 Multiplexe
-- -- 4 flächendeckende
Bedeckungen
Landes-
ebene
2 Multiplexe
(ergänzen sich zu
einer landesweiten
Abdeckung der
SWR-Angebote)
2 Multiplexe
(landesweit
einheitlich)
2 Multiplexe
(landesweit
einheitlich)
Regional-
ebene 1 Multiplex
1 Multiplex
(insgesamt 6 regionalisierte
Gebiete)
2 Multiplexe
(insgesamt 10
regionalisierte Gebiete)
Stadtversor-
gung -
7 Stadtversorgungen
(Stuttgart, Mannheim/ Hei-
delberg, Karlsruhe, Freiburg,
Ulm, Heilbronn und Kon-
stanz/ Friedrichshafen)
7 Stadtversorgungen
Quelle: die medienanstalten 2016, online: http://www.diemedienanstalten.de/fileadmin/Download/
Ausschreibungen/Anlage_Ausschreibung_bundesweit_2.DAB_Multiplex_Bedarfsanmeldung.pdf,
abgerufen am 26.02.2017
38 Vgl. http://www.die-medienanstalten.de/presse/pressemitteilungen/die-medienanstalten/detailansicht/ar-
ticle/die-medienanstalten-pressemitteilung-102017-zweiter-bundesweiter-dab-multiplex-gvk-macht-an-tenne.html
39 die medienanstalten 2016, online: http://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/Download/Ausschreibun-
gen/Anlage_Ausschreibung_bundesweit_2.DAB_Multiplex_Bedarfsanmeldung.pdf
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 27
Darüber hinaus soll die lokale Multiplex-Struktur (bestehend aus zwei landesweiten
Multiplexen) um zwei weitere landesweite Bedeckungen erweitert werden, die je-
doch weiter regionalisiert sind. Eine Bedeckung soll vier Gebiete versorgen, die
andere sechs Gebiete.
Schließlich soll das DAB+-Programmangebot durch Stadtversorgungen in Stutt-
gart, Mannheim/Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg, Ulm, Heilbronn und Konstanz/
Friedrichshafen ergänzt werden. Für den Fall einer temporären Unterversorgung
(gemessen am in der Bedarfsanmeldung definierten Bedarf) sollen die landeswei-
ten (zwei Multiplexe), regionalen (sechs Gebiete) und städtischen Versorgungen
mit DAB+ priorisiert werden (vgl. Tab. 6).
3.4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
des Hörfunks
3.4.1 Anbieterstrukturen
Die deutsche Hörfunklandschaft ist als duales System aus öffentlich-rechtlichen
und privaten Anbietern organisiert. Hinzu kommen nicht kommerzielle sowie Aus-
bildungsangebote. Die knapp 300 privaten und rund 70 öffentlich-rechtlichen Hör-
funkangebote werden von rund 2.400 Webradio-Streams ergänzt.
Hörfunkangebote werden nach der Größe ihres Sendegebiets in bundesweite, lan-
desweite/regionale sowie lokale Angebote differenziert. Im Gegensatz zum Fern-
sehen sind jedoch bundesweite Hörfunk-Angebote in Bezug auf Anzahl und Hö-
rerreichweite von eher geringer Bedeutung. Es dominieren Radioangebote mit lan-
desweiter, regionaler oder lokaler Verbreitung (vgl. Tab. 7).
Darüber hinaus gab es rund 2.400 Online-Audio-Angebote 2016 von insgesamt
1.752 Online-Audio-Anbietern, darunter 247 Anbieter von UKW-/DAB+-Simul-
cast-Webradios sowie 1.505 Online-Only-Anbieter40.
Generell kann festgestellt werden, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Hör-
funkangebote insgesamt angestiegen ist. In erster Linie betrifft dies landesweite
und lokale private Angebote und vor allem solche, die digital verbreitet werden41.
40 inkl. Online-Only-Webradios, Radio-Aggregatoren, Musik-Streaming-Dienste und User Generated Radio.
Komplettiert wird der Markt durch proprietäre mobile Hörfunkangebote, die über Smartphone-Apps kon-sumiert werden können. Vgl. www.webradiomonitor.de
41 vgl. BLM 2015b, S. 31
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 28
Tab. 7: Hörfunkanbieter in Baden-Württemberg
und in Deutschland, Stand: 3/2017
Anbieter Angebote
Privater Hörfunk
in Deutschland
179
294
davon:
22 bundesweite Radioangebote
71 landesweite und regionale
Radioangebote
177 lokale Radioangebote
24 reine DAB+-Angebote2
Öffentlich-rechtlicher
Hörfunk in Deutschland
101
davon:
9 ARD-Anstalten so-
wie Deutschlandra-
dio
703
davon:
51 landesweit über UKW
16 landesweit über DAB+
2 bundesweit über UKW
3 bundesweit über DAB+
Online-Hörfunkanbieter in
Deutschland
(umfasst Angebote der o.g.
und reine Online-Anbieter)
1.945
davon:
1.698
Online-Only-
Anbieter
2.442 (Webradio Streams ohne
User-Generated Content)
davon: 247 Anbieter von UKW-/DAB+
Simulcast Webradios
Privater Hörfunk
in Baden-Württemberg
15
21
davon:
1 bundesweites Radioangebot
1 landesweites Radioangebot
3 regionale Radioangebote
12 lokale Radioangebote
4 reine DAB-Plus-Angebote
Öffentlich-rechtlicher
Hörfunk in
Baden-Württemberg
1
6 (bzw. 9, da SWR4 vier regionale
Programmfenster betreibt)
Nicht kommerzielle
Hörfunkanbieter
in Baden-Württemberg
10 12
Online-Hörfunkanbieter in Ba-
den-Württemberg
204
davon:
25 Simulcast Angebote
23 Online-Submarken von UKW
156 Online-Only-Angebote
Quelle: Goldmedia Analyse 2017 nach: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, Vistas
Verlag, S. 115ff.; BLM 2015b, S. 31; Goldmedia 2015: „Webradiomonitor 2015“, S. 5; 1 ohne Deutsche Welle; 2 Angebote, die nur über DAB+ empfangbar sind, aber einem UKW-Funkhaus
angehören. Reine DAB+-Angebote, die wirtschaftlich unabhängig von UKW-Stationen arbeiten, wurden nicht
gezählt; 3 Stand: Januar 2016, Quelle: die medienanstalten (2016): „Jahrbuch 2015-2016“, S. 128
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 29
3.4.2 Aufwand und Erträge im Hörfunk in Deutschland
Während der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinem Auftrag zur medialen
Grundversorgung sich neben geringen Hörfunkwerbeerlösen im Wesentlichen
über die Haushaltsabgabe von 17,50 pro Monat finanziert, muss der privatwirt-
schaftlich organisierte Hörfunk vor allem durch die Vermarktung von Werbung in
seinem Programm Einnahmen erzielen: Für den privaten Hörfunk in Deutschland
machen Werbeerlöse mehr als drei Viertel der erwirtschafteten Erträge aus.
Weitere Umsätze stammen aus Sponsoring-Einnahmen und Online-Werbung, die
in der Regel jeweils weniger als zehn Prozent der gesamten Nettowerbeumsätze
ausmachen. Darüber hinaus erzielen private Hörfunkanbieter in einem geringeren
Maße Erträge aus Auftragsproduktionen sowie Programm- und Rechteverkäufen,
Veranstaltungen, telefonischen Mehrwertdiensten (Call Media) und E-Commerce-
Provisionen (inkl. Affiliate). Einnahmen aus Fördermaßnahmen tragen bei den Hör-
funkanbietern insgesamt ebenfalls zu 0,4% (bundesweit: 2,1%, landesweit: 0,1%,
lokal: 0,5%) zu den Gesamterträgen bei.
Auf der Kostenseite sind sonstige Sachkosten und Personalkosten die größten Pos-
ten, die je nach Verbreitungsform rd. 70 bis 80 Prozent des Gesamtaufwandes von
Hörfunkanbietern ausmachen44.
Zu den sonstigen Kosten zählen unter anderem Ausgaben für Marketing, Lizenzen
und Sponsoring. Die eigentlichen Verbreitungskosten für terrestrischen Hörfunk
über UKW und Online-Hosting stellen mit sechs bis 17 Prozent nur einen geringe-
ren Anteil der Gesamtkosten dar. Mit dem Wechsel zur digitalen, terrestrischen
Verbreitung sollen diese nach Aussage von Experten sogar noch weiter sinken45.
Die Vergütungen für freie Mitarbeiter, Kosten für Programmeinkauf und Syndika-
tion, Abschreibungen und Steuern stellten in 2014 mit rd. 6,6 Prozent einen nur
geringen Anteil am Gesamtaufwand dar.
Bei den meisten Webradioanbietern setzen sich die Erträge hauptsächlich aus dem
Verkauf von Online-Werbung und Audio-Werbung zusammen.
Bei Online-Werbung muss zwischen mobiler und stationärer Online-Werbung un-
terschieden werden: In 2015 wurden mit mobiler Werbung nur rd. 31 Prozent der
Erträge generiert, der Rest entfiel auf stationäre Online-Werbung. Experten erwar-
ten jedoch, dass sich bis 2017 beide Werbeformen einander angleichen werden,
da mobile Werbung im Zuge von Targeting-Kampagnen immer mehr an Relevanz
gewinnt46. Neben Audio-Werbung bieten sich für Webradioanbieter mehrere neue
Erlösquellen, um das Angebot zu monetarisieren (vgl. Abb. 14).
Für den größten Anteil des Gesamtertrages sorgte 2015 mit 61 Prozent klassische
Audio-Werbung, die in Streams eingebunden wird. Hinzu kommen weitere Erlös-
formen wie In-Page Display Werbung, wobei Bereiche der Stream-Website über
Werbeplattformen von Drittanbietern mit Bannern und anderen Werbeformen ge-
füllt werden. Video-Werbung mit digitalen Werbespots machte 2015 rund 16 Pro-
zent des Werbeertrages von Webradiobetreibern aus.
44 Goldmedia 2015: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, S. 88 45 Goldmedia Experteninterviews 2017 46 Goldmedia 2015: Webradiomonitor 2015, S. 33
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 30
In den Expertengesprächen für den Webradiomonitor wurde die Erwartung for-
muliert, dass sich diese Werbeform nicht durchsetzen wird, da der Konsum von
Webradio nur zum Teil als Videostream erfolgt. Daher soll sich der Anteil von Vi-
deo-Werbung am Gesamtertrag aus Expertensicht bis 2017 auf unter zehn Prozent
reduzieren (vgl. Abb. 14).
Abb. 14: Erlösformen von Webradioanbietern in Deutschland
2015 und erwartete Erlöse für 2017, in Prozent
Quelle: Goldmedia 2015: Webradiomonitor 2015
Daneben existieren weitere Geschäftsmodelle wie z.B. die „Freemium“-Finanzie-
rung, die vor allem bei Streaming-Anbietern (wie z.B. Spotify oder Deezer) und im
mobilen Bereich im Zuge der Monetarisierung von Hörfunk-Apps zum Einsatz
kommt (z.B. bei Tune-In Radio). Bei dieser Methode kann das Basis-Produkt kos-
tenlos konsumiert werden, wobei der Stream von Werbung unterbrochen wird.
Erwirbt der Hörer jedoch als monatliches Abo einen Premium-Zugang, entfällt die
In-Stream-Werbung. Stattdessen werden Komfortfunktionen wie die mobile Off-
line-Nutzung aktiviert.
Erfahrungsgemäß wird in Deutschland der kostenlose Zugang des Freemium-Mo-
dells stärker genutzt als die Premium-Variante, sodass Streaming Anbieter eine kri-
tische Masse an Kunden für Werbetreibende aggregieren können. Weltweit mel-
det Spotify rd. 50 Mio. zahlende Nutzer (März 2017) bei zuvor (Juni 2016) rd. 100
Mio. Nutzern insgesamt.47
47 Spotify 2017: „Fast Facts“, online: https://press.spotify.com/us/about/, abgerufen: 16.04.2017
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 31
3.4.3 Entwicklung der Werbemärkte
Die klassische, im linearen Angebot der Anbieter geschaltete Werbung macht nach
wie vor den Löwenanteil der Erträge privater Rundfunkanbieter aus. Verschiedene
mikro- wie makroökonomische Faktoren beeinflussen den Hörfunk-Werbemarkt:
Bekannte Faktoren sind bspw. die allgemeine Radionutzung und damit verbunden
die Reichweiten der Anbieter, die gesamtwirtschaftliche Lage im Allgemeinen und
die wirtschaftliche Situation der Verbraucher und der Werbekunden im Sendege-
biet. Exemplarische Kennzahlen ermöglichen im Folgenden den Einblick in die Ent-
wicklung der Werbemärkte auf Landes- und nationaler Ebene.
3.4.3.1 Entwicklung makroökonomischer Faktoren in Deutschland
Der Blick auf die gesamtwirtschaftliche Situation Deutschlands zeigt die insgesamt
grundsätzlich positive Ausgangslage für die Werbewirtschaft: Nach dem Ende der
Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2009 ist die deutsche Wirtschaft seit 2010 stetig
gewachsen und erzielte jährliche Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP),
die zumeist über dem Schnitt der Eurozone lagen.48
Abb. 15: Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in Deutschland,
2006-2016, in EUR
Quelle: Statistische Ämter der Länder (2016): „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“, Reihe 1,
Länderergebnisse Band 1, ab 2016: Goldmedia Analyse
Es liegt in der Natur des Massenmediums Radio, dass Hörfunk-Werbung nahezu
ausschließlich Verbraucherwerbung (Business-to-Consumer) ist. Somit ist neben
der allgemeinen volkswirtschaftlichen Entwicklung auch die ökonomische Situa-
tion der Privathaushalte von besonderer Relevanz. Von ihr hängt ab, wie hoch die
Kaufkraft der Haushalte ist, was sich wiederum auf die Erlössituation der werbung-
treibenden Unternehmen, vor allem im Einzelhandelsbereich, auswirkt.
Entsprechend der positiven Entwicklung des BIP hat auch das Durchschnittsein-
kommen der Arbeitnehmer in Deutschland zugenommen auf zuletzt knapp
48 Eurostat 2016: „Wachstumsrate des realen BIP“, online: http://ec.europa.eu/euros-
tat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tec00115&plugin=0, abgerufen: 19.04.2017
29.483
37.889
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
35.000
40.000
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 32
33.300 Euro jährlich (2016, vgl. Abb. 16). Damit verfügte jeder Einwohner (d.h.
inkl. der nicht arbeitenden Bevölkerung) über rund 21.800 Euro in 201649.
Abb. 16: Durchschnittseinkommen je Arbeitnehmer in Deutschland,
2006-2016, in EUR pro Jahr
Quelle: Statistische Ämter der Länder (2016): „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“, Reihe 1,
Länderergebnisse Band 2, ab 2016: Goldmedia Analyse
Gleichzeitig sank die Erwerbslosenquote beständig und erreichte mit knapp unter
4,5 % im Jahr 2016 den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung50. Auch die
Verbraucherpreise stiegen dank der geringen Inflation nur sehr moderat.
Abb. 17: Verbraucherpreisindex (VPI) in Deutschland, 2006-2016, in Index
Punkten, 2010 = 100
Quelle: Goldmedia Analyse 2017 nach: Statistisches Bundesamt 2017: „Verbraucherpreise“, online:
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Preise/Verbraucherpreisindizes/Tabellen_/Ver
braucherpreiseKategorien.html?cms_gtp=145114_list%253D2%2526145110_slot%253D2&https=1,
abgerufen 27.02.2017
Die Inflation wird gemessen am Verbraucherpreisindex. Dieser legte seit 2014 jähr-
lich um weniger als ein Prozent zu, während zwei Prozent als volkswirtschaftlich
wünschenswert gelten (vgl. Abb. 17).
49 Goldmedia Analyse 2017 nach: Statistische Ämter der Länder 2/2016: „Volkswirtschaftliche Gesamtrech-
nung der Länder“, Reihe 1, Länderergebnisse Band 5. 50 Statistisches Bundesamt 2017: „Erwerbslosenquote: Deutschland“, aus: GENESIS-Datenbank, Tab. 13231-
0003, abgerufen: 27.02.2017
26.701
33.298
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
35.000
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
93,996,1
98,6 98,9 100102,1
104,1105,7 106,6 106,9 107,4
85
90
95
100
105
110
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 33
3.4.3.2 Entwicklung makroökonomischer Faktoren in Baden-Württemberg
Die Wirtschaft in Baden-Württemberg verzeichnete ein ähnlich starkes oder sogar
überdurchschnittliches Wachstum im Vergleich zum Bundesschnitt: So lag 2015
das Wachstum des BIPs deutschlandweit bei 3,8 Prozent, in Baden-Württemberg
erreichte es sogar 5,4 Prozent ggü. 2014.
Auch im Vergleich der Flächenländer gehören die Wachstumsraten der Südwest-
Wirtschaft seit 2010 zur Spitzengruppe.51 In absoluten Zahlen ist die Wirtschafts-
leistung in Baden-Württemberg aufgrund der Größe des Bundeslandes und u.a.
der starken Automobilindustrie deutlich überdurchschnittlich.
Abb. 18: Bruttoinlandsprodukt in jew. Preisen in Baden-Württemberg,
2006-2016, in Mrd. EUR
Quelle: Goldmedia Analyse 2017 nach: Statistische Ämter der Länder 2/2016: „Volkswirtschaftliche Gesamt-
rechnung der Länder“, Reihe 1, Länderergebnisse Band 1
Entsprechend zeigt sich die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt überdurchschnitt-
lich positiv: Die Arbeitslosenquote Baden-Württembergs liegt mit 3,6 Prozent deut-
lich und dauerhaft unter dem Bundesschnitt von 6 Prozent.52
Gleichzeitig verdienen die Arbeitnehmer im Land überdurchschnittlich, das rech-
nerisch für jeden Einwohner verfügbare Haushaltseinkommen liegt klar über dem
Mittelwert aller Bundesländer (vgl. Abb. 19).
All dies sorgt dafür, dass die Menschen in Baden-Württemberg besonders kauf-
kräftig sind: Die privaten Konsumausgaben überschritten 2015 erstmals die Marke
51 Statistische Ämter der Länder 2/2016: „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“, Reihe 1, Län-
derergebnisse Band 1. 52 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2017: „Arbeitslosenquoten seit 2000“, online:
http://www.statistik.baden-wuerttemberg.de/Arbeit/Arbeitslose/03033015.tab?R=LA, abgerufen: 03.03.2017 und Statistisches Bundesamt nach Daten der Bundesagentur für Arbeit 2017: „Arbeitsmarkt“, online: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Arbeitsmarkt/lrarb001.html, abgerufen: 03.03.2017
357,0
476,8
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Baden-Württemberg
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 34
von 21.000 Euro pro Jahr und Einwohner. Wie auch in den Vorjahren sind dies in
absoluten Zahlen über 1.000 Euro mehr als im bundesdeutschen Durchschnitt.53
Abb. 19: Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner
in Baden-Württemberg und im Bundesdurchschnitt, 2006-2016,
in EUR
Quelle: Goldmedia Analyse 2017 nach: Statistische Ämter der Länder 2/2016: „Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung der Länder“, Reihe 1, Länderergebnisse Band 5
Aus makroökonomischer Perspektive ist die wirtschaftliche Lage Deutschlands der-
zeit stabil und positiv. Baden-Württemberg bleibt mit überdurchschnittlich positi-
ven Daten eine der wirtschaftlich stärksten Regionen der Bundesrepublik.
Das überdurchschnittlich hohe verfügbare Einkommen und die damit verbundene
Kaufkraft in Baden-Württemberg fließen natürlich auch in den Konsum und damit
in die Kassen des Handels. Dadurch ist der regionale Einzelhandel tendenziell bes-
ser als der Bundesdurchschnitt dazu in der Lage, als Werbekunde auch in Hörfunk-
werbung zu investieren.
3.4.3.3 Entwicklung der Hörfunkwerbeerlöse in Deutschland
Angesichts der positiven Gesamtlage der deutschen Wirtschaft lässt sich eine po-
sitive Entwicklung auch für die gesamte Werbewirtschaft ableiten. Die gesamtwirt-
schaftliche Entwicklung und die Umsätze auf den Werbemärkten korrelieren näm-
lich klassischerweise stark:
In Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs stehen in den Unternehmen in der Regel
größere Marketingbudgets zur Verfügung, gleichzeitig verfügen die Konsumenten
über mehr Mittel, die sie in den Konsum investieren.54
53 Goldmedia Analyse 2017 nach: Statistische Ämter der Länder 2/2016: „Volkswirtschaftliche Gesamtrech-
nung der Länder“, Reihe 1, Länderergebnisse Band 5. 54 In einer Rezession ist das Gegenteil oft der Fall: Statt in solchen Situationen mehr Geld in das Marketing zu
investieren, um Umsatzeinbrüche zu kompensieren, werden oft als erstes Werbebudgets reduziert, um sin-kende Umsätze u. Gewinne abzufedern. – Mit fatalen Folgen für werbefinanzierte Medien.
20.096
23.497
18.262
22.255
17000
18000
19000
20000
21000
22000
23000
24000
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Baden-Württemberg Bundesdurchschnitt
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 35
Der Zusammenhang zwischen allgemeiner wirtschaftlicher Lage und den Gesamt-
Nettowerbeumsätzen ist im Zeitverlauf gut erkennbar; wobei sich aber der klassi-
sche Werbemarkt (bspw. ohne Suchmaschinenwerbung) von den Einbrüchen der
Wirtschaftskrise 2008/2009 nicht vollständig erholen konnte.
Abb. 20: Entwicklung der deutschen Nettowerbeumsätze gesamt in
Deutschland, 2006-2016, in Mio. EUR
Quelle: Goldmedia Analyse und Forecast 2017 nach: ZAW-Jahrbücher bis inkl. 2016; Online:
http://www.zaw.de/zaw/branchendaten/nettoumsatzentwicklung-der-werbetraeger; ohne Werbung per Post
Offenbar hat sich die frühere starke Korrelation bei den klassischen Werbeträgern
zuletzt teilweise gelöst: Trotz Wirtschaftswachstums sinken (oder stagnieren) die
Werbemarkt-Nettoumsätze (vgl. Abb. 20). Einbrechende Print-Auflagen haben die
Anzeigenumsätze deutlich schrumpfen lassen, die Zuwächse bei Online- und mo-
biler Werbung gleichen die Rückgänge nur teilweise aus.55
Der Hörfunk ist trotz der wachsenden Konkurrenz durch diverse Online-Musik-
Streaming-Dienste bisher von Einbußen im Zuge der Digitalisierung größtenteils
verschont geblieben. Tagesreichweite und durchschnittliche Nutzungsdauer blei-
ben laut Media-Analyse seit 2010 annähernd konstant.56
Die Hörfunk-Werbeumsätze sind seit 2009 je nach Erhebungsmethode gering an-
gestiegen (WiLa) bzw. kontinuierlich gewachsen (ZAW). Auf die privaten Anbieter
geht dabei die große Mehrheit der Werbeerlöse zurück (2014: 72,6 Prozent), da
Werbung im gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk verschiedenen
Restriktionen unterliegt. Dennoch erwirtschafteten auch die Radioangebote der
ARD im Jahr 2014 Werbeerlöse in Höhe von 220 Mio. Euro57.
55 Die Umsätze aus dem Online-Marketing mit den Bereichen Suchmaschinen und Affiliate werden allerdings
durch den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft nicht ausgewiesen. Vgl. hierzu Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft 2016: „Netto-Umsatzentwicklung der Werbeträger“, online: http://zaw.de/zaw/branchendaten/nettoumsatzentwicklung-der-werbetraeger, abgerufen 19.04.2017
56 Erwachsene ab 10 Jahren in Media-Analyse 2010 Radio II – 2016 Radio II 57 Goldmedia 2015: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, Vistas Verlag, S. 36f.
17.031
17.465
17.065
15.286
15.76015.946
15.51715.363 15.330
15.214 15.302
14000
15000
16000
17000
18000
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 36
Je nach Erhebungsmethode wird für die Jahre 2015 und 2016 insgesamt von ei-
nem marginalen Anstieg (WiLa) bzw. einem leichten Anstieg der Hörfunk-Werbe-
einnahmen ausgegangen (vgl. Abb. 21).
Abb. 21: Entwicklung der Hörfunk-Nettowerbeumsätze (nach ZAW
und nach WiLA), 2006-2016, in Mio. EUR
Quelle: Goldmedia Analyse und Forecast 2017 nach: ZAW-Jahrbücher bis inkl. 2016, online:
http://www.zaw.de/zaw/branchendaten/nettoumsatzentwicklung-der-werbetraeger und
„Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“
Vor allem in der überregionalen Vermarktung gab es offenbar Rückgänge, welche
aber mit steigenden regionalen Werbeerlösen kompensiert werden konnten: Lo-
kale und regionale Werbung wird damit für die Hörfunkanbieter immer bedeutsa-
mer. Die Regionalwerbung machte 2014 bereits 46 Prozent aller Einnahmen im
Privatradio aus58.
3.4.3.4 Umsätze und Kosten im deutschen Hörfunkmarkt
Der landesweite Hörfunk, der je nach Regionalisierungsgrad und Regulierungssitu-
ation alle Werbeformen bedienen kann, erweist sich als besonders margenstark.
Knapp 60 Prozent der Gesamtumsätze des privaten Hörfunks in Deutschland wer-
den von landesweiten Anbietern erwirtschaftet (vgl. Abb. 22).
Abb. 22: Umsatzverteilung im privaten Hörfunk in Deutschland 2014
nach Verbreitung, in Mio. EUR
Quelle: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“
58 Goldmedia 2015: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, Vistas Verlag, S. 88
680
743711
678692
709 720746 738 743
762
529 518 507 510 512 520 527 531 534 525 527
400
500
600
700
800
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
ZAW
WiLa
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 37
Ebenfalls erreicht der landesweite Hörfunk mit 123 Prozent (2014) den höchsten
Kostendeckungsgrad. Über die verschiedenen nach Verbreitungsgebiet gestaffel-
ten Formen hinweg liegt der Kostendeckungsgrad seit 2010 im Schnitt bei 113
Prozent oder höher. Dabei ist der Unterschied zwischen den landesweit sowie den
lokal und bundesweit ausstrahlenden Anbietern sehr deutlich (vgl. Abb. 23).
Abb. 23: Entwicklung des Kostendeckungsgrads im privaten Hörfunk in
Deutschland seit 2004, in Prozent
Quelle: Goldmedia 2015: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, Vistas Verlag
* Goldmedia Forecast in 2015
Dahinter stehen 2015 prognostizierte Gesamterträge des privaten Hörfunks in
Deutschland in Höhe von 664 Mio. Euro. Das entspricht einem Minus von rd. zwei
Prozent im Vergleich zum Vorjahr (vgl. Abb. 24). Dem standen 2014 rd. 3,5 Mrd.
Euro an Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Hörfunks gegenüber59.
Abb. 24: Ertrag im privaten Hörfunk in Dt. seit 2004, in Mio. EUR
Quelle: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, * Goldmedia Forecast in 2015
59 vgl. „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, Vistas Verlag, S. 109
95 92 8996 98 94 93
98 101 102 107 104
117129
122 126120 119 119 123 121
126 123 120109
114 113 116 116106 108 109 110 108
106104
0
20
40
60
80
100
120
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015*
Bundesweiter privater Hörfunk Landesweiter privater Hörfunk Lokaler privater Hörfunk
41 31 35 42 43 52 50 55 57 55 57 55
363 391 411 418 382 394 399 395 398 413 405 393
197 179 182 200198 195 195 203 210 215 217 216
601 601628
660623 641 644 653 665 684 679 664
0
100
200
300
400
500
600
700
800
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015*
Bundesweiter privater Hörfunk Landesweiter privater Hörfunk Lokaler privater Hörfunk
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 38
Abb. 25: Aufwand im privaten Hörfunk in Dt. seit 2005, in Mio. EUR
Quelle: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, * Goldmedia Forecast in 2015
3.4.3.5 Entwicklung der Hörfunkerlöse in Baden-Württemberg
Die privaten Hörfunkanbieter in Baden-Württemberg, die landesweit senden60,
wirtschaften ähnlich effizient wie die Anbieter im Bundesdurchschnitt. Ihr Kosten-
deckungsgrad war zuletzt leicht überdurchschnittlich. Im lokalen Hörfunk hat sich
die Lage der Anbieter weitestgehend stabilisiert, sie arbeiten seit 2013 im Schnitt,
wenn auch mit sinkender Tendenz, weiterhin kostendeckend.
Abb. 26: Kostendeckungsgrad im privaten Hörfunk in Baden-
Württemberg, seit 2004, in Prozent
Quelle: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, * Goldmedia Forecast in 2015
Dies ergibt sich aus seit 2010 leicht gestiegenen aber insgesamt stabilen Aufwen-
dungen im privaten Hörfunk sowie Erträgen, die über die letzten Jahre in etwa im
Verhältnis ein Drittel zu zwei Dritteln von lokalem bzw. landes- und bundesweitem
Privatfunk erwirtschaftet wurden (vgl. Abb. 27 und Abb. 28).
60 Da seit 2010 nur ein privates Angebot in Baden-Württemberg sein Programm bundesweit ausstrahlt, sind
im Folgenden aus Datenschutzgründen die Verbreitungsformen bundesweit und landesweit hier stets ag-gregiert ausgewiesen.
43 34 39 44 44 55 54 56 57 54 53 53
311 303 337 333 319 332 334 321 329 328 330 328
180157
161 172 170183 181 185 191 200 205 208
534494
537 549 533570 569 562 577 582 589 589
0
100
200
300
400
500
600
700
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015*
Bundesweiter privater Hörfunk Landesweiter privater Hörfunk Lokaler privater Hörfunk
124129 126 124 120 123 122 122 124 127 124 121
88101 105
94 94 97 101 104 99
112106 105
0
20
40
60
80
100
120
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015*
Bundesweiter und landesweiter Hörfunk Lokaler Hörfunk
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 39
Abb. 27: Aufwand im privaten Hörfunk in Baden-Württemberg, 2004-
2015, in Mio. EUR
Quelle: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, * Goldmedia Forecast in 2015
Abb. 28: Erträge im privaten Hörfunk in Baden-Württemberg, 2004-2015,
in Mio. EUR
Quelle: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, * Goldmedia Forecast in 2015
Auch bei der Gesamtbetrachtung des regionalen Rundfunkmarktes (also Radio und
TV) sind zum Teil deutliche Verschiebungen möglich. So gingen die Einnahmen des
privaten baden-württembergischen Rundfunks 2014 im Vergleich zum Vorjahr um
fast sechseinhalb Prozent zurück. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dagegen
konnte bei seinen Werbeeinnahmen um 8,6 Prozent zulegen (inkl. sämtlicher Er-
träge des SWR, vgl. Abb. 29).
Somit ergibt sich zwar für den Rundfunk-Werbemarkt in Baden-Württemberg ins-
gesamt, entgegen dem Trend im Bund, 2014 ein leichtes Wachstum analog zur
gesamtwirtschaftlichen Lage im Südwesten (vgl. 3.4.3.2), allerdings profitierten
davon nicht die privaten Rundfunkanbieter.
4250 55
48 4741 39 40 40 43 43 43
2215
1518 18
18 19 21 2225 25 26
63 6670
66 6559 58
61 6369 68 68
0
10
20
30
40
50
60
70
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015*
Bundesweiter und landesweiter privater Hörfunk Lokaler privater Hörfunk
5165 69
59 57 50 48 49 50 55 53 52
19
1616
17 1718 19 22 22
28 27 27
7180
8576 74
68 67 71 72
83 80 78
0
20
40
60
80
100
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015*
Bundesweiter und landesweiter privater Hörfunk Lokaler privater Hörfunk
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 40
Abb. 29: Werbeerträge im privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk
in Baden-Württemberg 2004-2014, in Mio. EUR
Quelle: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:
Angaben inkl. sämtlicher Erträge des SWR
Auch bei den Gesamterträgen, unter Berücksichtigung der Gebührenfinanzierung
der öffentlich-rechtlichen Angebote und sonstiger Erlöse der privaten Hörfunkan-
bieter, zeigt sich ein ähnliches Bild: Insgesamt waren die Erträge im privaten Hör-
funk mit 80 Mio. Euro 2014 leicht rückläufig (minus 3,6 Prozent im Vorjahresver-
gleich), der öffentlich-rechtliche Rundfunk jedoch erreichte ein Plus von 7,4 Pro-
zent auf 1,24 Mrd. Euro (inkl. TV, siehe Abb. 30).
Abb. 30: Gesamterträge im privaten und öffentlich-rechtlichen
Rundfunk in Baden-Württemberg 2010-2014, in Mio. EUR
Quelle: Goldmedia 2015: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, Vistas Verlag
10 10 9 9
64 6678 73
6573 70 68
68 69
69 75
0
20
40
60
80
100
120
140
160
2004 2006 2008 2010 2011 2012 2013 2014
PrivatesFernsehen
PrivaterHörfunk
PrivaterRundfunk
Öffentlich-rechtlicherRundfunk
19 21 20 18 2067 71 72 83 80
1.172 1.125 1.144 1.1551.240
1.2581.217 1.236 1.256
1.340
0
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
2010 2011 2012 2013 2014
PrivatesFernsehen
PrivaterHörfunk
Öffentlich-rechtlicherRundfunk
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 41
3.4.4 Einwohner und Hörerbasis61
Insgesamt ist die Bevölkerung Baden-Württembergs in den vergangenen Jahren
deutlich angewachsen. Dies ist deshalb relevant, weil die Grundlage für werbefi-
nanzierte Radioanbieter stets die technische Reichweite ist.
Schon nach den inzwischen erkennbar veralteten Bevölkerungsvorausberechnun-
gen des Statistischen Bundesamtes stieg die Einwohnerzahl von 2011 mit rd. 10,5
Mio. Personen in Baden-Württemberg bis 2015 auf rd. 10,9 Mio. Menschen. Das
entspräche einem Wachstum von knapp fünf Prozent.62 Diese Berechnung basierte
allerdings auf Daten zur Bevölkerungsentwicklung bis 2013 und berücksichtigt
noch nicht die deutliche Zuwanderung in den Folgejahren.
Goldmedia hat deshalb eigene Berechnungen erstellt, die den erhöhten Flücht-
lingszustrom auf Grundlage von Daten des Bundesinnenministeriums und des Bun-
desamtes für Migration und Flüchtlinge berücksichtigen. Diese werden in Kap.
4.2.2 dargestellt. Hier sei nur angemerkt, dass je nach Szenario bis 2025 rund 11,1
bis 11,3 Mio. Einwohner in Baden-Württemberg zu erwarten sind.63 Dies würde
einen Bevölkerungsanstieg von rund sechs bis sieben Prozent ggü. 2011 bedeuten.
Grundsätzlich gehen Statistiker bei stärkerer Zuwanderung nicht nur von einer Zu-
nahme der Gesamtbevölkerung aus, sondern insbesondere von einem Zuwachs
vor allem jüngerer Kohorten unter 50 Jahre. Daher ist für die Radioanbieter eine
deutliche Ausweitung der Hörerbasis in Baden-Württemberg zu erwarten.
3.4.5 Radionutzung
Die Deutschen bleiben dem Radio – ganz im Gegensatz zu einigen anderen Medi-
engattungen – treu. Hörfunk hat eine relativ stabile tägliche Nutzerbasis. Die Ta-
gesreichweite in der Bevölkerung ab 10 Jahren liegt seit 2010 auf einem konstant
hohen Niveau, zuletzt 2016 bei 76,6 Prozent. Ein etwas stärkerer Rückgang im
Jahr 2015 ist auch auf verschiedene methodische Veränderungen bei der Reich-
weitenmessung zurückzuführen.64
Auffällig ist aber, dass die prozentuale Tagesreichweite des Hörfunks über alle Al-
terskohorten zwischen 2010 und 2015 relativ stabil geblieben ist, jedoch die Hör-
dauer nur in den älteren Kohorten annähernd ihr Niveau hält. Bei den unter 30-
Jährigen hingegen hat sich die tägliche Radionutzung zum Teil deutlich verkürzt:
So sank zum Beispiel bei den 14- bis 19-Jährigen die Hördauer von 115 Minuten
pro Tag in 2010 auf nur noch 91 Minuten in 2015.65
61 Vor dem Hintergrund des Zensus 2011 muss zusätzlich angemerkt werden, dass alle nachfolgenden Anga-
ben im Verlauf der „Langen Reihen“-Messung des Statistischen Bundesamtes an eine neue Methodik an-gepasst wurden. Dies führte zu einer neuen Grundgesamtheit bei der Bevölkerungszählung in Deutschland sowie in Baden-Württemberg.
62 Goldmedia Analyse 2017 nach: Statistisches Bundesamt 2015: „Bevölkerungsentwicklung in den Bundes-
ländern bis 2060“ 63 Goldmedia Analyse 2017 nach: Statistisches Bundesamt 2015: „Bevölkerungsentwicklung in den Bundes-
ländern bis 2060“ 64 So wurde unter anderem eine Mobilfunkstichprobe eingeführt und die ermittelten Werte basieren ab der
ma Radio 2015 II auf den Bevölkerungsdaten des Zensus 2011 und somit einer veränderten Grundgesamt-heit. Vgl. Gattringer, K./Klingler, W. (2015): „Radio behauptet sich im digitalen Zeitalter“, in: „Media Per-spektiven“, Ausg. 9/2015
65 Tagesreichweite und Hördauer auf Basis der MA nach: Media Perspektiven Basisdaten 2010-2015 und
Gattringer, K./Klingler, W. [2016]: „Wie Deutschland Radio hört“, in: „Media Perspektiven“, Ausg. 9/2016
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 42
Bemerkenswert hierbei ist, dass die Tagesreichweite des Hörfunks in Baden-Würt-
temberg seit 2010 durchgehend unter dem Bundesdurchschnitt liegt (vgl. Abb.
31). Mit 74 Prozent in 2016 weist die Media-Analyse für Baden-Württemberg den
zweitniedrigsten Wert im Vergleich der Flächenländer aus.
Abb. 31: Entwicklung der Radionutzung in Deutschland und Baden-
Württemberg seit 2010, Tagesreichweite lt. ma, in Prozent
Quelle: Tagesreichweite in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 10 Jahren lt. Media-Analyse, nach: Media
Perspektiven 10/2010, 9/2012, 9/2014 und 9/2016.
Der überwiegende Teil dieser Radionutzung ist nach wie vor analog über UKW: Für
rund drei Viertel der Menschen ab 14 in Deutschland (74,3 Prozent) ist die Ultra-
kurzwelle weiterhin die meistgenutzte Empfangsart. Praktisch jeder Haushalt mit
mindestens einem Radiogerät (94,7 Prozent) hatte im Jahr 2016 (auch) einen
UKW-Empfänger (93,3 Prozent, vgl. auch 3.3.2). 5,9 Prozent der Personen ab 14
Jahre nutzten am ehesten Internetradio und nur 3,4 Prozent nannten das Digital-
radio DAB+ als den von ihnen meistgenutzten Empfangsweg.66
Ähnliche Nutzungs-Tendenzen der verschiedenen Radioverbreitungswege zeigt
auch die „Pilotstudie DAB+“.67 Allerdings erscheinen die Verhältnisse hier weniger
extrem, da detaillierter die Hördauer untersucht wurde, die jeweils auf verschie-
dene Empfangswege entfällt (vgl. Abb. 32).
Dabei tendieren in Baden-Württemberg die Radiohörer bereits zu einer etwas stär-
keren Digitalnutzung. Der Digitalisierungsbericht der Medienanstalten zeigt, dass
Internetradio in sieben Prozent der Haushalte am häufigsten genutzt wird, gefolgt
von DAB+, das auf 4,5 Prozent kommt. Das analoge UKW-Signal ist in 69,1 Prozent
der Haushalte meistgenutzte Empfangsart.68
66 die medienanstalten 2016: „Digitalisierungsbericht 2016“, Vistas Verlag 67 Diese wurde von der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM), ARD, Deutschlandradio, Me-
dia Broadcast sowie den privaten Anbietern Regiocast, Energy, Neue Welle und Schlagerparadies in Auftrag gegeben. Vgl. http://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/Download/Veranstaltungen/Digitalradio-tag_IFA_2016/Charts_DAB_-Pilotstudie_IFA_final.pdf
68 Goldmedia Auswertung nach: die medienanstalten 2016: „Digitalisierungsbericht 2016“
76,777
77,877,3 77,4
75,2
76,6
75,9 7676,6
76,1
75
72,3
74
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Deutschland Baden-Württemberg
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 43
Abb. 32: Anteile der Radioempfangswege an der Hördauer insgesamt
in 2016, in Prozent
Quelle: Kors, J. (2016): „Ergebnisse und Perspektiven der ‚Pilotstudie DAB+ Nutzung 2016‘“, online:
http://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/Download/Publikationen/Digitalisierungsbericht/2016/
Digitalisierungsbericht_2016_Beileger_deutsch.pdf, abgerufen 02.02.2017, Differenz zu 100 rundungsbedingt
Dieser Trend spiegelt sich wiederum auch in den Ergebnissen der DAB+-Pilotstudie
wider. Demnach liegt Baden-Württemberg – entsprechend der überdurchschnitt-
lichen Ausstattung von Haushalten mit DAB+-Geräten (vgl. 3.3.2) – auch bei der
Hördauer, die auf DAB+ entfällt, bundesweit in der Spitzengruppe (vgl. Abb. 33).
Abb. 33: Hördauer DAB+, Vergleich nach Bundesländern 2016, in Min.
Quelle: Goldmedia 2017 nach: Kors, J. (2016): „Ergebnisse und Perspektiven der ‚Pilotstudie DAB+ Nutzung
2016‘“, durchschnittliche Hördauer Mo – So, die auf DAB+ entfällt, ohne Stadtstaaten, THÜ = Thüringen, SH =
Schleswig-Holstein, MV = Meckelnburg-Vorpommern, SRL = Saarland, BB = Brandenburg, RP = Rheinland-Pfalz,
NRW = Nordrhein-Westfalen, SN = Sachsen, NDS = Niedersachsen, BW = Baden-Württemberg, HE = Hessen,
BY = Bayern, SA = Sachsen-Anhalt
Erwartungsgemäß variiert dabei auch die Nutzung digitaler Verbreitungswege in
den verschiedenen Altersklassen: In jüngeren Kohorten werden sie tendenziell häu-
figer als meistgenutzte Empfangswege angegeben als bei den Älteren. Auffällig
ist, dass sich dieser Trend nicht nur bei internetbasierten Lösungen, sondern auch
UKW54,0%
DAB+18,5%
Internet17,3%
Kabel/Satellit5,6%
Weiß nicht6,0%
THÜ
19
SH/MV
24
SRL
27
BB
28
RP
32
NRW
36
SN
43
Durchschnitt
und NDS
46
BW
56
HE
59
BY
60
SA
77
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 44
beim Digitalradio DAB+ zeigt. Unter den 14- bis 19-Jährigen ist für rund neun Pro-
zent DAB+ die meistgenutzte Empfangsart – ein deutlich überdurchschnittlicher
Wert.69
Mit zunehmender mobiler Datennutzung und Verbesserungen der Infrastruktur für
schnelles Internet steigt zudem auch die Nutzung von Webradio. Alle Geräte wie
Smartphones, Tablets, Notebooks, Desktop-PCs oder IP-Radios zusammengenom-
men, wird in 31,3 Prozent der deutschen Haushalte (2016) zumindest gelegentlich
Radio über das Internet gehört, in Baden-Württemberg sind es 32,5 Prozent.70
3.4.6 Marktkräfte der Digitalisierung des Hörfunks
Im Zuge der Digitalisierung hat sich die Dynamik im Radiomarkt erkennbar ver-
schärft: Hierbei spielen nicht nur der Wettbewerb der bestehenden Anbieter und
das Verhalten der Hörer eine Rolle. Zulieferer aus den Bereichen Technik und Infra-
struktur, potenzielle neue Mitbewerber wie Telekommunikationskonzerne sowie
Substitutionsprodukte für den Hörfunk aus dem Internet werden stärker. Ihr
Markterfolg ist für die Zukunft des Hörfunks von erheblicher Bedeutung. Daher
werden diese verschiedenen Marktkräfte im Sinne einer 5-Forces-Analyse nach
Porter hier kurz adressiert.
3.4.6.1 Aktuelle Marktteilnehmer/Radioangebote
Die Differenzen zwischen gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Programm-
anbietern und werbefinanzierten Privatanbietern in Sachen Digitalradio sind 2017
deutlich zutage getreten und fanden ihren vorläufigen Höhepunkt im Rückzug des
Verbands Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) aus dem „Digitalradio
Board“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im
Februar 2017 (vgl. Kapitel 3.2).
Während die ARD in einem Positionspapier schreibt „die Zukunft des Radios ist
digital“ und einen Umstieg in zwei Phasen von Netzausbau und Migration vor-
schlägt71, stellt der VPRT fest, dass UKW nach wie vor von überragender Bedeu-
tung sei. Der Verband fordert eine finanzielle Unterstützung, wie sie auch die ARD
und das Deutschlandradio aus dem Rundfunkbeitrag für die technische Verbrei-
tung über DAB+ erhalten. Aufgrund fehlender Nutzung und Reichweite von DAB+
ließen sich die benötigten Mittel für die Simulcastphase nicht aus den Werbeerlö-
sen generieren.72
Trotz der offenen Ablehnung des VPRT erscheinen die Digitalradiostrategien der
Privatradioanbieter insgesamt recht heterogen: Während auf nationaler Ebene
neue Anbieter die Möglichkeit nutzen, über DAB+ ihre Angebote zu verbreiten,
69 die medienanstalten 2016: „Digitalisierungsbericht 2016“, Vistas Verlag 70 Goldmedia Auswertung nach: die medienanstalten 2016: „Digitalisierungsbericht 2016“ 71 ARD Generalsekretariat 2016: „10 Fakten, die Sie über DAB+ wissen sollten“, online:
http://www.ard.de/download/2032242/10_Fakten__die_Sie_uber_DAB__wissen_sollten.pdf, abgerufen: 15.02.2017
72 VPRT 2016: „Die TOP 7 zur Transformation der Hörfunkverbreitung ins digitale Zeitalter“, online:
http://www.vprt.de/sites/default/files/documents/Position_Transformation_Hoerfunkverbreitung.pdf, ab-gerufen 01.12.2016
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 45
scheuen einige regionale UKW-Angebote mit einem positiven Kostendeckungs-
grad (vgl. Kapitel 3.4.3.5) Investitionen in die Ausstrahlung über DAB+, andere
engagieren sich nach Jahren der Zurückhaltung plötzlich intensiv.
Bei den bisherigen Vorbehalten gegenüber DAB+ spielt es wohl neben den höhe-
ren Kosten einer Doppelverbreitung (Simulcast) über UKW und DAB+ auch eine
Rolle, dass durch den DAB+-Standard insgesamt mehr Angebote Verbreitung fän-
den und somit der Wettbewerb sich intensivieren würde. Im Gegensatz dazu er-
scheinen die Kapazitäten des UKW-Bandes in Deutschland begrenzt und weitest-
gehend ausgeschöpft.
Zahlreiche Anbieter aber nutzen derzeit auch die Möglichkeiten zur horizontalen
Integration und wollen – nach dem angekündigten Verkauf durch den bisherigen
Marktführer Media Broadcast73 – den Betrieb der von ihnen genutzten UKW-An-
gebote übernehmen bzw. an private Dienstleister auslagern (vgl. Abs. Zulieferer
für technische Infrastruktur).
3.4.6.2 Konsumenten/Hörer/Endgeräte
Die große Mehrheit der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland ist laut Langzeit-
studie Massenkommunikation nach wie vor der Meinung, dass Radiohören seine
Bedeutung beibehält (2010: 91 Prozent, 2015: 89 Prozent).74
Die Hörer sehen sich einem Angebot gegenüber, dessen Quantität und Qualität sie
bewusst oder unbewusst beständig evaluieren. Dies gilt sowohl in Bezug auf das
Programmangebot als auch auf Endgeräte. Der Preis (genauer: die materiellen und
immateriellen Kosten der Nutzung) und die Verfügbarkeit von Radiogeräten (oder
anderen Geräten/Technologien zur Radionutzung) haben großen Einfluss auf die
Entscheidung der Konsumentenmehrheit für einen Standard. Daher machen billige
Empfänger, die in den Haushalten bereits vielfach vorhanden sind, sowie ein diffe-
renziertes Programmangebot den UKW-Standard nach wie vor aus Konsumenten-
sicht hoch attraktiv.
Die Tatsache, dass verschiedenste Medienangebote letztlich um Zeitanteile an der
Gesamtmediennutzung der Menschen konkurrieren, spielt für das Medium Radio
heute eine größere Rolle denn je. Auch wenn Radio als Nebenbei-Medium stets
parallel zu anderen Medienangeboten genutzt werden konnte, verschwindet die
Alleinstellung des Hörfunks. Längst ist die Verwendung von Computern oder
Smartphones für das Hören von Audioinhalten Normalität. Inzwischen können Hö-
rer aus einer Vielzahl von Verbreitungswegen, Endgeräten und damit Angeboten
wählen (vgl. Abs. Substitutionsprodukte).
In Bezug auf DAB+ bedeutet das oft: Die Neuanschaffung eines Digitalradios ist im
Vergleich zum einfachen UKW-Empfänger teurer; mobile Endgeräte wie Smart-
phones oder Tablets als Alternative sind im Haushalt oft schon vorhanden75.
73 Vgl. Media Broadcast 2017: „Media Broadcast ordnet Geschäftsfelder neu“, online: https://www.media-
broadcast.com/uploads/media/PM_ukw_final.pdf, abgerufen: 26.04.2017 74 ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation 2015 75 2016 hatten 42 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren Zugang zu einem Tablet, rd. 70 Prozent zu einem
Smartphone. Vgl. die medienanstalten 2016: „Digitalisierungsbericht 2016“, Vistas Verlag
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 46
In einer Studie im Auftrag des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikin-
dustrie (ZVEI) gaben 56% der Befragten im November 2016 an, dass sie weder ein
Digitalradio besitzen noch einen Kauf in den nächsten zwölf Monaten planen.76
Es lässt sich also ableiten, dass das Marktgeschehen stets dort stattfindet, wo ge-
eignete Endgeräte sind. Smartphones stellen dabei heute – nach dem klassischen
UKW-Radio – das am stärksten verbreitete Empfangsgerät im Vergleich aller digi-
talen Radioempfangsmöglichkeiten dar77.
3.4.6.3 Zulieferer für technische Infrastruktur: Endgeräte und Netzbetreiber
Zentrale Treiber für die Endgeräteindustrie sind die Zahl der verkauften Geräte und
der jeweilige Gewinn bzw. die damit verbundene Marge. Da die Produktion von
(einfachen) Ultrakurzwellen-Empfängern zu sehr geringen Kosten möglich ist, sind
die Margen entsprechend niedrig. Hinzu kommt, dass der Markt für UKW-Radios
mit rund 140 Mio. Geräte in deutschen Haushalten78 gesättigt erscheint.
Viele DAB+-Geräte dagegen können die Hersteller deutlich teurer anbieten. Trotz
der nach wie vor bestehenden relativen Zurückhaltung der Verbraucher weist der
Markt für digitale Radio-Endgeräte erhebliche Wachstumspotenziale auf: So konn-
te die Geräteindustrie 2016 den Absatz von DAB+-Radios im Vergleich zum Vor-
jahr um beachtliche 25 Prozent auf 1,2 Mio. Stück in Deutschland steigern79.
Abb. 34: Anteil der Geräteklassen an der Gesamtheit verkaufter Radio-
Empfänger in Deutschland, 2015-2016, in Prozent
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017 nach: GfK Point-of-Sale Tracking
Angesichts solcher Wachstumsraten stellt der ZVEI, der auch im Digitalradio Board
des Bundes vertreten ist, fest: „Ein Austausch (der Geräte) über eine Beschleuni-
gung der Digitalisierung beim Radio, über die Formulierung eines stufenweisen
Szenarios sowie klarer Kriterien mit der Perspektive einer UKW-Abschaltung ist (…)
76 Repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag des Zentralverbands Elektrotechnik-
und Elektronikindustrie im November 2016, online: https://www.zvei.org/presse-medien/pressebe-reich/zvei-studienergebnisse-dab-in-deutschland-weiter-auf-wachstumskurs/, abgerufen 24.04.2017
77 So gehen die Anbieter von internetbasierten Audio-Angeboten auch von einem durchschnittl. jährlichen
Wachstum des Streaming-Volumens in Höhe von 19 Prozent für 2016 und 2017 aus. Jedoch bestehen nach wie vor Hindernisse, die die Radionutzung auf Internetbasis unkomfortabel machen können. Als größte Hemmnisse für die Nutzer werden das begrenzte Datenvolumen bei Mobilfunkverträgen und die noch mangelnde Verfügbarkeit von mobilem Internet gesehen. Vgl. Goldmedia 2016: „Webradiomonitor 2016“
78 die medienanstalten 2016: „Digitalisierungsbericht 2016“ 79 ZVEI 2017: „ZVEI-Studienergebnisse: DAB+ in Deutschland weiter auf Wachstumskurs“, online:
http://www1.zvei.org/Presse/Presseinformationen/Seiten/ZVEI-Studienergebnisse-DAB+-in-Deutschland-weiter-auf-Wachstumskurs-.aspx, abgerufen: 25.04.2017
64,6%
72,9%
15,5%
11,6%
16,6%
13,3%
3,3%
2,3%
2016
2015
Analoge Geräte Digitale Geräte Internet-Geräte Hybrid-Geräte (IP & DAB+)
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 47
begrüßenswert.“80 Dennoch verkauften die Hersteller 2016 nach wie vor deutlich
mehr analoge UKW-Geräte als in allen digitalen Produktklassen zusammen (vgl.
Abb. 34).
Grundsätzlich sind die Endgeräte-Hersteller also ein wichtiger Faktor, stehen die
Geräte doch in direkter Wechselwirkung mit der Bereitschaft der Hörer, einen Stan-
dard zu nutzen. Gesetze und Industriestandardisierungen können jedoch Verhal-
ten und Chancen von Technologie-Lieferanten beeinflussen. Ein Beispiel hierfür
könnte die bereits viel diskutierte und Mitte 2017 beschlossene Multichip-Norm
für höherwertige Radio-Endgeräte sein, wie sie auch von der European Broadcas-
ting Union (EBU) mit ihrer Eurochip-Initiative gefordert wurde81.
Ein Multichip soll den Empfang verschiedener Übertragungsstandards über ein Ge-
rät ermöglichen. In einem Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums
ist die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) bereits vorformuliert. Darin
heißt es, in Zukunft solle jedes „höherwertige Gerät“, das mindestens zur Anzeige
des Sendernamens fähig ist, „mit mindestens einer den anerkannten Regeln der
Technik entsprechenden Schnittstelle ausgestattet sein, die es dem Nutzer ermög-
licht, digital codierte Inhalte zu empfangen und wiederzugeben“82. Diese Formu-
lierung bezieht sich jedoch nicht ausdrücklich allein auf DAB+.
Auf Seiten der Netzbetreiber ist das Geschäft mit der Programmverbreitung via
UKW eine sichere Einnahmequelle: Solang öffentlich-rechtliche wie private Hör-
funkanbieter für die analoge Ausstrahlung bezahlen, sind die Potenziale eines di-
gitalen Standards aus Netzbetreiber-Sicht mit Risiken behaftet. Interessant ist in
diesem Zusammenhang jedoch die Entscheidung der Freenet-Tochter Media
Broadcast, bis Juni 2018 ihre UKW-Infrastruktur zu verkaufen und sich stattdessen
auf rein digitale Verbreitungswege für Radio (DAB+) und TV (DVB-T2 HD) zu fo-
kussieren.83
Verschiedene Hörfunkanbieter hatten in der Vergangenheit bei der Bundesnetza-
gentur erreicht, dass ihre Angebote auch durch andere Dienstleister als die Media
Broadcast ausgestrahlt werden können. So wird für eine Reihe von Frequenzen der
Betrieb inzwischen durch neue Wettbewerber wie UPLINK Network, Divicon Media
oder in Baden-Württemberg die von fünf privaten Programmanbietern gegründete
SBW realisiert.
Diese Unternehmen dürften den technischen Betrieb weiterer UKW-Frequenzen
übernehmen, wenn sich nicht ein Programmanbieter als Nutzer der jeweiligen
UKW-Anlagen dazu entscheidet, den Betrieb selbst in Eigenregie fortzuführen.
Hörfunkunternehmen, die bisher nur Programmanbieter waren, können selbst in
80 ZVEI 2015: „Positionspapier zur vollständigen Digitalisierung im Hörfunk“, online: https://www.zvei.org/
presse-medien/publikationen/positionspapier-zur-vollstaendigen-digitalisierung-im-hoerfunk/, abgerufen: 25.04.2017
81 European Broadcasting Union (EBU) 2012: „Drive to Digital“, online: https://www.ebu.ch/files/live/sites/
ebu/files/Publications/Speeches/2012.11.05-ANF-Driveto.pdf, abgerufen 26.04.2017 82 Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes,
online: http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/P-R/referentenentwurf-viertes-gesetz-aenderung-telekommunikationsgesetz.pdf, abgerufen: 28.04.2017
83 Media Broadcast 2017: „Media Broadcast ordnet Geschäftsfelder neu“, online: https://www.media-
broadcast.com/uploads/media/PM_ukw_final.pdf, abgerufen: 26.04.2017
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 48
das Infrastruktur-Geschäft einsteigen bzw. kostengünstigere Dienstleister beauf-
tragen. Daher besteht das Interesse verschiedener kleinerer Netzbetreiber am
UKW-Standard nahezu unverändert fort.
Die wichtigsten Akteure auf diesem sich öffnenden Markt der Sendernetze haben
sich in ihrer „Frankfurter Erklärung“ darauf geeinigt, „auch nach dem Rückzug der
Media Broadcast für einen diskriminierungsfreien Zugang zur bundesweiten UKW-
Infrastruktur zu sorgen“84.
3.4.6.4 Potenzielle Mitbewerber
Laut der Media-Analyse 2016 Radio II zu den Nutzungswegen von Radio besitzen
inzwischen mehr als 85 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 10 Jahren
einen Internetanschluss und 67,5 Prozent ein internetfähiges Handy. Daher ver-
wundert es kaum, dass rund 43 Prozent auch angeben, schon einmal Radio über
das Internet gehört zu haben, rund 19 Prozent über ein Handy oder Smartphone.85
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch der Digitalisierungsbericht 2016 der Lan-
desmedienanstalten (vgl. 3.4.4) und stellt fest, dass Internetradio klar vor DAB+
liegt, wenn man alle Nutzungsmöglichkeiten wie PC, Tablet, Smartphone etc. be-
rücksichtigt. Das Streaming von Radioangeboten über das Internet ist demnach
2017 die bedeutendste Alternative zum terrestrischen Empfang, ob analog oder
digital. Streaming-Provider werden damit zu bedeutsamen Konkurrenten der Be-
treiber terrestrischer Netze.
Neben der zunehmenden Nutzung von Web-Radiostreams (Simulcasts der auch
klassisch ausgestrahlten Angebote oder reine Onlineangebote) ist ein weiterer
wichtiger Trend im Bereich des Mobilfunks auf Angebotsseite die Entwicklung des
LTE-Nachfolgers 5G. Dieser neue Mobilfunk-Standard wird deutlich größere Da-
tenvolumina übertragen können, belastbarer und sicherer sein sowie extrem nied-
rige Latenzzeiten ermöglichen.86 5G soll in Deutschland voraussichtlich ab 2020
eingeführt werden.
Aktuelle Streamingangebote des Radios, die über die heutigen mobilen Daten-
netze oft flächendeckend nicht komfortabel zu nutzen sind, wären bei entspre-
chendem 5G-Netzausbau problemlos verfügbar.
Hinzu kommt, dass klassische Rundfunkfunktionalitäten auch mit Mobilfunk-Tech-
nik mittels eMBMS (evolved Multimedia Broadcast Multicast Service) realistisch er-
scheinen. Sie sind grundsätzlich bereits auf Basis des aktuellen 4G (LTE)-Standards
84 Sendernetzbetrieb Baden-Württemberg 2017: „Frankfurter Erklärung“, online: http://www.sendernetzbe-
trieb-bw.de/aktuelles.html, abgerufen: 26.04.2017 85 Ergebnis der ma 2016 Radio II nach: Gattringer, K./Klingler, W. [2016]: „Wie Deutschland Radio hört“, in:
„Media Perspektiven“, Ausg. 9/2016 86 Das mobile Internet soll durch 5G „greifbar“ werden („Tactile Internet“). Sehr viel umfangreichere Echt-
zeitanwendungen als bisher, zum Beispiel in der Medizin (Fern-OPs), der Industrie (tiefgreifendere Auto-matisierung) oder im Energiesektor (smarte Netze), würden möglich. Vgl. International Communication Union 2014: „The Tactile Internet – ITU-T Technology Watch Report”, online: https://www.itu.int/dms_pub/itu-t/oth/23/01/T23010000230001PDFE.pdf, abgerufen 27.04.2017
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 49
möglich, kommen aber bislang nicht zum Einsatz. eMBMS kann „die Effizienz be-
währter Rundfunkdienste mit der Flexibilität und Individualität interaktiver Mobil-
funkdienste in einem System attraktiv … kombinieren“87.
Konkret würde mit der eMBMS-Technologie der Programmanbieter seinen digita-
len Stream an den Mobilfunkbetreiber liefern, der diesen an seine Basisstationen
verteilt. Automatisiert wird dann für jede Funkzelle entschieden, ob es am kosten-
effizientesten ist, den Stream über Einzelverbindungen weiterzugeben (Unicast
/Punkt-zu-Punkt-Verbindung wie auch sonst im Mobilfunk,) oder ob es so viele
Nutzer gibt, dass der Stream an alle per eMBMS in der Funkzelle „ausgestrahlt“
wird (Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindung, Broadcast).88
Anstatt klassischen Rundfunks und Mobilfunks nebeneinander würde also beides
auf einer Plattform kombiniert möglich. Das Problem, extrem hohe Bandbreite vor-
halten zu müssen, da sich die zu übertragenden Datenmengen aufaddieren, wenn
jeder Hörer mit einem Einzelstream versorgt werden muss, würde sich dann nicht
mehr in diesem Ausmaß stellen. Millionen Mobilgeräte könnten als vollwertige Ra-
dio- und TV-Empfänger fungieren.
Hier wird deutlich, wie sehr die 5G-Technik zukünftig in Konkurrenz zu den ter-
restrischen Verbreitungsformen treten und finanzstarke Mobilfunkkonzerne damit
zu neuen Akteuren auch auf dem Hörfunkmarkt werden könnten. Das Engage-
ment von Unternehmen wie der Deutschen Telekom oder Vodafone, die aktuell
die Forschung zu 5G in Deutschland forcieren, könnte sich dabei zu einer Heraus-
forderung nicht nur für Rundfunk-Netzbetreiber, sondern für die gesamte Branche
auswachsen. Denn theoretisch könnten sie auch eigene Programmangebote in den
dann bi-funktionalen 5G-Netzen veranstalten.
Bei aller Zukunftsvision sind beim Thema Rundfunk über 5G aber nach wie vor
wichtige Fragen offen – zum Beispiel solche der Wirtschaftlichkeit oder der freien
Nutzung neuer Netze, auch ohne SIM-Karte bzw. Mobilfunkvertrag. Daher unter-
streicht unter anderem die ARD die Bedeutung „anonymer und kostenfreier Nut-
zung ohne Volumenbegrenzung“89 bei DAB+.90
3.4.6.5 Substitutionsprodukte
Laut Langzeitstudie Massenkommunikation gibt es vier übergreifende Motive für
die Radionutzung: Entspannung, Ablenkung, sich nicht alleine zu fühlen und Ge-
wohnheit.91
87 Institut für Rundfunktechnik 2017: „Mobile Broadcast“, online: https://www.irt.de/themengebiete/funk-
systeme/mobile-broadcast/, abgerufen 27.04.2017 88 die medienanstalten 2015: „Digitale terrestrische Verbreitung des lokalen/regionalen Hörfunks“, online:
http://www.die-medienanstal-ten.de/fileadmin/Download/Positionen/Gemeinsame_Positio-nen/20151020_Digitalradio_lokal_regional.pdf, abgerufen 07.02.2017
89 ARD Generalsekretariat 2016: „10 Fakten, die Sie über DAB+ wissen sollten“, online: http://www.ard.de/
download/2032242/10_Fakten__die_Sie_uber_DAB__wissen_sollten.pdf, abgerufen: 15.02.2017 90 In diesem Zusammenhang wäre auch zu klären, ob Rundfunkanbieter ihr Signal in die Netze aller Mobil-
funkbetreiber (in Deutschland: drei) einspeisen müssten, oder ob in jedem Gebiet nur eine Ausstrahlung stattfindet, die für alle Mobilfunknutzer zugänglich gemacht würde, wie es auch die European Broadcasting Union (EBU) bereits perspektivisch vorschlägt. Vgl. European Broadcasting Union (EBU) 2014: „Delivery of Broadcast Content over LTE Networks“, online: https://tech.ebu.ch/docs/techreports/tr027.pdf, abgerufen: 07.02.2017
91 ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation 2015
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 50
Während das Gefühl, einen Begleiter durch den Tag zu haben, oft mit der Person
des Moderators im Hörfunk assoziiert wird, können Nutzer die anderen Motive
auch über andere Medien bzw. Angebotsformen bedienen: Entspannung und Ab-
lenkung könnten zum Beispiel auch kuratierte Online-Playlisten, stimmungsbezo-
gene Musikstreams oder auf persönlichen Interessen basierende Webchannels lie-
fern. – Tatsächlich verwenden beispielsweise 60% der deutschen Musikstreaming-
Nutzer das Angebot zum Entspannen.92
Dass sich die Gewohnheit, das eigene klassische Radiogerät regelmäßig einzuschal-
ten, dann auch ändern kann, zeigt eine Umfrage unter deutschen Online-Audio-
Nutzern. Sie geben an, dass bereits rund die Hälfte ihrer Radio- und Musiknutzung
sich ins Internet verlagert hat.93 Zunehmend verschiebt sich die Nutzung also in
Richtung anderer Geräte und Audio-Formen. Dabei ist das klassische Radio inzwi-
schen zu einem Teil eines viel umfangreicheren und komplexeren „Audio-Univer-
sums“ geworden (vgl. Abb. 35).
Abb. 35: Struktur und Elemente des Radio- und Audio-Universums
Quelle: Goldmedia 2014: „LfM Digitaltrends“, Ausgabe 2014
Während Audio-on-Demand in Form von Hörbüchern oder Podcasts bereits länger
am Markt sind, ohne bislang eine überragende Bedeutung zu erlangen, wachsen
mobile Audioangebote und Streaming-Plattformen rasant: Anbieter wie Spotify,
Apple Music oder Deezer, aber auch Video-Portale wie YouTube sind mit vielen
Millionen Musiktiteln besonders für junge Nutzer Alternativen zum Radiohören.
Hinzu kommt von Nutzern generierter Content, wie auf der Radioplattform
laut.fm, die den User zum DJ seines eigenen Onlineradios werden lässt. Aggrega-
toren wie radio.de, phonostar oder TuneIn bündeln verschiedenste Online-Audio-
92 GroupM/Spotify 2016: „The Streaming State of Mind”, online: https://groupmp6160223111045.az-
ureedge.net/cmscontent/admin.groupm.com/api/file/2460, abgerufen: 20.04.2017 93 Goldmedia 2016: „Webradiomonitor 2016“
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 51
Angebote und machen sie durchsuchbar. Auf diesen Plattformen stehen die Si-
mulcast-Angebote klassischer Radioanbieter in direktem Wettbewerb mit reinen
Onlineradios und on-Demand-Angeboten wie Podcasts. Aufgrund der Vielfalt der
abrufbaren Audioinhalte innerhalb einer App ergibt sich ein klarer Wettbewerbs-
vorteil im Vergleich zu klassischen Geräten für den terrestrischen Empfang.
Eine Besonderheit stellt das Angebot radioplayer.de dar, ein Gemeinschaftsprojekt
der privaten und öffentlich-rechtlichen deutschen Radioangebote, auf dem die Au-
dio-Inhalte dieser Partner verfügbar sind. Das Projekt soll die Radioangebote der
Anbieter auf eine Vielzahl von App-Plattformen, digitale Endgeräte sowie in ver-
netzte Autos bringen. Gleichzeitig garantiert es die Kontrolle über die eigenen In-
halte und die damit generierten Werbeeinnahmen, die sonst andere Aggregatoren
verbuchen könnten.
Ein Blick darauf, über welche Kanäle die Menschen in Deutschland Musik konsu-
mieren, vermittelt einen Eindruck davon, welche Bedeutung das Substitutionspro-
dukt Streaming hat und wie groß der Konkurrenzdruck schon heute ist.
Abb. 36: Nutzungsanteile an der Gesamtheit des Musikhörens
(„Share of Ear“) in Deutschland 2014-2016, in Prozent
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017 nach: Jahrbuch Bundesverband Musikindustrie 2014-2016
* Wert umfasst kostenloses und Premium Audio-Streaming sowie das Streaming von Musikvideos
Zusammenfassung der Marktkräfte
Die beschriebenen Akteure, Technologien und ihre Einflüsse haben perspektivisch
die Möglichkeit, den bisherigen Radiomarkt zu verändern. Dennoch müssen sich
diese Angebote erst gegen die klassischen Nutzungsmotive und das habitualisierte
Hörerverhalten durchsetzen. Der nach wie vor starke Hörfunk und seine klassi-
schen Verbreitungswege haben eine oft treue Nutzerbasis.
Dennoch wirken einige der beschriebenen Effekte schon jetzt im Hörfunkmarkt.
Vielfältige und attraktive Onlinedienste stehen im Wettbewerb zum Digitalstan-
dard DAB+ und sind daher in Bezug auf Zukunftsszenarien zu berücksichtigen.
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Radio Online-Radio Streaming* DigitaleMusikdateien
PhysischeTonträger
2014
2015
2016
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 52
3.5 Zwischenfazit: Status quo des
Hörfunkmarktes Baden-Württemberg
Hörfunk ist in Baden-Württemberg nach wie vor ein in weiten Teilen analoges Ge-
schäft, die Digitalisierung läuft langsam an. Die gesamtwirtschaftlichen Ausgangs-
bedingungen für den werbefinanzierten privaten Hörfunk sind zwar gut, dennoch
deuten sich durch die fortschreitende Verlagerung von Audionutzung und Werbe-
budgets ins Internet mittelfristig Unsicherheiten an. Zu den wichtigsten Erkennt-
nissen der Status quo-Analyse gehören:
▪ Deutschland liegt im internationalen Vergleich bei DAB+ relativ gut mit einer
Versorgung von rd. 82 Prozent der Bevölkerung (Indoor).
▪ Auch wenn die Verkäufe von DAB+-Radios hohe Wachstumsraten aufweisen,
liegt die Ausstattungsrate deutscher Haushalte mit entsprechenden Geräten
nach wie vor weit hinter Technologien wie UKW-Radios und Smartphones.
▪ Die Digitalradionutzung in Baden-Württemberg ist im deutschlandweiten Ver-
gleich mit 14,5 Prozent der Haushalte überdurchschnittlich hoch, doch auch
hier noch auf einem international vergleichsweise niedrigen Niveau.
▪ Die Bevölkerung in Baden-Württemberg wächst aufgrund des allgemeinen Zu-
stroms wie auch wegen der Flüchtlingssituation deutlich an. Von 10,5 Mio.
werden je nach Szenario bis 2025 rund 11,1 bis 11,3 Mio. Einwohner in Ba-
den-Württemberg zu erwarten sein. Vor allem die werberelevanten jüngeren
Altersgruppen nehmen dabei zu.
▪ Nutzung und Reichweiten des Radios sind im Gegensatz zu anderen Medien-
gattungen bislang relativ stabil – nur bei sehr jungen Nutzern hat sich die Hör-
dauer erkennbar verkürzt.
▪ Im Wettbewerb mit anderen Medien um die Budgets der Werbetreibenden
hat Radio nach wie vor eine feste Position mit relativ stabilen Umsätzen. Regi-
onale Werbung steigt dabei weiter an. Internetbasierte Werbeerlöse spielen
eine untergeordnete Rolle.
▪ Eine Analyse der Kräfte im Hörfunkmarkt zeigt: Internetbasierte Angebote set-
zen klassische Hörfunkanbieter zukünftig unter steigenden Wettbewerbs-
druck, bieten ihnen aber zugleich auch die Möglichkeit für eigene neue An-
gebote. Technologische Innovation und leistungsstarke neue Mobilfunknetze
(5G) steigern – neben dem schon heute stark wachsenden Musikstreaming –
die Konkurrenzsituation im Audiomarkt. Diese neuen Marktakteure konkur-
rieren neben den klassischen Hörfunkanbietern um die Aufmerksamkeit und
Nutzungszeit der Hörer.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 53
4 Modul II: Prognosen zur Entwicklung
der Hörfunklandschaft
4.1 Methodik der Forecast-Analyse
Auf Basis jeweils längst möglich verfügbarer Datenreihen hat Goldmedia verschie-
dene Prognosen zur Entwicklung relevanter Kennzahlen für die Situation der Hör-
funklandschaft in Baden-Württemberg bis 2025 errechnet. Hierzu gehören die ge-
samtwirtschaftliche Lage, die Entwicklung der Einwohnerzahl, die Menge in der
Bevölkerung verfügbarer Radiogeräte, das Volumen der Werbemärkte sowie die
Ertrags- und Aufwandssituation auf dem Hörfunkmarkt. Diese prognostizierten
Zahlen bilden einen Teil der Grundlage für spätere Szenario-Analysen.
Abb. 37: Übersicht methodisches Design des Goldmedia Forecasts
Quelle: Goldmedia 2017
Die Goldmedia Prognosen stützen sich auf eine Vielzahl externer Quellen und von
Goldmedia selbst erhobener Primärdaten. Diese werden in einem kombinierten
Top-Down-/Bottom-Up-Ansatz zusammengeführt und zu einer kohärenten Prog-
nose zusammengeführt.
Der Top-Down-Ansatz geht dabei von einer übergeordneten Gesamtmarktper-
spektive aus, die ggf. auf Grundlage geeigneter Verhältnismaße und Korrelationen
auf den Untersuchungsgegenstand übertragen werden können. Dagegen werden
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 54
beim Bottom-Up-Ansatz Marktpotenziale ausgehend von der Kunden- oder Ein-
zelanbieterperspektive aggregiert. Dabei kommen leistungsstarke Prognose-Mo-
delle wie beispielsweise ARIMA zum Einsatz94, die via Zeitreihenanalyse vergan-
gene Messwerte und Zufallseinflüsse gewichtet in die Berechnung einbeziehen,
Trends identifizieren und Prognosewerte extrapolieren.
Zudem wurde verschiedene Prognose-Software (Excel VBA und Crystal Ball) ver-
wendet. Alle Prognosen erfolgten unter Ceteris Paribus-Bedingungen, wobei po-
tenzielle Wild Card-Ereignisse in den späteren Szenarien Berücksichtigung finden.
4.2 Forecast-Ergebnisse
4.2.1 Makroökonomische Entwicklungen
Die unter anderem durch die Automobilindustrie getriebene starke Wirtschaft im
Südwesten wird auch in den kommenden Jahren ihre überdurchschnittliche Posi-
tion beibehalten. So werden nach den Goldmedia-Hochrechnungen die Unterneh-
men in Baden-Württemberg im Jahr 2025 ein Bruttoinlandsprodukt von rd. 87.200
Euro je Erwerbstätiger erwirtschaften. Im deutschlandweiten Schnitt wird dieser
Wert dann bei rd. 85.600 Euro liegen. Dadurch dürfte der Vorsprung auf den Bun-
desschnitt kleiner werden. Von 2010 bis 2025 wird für Baden-Württemberg ein
durchschnittliches jährliches Wachstum von rd. 1,7 Prozent prognostiziert, bun-
desweit ist ein Wert von rd. 2,1 Prozent zu erwarten.
Das Wachstum befördert ein insgesamt konsumfreundliches Klima, in dem die
Menschen über mehr Kaufkraft verfügen: Die privaten Konsumausgaben werden
steigen und sich von rd. 21.400 Euro je Einwohner in Baden-Württemberg (2015)
auf rd. 25.200 Euro (2025) deutlich erhöhen. In diesem Zeitraum ist wie bei der
Wirtschaftsleistung auch hier im Bundesschnitt eine leicht höhere jährliche Wachs-
tumsrate zu erwarten als in Baden-Württemberg.95
Die volkswirtschaftliche Prognose bis 2025 bestätigt die solide Lage der deutschen
Wirtschaft mit einem leichten Wachstum und einer weiterhin überdurchschnittli-
chen Lage im Südwesten. Die allgemeine Ausgangssituation für die Werbever-
marktung und damit die Existenzgrundlage für den privaten Hörfunk bleibt aus
makroökonomischer Sicht in den kommenden Jahren also – insbesondere in Ba-
den-Württemberg – grundsätzlich positiv.
4.2.2 Population und Nutzerbasis
Wie in 3.4.4 erläutert wurde, hat Goldmedia angesichts der erhöhten Flüchtlings-
zuwanderung seit 2014 eigene angepasste Berechnungen zur Bevölkerungsent-
wicklung auf Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamtes, des Bundesin-
nenministeriums, des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie
94 Vgl. hierzu bspw. http://www.reiter1.com/Glossar/ARIMA.htm; http://www.statistics4u.info/funds-
tat_germ/cc_timeser_arima.html; http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/arima-modell.html 95 Goldmedia Analyse 2017 nach: Statistische Ämter der Länder 2/2016: „Volkswirtschaftliche Gesamtrech-
nung der Länder“, Reihe 1, Länderergebnisse Band 1.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 55
des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration in Baden-Württem-
berg96 durchgeführt.
Klar ist, dass die Zahl der Einwohner in Deutschland nicht schrumpft, sondern 2020
ein neuer Bevölkerungshöchststand erreicht wird. Je nach Zuwanderungsszenario
(schwächere oder stärkere Zuwanderung nach dem Prognoseansatz des Statisti-
schen Bundesamtes) werden dann zwischen 83,57 und 84,08 Millionen Menschen
in der Bundesrepublik leben. Danach wird die Einwohnerzahl aber voraussichtlich
wieder abnehmen.
Für Baden-Württemberg ist ebenfalls von einer positiven Entwicklung auszugehen.
Im Falle schwächerer Zuwanderung wird die Bevölkerung von 10,5 Mio. in 2010
ab dem Jahr des Höchststandes 2020 (11,13 Mio. Einwohner) bis 2025 nahezu
konstant bleiben (11,10 Mio.). Im Falle stärkerer Zuwanderung ist davon auszuge-
hen, dass das Bevölkerungswachstum sogar noch deutlich länger anhält, sodass
im Jahr 2025 dann 11,27 Mio. Menschen im Land leben.97
Insgesamt kann man also prognostizieren, dass die Einwohnerzahlen und damit
die Zahl der potenziellen Hörer in Baden-Württemberg deutlich wachsen werden:
Durch Zuwanderung und Flüchtlinge wird die Bevölkerungszahl bis 2025 um min-
destens 570.000 Einwohner steigen. Dabei handelt es sich vor allem um werbere-
levante Altersgruppen.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass angesichts der Konkurrenzangebote zum Radio
auch davon auszugehen ist, dass die Zahl der klassischen Radionutzer in Deutsch-
land insgesamt zukünftig einen leicht rückläufigen Trend aufweisen wird. So
könnte die Zahl derjenigen Menschen ab 10 Jahren in Deutschland, die klassische
Radioangebote konsumieren, bis 2025 auf rd. 53 Mio. fallen.98
4.2.3 Endgeräte-Entwicklung
Die große Mehrheit der deutschen Haushalte wird auch in Zukunft mindestens ein
Radiogerät besitzen, allerdings ist eine leicht rückläufige Tendenz zu erwarten
(2017: rd. 96,2 Prozent, 2025: rd. 92,8 Prozent).
Gleichzeitig werden bis 2025 nahezu genauso viele Haushalte mindestens einen
PC oder Laptop besitzen sowie die meisten von ihnen auch über einen Internetzu-
gang verfügen (rd. 94 Prozent, rd. 93 Prozent mit Breitband-Versorgung).
Der Trend zu internetbasierten Technologien bleibt damit ungebrochen. Genutzt
werden Online-Angebote zunehmend mobil auf dem Smartphone, die Zahl der
Haushalte mit Smartphones wird weiter um durchschnittlich rd. 4,5 Prozent pro
Jahr zunehmen (CAGR 2017 – 2025, vgl. Abb. 38).
96 Vgl. http://im.baden-wuerttemberg.de/de/migration/auslaender-und-fluechtlingspolitik/zahlen-und-daten/ 97 Goldmedia Analyse 2017 nach: Statistisches Bundesamt 2015: „Bevölkerungsentwicklung in den Bundes-
ländern bis 2060“ 98 Goldmedia Forecast 2017 nach: Tagesreichweite auf Basis der MA nach: Media Perspektiven Basisdaten
2010-2015 und Gattringer, K./Klingler, W. [2016]: „Wie Deutschland Radio hört“, in: „Media Perspekti-ven“, Ausg. 9/2016
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 56
Abb. 38: Anteil der deutschen Haushalte99, die mit dem jeweiligen
Endgerät ausgestattet sind, 2017-2025, in Prozent
Quelle: Goldmedia Forecast 2017 nach: Media Perspektiven; Deutsches Statistisches Bundesamt; Comscore;
eMarketer; Ecke, O. [2016]: „Sonderauswertung - Entwicklung der Verbreitung und Nutzung des Radioempfangs
in Deutschland. Aktuelle Ergebnisse aus dem Digitalisierungsbericht 2016“
Angesichts der aktuellen Nachfrage sind für die Digitalradio-Technologie DAB+
noch deutlich höhere Wachstumsraten zu erwarten: So wird die Zahl der ausge-
statteten Haushalte und die Zahl der Nutzer um durchschnittlich rund 11 Prozent
jährlich zunehmen. Dennoch wird auch im Jahr 2025 dann nur etwas mehr als
jeder dritte Haushalt über mindestens ein Digitalradio verfügen. Die Penetrations-
rate bliebe damit nach wie vor weit hinter der von anderen Technologien zurück.
Für Baden-Württemberg sind ebenfalls Wachstumsraten von rund 11% jährlich zu
erwarten, sodass hier bis 2025 rd. 4,18 Mio. DAB+-Empfangsgeräte (alle Empfän-
ger, mobil und stationär) in rd. 2,14 Mio. Haushalten nach unseren Hochrechnun-
gen vorhanden sein werden. Setzt sich die verstärkte Ausstattung von neuen Pkw
mit DAB+-Radios fort (vgl. 3.4.4), so würde sich dabei das Ungleichgewicht zwi-
schen mobilen und stationären Empfängern bald auflösen (vgl. Abb. 39).
Diese Zahlen berücksichtigen nicht den Ausfall obsolet gewordener oder defekter
Geräte, den sog. Churn. Unterstellt man eine durchschnittliche Lebensdauer eines
digitalen Radiogerätes von sieben Jahren100 und geht davon aus, dass nach dieser
Nutzungszeit rd. 50 Prozent der Digitalradios entsorgt werden, so liegt die Anzahl
99 Als deutsche Haushalte werden bei der Mikrozensus-Umfrage des Statistischen Bundesamtes zufällige und
randomisierte Haushalte in regionalen Geo-Clustern im deutschen Bundesgebiet befragt. Diese umfassen im Rahmen eines Zufallsverfahrens rund ein Prozent der gesamten Bevölkerung, das repräsentativ auf ganz Deutschland extrapoliert wird. Als Voraussetzung für ein Interview muss der Befragte der deutschen Spra-che mächtig sein. Quelle: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Haus-halteFamilien/Methoden/Mikrozensus.html Stand: 08.09.2017. Der Mikrozensus als amtliche Bevölke-rungsstatistik bildet die Hochrechnungsbasis aller ma-Erhebungen. Die AGMA wiederum befragt die „deutschsprachige Gesamtbevölkerung ab 10 Jahren“. Damit zählen auch Flüchtlinge, die bei einem tele-fonischen Zufallsinterview erreicht werden und auf Deutsch antworten können, zur Nutzer-/Fallbasis der vermarktbaren Radioreichweiten. Quelle: https://www.agma-mmc.de/media-analyse/ma-radio/datenerhe-bung/ Stand: 11.09.2017
100 Nutzungsdauer eines Radios lt. Bundesministerium der Finanzen 2000: „AfA-Tabelle für die allgemein ver-
wendbaren Anlagegüter“, online: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardarti-kel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/AfA-Tabellen/2000-12-15-afa-103.pdf;jses-sionid=C40C5D94BF7F9C6D9CC5C5CAD5059E0E?__blob=publicationFile&v=3, abgerufen: 21.04.2017
96,2 95,8 95,4 95,0 94,5 94,1 93,7 93,3 92,8
15,719,3
22,224,6
27,0 29,3 31,5 33,6 35,7
88,2 88,9 89,5 90,0 90,4 90,7 91,0 91,291,3
62,765,8
69,172,4
75,478,6
81,484,2
87,3
44,647,0 48,0 48,7 49,1 49,7 50,0 50,3 50,7
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025
Radiogeräte
DAB+-Geräte
PCs undLaptops
Smartphones
Tablets
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 57
der DAB+-Empfänger in Baden-Württemberg bis 2025 mit rd. 3,2 Mio. Geräten
deutlich niedriger.101
Abb. 39: Goldmedia-Forecast: Zahl der DAB+-Geräte in Baden-
Württemberg bis 2025, stationär und mobil, in Mio. Geräten
Quelle: Goldmedia Forecast 2017 nach: Ecke, O. [2016]: „Sonderauswertung - Entwicklung der Verbreitung und
Nutzung des Radioempfangs in Deutschland. Aktuelle Ergebnisse aus dem Digitalisierungsbericht 2016“
4.2.4 Werbemärkte
Der deutsche Werbemarkt zeigt grundsätzlich eine stark zyklische, von der gesamt-
wirtschaftlichen Lage abhängige Entwicklung. Daher könnten sich die Erlöse über
alle Mediengattungen hinweg nach dem Rückgang seit 2008 (vgl. 3.4.3.3) stabili-
sieren und (unter ceteris paribus-Bedingungen) bis 2025 ein geringes durchschnitt-
liches jährliches Wachstum von rd. 0,5 Prozent aufweisen (CAGR 2017-2025).
Wesentliche Einflussfaktoren werden dabei die sinkenden Einnahmen der Verlage
durch Werbung in ihren Zeitungen sowie zunehmende Investitionen in Internet-
Werbung bleiben. Bis 2021 dürften die Werbeerträge der Online-Angebote end-
gültig die der Tageszeitungen überholt haben.102
In Zeiten des Umbruchs auf dem Werbemarkt mit wachsender Online-Orientierung
der Werbetreibenden bleibt der Hörfunk eine konstante Größe. Laut Zentralver-
band der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) haben die Radioanbieter den Ertrags-
rückgang durch schwächere Ergebnisse in der bundesweiten Vermarktung im Jahr
2014 bereits überwunden. Auf Grundlage dieser Marktdaten ist zwischen 2017
und 2025 ein durchschnittliches jährliches Wachstum der Werbeerlöse von etwas
mehr als einem Prozent zu erwarten – eine Entwicklung, die mit dem leichten
Wachstum der Gesamtwirtschaft korreliert.
101 Goldmedia Forecast 2017 102 Hierbei bleibt zu berücksichtigen, dass diese Zahlen auf Angaben des Zentralverbandes der deutschen Wer-
bewirtschaft (ZAW) beruhen. Der ZAW berücksichtigt „Fremdwerbung in Online-Diensten“, nicht jedoch Suchwort- und Affiliate-Marketing (vgl. 3.4.3.3).
0,89 1,03 1,18 1,32 1,46 1,6 1,74 1,88 2,020,65
0,931,13
1,311,48
1,651,82
1,992,16
1,54
1,96
2,31
2,63
2,94
3,25
3,56
3,87
4,18
0
1
2
3
4
2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025
DAB+-Empfänger in Wohnungen DAB+-Empfänger in PKW
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 58
Abb. 40: Prognose der Entwicklung der Nettowerbemarkterlöse nach
Medienformen bis 2025 auf ZAW-Basis, in Mio. Euro
Quelle: Goldmedia Forecast 2017 nach: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft: Jahrbücher (bis 2016)
Berechnungen auf Grundlage der Studie zur „Wirtschaftlichen Lage des Rundfunks
in Deutschland“ (WiLa) der Medienanstalten legen jedoch eine etwas andere Ent-
wicklung nahe: Umsatzrückgänge im Bereich Hörfunkwerbung sind hier erst 2015
festzustellen, die Erholung auf dem Radio-Werbemarkt ist demnach außerdem
langsamer zu erwarten. So werden nach diesen Daten die Nettoerlöse voraussicht-
lich nicht vor 2020 den Wert von 2014 (rd. 534,2 Mio. Euro) wieder erreichen und
insgesamt deutlich weniger stark ansteigen.103
Abb. 41: Prognosen zur Entwicklung des Nettowerbeumsatzes im deut-
schen Hörfunkmarkt bis 2025, ZAW und WiLa im Vergleich, in
Mio. Euro
Quelle: Goldmedia Forecast 2017 nach: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft: Jahrbücher (bis 2016);
„Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland“ (bis 2014/2015)
103 Goldmedia Forecast 2017 nach: Goldmedia (2015): „Die wirtschaftliche Lage des Rundfunk 2014/15“,
Vistas Verlag, sowie Goldmedia (2013): „Die wirtschaftliche Lage des Rundfunks 2012/13“, Vistas Verlag
771 781 790 800 809 819 828 837 847
4.602
5.423
1.574
2.3282.418
1.168
0
1.000
2.000
3.000
4.000
5.000
2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025
Radio
TV
Online
Tageszeitungen
746 738 743762 771 781 790 800 809 819 828 837 847
531 534 525 527 528 528 532 536 536 537 542 546 548
300
400
500
600
700
800
900
1.000
2013 2015 2017 2019 2021 2023 2025
Basis:ZAW
Basis:WiLa
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 59
Dabei wird sich nach einem Rückgang der Erträge in den Jahren 2015 und 2016
die Bedeutungssteigerung der regionalen Werbung fortsetzen. Im Vergleich ist für
2017 bis 2025 mit einer durchschnittlichen jährlichen Zunahme der regionalen
Werbeerlöse um rd. 1 Prozent zu rechnen, während sich der Umsatz der nationalen
Werbevermarktung minimal rückläufig entwickeln dürfte.
Alle weiteren Ertragsquellen werden für den Hörfunk deutlich nachrangiger blei-
ben, mit leichten Zuwächsen jedoch in den Bereichen Programmverkäufe/Auf-
tragsproduktionen, telefonische Mehrwertdienste/Call Media sowie Online- und
Mobile-Werbung.
Abb. 42: Entwicklung der Gesamterträge im bundesweiten, landeswei-
ten und lokalen Hörfunk bis 2025 in Deutschld., in Mio. Euro
Quelle: Goldmedia Forecast 2017 nach: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“
Diese Entwicklung dürfte den lokalen Hörfunk in Deutschland bei einer konstanten
wirtschaftlichen Gesamtentwicklung stärken: Wir erwarten einen Anstieg des Kos-
tendeckungsgrads bis 2025 für lokale Anbieter auf bis zu 111%, während sich die
Erträge der landes- und bundesweit sendenden Programmanbieter voraussichtlich
stabil bzw. leicht rückläufig entwickeln.
Der Kostendeckungsgrad (KDG) für landesweite Anbieter dürfte bis 2025 stagnie-
ren bei knapp 120%. Bundesweit ausstrahlende Anbieter werden bei einem Kos-
tendeckungsgrad von knapp 100% in Summe weiter wirtschaftlich herausgefor-
dert sein.
4.2.5 Wirtschaftliche Entwicklung des Hörfunkmarktes
Die Kosten- und Ertragssituation des Hörfunkmarktes in Baden-Württemberg weist
im Langzeittrend seit 2004 wellenartige Entwicklungen auf.104 Auch wenn die Ein-
nahmen aus Werbung traditionell stark mit der gesamtwirtschaftlichen Entwick-
lung korrelieren, ist diese Zyklizität in Baden-Württemberg besonders deutlich.
104 vgl. „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“, S. 128
54,1
387,3
222,1
53,3
390,5
246,9
0
50
100
150
200
250
300
350
400
Bundesweiter Hörfunk Landesweiter Hörfunk Lokaler Hörfunk
2017 2019 2021 2023 2025
CAGR 2017-25
+ 1,33 %
CAGR 2017-25
+ 0,10 %
CAGR 2017-25
- 0,21 %
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 60
Die Goldmedia-Prognose für den baden-württembergischen Hörfunkmarkt be-
rücksichtigt dieses Muster und geht davon aus, dass sowohl Gesamterträge als
auch -aufwendungen des privaten Hörfunks im Südwesten auch im Zeitraum bis
2025 deutlichen Schwankungen unterliegen werden.
Einen Höhepunkt werden die Erträge mit rd. 81 Mio. Euro im Jahr 2021 erreichen
(Gesamtkosten dann rd. 67,6 Mio. Euro) und 2025 voraussichtlich leicht unter dem
Niveau von 2016 liegen (Gesamtkosten dann rd. 61,7 Mio. Euro). Der Kostende-
ckungsgrad des privaten Hörfunks wird entsprechend zwischen 120% und 113%
schwanken (vgl. Abb. 43).
Abb. 43: Gesamtertrag und Gesamtaufwand in Mio. EUR sowie
Kostendeckungsgrad, in Prozent, des gesamten privaten
Hörfunks in Baden-Württemberg, 2016-2025
Quelle: Goldmedia Forecast 2017 nach: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“
Trotz der wachsenden Bedeutung lokaler Werbung wird die Finanzierungsgrund-
lage der Anbieter mit regionalem bzw. landesweitem Verbreitungsgebiet auch in
Zukunft deutlich größer bleiben als die der reinen Lokalradios.
Auch wenn der Betrieb eines Angebots mit größerem Verbreitungsgebiet in abso-
luten Zahlen höhere Kosten verursacht, kann dieses Angebot aufgrund der größe-
ren Reichweiten doch effizienter monetarisiert werden. Deutlich mehr Hörer, mehr
potenzielle Werbekunden im Sendegebiet, die höhere Relevanz für die nationale
Werbevermarktung sowie die Mitgliedschaft in einer nationalen Vermarktungs-
kombi sind dabei die wichtigsten Erfolgsfaktoren.
So wird der Kostendeckungsgrad des (bundes- und) landesweiten Hörfunks in Ba-
den-Württemberg insgesamt bis 2025 voraussichtlich nach unserer Prognose nie
wesentlich unter 120% fallen, während Lokalanbieter zum Teil nur knapp über
113% 113% 115%118% 120% 120% 118%
114% 113% 113%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
120%
0
20
40
60
80
100
2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025
Gesamtertrag Gesamtaufwand Kostendeckungsgrad
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 61
100% voraussichtlich nur minimal kostendeckend arbeiten können (vgl. Abb. 44
und Abb. 45). In Baden-Württemberg deutet sich damit eine im bundesweiten
Vergleich leicht unterdurchschnittliche Entwicklung der Ertragssituation an.
Abb. 44: Bundes- und landesweiter privater Hörfunk in Baden-
Württemberg: Gesamtertrag und Gesamtaufwand in Mio. EUR
und Kostendeckungsgrad, in Prozent, 2016-2025
Quelle: Goldmedia Forecast 2017 nach: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“
Abb. 45: Lokaler privater Hörfunk in Baden-Württemberg: Gesamtertrag
und Gesamtaufwand, in Mio. EUR, und Kostendeckungsgrad in
Prozent, 2016-2025
Quelle: Goldmedia Forecast 2017 nach: „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 2014/2015“,
120% 119% 121%125% 127% 127% 124%
121% 119% 120%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
120%
0
10
20
30
40
50
60
70
2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025
Gesamtertrag Gesamtaufwand Kostendeckungsgrad
102% 102% 103%106% 108% 108% 106%
103% 102% 102%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
0
5
10
15
20
25
30
35
2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025
Gesamtertrag Gesamtaufwand Kostendeckungsgrad
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 62
4.3 Zwischenfazit: Hörfunkmarkt bleibt fragil
Grundsätzlich bleibt Radio trotz des digitalen Wettbewerbsdruckes ein relevantes
Massenmedium. Auch wenn von insgesamt leicht sinkenden Reichweiten auf-
grund attraktiver Online-Streaming-Angebote auszugehen ist.
Insgesamt können aus den Prognosen folgende Erkenntnisse abgeleitet werden
für den Radiomarkt Baden-Württemberg:
▪ Die Einwohnerzahl und damit die Zahl potenzieller Hörer in Baden-Württem-
berg wächst. Durch Zuwanderung und Flüchtlinge wird die Bevölkerungszahl
bis 2025 um rd. 570.000 Einwohner steigen.
▪ Bei sich fortsetzendem Wachstum für das Digitalradio werden 2025 rd. 42
Prozent der Haushalte in Baden-Württemberg einen DAB+-Empfänger haben.
Auch in 35 Prozent aller Pkw wird dann voraussichtlich ein DAB+-Radio ver-
baut sein, sodass die Empfängerbasis insgesamt auf rd. 4,2 Mio. Geräte an-
steigt. (Bei Berücksichtigung von Churn-Faktoren schrumpft die Zahl der Emp-
fangsgeräte allerdings auf 3,2 Mio. in 2025.) DAB+ würde damit zwar rasant
wachsen, trotzdem aber nicht die heutige Ausstattung mit UKW-Radios errei-
chen, ebenso wenig die Abdeckung mit Smartphones, die bis 2025 annähernd
Vollversorgung bei den unter 65-Jährigen erreichen wird105.
▪ Die gesamtwirtschaftliche Ausgangslage im Südwesten bleibt gut, die baden-
württembergische Wirtschaft wird ihre überdurchschnittliche Position halten.
Damit sind die Voraussetzungen für Kaufkraft, Einzelhandelsumsätze und
Werbeinvestitionen insgesamt klar positiv.
▪ Der baden-württembergische Hörfunk-Werbemarkt bleibt zyklisch. Nach ei-
nem Höhepunkt mit rd. 81 Mio. Euro Gesamtertrag des privaten Hörfunks in
Baden-Württemberg im Jahr 2021 könnten die Erträge in 2025 voraussichtlich
sogar unter dem Niveau von 2016 liegen.
▪ Insbesondere kleine Anbieter von lokalen Hörfunkangeboten können in der
Regel nur einen niedrigen Kostendeckungsgrad realisieren und wären durch
eine mögliche verstärkte Umorientierung von Werbekunden in Richtung On-
linewerbung schnell bedroht.
▪ Auch wenn die Aussichten für den Hörfunk-Werbemarkt grundsätzlich positiv
sind, so erscheinen doch insbesondere lokale private Hörfunkanbieter im Ri-
siko, sollte sich der Werbemarkt nur etwas schlechter entwickeln, als auf
Grundlage historischer Daten zu erwarten (vgl. Szenarien-Analyse) wäre.
Der Hörfunkmarkt bleibt also in seinen Entwicklungsperspektiven fragil.
105 Über alle Kohorten hinweg (inkl. der 65+-Jährigen) erreicht die Marktpenetration von Smartphones nach
einer Goldmedia-Prognose bis 2025 rund 87 Prozent in Deutschland. Bis 2025 wird es rund 20 Mio. Seni-oren ab 65 Jahren geben. Diejenigen aus der Seniorengruppe, die heute 65 Jahre alt sind und bislang kein Smartphone besitzen, werden aller Voraussicht nach auch bis 2025 kein solches Gerät nutzen. Die Smart-phone-Ausstattung des Seniorensegments bis 2025 wird vielmehr von zwei Faktoren determiniert – der Akzeptanz einfacher zu bedienenden „Senioren-Phones“ und von generellen Nicht-Smartphone-Nutzern.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 63
5 Modul III: Experteninterviews
Goldmedia hat insgesamt sechzehn anonymisierte qualitative Expertengespräche
mit Branchenvertretern und Medienpolitikern zu den Fragestellungen dieses Gut-
achtens zur Zukunft des Hörfunks in Baden-Württemberg in der Zeit von Dezember
2016 bis Mai 2017 durchgeführt.
Die Ergebnisse dieser Interviews und umfangreiche Desk Research-Analysen, bei
denen auf externe und interne Primärdaten zurückgegriffen wurde, bilden die
Grundlage für ein vertieftes Verständnis der baden-württembergischen Radio-
marktsituation. Die Gespräche dienten auch dazu, die verschiedenen Einschätzun-
gen und Perspektiven der Prognosen zu evaluieren.
Abb. 46: Mapping der insg. 16 Experteninterviews nach Gruppen
Quelle: Goldmedia Experteninterviews 2017; Beispielhafte aggregierte Aussagen
Davon ausgehend und auf Basis der in Kap. 6 beschriebenen Szenario-Methodik,
hat Goldmedia in einem dreistufigen Prozess verschiedene Szenarien für die Hör-
funklandschaft 2025 im Südwesten entwickelt:
▪ Eine Codierung der Experteninterviews und die Synthese der Ergebnisse liefern
zwei grundsätzliche Dimensionen der unterschiedlichen Einschätzungen zu
den erwarteten zukünftigen Entwicklungen des Hörfunkmarktes (vgl. Abb.
47) sowie eine Vielzahl möglicher Einzelfaktoren für die Modellierung.
▪ Tiefenrecherchen anhand von Marktdaten und Sekundärliteratur zu den von
Experten genannten Modellfaktoren ergaben insgesamt 29 relevante Bewer-
tungskriterien bei rd. 300 verfügbaren Datensätzen, aus denen letztlich 14
trennscharfe Faktoren in die Modellierung eingeflossen sind.
▪ Die entwickelten Szenarien und Faktorenausprägungen wurden dann mit den
Ergebnissen der Forecast-Analyse sowie den Aussagen der Experteninterviews
abgeglichen.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 64
Abb. 47: Ableitung von zwei Dimensionen zur Szenario-Bildung aus den
Experteninterviews
Quelle: Goldmedia-Experteninterviews 2017
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 65
6 Szenario-Analysen zur Zukunft des
Hörfunkmarktes
6.1 Zur Methodik der Szenario-Analyse
Auf Basis der Expertengespräche (vgl. Kap. 5) und des mit der LFK abgestimmten
Prognosehorizonts wurde für die Entwicklung von Szenarien die wissenschaftliche
Methodik des sog. strategischen Phasenmodells eingesetzt.106
Dieses Modell besteht aus vier aufeinanderfolgenden, iterativen Phasen, in denen
der Prognosehorizont, Auswirkungen technischer sowie wirtschaftlicher Faktoren
und kritische Effekte systematisch untersucht werden.
Bei der Erstellung von Forecasts und Prognosen jeglicher Natur muss für ein grund-
legendes Verständnis des zukünftigen, emergenten Ereigniszeitraumes die An-
nahme getroffen werden, dass jede Handlung oder Entwicklung einen möglichen
Dominoeffekt in der Zukunft auslösen kann.
Daher ist es für eine Untersuchung der Hörfunklandschaft in Baden-Württemberg
bis 2025 nicht nur wichtig, die Entwicklung des Radiomarktes zu prognostizieren,
sondern auch die Bandbreite an Verläufen, die eine solche Entwicklung annehmen
kann. Dazu gehören ein theoretisches Optimal-Szenario, das die bestmögliche Ent-
wicklung für den Hörfunkmarkt in Baden-Württemberg beschreibt, sowie auch ein
Negativ-Szenario, das die schlechteste denkbare Entwicklung beschreibt. Diese bei-
den theoretischen Extrempole bilden im Verlauf der Szenario-Analyse den soge-
nannten Szenario-Tunnel, der in seinem zeitlichen Verlauf alle anderen Szenarien,
die sich zwischen den beiden Polen entwickeln, umfasst.
Zentral für die anschließende Modellierung des Szenario-Tunnels ist die soge-
nannte Wirkungsanalyse, in der nicht nur der gesamte Forecast-Zeitrahmen fest-
gelegt wird, sondern alle kontextuell-relevanten wirtschaftlichen Auswirkungen
auf relevante Teilgebiete des Hörfunkmarktes evaluiert werden, um potenziell kri-
tische Effekte zu identifizieren. Aus den generierten Erkenntnissen und den durch-
geführten Expertengesprächen wurden mit sog. Option-Sets, Zeitvektoren und
Wild Cards anschließend die drei zentralen Bestandteile aller Szenarien abgeleitet:
▪ Option-Sets definieren eine Menge von alternativen Entscheidungen zu jedem
gegebenen Zeitpunkt. Die Wahl bzw. Bestimmung einer Entscheidung kreiert
stets ein neues Szenario. Option-Sets bestimmen über eine Baumstruktur alle
Ereignisse im gesamten Szenario-Verlauf und bewirken bei einer Optionsaus-
wahl zumeist eine Exklusion anderer Optionen aus dem Szenario-System. Da
manche Optionen jedoch nicht nur binäre Entscheidungen abbilden müssen,
werden sie in der Analyse durch „Fuzzy“-Operatoren operationalisiert, die
eine schrittweise Abstufung von Optionen erlauben.
▪ Zeitvektoren bestimmen in der Szenario-Analyse über Menge und Eintrittszeit-
raum von alternativen Ereignissen. Sie sind entscheidend für die Definition
einzelner Prognosezeiträume und bestimmen über die Eintrittswahrscheinlich-
106 Van der Heijden, Kees [2005]: „Scenarios – The Art of Strategic Conversation“, 2nd Ed., John Wiley & Sons
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 66
keit eines Ereignisses oder sogar über die Möglichkeit von nachfolgenden Op-
tion-Sets. Im Zuge von softwarebasierten Simulationen der einzelnen Szena-
rien bestimmen sie über die Wahrscheinlichkeit, wie oft ein Szenario bei einer
hohen Anzahl von Simulationsdurchläufen erreicht wird.
▪ Wild Cards signalisieren Ereignisse, die bei einer generellen Marktbetrachtung
rational nicht antizipiert werden konnten und in ihrer Natur emergent sind.
Das bedeutet, dass, auch wenn ihre Eintrittswahrscheinlichkeit meist sehr ge-
ring ausfällt, sie jedoch im Falle eines Eintritts sehr starken Einfluss auf den
Verlauf eines Szenarios ausüben können. Dabei verändern sie Szenario-Ver-
läufe zu einem bestimmten Zeitpunkt so nachhaltig, dass der ursprüngliche
Ausgang eines potenziellen Szenarios nicht mehr abzubilden ist. Bei der Ent-
wicklung der Szenarien für den Hörfunkmarkt in Baden-Württemberg war es
von zentraler Bedeutung, diese Art von Ereignissen zu berücksichtigen, um
das System der Szenario-Analyse zu optimieren. Ein möglicher Börsencrash
könnte die wirtschaftliche Situation und damit auch die Radiowerbeerlöse
nachhaltig beeinflussen.
Im nächsten Schritt wurden die Zeithorizonte für die einzelnen Szenarien festge-
legt, um das Risiko etwaiger Wild Cards zu isolieren und Option-Sets optimal im
Zeitverlauf einschätzen zu können. Dazu wird ein solcher Zeitverlauf in drei geson-
derte Zeitabschnitte kategorisiert:
▪ Kurzzeit-Szenarien stellen das Resultat von fortlaufenden Analysen dar, die
ihre Entwicklungsimpulse aus historischen Daten beziehen. Damit lassen sich
relativ verlässlich Annahmen für die kommenden drei bis vier Jahre testen. Sie
sind besonders dafür geeignet, die Bedeutung von sich bereits abzeichnenden
Ereignissen zu analysieren. Darüber hinaus können durch den Einsatz von
Kurzzeit-Szenarien ebenfalls – unter Einbezug von Arbeitshypothesen – Ent-
wicklungen und Option-Sets identifiziert werden, die sich bei der ersten Ana-
lyse noch nicht abzeichneten. Im Vergleich zu Mittelfrist- und Langzeitszena-
rien ist es notwendig, kontinuierlich Kurzzeit-Szenarien zu simulieren, um eine
flexible Adaptation des Analyseinstruments zu gewährleisten. Für das Projekt
wurde dieser Zeitraum auf 2017 bis 2020 festgelegt.
▪ Mittelfristige Szenarien beschreiben im Verlauf der Szenario-Analyse mit Ab-
stand die größte Anzahl von Option-Sets und andere Variablen, die für den
distinkten Ausgang von einzelnen Szenarien sorgen. Dieser Zeitabschnitt de-
finiert vor allem die relativen Entwicklungstrends der jeweiligen Szenarien,
nachdem die Einschätzungen von Chancen und Risiken aus den Kurzzeit-Sze-
narien erkannt worden sind. Zentral dafür ist die Simulation der kritischen Ab-
hängigkeiten und Sensitivitäten einzelner Option-Sets, die auf Basis von Ex-
perten-Interviews, technischen Entwicklungen und der Markterfahrung von
Goldmedia durchgeführt werden. Erste Eintrittswahrscheinlichkeiten und Sze-
narien-Ausprägungen konnten dadurch bereits festgelegt werden. Der Zeit-
raum für diese Art von Szenarien wurde zwischen 2021 und 2024 verortet.
▪ Langzeit-Szenarien bilden schließlich einen Zeitabschnitt ab, der bei der Sze-
nario-Analyse einen kontextuellen Rahmen für die finalen Ausprägungen bzw.
die jeweiligen Cases schafft. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die prog-
nostizierte Güte der Daten und der Entwicklungen klar volatil ist. Trotzdem ist
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 67
dieser Abschnitt der Szenario-Analyse der relevanteste, da er den Kontext aller
Ereignisse im Szenario-Tunnel rahmt und Rückschlüsse darüber erlaubt, wie
hoch bzw. niedrig die Extrem-Szenarien ausfallen können. Je geringer die
Reichweite zwischen den Maximalausprägungen in diesem Abschnitt liegen,
desto präziser fallen die Annahmen aus, die man über die Szenarien treffen
kann. Alle Entwicklungen im lokalen Hörfunkmarkt in Baden-Württemberg ab
2025 wurden in diese Kategorie eingeordnet.
In der finalen Phase der Szenario-Entwicklungsmethodik wurden insgesamt drei-
zehn Option-Sets definiert und mit Zeitvektoren versehen. Dazu gehören eine An-
kündigung der UKW-Abschaltung, Option und Höhe einer Simulcast-Förderung
durch die LFK, das Ausmaß der DAB+-Endgerätepenetration in Baden-Württem-
berg, die Ausprägungen der Lizensierungspolitik der LFK, der Einbezug von digita-
len Disruptionsfaktoren wie Online-Streaming usw.
Ausgehend von der vorgenommenen Einordnung der Zeithorizonte wurden alle
Option-Sets mit Zeitvektoren versehen, die den Zeitpunkt ihrer Eintrittswahrschein-
lichkeit bestimmen.
Nachdem das Modell mehrere iterative Feedback-Schleifen durchlaufen hat und
keine bestehenden Szenario-Modellparameter mehr verändert wurden, wurden
die einzelnen Ausprägungen und Verläufe von Option-Sets im Szenario-Tunnel
konkretisiert, auf interne Logik und Konsistenz überprüft und kategorisiert. Dabei
haben sich in der Szenario-Forschung drei gängige Klassifizierungen ausgebildet:
▪ „Surprise Free“-Szenarien stellen eine Kategorie von Szenarien dar, die ent-
sprechend marktwirtschaftlichen Normen entwickelt werden und eher traditi-
onelle Vorstellungen der Marktentwicklungen transportieren. Diese basieren
auf „Business-As-Usual“-Annahmen, bei denen keine unvorhergesehenen Er-
eignisse angenommen werden. Diese dienen dazu, den Rahmen zu definieren,
in dem die Szenario-Analysen oszillieren. Die Verankerung in traditionellen
Annahmen sorgt dafür, dass sich eine Wahrnehmung für Veränderungen aus-
bilden kann.
▪ „Challenge“-Szenarien beschreiben im Verlauf der Szenario-Analyse eine
Klassifizierung, die im starken Kontrast zu den vertrauten „Surprise Free“-Sze-
narien steht. Ziel von „Challenge“-Szenarien ist es, die vorherrschenden Über-
zeugungen und Grundannahmen im Hinblick auf die Zukunft zu hinterfragen.
Durch präzise formulierte interne Logik soll die Schwelle der Mängel an beste-
henden Modellen aufgezeigt werden, damit Alternativen besser berücksich-
tigt werden können.
▪ „Phantom“-Szenarien stellen generell eine Form der Weiterentwicklung von
„Challenge“-Szenarien dar. Ihr Einbezug in die Szenario-Analyse stellt ein ef-
fektives Mittel dar, um weniger realistische Annahmen und kaum praktikable
Szenarien zu verdeutlichen. Wenn eine Szenarien-Liste solche extremen An-
nahmen enthält, gestaltet es sich meist effizienter, statt eines neuen Gegen-
szenario (Challenge) einfach die problematischen Ideen weiterzuentwickeln.
Die Resultate dieser Szenarien problematisieren sukzessive die logischen Kon-
sequenzen und bilden allerlei irrtümliche Annahmen ab.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 68
Aus diesem systematischen Prozess wurden entlang des Phasen-Modells sowie mit
Hilfe verschiedener Gewichtungsmethoden (TOPSIS, AHP)107 vier konkretere Sze-
narien abgeleitet, die nachfolgend detaillierter beschrieben werden.
6.2 Überblick der Szenario-Modellierung
Aus den zuvor beschriebenen Untersuchungsschritten und der Szenario-Technik
wurden von Goldmedia insgesamt vier verschiedene Modelle entwickelt, die hier
nach den unterschiedlichen Entwicklungsdimensionen (Hörfunknutzung vs. Markt-
entwicklung) in einem Mapping verortet sind.
Abb. 48: Mapping der vier Goldmedia-Szenarien anhand der in den
experteninterviewbasierten Dimensionen, 2017
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
Die Szenarien werden nun im Einzelnen beschrieben.
6.2.1 Szenario 1: Starker Hörfunk dank DAB+
Dieses theoretische Szenario simuliert den „Best Case“ und bildet damit die obere
Grenze der Bewertungsspanne im Rahmen des Goldmedia Szenario-Modells. Für
jeden Faktor ist daher die maximal (denkbare) positive Entwicklung modelliert.
Konkret wird eine Entwicklung untersucht, die davon ausgeht, dass sich durch eine
hoch attraktive Subventionierungspolitik private Hörfunkanbieter dazu entschlos-
sen haben, den Wechsel zu DAB+ zu vollziehen. Zusätzlich wurde beschlossen,
UKW als Übertragungsweg abzuschalten.
Darüber hinaus ist eine Vorgabe für die Standardisierung von Hörfunkgeräten in
Kraft getreten. Sie sieht vor, dass alle neuen Radiogeräte mit einem Multi-Chip
auszustatten sind, der auch digitale (Radio-)Signale verarbeiten kann. So bleibt Ra-
dio gegenüber Streaming-Alternativen attraktiv.
107 TOPSIS: Technique for Order Preference by Similarity to Ideal Solution, vgl. hierzu: C.-L. Hwang, K. Yoon
(1981): Multiple Attribute Decision Making – Methods and Applications. A State-of-the-Art Survey. Berlin – Heidelberg – New York 1981 und: http://www.fwl.wi.tum.de/fileadmin/Downloads/Master_Forst/TOP-SIS_zur_Effizienzanalyse.pdf
AHP: Analytic Hierarchy Process nach: Thomas L. Saaty: Multicriteria decision making - the analytic hierarchy process. Planning, priority setting, resource allocation. 2. Aufl. RWS Publishing, Pittsburgh 1990
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 69
Lokale Angebote können ihren Kostendeckungsgrad halten und sogar steigern –
denn durch eine Vollabdeckung mit DAB+ und unter der Annahme einer real an-
genommenen Gesamtmarktentwicklung ist auch die lokale Werbenachfrage im
Vergleich zu 2016 gestiegen.
Tab. 8: Ausprägung der Modell-Faktoren im Maximal-Szenario
„Starker Hörfunk dank DAB+“
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
6.2.2 Szenario 2: Fragmentierter Markt analog & digital
Dieses zweite Szenario geht vom „Real Case“ aus. Es modelliert eine Situation, in
der sich die Rahmenbedingungen gemäß der heutigen Situation weiterentwickelt
haben (vgl. Goldmedia-Forecasts in Kapitel 4.2, z.B. Entwicklung der Endgerä-
tepenetration, DAB+ im Auto) bzw. Veränderungen eingetreten sind, die im Rah-
men der Experteninterviews als besonders realistisch oder wahrscheinlich einge-
schätzt wurden (z.B. keine UKW-Abschaltung im Szenario-Zeitraum).
Tab. 9: Ausprägung der Modell-Faktoren im Szenario „Fragmentierter
Markt analog und digital“
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
Dabei geht die Szenario-Modellierung davon aus, dass eine Förderung des Simul-
casts UKW/DAB+ zwar stattfindet, doch weiterhin der Umstieg für einige Privatan-
bieter ökonomisch unattraktiv ist. Weil ein konkreter Abschalttermin für die Aus-
strahlung der Angebote über UKW nicht definiert wird, bleiben zahlreichen Privat-
anbieter analog. Die technische Abdeckung für DAB+ steigt, dennoch bleiben ge-
rade ältere Nutzer bei dem ihnen bekannten Empfangsweg UKW.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 70
Jüngere Hörer nutzen stattdessen vermehrt Streaming-Dienste. Die Nutzung wird
durch eine Zero Rating-Politik der Mobilfunkanbieter unterstützt.
Trotz wirtschaftlichen Aufschwungs wächst der Hörfunk-Werbemarkt kaum, lang-
fristig bedroht die Verlagerung von Werbebudgets in Richtung Onlinewerbemarkt
den privaten Hörfunk, insbesondere kleine Anbieter mit niedriger Kostendeckung.
6.2.3 Szenario 3: Streaming ersetzt Terrestrik
Ein „Challenge Case“ modelliert eine Situation, in der nicht notwendigerweise
eine besonders negative Entwicklung eintritt, aber in der ein Marktakteur (hier die
privaten Radioanbieter) durch eine (unerwartete) Entwicklung unter Handlungs-
druck gerät.
Im Goldmedia-Szenario für den baden-württembergischen Hörfunkmarkt ist diese
Entwicklung modelliert als verstärkte Hinwendung der Hörer zu Streaming-Lösun-
gen, die weitaus deutlicher ausfällt als bislang erwartet, sodass die klassische ter-
restrische Broadcast-Verbreitung (UKW wie auch DAB+) nahezu gänzlich an Be-
deutung verliert. Die Hörfunkanbieter bewegen sich komplett in einem neuen, her-
ausfordernden Online-Marktumfeld, und die Anbieter von Musik-/Audio-
Streaming-Diensten sind hier besser positioniert.
In diesem Szenario gehen wir davon aus, dass der klassische Radioempfang in wei-
ten Teilen durch Streaming ersetzt wurde. Es ist zum „neuen Standard“ für Mu-
sikkonsum geworden. Günstige Datentarife und Zero Rating im Mobilfunk sind
Normalität geworden, und so ist inzwischen auch im Auto die Audionutzung über
das Internet die beste Lösung aus Nutzerperspektive.
Tab. 10: Ausprägung der Modell-Faktoren im
Szenario „Streaming ersetzt Terrestrik“
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
Das klassische Radio ist dadurch zu einem Nischenprodukt geworden und bleibt
nur noch für redaktionelle, insbesondere lokale Informationen interessant und
spricht nur noch spitze, vor allem ältere Zielgruppen an. Angesichts dieser Entwick-
lung und einer nur geringen Förderung senden private Anbieter z.T. nach wie vor
nicht über DAB+, stattdessen streamen sie verstärkt ihre Angebote.
Der Werbemarkt für den Hörfunk ist in diesem Szenario besonders lokal rückläufig,
da bei der Online-Verbreitung starke Konkurrenz zu einer Vielzahl von Multimedia-
Angeboten und insbesondere anderen Audio-Streaming-Diensten besteht. Daher
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 71
können nur deutlich niedrigere Preise erzielt werden als zuvor bei den klassischen
Verbreitungsformen.
6.2.4 Szenario 4: Radio weiter analog, Streaming stark
Dieses Szenario stellt den „Worst Case“ dar und ist somit die untere Grenze der
Bewertungsspanne im Rahmen der Goldmedia Szenario-Modellierung. Für jeden
Faktor ist daher die maximal (denkbare) negative Entwicklung definiert. Lediglich
die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden in allen Szenarien beibehalten.
„Negativ“ bedeutet in Bezug auf die Entwicklung der Hörfunklandschaft vor dem
Hintergrund der Digitalisierung vereinfacht gesagt: Das klassische terrestrische Ra-
dio verharrt in der analogen Ära, während im stark wachsenden digitalen Segment
vor allem neue Wettbewerber Gewinne machen. Daher wird der alte UKW-Stan-
dard weiter genutzt – neben Streaming, das stark zulegt.
Es wurde kein fester Abschalttermin für UKW vereinbart. Die Förderung für einen
Simulcast von UKW und DAB+ ist sehr gering, und darüber hinaus rufen die Pri-
vatanbieter die Mittel nicht (vollständig) ab, da kein Interesse an einem DAB+-En-
gagement besteht. Es gibt weiterhin keinen flächendeckenden Digitalradio-Emp-
fang, und nach wie vor dürfen auch Geräte verkauft werden, die nur für den Emp-
fang analoger Radiosignale geeignet sind. DAB+ ist letztlich für Anbieter und Hörer
unattraktiv, einige Nutzer hören weiter UKW, viele wandern zu Streaming-Lösun-
gen ab. Entsprechend verlagern sich auch die Werbebudgets zunehmend: Die Kos-
tendeckungsgrade der Privatradioanbieter sinken – auch wenn sowohl über UKW
als auch Streaming-Dienste weiterhin Radioangebote möglich sind.
Tab. 11: Ausprägung der Modell-Faktoren im
Szenario „Radio weiter analog, Streaming stark“
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 72
6.3 Ergebnisse der Szenario-Modelle
6.3.1 Starker Hörfunk dank DAB+
In diesem maximal positiv modellierten Szenario kann der klassische Hörfunk bis
2025 seinen (Markt-)Anteil an der Audionutzung halten und erreicht rd. 52 Pro-
zent. Die klassische Hörfunknutzung findet digital über DAB+ statt. Eine solche
Entwicklung setzt allerdings voraus, dass nur eine begrenzte Zahl an Hörern zu
reinem Internetstreaming über Musikportale wie Spotify oder Deezer abwandern.
Gemeinsam mit dem Simulcast von DAB+-Angeboten über das Internet würden
klassische Radioanbieter dann rd. 70 Prozent des Marktes erreichen.
Dieser Best Case ist die einzige modellierte Entwicklung, bei der sich Einnahmen
und Kostendeckungsgrade der privaten Hörfunkanbieter sicher und deutlich posi-
tiv entwickeln, es würde in diesem Fall ein durchschnittliches jährliches Wachstum
von rd. fünf Prozent erreicht.
Während die größeren Anbieter mit einem ohnehin besseren Kostendeckungsgrad
noch deutlich zulegen, können auch die Lokalradios in diesem Szenario einen so-
liden Gewinn erzielen (vgl. Abb. 49).
Abb. 49: Entwicklung Marktanteile und wirtschaftliche Situation
Privatfunk bis 2025, Szenario „Starker Hörfunk dank DAB+“
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
6.3.2 Fragmentierter Markt analog und digital
In diesem auf Grundlage der Experteninterviews sowie der Markt-Forecasts von
Goldmedia als „Real Case“ modellierten Szenario ergibt sich bis 2025 eine ge-
mischte ökonomische Perspektive für die privaten Hörfunkanbieter in Baden-Würt-
temberg: Bei nur mäßiger DAB+-Förderung und ohne festen Abschalttermin für
UKW bleibt das analoge Radio neben Streaming-Diensten weiter populär.
Aus ökonomischer Perspektive bedeutet das: Die Erträge aus der Werbevermark-
tung würden stagnieren. Doch auch wenn der Kostendeckungsgrad der Anbieter
nahezu unverändert bliebe, bedroht langfristig doch die zunehmende Verlagerung
der Werbebudgets zu internetbasierten Medien die wirtschaftliche Situation der
Hörfunkanbieter.
Privatradios mit einem größeren Verbreitungsgebiet (insbesondere landesweite
Anbieter) bleiben so noch für längere Zeit relativ profitabel. Einzelne Lokalradios
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 73
jedoch, die schon heute nur einen geringen positiven Kostendeckungsgrad haben,
könnten schneller unter Druck geraten.
Abb. 50: Entwicklung Marktanteile und wirtschaftliche Situation Privat-
funk bis 2025, Szenario „Fragmentierter Markt analog & digital“
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
6.3.3 Streaming ersetzt Terrestrik
Sollte sich 5G als neuer Internet-Standard mit einem nahezu flächendeckend aus-
gebauten Netz durchsetzen und kommt es zu einer vermehrten Hinwendung gro-
ßer Bevölkerungsgruppen zu Streaming-Lösungen, würde die terrestrische Broad-
cast-Verbreitung für viele verzichtbar.
Entsprechend investieren die Werbetreibenden zu großen Teilen in (mobile) On-
line-Werbung. Zugleich wird auch das bisherige klassische Radioprogramm vor al-
lem online genutzt (Simulcast). Es kann dort noch mit journalistischem Mehrwert,
lokalbezogenen Informationen und Zusatzfunktionen überzeugen. Seine Vorreiter-
Stellung als meistgenutztes Audio-Medium hat es aber an Musikstreaming-Dienste
und ihre durch Podcasts, Hörbücher und personalisierte Formate angereicherten
Angebote verloren.
Abb. 51: Entwicklung Marktanteile und wirtschaftliche Situation
Privatfunk bis 2025, Szenario „Streaming ersetzt Terrestrik“
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
Im Internet stehen die Hörfunkanbieter in direktem Wettbewerb mit einer über-
großen Zahl an multimedialen Alternativangeboten. Die Radiovermarkter können
im Netz nur noch deutlich niedrigere Preise bei gleichzeitig sinkender Gesamtreich-
weite erzielen, sodass die Werbeerlöse rückläufig sind. Diesen Preisverfall bei der
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 74
Audiowerbung können größere Anbieter noch auffangen und behalten einen po-
sitiven Kostendeckungsgrad, Lokalradios gerate jedoch unter Druck.
6.3.4 Radio weiter analog, Streaming stark
Setzt sich der Erfolg von Online-Audio fort und verharrt der klassische Hörfunk in
der analogen terrestrischen Verbreitung, dann ist – relativ zu den anderen Szena-
rien – von einer wirtschaftlich negativen Entwicklung für die Radioanbieter auszu-
gehen. Gegenüber der detailliert auswertbaren und sehr genau steuerbaren On-
line-Werbung sinkt die Bereitschaft der Werbetreibenden, für klassische Radiower-
bung mit Streuverlusten und hohen TKPs zu zahlen. Stattdessen investieren sie in
günstige Werbung über die wachsende Zahl an internetbasierten Angeboten.
Doch in diesem wachsenden Online-Geschäft haben sich Hörfunkanbieter keine
ausreichend starke Position erarbeitet: Bei geringeren Preisen als im klassischen
Geschäft erreichen sie gerade einmal die Hälfte der Reichweite, welche die Mu-
sikstreaming-Anbieter mit ihren personalisierbaren und durch Wortinhalte ange-
reicherten Diensten erzielen.
Erträge und Kostendeckungsgrad sinken daher bei den Radioanbietern. Die bun-
des- und landesweiten Hörfunkanbieter haben zwar mit der neuen Situation zu
kämpfen, doch sie können auch dann noch wirtschaftlich arbeiten, wenn sie die
terrestrische und Online-Verbreitung kombinieren. Lokalanbieter hingegen gera-
ten unter Druck.
Abb. 52: Entwicklung Marktanteile und wirtschaftliche Situation Privat-
funk bis 2025, Szenario „Radio weiter analog, Streaming stark“
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 75
6.4 Zwischenfazit: Digitalisierung stellt den Hör-
funkmarkt vor größere Herausforderungen
Aus den von Goldmedia erstellten vier theoretischen Szenarien lässt sich eine Viel-
zahl möglicher Auswirkungen bei unterschiedlicher Entwicklung der wirtschaftli-
chen, politischen und technischen Rahmenbedingungen für den Hörfunkmarkt ab-
lesen. Zu den wichtigsten Kernergebnissen der diskutierten Szenario-Modelle ge-
hören folgende Erkenntnisse:
▪ Die Audionutzung über das Internet wächst weiter, vor allem zu Lasten der
klassischen terrestrischen Verbreitungswege. In jedem der vier Szenarien er-
reichen das Simulcast-Streaming von Radioangeboten und reine Online-ba-
sierte Radioangebote eine Reichweite von 20 bis 30 Prozent.
▪ Die Bedeutung des Streamings von Audioinhalten über das Internet insgesamt
wird in jedem Fall wachsen. So nimmt die Konkurrenz durch Musikstreaming-
Dienste weiter zu und ihr Anteil an der Gesamtaudionutzung steigt. Streaming
bleibt daher ein unverzichtbarer Teil jeder Digitalstrategie für den Hörfunk.
▪ Der mögliche Erfolg von DAB+ ist stark von der Formulierung einer Förderpo-
litik abhängig. Hierzu zählt vor allem eine Förderung der Simulcast-Kosten von
UKW und DAB+ für eine Übergangszeit und die spätere Festlegung eines Ab-
schaltdatums für den analogen UKW-Standard. Ansonsten droht eine kosten-
intensive, langfristige Doppel-Versorgung mit unklaren Marktperspektiven:
Streaming gewinnt dann immer.
▪ Vor allem die lokalen privaten Hörfunkanbieter werden offenbar nur mit För-
derung und verbesserten Rahmenbedingungen bestehen. Schon bei sich leicht
negativ entwickelnden Marktbedingungen drohen für sie mittelfristige Ver-
luste, da ihr Kostendeckungsgrad schon heute nur minimal positiv ist.
Auf Basis dieser Kernergebnisse diskutieren wir im folgenden Kapitel eine Reihe
möglicher Handlungsoptionen für die LFK.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 76
7 Handlungsoptionen
7.1 DAB+ braucht eine starke (Simulcast-)
Förderung, um sich durchzusetzen
Aus Sicht der privaten Hörfunkanbieter, die bisher über den analogen UKW-Stan-
dard verbreiten, ist der Übergang zur Digitalradio-Technik häufig wirtschaftlich nur
bedingt wünschenswert: Der Umstieg verursacht Kosten und führt die Anbieter
auf eine Plattform, auf der sie mit einer potenziell größeren Zahl an Mitbewerbern
um die Budgets der Werbetreibenden und die bislang wenigen Hörer konkurrieren.
Denn die Nutzung von DAB+ in der Bevölkerung zeigt zwar eine deutlich steigende
Tendenz, liegt aber nach wie vor weit hinter UKW.
Somit sind zwei wesentliche Treiber des DAB+-Umstiegs privater Hörfunkanbieter
identifiziert: Die zusätzlichen Kosten der Verbreitung der Angebote über DAB+ bis
zu einer Abschaltung von UKW und die Zahl der zu erreichenden Hörer.
Die Werbeerträge der Anbieter hängen direkt von der Hörerzahl ab. Im Umkehr-
schluss bedeutet dies aber auch: Für Anbieter, die nur über UKW senden, entste-
hen potenzielle Umsatzverluste durch die zum Digitalradio abgewanderten Rezipi-
enten.
Diese Reichweiten-Verluste sind den zusätzlichen Verbreitungskosten für DAB+ ge-
genüberzustellen. Würde die Differenz dieser Beträge durch die LFK gefördert, ist
der wirtschaftliche Anreiz zum Umstieg eines Anbieters auf DAB+ gegeben.
7.2 Eine Zukunftsstrategie für den Hörfunk
sollte auch Streaming berücksichtigen
Mit der ma Audio hat die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse 2015 erstmals eine
konvergente Reichweitenausweisung für Audioangebote über herkömmliche und
neue, internetbasierte Verbreitungswege veröffentlicht. Nach der aktuellen ma
2016 Audio dominiert im Audiobereich nach wie vor das klassische Radio über
terrestrische Verbreitung oder als Simulcast im Internet.108
In allen Szenario-Modellen erreichte Streaming – vor allem aufgrund der großen
Zahl an verfügbaren Endgeräten – einen Nutzungsanteil von mindestens 20 bis 30
Prozent. Zukünftige Innovationen werden zudem – v. a. im Bereich Mobile Devices
und Mobilfunk (vgl. Abs. 3.4.6) – die Verlagerung der Mediennutzung zugunsten
des Internets weiter befördern.
Für die Hörfunklandschaft in Baden-Württemberg, deren Anbieter auch in Zeiten
einer digitalen Transformation zukunftsfähig bleiben wollen, sollte daher neben
dem Digitalradiostandard DAB+ im Sinne der Technologieneutralität auch
Streaming berücksichtigt werden.
108 Doch werden bei dieser Auswertung bei Weitem noch nicht alle Online-Audioangebote berücksichtigt –
insbesondere umfasst die Liste der teilnehmenden Anbieter mit Spotify nur einen Musik-Streamingdienst, und auch der Audiokonsum, der über Plattformen stattfindet, die originär Videoinhalte anbieten (insbeson-dere Musikvideos auf Youtube), wird nicht berücksichtigt. Vgl. Gattringer, K./Mai, L. (2017): „ma Audio: Konvergenzwährung für Radio und Onlineaudio“, in: Media Perspektiven 4/2017, S. 228ff.
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 77
7.3 Handlungsfeld Lizenzierungspolitik
Der Forecast in Kap. 4.2.4 hat gezeigt, dass sich der Kostendeckungsgrad der Lo-
kalradios in Baden-Württemberg – auch wegen der starken Zyklizität der Werbe-
märkte – leicht unterdurchschnittlich entwickeln wird. Auf Basis heutiger Entwick-
lungen könnten daher gerade die lokalen Anbieter bis 2025 zum Teil in wirtschaft-
lich schwieriges Fahrwasser kommen.
Da mit zunehmender Konkurrenz für die Hörfunkanbieter durch Musikstreaming-
Anbieter gerechnet werden muss, bleibt das wirtschaftliche Risiko für die Hörfunk-
anbieter also hoch – sie brauchen eine klare und sichere wirtschaftliche Perspek-
tive. Ein geeigneter Ansatz zur Vorbeugung bzw. Abmilderung solcher Risikosze-
narien lässt sich bspw. in Programmkooperationen und Funkhausmodellen fin-
den109.
7.3.1 Lizenzierung von Funkhausmodellen
Mit der Genehmigung von Funkhäusern erhalten im Markt konkurrierende Pro-
grammanbieter die Möglichkeit, sich zu einer gemeinsamen Betriebsgesellschaft
zusammenzuschließen.
Abb. 53: Schematische Darstellung eines Funkhausmodells
Quelle: Goldmedia-Analyse 2017
Neben der gemeinsamen Vermarktung des Werbeinventars und der technischen
Abwicklung werden dabei ggf. auch die Programmgestaltung und die wirtschaft-
liche Führung der Angebote zentralisiert.110 „Die ökonomischen Folgen von Medi-
enverflechtungen lassen sich im positiven Sinn mit Effizienzvorteilen und Synergie-
effekten im Kosten- und Erlösbereich beschreiben.“111
Neben der Reduktion von Fixkosten (bspw. bei Miete, Verwaltung oder Technik)
entstehen bei Kooperationen häufig Economies of Scope. Diese Wirtschaftlich-
keitszuwächse bilden sich, weil bei zunehmenden Betriebsgrößen die Produktions-
kosten langsamer steigen.
109 Die von der LFK für UKW ausgestellten rechtsgültigen Lizenzen gelten i.d.R. bis Ende 2025. 110 Vgl. Goldmedia (2014) Gutachten: Hörfunkmarkt Thüringen – Potenziale für ein Funkhausmodell 111 Kors (2005): „Programmvielfalt und Wirtschaftlichkeit im Radiomarkt Berlin-Brandenburg“, S. 72
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 78
Kritiker befürchten, der Wettbewerb würde eingeschränkt oder es würde weniger
Vielfalt und Programminnovation geben. Diese Effekte können jedoch schon auf-
grund der großen Zahl an Onlineangeboten, einstrahlenden Radioangeboten und
der zahlreichen SWR-Angebote verneint werden.
Zusätzlich bietet das Funkhausmodell den starken Anreiz, dass Anbieter ihre Pro-
grammangebote diversifizieren, statt gegeneinander mit vergleichbaren Angebo-
ten zu konkurrieren.
Gemeinsam vereinen die hitorientierten Formate AC (Adult Contemporary) und
CHR (Contemporary Hit Radio) rund 80 Prozent der deutschen Radionutzung auf
sich. Formate, die Zielgruppen nicht über eine Hit-Orientierung, sondern über eine
spezielle Musikfarbe (bspw. Jazz, Kinder, News) ansprechen, erreichen nur sehr
geringe Nutzungsmarktanteile (vgl. Abb. 54).
Abb. 54: Programmformate der Privatradios in Deutschland, 2016
Quelle: die medienanstalten (2016): „Jahrbuch 2015-2016“, S. 140, Stand: 01/2016
Statt mit zwei vergleichbaren Hit-Angeboten um die große Mehrheit der Hörer zu
konkurrieren, macht es vor allem für miteinander verbundene Angebote viel mehr
Sinn, sich inhaltlich zu differenzieren und unterschiedliche Formate anzubieten.
Öffentlich-rechtliche Angebote zeigen gut, wie sich Senderfamilien im Markt aus-
differenzieren.
7.3.2 Gestattung von Programmkooperationen
Eine andere Form der Zusammenarbeit von Hörfunkanbietern, bei der es zu einer
weniger starken gesellschaftsrechtlichen Verflechtung kommt, sind Programmko-
operationen.
Zur Kosteneinsparung werden hierbei Programmteile untereinander ausgetauscht
oder gemeinsam zentral produziert. Angesichts der z.T. nur geringen positiven
Kostendeckungsgrade privater Hörfunkanbieter kann es sich hierbei in manchen
Fällen um eine existenzsichernde Perspektive handeln.
AC 177CHR 49
Sonstige 34
Rock AOR 8
Klassik/Jazz 8
Oldies/Volksmusik 6 Middle of the Road MOR 3
Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 79
Es gibt eine Reihe von Beispielen für Programmkooperationen, nicht nur bei ver-
schiedenen öffentlich-rechtlichen Kooperationen.112 So zählt die „Nordnacht“ als
gemeinsames Nachtangebot der privaten Anbieter Radio ffn und Radio Hamburg
in Niedersachsen und Bremen ebenso dazu, wie die zentrale Produktion überregi-
onaler Programmbestandteile und eines Mantelprogramms für das lokale Radio in
Bayern durch die Dienstleistungsgesellschaft für Bayerische Lokalradioangebote
(BLR).
7.3.3 Kombi-Ausschreibungen für DAB+-Multiplexe?
Die Ausschreibung der Landesmedienanstalten für einen zweiten bundesweiten
DAB+-Multiplex richtete sich im November 2016 ausdrücklich an Plattformanbie-
ter.113 Diese können eigene Angebote veranstalten und externe Angebote aufneh-
men.
Ähnlich wie bei den Funkhausmodellen könnte eine solche Plattformausschreibung
die inhaltliche Vielfalt fördern, da eine Reichweiten-Kannibalisierung der verschie-
denen Angebote auf der Plattform bei zu ähnlicher Ausrichtung für den Anbieter
nicht wünschenswert wäre. Ebenfalls können Kostensynergieeffekte begünstigt
werden.
Für Baden-Württemberg wäre die Ausschreibung für einen solchen Plattform-Be-
trieb auf landesweiter oder regionaler Ebene zumindest denkbar. Letzteres ent-
spräche der gewachsenen Anbieterstruktur im Land zumindest auf Ebene der pri-
vaten Regionalangebote. Die Perspektiven für die Lokalangebote gilt es zu klären:
Ihr Geschäftsmodell basiert auf der teils ultralokalen Vermarktung von Werbung.
Redaktionelle Strukturen und die Markenbildung sind auf das bisherige Sendege-
biet fokussiert. Dem stünde zwar eine regionale Ausstrahlung entgegen, aber zu-
gleich würden die Anbieter hierdurch erheblich an Reichweite gewinnen.
7.3.4 Lizenzierungsmodell-Optionen in der Übersicht
Eine Priorisierung der beschriebenen lizenzrechtlichen Handlungsoptionen kann
auf Grundlage von vier Kategorien vorgenommen werden (Abb. 55). Sie leiten sich
aus dem im baden-württembergischen Landesmediengesetz beschriebenen
Grundsatzanspruch der Meinungsvielfalt sowie aus grundsätzlichen Kosten-Nut-
zen-Erwägungen ab.
„Privater Rundfunk dient der freien Meinungsbildung.“114 Da Privatfunk aber nur
bei entsprechender Kostendeckung existieren kann, ist dies zu berücksichtigen. Im
Sinne der publizistischen Vielfalt im Hörfunk wurde eine Bewertung vorgenom-
men, inwiefern die verschiedenen Optionen Anbieter mit unterschiedlichen Aus-
richtungen (lokal vs. regional) bevorzugt unterstützen und zu einer größeren Viel-
falt an Anbietern oder einzelnen Angeboten führen.
112 Dazu zählen u.a. die gemeinsame Produktion der Talksendung „Lateline“ durch die Jugendwellen der ARD,
die gemeinsamen Nachtangebote verschiedener ARD-Anstalten (ARD-Popnacht, ARD-Hitnacht, ARD-Info-nacht, ARD Nachtkonzert).
113 die medienanstalten (2016): „Zweiter bundesweiter DAB+-Multiplex: Medienanstalten beschließen Aus-
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Studie im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Seite 80
Abb. 55: Lizenzierungsmodell-Optionen der LFK und Goldmedia-
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