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Bayerische Gesellschaft für Unterwasserarchäologie e. V. gegründet 1984 14. Jahrgang / 2013 Liebe Mitglieder und Freunde der bayerischen Unterwasserarchäologie, im Folgenden finden Sie wiederum spannen- de und interessante Ergebnisse der unterwas- serarchäologischen Untersuchungen, die die Taucher und Mitarbeiter der Bayerischen Ge- sellschaft für Unterwasserarchäologie e. V. (BGfU) im Jahr 2013 durchführen konnten. Das Jahr begann mit Schnee und Eises- kälte während eines Prospektionstauchgan- ges in der unterfränkischen Saale bei Salz / Bad Neustadt auf der Suche nach Resten ei- nes Binnenhafens, der im Umfeld einer früh- mittelalterlichen Siedlung vermutet wurde. Hier arbeiteten unsere Taucher mit Archäolo- gen der Universität Jena im Rahmen des DFG-Teilprojektes „Binnenhäfen im fränkisch- deutschen Reich“ zusammen. Dieselbe Ziel- setzung verfolgten weitere Prospektionen und Fahrten mit dem Side-Scan-Sonar im Main bei Karlburg im April. Die Suchtauchgänge in der hessischen Lahn nahe der augusteischen Siedlung Waldgirmes wurden 2013 fortge- setzt. Auch wenn die Lokalisation einer römi- schen Schiffslände erfolglos blieb, gelangen doch wichtige Erkenntnisse zu einer nicht mehr bekannten Furt, die noch bis in die neu- ere Zeit als Übergang genutzt worden sein durfte. Außerdem wurden im Ammersee klei- nere Prospektionen durchgeführt. Im Mai trafen die Taucher der BGfU erneut mit ihren kroatischen Kollegen vom Internati- onal Centre for Underwater Archaeology (ICUA) zu einer einwöchigen Kampagne in der Bucht von Veštar (bei Rovinj / Istrien) zu- sammen. Hier bildeten Untersuchungen an einer neuzeitlichen (venezianischen) Hafen- mole den vorläufigen Abschluss der dortigen Forschung. Folgeprojekte abseits der Bucht von Veštar wurden bereits ins Auge gefasst. Ein weiteres Highlight stellte die Fortführung der Oberflächenaufnahmen in der neolithi- schen Pfahlstation von Kempfenhausen im Starnberger See dar. In der nun vollständig do- kumentierten Teilfläche 6 konnten in über acht- zig Tauchstunden insgesamt fünfzig Quadrat- meter mit 39 Pfählen und 4 liegenden Hölzern dokumentiert werden, die erneut wichtige Er- gebnisse und Rückschlüsse zuließen. An die- ser Stelle möchte sich der Verein bei allen Hel- fern und Unterstützern der bayerischen Unter- wasserarchäologie herzlich bedanken. Die Vorstandschaft Auch in diesem Jahr konnte die Suche nach einer Schiffslände für römische Schwertrans- porte auf der Lahn zur „augusteischen civi- tas“ von Waldgirmes fortgesetzt werden. Die archäologische Nachforschung der BGfU und der Römisch-Germanischen Kommission (Drs. G. Rasbach und A. Becker) fand im Auf- trag des Landesamts für Denkmalpflege Hes- sen am 24./25. August 2013 und 14./15. Sep- tember 2013 statt. Wie im Vorjahr wurde die Prospektion vom Förderverein Römisches Forum Waldgirmes e. V., von der DLRG Wald- girmes / Wetzlar sowie vom Tauchclub Wetz- lar tatkräftig unterstützt. Zunächst wurde eine erneute Side-Scan- Sonar-Aufnahme der Lahn zwischen Dorlar und Naunheim erstellt. Dabei fanden sich ca. 60 Meter unterhalb der unten näher beschrie- benen Furt neun regelmäßige quadratische Strukturen im glei- chen Abstand zueinander vom Garbenheimer Ufer bis in die Flussmitte. Diese sollen im Win- ter 2013/2014 aufgrund der bes- seren Sichtverhältnisse näher untersucht werden. Außerdem konnte die Lahn-Furt, die Dor- lar und Garbenheim ursprüng- lich verband, ebenfalls im Side- Scan-Sonar lokalisiert und mit einem Tachymeter vermessen werden (R. Scholz, RGK). Die heutzutage in einem Winkel von 30° zur Uferlinie verlaufende Furt macht einen veränderten früheren Flussverlauf wahrscheinlich, der auch in Zusammenhang mit der Un- tiefe im Kiessee am Oberwa- sen stehen könnte (siehe Jah- resbericht 2012). Die genau- ere Prospektion dieses Kies- sees brachte in diesem Jahr den interessanten Lesefund eines Hufeisens in 2 Metern Wassertiefe. Genauere Unter- suchungen durch U. Imhof (Schweiz) erlaubten eine Ein- ordnung des Hufeisens in die Zeit zwischen 1575 und 1600. Außerdem fand sich eine Randscherbe eines Kugel- topfs im Abraumhügel des Oberbodens aus dem Ober- wasen, deren Zeitstellung in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts fällt. Die Beprobung einiger Hölzer aus Lahn und Oberwasen erbrachte ein Fälldatum zwischen 1802 und 1906 (Th. Westphal, Dendrologi- sches Labor Westphal Frankfurt/DLWF). Die Funde wurden per Totalstation eingemessen und werden demnächst in einer Gesamtkar- te eingebunden werden. Da über die Tauch- gänge der beiden vergangenen Jahre keine direkten Erkenntnisse zu einer möglichen rö- mischen Schiffslände zu fassen sind, fanden Gespräche mit Prof. Dr. A. Junge (Angewand- te Geophysik) und Prof. Dr. H. Thiemeyer (Physische Geographie) der Universität Frankfurt statt. Auf der Basis der bisherigen Ergebnisse sollen im kommenden Jahr geo- physikalische Prospektionen erfolgen. Vielleicht wird man der Spur zur römischen Schiffslände damit näher kommen. Detlef E. Peukert / Tobias Pflederer Abb. 1: Falzeisen (1575-1600); linker Hinterhuf eines Treidelpfer- des aus dem Kiessee am Oberwasen Zeichnung: D. Peukert Hufeisenfund am Oberwasen Abb. 2: Tauchmannschaft Foto: BGfU

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Bayerische Gesellschaftfür Unterwasserarchäologie e. V. gegründet 1984 14. Jahrgang / 2013

Liebe Mitglieder und Freunde der bayerischen Unterwasserarchäologie,

im Folgenden finden Sie wiederum spannen-de und interessante Ergebnisse der unterwas-serarchäologischen Untersuchungen, die dieTaucher und Mitarbeiter der Bayerischen Ge-sellschaft für Unterwasserarchäologie e. V.(BGfU) im Jahr 2013 durchführen konnten.

Das Jahr begann mit Schnee und Eises-kälte während eines Prospektionstauchgan-ges in der unterfränkischen Saale bei Salz /Bad Neustadt auf der Suche nach Resten ei-nes Binnenhafens, der im Umfeld einer früh-mittelalterlichen Siedlung vermutet wurde.Hier arbeiteten unsere Taucher mit Archäolo-gen der Universität Jena im Rahmen desDFG-Teilprojektes „Binnenhäfen im fränkisch-

deutschen Reich“ zusammen. Dieselbe Ziel-setzung verfolgten weitere Prospektionen und

Fahrten mit dem Side-Scan-Sonar im Mainbei Karlburg im April. Die Suchtauchgänge inder hessischen Lahn nahe der augusteischenSiedlung Waldgirmes wurden 2013 fortge-setzt. Auch wenn die Lokalisation einer römi-schen Schiffslände erfolglos blieb, gelangendoch wichtige Erkenntnisse zu einer nichtmehr bekannten Furt, die noch bis in die neu-ere Zeit als Übergang genutzt worden seindurfte. Außerdem wurden im Ammersee klei-nere Prospektionen durchgeführt.

Im Mai trafen die Taucher der BGfU erneutmit ihren kroatischen Kollegen vom Internati-onal Centre for Underwater Archaeology(ICUA) zu einer einwöchigen Kampagne inder Bucht von Veštar (bei Rovinj / Istrien) zu-sammen. Hier bildeten Untersuchungen an

einer neuzeitlichen (venezianischen) Hafen-mole den vorläufigen Abschluss der dortigenForschung. Folgeprojekte abseits der Buchtvon Veštar wurden bereits ins Auge gefasst.

Ein weiteres Highlight stellte die Fortführungder Oberflächenaufnahmen in der neolithi-schen Pfahlstation von Kempfenhausen imStarnberger See dar. In der nun vollständig do-kumentierten Teilfläche 6 konnten in über acht-zig Tauchstunden insgesamt fünfzig Quadrat-meter mit 39 Pfählen und 4 liegenden Hölzerndokumentiert werden, die erneut wichtige Er-gebnisse und Rückschlüsse zuließen. An die-ser Stelle möchte sich der Verein bei allen Hel-fern und Unterstützern der bayerischen Unter-wasserarchäologie herzlich bedanken.

Die Vorstandschaft

Auch in diesem Jahr konnte die Suche nacheiner Schiffslände für römische Schwertrans-porte auf der Lahn zur „augusteischen civi-

tas“ von Waldgirmes fortgesetzt werden. Diearchäologische Nachforschung der BGfU undder Römisch-Germanischen Kommission(Drs. G. Rasbach und A. Becker) fand im Auf-trag des Landesamts für Denkmalpflege Hes-sen am 24./25. August 2013 und 14./15. Sep-tember 2013 statt. Wie im Vorjahr wurde dieProspektion vom Förderverein RömischesForum Waldgirmes e. V., von der DLRG Wald-girmes / Wetzlar sowie vom Tauchclub Wetz-lar tatkräftig unterstützt.

Zunächst wurde eine erneute Side-Scan-Sonar-Aufnahme der Lahn zwischen Dorlarund Naunheim erstellt. Dabei fanden sich ca.60 Meter unterhalb der unten näher beschrie-

benen Furt neun regelmäßigequadratische Strukturen im glei-chen Abstand zueinander vomGarbenheimer Ufer bis in dieFlussmitte. Diese sollen im Win-ter 2013/2014 aufgrund der bes-seren Sichtverhältnisse näheruntersucht werden. Außerdemkonnte die Lahn-Furt, die Dor-lar und Garbenheim ursprüng-lich verband, ebenfalls im Side-Scan-Sonar lokalisiert und miteinem Tachymeter vermessenwerden (R. Scholz, RGK). Dieheutzutage in einem Winkel von30° zur Uferlinie verlaufendeFurt macht einen veränderten früherenFlussverlauf wahrscheinlich, der auch in

Zusammenhang mit der Un-tiefe im Kiessee am Oberwa-sen stehen könnte (siehe Jah-resbericht 2012). Die genau-ere Prospektion dieses Kies-sees brachte in diesem Jahrden interessanten Lesefundeines Hufeisens in 2 MeternWassertiefe. Genauere Unter-suchungen durch U. Imhof(Schweiz) erlaubten eine Ein-ordnung des Hufeisens in dieZeit zwischen 1575 und 1600.

Außerdem fand sich eineRandscherbe eines Kugel-topfs im Abraumhügel desOberbodens aus dem Ober-wasen, deren Zeitstellung in

die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts fällt.Die Beprobung einiger Hölzer aus Lahn undOberwasen erbrachte ein Fälldatum zwischen1802 und 1906 (Th. Westphal, Dendrologi-sches Labor Westphal Frankfurt/DLWF). DieFunde wurden per Totalstation eingemessenund werden demnächst in einer Gesamtkar-te eingebunden werden. Da über die Tauch-gänge der beiden vergangenen Jahre keinedirekten Erkenntnisse zu einer möglichen rö-mischen Schiffslände zu fassen sind, fandenGespräche mit Prof. Dr. A. Junge (Angewand-te Geophysik) und Prof. Dr. H. Thiemeyer(Physische Geographie) der UniversitätFrankfurt statt. Auf der Basis der bisherigenErgebnisse sollen im kommenden Jahr geo-physikalische Prospektionen erfolgen.Vielleicht wird man der Spur zur römischenSchiffslände damit näher kommen.

Detlef E. Peukert / Tobias PfledererAbb. 1: Falzeisen (1575-1600); linker Hinterhuf eines Treidelpfer-des aus dem Kiessee am Oberwasen Zeichnung: D. Peukert

Hufeisenfund am Oberwasen

Abb. 2: Tauchmannschaft Foto: BGfU

Neolithische PfahlstationKampagne 2013

Allerdings offenbarten die Holzreste zumTeil noch sehr gut erhaltene Bearbeitungs-spuren, wie das Beispiel eines Pfahles miterkennbaren Schlagfacetten zeigt.

Interessanterweise wiesen viele der Pfähleeine identische Pfahlrichtung in RichtungGrabungs-Nordost auf – eine Beobachtung,die so in den vorangehenden Kampagnennoch nicht gemacht werden konnte. Dieskönnte zumindest der vage Hinweis auf einegrößere zusammenhängende Baukonstruk-tion sein, die durch eine gemeinsam gerich-tete Kraft verstürzte. Die dendrochronologi-schen Untersuchungen der Hölzer stehenbei Drucklegung dieses Berichtes noch aus.Funde konnten in der diesjährigen Kampa-gne nur spärlich gemacht werden. Unter denlediglich neun Einzelfunden konnte jedocherstmals ein Hinweis auf Fischfang in der

In den letzten beiden Oktoberwochenmachten sich die Taucher der BGfU erneutauf, um die unterwasserarchäologischenUntersuchungen an der jungneolithischenPfahlstation von Kempfenhausen fortzufüh-ren. In Absprache mit dem Bayerischen Lan-desamt für Denkmalpflege (BLfD) sollten dieOberflächenaufnahmen in der Teilfläche Num-mer 6 abgeschlossen werden. Neben eineraufsehenerregenden Randscherbe mit Son-nensymbol hatte die Kampagne des Jahres2012 interessanterweise auch eine Erweite-rung der dendrochronologisch bestimmtenFälldaten an den entnommenen Holzprobengestattet. Diese wiesen nun einerseits einDatum für das Jahr 3718 v. Chr. sowieandererseits eine Zeitspanne zwischen 3746und 3737 v. Chr. auf.

Nach Bezug eines Seitenraumes in derBootshütte der Bayerischen Seenverwaltungam Westufer des Starnberger Sees gegen-über der Roseninsel nahm die Grabungs-mannschaft der BGfU ihre Arbeit auf. Diesebestand in der ersten Woche aus Tobias Pfle-derer, Mario Bloier, Max Fiederling und Jür-gen Reitz. In der zweiten Woche ergänztenMarcus Thier, Robert Angermayr und DetlefPeukert die Tauchmannschaft.

Ausgehend von einer über dem ehemali-gen Siedlungsareal installierten Plattformwurden in 84 Tauchstunden und 477 Mann-Arbeitsstunden insgesamt 50 Quadratmeterbearbeitet. Diese bestätigten den Befund ei-nes oftmals bis auf den glazialen Tonrückenaberodierten Inselrückens, der erst im Rand-bereich und in abwärts geneigter Topografievon einer noch dünnen Seekreidestrate be-deckt wird.

Lediglich in den Pfahlverzügen erhielt sichein gering organisch durchsetztes Sediment,das als aquatisch durchmengter Rest derehemals aufliegenden Kulturschicht interpre-tiert werden kann.

Abb. 1: Forschungstaucher mit entnommenenHolzproben Foto: BGfU

Abb. 2: Forschungstaucher bei der fotografischenDokumentation Foto: BGfU

In Übereinstimmung mit dem stark erodier-ten Sedimentbefund ragten auch die Köpfeder 39 dokumentierten Pfähle nur noch we-nige Zentimeter aus dem anstehenden Bo-den.

Abb. 3: Pfahlrest mit noch erhaltenen neolithi-schen Schlagfacetten Foto: BGfU

Abb. 4: Kleine Randscherbe mit „Fingerkniffzier“unter dem Gefäßrand Foto: BGfU

neolithischen Pfahlstation von Kempfenhau-sen gefunden werden. Dies legt zumindestder Fund eines verrollten Netzsenkers ausKeramik nahe. Darüber hinaus wies eine klei-nere, dünne Randscherbe ein bislang un-bekanntes Verzierungselement auf, beste-hend aus drei kleinen eingedrückten Vertie-fungen direkt unterhalb des Gefäßrandes,das als „Fingerkniffzier“ angesprochen wer-den kann und im Horizont Pfyn-Altheim bzw.frühes Altheim auch Parallelen in der neoli-thischen Moorsiedlung von Reute-Schorren-ried des 38. Jh. v. Chr. findet.

Auch wenn sich die unterwasserarchäo-logischen Arbeiten am Starnberger See inden Folgemonaten und -jahren vorwiegenddem UNESCO-Welterbe Roseninsel wid-men werden, sollten die Untersuchungen ander einzig „echten“ Pfahlbausiedlung aufheutzutage bayerischem Boden fortgeführtwerden. Letztlich bietet sich in Kempfenhau-sen die einmalige Gelegenheit, das komplet-te neolithische Pfahlfeld auf einem topogra-fisch umschriebenen Bereich vollständig zuerfassen, bevor die Erosion zum Verschwin-den der (noch) erhaltenen Pfahlreste geführthaben wird.

Tobias Pflederer

„Nur das Projekt zählt“

Es waren die intensiven und seit dem Jahr2008 durchgeführten unterwasserarchäolo-gischen Forschungen des InternationalCentre for Underwater Archaeology in Za-dar (ICUA) in Zusammenarbeit mit der Bay-erischen Gesellschaft für Unterwasserar-chäologie e. V. (BGfU), die einen einmali-gen Einblick in die Siedlungskontinuität inder Bucht von Veštar gestatteten. Diese Un-tersuchungen fanden zu Beginn des Jah-res 2013 in Form einer einwöchigen Kam-pagne nun ihr vorläufiges Ende.

Die Untersuchungen der letzten Jahre lie-ßen den Schluss zu, dass die natürlich ge-schützte Bucht von Veštar über Jahrhun-derte hinweg als Hafen genutzt wurde. Le-sefunde vom Untergrund der Bucht datie-ren bereits in prähistorische Zeit. Im1. Jh. v. Chr. wurde die Bucht dann dichterbesiedelt, als dort eine römische villa rusti-

ca mit einer großen, 50 m langen steiner-nen Mole an der Südseite der Bucht errich-tet wurde. Die Nutzung dieser Mole endetezu Beginn des 3. Jh. n. Chr., jedoch bliebdie Bucht weiterhin besiedelt, wie Einzel-funde zeigen. Schriftquellen weisen dieserSiedlung des 3. bis 7. Jh. n. Chr. den Na-men „Vistrum“ zu. Bisher gelang es jedochnicht, eine Hafenanlage jener Zeit zu loka-lisieren. Zwischen dem 8. und 15. Jh. n. Chr.gibt es keine Hinweise auf eine Nutzung derBucht. Zwischen dem 16. und 18. Jh. n. Chr.steigt die Fundmenge dann erneut an, be-vor sie im 19. Jh. n. Chr. wieder zurückgeht.

Die Periode zwischen dem 16. und18. Jh. n. Chr. ist von besonderem Interes-se, da kaum Aufzeichnungen aus dieserZeit über den Ort existieren, wohingegenzahlreiche Funde den Ort als ein maritimesHandelsdrehkreuz darstellen. Spuren vonProduktionsresten von glasierter Ware und

Glas am Meeresgrund der Bucht sind vageIndizien für die Existenz eines Produktions-komplexes innerhalb der Bucht.

Hauptaugenmerk der unterwasserarchä-ologischen Untersuchungen dieses Jahreswar daher die Lokalisation der Anlandes-tation für die Transportschiffe dieser Zeit.Untersuchungen desTerrains im vergangenJahr hatten bereits vageSpuren von Molenstruk-turen erbracht. Eine da-von wurde im Nordostenlokalisiert (sog. „Pier 2“),eine weitere im flacherenBereich des Südufers,angedeutet durch unre-gelmäßige Steinblöckemit einer Schuttverfül-lung (sog. „Pier 3“). Anletzterer wurden 2013zwei Suchschnitte sowieeine Sondage angelegt,um die Molenstrukturund deren Genese stra-tigrafisch zu untersu-chen.

Ein erster Suchschnitt(„ROV F“) an der Nord-ostkante der Anlage zeig-te, dass die Füllung derMole aus Bauschutt be-stand. Auffällig warenzahlreiche große Back-steine, von denen einigemit Gips und Kalk über-zogen waren und damitoffenbar von abgerisse-nen Gebäuden stamm-ten. Ein weiterer Such-schnitt („ROV E“) wurde

am seeseitigen Kopf der Mole angelegt. Hierkonnten Steinblöcke entdeckt werden, dieevtl. während dem Einsturz der Mole von ih-rem Platz verrückt worden waren. Die Son-dage D zeigte unter einer schwarzen,schlammigen Oberflächenschicht mit See-grasbewuchs die bereits erwähnte Versturz-schicht aus Bauschutt. In diesem konntelediglich ein Steinblock entdeckt werden -offenbar in sekundärer Positionierung - so-wie eine große Steinplatte, die auf eine eins-tige Pflasterung der Mole hindeuten könn-te. Unterhalb der Versturzschicht kam einedichte Ablagerung von hölzernen Ästenhervor, die Schnittspuren aufwiesen, einigewaren partiell angebrannt. Möglicherweisestammen die Hölzer von der Rodung desUnterholzes der Uferregion. Dies könnte aufdas Freihalten einer Fläche und somit indi-rekt auf eine Hafenstruktur oder ein ähnli-ches Operationsareal hinweisen, welchesallerdings bisher nicht näher zu charakteri-sieren ist. Basierend auf den archäologi-schen Funden kann zusammengefasst wer-den, dass die aktuell dokumentierte Molewohl im17. Jh. n. Chr. mit Verwendung vonBauschuttverfüllung erbaut wurde und dassSie bis ins 18. Jh. n. Chr. genutzt wurde.Anschließend verfiel die Struktur allmählich.Neben einer Fülle von Keramik des 17. bis

Abb. 2: Pier 3, Konturen mit den Positionen der UntersuchungsarealeZeichung: ICUA/BGfU

Abb. 1: Das Grabungsteam von Veštar Foto: ICUA/BGfU

Jahresbericht der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie e. V. (Hrsg.)Redaktion und Satz: Dr. Tobias Pflederer, Dagmar LeebAutoren: Dr. Tobias Pflederer, Luka Bekic, Max Fiederling, Detlef E. Peukert, Andreas WunschelBezug und Abonnement kostenlos unter www.bgfu.de

© BGfU 2014 – Vervielfältigung in Absprache mit dem Herausgeber erlaubt

Im Rahmen des DFG-Schwerpunktpro-grammes „Häfen von der Römischen Kaiser-

zeit bis zum Mittelalter“ betreut der Bereich fürUr- und Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena in interdisziplinärer Zusam-menarbeit mit dem dortigen Historischen Insti-tut das Teilprojekt „Binnenhäfen

im fränkisch-deutschen Reich“.Ein Hauptaugenmerk liegt dabeiauf der Erforschung von ehema-ligen Binnenhäfen in der Zeit zwi-schen 500 und 1250 n. Chr. undIhrer Bedeutung bei Verkehr undKommunikation. Neben dem re-gionalen Vergleich verschiede-ner Hafenbefunde an zentralenFluss-Systemen wie Rhein,Rhône, Saône und Po liegt einweiterer Forschungsschwer-punkt auf archäologischen Feld-studien an vermuteten Standor-ten mittelalterlicher Binnenhäfenim Bereich Unterfrankens – inerster Linie an den Fluss-Sys-temen von Main und Saale. Hierbegleiteten Taucher der BGfUdie Untersuchungen in unterstützender Funk-tion mittels Einsatz von Side-Scan-Sonar undunterwasserarchäologischen Prospektions-tauchgängen.

Im Januar 2013 machten sich Taucher derBGfU zusammen mit Andreas Wunschel M.A.von der Universität Jena zunächst an die Saaleund ihren frühmittelalterlichen Siedlungsraum„Mühlstatt-Binsenhausen“ bei Salz / Bad Neu-stadt auf. Hier wird der Fluss mit seinen umge-benden, fruchtbaren Böden von mehreren Be-festigungsanlagen eingerahmt, wie z. B. dem

Binnenhäfen imfränkisch-deutschen Reich

Hufeisenfund am Oberwasen

Abb. 3: Metallplakette,Darstellung eines Wap-

pens mit einem Pferd undden Initialen „VZ“

Foto: ICUA

18. Jh. n. Chr. wurden mehrereTabakpfeifen entdeckt - ein auf-fällig häufiger Fundtyp in derBucht von Veštar. Außerdemzeigten sich wiederum Reste,die mit der Herstellung vonGlanztonware zusammen-hängen sowie in Verbindungmit dem Glasschmelzprozessund der Erzeugung von Glas-rohmaterial stehen.

Das wohl interessantesteFundstück der diesjährigen Kam-

pagne präsentierte sich inForm einer metallischen

Plakette, ein Wappen-schild darstellend, mitden Initialen „VZ“ in deroberen Hälfte und ei-nem ungezügelten

herausragenden Veitsberg, der als „Anwärter“für einen früh-/hochmittelalterlichen Pfalzbereichmit eindrucksvoller Umwehrung gehandelt wird.Bei Schnee und eisigen Temperaturen wurdenin Fließrichtung systematische Tauchgängedurchgeführt. Die Suche galt vor allem Resten

von möglichen Anlandestellen und Furten so-wie der Dokumentation von eventuellen Ein-zelfunden. Die Beobachtungen zeigtenallerdings, dass sich die Saale mit einer Was-serlinie von zwei bis drei Metern unter Normal-niveau in heutiger Zeit bereits unter den früh-mittelalterlichen Fundschichten befindet. An-geschnittene Befunde im Flussverlauf konn-ten nicht entdeckt werden, ebenso wenig wiefrühmittelalterliches Fundmaterial.

Weitere Prospektionstauchgänge wurden imApril 2013 im Main bei Karlburg durchgeführt

und durch den Einsatz eines Side-Scan-Sonarsunterstützt. Wie umfassende Forschungen inden letzten 30 Jahren zeigten, erstreckte sichhier am Westufer des Mains die Wüstung „villa

Karloburg“. Zahlreiche frühmittelalterliche Im-portwaren u. a. aus dem Rheingebiet belegen

die Nutzung der Verkehrsstra-ße „Main“ und die AnbindungKarlburgs an weiter entfernt ge-legene Siedlungsräume. Die ca.20 Hektar große Siedlung wur-de vom 6. bis ins 13. Jahrhun-dert kontinuierlich genutzt undbestand aus einem Kloster, herr-schaftlichen Bauten, handwerk-lich-gewerblich genutzten Berei-chen, Wohnhäusern und Stäl-len. Insgesamt dürfte es sich beider Siedlung um einen überre-gional bedeutenden Zentralortdes Frühmittelalters gehandelthaben, der mit seiner Funktionals Handels- und Umschlagplatzan frühstädtische Anlagen erin-

nert. Auch eine Hafenanlage ineinem wohl verlandeten Bereich

darf angenommen werden. Im Rahmen der Un-tersuchungen konnten heute Unterwasser lie-gende Buhnenbauten identifiziert werden, dievor den 1830er Jahren im Main errichtet wur-den. Die Dokumentation ihrer Lage ergab imZusammenhang mit deren Darstellung auf meh-reren historischen Karten einen wichtigen An-haltspunkt für die jüngere Nutzungsgeschichtedes Gewässers in direkter Nähe zur früh- undhochmittelalterlichen Kernsiedlung.

Tobias Pflederer (BGfU),

Andreas Wunschel (Universität Jena)

Abb. 1: Taucher der BGfU beim Einstieg in die Saale Foto: A. Wunschel

Pferd, das auf seinen Hinterläufen steht, sei-nen Kopf nach links gewandt. Die Plakettekönnte z. B. auf einer hölzernen Truhe be-festigt worden sein.

So erfolgreich das kroatisch-bayerischeKooperationsprojekt der letzten fünf Jahregewesen ist, werfen die Ergebnisse wiedereinmal weitere Fragen auf, welche nur durchparallelisierte, archäologische Untersu-chungen an Land beantwortet werden kön-nen.

Max Fiederling / Luka Bekic /Tobias Pflederer