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20 BAYERISCHES LANDESAMT FÜR DENKMALPFLEGE LANDESSTELLE FÜR DIE NICHTSTAATLICHEN MUSEEN FAKTEN , TENDENZEN , HILFEN

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20BAYERISCHESLANDESAMTFÜRDENKMALPFLEGE

LANDESSTELLE FÜR DIENICHTSTAATLICHEN MUSEENFAKTEN , TENDENZEN , HILFEN

Museum heute 20Fakten – Tendenzen – Hilfen

Herausgeber:Landesstelle für die nichtstaatlichen Museenbeim Bayerischen Landesamt für DenkmalpflegeWagmüllerstr. 2080538 MünchenTelefon 089/210140-0Telefax 089/210140-40E-mail: [email protected]: www.museen-in-bayern.de

Redaktion:Dr. Wolfgang Stäbler

Gesamtherstellung:Lipp GmbH, Graphische Betriebe,81477 München

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Titelfoto:Dokumentation Obersalzberg, „Prolog“

München, im Dezember 2000

ISSN 0944-8497

INHALT

Museumsporträt

„Ein schon lange fälliges Museum am richtigen Ort“.Ein Jahr Dokumentation Obersalzberg in Berchtes-gaden (Albert Feiber) .............................................. 3

Museumslandschaft Unterfranken

Museumslandschaft Unterfranken. Vom „Wild-wuchs“ zur geordneten Vielfalt (Albrecht A. Gribl) . 12

Die Museen der Diözese Würzburg (Jürgen Lenssen) .................................................... 18

Positionen – deutsche Kunst nach 1945. Zur Neugestaltung der Galerie in der Alten Reichsvogtei, Schweinfurt (Erich Schneider) ......... 24

Feinkostgeschäft statt Gemischtwarenladen. Das Museum der Stadt Miltenberg (Hermann Neubert) ................................................. 30

„Welterfolg Nähmaschine“. Zur Neueröffnung einer Spezialabteilung im Stadtmuseum Gerolzhofen. Oder: Was haben Nähmaschinen mit Gerolzhofen zu tun? (Dagmar Stonus/Jochen Ramming) ....................... 35

Glas aus dem Spessart. Eine neue Abteilung imSpessartmuseum Lohr a. Main (Herbert Bald) ...... 42

Arbeitshilfen

Das Bayerische Wirtschaftsarchiv und seine Bestände (Richard Winkler) ................... 45

Museumspädagogik – ein Mittel der Öffentlich-keitsarbeit. „Kinder machen Radio“ im Museum (Doris Hefner) ......................................................... 49

Fotografie

Sicherung und Erschließung historischer Glasplattenbestände zur Geschichte der Technik (Wilhelm Füßl/Hans-Joachim Becker) .................... 52

Berichte/Aktuelles

Lange Nächte, volle Kassen? (Wolfgang Stäbler) .. 56

Jazz, Alterserscheinungen und ägyptischer Leberkäse. Impressionen von der langen Nacht Münchner Museen (Wolfgang Stäbler) ................... 57

Museum zwischen Erlebnisraum und Kulisse. Die 1. Kemptener Museumsnacht (Rainhard Riepertinger) .......................................... 60

Die bayerische Museumslandschaft an der Jahrtausendwende. Zur Auswertung der Umfrage der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen von 1999 (Christine Schmid-Egger) ....................... 69

Immenstadt im Doppelpack. Schwäbischer Museumstag und -museumspreis 2000 (Wolfgang Stäbler) .................................................. 74

Museen als Fremdenverkehrsfaktor (Wolfgang Stäbler) .................................................. 76

„Zeichen des Alltags“. Eine Ausstellung beleuchtet die Situation von Juden in Deutschland heute (Oliver Lubrich) .................... 79

Möbel im Museum. 9. Tagung bayerischer, böhmischer und sächsischer Museums-fachleute, Freiberg/Sachsen 13.-15.9.2000 (Wolfgang Stäbler ................................................... 82

MUSEUMSTHEATER. Fachtagung des Bundesverbandes Museumspädagogik im Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Hannelore Kunz-Ott) ............................................. 83

Treffen des Arbeitskreises für Hausforschung in Bayern am 25.10.2000 in Regensburg (Kilian Kreilinger) ..................................................... 85

Museen in Österreich – ungebremste Vielfalt? 12. Österreichischer Museumstag, Stift Dürnstein(Wachau), 2.-4.11.2000 (Albrecht A. Gribl) ............ 86

Neue Bücher: Museen in Schwaben (Albrecht A. Gribl) ................................................... 87

Eröffnungen nichtstaatlicher Museen in Bayern .... 88

Personalia ............................................................... 90

Sonderausstellungen bayerischer nichtstaatlicher Museen ................................................................... 95

Varia ........................................................................ 97

Bitte vormerken:

INTERNATIONALER MUSEUMSTAG 2001

Nach dem Erfolg der im Jahr 2000 erstmals bundesweit durchgeführten Aktionen zum InternationalenMuseumstag, an dem sich mehr als 600 deutsche Museen, davon allein in Bayern über 120, beteiligt hatten,laufen inzwischen die Vorplanungen für die Veranstaltungen im Jahr 2001. Der Internationale Museumstag findetdiesmal

am 20. Mai 2001

unter dem von ICOM ausgegebenen Motto „Museen fördern Gemeinschaft“ statt.

Inzwischen haben bereits über 200 bayerische Museen bei der Landesstelle ihre Bereitschaft zur Beteiligung,ob durch die Gewährung freien Eintritts, Sonderführungen, Vorführungen, Familienangebote, Ausstellungs-eröffnungen, Museumsnächte oder andere Aktionen angekündigt. Sie erhalten im Februar 2001 weitere In-formationen.

Alle Museen, die sich noch nicht angemeldet haben, sind dazu herzlich eingeladen: Denn je breiter das Ange-bot regional wie inhaltlich gestreut ist und je geschlossener die Museen auf sich aufmerksam machen, destonachhaltiger wird die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erreichen sein.

BAYERISCHER MUSEUMSTAG 2001

Der im zweijährigen Turnus abgehaltene Bayerische Museumstag, die größte Museumsfachtagung im deutsch-sprachigen Raum, wird

vom 18.-20.7.2001 in Bayreuth

stattfinden. Er befaßt sich unter dem Thema „Im Dialog: Museumspädagogik für alle Besucher“ mit den Auf-gaben und Möglichkeiten der pädagogischen Vermittlung im Museum, die weit über das klassische Arbeitsfelddes „außerschulischen Lernorts“ hinausgehen.

Der Versand der Einladungen erfolgt im April 2001.

„EIN SCHON LANGE FÄLLIGES MUSEUM AM RICHTIGEN ORT“Ein Jahr Dokumentation Obersalzberg in Berchtesgaden

Das im äußersten Südosten Bayerns nahe Salzburg gele-gene Berchtesgadener Land gehört zu den beliebtestenFremdenverkehrsregionen in Deutschland. Besucherma-gnete sind eine Schiffahrt auf dem Königssee nach St.Bartholomä mit dem weltberühmten Echo, das Salzberg-werk Berchtesgaden und der Nationalpark Berchtes-gaden, nicht zuletzt aber auch der Obersalzberg und das1820 Meter hoch gelegene Kehlsteinhaus. Allein währendder Hauptsaison von Mai bis Oktober – nur in dieser Zeitverkehren Busse hinauf zum Kehlstein auf einer derschönsten Hochalpenstraßen Deutschlands – wurden imJahr 2000 306.741 Besucher gezählt, das sind rund15.000 Besucher mehr als im Vorjahr und über 2.000 Per-sonen täglich.

Historischer Rückblick

Tourismus am Obersalzberg hat Tradition. Bereits 1877eröffnete Mauritia, genannt Moritz Mayer im Steinhausle-hen eine Pension, um sich mit den damals noch Som-merfrischler genannten Touristen den Lebensunterhalt zuverdienen. Seither gilt sie als Pionierin des modernenTourismus, die von ihr begründete „Pension Moritz“, ausder später der Platterhof wurde, steht am Beginn desTourismus in Deutschland und Mitteleuropa.

Obersalzberg war bis dahin ein kleines und unbedeuten-des Bergbauerndorf, in dem seit dem 14. Jahrhundert Le-hensbauern des Augustiner Chorherrenstiftes von Berch-tesgaden nachweisbar sind. Die Bevölkerung, Bauernund im nahegelegenen Salzbergwerk tätige Salinenarbei-ter und Bergknappen, fristeten ein mühsames und kargesLeben. Mauritia Mayer fand zahlreiche Nachahmer. Dieherrliche Bergwelt mit Watzmann und Untersberg sowiedas nahegelegene Salzburg zogen wohlhabende Feri-engäste aus ganz Europa an. Sie logierten in den zahlrei-chen neuentstandenen Gasthöfen, Pensionen und Sana-torien; manche erwarben bzw. bauten sich nach einigerZeit eigene Häuser, zum Beispiel Carl v. Linde, der Pionierder Kühltechnik, oder der Berliner Chemiker Arthur Ei-chengrün, der für Bayer das Aspirin entdeckte. In ihrenHäusern verkehrten prominente Gäste: die Pianistin Cla-ra Schumann, die Schriftsteller Ludwig Ganghofer undRichard Voß, der Maler Franz v. Lenbach. Das Dorf Ober-salzberg bezeichnete sich, wie heute noch andere Ge-meinden der Region, als „heilklimatischer Höhenkurort“.

Bekanntheit, ja weltgeschichtliche Bedeutung erlangteder Obersalzberg aber durch einen anderen Gast: AdolfHitler. Er kam im Mai 1923 zum erstenmal ins Berchtes-gadener Land, um Dietrich Eckart zu besuchen, den Her-ausgeber des völkisch-antisemitischen Hetzblattes „Auf

gut deutsch!“ sowie Herausgeber und Chefredakteur des„Völkischen Beobachters“. Eckart wurde wegen Ver-stoßes gegen das Republikschutzgesetz von der Polizeigesucht und war deswegen im „Gebirgskurhaus Ober-salzberg“, der früheren Pension Moritz, inkognito als„Herr Hofmann“ untergetaucht. Auch Hitler verbargzunächst seine Identität und nannte sich „Herr Wolf“ –das war der Tarnname, den er als Informant der Reichs-wehr benutzt hatte. „Wolf“ fand sehr schnell Gefallen andiesem nahe zu seiner Heimat Österreich gelegenenLandstrich. Nach seiner Entlassung aus der Festungshaftin Landsberg am Lech kehrte er 1925 auf den Obersalz-berg zurück. Hier diktierte er auch den zweiten Teil seinesBuches „Mein Kampf“ in einer Blockhütte im Wald ober-halb der früheren Pension Moritz, die aus diesem Grundspäter „Kampfhäusl“ genannt wurde. Im Sommer 1928brachte er hier seine Gedanken zur deutschen Außenpo-litik zu Papier. Hitler hat den Text, der „einen unverstelltenBlick auf [seine] Ideologie wie auf seine Person“1 ermög-licht, aus taktischen Gründen nie veröffentlicht. Erst 1961wurde das Manuskript als „Hitlers Zweites Buch“ heraus-gegeben.2

Bei seinen Aufenthalten im Berchtesgadener Land wohn-te Hitler meist im „Gebirgskurhaus Obersalzberg“, bis er1928 das „Haus Wachenfeld“ mietete, ein Landhaus, dasder Lederwarenfabrikant Otto Winter aus Buxtehude1916 erbaut hatte. Im Sommer 1933 konnte er das Hausnach einjährigen Verhandlungen aus seinen Tantiemenvon „Mein Kampf“ erwerben.

Das Jahr 1933 bedeutete auch für den Obersalzberg eineentscheidende Zäsur. Der Berg veränderte sein Gesicht

MUSEUMSPORTRÄT 3

Dokumentation Obersalzberg: Das auf den Fundamenten vonHitlers Gästehaus errichtete Aussstellungsgebäude, im Hinter-grund der Kehlstein mit dem Kehlsteinhaus

bis zur Unkenntlichkeit, aus dem Dorf Obersalzberg wur-de das Führersperrgebiet. Hitler, neuer Reichskanzler, ließsich das bescheidene „Haus Wachenfeld“ nach eigenenPlänen bis 1936 sukzessive zu dem pompösen Berghofmit dem berühmten versenkbaren Panoramafenster aus-bauen. In seinem Gefolge siedelten sich weitere NS-Größen an: Martin Bormann bezog die alte Villa Seitz, diebis dahin ein Lungensanatorium beherbergt hatte, AlbertSpeer erwarb ein Wohnhaus und errichtete in der Näheein Atelier, Hermann Göring ließ für sich auf dem Ecker-bichl ein – für seine Ansprüche – bescheidenes Landhausmit kleinem Swimming-Pool erbauen; bis heute heißt die-ses Erhebung im Volksmund daher „Göring-Hügel“.

Mit Infrastruktureinrichtungen wurde schließlich die ganzeRegion zum zweiten Machtzentrum des Reiches, zur „Fi-liale von Berlin“3 ausgebaut. Am Obersalzberg entstandeine Kaserne für die Wachkompanie der SS-Leibstandar-te Adolf Hitler, im früheren „Gasthof zum Türken“ wurdeeine Außenstelle des für die Sicherheit der NS-Größenverantwortlichen Reichssicherheitsdienstes unterge-bracht. Auf dem Weißenlehen ließ Bormann einen land-wirtschaftlichen Musterbetrieb errichten, der gesunde Le-bensmittel für Hitler und sein Gefolge produzieren sollte,die alte Pension Moritz wurde zum „Volkshotel Platterhof“mit 150 Betten ausgebaut. Das Dorf Obersalzberg undseine Bewohner mußten weichen. Wurden sie anfänglichgroßzügig abgefunden, so wurde jeder, der sich sträubte,zunehmend unter Druck gesetzt, bis er zu immer schlech-teren Konditionen zum Verkauf seines Anwesens bereitwar. Im Markt Berchtesgaden entstand ein großdimensio-nierter Bahnhof, in Ainring bei Freilassing ein „Gebirgs-flughafen“, in der Stangaß, einem Ortsteil des Nachbaror-tes Bischofswiesen, eine Außenstelle der Reichskanzlei.Höhepunkt der ganzen Bautätigkeit war die Errichtungder Kehlsteinstraße, die vom Hintereck zum Kehlstein-haus – dem „Geschenk“ der Partei zu Hitlers 50. Ge-burtstag 1939 – hinaufführt. Am Obersalzberg wurde biszum Ende des Dritten Reiches ständig gebaut. Ein 30 Me-ter unter der Oberfläche gelegenes Bunkersystem von2.775 m Länge entstand unter Einsatz von Tausendenvon Arbeitern von Sommer 1943 bis in die letzten Kriegs-tage des April 1945.

Die „Machtergreifung“ löste in ganz Deutschland über-schäumende Hitler-Begeisterung aus. Schon wenige Wo-chen nach dem 30. Januar 1933 entwickelte sich derObersalzberg zu einem Zentrum des mit pseudoreligiö-sen Zügen ausgestatteten Hitlerkults. Seine Anhängerströmten in Scharen auf den Berg, um ihren „Führer“ –anders als in Berlin – zum Greifen nahe zu sehen; oft war-teten sie dafür Stunden und Tage am Maschendrahtzaunvon Haus Wachenfeld; Steine, auf die Hitler getreten war,

wurden als Reliquien gehandelt. Die Partei machte diesenunkontrollierten, den Tagesablauf störendenden und dieSicherheit gefährdenden „Wallfahrten“ – wie sie schondamals genannt wurden – bald ein Ende. Einzel- undGruppenbesuche konnten dann nur noch nach vorherge-hender Anmeldung erfolgen und liefen nach einem festen,auf propagandistische Wirksamkeit bedachten Drehbuchab. Nachdem 1936 der neue Berghof fertiggestellt war,wurde der Obersalzberg das Ziel zahlreicher prominenterausländischer Gäste – beispielsweise des mit dem Na-tionalsozialismus sympathisierenden norwegischen Lite-raturnobelpreisträgers von 1920, Knut Hamsun, vonLloyd George, der als englischer Premier den VersaillerVertrag unterschrieben hatte, sowie des amtierenden bri-tischen Premierministers Neville Chamberlain und BenitoMussolini.

Die nationalsozialistische Propaganda nutzte den Ober-salzberg als wirksame Kulisse zur Inszenierung des Füh-rerkults. Hier konnte sie Hitler scheinbar authentisch alsMensch und Privatmann zeigen: „Hitler in seinen Ber-gen“4 und „Hitler abseits vom Alltag“5 hießen beliebte undweitverbreitete Bildbände des Leibfotografen HeinrichHoffmann. Zigarettenalben wie „Adolf Hitler. Bilder ausdem Leben des Führers“6 verfolgten den gleichen Zweck,den „Führer“ als einfachen Mann aus dem Volk, als güti-gen Menschen, Kinder-, Tier- und Naturfreund zu zeigen.Das zweite Motiv der den Obersalzberg nutzenden Pro-paganda war die Darstellung Hitlers als Staatsmann, derDeutschland wieder in den Kreis der Großmächte zurück-geführt habe und eine führende und geachtete Rolle inder internationalen Politik spiele.

Die Bauarbeiten am Obersalzberg waren noch im Gang,als am 25. April 1945, wenige Tage vor Hitlers Selbstmordund der Kapitulation der Wehrmacht in Berlin-Karlshorst,britische Bomberverbände den Obersalzberg angriffenund dabei die meisten Gebäude zerstörten. Am 4. Mai1945 besetzten amerikanische Soldaten der 101. US-Air-borne-Division Berchtesgaden und den Obersalzberg.

Aus militärischer Sicht waren weder der Bombenangriffnoch die Einnahme von Hitlers Alpendomizil sinnvoll, daes keine Alpenfestung gab, von der aus der Endkampfhätte geführt werden können. Die Zerstörung des Ober-salzbergs war jedoch ein bedeutender symbolischer Akt:das Dritte Reich war nicht mehr in der Lage, die engsteUmgebung des „Führers“, seine private Residenz amBerg zu verteidigen und zu schützen. So wie das Führer-sperrgebiet, errichtet aus einem Alpendorf, in Trümmernlag, so lag ganz Deutschland und Europa nach dieser„selbstverursachten weltgeschichtlichen Katastrophe“7 inSchutt und Asche.

MUSEUMSPORTRÄT4

Im März 1949 ging der Obersalzberg in das Eigentum desFreistaats Bayern über. Eine alliierte Kontrollratsdirektivevom August 1947 bestimmte die Länder zu Rechtsnach-folgern und Erben der NSDAP und der führenden Natio-nalsozialisten. Im Grundbuch des Obersalzbergs war ne-ben Hitler vor allem Martin Bormann als Eigentümer ein-getragen. Nach langen Diskussionen, die in Berchtes-gaden besonders auch in der Bevölkerung mit großenEmotionen und Engagement geführt wurden, kam es zueinem Abkommen zwischen der Bayerischen Staatsre-gierung und der amerikanischen Besatzungsmacht überdie weitere Nutzung des Geländes. Die Amerikanerstimmten zu, zur Saison 1952 das Kehlsteinhaus mitKehlsteinstraße zur „touristischen Nutzung“ freizugeben.Im Gegenzug verpflichtete sich der Freistaat Bayern, dieRuinen der wichtigsten NS-Gebäude am Obersalzberg,d. h. die Häuser Bormanns und Görings, den Berghof unddie SS-Kaserne, zu sprengen und das Gelände teilweise

aufzuforsten, um auf diese Weise die Spuren des „Tau-sendjährigen Reiches“ zu verwischen und so die Attrakti-vität des Geländes für rechtsradikale Wallfahrer zu ver-mindern.

Die Amerikaner behielten den größten Teil des Geländesund bauten den Obersalzberg zu einem ihrer drei in Bay-ern gelegenen Recreation Centers der Streitkräfte aus.Der wiederaufgebaute Platterhof erhielt jetzt den Namen„Hotel General Walker“. Außer einem Golfplatz entstan-den ein Tennisplatz und Skilifte. Bis 1995 fanden mehr alsfünf Millionen US-Soldaten mit ihren Familien hier Erho-lung, zuletzt die Teilnehmer des ersten Golfkriegs von1991. Im Zuge von Sparmaßnahmen nach der Truppenre-duzierung infolge des Endes des Kalten Kriegs gaben dieamerikanischen Streitkräfte die von ihnen genutzten Teiledes Obersalzbergs im Juni 1996, gut 51 Jahre nach derBesetzung, an den Freistaat Bayern zurück.

MUSEUMSPORTRÄT 5

Abteilung zur Geschichte des Obersalzbergs

Vorgeschichte und Trägerschaft der DokumentationObersalzberg

Schon unmittelbar nachdem Anfang 1995 die Rückzugs-absicht der Amerikaner bekannt geworden war, beschloßdie Bayerische Staatsregierung nach Abstimmung mitdem Landkreis Berchtesgadener Land und der Marktge-meinde Berchtesgaden am 1. August 1995 ein Konzeptzur künftigen Nutzung des Geländes. Es sah einerseitsden Bau eines „Hotels der gehobenen Klasse“ und zumanderen die Errichtung einer der „besonderen Geschichtedes Ortes“ entsprechenden Dokumentationsstelle vor.Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, das dieLiegenschaften des Freistaats Bayern verwaltet und daherauf dem Obersalzberg gleichsam als „Hausherr“ fungiert,beauftragte das Institut für Zeitgeschichte in München am26. August 1996 mit der „Entwicklung eines fachlich-hi-storischen“ Konzepts. Zur fachlichen und museumsdidak-tischen Begleitung und Beratung wurde ein Fachbeirat be-rufen, dem führende Historiker und Museumsexperten,Vertreter der beteiligten Ministerien und Repräsentantender Region angehörten. Er trat am 5. Juni 1997 in Berch-tesgaden zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenund billigte den inzwischen vom Institut für Zeitgeschich-te vorgelegten Projektentwurf nach ausführlichen Diskus-sionen.8 Das Münchner Architekturbüro Claus & Forstererhielt im Wege der beschränkten Ausschreibung den Auf-trag für die Innengestaltung der Ausstellung. Die Planungund Errichtung des Gebäudes wurde dem StaatlichenHochbauamt Traunstein anvertraut. Zur Beratung für aus-stellungsdidaktische Fragen stellte das Haus der Bayeri-schen Geschichte Dr. Johannes Erichsen ab. Auf der fünf-ten und letzten Sitzung des Fachbeirats am 17. März 1999in München wurde die Dokumentation zur Produktion frei-gegeben. In nur einem halben Jahr – von April bis Oktober1999 – konnte das Konzept praktisch umgesetzt werden,so daß am 20. Oktober 1999 die „Dokumentation Ober-salzberg – Orts- und Zeitgeschichte“ durch den Bayeri-schen Staatsminister der Finanzen, Prof. Dr. Kurt Faltlhau-ser, eröffnet werden konnte.

Durch Begrenzung der Ziele, aber auch durch gutes Ko-stenmanagement konnte die Ausstellung einschließlichder Errichtung des Gebäudes für ca. 6 Millionen DM rea-lisiert werden, d. h. für deutlich weniger, als für vergleich-bare Einrichtungen veranschlagt wird (KZ-GedenkstätteDachau 12 Millionen DM; Dokumentationszentrum Reichs-parteitagsgelände in Nürnberg 18 Millionen DM; Topo-graphie des Terrors in Berlin allein für das Gebäude z. Zt.72 Millionen DM).

Administrativer Träger der Dokumentation Obersalzbergist die Berchtesgadener Landesstiftung, 1960 gegründet

um „Vermögenswerte der ehemaligen NSDAP im Berch-tesgadener Land“ – also vor allem des Kehlsteinhauses –„einer gemeinnützigen kommunalen Stiftung zuzufüh-ren“9. Wissenschaftlich wird die Dokumentation weiterhinvom Institut für Zeitgeschichte betreut.

Zur Konzeption

Die Geschichte des Obersalzbergs nach 1945 ist durch„Vermarktung und Verdrängung“10 der nationalsozialisti-schen Hinterlassenschaften geprägt. Schon in den fünfzi-ger Jahren, als die Ruinen der zerbombten Gebäude desDritten Reiches noch standen, verdienten sich Einheimi-sche ein leichtes Zubrot mit sogenannten „Ruinenführun-gen“, vor allem für zahlungskräftige ausländische Touri-sten. Seit dies von den Behörden unterbunden wurde,kann man nur noch gegen Eintrittsgeld einen Blick in den„Hitler-Bunker“ werfen, von dem sich heute Teile in Pri-vatbesitz befinden. Vermarktet wird der historische Ortweiterhin mit Souvenirkitsch wie Stocknägeln und Post-karten mit dem Berghof-Motiv, vor allem aber mit zahlrei-chen unkritischen Hochglanzbroschüren und Videos, diedas von der NS-Propaganda gezeichnete Obersalzberg-Bild reproduzieren. Bei manchen Kiosken machen sie an-geblich über die Hälfte des Umsatzes aus.

Hand in Hand mit dieser rein kommerziellen Zweckendienenden, scheinbar authentischen und deshalb poli-tisch-pädagogisch schädlichen Präsentation der Ortsge-schichte ging die Auslöschung alles dessen, was amObersalzberg tatsächlich authentisch war: Der Obersalz-berg wurde durch Schleifung der Ruinen, Beseitigungnoch intakter Gebäude und teilweiser Aufforstung einzweites Mal bis zur Unkenntlichkeit verändert. Den

MUSEUMSPORTRÄT6

Abteilung „Rassenpolitik, Judenverfolgung und Völkermord“

Schlußpunkt setzte der Abriß des Platterhofs im Jahr2000.

Das Ziel dieser Verdrängungspolitik wurde jedoch nichterreicht. Immer wieder findet sich auf dem in den fünfzi-ger Jahren aufgeforsteten Waldstück, wo einst HitlersBerghof stand, eine kleine „Gedenkstätte“: ein „Miniatur-grab“ mit Kreuz, Grableuchte und Blumen. Am Rohbaudes Ausstellungsgebäudes der Dokumentation gab esneonazistische Schmierereien. Aber nur ein verschwin-dend geringer Teil der jährlich rund 300.000 Obersalz-berg-Besucher zählt zu den Unbelehrbaren. Die meistenwerden von der „historischen Aura“ des Ortes angezo-gen, wandeln sozusagen auf Hitlers Spuren; manche gra-ben auch in Laub und Waldboden in der Hoffnung, etwasEchtes von damals zu finden.

Vor diesem Hintergrund bewegte sich die Diskussion derFrage, wie nach dem Abgang der Amerikaner mit demObersalzberg umzugehen sei. Befürchteten die einen,daß jede Art der Erinnerung – ob durch ein Mahnmal odereine historische Dokumentation – Ewiggestrige, Alt- undNeo-Nazis verstärkt anziehen würde, so sahen andere,vor allem Einheimische, dadurch den Namen und das An-sehen Berchtesgadens beschmutzt.

Geschichte kann man aber nicht durch Tabuisierung undBeseitigung ihrer materiellen Zeugnisse entsorgen. My-thenbildung und Geschichtsklitterung kann nur durch se-riöse, wissenschaftlich fundierte Information und eineehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ent-gegengewirkt werden. Dazu muß die Geschichte in allihren Facetten angenommen werden. Bei der Erarbeitungdes Konzepts für die Dokumentation Obersalzberg muß-te daher neben den bisherigen Formen des Umgangs mitdem nationalsozialistischen Erbe auf dem Berg vor allemdie historische Eigenart des Ortes sowie das dort anzu-treffende Publikum berücksichtigt werden.

In der Diskussion über den richtigen Umgang mit den„nachgelassenen Erinnerungsorten“11 des Nationalsozia-lismus wird zwischen sogenannten Täter- und Opferortenunterschieden. Diese Einteilung ist zwar nicht ganz lo-gisch, weil es zwar Täterorte ohne Opfer, aber keine Op-ferorte ohne Täter gibt. Dennoch hilft sie zur Klärung derProblematik. Opferorte sind in erster Linie durch konkre-tes Leiden und Sterben, durch Freiheitsentzug, Folter undErmordung von Menschen gekennzeichnet. Derartige Or-te – überwiegend Standorte ehemaliger Konzentrations-lager – lösen als „wirkliche und symbolische Friedhöfe“12

beim heutigen Besucher Betroffenheit, Scham und Trau-er aus und erfordern fast gebieterisch Pietät. Die an die-sen Orten errichteten Gedenk-Stätten, ihrer „Eigenart und

Funktion nach in der Nachbarschaft von Kirche, Synago-ge [und] Moschee“13 angesiedelt, dokumentieren notwen-digerweise in erster Linie die dort ausgeführten Verbre-chen und Leiden der Opfer und sprechen damit primärMitgefühl und Gewissen an.

Im Gegensatz dazu geht vom reinen Täterort kaum Be-troffenheit aus, sondern – wie das Beispiel Obersalzbergdeutlich vor Augen führt – sogar eine gewisse Faszinati-on, die pädagogisch fruchtbar gemacht werden muß. In-sofern ist der Täterort „als pädagogischer Ort in der Nähevon Schule und Hochschule angesiedelt“14, da er der ko-gnitiven Annäherung weit größere Freiheit gibt als der Op-ferort. An Täterorten wurde niemand gefangengehalten,gefoltert oder gar ermordet, sondern sie waren authenti-sche Plätze des Regimes, Orte verbrecherischer Planun-gen, des Kults, der Propaganda.

Der überwiegende Teil der Urlauber, der seine Ferien aufdem Obersalzberg verbringt und sich – beispielsweise ineiner Ausstellung – über dessen Geschichte informierenmöchte, wird von der scheinbar privaten Atmosphäre derGebirgslandschaft angezogen. Diese Besucher möchtenhier einen voyeuristischen Blick ins Privatleben Hitlersund seiner Paladine werfen und interessieren sich daherzunächst mehr für den Speiseplan des Diktators und sei-ne Beziehung zu Eva Braun als für die Wege der Einsatz-gruppen im Krieg gegen die Sowjetunion. Sie wollen wis-sen, wie das Schlafzimmer Hitlers ausgesehen hat, be-wundern die technische Meisterleistung des Baus derKehlsteinstraße und sind schauerlich-fasziniert von den„historischen Bunkeranlagen am Obersalzberg“.

Dieses gleichsam voyeuristische Interesse des Massen-publikums an der Geschichte galt es daher aufzugreifenund ihm eine seriöse, wissenschaftlich fundierte, abermöglichst gemeinverständliche Dokumentation über dieGeschichte des Ortes und seine Verflechtung mit demNationalsozialismus anzubieten. Eine Beschränkung al-lein auf die Lokalgeschichte des Obersalzbergs hättedurch das Weglassen wesentlicher Aspekte des National-sozialismus unweigerlich zu einer Verfälschung dertatsächlichen historischen Verhältnisse geführt. Auch eineBeschränkung auf Themen, bei denen es einen mehroder weniger zufälligen konkreten Ortsbezug gibt, hättedie Realität des nationalsozialistischen Regimes nichthinreichend erfaßt.

Um der Gefahr entgegenzuwirken, daß die Dokumenta-tion durch die Verbindung der konkreten Orts- mit derallgemeinen Zeitgeschichte in zwei voneinander losge-löste Teile zerfällt, wurden im allgemeingeschichtlichenTeil der Ausstellung wo immer möglich auch der greifbare

MUSEUMSPORTRÄT 7

Ortsbezug mit Beispielen und Materialien hergestelltund so zahlreiche Bezüge und Verschränkungen vorge-nommen; Geschichte wird auf diese Weise konkret er-lebbar. So wird, um dies an einem Beispiel zu verdeut-lichen, die politische Justiz des Volksgerichtshofs amFall von Rudolf Kriß erläutert: Rudolf Kriß, der bekannteVolkskundler, dessen Sammlung religiöser Volkskunstheute im Schloß Straubing ein Zweigmuseum des Baye-rischen Nationalmuseums bildet, war Inhaber des Berch-tesgadener Hofbräuhauses. Nach dem Anschluß Öster-reichs mußte der bekennende Katholik, der dem Natio-nalsozialismus äußerst reserviert gegenüber stand, seineProfessur in Wien aufgeben und in seinen Heimatortzurückkehren. Wegen regimekritischer Äußerungen wur-de er 1943 verhaftet und von Roland Freisler, dem Prä-sidenten des Volksgerichtshofs, zum Tode verurteilt,wenig später jedoch durch glückliche Umstände zulebenslanger Zuchthausstrafe begnadigt. Kurz vorKriegsende befreit, war er schließlich der erste von denAmerikanern eingesetzte NachkriegsbürgermeisterBerchtesgadens.

Charakteristisch für den Nationalsozialismus ist das In-einandergreifen von „Faszination und Gewalt“, um den Ti-tel der Dokumentation auf dem Reichsparteitagsgeländein Nürnberg aufzugreifen, von „Verführung und Zwang“als totalitäre Herrschaftstechnik. Darin liegt auch die Er-klärung für seine Erfolge und Akzeptanz bei weiten Teilender Bevölkerung, für die das Leben nach 1933 zum über-wiegenden Teil – gehörte man nicht zu den Verfemten,Ausgegrenzten und Verfolgten – im Alltag weitgehendnormal weiterging oder sich sogar spürbar verbesserte.Die Massen jubelten Hitler nicht aus Zwang oder wegendes Terrors zu, sondern weil sie seinen Versprechungenerlagen und von dem „schönen Schein“ geblendet waren,von der scheinbaren Ordnung und der Beseitigung derArbeitslosigkeit, vom zeitweiligen sozialen und wirtschaft-lichen Fortschritt, von der Popularisierung bürgerlicherPrivilegien wie Urlaubsreisen und Opernbesuchen, undden außenpolitischen Erfolgen.

In der Korrelation von „Verführung und Zwang“ hatte derObersalzberg als Topos scheinbarer Normalität und Har-monie einen hohen Stellenwert. Die Verschränkung vonNormalität, Terror und Grauen sowie der Gegensatz vonpolitischer Utopie und realer weltgeschichtlicher Kata-strophe wurde daher zur Leitlinie der Ausstellung.

Die Dokumentation Obersalzberg wendet sich nicht anein Fachpublikum, sondern an den historisch interessier-ten Laien. Ergänzend zu dem Freizeitpublikum, dessenWeg mehr oder weniger zufällig während eines Aufenthal-tes im Berchtesgadener Land in die Ausstellung führt, will

sie besonders auch Schulklassen, Bundeswehr-Soldatenund andere mit der politischen Bildung befaßten Laienansprechen. Die besonderen Gegebenheiten des Ortessollen genutzt werden, um mit einer allgemeinverständli-chen Darstellung komplizierter historischer Verhältnissenicht zuletzt der Ausbreitung des alten und neuenRechtsradikalismus entgegenzuwirken. Der Begleitbandwurde entsprechend nicht nur als Katalog zur Ausstellungkonzipiert, sondern will als Text- und Bildband jedem in-teressierten Laien in leicht zugänglicher Form und Spra-che eine sichere Kenntnis über den Nationalsozialismusermöglichen.

Kleiner Rundgang

Der Weg durch die Ausstellung führt von oben nach un-ten, sozusagen vom Himmel in die Hölle. Er beginnt aufeiner Galerie mit einem herrlichen Blick in die umgeben-de Bergwelt; hier wird die Geschichte des Obersalzbergsund seine Bedeutung im Dritten Reich erzählt. Ab demErdgeschoß wird der Nationalsozialismus im Ganzen dar-gestellt. Die Sektionen „Führerkult“ und „Volksgemein-schaft“ veranschaulichen die Verführungskraft des Regi-mes und machen verständlich, warum so viele Menschenin Deutschland dem Diktator und der nationalsozialisti-schen Ideologie erlagen. Von dieser scheinbar heilen Weltführt der Weg den Besucher über die verschiedenen Or-ganisationen des Terror- und Unterdrückungsapparatesin die Sektion „Rassenpolitik, Judenverfolgung und Völ-kermord“. Von dort geht es immer weiter in den Abgrund;auf eine kurze Darstellung des Widerstands, dessen Aus-stellungsort schon im „Untergrund“ liegt, folgt die Außen-politik Hitlers – deren bevorzugtes Aktionszentrum zu-nehmend der Obersalzberg wurde –, die scheinbar dieWeltgeltung Deutschlands wiederherstellte und deshalbvon der Bevölkerung umjubelt wurde. Tatsächlich aberführte diese Politik in die Zerstörung des deutschen Na-tionalstaats, die Verwüstung Europas mit über 55 Millio-nen Toten und zur Teilung der Welt. Der Weg durch dieSektion Weltkrieg endet im Inneren des Bergs, in der Bun-keranlage, die der Obersalzberg-Gesellschaft ein länge-res Überleben ermöglichen sollte. Dieses Bunkerlabyrinth– heute dunkel, naßkalt und unwirtlich – bildet den schärf-sten Kontrast zur heilen Propaganda- und Scheinwelt desNationalsozialismus. Hier, 30 Meter unter der Erde, stößtder Besucher auf zwei klimatisierte Medienräume. Ineinem Hörraum berichten jüdische Frauen, die Auschwitzund Bergen-Belsen überlebt hatten, unmittelbar nach ih-rer Befreiung im April 1945 über ihre Erfahrungen in denKonzentrationslagern, im zweiten Raum zeigt ein FilmSzenen aus dem Zweiten Weltkrieg – wiederum im Kon-text von Propaganda und Realität. Nach dem Verlassen

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des Bunkers informiert die Ausstellung über die Vorgängeauf dem Obersalzberg nach Kriegsende.

Bei der visuellen Umsetzung setzt die Dokumentation aufeine Mischung aus kognitiv und sinnlich wirksamen Dar-stellungsmitteln. Geist, Mentalität und Stimmung einerZeit können nicht allein mit Bildern oder schriftlichen Do-kumenten vermittelt werden, wenngleich diese natur-gemäß das Gros der Exponate stellen. Hinzu kommenKult- und Alltagsobjekte aus der NS-Zeit, die in Bezie-hung zu anderen Quellen gesetzt, den „Geist der Zeit“veranschaulichen, sowie historische Aufnahmen von Re-den Hitlers, Himmlers, Goebbels u. a. Der Rundfunk wardamals noch ein junges Massenmedium, das vom Regi-me massiv und mit großem Erfolg zur Durchsetzung sei-ner Ziele instrumentalisiert wurde. Tondokumente sinddaher in einer Ausstellung über diese Periode ein unver-zichtbares Element. Ein Dokumentarfilm über die Ge-schichte des Obersalzbergs, in dem neben historischemFilmmaterial auch Zeitzeugen-Aussagen gezeigt werden,sowie ein – in Produktion befindlicher – Film über denZweiten Weltkrieg ergänzen Bilder und Gegenstände.Drei Computer zur Vertiefung bestimmter Aspekte derAusstellung runden die multimediale Komponente derDokumentation ab.

Die Dokumentation Obersalzberg ist mit eigenen Seitenim Internet präsent. Unter www.obersalzberg.de erhältman nicht nur alle zur Vorbereitung eines Besuches nöti-gen Informationen, sondern auch Einblicke in die Aus-stellung selbst. Wie die reale Ausstellung erfreuen sichdie Webseiten mit durchnittlich 4.500 Zugriffen pro Tag –insgesamt schon über einer Million – großen Zuspruchsdes Publikums.

Erfahrungen nach einem Jahr

Von der Ausstellungseröffnung Ende Oktober 1999 habenbis Ende 2000 über 120.000 Menschen die Dokumen-tation besucht. Überwiegend handelt es sich natür-lich um deutschsprachige Gäste – darunter viele ausdem nahegelegenen Salzburger Land –, doch verzeich-net das Gästebuch Besucher aus aller Welt: mehrheit-lich Amerikaner, Italiener und Holländer, aber auch Men-schen aus Tschechien, Rußland, Ungarn, Schweden,Finnland, Israel, Südafrika, Japan usw. Ein knappes Vier-tel der Besucher stellen Schüler (allein rund 10%),Studenten, Bundeswehr-Soldaten und andere Teilnehmervon politisch-historischen Bildungseinrichtungen. Viel-fach werden in Berchtesgaden stattfindende Tagungenund Lehrgänge mit einem Besuch der Ausstellung ver-bunden.

Allein im Winterhalbjahr 1999/ 2000 suchten rund 40.000Besucher die Dokumentation auf, eine Zahl, die um sobeeindruckender ist, wenn man bedenkt, daß Berchtes-gaden ein Sommerurlaubsgebiet ist. Dies weist bereitsauf das verschiedenartige Publikum während der Winter-und Sommersaison hin: Kamen im Winter die Besucher inerster Linie gezielt wegen der Dokumentation nachBerchtesgaden und auf den Obersalzberg, so überwiegtim Sommerhalbjahr das ursprünglich erwartete Freizeit-publikum, das die Ausstellung während ihres Erholungs-urlaubes aufsucht.

Den „typischen“ Besucher in der Ausstellung gibt esnicht. Vielmehr ist das Spektrum in Bezug auf Vorkennt-nisse, Interessen, Intentionen und Erwartungen ein Spie-gelbild der Bevölkerung. Die durchschnittliche Ver-weildauer in der Dokumentation beträgt im Sommer 1 bis1,5, im Winter ca. 2 Stunden. Dabei lassen sich zwischenden einzelnen Besuchern jedoch große Unterschiedefeststellen. Während sich viele nicht mehr als eine Stun-de Zeit nehmen, verweilen andere allein eine Stunde inden Hör- und Filmräumen des Bunkers, oder beschäfti-gen sich intensiv mit bestimmten Teilen der Ausstellung.Die Computer ziehen zwar vor allem das jüngere Publi-kum an, werden aber durchaus auch von älteren Ausstel-lungsbesuchern angenommen. Relativ viele Besucherklagen darüber, zu wenig Zeit eingeplant zu haben, nichtdagegen über die Fülle an Informationen.

Die Reaktionen von Besuchern und Presse sind mit weni-gen Ausnahmen positiv bis geradezu überschwenglich,häufig verlassen die Besucher die Ausstellung auch sehrnachdenklich. Typische Eintragungen im Gästebuch lau-ten: „beeindruckend“ (passim); „ich finde das von damalsnicht gut“ (ein Siebenjähriger, 4.12.1999); „Der weite Weg

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Abteilung „Hitlers Außenpolitik“

aus Augsburg hat sich gelohnt! Mit Tränen in den Augenund großer Nachdenklichkeit trete ich den Heimweg an.“(21.11.1999); „... man konnte es eigentlich nicht glauben,und doch ist dies alles anscheinend passiert. Ich hoffe,daß die Menschen jetzt nachdenken, und so etwas nie-mals wieder passiert“ (5.5.2000). Auch das Anliegen poli-tisch-historischer Bildungsarbeit wird von den Besucherngesehen, wenn in den Gästebüchern in Dokumentationund Homepage zum Beispiel gefordert wird, daß „JungeRechtsradikale, die ‚stolz sind, Deutsche zu sein‘, ... vonden Gerichten zum Besuch dieser Ausstellung verurteiltwerden können, damit sie vielleicht darüber nachdenken,sich dieser Nation bei allen Fähigkeiten auch mal zuschämen“ (24.6.2000).

Probleme mit Rechtsradikalen, wie vor Eröffnung be-fürchtet, gibt es bisher nicht. Im Gegenteil: Seit Eröffnungder Dokumentation Obersalzberg hat nach behördlichenErkenntnissen die Attraktivität des Obersalzbergs fürdie rechte Szene, vor allem an den einschlägigen „Ge-denktagen“ wie dem 30. Januar und dem 20. April ein-deutig nachgelassen. Inzwischen wird der Obersalzbergvon diesen Gruppierungen sogar gemieden, was eine ein-druckvolle Bestätigung des Konzepts ist. Demgemäßstellen eindeutig rechtsradikale Bemerkungen im Gäste-buch die Ausnahme dar. Kritische Äußerungen beziehensich vor allem auf gestalterische oder technische Lösun-gen sowie organisatorische Regelungen, kaum jedochauf die Konzeption. Am häufigsten wird – vor allemvon deutschsprachigen – Besuchern bemängelt, daßdie Erläuterungstexte nur in deutscher Sprache angebo-ten werden. Wegen dieses auf die relativ geringe Aus-stellungsfläche zurückzuführenden Mankos wird eng-lisch- und französischsprachigen Besuchern eine Bro-schüre mit den wichtigsten Texten kostenlos zur Ver-fügung gestellt.

Ausblick

Eine wenig erfreuliche Folge der hohen Besucherzahlenist, daß nicht wenige Ausstellungsteile bereits beschädigtsind und daher erneuert werden müssen bzw. schon wur-den. Diese Maßnahmen werden genutzt, um Erkenntnis-sen aus dem laufenden Ausstellungsbetrieb Rechnung zutragen und die Dokumentation zu verbessern.

So soll beispielsweise in der Sequenz Widerstand – inKooperation mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstandin Berlin – ein zusätzlicher PC aufgestellt und damit sozu-sagen eine virtuelle Gedenkstätte Deutscher Widerstandim Rahmen der Dokumentation Obersalzberg eingerichtetwerden.

Einerseits wegen der beengten räumlichen Verhältnisse,die Gruppenführungen in Spitzenzeiten ungemein er-schweren, andererseits als Service für die nicht deutsch-sprachigen Besucher hat die Berchtesgadener Landes-stiftung ein digitales Audio-Führungssystem in Auftraggegeben, das – zunächst – in deutscher, englischer unditalienischer Sprache angeboten wird. Die inhaltliche Aus-gestaltung und Steuerung der Produktion liegt in denHänden des Instituts für Zeitgeschichte.

Darüber hinaus werden auch weiterhin persönliche Führun-gen angeboten werden, bei denen auf die besonderen In-teressen der jeweilige Gruppe individuell eingegangen wer-den kann. Aus Kapazitätsgründen können Führungendurch Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte nur in be-gründeten Ausnahmefällen übernommen werden. In Zu-sammenarbeit zwischen dem Institut für Zeitgeschichteund dem Katholischen Bildungswerk BerchtesgadenerLand e. V., das bereit ist, den Führungsdienst zu überneh-men, sollen in den kommenden Monaten Führungskräfteausgebildet werden. Das Bayerische Staatsministerium fürUnterricht und Kultus hat zugesagt, für diese Aufgabe zweiLehrkräfte für je einen Tag in der Woche abzuordnen. Diesesollen auch an „Pädagogischen Handreichungen“ mitarbei-ten, in die sie ihre Erfahrungen als Lehrer und Ausstel-lungsführer einbringen bringen können.

Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß die Doku-mentation Obersalzberg von Schulklassen, d. h. Schülernab Jahrgangstufe 9, sehr gut angenommen wird. Wieder-holt berichteten Lehrer, wie engagiert und intensiv sich ih-re Schüler im Gegensatz zum normalen Schulunterrichtmit der Materie auseinandergesetzt hätten. Als Grundla-ge für den Unterricht sollen in Zusammenarbeit des Insti-tut für Zeitgeschichte mit dem MuseumspädagogischenZentrum München (MPZ) professionelle Arbeitsunterla-gen geschaffen werden. Geplant ist ein Ringbuch, dasneben allgemeinen Hinweisen und Anregungen für einenBesuch in der Dokumentation Obersalzberg u. a. auchHintergrundinformationen, Folien mit den historischenKarten sowie ausgewählte Dokumente und Fotos derAusstellung enthalten soll. Zusammen mit dem Begleit-band „Die tödliche Utopie“, einer VHS-Kassette mit denFilmen der Ausstellung und einer CD mit den Tondoku-menten (letzteres in Kooperation mit dem DeutschenRundfunkarchiv in Frankfurt a. M.) soll so ein Medienpa-ket entstehen, das nicht nur für Schulen, sondern für alleMittler politischer Bildung wie z. B. Bundeswehr oderVolkshochschulen geeignet ist. Dank des Engagementsdes MPZ ist die Grundfinanzierung dieses Projektes gesi-chert. Das Bayerische Finanzministerium beabsichtigt zu-dem, der Dokumentation Schulungsräume in unmittelba-rer Nachbarschaft zur Verfügung zu stellen.

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Ein erstes, sehr erfolgreiches Jahr liegt hinter der neuenDokumentation Obersalzberg. Dennoch gibt es weiterhinvielfältige Aufgaben für die Zukunft, soll sie – als ersteumfassende Dauerausstellung über die wesentlichenAspekte des Nationalsozialismus – auch weiterhin ihremAuftrag gerecht werden, den Besucher im Gästebuch soformuliert haben: Als „ein schon lange fälliges Museumam richtigen Ort – nicht als Verherrlichung, sondern alsWarnung und Zeichen...“ (18.12.1999), als „eine beein-druckende Vision wider das Vergessen am richtigen Ort“(27.10.1999).

Albert A. Feiber

Anmerkungen

1 Gerhard L. Weinberg: Einleitung, in: Hitler. Reden – Schriften– Anordnungen II A „Außenpolitische Standortbestimmungnach der Reichstagswahl Juni – Juli 1928, hrsg. u. kommen-tiert v. Gerhard L. Weinberg, Christian Hartmann u. Klaus A.Lankheit, München 1995, S. XXIII

2 Hitlers zweites Buch. Ein Dokument aus dem Jahr 1928, ein-geleitet u. kommentiert v. Gerhard L. Weinberg, GeleitwortHans Rothfels (= Quellen und Darstellungen zur Zeitge-schichte 7), Stuttgart 1961. Neuedition in der Reihe Hitler. Re-den – Schriften – Anordnungen (vgl. Anm.1)

3 Heinrich Hoffmann: Hitler, wie ich ihn sah. Aufzeichnungenseines Leibfotografen, München 1974, S. 164

4 Heinrich Hoffmann: Hitler in seinen Bergen. 100 Bilddoku-mente aus der Umgebung des Führers, Berlin 1935

5 Heinrich Hoffmann: Hitler abseits vom Alltag. 100 Bilddoku-mente aus der Umgebung des Führers, Berlin 1937

6 Adolf Hitler. Bilder aus dem Leben des Führers, hrsg. v. Ciga-retten-Bilderdienst, Altona-Bahrenfeld 1936

7 Horst Möller: Obersalzberg – Orts- und Zeitgeschichte. Eineständige Dokumentation des Instituts für Zeitgeschichte inBerchtesgaden, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 48(2000) 1, S. 199 – 206, hier S. 199

8 Vgl. Volker Dahm: Dokumentationsstätte am Obersalzbergbei Berchtesgaden, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 46(1998) 2, S. 327-329; ders., Der Obersalzberg bei Berchtes-gaden, in: Burkhard Asmuss/Hans-Martin Hinz (Hrsg.): Histo-rische Stätten aus der Zeit des Nationalsozialismus. Orte desErinnerns, des Gedenkens und der kulturellen Weiterbil-dung?, Berlin 1999, S. 68-76; ders., Obersalzberg. Orts- undZeitgeschichte. Eine ständige Dokumentation des Institutsfür Zeitgeschichte in Berchtesgaden, in: Horst Möller/UdoWengst (Hrsg.): 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte. Eine Bi-lanz, München 1999, S. 159 – 167

9 20 Jahre Berchtesgadener Landesstiftung 1960-1980, Berch-tesgaden 1980, S. 22

10 Vgl. Wolfgang W. Weiß: Spurensuche am Obersalzberg. NS-Geschichte(n) zwischen Vermarktung und Verdrängung, in:Faszination und Gewalt. Zur politischen Ästhetik des Natio-nalsozialismus, hrsg. v. Bernd Ogan u. Wolfgang W. Weiß,Nürnberg 1992, S. 267 – 282

11 Peter Reichel: Politik mit der Erinnerung. Gedächtnisorte imStreit um die nationalsozialistische Vergangenheit, München1995, S. 31

12 Tomasz Kranz: Das Erbe des Nationalsozialismus und die hi-storisch-politische Bildung in Gedenkstätten, in: TomaszKranz (Hrsg.): Bildungsarbeit und historisches Lernen in derGedenkstätte Majdanek, Lublin 2000, S. 13-38, hier S. 25

13 Volker Dahm: Einführung: Der Obersalzberg als historischerOrt und als Stätte historisch-politischer Bildung, in: Die tödli-che Utopie. Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum DrittenReich, hrsg. v. Horst Möller, Volker Dahm u. Hartmut Mehrin-ger, München 22000, S. 15 – 21, hier S. 18

14 Dahm, Einführung (wie Anm. 13), S. 18

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Bunkeranlage; Steg durch den ehemaligen Generatorenraum

Dokumentation Obersalzberg,Salzbergstraße 41,83471 Berchtesgaden,Tel. 08652/94796-0, Fax -9,E-mail: [email protected],Internet: www.obersalzberg.de

Öffnungszeiten:Mai bis Oktober 9-17,November bis April 10-15 Uhr

MUSEUMSLANDSCHAFT UNTERFRANKENVom „Wildwuchs“ zur geordneten Vielfalt

Gegenwärtiges Bild

Unterfranken mit seinen Hügellandschaften dem Mainlaufentlang, seiner Kultur- und seiner Herrschaftsgeschichtespiegelt sich faszinierend in der Museumslandschaft wi-der: Würzburg als einstige Residenzstadt der WürzburgerFürstbischöfe ist bis heute unangefochtenes Zentrum –auch was seine 14 zum Teil überregional bedeutendenund international bekannten Museen betrifft, allen vorandie Festung Marienberg mit Fürstenbaumuseum undMainfränkischem Museum. Dieses beherbergt unter an-derem die wohl größte Sammlung an Bildwerken TilmannRiemenschneiders, des bedeutendsten Bildschnitzersder Spätgotik.

Das Kurmainzische Aschaffenburg mit seinem imposan-ten Schloß Johannisburg aus dem frühen 17. Jahrhundertund seinen insgesamt 11 Museen – von der Staatsgalerieund dem Schloßmuseum über das erneuerte Stiftsmuse-um der Stadt bis hin zum Gentilhaus und der privat ge-tragenen Rosso-Bianco-Collection von Sport- und Renn-wägen – nimmt die zweite Position ein. Die dritte Säuleeinstmals reichsunmittelbarer Gebiete vertritt die Reichs-und Industriestadt Schweinfurt. Neben die bedeutendenStädtischen Sammlungen in der Alten Reichsvogtei, imGunnar-Wester-Haus oder im Alten Gymnasium tratenjüngst die Bibliothek Schäfer mit Ausstellungen aus ihremreichen Grafikbestand und das eben eröffnete MuseumGeorg Schäfer.

Eine Reihe wichtiger Landschafts-, Stadt- und Spezial-museen schließt sich an und prägt das museale Bild. DasFränkische Freilandmuseum Fladungen repräsentiert mitbäuerlich-ländlichen Bauten und ihrer Ausstattung wich-tige Aspekte des Landlebens, ergänzt vom Volkskunde-museum in Aschach. Ebenfalls in Fladungen vertritt dasRhönmuseum die Geschichte, Kultur und Volkskunst dersüdlichen, also bayerischen Rhön. In ähnlicher Weise bie-tet das Spessartmuseum Lohr am Main Einblicke in Le-ben und Arbeit im Spessart, beides vom Wald und seinenBodenschätzen (Schwerpunktthema Spessartglas) ge-prägt. An weiteren Landschaftsmuseen vertritt Großost-heim den Bachgau und Münnerstadt das HennebergerLand. Neuerdings entsteht im Spessart unter demArbeitstitel „Archäologisches Spessartprojekt“ ein dezen-traler Kulturweg um Frammersbach, Bad Orb und andereOrte, die sich dem Projekt anschließen.

An wichtigen Stadtmuseen sind zu nennen Hammelburgin der Herrenmühle mit der Schwerpunktausrichtung„Brot und Wein“, Karlstadt mit seinen Funden zur früh-fränkischen Karlburg, Miltenberg und sein erneuertes Mu-seum in der Amtskellerei, gelegen im romantischen Win-

kel des „Schnatterloches“, und schließlich Kitzingen, dassich gegenwärtig aufmacht, ein neues Museumskonzeptzu entwickeln.

Spezialmuseen etwa zur Deutschen Fastnacht (Kitzin-gen), zum Fränkischen Bauern- und Handwerkerstand(Mönchsondheim), zum Unterfränkischen Verkehrswesen(Gemünden), zur Sakralkunst und Volksfrömmigkeit derDiözese Würzburg (Kartause Astheim, KartäusermuseumTückelhausen, Domkrypta Würzburg) oder zum unterfrän-kischen Landjudentum (Veitshöchheim) verleihen der Mu-seumslandschaft eine spezifische Buntheit. Diese Bunt-heit kann mühelos um zahlreiche Farbtupfer etwa zu Rö-mern (Obernburg a. M.), Trachten (Ochsenfurt), Nähma-schinen (Gerolzhofen), Gipsabgüssen antiker Kunstwerke(Ipfhofen), zu Teddybären (Klingenberg, Sammlung Kö-nig), ebenso wie Teekannen (Amorbach, Sammlung Ber-ger), Bahnbetriebsutensilien (Hofheim) oder ErzgebirgerSpielzeug (Obereisenheim) ergänzt werden.

Eine eigene Museumsstruktur seit 1984

Im Gefolge des landesweiten „Museumsbooms“ der spä-ten 1970er und beginnenden 1980er Jahre glaubte diedamalige Abteilung Nichtstaatliche Museen beim Bayeri-schen Nationalmuseum (heute: Landesstelle für die nicht-staatlichen Museen) gerade auch in Unterfranken einenregelrechten „Wildwuchs“ an unreflektierten Museums-gründungen erkennen zu können. Auch Museumsleiterund betreuende regionale Einrichtungen beklagten einZuviel an Museen, was den Anstoß zu einer Arbeitsta-

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Schloß Aschach, Sitz von Graf-Luxburg-, Volkskunde und Schul-museum; im Vordergrund die als Depot vorgesehene ehemaligeMühle

gung in Zusammenarbeit mit der Bezirksheimatpflege inLohr a. M. im Juli 1984 gab. Dies sollte der Geburtstagdes Unterfränkischen Museumstages werden, der bisheute ununterbrochen jährlich an wechselnden Orten zuverschiedensten Schwerpunktthemen durchgeführt wird.Veranstalter war und ist jeweils die Regierung von Unter-franken in Zusammenarbeit mit der Landesstelle für dienichtstaatlichen Museen.

In Lohr a. M. versuchten Mitarbeiter der Münchner Mu-seumsberatungsstelle erstmals, die Museumssituation inUnterfranken zu beschreiben und Ansatzpunkte für Mu-seumsgründungen zu formulieren. Anlaß ihrer Sorge warnicht so sehr die Zahl von 65 Museen in Unterfranken zudieser Zeit an sich, sondern die Beschleunigung, der „un-kontrollierte“ Zuwachs bei Museumsgründungen. 1

Hatte die erste große Beschreibung der bayerischen Mu-seen im sogenannten „Minerva-Handbuch“ von 1939 erst21 Nennungen in 16 Orten enthalten und das erste„Handbuch“ der bayerischen Museen von 1968 24 unter-fränkische Museen vorgestellt, so führt die Auflage von1981 bereits 50 Museen im Regierungsbezirk auf.2 Dasbedeutet, daß sich die Zahl in einem runden DutzendJahren verdoppelt hat. Selbst wenn diese Entwicklungdem gesamtbayerischen Trend zu dieser Zeit entspricht,forderte die Tatsache von nicht weniger als 18 unterfrän-kischen Neuplanungen zur selben Zeit Aufklärung undhandelnde Schritte heraus. Steuernde und ordnende Ein-griffe erfolgten in den Folgejahren aus dem Bezirk selbstheraus. Schon in Lohr a. Main hatten Museumsleiter Wer-ner Loibl und Bezirksheimatpfleger Reinhard Worschechvorgeschlagen, aus den vier Regionen Unterfrankenshauptamtliche Museumsleiter zu benennen, die für dieHeimat- und Privatmuseen als erste Anlaufstellen zur Ver-fügung stehen sollten. Beim zweiten Museumstag in Fla-dungen stellte Regierungspräsident Franz Vogt bereits ei-ne erste Museumskarte des Bezirks vor, welche mit Neu-planungen zirka 100 Museen und Sammlungen umfaßte.Zugleich verwies er auf ein „unterfränkisches Land-schaftskonzept“, das entsprechend dem staatlichen Mu-seumsentwicklungsprogramm (1979) Schwerpunktmu-seen im ganzen Lande benennen und im Falle Unterfran-kens von einer Museumskonzeption des LandkreisesLohr a. Main ausgehen sollte. Daneben sollte der Vor-schlag vom Vorjahr, hauptamtliche Museumsleiter für Ko-ordinierungsaufgaben zu gewinnen, aktiviert werden.

All diese Bestrebungen führten dazu, daß 1989 der Kul-turausschuß des Bezirks wiederum in Lohr a. Main tagtemit dem Ziel, nunmehr einerseits eine Museumskonzepti-on für ganz Unterfranken erarbeiten zu lassen, anderer-seits eine Fachkommission für Vorschläge zur Vergabe

von Museumsfördermitteln des Bezirks einzurichten. Die-ser Kommission sollten neben dem jeweiligen Bezirks-heimatpfleger ein Vertreter der Regierung von Unterfran-ken, ein Vertreter der Landesstelle in München und zweiMuseumsleiter (hauptamtlich, ehrenamtlich) angehören.Sinn des Vorhabens sei es – so Bezirksheimatpfleger Dr.Worschech im November 1989 an die Landesstelle – den„Wildwuchs“ in der unterfränkischen Museumslandschafteinzudämmen, sowohl in Bezug auf Neugründungen, alsauch auf die Vergabe von Fördermitteln für laufendeMuseumseinrichtungen.

Das Konzept sollte im wesentlichen vier Punkte enthalten:

– Richtlinien zur künftigen Vergabe von Fördermitteln desBezirks;

– Informationen für neu gegründete oder zu gründendeMuseen hinsichtlich Beratungsstellen, Bezuschussungs-möglichkeiten, Finanzhilfen und „Museumspraxis“;

– Übersicht über die bestehenden nichtstaatlichen Mu-seen in Unterfranken, gegliedert nach den drei Pla-nungsregionen;

– Übersicht über die im unterfränkischen Einzugsgebietliegenden Museen in den angrenzenden Regierungsbe-zirken und Bundesländern.

An Ergebnissen dieser für ganz Bayern beispielhaftenMuseumspolitik des Bezirks kann festgehalten werden:

– Die Förderrichtlinien traten am 1.1.1991 in Kraft.– Mit dem Jahr 1991 stellte der Bezirk Haushaltsmittel

zur Förderung unterfränkischer Museen in Höhe vonDM 150.000,- bereit. Sie wurden später auf DM180.000,- erhöht.

– Zugleich nahm die Fachkommission ihre Arbeit auf. Injeweils einer Frühjahrs- und einer Herbstsitzung berätsie über die eingegangenen Förderanträge und schlägtdem Kulturausschuß des Bezirkes Fördermaßnahmenund -höhen vor.

– Im Mai 1992 erschien erstmals die Broschüre „Museenund Sammlungen in Unterfranken und Südthüringen“.Sie führt 81 unterfränkische und 22 südthüringischeMuseen auf. Enthalten sind Anschrift, Öffnungszeitenund eine Kurzbeschreibung der ausgestellten Objekte.Eine Klappkarte erleichtert die geographische Auffind-barkeit.3

Wichtige abgeschlossene Maßnahmen der letzten 10 Jahre

Nachfolgend sollen die wichtigsten Fertigstellungen vonUmbau- und Neueinrichtungsprojekten seit den Struk-turmaßnahmen um 1990 stichwortartig genannt werden,

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soweit die Landesstelle davon Kenntnis erhielt bzw. be-teiligt war. Quelle sind insofern die veröffentlichten Jah-resberichte sowie das Museumsorgan „Museum heute“der Landesstelle.

1990:Aschach, Unterfränkisches Volkskundemuseum: Errich-tung eines eigenen Gebäudes für die Dauerausstellung„Mechanisierung der Landwirtschaft“ (EG) und Wechsel-ausstellungen (DG)Fladungen, Fränkisches Freilandmuseum: Teileröffnungmit neun Architekturobjekten in sieben Einheiten aus denGebieten des Spessarts, der Rhön und des Grabfeldes

1991:Amorbach, Templerhaus: Abschluß der Musealisierungdes zweistöckigen Fachwerkbaues mit Teilen der Bau-substanz aus dem Jahr 1291Hammelburg, Herrenmühle: Stadt- und Spezialmuseummit Schwerpunkten „Brot und Wein“, bezugnehmend auffrühere Gebäudefunktion und den hier seit 777 bezeugtenWeinbau (vgl. museum heute 3, S. 23-27)Ochsenfurt, Trachtenmuseum: Schwerpunkt Ochsenfur-ter Gautracht in Alltag, Arbeit, Fest und TrauerTückelhausen, Fränkisches Kartausenmuseum: Vorstel-lung zweier rekonstruierter Mönchszellen im Klostertraktder ehemaligen KartauseUrspringen, Synagoge: Gebäudeübergabe im Frühjahrund Geniza-Ausstellung im NovemberWörth am Main, Schiffahrts- und Schiffbaumuseum: ein-gerichtet in der ehemaligen St. Wolfgangskirche (vgl.museum heute 3, S. 16-22; Museumsführer in der Reihe„Bayerische Museen“, Band 19, 1994)

1992: –

1993:Mellrichstadt, Kreisgalerie: Kunstgalerie mit Bildern undPlastiken heimischer Künstler

1994:Aschaffenburg, Stiftsmuseum: Erweiterung und Neuein-richtung mit Schwerpunkten Archäologie und Sakralkunst(vgl. museum heute 9, S. 3-12; Museumsführer in der Rei-he „Bayerische Museen“, Band 18, 1994)Fladungen, Fränkisches Freilandmuseum: Museumsgast-hof „Schwarzer Adler“ mit zusätzlichen Funktionen alsVeranstaltungs- und Kassenraum, Depot und Büroräu-menVeitshöchheim, Jüdisches Kulturmuseum und Synagoge:Innenausstattung der Synagoge rekonstruiert, ehemali-ges Dienerhaus mit Genisa-Fund, Neubau als Archiv- undSeminargebäude (vgl. museum heute 8, S. 3-8)Mönchberg, Museum im Alten Rathaus: Einzelaspekte zurRegionalgeschichte in sieben Räumen, zusammen mitbenachbarter Zehentscheune örtliches Kulturzentrum(vgl. museum heute 8, S. 9-13)

1995:Bürgstadt, Heimatmuseum: Abteilung Weinbau undSandsteinbearbeitungFladungen, Fränkisches Freilandmuseum: Einweihung dertransferierten Kirche von Leutershausen

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Schiffahrts- und Schiffbaumuseum Wörth a. Main: Präsentatio-nen in der ehemaligen St.-Wolfgangs-Kirche

Jüdisches Kulturmuseum und Synagoge Veitshöchheim: Blick inden Synagogenraum

Stockstadt, Heimatmuseum: eingerichtet im EG des ehe-maligen RathausesWürzburg-Zellerau, Siebold-Museum: dem Japanfor-scher, Sammler und Arzt Franz von Siebold (1796-1866)gewidmet

1996:Miltenberg, Museum der Stadt: Amtskellerei von 1541 sa-niert, Abteilungen Römerzeit und MittelalterOberelsbach, Deutsches Tabakpfeifenmuseum: Samm-lung Manger im Valentin-Rathgeber-Haus, Gedächtnis-raum für den Komponisten RathgeberObernburg am Main, Römermuseum: Funde aus demehemaligen Kastell

1997:Höchberg, Museum in der Präparandenschule: in zweikleinen Räumen Aspekte zu den Höchberger Juden undihrer PräparandenschuleHomburg, Museum Papiermühle: neben den Produkti-onsstätten des 18.-20. Jhs. Wohnräume der Papierma-cherfamilie aus der Zeit der Betriebsstillegung 1975 (vgl.museum heute 15, S. 9-14; Museumsführer „BayerischeMuseen“ Band 26, 1999)Kirchzell-Preunschen, Waldmuseum Watterbacher Haus:nach zweimaliger Transferierung des Baues aus der Mittedes 15. Jahrhunderts Aspekte der Waldwirtschaft (vgl.museum heute 14, S. 13-19)Tückelhausen, Kartäusermuseum: Ausbau um Kreuz-gangstrakt und Bibliothekssaal, Verbindung von alter undneuer Kunst

1998:Bad Kissingen, „Bismarck-Wohnung“ in der Oberen Sali-ne: Restaurierung der Wohnräume des regelmäßig dortzur Kur weilenden Reichskanzlers, mit Dokumentation

1999:Astheim bei Volkach, Kartause Astheim: christliche Bild-kultur in Liturgie und Frömmigkeit vom 14.-19. Jh.

2000:Gerolzhofen, Museum Altes Rathaus: Schwerpunktthema„Welterfolg Nähmaschine“Karlstadt, Europäisches Klempner- und Kupferschmiede-museum: Eröffnung eines eigenen Museumsbaues für dieSpezialsammlung, hervorgegangen aus einem örtlichenHandwerksbetriebLohr am Main, Spessartmuseum: SchwerpunktabteilungSpessartglasSchweinfurt, Museum Georg Schäfer: Eröffnung der be-deutenden Sammlung Schäfer, v. a. von Gemälden des19. Jhs.

Würzburg, Domschatzmuseum: Kunstwerke aus der litur-gischen Ausstattung (seit 1990 Domkrypta zugänglich mitBaugeschichte zum Kiliansdom).

Resümierend kann gesagt werden, daß die „Museen der90er Jahre“ in ihrer Vielgestaltigkeit das Bild der unter-fränkischen Museumslandschaft in ihren Konturen we-sentlich schärfer wiedergeben als dies vorher der Fall war.Auffällig wenige „typische“ Heimatmuseen wurden in die-sem Zeitraum gegründet oder erneuert. Schwerpunktbil-dung und Spezialisierung hatten Vorrang und zeichnetendie unterfränkische Kulturgeschichte mit musealen Mit-teln nach.

Gegenwärtige Projekte

Derzeit befinden sich folgende Projekte in der konkretenPlanungs- oder Realisierungsphase:

Alzenau, Michelbacher Schlößchen: grundlegende Ge-bäudesanierung und Neuaufstellung der Sammlung unterstraffen thematischen GesichtspunktenAschaffenburg, Archäologisches Spessartprojekt: Kultur-weg durch den Spessart unter Federführung der Aschaf-

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Museum Brot und Wein, Hammelburg: Inszenierung zur häus-lichen Arbeit im Müllerhaus

fenburger Museumsarchäologen, unter Einbezug mehre-rer sich beteiligender OrteAub, Fränkisches Spitalmuseum: Planung einer Ge-schichte des Spitalwesens am Beispiel des Auber Spitalsmit seinem geschlossenen Ensemble und seiner 600jähri-gen GeschichteBad Kissingen, Bädermuseum in der Oberen Saline: unterdem Leitthema „Innenansichten eines Weltbades“ weite-rer Ausbau mit den Abteilungen „Salz und Salzgewin-nung“, „Heilquellen und Kurmedizin“ sowie „Kur, Kulturund Architektur eines Weltbades“Großostheim, Bachgau-Museum: Ausbau und Einrich-tung der Abteilungen zu Land- und Weinwirtschaft mitKüferei, Weinkeller und Bierbrauerei, zu bürgerlicher Kul-tur im HaupthausKarlstein, Heimatmuseum: Einrichtung der Abteilung„Kinderwelten“ im DG; mit Ausbau des KG Fertigstellungder MuseumsneukonzeptionKitzingen, Deutsches Fastnachtmuseum: Erweiterungund Sammlungsentzerrung unter Einbezug von Archiv-und Bibliotheksräumen in einem sanierten ehemaligenBürgerhaus in Nähe des FalterturmesKitzingen, Städtisches Museum: Umfängliches Museums-konzept zur Sanierung und Neuaufstellung zusammenmit dem städtischen Archiv im bisherigen GebäudeLohr a. Main, Spessartmuseum: Fertigstellung der Neu-konzeptionMarktbreit, Museum Malerwinkelhaus: Dauereinrichtungzur Sozialgeschichte der FrauMarktheidenfeld, Galerie im Franck-Haus: nach der Sa-nierung des Rokoko-Patrizierhauses von 1745 Teilnut-zung als Galerie mit einem Raum zum Maler HermannGradl (1883-1964) und geplanter Einrichtung eines Hei-matmuseums

Miltenberg, Museum der Stadt: konzeptionell vorgesehe-ne Erweiterung um das bergseitig anschließende Doppel-haus der alten Lateinschule von 1593Münnerstadt, Henneberg-Museum: Sanierung der Deutsch-ordenskommende und Neuaufstellung der Sammlungnach thematischen EinheitenVolkach, Barockscheune: Einrichtung zu stadtgeschichtli-chen Themen, zum Weinbau und zur Kulturgeschichteder Volkacher MainschleifeWerneck, Museumsneugründung: Planung eines Mu-seums mit Schwerpunkten zur Paläontologie und GrafikRudolf Rothers im Schatten der barocken Schloßanlagevon Balthasar NeumannWürzburg, Kulturspeicher mit Städtischer Galerie: Sanie-rungsgroßmaßnahme und Einrichtung der um eineSammlung Konkreter Kunst erweiterten Städtischen Ga-lerie, Eröffnung voraussichtlich Ende 2001

Ausblick

Mit der für 2001 erwarteten Eröffnung des Würzburger„Kulturspeichers“ können die drei führenden Städte Un-terfrankens Würzburg, Aschaffenburg und Schweinfurt jeein neues, auf seine Weise innovatives Museum mit je-weils unterschiedlicher Ausstrahlungskraft vorweisen.Aus Würzburg hört man indessen ob der Verausgabungbeim Kulturspeicher und der wirtschaftlich schwierigenLage der Stadt Stimmen, nach denen das MainfränkischeMuseum schließen, vorher aber seine Kollektion an Rie-menschneider-Skulpturen dem Kulturspeicher übertragensollte. Solchen Unkenrufen steht eine nicht nur bezirks-,sondern auch landesweit zu erkennende Tendenz zu Pro-fessionalisierung, besuchergerechter Öffnung und Einbin-dung in breite kulturelle Angebote gegenüber. Die „Nachtder Museen“ z. B. vermag nicht nur in München und Ber-lin Ströme von Menschen zu aktivieren, sondern etwaauch in Schweinfurt, wo solche Aktionen in ein groß an-gelegtes, beispielhaftes Vermittlungsprogramm eingebet-tet sind. Viele kleinere Museen folgen mit ihren Möglich-keiten solchen Beispielen nach und bieten museums-pädagogische Veranstaltungen und Materialien an.

Auch auf dem Gebiet gemeinsamer Werbung gibt es er-ste Erfolge. So zeitigt die mehrjährige Beschäftigung ei-ner Fachbetreuung im Landkreis Haßberge Früchte inso-fern, als seit etwa fünf Jahren eine kleine Broschüre zuden Museen und Sammlungen im Landkreis vorliegt, dender Landkreis in Zusammenarbeit mit den Tourist-Infor-mationen Haßberge und Steigerwald herausgibt. Sie be-schreibt alle acht öffentlich zugänglichen Museen undSammlungen ansprechend in Text und Bild und enthältdie nötigen Informationen. Eine ähnliche, im Umfang stär-

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Fränkisches Freilandmuseum Fladungen: Einweihung der trans-ferierten Kirche 1995

kere Broschüre liegt für die Museen im Landkreis Milten-berg seit 1998 vor. Über die 18 Museen im Landkreis hin-aus werden 11 Museen außerhalb des Landkreises vor-gestellt, wenn letztere auch nur mit Bezeichnung, Fotound Lageplan.4

Über alle Erfolge und Anerkennungen hinaus – man den-ke auch an den Architekturpreis für den Ausbau der Wör-ther „Museumskirche“5 oder den Bayerischen Museums-preis des Jahres 1999 an das Museum der Stadt Milten-berg6 – bleiben einige Wünsche und Desiderate offen.

Anknüpfend an die zuletzt genannten Landkreisbro-schüren taucht der Wunsch nach einer Überarbeitung derBezirksbroschüre von 1992 auf: Abgesehen von der ver-alteten Adresse des Herausgebers dürften Anschriftenund Telefonnummern zu korrigieren und um Fax- und E-mail-Angaben zu ergänzen sein. Wichtiger aber wärenoch eine aktualisierende Fortschreibung um zahlreicheneu zugängliche Museen und Sammlungen, unter ihnenso bedeutende wie das Schiffahrtsmuseum in Wörth a.Main und das Museum der Stadt Miltenberg, oder auchdas Watterbacher Haus in Kirchzell-Preunschen, ganzabgesehen vom neuen Museum Georg Schäfer inSchweinfurt und dem extravaganten Bau des Europäi-schen Klempner-Museums in Karlstadt.

Ein Gesamtblick auf die unterfränkische Museumsland-schaft deckt zumindest zwei Desiderate auf, ein kleineresund ein größeres. Das kleinere betrifft den Bereich über-regionales Industriemuseum, den immerhin die Papier-mühle Homburg in Teilaspekten abdeckt und eine Pla-nung für Schweinfurt – nach einem vielversprechendenAnfangsstadium aus finanziellen Gründen auf Eis gelegt –

ausfüllen könnte. Das größere Desiderat ist ein gesamt-fränkisches Weinberg- und Weinbaumuseum, das es er-staunlicherweise so nicht gibt. Gewiß versuchen zahlrei-che Einzelbestände und Abteilungen zwischen Hammel-burg und Iphofen, zwischen Untermain mit Klingenbergund Alzenau bis zu den Haßbergen Beiträge zur fränki-schen Weinkultur zu bieten. Aber eine fundamentale Zu-sammenschau fehlt.

Insgesamt zeichnet sich Unterfranken durch eine viel-gestaltige, seiner Geschichte und Kultur entsprechendeMuseumslandschaft aus. Dank einer erfolgreichen Mu-seumskonzeption auf Bezirksebene sind unreflektierteGründungsvorhaben einer Konsolidierung in der Gesamt-heit gewichen. Um die Zukunft der unterfränkischenMuseen braucht einem nicht bange sein.

Albrecht A. Gribl

Anmerkungen

1 Albrecht A. Gribl: Eine Museumslandschaft verändert sich. ZurSituation der nichtstaatlichen Museen in Unterfranken, in: In-formation, hg. v. BNM, Abt. Nichtstaatliche Museen Nr. 4 (März1985), S. 3-9; Hannelore Kunz: Brauchen wir neue Museen?Voraussetzungen für Museumsneugründungen und ersteSchritte der Museumsarbeit, in: ebd., S. 10-14

2 Die deutschen Museen mit besonderer Berücksichtigung derHeimatmuseen, Bd. 1: Die Museen in Bayern, bearbeitet vonJoseph M. Ritz, Berlin 1939; Torsten Gebhard (Hg.): Handbuchder Bayerischen Museen und Sammlungen, München 1968;Museen und Sammlungen in Bayern. Ein Führer zu den kunst-und kulturhistorischen Museen, Schlössern und Gärten, zutechnischen und naturkundlichen Museen, Hg. BNM, Mün-chen 1981

3 Museen und Sammlungen – Unterfranken, Südthüringen, Hg.Bezirk Unterfranken (Bearbeiter: Peter Kolb, ReinhardWorschech, Klaus Reder), Würzburg 1992

4 Museen und Sammlungen im Landkreis Haßberge, Ebern (o.Jahr, ca. 1995); Museen im Landkreis Miltenberg, Hg. Frem-denverkehrs- und Kulturreferat des Landratsamtes Miltenberg,Miltenberg 1998

5 Preis des Bundes Deutscher Architekten (BDA) 1991; Würdi-gung des Projektes in: BDA Preis Bayern 1991, S. 22-25.

6 Vgl. dazu Kurzbericht „Bayerischer Museumspreis 1999 anMuseum der Stadt Miltenberg“, in: museum heute 18, S. 64

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Deutsches Tabakpfeifenmuseum Oberelsbach: Blick in einenDepotschrank

DIE MUSEEN DER DIÖZESE WÜRZBURGKonzeption und Verwirklichung

Zur Geschichte

Der Beschluß der Würzburger Diözesansynode 1931,„Die Errichtung eines Diözesanmuseums... ist in die We-ge zu leiten“, konnte aufgrund der nachfolgenden politi-schen Entwicklungen sowie des Zweiten Weltkriegesnicht in die Tat umgesetzt werden. Die Nachkriegszeitstellte das Bistum vor Aufgaben des Wiederaufbaus, derSchaffung von Wohnraum für Ausgebombte und Vertrie-bene einschließlich deren Integration.

Der damalige Bischof Julius Döpfner widmete sich dieserAufgabenstellung mit ganzer Kraft. Zusammen mit P. Ur-ban Rapp OSB und Diözesan- und Dombaumeister HansSchädel war ihm ein Anliegen, über die architektonischenLeistungen hinaus auch die künstlerischen zu fördern undin beiden die Zeitgenossenschaft der Kirche zu bezeu-gen. So kann die Diözese dankbar auf viele künstlerischeWerke jener Nachkriegszeit blicken, die qualitativ heutenoch bestehen können. Die Arbeiten von Meistermann,Schreiter, Schaffrath und Pawlensky – um nur wenige zunennen – sind im Diözesangebiet vielerorts anzutreffen.

Bezüglich eines Diözesanmuseums legte Bischof Döpf-ner auch mit Rücksicht auf das neugegründete Mainfrän-kische Museum zu Würzburg Zurückhaltung an den Tag.Sein Anliegen bezog sich mehr auf die moderne Kunst alsZeugnis des von ihm verfolgten Aufbruchs der Kirche ineine Zeit von ihm befürchteter Entkirchlichung. Die Nega-tiverfahrung seinerseits mit jüngster Vergangenheit undihren geistigen Wurzeln – einschließlich ihres künstleri-schen Ausdrucks im Historismus und Nazarenerstil – ließein wohl gebrochenes Verhältnis zur alten Kunst entste-hen, das sich in der Vernichtung der Zeugnisse des Hi-storismus im Sakralbereich wie auch in der Diskussionum den Wiederaufbau des Domes äußerte. Auch von da-her konnte er sich die Schaffung eines Diözesanmu-seums, vor allem in tradierter Konzeption, wohl nicht alsAnliegen zu eigen machen.

Auch die nach Döpfner folgende Zeit griff, von einzelnenAnstößen in der Regionalpresse abgesehen, den Be-schluß der Diözesansynode von 1931 nicht auf, wenn-gleich durch die Sammlungen der beiden Pfarrer Hof-mann und Scheuring der Sammelbestand der Diözesewesentlich anwuchs. Als Student verwaltete ich dieSammlung Hofmann im Priesterseminar und wußte umderen Umfang und Bedeutsamkeit gerade im Bereich derVolksfrömmigkeit.

Mit meinem Dienstantritt im Oktober 1989 als Bau- undKunstreferent verfolgte ich dank der genannten Kenntnisbeider Sammlungen und mit dem pastoralen Anliegen,über die Sprache der Kunst die Menschen für die Ver-kündigungsinhalte der Kirche zu erreichen, das Anliegen,auch in der Diözese Würzburg ein Diözesanmuseum zuinstallieren. Wurde auch zunächst aufgrund der Unkennt-nis des bis dahin bestehenden Umfangs der Kunstsamm-lungen des Bistums diese Absicht mit Skepsis beantwor-tet und wurden seitens des Mainfränkischen Museumsauch Ängste wach, die Diözese würde ihre Leihgaben zu-gunsten eines neuen Museums abziehen, so konnten die-se Vorbehalte doch ausgeräumt werden: zum einen durchden Verweis auf den Sammlungsbestand sowie auf das

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Monstranz, Augsburg um 1710, Stiftung von Fürstbischof Jo-hann Philipp v. Greiffenclau an den Pfarraltar des WürzburgerDomes

angedachte Konzept und zum anderen durch die Zusage,mit Ausnahme des romanischen Türlöwen des Domes al-le Leihgaben im Mainfränkischen Museum zu belassen.Die vor meinem Dienstantritt gewährte Ausleihe an dasstaatliche Fürstenbaumuseum wurde auf zehn Jahre be-grenzt, so daß dann die vornehmlich aus dem Dom stam-menden Stücke in eine zu schaffende Domschatzpräsen-tation einfließen konnten.

Um im Blick auf das nunmehr geduldete Bestreben, einDiözesanmuseum einzurichten, die Sammlungsbestände

zu erweitern, wurden auch Ankäufe genehmigt und Leih-gaben aus den Pfarreien gegeben, soweit sie dort dieb-stahlgefährdet waren. Das Bistum finanzierte dann derenKopien für die Entleihergemeinden. Der Aufbau derSammlungen, auch durch Zustiftungen ermöglicht, ge-schah in der Absicht, über die Werke alter Kunst hinausdas Spektrum um zeitgenössische Kunst zu erweitern.Diese öffentlich gemachte Zielvorstellung trug ebenfallszu Stiftungen moderner Kunst bei. Die Systematik desSammlungsausbaus war bestimmt von der Konzeptiondes Diözesanmuseums und somit vom Willen, die Samm-lungen der Diözese öffentlich zu präsentieren als eigen-ständiger Beitrag zur geschichtlichen und gegenwärtigenAuseinandersetzung um die Inhalte christlichen Glaubensin ihrem künstlerischen Niederschlag. Von vornherein warkeine Trennung zwischen alter und neuer Kunst ange-strebt. Der durch alle Zeiten der Kunst innewohnende An-stoß war in den Blick genommen.

Zur Konzeption

Die Konzeption des Diözesanmuseums war zum einenvon dem Gedanken bestimmt, eine Brücke über alle Epo-chen der Kunstgeschichte bis in die Gegenwart zu schla-gen, und wollte zum anderen sich nicht auf eine Konzen-tration der Museumstätigkeit auf die Bischofsstadt Würz-burg allein beschränken. Gerade für ein Diözesanmuse-um ist als möglicher Standort die Diözese insgesamt inErwägung zu ziehen. Dieser Ansatz verfolgte das Ziel, ineiner breiten Streuung des Museums, also in Filiationen,den Sammlungsschwerpunkten und deren PräsentationRechnung zu tragen.

Die Präsentation in einem kirchlichen Museum ist nichtmit der in einem kunsthistorischen oder kulturgeschichtli-chen vergleichbar. Ein diözesanes Museum stellt sich inden Dienst der Verkündigung, richtet sich an den Men-schen mit seinen Fragen an Welt, Zeit und Glaube. Non-verbal will es durch die Sprache der Kunst, die denKunstwerken durch das ihnen innewohnende Ringen desKünstlers um die Thematik des Werkes zu eigen ist, die-se Anfragen aufgreifen und zur Auseinandersetzung mitihnen führen. Nicht historische oder kunstgeschichtlicheDokumentation ist Auftrag eines kirchlichen Museums,sondern Bezugnahme auf die momentane Standortsuchedes einzelnen Menschen in seiner gegenwärtigen Welt-,Lebens- und Glaubenssicht. Dadurch stehen für die Prä-sentation die Intention und Inhalte der Kunstwerke imVordergrund. Die tradierte Kunst wird somit vergegenwär-tigte Vergangenheit als Anstoß für die Bewältigung vonGegenwart und Zukunft. Die dem Kunstwerk eigene Frei-heit jenseits aller dogmatisierenden Illustration und deren

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Logo des Kunstreferats (Entwurf: J. Lenssen 1990) mit Assozia-tionen Bischofsstab, Kreuz, Auge, Ohr

Akzeptanz bewahrt das kirchliche Museum vor einer In-dienstnahme und ideologischen Vereinnahmung derKunst. Gerade die Erfahrung von nicht vollzogenen Gren-zziehungen gewohnter Weise, sei es kunstgeschichtlich,sei es thematisch als künstlerische Bestätigung eines er-hobenen Anspruchs, läßt ein Diözesanmuseum als Frei-raum erfahren, in dem sich Kunstbetrachtung und eigeneReflexion des jeweiligen geistigen sowie geistlichen Stan-dorts der Besucher vollziehen. Von daher schließt sichauch der Ansatz einer Präsentation von Schätzen aus, diedas öffentliche Interesse anziehen und den Besucher-strom anwachsen lassen.

Auf diesem Fundament steht die Bemühung um dasWürzburger Diözesanmuseum. Es verfolgt insgesamt ei-nen Gegenwartsbezug sowohl in der Präsentation alsauch in der Besucherresonanz. Es will bei den Museums-besuchern vermitteln, daß es einen Sitz im Leben hat undihre Fragen aufgreift. Das stellt hohe Anforderungen andie Präsentation und die Didaktik, vor allem angesichtsdessen, daß die Mehrzahl der Besucher zumindest kirch-lich, wenn nicht gar religiös entfremdet ist. Genau dieserKlientel ist aber ein Diözesanmuseum zugedacht, hier hates seinen unaufdringlichen, vermittelnden Auftrag.

Zur Realisation des Diözesanmuseums

Den unterschiedlichen Sammlungsbestand – Volkskunst,alte Kunst meisterlicher Qualität und Gegenwartskunst –in einem Haus zu präsentieren versagte sich zum einendurch den Willen, das Diözesanmuseum nicht allein aufWürzburg zu beschränken, zum anderen im Blick auf dieBesucher, auf einem Rundgang durch die Sammlungsbe-stände sich auf die unterschiedlichen, notwendigerweisewechselnden Ansätze der Betrachtung einlassen zu müs-sen. Die gewünschte Dezentralisierung trägt über das Be-streben, flächendeckend präsent zu sein, auch dazu bei,die einzelnen Sammlungsschwerpunkte für sich unter Be-tonung ihrer eigenen Wertigkeit und Selbständigkeit her-auszustellen und bewußt werden zu lassen. Zudem wirdder Verzicht auf ein Haus, das alle Kunstwerke in sich ver-einigt, dadurch ins Positive verkehrt, daß für die jeweili-gen Sparten der Exposita die entsprechenden Räumebzw. Gebäude genutzt werden, die architektonisch denausgestellten Werken und der Präsentationskonzeptionentsprechen. Von daher gibt es auch vom jeweiligenStandort her eine Beziehung bzw. Auswirkung auf diePräsentation, was die zugrundeliegende Konzeption ver-stärkt. Konkret bedeutet dies für das DiözesanmuseumWürzburg eine Schaustellung von Kunstwerken mit mo-nastischem Bezug in klösterlichen Räumen oder von ba-rocker Kunst in einem architektonischen Rahmen dieser

Kunstepoche. Dadurch wird das Erlebnis der Kunst inten-siviert. Die Stimmigkeit von Präsentation und Raum wehrtauch dem Eindruck von musealer Entwurzelung derKunstwerke. Wenn auch nicht am ursprünglichen Ort, sozeigt sich die Kunst doch im originären Raum. Bei allerEinheit von Präsentation und architektonischem Umfeldwird aber didaktisch nicht darauf verzichtet, „nach vorn“zu erinnern, d. h. die Sprache der exponierten Werke inder Gegenwart festzumachen. Das ist auch bei den Zeug-nissen früheren Kunstschaffens möglich, da Kunst Ge-genwart – und zwar die jeweilige – verinnerlicht, die derKünstler erforscht, ohne sie abschließend zu verarbeiten.So richtet eine gotische Tafel, ein barockes Bild immernoch Anfragen an die Betrachter der Jetztzeit.

Ein Nebenprodukt der Dezentralisierung ist zudem eineAufwertung der jeweiligen Gemeinde, in der das Museumeingerichtet wurde. Das Museum gleicht die Identifikati-onsdefizite aus, die durch den Verlust eines eigenen Pfar-rers, Bürgermeisters, Lehrers bzw. durch die Schließungdes örtlichen Gasthauses, des Lebensmittelgeschäftes

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Der Eingang zum Domschatz, 2000 in Form einer Vergitterung ei-ner Schatzkammer ausgeführt

u. a. m. entstanden sind, so z. B. in Tückelhausen undAstheim. Dadurch nimmt die Diözese, die ohnehin mehr-heitlich ländlich geprägt ist, eine wichtige Aufgabe wahr:den Menschen den Heimatstolz wiederzugeben bzw. zuverstärken. So finden Orte, deren Namen längst aus denLandkarten gestrichen wurden, durch die Museumsein-richtung wieder Beachtung und Medienbenennung.

Die konkreten Maßnahmen

Zum 1. September 1990 eröffnete die Diözese im Gebäu-de des Bischöflichen Ordinariates das Marmelsteiner Ka-binett als Galerie für die Ausstellung zeitgenössischer undauch alter Kunst. Zehn Jahre lang wurden jährlich fünfmalAusstellungen gezeigt, zu denen jeweils ein Katalog er-schien. Durch diese Maßnahme wurde schon das Funda-ment gelegt, auf dem künftige Museen erstehen konnten.

Im Oktober 1990 wurde die Dokumentation der Bauge-schichte des Würzburger Domes im Südarm der Dom-krypta eingerichtet und der Öffentlichkeit präsentiert. InText- und Bildtafeln sowie Spolien und Architekturteilendes 9.-20. Jahrhunderts wird den Dombesuchern dieDombaugeschichte vor Augen geführt.

Das durch private Initiative geschaffene Kartausenmuseumin Tückelhausen bei Ochsenfurt wurde 1997 von der Diö-zese übernommen und erweitert. In den Räumen von zweiKartäuserzellen sowie im Lettnervorraum und in der ehe-maligen Bibliothek präsentiert das Bistum zum einen dieGeschichte und Spiritualität der Kartäuser, zum anderen imObergeschoß Arbeiten jener Künstlerinnen und Künstler,die in der Nachkriegszeit Werke für Kirchenräume in derDiözese geschaffen haben. Die Umbennung in Kartäuser-museum Tückelhausen bringt die neue Konzeption zumAusdruck, geschichtliche Zeugnisse und Kunstwerke zupräsentieren, die das Ringen um die Gottesfrage sowohlim monastischen Leben als auch im künstlerischen Schaf-fen in Vergangenheit und Gegenwart dokumentieren.

Im Jahre 1999 konnte in Astheim bei Volkach in den ver-bliebenen Gebäuden der ehemaligen Kartause das Mu-seum Kartause Astheim eröffnet werden. In den von derStadt Volkach renovierten und angemieteten Räumen derehemaligen Prokuratur, der Johanniskapelle und Kloster-kirche mit dem Trakt zwischen Klosterkirche und Proku-ratur fanden über 600 Kunstwerke des 14.-19. Jahrhun-derts ihre Präsentation. Sie werden als Zeugnisse der Ge-schichte christlicher Bildverehrung in jeweils thematisier-ten 17 Räumen gezeigt. Diese Ausstellung ist eine Ver-ständnishilfe für die Bildverehrung im sakralen, häusli-chen und öffentlichen Raum. Hierbei ist gerade auch an

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Ehemalige Kartause Astheim, Verbindungsweg zwischen Proku-ratur und Kirche, 1584

Ehemalige Kartause Tückelhausen

die vielen Touristen im fränkischen Weinland sowie an dieBesucher gedacht, die religiösen Inhalten entfremdetsind.

Anläßlich des Künstleraschermittwochs 2000 konnte inden Räumen des Marmelsteiner Kabinetts eine Ausstel-lung des über lange Zeit vernichtet geglaubten Dom-schatzes eröffnet werden. Über viele Jahre waren die ver-meintlich zerstörten Teile aufgespürt und zusammen mitjenen, die sich erhalten hatten, restauriert worden. DiePräsentation ist zugleich ein Schlüssel für die Nutzungdes Domes: Der Dom als Grablege, als Raum der liturgi-schen Feier und des Domkapitels sowie als Bischofskir-che. Abgerundet wird diese Schaustellung durch die Er-innerung an die Domausstattungs- und Domschatzge-schichte. Der Verzicht auf Objektbeschreibungen ent-spricht dem ursprünglichen Anliegen, durch die Präsen-tation des Domschatzes an Hochfesten gläubiges Stau-

nen zu wecken. Die Besucher erschließen sich die aus-gestellten Kostbarkeiten durch ein im Eintritt einge-schlossenes Heft, das zudem die Möglichkeit bietet, inweiteren Ausführungen näher auf Geschichte und Zweck-bestimmung sowie Symbolik der Exposita einzugehen.

Das nächste anstehende Projekt mit Eröffnung 2003 istdas Museum am Dom im Kilianshaus zwischen Dom undNeumünsterkirche. Nachdem trotz Widerstands des Lan-desamts für Denkmalpflege und vielfacher, oft heftig ge-führter Auseinandersetzungen der Würzburger Stadtratdennoch grünes Licht für die bauliche Verwirklichung er-geben hat, kann das Konzept dieses entstehenden Mu-seums nunmehr ausgeführt werden. Es sieht vor, in derGegenüberstellung von alter und zeitgenössischer Kunstderen Intention und Thematik zeitüberschreitend zu ver-mitteln. Den Schwerpunkt bildet die Kunst der Moderneund der Gegenwart, deren Sammlung in den letzten Jah-

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Ehemalige Bibliothek der Kartause Tückelhausen mit der Präsentation von Werken zeitgenössischer fränkischer Künstler

ren systematisch aufgebaut wurde, ohne regionale Be-grenzungen anzulegen. So werden die Besucher sich vie-len Werken international bekannter Künstler ebenso ge-genübergestellt sehen wie den Meistern der Romanik biszum Barock. Neben dieser Dauerausstellung steht einegroße Fläche für Wechselausstellungen zur Verfügung,auf der das Anliegen der ehemaligen Galerie im Marmel-steiner Kabinett fortgeführt werden kann. Die Präsentati-on der vordergründig eindeutigen Kunst christlicher The-matik des 11.-18. Jahrhunderts gegenüber der suchen-den und sich auf anderen Ebenen bewegenden des 20.Jahrhunderts wird in sich eine Anfrage an die Besuchersein und sie zur Auseinandersetzung führen.

Die betreuten Museen

Über die eigenen Museen hinaus stattete die Diözesemit ihrem Sammlungsbestand andere aus, deren Kon-zeption ebenfalls vom Kunstreferat erarbeitet wurde. Hierist für Irland das St. Kilians-Heritage-Center in Mullaghin der Grafschaft Cevin mit der Präsentation von Werkenzur Geschichte und Verehrung des hl. Kilian zu nennen,das 1998 von der irischen Staatspräsidentin eröffnetwurde. Der Bestand an Exposita, die Texte und die Aus-stellungsausstattung wurden von der Diözese finanziertund gestellt.

Im Schloß Oberschwappach, dem Sommersitz der Ebra-cher Äbte, richtet das Kunstreferat für den Eigentümer –die Gemeinde Knetzgau – konzeptionell und aus ihrenSammlungsbeständen ein Museum über den Geist desBarock ein. Das Museum Schloß Oberschwappach, dasim April 2001 eröffnet wird, will im Zusammenklang mitden barocken Räumen durch die dort präsentiertenKunstwerke der Diözese die geistigen und religiösen Wur-zeln des Barock dokumentieren. Auch hier – wie inTückelhausen und Astheim – wird auf den Einklang vonRaum und Ausstellung als intensive Erfahrung vertraut.Wenngleich dieses Museum keine Einrichtung der Diöze-se ist, so steht es dennoch in engem inneren Zusammen-hang mit den Museen des Bistums.

Gleiches gilt für die Schatzkammer Grafenrheinfeld. Die-ses Kommunalmuseum mit den Stücken aus Pfarreibesitzwurde architektonisch und konzeptionell vom Kunstrefe-rat geplant und verwirklicht. Es zeigt den Bestand einerreich dotierten fränkischen Landgemeinde an liturgischenGeräten, Textilien und weiteren Ausstattungsstücken.Was der Domschatz für die Kathedrale präsentiert, wirdhier auf die Pfarreiebene übertragen, so daß auch da-durch ein innerer Zusammenhang nachvollzogen werdenkann.

Jedes Museum muß seinen Ort haben – wie die Verkün-digung ihren Sitz im Leben. Die Bestückung ist so eineErgänzung, Bereicherung sowie Deutung des jeweiligenOrtes. Andererseits überschattet der Ort das Museumund prägt es. Das gilt nicht nur für die genannten Diöze-sanmuseen und jene, für die das Kunstreferat die Kon-zeption und Präsentation erstellte bzw. beitrug. Für den inFranken bedeutenden Wallfahrtsort Dettelbach ist im dor-tigen Franziskanerkloster neben der Wallfahrtskirche einFränkisches Wallfahrtsmuseum geplant, dessen Bestandschon bereitliegt und dessen räumliche und inhaltlicheKonzeption bereits abgeschlossen ist. Die Verwirklichungzusammen mit dem Franziskanerorden, der Pfarrei undder Stadt steht in den nächsten Jahren an.

Daß Größe und Umfang nicht entscheidend sind, ist unsfür die Aussage über ein Museum bewußt. Wenn auch dieDiözese Würzburg mit ihren Teilmuseen insgesamt dasgrößte kirchliche Museum überhaupt – vom Vatikan ab-gesehen – vorweisen kann, so ist doch viel entscheiden-der die Vielfalt der konzeptionellen Aspekte und diedurchgehend verfolgte Zielsetzung, das kirchliche Kunst-gut in den Dienst der Verkündigung sowie der Deutungvon Vergangenheit und Gegenwart zu stellen.

Weitere Aktivitäten im Museumsumfeld

Diesem Anliegen entsprechen auch die Ausstellungen desKunstreferates im Domkreuzgang, in einem ländlichenPfarrhaus im Ostteil des Bistum (zweimal jährlich) sowiedie Aktion „Kunstpassion“ in jährlich drei Landpfarreienwährend der Fastenzeit mit der Präsentation eines zeit-genössischen Kunstwerkes zur Passionsthematik aus diö-zesanem Sammlungsbestand. So können in einem Rhön-dorf Werke von Nitzsch, Käseberg, Rainer o. a. entdecktwerden, die ansonsten nur in Museen ihren Ort haben. DieAusstellung zeitgenössischer Kunst findet darüber hinausauch ihre Verwirklichung in den diözesanen Bildungshäu-sern, während alte Kunst aus einer abgegrenzten Regionebenfalls an einem Ort in ihr präsentiert wird, um dadurchauch die Identifikation mit dem Lebensraum zu stärken.

Über die diözesaninternen Aktivitäten hinaus betreibt dasKunstreferat und somit das Diözesanmuseum gemeinsa-me Ausstellungsprojekte mit anderen Diözesen und derEvangelisch-lutherischen Landeskirche in Bayern; dane-ben werden auch gemeindliche Ausstellungen anläßlichvon Jubiläen seitens der Kommunen oder Pfarreien vomKunstreferat konzipiert und betreut.

Zu allen Ausstellungen der Diözese erscheinen Kataloge,größere Themata – ebenfalls durch Präsentationen vorge-

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POSITIONEN – DEUTSCHE KUNST NACH 1945Zur Neugestaltung der Galerie in der Alten Reichsvog-tei, Schweinfurt

stellt – werden in einer eigenen Buchreihe behandelt. DieReihe „Renovatio“, in der bemerkenswerte Kirchenre-staurationen vorgestellt wurden, hat leider ihr Ende ge-funden, da das Landesamt für Denkmalpflege seine Zu-sammenarbeit mit dem Bau- und Kunstreferat aufgekün-digt hat. Es ist zu hoffen, daß das frühere gedeihlicheMiteinander zu späterer Zeit wieder fortgesetzt werdenkann, zum Wohl der Diözese und wohl auch der staat-lichen Kulturpflege.

Dessen ungeachtet betreibt die Diözese Würzburg auchweiterhin die Anstrengungen, die in gebotener Kürze hiervorgestellt werden konnten, als einen Beitrag, die Spra-che der Kunst aus Vergangenheit und Gegenwart hörbarwerden zu lassen und dadurch den geschichtlichen undgegenwartsbezogenen Boden zu bereiten, aus dem Hoff-nungen und Visionen für die Zukunft erwachsen. Anzu-merken bleibt noch, daß mit mir nur vier Mitarbeiter, vondenen einer auch Konzerte und Lesungen in den Museenorganisiert, diese vorgestellten Bemühungen aufbringen.

Jürgen Lenssen

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Museum Kartause Astheim: Gnadenbilder und Wallfahrtskult

Im Jahr 1994 begingen die Städtischen SammlungenSchweinfurt das zehnjährige Jubiläum der Galerie AlteReichsvogtei. Damals konnten wir eine kompletteNeuhängung der Exponate vornehmen und zugleichunser Profil als Galerie für zeitgenössische Kunst inFranken schärfen. In einem erstmals erschienenen Ka-talog wurden 100 Werke von 100 Künstlern „Von Alt-schäffel bis ZEN 49“ abgebildet und in kurzen Textenvorgestellt. Gut ein halbes Jahrzehnt später vollzogenwir mit der Eröffnung der neugestalteten „Galerie fürzeitgenössische Kunst in Franken“ am 13.7.2000 wiedereinen Szenenwechsel in der Galerie. Zugleich präsen-tieren wir mit einer großen Zahl von wichtigen Neu-erwerbungen zur deutschen Kunst nach 1945 auchden aktuellen Katalog mit einem Überblick über unsereBestände.

Mit der Eröffnung des bedeutenden Museums GeorgSchäfer im Herbst 2000 fanden auch die zuletzt in derGalerie Alte Reichsvogtei unter dem Thema „Zeitwende“gezeigten Gemälde der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung das langersehnte eigene Domizil. Über 15 Jahrelang durften wir als Leihgaben in zwei themenbezogenenPräsentationen wichtige Werke der Kunst des 19. Jahr-hunderts ausstellen. Auf diese Weise haben wir mit unse-ren bescheidenen Möglichkeiten dazu beigetragen, denWunsch nach einem Museum in Schweinfurt ausschließ-lich für diese einzigartige Privatsammlung wach zu hal-ten. Dieses ehrgeizige Ziel ist im Jahr 2000 im Zusam-menwirken der Stadt Schweinfurt, des Freistaates Bayernund natürlich der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftungerreicht. Deshalb wurden für die städtische Sammlungzeitgenössischer Kunst ebenso Räume frei, wie im Falleder russischen Ikonen der Sammlung Glöckle. Diese inJahrzehnten von Dipl. Ing. Fritz Glöckle mit Engagementzusammengetragenen Ikonen werden nun im benachbar-ten Gunnar-Wester-Haus ausgestellt, das damit verstärktden Charakter eines Schatzhauses privaten Sammler-fleißes annimmt.

Trotz finanziell sehr schwieriger Jahre in einer Phasestrukturellen Wandels verbunden mit großen Risiken ha-ben der Stadtrat von Schweinfurt und alle für die Stadtpolitisch Verantwortlichen den Aufbau der Sammlungstets nach Kräften gefördert und mit öffentlichen Mittelnden Erwerb manch wichtigen Kunstwerkes ermöglicht.Der Bezirk Unterfranken hat die Galerie für zeitgenössi-sche Kunst in Franken bei einer Reihe solcher Erwerbun-gen tatkräftig unterstützt. Als Novum, zugleich aber auchals Zeichen der Anerkennung für unsere Arbeit, darf esgelten, daß drei wichtige Werke als langfristige Leihgabenaus der Bundessammlung für zeitgenössische Kunst ge-zeigt werden können.

Geradezu als Glücksfall aber muß es bezeichnet werden,daß die Arbeit der Schweinfurter Galerie durch eine statt-liche Zahl von Mäzenen aus allen Schichten der Bevölke-rung, allen voran sei der Kunstverein Schweinfurt e. V. mitHerrn Dr. Joachim Haas an der Spitze dankbar genannt,besonders gefördert worden ist. Vor allem mit Hilfe dieservon aktiver Zusammenarbeit und gegenseitigem Vertrau-en geprägten Unterstützung war es möglich, in den letz-ten Jahren eine Reihe bedeutender Kunstwerke fürSchweinfurt zu sichern, was der vorliegende Katalog ein-drucksvoll spiegelt.

Außerdem freuen wir uns angesichts der naturgemäß ge-ringen finanziellen Möglichkeiten der Städtischen Samm-lungen dankbar feststellen zu dürfen, daß bis auf wenigeAusnahmen die meisten Künstler das Engagement derVerantwortlichen in den Städtischen Sammlungen undinsbesondere auch das des als Förderer agierendenKunstvereins Schweinfurt durch großzügige Schenkungenoder erhebliche Preisnachlässe honorieren. Selbst dort,wo sich ein Erwerb nicht immer sofort realisieren läßt, dür-fen wir darauf hoffen, daß uns viele Künstler durch Leih-gaben ihrer Werke unterstützen. Ohne diese Unterstüt-zung solcher mit der Arbeit der Städtischen SammlungenSchweinfurt verbundenen Künstler würde unsere Kunst-sammlung wesentlich bescheidener aussehen. Wer die-sen Katalog liest, wird deshalb sehr häufig auf entspre-chende Vermerke stoßen, an die wir dankbar erinnern.

Das 1994 formulierte Sammlungskonzept hat sich nichtnur als tragfähig, sondern als ausgesprochen erfolgreicherwiesen: Als Kunstgalerie in der Trägerschaft der StadtSchweinfurt sehen wir unsere Aufgabe einerseits darin,Werke von Künstlern zu sammeln und auszustellen, diedurch Biographie oder Œuvre mit Stadt und Region ver-bunden sind. Andererseits möchten wir überregional be-deutende Kunst in unsere Sammlung einbinden. Die ra-sante Entwicklung der letzten Jahre läßt uns hoffen, daßwir mehr und mehr den Status einer fränkischen Landes-galerie für zeitgenössische Kunst einnehmen werden.

Ein wesentliches Element des Genannten sind die wech-selnden Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst in derHalle des Alten Rathauses, im Galerie-Studio oder imRahmen des Forum 13 im Künstlerhof Oberndorf. DieseWechselausstellungen und der Aufbau der Dauerpräsen-tation in der Galerie Alte Reichsvogtei sind eng verbun-den. In der Regel werden in den Ausstellungen Werke sol-cher Künstler präsentiert, die uns auch für die Galerie in-teressant erscheinen. Während der Vorbereitung undDurchführung der Ausstellungen entstehen jene Kontak-te, die es vielfach ermöglicht haben, ein charakteristi-sches Werk des jeweiligen Künstlers zu erwerben.

Wir sind stolz darauf, daß inzwischen zeitgenössische bil-dende Künstler aus der ganzen Bundesrepublik unser Tunsorgfältig beobachten und häufig von sich aus denWunsch äußern, in Schweinfurt auszustellen bzw. in derGalerie mit ihrem Schaffen dauerhaft präsent zu sein. Diesgilt längst nicht mehr nur für Künstler aus der Region, allenvoran die Mitglieder der Gruppe Schweinfurter Künstler,denen wir naturgemäß leichter ein Begriff sein können, esgilt nicht nur für jüngere Künstler, sondern inzwischen im-mer häufiger für Künstler mit überregionaler Bedeutung.

Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff, FlorianKöhler, Emil Schumacher oder Heinz Kreutz, um nur eini-ge wenige Namen der jüngsten Zeit beispielhaft zu nen-nen, haben gerne bei uns ausgestellt und sich inSchweinfurt gut aufgehoben gefühlt. Dies äußert sichnicht nur darin, daß häufig der Wunsch nach einer weite-ren Ausstellung zu einem späteren Zeitpunkt laut wird,sondern daß wir inzwischen mit Hilfe dieser Künstler einNetzwerk der Kooperation mit anderen wichtigen Part-nern knüpfen konnten.

In ähnlicher Weise lassen sich solche guten Kontakte hin-sichtlich der Zusammenarbeit mit Museen und Galerienkonstatieren, die von Schweinfurt konzipierte Ausstellun-

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Galerie für zeitgenössische Kunst in Franken, Alte ReichsvogteiSchweinfurt, Eingangsbereich

gen übernehmen oder uns in ihre eigenen Planungen alsPartner einbeziehen. Die Kontakte zu wichtigen Häusernin Bottrop, Emden, Erfurt, Gotha, Kitzingen, Landshut,Marburg, Regensburg, Sindelfingen, Weimar oder Würz-burg sind Beispiele für hervorragende partnerschaftlicheVerbindungen.

Ganz besonders haben wir die vertrauensvolle Zusam-menarbeit mit privaten Sammlern oder Galerien geradebei der Neuhängung des Jahres 2000 erfahren. An der ei-nen oder anderen Stelle wollten wir gern die Präsentationunserer Schweinfurter Galerie um ein bestimmtes Werkaus einer bestimmten Zeit ergänzen, das sich noch nichtin unserer Sammlung befindet. Oft genügte schon einkurzer Anruf, und wir hatten die spontane Zusage zu ei-ner langfristigen Leihgabe.

Als der Stadtrat von Schweinfurt im Jahr 1981 die Ein-richtung einer Galerie für zeitgenössische Kunst be-schloß, gab es nur wenige geeignete Kunstwerke in städ-tischem Besitz. Erst allmählich konnte planvoll und vonentsprechenden Etats abgesichert mit dem Aufbau derSammlung begonnen werden. Die ersten beiden Präsen-tationen 1984 und 1994 stellten deshalb vorrangig die je-weiligen Neuerwerbungen vor. Nach rund 20 Jahren in-tensiver Sammlungs- und Ausstellungsarbeit können jetzterstmals sowohl Hauptlinien der kunstgeschichtlichenEntwicklung in Deutschland nach 1945 als auch das ste-te Bemühen um die Steigerung der Qualität der Expona-te thematisiert werden.

Dieser Anspruch spiegelt sich in dem Titel „Positionen –Deutsche Kunst nach 1945“. Die Mehrzahl „Positionen“nehmen wir wörtlich: Im weiten Feld des pluralistisch ge-prägten zeitgenössischen Kunstschaffen gibt es die Posi-tion gegenüber der Kunst genausowenig, wie es dieKunst schlechthin gibt. Dennoch wollen wir mit unsererGalerie für zeitgenössische Kunst in Franken „Positionbeziehen“ und damit einen Standort haben bzw. einenStandpunkt einnehmen, von dem aus wir den Blick aufdie deutsche Kunst nach 1945 richten.

Nicht der gesamte Kunstbesitz der Städtischen Samm-lungen ist in der Galerie ständig ausgestellt. Dafür lassensich insbesondere zwei Gründe anführen: Arbeiten aufPapier sind in aller Regel konservatorisch nicht geeignet,über einen längeren Zeitraum ausgestellt zu werden. An-dererseits ergänzen Zeichnungen, Aquarelle oder druck-grafische Techniken unsere Kenntnis um das Schaffen ei-nes Künstlers in einem Maße, daß wir solche Werke in ei-nem gewissen Umfang selbstverständlich sammeln müs-sen. In Einzelfällen – Namen wie Conrad Westpfahl, Wil-helm Kohlhoff oder Helmut Pfeuffer, natürlich auch Mit-

glieder Gruppe Schweinfurter Künstler seien hier bei-spielhaft angeführt – bemühen sich die StädtischenSammlungen darum, die wichtigsten Schaffensphaseneines Künstlers durch Hauptwerke zu belegen. Selbstwenn diese Kunstwerke nicht alle im Original präsentiertwerden können – die gegenwärtige Hängung zeigt maxi-mal zwei Arbeiten eines Künstlers – bemühen wir unsdoch auf diesen inzwischen beachtlichen Depotbestandim Rahmen von thematischen oder monografischenWechselausstellungen verstärkt zurückzugreifen. In glei-cher Weise zeigt der vorliegende Katalog nur ausgewähl-te Beispiele.

Die Neuhängung der Galerie in der Alten Reichsvogtei istgegenüber früheren Präsentationen deutlich „schlanker“geworden und bemüht sich stärker darum das einzelneKunstwerk in den Kontext einer bestimmten Aussage zustellen. Wir haben dabei bewußt auf Kategorien wie „ge-genständlich“ und „abstrakt“ oder die Unterscheidungzwischen Künstlern regionaler und überregionaler Bedeu-tung verzichtet. Ziel der jetzigen Hängung war es viel-mehr, einzelne Themen – „Positionen“ eben – herauszu-arbeiten und mit kennzeichnenden Werken unsererSammlung zu belegen. Einzelne Skulpturen oder Objekte

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Joachim Palm, „Figuren am Tisch“, im Raum „Ansichten vonMenschen“

nehmen dabei eine gewisse Leitfunktion im Sinne einerFührungslinie ein. Andererseits wollen wir den Betrachterdurch die auf den ersten Blick vielleicht irritierende An-ordnung einzelner Exponate zur fragenden Auseinander-setzung anregen.

Nach den guten Erfahrungen der vergangenen Jahre ist ei-ne Wand für die Vorstellung einer „aktuellen“ Neuerwer-bung erhalten geblieben. Anstelle des konservatorischschwierigen Wintergartens werden wir in Zukunft einenanderen Raum in der Galerie für regelmäßige kleinere Prä-sentationen aus aktuellem Anlaß nutzen. Selbstverständ-lich bleibt das Galerie-Studio weiterhin für Wechsel-Aus-stellungen erhalten. Gerade die Ausstellungen in diesemStudio haben dazu beigetragen, ein besonders interes-siertes, unsere Arbeit kritisch begleitendes Publikum zugewinnen.

Im Foyer der Galerie wird der Besucher von einigen Ex-ponaten empfangen, die beispielhaft für die „Positionen“stehen: Prägende Arbeiten von Heinrich Söller und Josef

Felkl repräsentieren wichtige Kunst aus der Region. Hel-mut Pfeuffer ist ein Maler aus Schweinfurt, dessen Schaf-fen jedoch seit mehr als zwei Jahrzehnten bundesweiteAusstrahlung und Anerkennung gefunden hat. Ähnlichesgilt grosso modo für Ludwig Schrieber. Der mit einem in-formellen Gemälde im Eingangsbereich vertretene Künst-ler Martin Matschinsky gehört gemeinsam mit seiner FrauBrigitte Matschinsky-Denninghoff zu den seit den fünfzi-ger Jahren auch international beachteten Bildhauern ausDeutschland.

Die Exponate dieser Künstler sollen durch unsere Hän-gung hinsichtlich Rang und Herkunft ein Spannungsver-hältnis aufzeigen, in welchem der Betrachter für sich eineeigene Position beziehen muß. In gleicher Weise wollenwir dem Besucher jedoch keine irgendwie vorgeprägteMeinung hinsichtlich der stilistischen Erscheinungen derKunst nach 1945 in Deutschland aufdrängen. Wohl aberzeigen wir in vier thematisch gegliederten Räumen künst-lerische Entwicklungsstränge auf, die unserer Meinungnach vor allem für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

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Raum „Abstraktion und Figuration“

kennzeichnend waren. Eine mit „Wurzeln...“ überschrie-bene, naturgemäß kleine Gruppe von Werken steht dabeifür wichtige stilistische Erscheinungen aus dem Blickwin-kel deutscher Künstler vor dem Beginn der nationalsozia-listischen Kunstdiktatur im Jahr 1933. Curt Hermann,Emy Roeder, Fritz Schaefler, Barthold Asendorpf oderFritz Winter stehen für bestimmte künstlerische Äuße-rungsmöglichkeiten, an die die breitere Masse der Kunst-schaffenden vielfach erst nach dem Ende des ZweitenWeltkriegs wieder anknüpfen konnte.

Die im folgenden Raum gezeigten Kunstwerke sind unterder Überschrift „Rückbesinnung und Neubeginn“ nach1945 versammelt. Zwei Skulpturen des feinsinnig dieMöglichkeiten gegenständlichen Formens auslotendenGustav Seitz stehen abstrakten Werken von Max Acker-mann, Werner Gilles, Carl Clobes oder Erwin Rainer Fas-shauer gegenüber. Diesen antworten wiederum „reali-stisch“ geprägte Gemälde wie jene von Fritz Griebel undMac Zimmermann. Auffallend an dieser zunächst disparatanmutenden Palette unterschiedlicher Kunstäußerungenist z. B. der vorwiegend zu beobachtende Rückgriff aufdie Kunst der „Großvätergeneration“, auf die Kunst vonPaul Cezanne, von Pablo Picasso oder auch von PaulKlee zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Andererseits aber hat sich in Deutschland im Verborge-nen und lange vor Kriegsende eine Kultur ungegenständ-lichen Malens vorbereitet, die zu den Hauptleistungen derfünfziger Jahre werden sollte. Dieser gilt der Raum „Ab-straktion und Figuration“. Eine interessante Mittlerstel-lung nimmt hier ein Frühwerk von K. O. Götz ein. Die Prä-sentation versammelt außerdem vorwiegend Künstler ausdem Umfeld der Gruppe ZEN 49, wie etwa Gerhard Fietz,Fritz Winter, Theodor Werner und Conrad Westpfahl, umnur einige Namen zu nennen. Ausgestellt sind aber auchandere, scheinbar gegenständlich arbeitende Bildhauer,wie der Nürnberger Wilhelm Uhlig, dessen Skulptur – derantiken Daphne ähnlich – die Grenzen von Figur und Ab-straktion, von Naturform und Kunstform auslotet.

In solcher für den fragenden Blick zunächst widersprüch-lich anmutenden Aufstellung bzw. Hängung soll sich zu-gleich die ausgesprochen heftige, ja geradezu existenzi-elle Kunstdiskussion der ersten Nachkriegsjahre spiegeln,die sich mit Schlagworten wie „Verlust der Mitte“ (HansSedlmayer) oder „Wegzeichen ins Unbekannte“ (WilliBaumeister) umschreiben läßt.

Obwohl die abstrakte Kunst in Deutschland nicht die al-leine prägende stilistische Erscheinung geworden ist, hatdoch seit Mitte der fünfziger Jahre das Informel das Bildder Kunst entscheidend bestimmt. Einige wichtige Arbei-

ten der ersten, von Brigitte und Martin Matschinsky-Den-ninghoff, Fred Thieler oder Heinz Kreutz angeführten, undder zweiten Generation – stellvertretend sei Harald Häu-ser genannt – sind unter dem Stichwort „Informeller Aus-druck“ versammelt.

War die bisherige Ordnung der Galerie vorwiegend vonkunstgeschichtlichen Fragestellungen dominiert, rücktenin den folgenden Räumen andere Überlegungen in denVordergrund. Der künstlerischen Auseinandersetzung mit„Farbe und Licht“ gilt ein Raum, der den Besucher ober-halb der Eingangstreppe empfängt. In dieser Auswahlsind vorwiegend ungegenständliche Formulierungen ver-sammelt. Die Reihe der Möglichkeiten reicht von sensibelauf Licht und Schatten reagierenden Faltungen des Och-senfurters Herbert Janouschkowetz über das grisaillearti-ge Strukturen mit sparsamsten Mitteln inszenierende„Gefüge III“ des Kölners Georg Meistermann, bis hin zuden Lichterscheinungen von Wolfgang G. Bühler ausNürnberg in seinem „Tafelstück aus dem Rosengarten“.

In der nächsten, mit „Licht-Bilder“ überschriebenen Ab-teilung, wollen wir der Erscheinung der Natur im Lichtnachspüren. Wir zeigen dies an vier Gemälden von JosefVersl, Ferdinand Lammeyer, Wilhelm Kohlhoff und HeinzKistler, die jeweils für eine andere Jahreszeit und die fürsie charakteristische Lichtstimmung stehen können. VomLicht handeln aber auch die Arbeiten von Oskar Kolleroder das ausgesprochen geistreiche und provokativ ge-dachte Objekt „Florida“ von Monika Linhard.

Am Beispiel der Darstellung des Menschen spüren wir imfolgenden Raum „Harmonie und Distanz“ nach. Einigeder dort ausgestellten Kunstwerke, wie z. B. das „Paar“

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Ausstellungseinheit „Harmonie und Distanz“

von Fritz Koenig, sind so intensiv, geradezu autistisch aufsich selbst bezogen, daß sie sich dem Betrachter fast zuentziehen scheinen. Selbst im Falle der völligen Ent-blößung des weiblichen Körpers in dem Akt von PeterCollien bleibt gegenüber dem Betrachter ein Rest vonunüberwindlicher Distanz.

Es folgt ein Abstecher in die Welt der „Metaphysik“. Un-ter der Überschrift „Zeit-Raum“ sollen in mehreren Arbei-ten die im 20. Jahrhundert fließend gewordenen Grenzenzwischen den beiden Dimensionen ausgelotet werden.Dies kann bei dem Maler Gustav Wölkl auf geradezu my-stische Weise geschehen oder empirisch und gewisser-maßen experimentell nachvollziehbar, wie im Falle desPendels von Meide Büdel. Aus einem etwas anderenBlickwinkel wird mit „Realität und Realisation“ bei dersich anschließenden Gruppe von Werken die gleiche Fra-ge erneut vorgelegt. Bei seinen „Fischen“ stellt Udo Kal-ler uns scheinbare Realitäten vor Augen, die doch nur un-sere voreilige Bereitschaft zur Sinnestäuschung ad ab-surdum führen. Die vom Künstler bestimmte und damitausgesprochen subjektive Inszenierung des Menschen inverschiedenen, teilweise ungewöhnlichen Techniken the-matisieren in dieser Gruppe einige plastische Arbeitenvon Erwin Eisch, Tobias Gereon Gerstner, Norbert Klein-lein und Klaus Rother.

Der Stoff künstlerischen Gestaltens im engeren Sinn stehtin der folgenden Abteilung im Mittelpunkt. „Materie undMaterial“ werden dabei auf ihre Aussagefähigkeit hinüberprüft. Herman de Vries macht in seiner Arbeit einmalmehr deutlich, wie wenig hilfreich Begriffe wie „ungegen-ständlich“ zur Beschreibung einer künstlerischer Aussagesind. Inge Gutbrod betont durch die rasterartige Strengeder Anordnung ihrer Arbeit die Bedeutung des Lichtes fürdie Erscheinung eines Kunstwerkes. Marlen Seubert erin-nert daran, daß nicht der Stoff, sondern die prägendeFormung durch Hand oder Kopf des Künstlers das Weseneines Kunstwerkes ausmacht.

Deshalb haben wir uns entschlossen, bei den Exponatenim oberen Stockwerk nicht von Landschaften zu spre-chen, sondern sehen dort im erweiterten Sinn „Land-schaftliches“ thematisiert. Dies gilt für die „Seelenland-schaft“ des Otto Ritschl genauso wie für die „Un-Räu-me“, die uns Dominik Boberg in seinen Stadt-Landschaf-ten vor Augen führt.

Die Darstellung des Tieres dominiert den nächsten Raumerkennbar. Wir nennen ihn „Verwandlungen“ in Anlehnungan die antike Vorstellung der Metamorphosen. MathisNeidhart etwa zeigt uns in seiner Arbeit nicht einfach na-turkundliche Präparate, sondern nur deren Schatten. Für

Peter Vollert ist ein weißer Bison nicht nur ein bestimmterBüffel, sondern ein der indianischen Glaubenswelt an-gehörendes „heiliges“ Tier. Ein Elefant hat sich unter denformenden Händen von Reinhard Dachlauer in die Er-innerung an ein vorgeschichtliches Idol verwandelt.

Vor diesem Hintergrund kann es, um damit zum letztenRaum der Galerie zu gelangen, auch kein gültiges Bildvom Menschen mehr geben, sondern allenfalls „Ansich-ten“. Wie vielgestaltig diese sein können, mag ein Tableauveranschaulichen, auf dem vier Arbeiten von HeinrichSöller, Angelika Summa, Hildegard Büchner und PeterWörfel nebeneinanderstehen.

Mit solchen „Ansichten“ aber schließt sich der Kreis zuden eingangs behaupteten „Positionen“, die wir Ausstel-lungsmacher beim Sammeln und Präsentieren von Wer-ken der zeitgenössischen Kunst eingenommen habenund die einzunehmen wir auch von den Besuchern dieserGalerie fordern. Natürlich bedeutet eine solche subjektiveSichtweise auch, daß wir angesichts unserer finanziellenund räumlichen Möglichkeiten sowie der noch relativ jun-gen Geschichte unserer Galerie nur einzelne „Positionen“der deutschen Kunst nach 1945 angemessen darstellenkönnen. Der weite Bereich der Objektkunst kann bisherallenfalls angedeutet werden. Das gesamte Spektrumdessen, was man unter dem Begriff der Medienkunst zu-sammenfaßt, oder das große Gebiet der Fotografie ist inder Galerie für zeitgenössische Kunst in Franken allenfallsin Ansätzen repräsentiert. Hier und auf vielen anderen Ge-bieten gilt es in Zukunft verstärkt tätig zu werden.

Erich Schneider

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Galerie Alte Reichsvogtei, Obere Straße 11/13, 97421 Schweinfurt, Tel. 09721/51-479, Fax -320

Internet: www.schweinfurt.de

Öffnungszeiten:Dienstag bis Freitag 14-17, Samstag und Sonntag 10-13 und 14-17 Uhr

FEINKOSTGESCHÄFT STATT GEMISCHTWARENLADENDas Museum der Stadt Miltenberg

Von der Amtskellerei zum Museum der Stadt

Die Stadt Miltenberg besticht zum einen durch ihre land-schaftlich reizvolle Lage am Maindurchbruch zwischenSpessart und Odenwald, zum anderen durch ihre reichgeschmückten Fachwerkhäuser im alten Stadtzentrum.Dieses erstreckt sich über zwei Kilometer zwischen Flußund Odenwaldhang. Am Schnatterloch1, dem histori-schen Marktplatz und wohl einem der schönsten Plätze inDeutschland, steht das Museum – „ein Balkon der Stadt-geschichte“2. Der gesamte Museumskomplex bestehtheute aus vier Häusern:3 Im Haus Hauptstraße Nr. 169sind Büro, museumspädagogische Werkstatt, Archiv, Bi-bliothek und Kleindepot untergebracht. Das Kerngebäu-de Nr. 171 beherbergt die derzeitige Dauerausstellungund Räume für Sonderausstellungen und Veranstaltun-gen. Die zwei direkt daran anschließenden, früherenWohnhäuser (Doppelhaus Nr. 173/175) aus dem späten16. Jahrhundert sind bereits im Besitz der Stadt und wer-

den ab 2001 saniert. In ihnen findet die künftige Erweite-rung des Museums Platz. Zwei Anschlüsse vom Haupt-haus in diese Nachbargebäude sind bereits während derRenovierung des Kerngebäudes ausgeführt worden.

Das heutige Museumsgebäude ist sicherlich eines dereindrucksvollsten Fachwerkhäuser Miltenbergs. Obwohles museumstechnisch als problematisch anzusehen ist,erfüllt es aufgrund seiner bau- und funktionsgeschichtli-chen sowie seiner städtebaulichen Bedeutung alle Vor-aussetzungen als eine ebenbürtige Hülle für die kulturge-schichtliche Überlieferung der Stadt.

Der Marktplatz gehörte in Miltenberg im ausgehendenMittelalter und der frühen Neuzeit zu den bevorzugtenWohnplätzen der adeligen Amtsträger in der Stadt. Daszentrale Gebäude des Museums ließ 1541 der kurmainzi-sche Amtmann Bernhard von Hardheim neu errichten.Die hohe Stellung Bernhards als oberster Vertreter desMainzer Erzbischofs in Miltenberg und Umgebung spie-gelt sich in der Architektur des Gebäudes wider. Nachwechselnden Besitzern und verschiedenen Umbauten er-warb schließlich 1913 die Stadt die Immobilie. Dort sollteder Pfarrer seine neue Heimstatt finden. Aber auch er, wieschon hundert Jahre vorher die königlichen Rentbeam-ten, klagte über das feuchte und ungesunde Raumklimaund forderte den Einbau einer Heizung. Es sollten abernoch mehr als 70 Jahre ins Land gehen, bevor der Stadt-rat beschloß, diesem Wunsch nachzukommen. Damit wardie Generalsanierung begonnen, ohne zu ahnen, in wel-che Dimensionen sie schließlich führen sollte.

Vom Inschriftenstein zum regionalen Schwerpunkt-museum

Oswald A. Erich, der Herausgeber des bayerischen Mu-seumsführers in der Reihe der Minerva-Handbücher,nannte schon 1939 unter den „besonders hervorragen-den Stücken des Museums“ die Objekte der römischenAbteilung.4 Zu den etwa 200 Gegenständen gehörtenauch Münzen. Von diesem Altbestand ist nichts mehr vor-handen. Das zeigt zum einen, wie abhängig die Darstel-lung von Geschichte im Museum davon ist, ob und wiedie Objekte erhalten sind, zum anderen verweist es aufdie Rolle des Zufalls, dem die Dinge im Museum unter-worfen sind.

1827 entdeckte man in der Flur „Altstadt“ einen römi-schen Inschriftenstein. Diesen Fund darf man getrost denGrundstein der Miltenberger Sammlung nennen. Er ist lei-der verschollen. Als noch mehr „Römersteine“ gefundenwurden, beschloß der Stadtmagistrat, diese Funde in der

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Das Museum der Stadt Miltenberg

Stadtwaage (heute „Altes Rathaus“) aufzustellen. Daswar sicher noch keine Einrichtung, die den Namen Muse-um verdiente. Aber schon 1877 brachte man die beim Ei-senbahnbau kurz vorher geborgenen römischen Teile ineinem Nebengebäude des ehemaligen Spitals unter, undnannte dies „Museum römischer Alterthümer“. Ein weite-rer, für die Sammlung wichtiger Mann war der damaligeReichslimeskommissar Wilhelm Conrady. Er residierte aufder Mildenburg und verwaltete dort die Sammlung seinesverstorbenen Onkels. Diese große und deutschlandweitbedeutende Sammlung ließen die Erben Conradys 1904in München versteigern. Heute befinden sich Stücke da-von in jedem großen Museum Deutschlands. In Milten-berg dagegen gibt es nur noch ein Exemplar des Verstei-gerungskataloges.

1903 zog das Museum in den 1900 fertiggestelltenBrückenturm um. Offenbar waren die weiter angewach-senen Bestände nicht würdig genug untergebracht, dennschon 1915 kamen Anregungen aus Würzburg vom Ge-neralkonservatorium, die Sammlung nach dem Krieg ineinem anderen, größeren und besser geeigneten Raumunterzubringen. 1928 drohte sich die Platzfrage weiter zuverschärfen: Ein Ehepaar bot seine umfangreiche und inmanchen Stücken bedeutende Sammlung der Stadt an.Allerdings war testamentarisch verfügt worden, daß dieSchenkung einen würdigen Rahmen zur Aufstellung er-halten müsse. Auch deshalb diskutierte der Stadtrat 1934über eine mögliche Verlegung des Museums in die ehe-malige „Amtskellerei“, das heutige Museum. Leider ver-hinderten der Krieg und danach die Einquartierung vonFlüchtlingen diesen Plan. Erst 1950 kamen im Rahmen ei-ner Teilaufstellung einige Objekte in das jetzige Haupt-haus. 1967 öffnete das neue Heimatmuseum Miltenbergseine Pforten.

Bereits Ende 1986 schloß die Stadt ihr Museum wieder,zunächst nur in der Absicht, eine Temperieranlage einzu-bauen. Doch schon während der ersten Baumaßnahmenstießen die Fachleute auf erhebliche Schäden. Die not-wendigen Voruntersuchungen stellten der Statik des Hau-ses das denkbar schlechteste Zeugnis aus. Die Zeitungentitelten damals mit „Eine Reise ins Gruselkabinett derStatik“ oder „Neue Hiobsbotschaften für den Stadtrat“.Es deutete sich also eine längere Phase an, in der dasMuseum geschlossen bleiben würde.

Was folgt, kennen alle, die jemals mit einem denkmalge-schützten Gebäude zu tun hatten: VerformungsgetreuesAufmaß, Raumbuch, Befunduntersuchungen etc. Immer-hin leistete das Raumbuch später hilfreiche Dienste, alsGrundlage für einen zweiten, auf die Baugeschichte be-zogenen Rundgang.

Als das Ende der Sanierung nahte und man bereits er-kennen konnte, welche Perle in der über 400 Jahre altenFachwerkschale heranreifen sollte, da wandelte sich auchdie Stimmung in der Presse zum Guten; nun hieß es:„Vom Gruselkabinett zum Identitätsträger“ und „Milten-berg um eine Attraktion reicher – Historie, Kunst und Kul-tur im Fachwerkambiente“.

Skizzen zum Konzept des Museums

Die Sammlung eines Hauses in einem denkmalgeschütz-ten Haus unterzubringen, darf man wahrlich nicht als Ide-alfall ansehen. Parallel zur Bausanierung erfolgten die er-sten Überlegungen zum neuen Konzept für die Daueraus-stellung. Das Nutzungskonzept floß noch relativ leicht ausder Feder. Aber schon die zunächst simpel erscheinende

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Blick in die Abteilung „Römerzeit“

Frage, wo der neue Zugang sein sollte und wie er zu ge-stalten sei, stellte sich schnell als hart zu knackende Nußheraus. Verschiedene Vorschläge lagen auf dem Tisch,von denen einige sofort ausschieden. Der alte Zugang er-wies sich als zu klein und zu schmal. Er sollte fortan nurals Personaleingang dienen. Die Idee eines Durchbruchsder Außenwand scheiterte am Widerstand der Denkmal-pflege. Die wiederum schlug am Hoftor ein Gitter mitelektrischem Türöffner vor, eine unpraktische und für Be-sucher wenig einladende Lösung, die von der Museums-seite verworfen wurde. Schließlich einigte man sich aufden Zugang durch das große Hoftor mit einem eigenenKassenanschluss auf der rechten Seite in der ehemaligenWagenremise. Man sieht, daß schon über vermeintlicheinfachste Dinge große Diskussionen geführt werdenmußten. Aber wir suchten die bestmögliche Lösung für

die angestrebte Einheit von vorbildlich restauriertem,denkmalgeschütztem Haus einerseits und modernemMuseum andererseits.

Obwohl Miltenberg nicht zu den großen Häusern zählt, istes in der glücklichen Lage, über eine vergleichsweise be-achtliche Sammlung zu verfügen. Diese Sammlung er-laubt es, auszuwählen und Schwerpunkte zu bilden, umdie Geschichte der Stadt und ihrer Region anhand ver-schiedener Aspekte historischer, wirtschaftlicher und so-zialer Bedingungen darzustellen. Deshalb steht hinterdem Konzept der Ausstellung nicht der so häufige „Ge-mischtwarenladen“ – möglichst viel und alles zeigen –sondern das eher seltene „Feinkostgeschäft“: vom Gutendas Beste. Wenn der Besucher der angebotenenFührungslinie folgt, so verraten ihm sechs Schwerpunkt-themen das Wichtigste über das Werden Miltenbergs.Dabei spannt sich der Bogen von der provinzialrömischenZeit bis zum Übergang Miltenbergs an Bayern im Jahre1816. Diese sechs Themenbereiche heißen: „Geschich-te(n) des Hauses“, „Die Römerzeit“, „Miltenberg ent-steht“, „Eine Sache des Glaubens“, „Vom Alltag“ und„Miltenberg in bayerischer Zeit“.

Ein kombiniertes Farben- und Symbol-Leitsystem erleich-tert die Orientierung im Haus. Bereits im Eingangsraumbeschreibt dieses Leitsystem mittels eines farbigenGrundrißplanes, wo was im Haus zu finden ist. Die sechsFarben Grau, Gelb, Rot, Violett, Grün und Blau stehen je-weils für ein Thema. Desweiteren ist jedem Bereich einSymbol zugeordnet, das in allen Räumen den entspre-chenden Raumtext anzeigt.

Als Vorlage für diese Symbole dienten markante Ausstel-lungsobjekte, die unverwechselbar mit der entsprechen-den Abteilung verbunden sind. So stand für „Die Römer-zeit“ ein bronzenes Marsköpfchen Pate, dessen Winzig-keit, aber auch die ungemein filigrane Ausarbeitung er-staunen. Als Zeichen für die „Geschichte(n) des Hauses“dient das Museumslogo, das der Grafiker aus dem Haus-umriß entwickelte. Untertitel sollen das Publikum ver-stärkt zum Lesen der Texte animieren. Sie sind deshalbzum Teil als Zitat dem alltäglichen Leben, der Werbungoder berühmten Musikstücken entlehnt und entwickelnoft einen hintergründigen Charakter, da sie aus ihrem ur-sprünglichen Kontext – in dem sie die Leser kennen – her-ausgelöst und in einen anderen Zusammenhang gestelltwurden. Viele Besucher schmunzeln, wenn sie beispiels-weise die Entstehung der Miltenberger Vorgängersied-lung mit dem Titel der ehemaligen DDR-Hymne – „Aufer-standen aus Ruinen...“ – überschrieben sehen. DenRaumtext zur „Privaten Andacht“ markiert der Titel desspätestens seit dem Film „Titanic“ allgemein bekannten

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Unter Verwendung fragmentarischer Bauteile rekonstruierterThoraschrein

Liedes „Näher mein Gott zu Dir“. Die Einführung zumRaum mit der Inszenierung der Landwehrkapelle lautetschließlich: „Der ganze Bairische Patriotismus besteht imWünschen, Gemächlichen Bethen, Tanzen, Schießen, Ke-gelschieben, Fressen und Saufen...“ (Franz Joseph Gaza1788). Wie bei diesem Zitat lassen sich bei Führungen oftnoch hübsche Geschichten zur Entstehung der Textstelleoder des Zitatgebers zum Besten geben.

Innerhalb der Raumtexte sind bestimmte Schlüsselbegriffefarbig markiert, die an anderer Stelle in Form eines Se-quenztextes einen bestimmten Aspekt hervorheben. DieseSchlüsselbegriffe sollen aber auch als Leseangeln dienen,an denen der Leser unwillkürlich hängenbleibt, wenn er dieTafel nur quer liest; andererseits bieten sie die Möglichkeit,auszuwählen und eine Textsequenz zu überspringen, soll-ten die Schlüsselbegriffe uninteressant erscheinen.

Die visuellen Erklärungen ergänzen verschiedene Hörbil-der. An vier Pulten mit jeweils zwei Kopfhörern kann derMuseumsgast sechs ausgewählte Interviews in Ausschnit-ten anhören: Eine mittlerweile neunzigjährige Frau berich-tet aus ihrer Zeit als Hausmädchen im damaligen Pfarrhaus– dem heutigen Museum – zu Beginn der 1920er Jahre.Dabei kommen Begebenheiten aus dem harten Alltag derDienstboten, aber auch schrullige Geschichten über dieEigenarten der Pfarrer und Kapläne zu Tage. Es sind auchsehr anrührende Erzählungen darunter, wenn beispielswei-se in einem anderen Hörbild der 94jährige Heinrich Berda-mi das karge Leben der Familie seines Vaters schildert, derals letzter Miltenberger Hafner sein Brot verdiente. Die Kin-der konnten bei jedem Brand der Töpferware vor Aufre-gung kaum schlafen, denn sie wußten, daß dann Geld insHaus kam, und das bedeutete, daß sie wieder Brot ein-kaufen konnten. In der Fischerabteilung („Vom Alltag“) er-fährt man, wie mit einem Wurfnetz gefischt wurde, undman kann sich von der letzten Fahrt des hölzernen Main-nachens erzählen lassen, vor dem man gerade steht. EineFrau aus Kleinheubach berichtet davon, was ein Haus-mädchen in einem jüdischen wohlhabenden Fabrikanten-haushalt zu tun und zu lassen hatte. Dieser Haushalt wur-de streng nach den koscheren Vorschriften geführt. Im Ge-gensatz dazu stehen die Erlebnisse eines Dorfbewohnersaus dem Vorspessart, der sich als „Schabbes-Goj“5 beiseinen jüdischen Nachbarn nützlich machte. Die Juden inseinem Dorf lebten zu jener Zeit, also zu Beginn der 1930erJahre, bereits vollkommen assimiliert.

Die beiden Medien –Text und Hörbild – sind hauptsäch-lich als Ergänzung zur gegenständlichen Ausstellung zuverstehen. Manchmal füllen zwar nur wenige Stücke dieVitrinen, sie werden dafür aber effektvoll präsentiert, wasihren hervorgehobenen Charakter unterstreichen soll: Das

ist die Idee des „Feinkostladens“. Dagegen kann das Pu-blikum an anderer Stelle wieder eine Fülle von Exponatenbewundern. Dieser Wechsel hält die Besucher „wach“und bei Laune. Die strenge Rücksichtnahme auf die vor-gegebene bauliche Situation erzwang an einer Stelle eineAufstellung in der Manier einer Studiensammlung. Gleich-zeitig ist diese Präsentation der Glas- und Keramik-sammlung auch Programm: Massenprodukte, die auchbei uns im Museum als Masse vorhanden sind. Die heut-zutage oft bemühten Inszenierungen finden in Miltenbergnur sparsame Anwendung, streng nach dem Motto: „We-niger ist oft mehr.“

Die größte und zugleich wichtigste Preziose des Mu-seums ist und bleibt das Gebäude selbst. Durch die rela-tiv lange Umbauzeit ergab sich die Möglichkeit, immer

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Mainnachen mit Wurfgarn und Stellnetz

wieder neu auftauchende Befunde und bauliche Beson-derheiten zu konservieren und ins Konzept einfließen zulassen. So entstand quasi als „Abfallprodukt“ der intensi-ven Bauforschung und Befunduntersuchungen ein zwei-ter Rundgang, in dessen Mittelpunkt die Baugeschichtesteht. Als besonders eindrucksvoll darf in diesem Zusam-menhang die „Haus-im-Haus-Situation“ genannt werden,wobei der Betrachter im ersten Stock den herausge-schälten Ursprungsbau von 1541 mit den später ange-fügten Bauteilen sehen kann.

Aus dem Leitmotiv der Einheit zwischen altem Haus undmodernem Museum – respektive Präsentation – erwuchsein spannender Dialog zwischen Gebäude und Samm-lung. Diesem Dialog nachzuspüren, ist der Besucher auf-gerufen.

Inzwischen hat das Haus am „Schnatterloch“ seinen fest-en Platz im kulturellen Leben der Stadt. Ständig wech-selnde Sonderausstellungen sowohl kulturhistorischer alsauch künstlerischer Art, letztere oft in Zusammenarbeitmit einer ortsansässigen Galerie, locken auch Gäste ausentfernteren Regionen an. Zu den Ausstellungen gibt espassende Begleitprogramme. Lesungen, Konzerte, Jazz-frühschoppen, Veranstaltungen während des Altstadtfe-stes oder zur Zeit des Weihnachtsmarktes und das Mu-seumsfest runden das Angebot ab. Geradezu zu einem„Renner“ entwickelte sich unsere museumspädagogi-sche Werkstatt, die Schüler aus dem gesamten LandkreisMiltenberg besuchen. Hier unterstützt uns der Freundes-

kreis Museum sehr, ohne dessen Hilfe dieser pädagogi-sche Dienst in diesem Umfang nicht möglich wäre. DieLandesstelle für die nichtstaatlichen Museen hat die ge-samte Planung und Neuaufstellung mit Rat, Tat und spür-baren finanziellen Mitteln begleitet.

1999 erhielt das Haus als Lohn für seine Bemühungenden Bayerischen Museumspreis zuerkannt.

Hermann Neubert

Anmerkungen

1 von mhd. snat(t)e = Schnitt, Grenze einer Flur, eines Waldes;vgl. Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deut-schen Sprache, Berlin 1989, S. 646

2 Höynck, Klaus M.: Balkon der Stadtgeschichte am „Schnat-terloch“, in: Frankenland 5 (1999), S. 382ff

3 Neubert, Hermann: Das Museum der Stadt Miltenberg. EinSchmuckstück der fränkischen Museumslandschaft, in: Schö-nere Heimat 4 (1999), S. 229ff

4 Erich, Oswald A.: Die deutschen Museen, Band 1, Die Museenin Bayern, Berlin 1939, S. 241

5 Verbotene Arbeiten am Sabbat ließ man von einem Nichtjudenverrichten, meist christlichen Jungen.

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Inszenierung „Landwehrkapelle“

Museum der Stadt Miltenberg,Marktplatz 169-175, 63897 Miltenberg,Tel. u. Fax 09371/404153, E-mail: [email protected]

Öffnungszeiten:Mai bis Oktober Dienstag bis Sonntag 11-17 Uhr,November bis April Mitwoch bis Sonntag 11-16 Uhr

„WELTERFOLG NÄHMASCHINE“.ZUR NEUERÖFFNUNG EINER SPEZIALABTEILUNG IM STADTMUSEUM GEROLZHOFENOder: Was haben Nähmaschinen mit Gerolzhofen zu tun?

Die Ausgangssituation: Das „Heimatmuseum“ im „Alten Rathaus“

Im Jahr 1978 eröffnete die Stadt Gerolzhofen im „AltenRathaus“, einem dominierend am historischen Marktplatzgelegenen Gebäude des ausgehenden 15. Jahrhunderts,ein Museum mit rund 500 m2 Präsentationsfläche. „Aus-gestellt sind Sammlungen zu Geologie, Vor- und Frühge-schichte und Stadtentwicklung, Zeugnisse der Volks-frömmigkeit sowie landwirtschaftliche Geräte. 1984 er-weiterte ein Lapidarium mit Steinmetz- und Bildhauerar-beiten von der Gotik bis zum Rokoko das Museum. Auchein kleines Schulmuseum mit einem Klassenzimmer,Lehrmitteln, Erzeugnissen der Handarbeitsstunden undStrafarbeiten ist hier zu sehen.“1 Die Museumsräume um-fassen bis heute den Keller, das gesamte 1. Oberge-schoß, einen Großteil des 2. Obergeschosses mit Aus-nahme des hier befindlichen Sitzungs- und Trausaals,und das Dachgeschoß. In der Eingangshalle im Parterre,der so genannten „Rüstkammer“, ist die städtische Touri-steninformation eingerichtet, welche die tägliche Öffnungdes Museums gewährleistet. Hier finden auch Wechsel-ausstellungen und kulturelle Veranstaltungen statt.

Der seither im Museum unter Änderungen und Ergänzun-gen präsentierte Sammlungsbestand bot kontinuierlicheinen Querschnitt durch die Ergebnisse heimatbezogenerSammelstrategien. Zusammengetragen und ausgestelltwurden im wesentlichen alle Objekte mit direktem Bezugzur Geschichte des Ortes und der näheren Umgebung. Die-se lokal- oder regionalzentrierte Sammlungsausrichtungspiegelte sich auch in der thematischen Gliederung derMuseumsabteilungen wider, z. B. in den traditionellen The-mengruppen zur „Geologie“ und „Vor- und Frühgeschich-te“. Zum Teil konnte die Verortung der Themen im Gebäu-de an historische Raumnutzungsformen angelehnt werden,wie etwa bei der Einrichtung eines historischen Schulzim-mers im 2. Obergeschoß (einem Stockwerk über demfrüher tatsächlich als Schulsaal genutzten Raum), oder eswurde eine solche Nutzung suggeriert, beispielsweise inder Inszenierung einer Küche im Heizraum des Ofens (Hin-terlader) zum „Großen Ratssaal“. Letztlich bestimmtenauch konservatorische Überlegungen die räumliche Vertei-lung der Themen, wie im Fall einer Sammlung von relativunempfindlichem land- und hauswirtschaftlichem Gerätsowie Werkzeugen und Produkten des Handwerks, die imklimatisch ungeregelten Dachgeschoß Aufstellung fand.

Im Vordergrund des Interesses der Museumsbegründerstand insgesamt weniger ein aus dem Exponatbestandheraus entwickeltes, wissenschaftlich überarbeitetes undmuseumsdidaktisch ausgerichtetes Konzept, sondernvielmehr die möglichst umfassende Präsentation des Mu-

seumsgutes. Jedes Exponat war ausstellungsrelevant,weil jedes Exponat in einer bestimmten Beziehung zuPersönlichkeiten und Ereignissen der Heimat- und Lokal-geschichte stand. Auf ein informatives Textsystem zu denObjekten und Themen wurde zu Gunsten der verbalen In-formationsvermittlung bei geführten Museumsbesuchenweitestgehend verzichtet. Die Stadt Gerolzhofen verfügtedamit über ein geradezu klassisches „Heimatmuseum“,das mit zum Teil hochwertigen Beständen die Vergangen-heit einer fränkischen Kleinstadt als einen eigenen in sichgeschlossenen Kosmos dokumentierte.

Diese Strukturen, verschärft durch eine mangelhafte De-potsituation, die kaum Auswechslungen im Exponatbe-stand erlaubte, wurden im wesentlichen seit 1978 bzw.1984 unverändert bis zur Neukonzeptionierung eines Teilsdes Museums 1998/2000 sowie der Neueinrichtung einesMuseumsdepots beibehalten.

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Das „Alte Rathaus“ Gerolzhofen, Sitz des Stadtmuseums

Der Neuzugang: Die Sammlung Otto Landgraf

Im Oktober 1997 stellten das Kulturbüro FranKonzept aufAnregung des damaligen Museumsleiters und Restaura-tors Udo Cox in einem persönlichen Treffen einen erstenKontakt zwischen dem Privatsammler Otto Landgraf ausDittelbrunn bei Schweinfurt und der Stadt Gerolzhofen her.Der bis zu seiner Pensionierung in leitender Position beiden damaligen Meister-Nähmaschinenwerken in Schwein-furt beschäftigte Sammler hatte zu diesem Zeitpunkt be-reits mehrfach Kontakt zu verschiedenen Museen in derAbsicht aufgenommen, seine Sammlung als Schenkungfür eine dauerhafte museale Präsentation zu übergeben.

Die Landgrafsche Sammlung umfaßt im Kern über 200Haushalts-, Gewerbe- und Kindernähmaschinen, ergänztvon einem zusätzlichen Sammlungskonvolut rund um dasThema „Nähen“, zu dem Werbeplakate für Nähmaschi-nen, Zubehördosen, Nadelhefte, Zusatz- und Hilfsappara-te sowie zahlreiches weiteres Begleitmaterial vom Raten-

zahlungsvertrag bis zur Gebrauchsanleitung zählen. DieObjekte datieren zwischen 1859 und den 1980er Jahren,ausgenommen eine Anzahl Nähnadeln aus römischer Zeit.

Die positive Resonanz im städtischen Kulturausschuß aufdie erste Sammlungsbesichtigung sowie das Zusammen-treffen von Schenkungsangebot einerseits und dem in Ge-rolzhofen in den vorangegangenen Monaten gewachsenenmusealen Umgestaltungswunsch andererseits führten als-bald zu einer Einigung zwischen dem Sammler und derStadt. Bereits im Frühjahr 1998 konnte das vertraglich fest-geschriebene Schenkungsgut in ein neu eingerichtetes Mu-seumsdepot nach Gerolzhofen überführt und dort unterMithilfe des Sammlers in ehrenamtlicher Arbeit inventari-siert werden. Verwendung fand dabei ein von diesem selbstentworfenes Inventarblatt, das zwar in technischer Hinsichtumfassende Informationen abfragte, jedoch einige Lückenin kulturhistorischer und museumswissenschaftlicher Hin-sicht aufwies. Diese konnten jedoch während der Konzep-tionsphase noch geschlossen werden. Einmal mehr zeigte

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Blick in die Abteilung zur Verwendung der Nähmaschine (Haushalt)

sich hier die Bedeutung einer sorgfältigen Inventarisierungals Basis konstruktiver Konzeptionsarbeit. Die Konzeption:Eine Aufgabe und ihre Lösung, oder: Was haben Nähma-schinen mit Gerolzhofen zu tun?

Konzeption

Das Büro FranKonzept wurde 1998 mit der Aufgabe be-traut, für das gesamte 1. Obergeschoß im Museum „AltesRathaus“, mithin eine Ausstellungsfläche von etwas über200 m2, eine museale Neukonzeptionierung auf der Grund-lage des Landgrafschen Sammlungsbestandes sowie unterEinbindung der übrigen Museumsbestände zu entwickelnund einen deutlichen Lokalbezug herauszuarbeiten.2

Den methodischen Ausgangspunkt des musealen Kon-zeptionsprozesses markierte die kulturhistorisch relevan-te Fragestellung nach den sozialen, gesellschaftlichenund wirtschaftlichen Auswirkungen der Einführung undNutzung der Nähmaschine seit der Mitte des 19. Jahr-hunderts in einer fränkischen Kleinstadt. Dieser konzep-tionelle Ansatz, der den geschichtlichen Blick immer wie-der auf die lokalen Verhältnisse fokussierte, führte zu ei-ner spannungsreichen Symbiose von Weltgeschichte ei-nerseits und Ortsgeschichte andererseits. Auf diese Wei-se konnte der geschlossene Kosmos der Heimatge-schichte aufgebrochen werden. Gerolzhofens Vergangen-heit wurde Teil einer universelleren Geschichte, ohne daßsich in dieser die historische Identität der Stadt verlorenhätte. Den Weg zur thematischen Gliederung und Ge-wichtung der Ausstellungsabschnitte wiesen daher dieallgemeinhistorischen Fakten zur Erfindung, Einführung,Herstellung, zu Vertrieb und Einsatz der Nähmaschine so-wie ihre technikgeschichtliche Bedeutung als erstes glo-bales Massenprodukt. Die zeitintensive lokalgeschichtli-che Recherche wurde in enger Absprache mit den Konzi-pienten und bei genauer Abstimmung auf das Ausstel-lungskonzept den Mitgliedern des „Museumsarbeitskrei-ses“ unter der neuen Museumsleitung zur ehrenamtlichenBearbeitung übertragen. Die Ergebnisse des bemerkens-werten Engagements der fachlichen Laien konnten so alsein bedeutsamer Teilaspekt in die Gesamtkonzeption ein-gebunden werden.

Ein erster konzeptioneller Zwischenschritt wurde nachmehrmonatiger Arbeit mit der Vorstellung eines Rahmen-konzeptes erreicht, das große Zustimmung fand und denAusgangspunkt für die weitere museale Feinkonzeptio-nierung bildete. Gerade diese Vorgehensweise in Einzel-schritten während der Konzeptionsphase bot die optima-le Voraussetzung zur Einbindung der sich im Laufe derweiteren Forschungsarbeiten gerade im Bereich der Lo-kalrecherche stets neu ergebenden Erkenntnisse.

Innenarchitektur

Innerhalb eines halben Jahres gelang es, auch das Fein-konzept zum Abschluß zu bringen und daraufhin die Zu-sammenarbeit mit dem beauftragten Innenarchitektenaufzunehmen. Dieser reagierte auf die konzeptionellenVorgaben hinsichtlich der Themenverteilung im Raum,der vorgesehenen Führungslinie und den Anforderungender Exponate mit der Entwicklung einer Ausstellungsar-chitektur, die die kräftigen Gliederungsstrukturen desAusstellungsraumes negierte und selbst raumbildendeFunktionen übernahm. Die vorgegebenen Inszenierun-gen, etwa ein Schaustellerzelt oder eine Nähmaschinen-handlung, sowie die didaktischen Hilfsmittel wurden inenger Zusammenarbeit weiterentwickelt und dem archi-tektonischen System eingegliedert. Auf die Forderung

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Nähmaschinen als Jahrmarktsattraktion: Das älteste Stück derSammlung aus dem Jahr 1859

nach der Präsentation einer repräsentativen Anzahl Land-grafscher Nähmaschinen in Form einer Studiensammlungantwortete der Innenarchitekt mit einer den Museums-rundgang durchgängig begleitenden „Schauwand“. Dentechnisch kühlen Charakter der ausgestellten Nähma-schinen aufgreifend, sind die klaren Schwarz-Weiß-Kon-traste der Ausstellungsarchitektur gemeinsam mit derpragmatischen Bodenbehandlung mit Gussasphalt in derLage, eine sachliche Atmosphäre im Raum zu verbreitenund damit den Besucher auch emotional auf das Ausstel-lungsthema einzustimmen.

Texte

Parallel zur Entwicklung der Innenarchitektur erfolgte dieTexterstellung durch die Konzipienten. Aus der Gesamt-konzeption wurde ein Textsystem entwickelt, das überunterschiedliche Textgattungen Informationen zielgenauan verschiedene Besuchergruppen vermittelt. Überge-ordnete Fang- und Infotexte auf großen Stoffahnen gebenzu jedem Thema eine knappe Einführung und erleichternallen Besuchern die Orientierung. Detailinformationen fürtiefergehend oder speziell Interessierte finden sich aufausführlichen Objekt- und Exponattexten und letztlich

richten sich Zeitungen mit „Historischen Lokalnachrich-ten“, die an Lesetischen ausliegen, an lokalhistorisch in-teressierte, insbesondere an einheimische Besucher. Ver-einzelt und gezielt eingesetzte großformatige Schlagwort-wände mit plakativer Wirkung sollen durch prägnanteWorte und Kurzsätze jeden Besucher zur aktiven Refle-xion über rezipierte Ausstellungsinhalte provozieren.

Der Rundgang: Eine Führung durch die Ausstellung

In der Anlage des Ausstellungsrundganges wurden zweiVarianten der Besucherführung miteinander verbunden:So erschließen sich die ersten beiden Ausstellungsblöckeentlang einer chronologisch angeordneten, stringentenFührungslinie. Der dritte und größte Block hingegen er-laubt Abweichungen vom „idealen“ Rundgang und för-dert die freie Bewegung des Museumsbesuchers zu Gun-sten einer individuell bestimmten Hinwendung zu dendargestellten Teilaspekten.

Inhaltlich gliedert sich die Ausstellung also in drei The-menblöcke. Jeder Themenblock bildet eine komplexeAusstellungsabteilung, die sich von den übrigen durchfarblich-grafische Gestaltungsmerkmale unterscheidet.Jeder Block wird seinerseits wieder aus drei Hauptthe-men gebildet. In den Themenblöcken 1 (vorindustrielleKleiderherstellung bzw. -handel) und 3 (Auswirkungen derNähmaschine auf den Alltag in einer fränkischen Klein-stadt), die konkrete Bezugnahmen zur Lokalgeschichteerlauben, erfährt jedes Hauptthema eine zusätzliche Un-terteilung in drei Unterthemen. Die Unterthemen bildenisoliert betrachtet einzelne in sich abgeschlossene Ein-heiten und behandeln umfassend Einzelaspekte derHauptthemen, konzeptionell schließen sie sich jedoch zueinem komplexen historischen Gesamtbild zusammen.Begleitet wird der thematisch strukturierte kulturhistori-sche Ausstellungsrundgang durch die erwähnte Studien-sammlung mit herausragenden Einzelstücken aus derNähmaschinensammlung Landgraf.

Ausstellungsblock 1

Thematisch beschäftigt sich die erste Ausstellungsabtei-lung unter den drei Hauptüberschriften „Funktion vonKleidung“, „Herstellung von Kleidung“ und „Handel mitKleidung“ mit den anthropologischen Bedeutungen von(Be-)Kleidung und der Geschichte ihrer Produktion undVermarktung vor dem flächendeckenden Einsatz derNähmaschine. Sie dient somit als Ein- und Hinführungzum eigentlichen Ausstellungsthema und legt konse-quent einen besonderen Schwerpunkt auf die im zeitli-chen Umfeld zur Erfindung der Nähmaschine einsetzen-

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Kunstvoll gestaltete Maschinen des 19. und frühen 20. Jahr-hunderts

den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungs-prozesse. Bezüglich des Umgangs mit Kleidung warendiese Umwälzungsprozesse gekennzeichnet durch denÜbergang von der aufwendigen Handarbeit durch zünf-tisch organisierte Handwerker hin zur preiswerten Kon-fektionsware, die von Kaufleuten vertrieben werden konn-te. Neben Exponaten zum Schneiderhandwerk, zur Tech-nik des Nähens, zur Geschichte des vorwiegend in jüdi-scher Hand liegenden Altkleiderhandels und zur Konfek-tion werden die entsprechenden Inhalte auch durch Ins-zenierungen und interaktive Ausstellungselemente veran-schaulicht. So lädt ein Schneidertisch am Fenster zumpersönlichen Ausprobieren des Schneidersitzes ein undeine Gegenüberstellung von alten Kleidungsstücken und„neuen“ Kleidern, wie sie auf oberschichtlichen Porträtsdes 19. Jahrhunderts dargestellt sind, verdeutlicht densozialen Gegensatz zwischen den „gut-betuchten“ Kun-den des Schneidermeisters und denjenigen des Altklei-derjuden. Zahlreiche Ausstellungsstücke konkretisieren

diese historischen Fakten am Beispiel Gerolzhofens. Sostellt beispielsweise eine gezielte Blickachse aus demAusstellungsraum nach draußen den in mehrfacher Hin-sicht wichtigen Bezug zur historischen Realität vor Orther: Der Blick des Museumsbesuchers trifft auf das ein-stige Wohn- und Geschäftshaus des jüdischen Konfekti-onshändlers Emanuel Lewisohn, der – die Chancen derbayerischen Judenemanzipation und der konfektioniertenMassenkleiderproduktion nutzend – in Gerolzhofen einstattliches Ladengeschäfts einrichtete und damit inner-halb seiner Familiengeschichte den Übergang vom Alt-kleiderhändler zum Textilkaufmann vollzog. Heute beher-bergt das Gebäude eine Filiale der NKD-Kette.

Ausstellungsblock 2

Die zweite Ausstellungsabteilung beleuchtet in den The-menabschnitten „Erfindung“, „Einführung“ und „Produk-tion“ den Entwicklungsprozeß der Nähmaschinentechnik

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Die Nähmaschine als Instrument der geschlechtsspezifischen Erziehung

von den ersten Mechanisierungsversuchen im 18. Jahr-hundert bis zur Massenproduktion der Nähmaschine abder 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die didaktische Ver-mittlung des technischen Vorganges des Maschi-nennähens erfolgt mittels einer um ein sogenanntes Zoe-trop erweiterten Nähmaschine mit Fußantrieb: Eine trick-filmartige grafische Umsetzung des Nähvorgangs machtdem „nähenden“ Museumsbesucher die Verschlingungs-weise von Ober- und Unterfaden sichtbar. Stellvertretendfür die Ein- und Vorführung der Nähmaschine als „Wun-derding“ auf Jahrmärkten und Volksfesten steht die Ins-zenierung eines „Schaustellerzelts“ und die darin einge-bettete und damit zugleich besonders hervorgehobenePräsentation der ältesten Nähmaschine der Sammlung.Gleichzeitig verweist diese Inszenierung aber auch wie-der auf lokalhistorische Ereignisse, indem sie Bezugnimmt auf die für das Jahr 1854 belegte jahrmarktlicheZurschaustellung einer Nähmaschine in der nahen StadtSchweinfurt. Das Durchschreiten dieses Zeltes mit seinergedämpften Raumatmosphäre versteht sich konzeptio-nell als rite-de-passage, die den Ausstellungsbesucheraus der Zeit vor der Verbreitung der Nähmaschine in dieÄra ihrer massenhaften Herstellung und Verwendungführt. Die Gegenüberstellung US-amerikanischer Mas-senproduktion mit ihrer Vorbildwirkung einerseits und deretwas später einsetzenden deutschen Nähmaschinenin-dustrie andererseits bildet räumlich einen schmalen Gangaus, an dessen Ende das Auge des Besuchers unvermit-telt auf ein Folgeprodukt der Nähmaschinenherstellung,das Fahrrad, trifft.

Ausstellungsblock 3

Die Themen der dritten und letzten, um einen offenenPlatz gruppierten Ausstellungsabteilung lauten „Geschäf-te mit der Nähmaschine“, „Unterricht an der Nähmaschi-ne“ und „Arbeit an der Nähmaschine“. In diesem Themen-block ermöglichte eine Vielzahl von Lokalbezügen zu allendort behandelten Themen eine stetige Fokussierung aufdie Alltags- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Gerolzh-ofen, ohne daß dabei der allgemeingültige Charakter derhistorischen Aussagen verlorengegangen wäre. Eineräumlich abgeschlossene Ladeninszenierung enthält Ex-ponate rund um den Handel mit Nähmaschinen. Hier trifftder Ausstellungsbesucher immer wieder auf lokale Näh-maschinenverkäufer und deren Verkaufsstrategien, wobeider Werbefilm eines örtlichen Händlers aus dem Jahr 1928als besonderes Highlight genannt werden muß. Darüberhinaus bietet eine zweite Blickachse aus dem Museumdirekten Augenkontakt zum ehemaligen Geschäftshausdes ersten Gerolzhöfer Nähmaschinenhändlers, der sichab 1877 diesem Geschäftzweig gewidmet hatte. Ein mitExponaten bestückter Ladentresen läßt dem Besucher

freie Hand beim Entdecken historischen Nähmaschinen-zubehörs in den zahlreichen Tresenschubladen. Das mas-sive Bewerben des Produkts Nähmaschine durch Plakateund Annoncen, wie sie in der Ausstellung zu sehen sind,setzte angesichts der starken Konkurrenz in diesem Wirt-schaftssektor bereits an den Schulen ein, wo Werbearti-kel, wie z. B. Stundenpläne der Firma Pfaff, die Schülerin-nen frühzeitig an den Markennamen binden wollten.

Eine umfangreiche Sammlung von Kindernähmaschinenbelegt deren Bedeutung für die geschlechtsspezifischeErziehung, wie sie auch an der um 1920 datierenden Fo-tografie einer Gerolzhöfer Kindergartengruppe abgelesenwerden kann: Während die Jungen Schaukelpferde rei-ten, sitzt ein Mädchen an der Kindernähmaschine. Das inder Erziehung bereits angelegte Idealbild der fleißigenund sparsamen Hausfrau wird in der Darstellung der ver-schiedenen Einsatzmöglichkeiten der Nähmaschine inHaushalt und Gewerbe konkretisiert und reflektiert. Not-kleider des Sommers 1945 aus Bettwäsche und Stoffre-sten stehen zeichenhaft für die gesteigerte Bedeutungder Nähmaschine in Notzeiten, neben ihrem Einsatz inder gewerblichen Heimarbeit oder der Hobbyschneiderei.Die zurückhaltende, als Aufzählung zu begreifende Vitri-neninszenierung der handwerklichen Schuhmachereisteht synonym für den häufigen Einsatz der Nähmaschi-ne, insbesondere ihrer Spezialausführungen, in Handwerkund Gewerbe. Das Abschlußbild der Ausstellung prägendie sachlich und klar präsentierten, ästhetisch reizvollenletzten Zeugnisse maschineller Kleidungsherstellung inGerolzhofen: Es handelt sich dabei um angeschmorteTextilreste aus der 1972 bei einem Großfeuer vernichteten

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Nähmaschinenwerbung

örtlichen Strickwarenfabrik. Im Zusammenspiel mit denbenachbarten Schlagworten „Strukturkrise“, „Kinderar-beit“ und „Made in Taiwan“ wird im Idealfall die von denungewöhnlichen Exponaten beim Ausstellungsbesucherverursachte Irritation gerade so weit wieder aufgehoben,wie es nötig ist, um Anstöße zur aktiven individuellenNachbetrachtung zu geben.

Das Ergebnis: Ein neues „Stadtmuseum“ im „Alten Rathaus“

Bei der Auftragserteilung zur Neukonzeptionierung des 1.Obergeschosses im „Alten Rathaus“ war der StadtGerolzhofen als Auftraggeber klar, daß damit eine „Um-gestaltung des Heimatmuseums“ einhergehen sollte. Das„Heimatmuseum“ war aufgrund seines Charakters alsSammel- und Präsentationsort jedweder historischerSachzeugnisse von lokaler und regionaler Relevanz bis-lang zu Recht als solches im Bewußtsein der Stadt undihrer Bürgerschaft verankert. Eine „Umgestaltung“ konn-te und durfte sich jedoch nicht auf rein formale Maßnah-men, z. B. auf eine Modernisierung der Innenarchitektur,beschränken, sie mußte auch das bisherige Verständnisvon den Aufgaben und Zielen des Museums selbst ver-ändern und „modernisieren“. Die Aufnahme der Samm-lung Landgraf, deren Objekte keinen direkten Bezug zurLokalgeschichte aufweisen konnten, zeugte von der Be-reitschaft der Stadt, ein Umdenken einzuleiten und denmusealen „Regiozentrismus“ zu Gunsten kulturhistori-scher Weitsicht aufzubrechen. Diese Grundhaltung wurdedurch den methodischen Konzeptionsansatz, der dieAuswirkungen globaler Ereignisse auf eine fränkischeKleinstadt untersuchte und damit den Mikrokosmos derLokal- und Regionalgeschichte in übergeordnete Zusam-menhänge stellte, bewußt unterstützt. Das weltabge-schiedene Fleckchen Vergangenheit namens „Heimatge-schichte“ sollte fortan einen eigenständigen Aspekt imRahmen größerer Entwicklungen bilden. Die „Umgestal-tung des Heimatmuseums“ beinhaltete daher auch dievorsichtige Abkehr von einem traditionell gefaßten „Hei-mat“-Begriff, der diskussionslos und unreflektiert zumeistmehr Verwirrung stiftet als historische Aufklärung leistet.

Die Fokussierung des Ausstellungsthemas „Nähmaschi-ne“ auf die spezifischen historischen Erscheinungen undEreignisse im Sozial- und Wirtschaftsgefüge der Stadt er-laubte ganz neue, bislang verborgene Einblicke in das Ar-beiten und Leben der Gerolzhöfer während der letzten150 Jahre. Planung und Realisation der Ausstellung bo-ten direkten Anlaß zu historischen Streifzügen durch ört-liches Quellen- bzw. Archivmaterial sowie durch Kellerund Dachböden. Diese von den Konzeptionsarbeiten

ausgelöste Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichteregte die Beteiligten nicht selten zur individuellen Reflexi-on über die persönliche und familiäre Vergangenheit an.Bereits im Vorfeld der Ausstellungseröffnung stellte sichhier ein didaktischer Erfolg ein, wie er eigentlich erst voneinem Besuch der fertigen Ausstellung hätte erhofft wer-den können. Das im Verlauf der Arbeiten wachsende ge-schichtliche (Selbst-) Verständnis und (Selbst-) Bewußt-sein bei Stadt und Bürgern wirkte sich positiv auf die Er-wartungshaltung bis zur Ausstellungseröffnung hin aus.Die moderne Museumskonzeption und die individuelleAusstellungsarchitektur führten zu der langsam reifendenErkenntnis, mit der neuen Ausstellung dem alten „Heim-atmuseum“ eine andere Bedeutung gegeben zu haben,die ihren abschließenden Ausdruck in der wie selbstver-ständlich vollzogenen Namensänderung für das Museum„Altes Rathaus“ fand: Aus dem einstigen „Heimatmuse-um“ wurde das „Stadtmuseum Gerolzhofen“. Hier prä-sentiert sich seit Oktober 2000 die neue Dauerausstellungunter dem Titel „Welterfolg Nähmaschine – Vom armenSchneiderlein zur Kleiderfabrik“.3

Dagmar Stonus und Jochen Ramming

Anmerkungen

1 Museen in Bayern. Ein Führer zu rund 1000 kunst- und kultur-historischen, archäologischen und technischen Museen, na-turkundlichen Sammlungen, Freilicht- und Bauernhofmuseen,Schlössern und Burgen, Hrsg. Landesstelle für die nichtstaat-lichen Museen in Bayern, München 21997, S.137

2 Die neue Dauerausstellung „Welterfolg Nähmaschine – Vomarmen Schneiderlein zur Kleiderfabrik“ stellt nur eine Abteilungdes Museums dar. Weitere Abteilungen sind: „Schulmuseum“,„Vor- und Frühgeschichte“ (in Planung) sowie Sammlungen zuden Themen „Frömmigkeit“, „Hausrat“, „Land- und hauswirt-schaftliches Gerät“ und „Handwerk“

3 Impressum zur neuen Dauerausstellung:Konzeption & Texte: FranKonzept – Dagmar Stonus, M. A. undJochen Ramming, M. A., WürzburgLokalrecherche: Museumsarbeitskreis GerolzhofenInnenarchitektur: Dipl. Ing. Achim Hack, SchweinfurtGrafik: Jünger + Michel, Berlin

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Stadtmuseum Gerolzhofen, Marktplatz 20, 97447Gerolzhofen, Tel. 09382/6105 u. 60735, Fax 6105

Öffnungszeiten:Montag bis Freitag 8-12 und 13-16 Uhr, Samstag11-12 und 15-17 Uhr, Sonntag 14-16 Uhr

GLAS AUS DEM SPESSARTEine neue Abteilung im Spessartmuseum Lohr a. Main

Nach langer Planung endlich Wirklichkeit: die neue Abtei-lung „Glas aus dem Spessart“, das „Glanzstück“ desSpessartmuseums in Lohr am Main.

„Mensch und Wald“ ist das allgemeine Thema des imLohrer Schloß untergebrachten, heute vom LandkreisMain-Spessart getragenen Museums. Es führt auf vierEbenen in exemplarischer Form das wirtschaftliche, so-ziale und kulturelle Leben im Waldgebiet Spessart vomMittelalter bis zur Gegenwart vor. Dabei spielte die Glas-produktion seit dem 11./12. Jahrhundert eine bedeuten-de Rolle.

Bereits bei der Gründung des „Heimat- und Spessartmu-seums“ 1936 durch den Gewerbeschullehrer Oskar Bau-er stellten Hohlgläser aus der Waldregion einen bedeu-tenden Kernbestand des Hauses dar. Bauer konnte siegroßenteils noch direkt aus Privatbesitz Spessarter Haus-haltungen sammeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurdendurch Ankauf von Privat und aus dem Kunsthandel, durchLeihgaben und Schenkungen, mit Unterstützung einzel-ner Bürger, Stiftungen und öffentlicher Institutionen wei-tere Stücke erworben; dabei bezogen Bauers Nachfolgerhistorisches Flachglas, Spiegel, Spiegelmöbel, Hinter-glasbilder und Fensterscheiben in die Sammlung ein.

Auch nach der systematischen Neukonzipierung desSpessartmuseums ab 1980, die das Thema „Mensch undWald“ in einzelne entfaltungslogisch aufeinander folgen-de, jeweils bestimmten Räumen oder Raumgruppen zu-geordnete Aspekte aufgliederte, blieb jedoch eine didak-tisch und ästhetisch befriedigende Aufstellung des Glas-bestandes zunächst bloße Wunschvorstellung. Erst alsdie dafür vorgesehenen Schloßbereiche durch die Bau-abteilung des Landkreises saniert und von ehemaligen

Verwaltungs- zu museal nutzbaren Räumen umgebautworden waren, konnte 1999 die Gestaltung einer eigenenAbteilung „Glas aus dem Spessart“ beginnen. Das Kon-zept wurde wesentlich vom früheren Museumsleiter Wer-ner Loibl und dem Kunsthistoriker Dr. Leonhard Tomczyksowie dem derzeitigen Museumsleiter Herbert Bald erar-beitet. Die Realisierung geschah größtenteils in betriebli-cher Eigenleistung. So wurden z. B. sämtliche Vitrinenund Verglasungen mit den jeweils nötigen sicherheits-technischen und ästhetischen Einrichtungen vom Mu-seumstechniker Reinhold Scherg selbst entworfen undgebaut. Unterstützung kam von privater wie öffentlicherSeite, besonders von der Landesstelle für die nichtstaat-lichen Museen in Bayern, sowohl in finanzieller Hinsicht,als auch durch wertvolle gestalterische und präsentati-onstechnische Ratschläge (Dr. A. Gribl, R. Werner). Im Ju-ni dieses Jahres stellte das Museum seine neue Glasab-teilung, elf Räume mit rund 2.000 Objekten auf 350 m2

Fläche, der Öffentlichkeit vor.

Wie in seinen anderen Bereichen, beschränkt sich dasSpessartmuseum auch beim Thema Glas nicht auf dasAusstellen fertiger Artefakte. Das Leben der Produzentenund Benutzer, die Bezüge zur Kulturlandschaft Spessartin ihrer historischen Entwicklung sollen „durchsichtig“ ge-macht werden. Die Besucher erfahren in einem einführen-den Raum zunächst eine Konfrontation mit der Vielfaltgläserner Erzeugnisse in Vergangenheit und Gegenwart:von der Guckkastenlinse über das Glasauge bis zum Pro-jektionssystem, vom gläsernen Teller über die Fenster-scheibe bis zum Heiligenfigürchen aus Glas mit Goldauf-lage. Der Auftaktraum ist zugleich didaktisch für Video-vorführungen (auf gläsernem Bildschirm) nutzbar.

Es folgt als nächste Station des Rundgangs die Darstel-lung des Materials Glas in seiner chemisch-physikali-schen Beschaffenheit und die Erklärung, warum es aus-gerechnet im Spessart (und anderen Waldgebieten) seitdem Mittelalter Glashütten gab: Den Zusammenhang vonHolz als Brennstoff für die Schmelzöfen und der Glaspro-duktion verdeutlicht das Großphoto von Fundamenten ei-ner ausgegrabenen Ofenanlage mitten im Spessart. Zu-geordnet sind, präsentiert in einem nachgestalteten„Waldboden“, Brüchlinge unterschiedlicher Glastypen,die seit den 1970er Jahren gefunden wurden und einenÜberblick über die Produktpalette der Glasmacherei seitdem Mittelalter geben.

Vom Rohstoff- und Energieaspekt werden die Besucherweitergeführt zum Produktionsprozeß des Glases, darge-stellt durch Modelle im Maßstab 1:1 sowie Originalwerk-zeuge in einer bühnenhaft angedeuteten Werkstatt. DieFolge von Blasen, Formen und Abkühlen war seit Jahr-

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Das Schloß in Lohr a. Main, Sitz des Spessart-Museums

hunderten unverändert. Für heutige Betrachter immerwieder frappierend ist, mit welch einfacher, geradezu pri-mitiv anmutender Ausrüstung die Glasmacher frühererZeiten die in Form und Dekor komplexesten Objekte her-zustellen wußten. Eine Auswahl zeigen die folgendenRäume. „Klassische Vitrinenpräsentation“ führt in denGrundformen Becher, Kelch, Karaffe und Flasche dieganze Bandbreite der Spessarter Glasmacherei vor. Sielieferte einfache Gebrauchsgüter ebenso wie Luxuser-zeugnisse für die fürstliche oder großbürgerliche Tafel. Ei-ne spezielle Variante solcher Luxusgläser, Produkte des17. und 18. Jahrhunderts „à la façon de Venise“, alsonach venezianischer Mode gestaltet, wird besonders ins-zeniert. Vor dem vergrößerten Repro eines holländischenGenrebildes mit einer fröhlich zechenden – weil wohlha-benden – Gesellschaft ist ein Tisch mit den gleichen Glas-typen aufgebaut, die von der abgebildeten Tafelrunde be-nutzt werden. Der erläuternde Text informiert die Mu-seumsbesucher über den Kundenkreis, der diese teurenProdukte erwarb und weist auf die lange bestehendeHandelsverbindung zwischen der GlasmacherregionSpessart und den Niederlanden hin.

Die folgende Abteilung zeigt in originalen Einrichtungenaus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Glasbehälterund -geräte aus dem Bereich Drogerie, Apotheke und La-bor, darunter eine umfangreiche Sammlung historischer„Abgabegefäße“ (Medizinfläschchen u. ä.); da diese inder Regel nach Gebrauch weggeworfen wurden, sind sol-che Stücke heute sehr gesucht.

Der Rundgang führt weiter zu den „Schatzkammern“ derAbteilung, die einen starken Kontrast setzen. Zwei in Blaugehaltene Räume inszenieren emailbemalte und in ver-schiedenen anderen Techniken verzierte Produkte des16. bis 19. Jahrhunderts in ihrem aus dem Alltag „her-ausragenden“ Kunstcharakter. Punktuelle Beleuchtungder in Stelenvitrinen untergebrachten Objekte im anson-sten stark abgedunkelten Raum betont den scheinbarans Immaterielle grenzenden Charakter des Glases; gera-de das Widerspiel von Sichtbarkeit und Durchsichtigkeitder Form macht seine ästhetische Faszination in Vergan-genheit und Gegenwart aus. Thematisch behandeln dieRäume den Aspekt „Dekortechniken“; sie werden aufzurückhaltend separat beleuchteten Tafeln (Schrift weißauf blau) erläutert.

Am Ende des Bereichs „Hohlglas“ steht – wieder ein Kon-trast zur vorigen Inszenierung – die Geschichte der letz-ten traditionellen Glashütten im Spessart, speziell vonEinsiedel im Hafenlohrtal. Aufgrund der günstigen Quel-lenlage zu dieser Hütte ließen sich detaillierte Informatio-nen über technische Ausstattung, Produktpalette, Absatz

sowie innerbetriebliche Organisation und die – heute teil-weise skandalös anmutenden – Lebensumstände derGlasmacher gewinnen. Sie werden mit Hilfe von Erzeug-nissen, Fotografien, Zeichnungen und eines Dorfmodellsdokumentiert. Das 1807 bis 1889 arbeitende Unterneh-men stand am Übergang von der handwerklichen zur in-dustriellen Produktionsweise, die sich dann 1890 in Lohretablierte; die dortige Fabrik übernahm einen Teil des Ein-siedeler Personals. Die Firma „Spessart Glas“ führt dieHistorie bis in die Gegenwart fort.

Nach dem Bereich „Hohlglas“ wird mit der Darstellungder historischen Flachglasproduktion ein neues Kapitelaufgeschlagen. Anhand von erläuterten Ölgemälden undPlanzeichnungen in einem einführenden Kabinett könnensich die Besucher über den Kapitalgeber der Kurmainzi-schen Spiegelmanufaktur Lohr, Kurfürst Lothar Franz v.Schönborn, den langjährigen Direktor, Guillaume Bru-

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Emailglas (Kurfürstenhumpen), 16. Jh.

ment, samt Familie, die wirtschaftspolitische Bedeutungdes Betriebs und über seine örtliche Lage informieren; erexistierte, verteilt auf mehrere Standorte, mit Lohr undRechtenbach als den wichtigsten, vom Ende des 17. biszum Ende des 18. Jahrhunderts.

Der anschließende große Raum bietet in bühnenhafterVerfremdung den Blick in eine Werkshalle und steht damitin Parallelität zur oben skizzierten Darstellung der Hohl-glasproduktion. Die Szene beherrscht das 1:1-Modell ei-nes Tisches zum Glasplattenguß samt den zugehörigenKran- und Ofenanlagen. Die in Frankreich im 17. Jahr-hundert entwickelte Gußtechnik ermöglichte die Herstel-lung großformatiger, qualitätvoller Fenstergläser undSpiegel und wurde so zur Voraussetzung für den lukrati-ven Betrieb entsprechender Manufakturen. Gußtisch undzugehörige Apparaturen wurden nach Vorlagen aus Dide-rots und d’Alemberts „Encyclopédie“ (1762 ff.) gefertigt.Der Präsentation zugeordnet sind zwei kleine Modelle,die die beiden anderen, älteren Techniken der Flachglas-herstellung illustrieren, das Zylinder- und das „Mondglas-verfahren“. Ein bauseitiges Fenster im Raum ist mit origi-nalen, nach unterschiedlichen Methoden hergestelltenScheiben versehen, die aus Sicherheitsgründen in denmodern verglasten Flügeln eingeschlossen sind. Damitkönnen die Besucher durch gegossene, zylindergeblase-ne oder im Mondglasverfahren geschleuderte Scheibeneinen „historischen Blick“ auf die Lohrer Altstadt werfen.Der sozial-organisatorische Aspekt frühneuzeitlicher Ma-nufakturarbeit wird durch Uhr und Prügelbock, die wich-tigsten Disziplinierungsinstrumente in den komplex struk-turierten, arbeitsteiligen Großbetrieben, symbolhaft dar-gestellt. Auf einem Stehpult, die Verwaltungsebene an-deutend, verweisen ein reproduzierter GeschäftsbriefBruments und eine Karte mit den wichtigsten Abnehmer-orten auf die weitgespannten Handelsbeziehungen derLohrer Manufaktur. Ein Diagramm an der Wand darüberverdeutlicht die Betriebsstruktur; sie entspricht überra-schend genau den modernen Ebenen „Besitzer/Kapitalund Kontrolle“ – „höheres Management“ – „Managementim Mittelbau/Werksleitung vor Ort“ – „Angestellte und Ar-beiter“.

In einem Seitenraum sehen sich die Besucher zunächstvon ihrem eigenen Bild in einem Zerrspiegel empfangen(Objekttext: ICH – Museumsbesucher, Wende 20./21.Jh.): ein Beitrag gegen das Museumsdidaktikern wohlbe-kannte „aktive Dösen“. Thematisch ist der Raum der Wei-terverarbeitung der gegossenen Glasplatten zu Spiegelngewidmet. Dies geschah durch das Schleifen – also dasGegeneinanderbewegen jeweils zweier aufeinander ge-legter Platten mit dazwischengestreutem Sand –, das Po-lieren, das Zuschneiden sowie das Belegen mit Zinn und

(giftigem) Quecksilber; zu diesen Hauptarbeitsgängenkam eine Fülle spezieller Dekorationstechniken hinzu. Diegeräuschvolle und im wahrsten Wortsinn „aufreibende“Arbeit des Schleifens können die Besucher selbst an ei-ner vorbereiteten Installation ausprobieren.

Den Schluß des Abschnitts „Flachglas“ wie des Rund-gangs durch die Glasabteilung überhaupt bilden dasSpiegelzimmer und die Präsentation verspiegelter Möbel.Im Gegensatz zum „Fabrikbereich“ steht hier die „Prezio-seninszenierung“ von Luxusprodukten des 17. und 18.Jahrhunderts. Die wechselseitige Widerspiegelung derObjekte, Vervielfältigung und Brechung der Besucher-Spiegelbilder, das Spiel des Lichts auf den Flächen und inden geschliffenen Ornamenten erzeugen zumindest an-satzweise jenes Ineinander von Irritation und Faszination,das die Autoren früherer Zeiten an den Spiegelkabinettenund -sälen der absolutistischen Bauherren rühmten.

Methodisch gesehen entfaltet sich das Thema beimRundgang durch die Glasabteilung in logisch aufeinan-derfolgenden und ästhetisch kontrastreich gegeneinan-der gesetzten Einheiten gleichermaßen. Die Konzeptionim Ganzen ist nach dem „Vorspiel“ im Einführungsraumentlang einer dramaturgischen Linie angelegt: von der„rohen“ und amorphen Stofflichkeit über die Herstellungeines Produkts durch Arbeit und seine Veredelung bis zurKunst-Welt des schönen Scheins. Diese innere Dynamiksoll an jedem Punkt des Weges durchs Museum Lust ma-chen, weiterzugehen und die Polarität von „Lernen“ und„Unterhaltung“ zusammenfallen lassen. Der Resonanzbei den Besuchern nach zu urteilen, scheint dies mit derGlasabteilung des Spessartmuseums gelungen zu sein.

Herbert Bald

MUSEUMSLANDSCHAFT UNTERFRANKEN44

Spessartmuseum, Schloßplatz 1, 97816 Lohr a. Main,Tel. 09352/2061, Fax 1409

Öffnungszeiten:Dienstag bis Samstag 10-12 und 14-16, Sonn- und Feiertage 10-17 Uhr

DAS BAYERISCHE WIRTSCHAFTSARCHIV UND SEINE BESTÄNDE

Wer als Werbegrafiker der Miederwarenindustrie in den40er und 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts derDamenwelt die Vorzüge eleganter Dessous und sanft for-mender Korseletts nahe bringen wollte, mußte auf allzuPlakatives verzichten. In verführerischer Pose abgebilde-te, nur spärlich mit BH und Slip bekleidete langbeinigeModels im Vierfarb-Hochglanzformat heutiger Damenwä-schekataloge waren damals undenkbar, ja geradezu tabu.Angemessen dezent in Wort und Bild präsentierte dieBranche der figurbewußten Frau die neuesten Errungen-schaften in den einschlägigen Bereichen Halten, Hebenund Stützen. Auch die Coburger Mieder- und Bademo-denfabrik ESCORA hielt sich an diesen Grundsatz. Mitfein gezeichneten, dessous-bewehrten Damenbüsten,deren anmutig-eleganter Liebreiz ESCORA-Modelle zumInbegriff zeitgemäßer Miedermode machte, warb das1862 vom Damenschneider Elias Schmidt gegründeteUnternehmen in seinen Prospekten für bewährte Qua-litätsprodukte. In aller Munde waren die Werbeverse derFirma – etwa das enthusiastische Lob der Kundinnen aufdie Vorzüge der „Büstenhebe Schulterfrei“, einer 1939patentierten Erfindung aus dem Hause ESCORA:

Ich bin begeistert und beglückt,weil mich kein Achselträger drückt,weil meine Schultern frei und glatt,ein Blickfang den man gerne hat.Ich fühle mich wie neu belebt,weil sanft die Brust ESCORA hebt.Bei mir steht´s fest, ich bleib dabei:Ich trag ESCORA Schulterfrei!

Archivgut der Wirtschaft von der Vernichtung bedroht

Diese kulturgeschichtlich wertvollen Zeugnisse ebensoerfolgreichen wie originellen Werbeschaffens sind Be-standteil eines 1997 vom Bayerischen Wirtschaftsarchivin München sichergestellten Restbestandes von Ge-schäftsunterlagen der Firma ESCORA. Bis auf wenigehier aufbewahrte Drucksachen und Fotos kann das Un-ternehmensschriftgut aus der 135jährigen Geschichtedes Coburger Miederwarenherstellers als verloren gelten.Dieser Befund stellt in der bayerischen Unternehmens-landschaft keine Ausnahme dar. Das Schriftgut von tradi-tionsreichen, die Region prägenden Wirtschaftsunterneh-men verschwindet vielfach spurlos. Nur wenige Betriebeleisten sich ein eigenes Firmenarchiv zur Erhaltung undAufbewahrung der für die Unternehmensgeschichtewichtigen Unterlagen. Der Mangel an geeigneten Räum-lichkeiten, innerbetriebliche Sparzwänge, fehlendes ar-chivarisches Know-how, aber auch ein oft wenig ausge-prägtes Geschichts- und Traditionsbewußtsein sind dafür

verantwortlich, daß für die Geschäftstätigkeit nicht mehrbenötigtes Schriftgut der Privatwirtschaft häufig unbese-hen in Altpapiercontainer und Aktenvernichter wandert.

Eine gesetzliche Anbietungspflicht an öffentliche Archive,wie sie etwa das Bayerische Archivgesetz von 1990 fürdas Schriftgut von staatlichen, kommunalen oder sonsti-gen öffentlichen Stellen vorschreibt, existiert für privat-wirtschaftliches Schriftgut nicht. Aus diesem Grund ge-langt solches Material auch nur in seltenen Fällen inStaats- oder Kommunalarchive. Ebenso wie die Schrift-gutüberlieferung der Privatwirtschaft unterliegt auch dieder Wirtschaftsverbände und -vereine vielfach nur un-genügender Pflege. Auch hier geht aufgrund einer oft we-nig fachgerechten und nicht auf Dauer angelegten Regi-straturführung häufig für die historische Forschung wert-volles Material verloren.

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Werbeprospekt der Mieder- und Bademodenfabrik ESCORA inCoburg für die „Büstenhebe schulterfrei“ um 1940 (BWA F 31, 2)

Regionales Wirtschaftsarchiv für den WirtschaftsstandortBayern

Einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung und Pflegevon Archivgut der Wirtschaft in Bayern leistet das Bayeri-sche Wirtschaftsarchiv in München. Es wurde – anknüp-fend an das seit 1986 bestehende IHK-Wirtschaftsarchivfür München und Oberbayern – 1994 als Gemein-schaftseinrichtung aller zehn bayerischen Industrie- undHandelskammern gegründet, ist organisatorisch in die IHKfür München und Oberbayern eingebunden und dort derHauptgeschäftsführung zugeordnet. Es übernimmt Ar-chivgut von Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen,das an seinen Entstehungsstellen nicht entsprechend ge-pflegt werden kann oder von der Vernichtung bedroht ist.Auch Nachlässe und Privatarchive aus dem Bereich derWirtschaft finden Aufnahme. Es verwahrt die übernomme-nen Materialien in gesicherten Magazinen und erschließtsie inhaltlich, macht die gewonnenen Bestände der Wis-senschaft zugänglich, stellt seinen Service aber auch derWirtschaft zur Verfügung und berät beim Aufbau unter-nehmenseigener Archive. Als Einrichtung, die von denbayerischen Industrie- und Handelskammern getragenund weitgehend finanziert wird, betreut das BayerischeWirtschaftsarchiv bislang vorrangig Archivgut im Bereichder kammerzugehörigen Unternehmen. Als solche geltenim wesentlichen Industriebetriebe sowie Unternehmen

aus den Bereichen Handel, Banken, Versicherungen, Ver-kehr und anderen Branchen des Dienstleistungssektors.Nicht erfaßt wird Archivgut des Handwerks, der freien Be-rufe sowie der Land- und Forstwirtschaft.

Die Akquisition von Archivgut bildet – neben der Er-schließung und Benutzerbetreuung – die Hauptaufgabeder archivarischen Arbeit. Es ist ein hohes Maß an Eige-ninitiative erforderlich, um im persönlichen Kontakt zurUnternehmens- oder Verbandsführung Verständnis fürdie Belange der Archivgutpflege zu wecken, die erforder-liche Vertrauensbasis aufzubauen und so die Bereitschaftzur Abgabe von Archivgut – entweder in das Eigentumdes Wirtschaftsarchivs oder als Depositum unter Eigen-tumsvorbehalt – zu erwirken.

Naturgemäß gelingt es nur selten, relativ geschlossen er-haltene Überlieferungen aufzuspüren, welche die Ge-schichte eines Unternehmens oder einer Wirtschaftsor-ganisation von der Gründung bis an die Schwelle der Ge-genwart umfassend dokumentieren. Vielmehr handelt essich bei den sichergestellten Unterlagen meist um mehroder weniger umfangreiche Restbestände, die dankglücklicher Umstände die Zeit überdauert haben. Siespiegeln in unterschiedlicher Dichte verschiedene Phasenund Aspekte der Geschäftstätigkeit wider und bilden da-mit für die wirtschaftshistorische Forschung eine uner-

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Briefkopf der Bayerische Wolldecken-Fabrik Bruckmühl, 1911 (BWA S9, 209)

setzbare Quellengrundlage. Selbst kleinere Überliefe-rungssplitter erweisen sich aufgrund ihres einzigartigenInformationsgehalts als wertvoll.

Diesen Aspekt gilt es im Hinblick auf den Stellenwert derArchivgutpflege der Wirtschaft besonders zu betonen.Zwar bietet das in den Staats- und Kommunalarchivenbefindliche Behördenschriftgut für den Wirtschaftshistori-ker eine Fülle spezifischen Quellenmaterials. Denn mit derbeginnenden Industrialisierung ab der Mitte des 19. Jahr-hunderts führte der Handlungs- und Regulierungsbedarfdes Staates und der Kommunen zu einem ständig wach-senden Schriftverkehr zwischen Unternehmen undBehörden – etwa im Bereich der Gewerbeaufsicht, derGewerbeordnung, der Gewerbekonzessionierung, desgewerblichen Rechtsschutzes, der Besteuerung oder derBauaufsicht. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß diesebehördliche Überlieferung naturgemäß nur bestimmteAspekte des Wirtschaftslebens aus überwiegend amtli-cher Perspektive widerspiegelt. Unverzichtbar ist deshalbfür die wirtschafts-, sozial-, unternehmens- und technik-geschichtliche Forschung der Rückgriff auf originäres Ar-chivgut aus der Wirtschaft selbst – aus Unternehmen,Verbänden und Kammern.

Vielfalt wirtschaftsgeschichtlicher Quellen

Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verfügt gegenwärtigüber Bestände im Umfang von ca. 3.000 Fachbodenme-tern. Darunter befinden sich acht Kammer-, 16 Verbands-und 82 Unternehmensüberlieferungen sowie vier Nach-lässe bzw. Privatarchive.

Die Branchenpalette der vertretenen Unternehmen reichtvon der Brauerei über Bau- und Bankgewerbe, Bäderwe-sen, Buchverlag, chemische Industrie, Feinmechanik,Fremdenverkehr, Glasindustrie, Hutfabrikation, Kunsthan-del, Optik, Schiff-, Traktoren- und Telefonbau bis zur Tex-tilindustrie. Sach- und Korrespondenzakten aus unter-schiedlichen Betriebsabteilungen von der Produktion überden Vertrieb bis hin zum Personal- und Sozialbereich ver-mitteln einen oft detailreichen Einblick in den Geschäfts-betrieb. Geschäftsbücher, Bilanzen und Jahresabschlüssebeleuchten den wirtschaftlichen Erfolg (oder Mißerfolg).Konstruktionszeichnungen und Architekturpläne veran-schaulichen Details maschinenbautechnischer und indus-triebaulicher Entwicklung. Werbedrucksachen wie Pro-spekte, Kataloge, Plakate und Betriebsanleitungen illu-strieren Art und Einsatz der hergestellten Produkte, Fotosdokumentieren die Produktionsanlagen, die Tätigkeit amArbeitsplatz oder das betriebliche Sozialleben. Vereinzeltbefinden sich in den Unternehmensbeständen neben ar-

chivalischer „Flachware“ auch museale Objekte (etwa Ori-ginalprodukte und -verpackungen, Werbeschilder etc.),die sich neben Geschäftsbüchern oder bildlichen Doku-menten besonders für Ausstellungszwecke eignen.

Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert entwickeltensich die Industrie- und Handelskammern durch die zu-nehmende Beanspruchung durch den Staat und ihre ver-stärkte Rolle als Organ der Interessenvertretung dergewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks zu einer wichtigenSchaltstelle im Dienst von Staat und Wirtschaft. Dement-sprechend bieten die im Bayerischen Wirtschaftsarchivvorhandenen und teilweise bis in die zweite Hälfte des19. Jahrhunderts zurückreichenden Aktenbestände baye-rischer Industrie- und Handelskammern (u. a. IHK für

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Katalogblatt der Velociped-Fabrik Jean Strobel in München, um1890 (BWA F/k 13)

München und Oberbayern, IHK für Augsburg und Schwa-ben, IHK zu Coburg, IHK Aschaffenburg, IHK Lindau-Bo-densee) eine aussagekräftige Quellenbasis zu einer Füllewirtschaftsgeschichtlicher Fragestellungen und enthaltenvielfach auch Informationen zu kammerzugehörigen Un-ternehmen. Größeren Raum nimmt Archivgut von Verei-nen und Verbänden der Wirtschaft ein, insbesondere vonsozialpolitischen Arbeitgeber- und wirtschaftspolitischenUnternehmerverbänden. Vertreten sind u. a. der Bayeri-sche Bankenverband, der Landesverband der Bayeri-schen Industrie, der Verband der Bayerischen Metall- undElektroindustrie, der Verein der Bayerischen ChemischenIndustrie, der Verein der Südbayerischen Textilindustrie,der Verein Süddeutscher Baumwollindustrieller und dieVereinigung der Arbeitgeberverbände in Bayern.

Neben den Archivbeständen von Unternehmen und Wirt-schaftsorganisationen sowie Nachlässen und Privatarchi-ven von Persönlichkeiten der bayerischen Wirtschaft ver-fügt das Bayerische Wirtschaftsarchiv über verschiedeneSammlungen. Hervorzuheben ist die gegenwärtig mehrals 3.000 Exemplare umfassende, nach Kammern, Unter-nehmen und Verbänden gegliederte Sammlung von Ju-biläumsschriften. Sie reicht bis zum ausgehenden 19.Jahrhundert zurück und stellt für unternehmens- und in-stitutionengeschichtliche Forschungen ein unverzichtba-res Hilfsmittel dar. Zu den Sammlungsbeständen, die

bildliche Quellen aus dem Bereich der Wirtschaft enthal-ten, zählen etwa 3.000 Werbemarken bayerischer Prove-nienz aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts. Nichtselten von namhaften Künstlern gestaltet, wurden sie vonIndustrieunternehmen, Dienstleistungsbetrieben sowieGroß- und Einzelhandelsgeschäften als Werbemediumeingesetzt und sind heute eine wertvolle Quelle zur bildli-chen Dokumentation. Ein weiteres Sammlungsfeld derGebrauchsgrafik bilden Firmenbriefbögen bayerischerUnternehmen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sieenthalten im Briefkopf Ansichten von Fabriken, meist er-gänzt um Abbildungen von Produkten und Schutzmarkensowie den auf Industrie- und Gewerbeausstellungen er-rungenen Medaillen und Auszeichnungen. Gleiches giltfür die Plakatsammlung, die u. a. großformatige Werbe-plakate bayerischer Unternehmen enthält.

Die Benützung dieser Unterlagen ist – unter Beachtung derallgemeinen Schutz- und Sperrfristen sowie spezieller Ver-einbarungen mit den Eigentümern – für jedermann möglich,soweit sie zu amtlichen, wissenschaftlichen, heimatkundli-chen, familiengeschichtlichen, rechtlichen, unterrichtlichenoder publizistischen Zwecken sowie zur Wahrnehmung vonberechtigten persönlichen Interessen erfolgt. Gerne stelltdas Archiv auch Stücke für Ausstellungen zur Verfügung. Te-lefonische Voranmeldung ist erforderlich.

Richard Winkler

Bayerisches Wirtschaftsarchiv, Orleansstraße 10–12,81669 München, Tel. 089/5116-354, Fax 089/5116-564,E-mail [email protected].

Weiterführende Literatur:Angela Toussaint, Archivgutpflege der deutschen Wirtschaft unterbesonderer Berücksichtigung des Bayerischen Wirtschaftsarchi-vs. Geschichte und aktueller Stand, in: Archivalische Zeitschrift 79(1996), S. 105-126; dies., Eine Zukunft für die Vergangenheit. DasBayerische Wirtschaftsarchiv und seine Bestände; In: Archivali-sche Zeitschrift 80 (1997) (= Festschrift Walter Jaroschka zum65. Geburtstag, hg. von Albrecht Liess, Hermann Rumschöttelund Bodo Uhl), S. 404-416; Richard Winkler, Quellen des 19. und20. Jahrhunderts in Archiven der Wirtschaft – unter besondererBerücksichtigung des Bayerischen Wirtschaftsarchivs, in: ForumHeimatforschung. Ziele – Wege – Ergebnisse, Heft 5, hg. v. Bayeri-schen Landesverein für Heimatpflege, München 2000, S. 65-84;Das Bayerische Wirtschaftsarchiv und seine Bestände, hg. v.Bayerischen Industrie- und Handelskammertag, München 2000.

Das Bayerische Wirtschaftsarchiv ist dringend an der Übernahmeweiterer archivwürdiger Unterlagen von Unternehmen, Organisa-tionen und Einzelpersönlichkeiten der bayerischen Wirtschaft in-teressiert. Wer über solche Unterlagen verfügt und sie dem Archivzur Ordnung und Erschließung sowie zur dauerhaften Aufbewah-rung und Nutzung durch die historische Forschung anvertrauenmöchte, wende sich an obige Adresse.

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Arbeiter der Maschinenfabrik Esterer AG in Altötting, um 1900(BWA F 7, 234) (Ausschnitt)

MUSEUMSPÄDAGOGIK – EIN MITTEL DER ÖFFENTLICHKEITSARBEIT„Kinder machen Radio“ im Museum

Eine neue Möglichkeit, Museumspädagogik und Öffent-lichkeitsarbeit miteinander zu verbinden, bieten Radio-sendungen, die Kinder zu einer Ausstellung, einem Muse-um oder einem besonderen museumspädagogischen An-gebot gestalten.

Die Idee hierzu wurde erstmals für das Begleitprogrammder Ausstellung „Donald Duck & Co. – Enten erobern dieWelt“ im kunsthaus kaufbeuren geboren. Die Kulturkura-torin und Museumspädagogin Doris Hefner hatte nacheingehender Recherche das Konzept erstellt und konntedie Aktion „Kinder machen Radio“ des Kinderfunks desBayerischen Rundfunk als Kooperationspartner gewin-nen. Als Folgeprojekt wurde eine weitere Kinderfunk-Sen-dung im Herbst 2000 in Buttenheim vorbereitet. Die ge-samte Organisation dieses Projekts oblag der Autorin. Sieengagierte eine Mitarbeiterin und war für sämtliche Ab-sprachen mit den Kooperationspartnern verantwortlich.

Die Projekte im Einzelnen:

1. „Ächz-stöhn-würg“ – Comic im OhrRadioworkshop zur Ausstellung „Donald Duck & Co. –Enten erobern die Welt“ im kunsthaus kaufbeuren

Das erste Projekt dieser Art fand im Januar 2000 im Rah-men des Begleitprogramms zur Ausstellung „DonaldDuck & Co. – Enten erobern die Welt“ im kunsthaus kauf-beuren statt. 12 Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahren nah-men an dem zweitägigen Workshop „,ächz, stöhn, würg‘– Comic im Ohr“ teil. Die BR-Mitarbeiterin Elke Dillmann,eine Museumspädagogin des kunsthauses kaufbeuren,die Lehrerin Mechthild Hagen und die Projektleiterin Do-ris Hefner unterstützten und betreuten die Kinder.

Zunächst führte die Journalistin die Kinder in das Thema„Hören“ ein und erklärte die wichtigsten journalistischenTechniken und den Umgang mit den Aufnahmegeräten.Eine kindgerechte Führung durch die Ausstellung unterdem Aspekt „Geräusche“ stimmte in das Thema der Aus-stellung ein.

Im nächsten Schritt überlegten die Kinder mögliche Be-standteile der Sendung. In Kleingruppen wurden die ein-zelnen Vorschläge konkretisiert und die entsprechendenBeiträge von den Kindern selbständig aufgenommen. InRedaktionssitzungen besprach die ganze Gruppe immerwieder das weitere Vorgehen. Als alle Aufnahmen fertig-gestellt waren, schnitten die Kinder selbständig dieBeiträge auf einem Laptop des BR.

So entstanden „Nachrichten aus Entenhausen“, ein Wer-beblock und ein Interview mit der Museumsleiterin. EineGruppe nahm die Geräusche aus einem der Comic-Stripsder Ausstellung auf und bat die Besucher, anhand derGeräusche zu erzählen, was für eine Geschichte da pas-siert sein könnte. Außerdem entstand ein Preisrätsel, dasBezug auf die einzelnen Beiträge nahm. Obwohl die Fra-gen ziemlich schwierig waren, zeigten die zahlreichenrichtigen Einsendungen, daß die Zuhörer sehr gut aufge-paßt hatten.

Die Beiträge wurden in einer halbstündigen Sendung am10.2.2000 im Kinderfunk von Bayern 2 Radio gesendet.Die BR-Mitarbeiterin moderierte die Sendung und wähltepassende Musik aus.

Noch heute lebt diese Sendung auf den Internetseitendes Bayerischen Rundfunks (www.br-online.de/kinder/funkhaus/kinder_machen_radio/aktionen/comicimohr.html)weiter. Dort sind neben kurzen Texten zum Projekt auchFotos zu sehen. Durch Anklicken der Lautsprecher-Sym-bole können die Beiträge gehört werden.

Ein Beitrag aus dieser Sendung, die Nachrichten, wurdenim Rahmen einer „Best-off“-Sendung aller „Kinder ma-chen Radio“-Aktionen des Jahres im September 2000noch einmal wiederholt. Auch die anhaltende Präsenz imInternet nach einem Jahr zeigt deutlich die Begeisterungdes BR für diese Aktion.

Aber nicht nur der BR profitierte von dieser Sendung.Durch die Umfragen und Interviews kamen die Kinder indie Situation, auf Unbekannte (v. a. Erwachsene) zugehenzu müssen. Das BR-Mikrophon half ihnen dabei über dieHemmschwelle hinweg und so traten sie alle selbstsicherauf und trauten sich, Fremde anzusprechen. Auch die an-fangs schüchternen Mädchen gewannen immer mehr Zu-

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Kinderradio Buttenheim: Aufnahme der Szene „Zeitreise“

trauen und Selbstbewußtsein, als sie „ungestört“ in ihremeigenen Kreis eine Menge guter Ideen und Beiträge ent-wickelten.

Die Kinder haben sich während der beiden Projekttage imMuseum „wie zuhause“ gefühlt. Sie lernten es als einenOrt kennen, an dem sie gern gesehen sind, wo sie sichwohlfühlen und immer wieder Neues entdecken können.Mehrmals gingen sie auf der Suche nach Ideen und Inter-viewpartnern durch die Ausstellung. Sogar Kinder, dievon ihren Eltern „geschickt“ wurden und zunächst kaumInteresse für die Aktion und das Thema aufbrachten, fan-den schließlich Spaß an der Sache. Zuletzt nahmen sieselbständig eine Radio-Führung durch die Ausstellungauf, die aus Zeitgründen jedoch nicht gesendet werdenkonnte. Durch das Interview mit der Museumsleiterin ge-wannen die Kinder einen Einblick hinter die Kulissen ei-nes Museums. Sie erfuhren, wieviel Arbeit in einer Aus-stellung steckt und wie teuer Exponate sein können, undwaren von diesen Erkenntnissen sichtlich beeindruckt.

Mund-zu-Mund-Propaganda ist für das kunsthaus kauf-beuren ein wesentliches Mittel, die Akzeptanz und Be-kanntheit des Hauses zu steigern. Derartige Aktionen,über die begeisterte Kinder als Multiplikatoren berichten,sind ein wichtiger Beitrag hierzu. Sehr werbewirksam warauch ein großer Bericht mit Foto in der Lokalpresse, derdiese besondere Aktion äußerst lobend beschrieb. Undnatürlich war die Kooperation mit dem BR für das kunst-haus kaufbeuren eine ausgezeichnete Möglichkeit, über-regional auf die Ausstellung, das Haus und seine Aktivitä-ten hinzuweisen.

2. „Hosen zum Hören“Radioworkshop anläßlich der Eröffnung des Levi-Strauss-Museums in Buttenheim

Am 16./17.10.2000 wurde in Buttenheim bei Bambergdas „Levi Strauss Geburtshaus – Museum Jeans & Kult“eröffnet. Dieses Ereignis sollte mit einem umfangreichenBegleitprogramm gefeiert und bekanntgemacht werden.Einen Bestandteil dieses Programms bildete ein Radio-workshop, in dem Buttenheimer Kinder Beiträge für eineSendung des Kinderfunks des Bayerischen Rundfunksgestalteten.

16 Kinder zwischen 10 und 12 Jahren wurden von derGemeinde dazu eingeladen. Als Betreuerinnen fungiertendie BR-Mitarbeiterin Elke Dillmann, die Museumspädago-gin und Geschichtenerzählerin Anke Schupp sowie dieProjektleiterin Doris Hefner. Für das leibliche Wohl derTeilnehmer und einen geeigneten Arbeitsraum sorgte die

Gemeinde, da im Museum keine entsprechenden Räum-lichkeiten zur Verfügung standen.

Der Ablauf des Projekts glich in weiten Teilen dem obenBeschriebenen. Leichte Störungen traten auf, da einigeKinder zusätzlich bei anderen Programmpunkten auf-treten mußten und dadurch nicht konstant anwesend seinkonnten.

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Kinderradio Buttenheim: Interview mit D. Goldmann, einem Ur-großneffen von Levi Strauss ...

... und anschließendes Gruppenfoto

Am 3.11.2000 wurden die Beiträge im Kinderfunk vonBayern 2 Radio gesendet. Es gab ein Interview mit einemNachfahren von Levi Strauss zu hören, der extra zurEröffnung des Museums aus den USA angereist war. Alsweiterer Gesprächspartner stand den Kindern ein Jeans-Sammler zur Verfügung. Außerdem ließen sich die Kindereine tolle Zeitreise zu Levi Strauss einfallen und erzähltenauf diese Weise seine Geschichte, befragten Zeitzeugenund landeten schließlich im Buttenheimer Museum. EinPreisrätsel durfte natürlich auch diesmal nicht fehlen. DieAufgaben, die die Kinder sich einfallen ließen, waren zwarziemlich knifflig, aber schon am Tag nach der Sendungwaren 10 richtige Antworten eingegangen. Zu guter Letzthatte eine Gruppe völlig selbständig eine Beschreibungdes Museums aufgenommen, die sie mit der Aufforde-rung, dieses tolle Museum zu besuchen, abschloß.

Auch zu dieser Aktion erschien ein Bericht mit Fotos undHörbeispielen auf den Internetseiten des BR. Unterwww.br-online.de/kinder/funkhaus/kinder_machen_radio/aktionen/jeans.html sind außerdem die Beiträge, die ausZeitnot nicht gesendet werden konnten, zu hören.

Die Jugendbeauftragte der Gemeinde Buttenheim beur-teilte diese Aktion als ein ganz besonders interessantesAngebot für die Kinder dieser Marktgemeinde. Selbst aneiner Radiosendung mitzuwirken und sich dann im Radiozu hören, ist eine Gelegenheit, die sich – vermutlich – sobald nicht wieder bieten wird. Auch hier war festzustellen,daß die Kinder ganz selbstbewußt als BR-Reporter unter-wegs waren. Sie trauten sich sogar zu, den Nachfahrenvon Levi Strauss auf englisch zu interviewen und hattenkeinerlei Scheu vor der „Prominenz“ der Interviewpartner.Das von dem Levi Strauss-Nachfahren gewünschte

Gruppenbild zeigte den Kindern noch einmal, wie wichtigsie an diesem Tag sogar dem Gast aus Amerika waren.Ihre Kreativität konnten sie besonders bei der Gestaltungder Zeitreise ausleben, für die sie selbst das Manuskriptschrieben und geeignete Geräuschquellen mitbrachten.

Da die Aktion im Rahmen der großen Eröffnungsveran-staltungen stattfand, wurde sie von den Printmedien nichtgesondert besprochen, sondern als Programmpunkt derFeierlichkeiten erwähnt. Medienwirksamer wäre dahervermutlich ein anderer Termin für den Radioworkshopgewesen. Allerdings hätten den Kindern dann nicht so„hochkarätige“ Interviewpartner zur Verfügung gestanden.Die Bekanntgabe des Sendetermins wurde daher genutzt,um über die Aktion gesondert zu berichten.

Die Radiosendung war für dieses neueröffnete Museumeine weitere Gelegenheit, das Haus über die Regional-grenzen hinaus bekannt zu machen, noch dazu mit derwunderbaren Werbung, die die begeisterten Kinder inihrem Beitrag für das Museum machten.

3. Ergebnis

Mehrere positive Faktoren sind für derartige Radiopro-jekte in Verbindung mit der Museumspädagogik festzu-halten:– Das Museum hat ein ganz besonderes Angebot für sei-

ne jungen Besucher zu bieten;– die Kinder, die Besucher von morgen, lernen das Mu-

seum von einer neuen Seite kennen;– die Kinder gewinnen einen neuen Bezug zum Museum;– die Radioarbeit mit Kindern leistet einen Beitrag zur

medienkritischen Erziehung;– die Zusammenarbeit mit dem BR macht den Auftrag-

geber überregional bekannt;– der Internetauftritt des BR ist ein zusätzliches Werbein-

strument für das Museum;– die eigene Homepage des Museums kann einen Link

zur BR-Seite legen und damit auf seinen starken Ko-operationspartner hinweisen.

Doris Hefner

Für weitere Informationen und Unterstützung bei ge-planten derartigen Aktionen für kleine Gruppen von Kin-dern wenden Sie sich bitte an: Doris Hefner M. A., Frau-wiesenweg 15a, 82205 Gilching, Tel. 08105/278647,[email protected]; demnächst auch im Internetunter www.culturalive.de

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Nachbearbeitung der Aufnahmen am Laptop

SICHERUNG UND ERSCHLIESSUNG HISTORISCHER GLASPLATTENBESTÄNDE ZUR GESCHICHTE DER TECHNIK

Das Archiv des Deutschen Museums und seine Fotobestände

In den letzten zwei Jahrzehnten haben historische Bild-quellen in der Geschichtswissenschaft verstärkte Auf-merksamkeit erfahren, nachdem sie lange Zeit als Quel-len eher marginal herangezogen wurden. Nicht zuletztdurch sozial- und alltagshistorische Forschungen habendie Bildquellen in den letzten Jahren an Bedeutung ge-wonnen. Das Medium der Fotografie bietet – auch für dieTechnikgeschichte – eine Massenquelle, die in ihrer me-thodischen Vielfalt noch wenig genützt wird. Ein Muster-beispiel für die Instrumentalisierung der Fotografie für dietechnikhistorische Forschung ist der von Klaus Tenfeldeherausgegebene Band „Bilder von Krupp. Fotografie undGeschichte im Industriezeitalter“ (München 1995).

Der Fotobestand im Archiv des Deutschen Museumsnimmt im Vergleich zu anderen deutschen Fotosammlun-gen eine Sonderrolle ein. Wohl in keinem anderen Archivsind so viele Fotos, Diapositive und Negative zur Tech-nikgeschichte vorhanden. Die Zahlen können nur ge-schätzt werden (insgesamt mehrere hunderttausend Fo-tos). Der Bestand umfaßt – unabhängig von einzelnen Un-ternehmen und Industriezweigen – nahezu sämtliche Be-reiche der Technik. Ausgeprägte Schwerpunkte bildenLuftfahrt, Elektrotechnik, Maschinen-, Eisenbahn- undAutomobilbau.

Ein Teilbestand des Fotoarchivs ist eine Sammlung vonrund 13.000 historischen Originalglasplatten aus der Zeitvon ca. 1890 bis 1950. Er beinhaltet Aufnahmen von Ma-schinen, technik- und wissenschaftshistorisch wichtigenObjekten und Personen, Bilder von Architektur- und Indu-striebauten sowie Szenen aus Produktions- und Arbeits-welt. Wie anderorts ist der Glasplattenbestand durchFeuchtigkeits- und Bruchanfälligkeit, Schichtablösung anden Rändern usw. konservatorisch besonders gefährdet.Mit Verlust der Glasplatten besteht die Gefahr, daß zen-trale technik- und wissenschaftshistorische Quellen fürdie Forschung, die wissenschaftlich interessierte Öffent-lichkeit und für Verlage und Medien verloren gehen.

Aus der Notwendigkeit, diesen wichtigen Quellenbestandzu sichern, wurde vor einigen Jahren ein Projekt „Siche-rung und Erschließung historischer Glasplattenbeständezur Geschichte der Technik“ begonnen. Da ein Projekt ineiner derartigen Größenordnung nach der im DeutschenMuseum entwickelten Methode bislang in der Bundesre-publik noch nicht realisiert wurde, also durchaus innova-tiv ist, soll es im folgenden hinsichtlich des Verfahrens,der Umsetzung in die Praxis, aber auch in Bezug auf sei-ne Probleme insgesamt geschildert werden.

Dem Projekt lagen folgende Projektziele zugrunde:1.Schaffung eines qualitativ hochwertigen neuen Master-

negativs als Ersatz für die Originalglasplatten;2.Vorbeugung gegen den Verlust des sachlichen Inhalts

der Glasplatten;3.dauerhafte und objekttypische Archivierung der Origi-

nalglasplatten (Vermeidung eines erneuten ständigenRückgriffs auf die Originale).

Methode des Verfahrens

Bei den Vorüberlegungen für die Erschließung und Siche-rung des historischen Glasplattenbestandes stellte sichdie Frage nach dem grundsätzlichen Vorgehen. Für die

FOTOGRAFIE52

Aus dem Glasplattenbestand: Stereoskopische Röntgenauf-nahme mit injizierten Blutgefäßen der Hand, aufgenommen vonDr. d’Halhuin, o. D. (ca. 1900)

Duplizierung der historischen Glasnegative kamen beiProjektbeginn verschiedene grundsätzliche Methoden inFrage:

– Digitalisierung der Glasplatten;– Direktduplizierung der Glasnegative zu neuen Film-

negativen;– Duplizierung mittels eines „Zweischrittverfahrens“.

Gegen die elektronische Duplizierung sprachen der hoheZeitaufwand für das Scannen, Bearbeiten und Speichernjedes einzelnen Bildes, der Qualitätsverlust gegenüber ei-ner Umkopierung auf konventionelle Halbtonfilme, dieumstrittene Haltbarkeit der elektronischen Speichermedi-en und die Kosten für die permanente Migration der Da-ten. Hinzu kam, daß zu Projektbeginn (1994) ein kosten-günstiger elektronischer Massenspeicher nicht zur Verfü-gung stand. Auch die Tatsache, daß eine elektronischeDigitalisierung und Bildbearbeitung eine Veränderung derBildinformation zur Folge hat, spielte bei der Entschei-dung eine wesentliche Rolle. Die Direktduplizierungschied aus, da bei Verlust oder Beschädigung des Nega-tivs wieder auf die alte Glasplatte zurückgegriffen werdenmüßte. Ein weiterer Nachteil ist ein seitenverkehrtes Ne-gativ.

Schließlich fiel die Entscheidung zugunsten einer Met-hode, die wir als „Zweischritt-Methode der Glasplat-tenduplizierung“ bezeichnen. Diese Methode wurdemit einer erfahrenen externen Fotokonservatorin (FrauMarjen Schmidt) hinsichtlich des grundsätzlichen Vor-gehens und der eingesetzten Materialien abgestimmt.*

Die Konzeption des Projekts geht von Bedingungen aus,denen Glasplattenbestände vergleichbarer Archive eben-falls unterworfen sind. Unser Vorgehen kann daher beientsprechender technischer Ausstattung von der Met-hodik her auf andere Glasplattensammlungen angewen-det werden.

Um qualitativ aussagekräftige Daten über Arbeitsaufwandund Kosten für das Gesamtprojekt (13.000 Platten) ermit-teln zu können, wurde ein Vorprojekt anhand von 350Glasplatten durchgeführt. Bereits für dieses Vorprojektwurden einzelne technische Komponenten angeschafft(s. u.). Dabei wurde folgendes Vorgehen für das Haupt-projekt entwickelt:

1. Um die Qualität der Duplizierung zu sichern, erfolgt imFotoatelier eine jeweils individuelle Ausmessung derGlasplatten mit einem Densitometer, was einen Vorteil ge-genüber industriellen Duplizierungsformen darstellt.Durch die Messung erhält jedes Negativ seinen eigenenWert Dichte min. / Dichte max., der später bei allen Diaszu einem gleichen Gammawert führt.

2. Von der Originalglasplatte wird in einer Zweischritt-Me-thode zuerst ein Zwischenpositiv in Originalgröße gezo-gen, das später unter optimalen Archivbedingungen ein-gelagert wird und für den Fall des Verlustes oder der Be-schädigung des neuen Negativs als Master für ein neuesNegativ dienen kann. Diese Methode bietet sich geradebei häufig benutzten Negativbeständen an, da der Be-schädigungsfaktor (Kratzer, Zerstörung) besonders hochist. Bei den Glasplattenbeständen des Deutschen Mu-seums handelt es sich etwa zu einem Drittel um Plattenim Format 18 x 24 cm, zu zwei Dritteln um 13 x 18 cm-Platten. Andere Formate bilden die Ausnahme.

Für die Ausmessung der Glasplatten kommt ein Densito-meter Macbeth für Log.-Density-Messung zum Einsatz.Angeschafft wurden ein Kontaktkopiergerät Bacher 50 x60 cm mit automatischer Vakuumsteuerung. Kernstückdes ganzen Projekts sind ein Gevarex Belichtungs-Steue-rungsgerät mit Lampenhaus und die Entwicklungsma-schine Pakotone, die speziell für den verwendeten Filmbei Agfa zu Testentwicklungen eingesetzt war.

Als Film für die Zwischenpositive und neuen Negativewird der orthochromatische Halbtonfilm „Gevarex Came-ra Film GO 210p“ von Agfa-Gevaert verwendet. DieserFilm ist ein Gradationswandelfilm, der auf gelbes und

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* Diese Zweischritt-Methode wird auch in einem Beitrag vonDoug Munson, Direktor von Chicago Albumen Works, Housa-tonic, Mass. („On Duplicating for Black and White Negatives“,in: Rundbrief Fotografie 1995, Nr. 6, S. 18-20 und Nr. 7, S. 14-15) empfohlen.

Maschinenraum des Elektrizitätswerks Elberfeld, 1887

blaues Licht gradationsverändernd wirkt. Das Trägerma-terial des Films beruht auf einer archivgerechten und dau-erhaften Polyesterunterlage von 0,10 mm. Die Emulsiondieses Films ist sehr feinkörnig, was eine spätere Papier-vergrößerung nach erfolgter Bearbeitung qualitativ er-möglicht. Der Film trocknet schnell und begünstigt durcheine spezielle Schicht das schnelle Ansaugen und schützt– weitgehend – vor Newton-Ringen.

Die gemessenen Werte Dmin und Dmax werden auf derSteuerkurve des Gevarex Steuergerätes übertragen. Be-lichtungszeit und prozentuale Verteilung des gelben undblauen Lichtes steuert das Lampenhaus bei der Belich-tung. Entwickelt wird der Film im Tetenal Reproline Spe-zial Entwickler und im Tetenal Repro Super Fix fixiert.Gute Auswässerung ist für die Haltbarkeit des Films un-bedingt notwendig.

3. In einem nächsten Schritt wird von dem Zwischen-positiv ein neues Negativ erstellt, das für den ständigenLaborgebrauch verwendbar ist. Die Erstellung desNegativs erfolgt über die Reproanlage Master 3100 vonAgfa und die oben beschriebene Entwicklungsmaschine.Das Filmmaterial ist der schon beschriebene GO 210p.Alle Masternegative werden auf 13 x 18 cm eingestellt(bei normaler Belichtungszeit mit Gelbfilter). Die Ent-wicklung erfolgt im Repro Roll Entwickler der FirmaTetenal.

Die Originalglasplatten werden dauerhaft archiviert. Dafürwerden moderne Glasplatten-Klappumschläge aus unge-puffertem säure- und ligninfreiem Papier verwendet, wo-bei jeweils ca. 25 Glasplatten in innen ungepufferte Glas-plattenschachteln kommen.

Die Ergebnisse des Vorprojekts führten zu Werten, dieeine sinnvolle Relation zwischen eingesetzten Finanz-mitteln und dem historischen Wert der Glasplatten er-gaben. Deutlich wurde im Vorprojekt auch, daß bei derDuplizierung erhebliche Duplizierungsfehler auftreten(u. a. Newtonsche Ringe), die durch erneutes Umkopierenausgeschaltet werden müssen.

Kosten des Projekts

Die Kosten des Projekts wurden im wesentlichen von vierFaktoren bestimmt: Ankauf der Glasplatten-Klappum-schläge und der Archivboxen, Ankauf der technischenKomponenten (gebrauchter Kontaktkopierer: DM 5.000.–),Anschaffung des notwendigen Filmmaterials (ca. DM55.000.–) und Kosten für das Personal. Bei den Filmenkonnte ein erheblicher Preisnachlaß erzielt werden, da die

Filme en-bloc eingekauft wurden. Dies hatte aber zur Fol-ge, daß die noch nicht benötigten Filme gekühlt eingela-gert werden mußten. Dank der Unterstützung unseresGroßhändlers entstanden keine zusätzlichen Kosten. DerAnkauf der Filme geschah mit wesentlicher Unterstüt-zung der Fritz-Thyssen-Stiftung.

Als Problem zeichnete sich schon bald nach Beginn desHauptprojekts ab, daß die Personalkapazitäten des haus-eigenen Fotolabors nicht im gewünschten Umfang abruf-bar waren. Dies hatte zur Folge, daß in den ersten beidenProjektjahren nur ca. 2.000 Glasplatten dupliziert werdenkonnten. Die beschränkte Haltbarkeit der Filme zwangdazu, eigenes Personal für die Duplizierung einzustellen.Kurzzeitig konnte für drei Monate aus Personalmitteln desMuseums eine eigene Fachkraft eingestellt werden. SeitMärz 2000 schließlich wird die Duplizierung outgesourct.Sie erfolgt nun von einem ausgebildeten Fotografen aufder Basis eines Werkvertrages. Zwischen November1999 und Dezember 2000 konnten so insgesamt 8.000Glasplatten nach der oben beschriebenen Methode du-pliziert werden. Bis Ende 2000 wurden insgesamt Dupli-kate von 10.000 Glasplatten hergestellt. Sofern die finan-ziellen Mittel auch im Jahr 2001 zur Verfügung stehen,wird das Projekt in einigen Monaten abgeschlossen sein.Die Gesamtkosten für Personal (inklusive der Kosten fürdie Werkverträge) werden sich dann auf insgesamtDM 90.000.– belaufen.

Beurteilung des Projekts

Die bisherige Bilanz des Projekts (Stand: Dezember 2000)fällt im wesentlichen positiv aus. Die zeitaufwendige Ver-messung und individuelle Duplizierung der Glasplattenhat ein ausgesprochen positives Ergebnis erbracht.Durch die Duplizierungsaktion konnte ein konservatorischgefährdeter Bestand bearbeitet und für die Nachwelt ge-sichert werden. Über die neuen Negative steht heute derForschung und der interessierten Öffentlichkeit ein bishernur eingeschränkt zugänglicher Bestand zur Verfügung.Hinsichtlich seines methodischen Vorgehens verdient dasim Deutschen Museum durchgeführte Projekt Beachtung.Auch bei den Kosten könnte analog zum Deutschen Mu-seum verfahren werden. Die outgesourcte, trotzdem enganlehnend an unser Fotolabor durchgeführte Sachlei-stung ist modellhaft. In unserem Fall stand eine gut aus-gebildete Fachkraft zur Verfügung, die nach genau fest-gelegten Glasplattenzahlen bezahlt wurde. Die Qualitäts-kontrolle erfolgte durch unser Labor. Gerade für nachaußen vergebene Leistungen sind in öffentlichen Einrich-tungen erheblich leichter Finanzmittel zu erhalten als fürPersonalmittel.

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Will man die Erfahrungen des Deutschen Museums beider Glasplattenduplizierung auf andere Fotoarchive undMuseen übertragen, so ist dies aber nicht unproblema-tisch. Das Grundproblem liegt darin, daß nur in wenigenEinrichtungen ähnliche technische Möglichkeiten beste-hen oder geschaffen werden können, wie dies im Deut-schen Museum der Fall war. Selten dürfte heute ein Laborüber die im Projekt eingesetzten Geräte verfügen. Auchbei den verwendeten Filmen bestehen heute wesentlichveränderte Bedingungen als bei Projektbeginn. Damalswar nicht absehbar, daß der orthochromatische Halbton-film „Gevarex Camera Film GO 210p“ von Agfa-Gevaertnicht mehr produziert würde. Als die Fabrikationseinstel-lung bekannt wurde, hat das Museum die für die Dupli-zierung notwendigen Filme angekauft. Weitere wesentli-che Lagerbestände sind bei der Firma und den Zwi-

schenhändlern nicht mehr vorhanden. Der Fotomarkt hatdamit aber ein gerade für qualitativ hochstehende Repro-duktionen notwendiges Trägermaterial verloren. Um einmit unserem Projekt vergleichbares und gleichwertigesErgebnis zu erzielen, erfordern die als Ersatz angebote-nen Filme, wie z.B. Agfa Pd 3p, einen veränderten Ar-beitsablauf und – damit verbunden – erheblich höhereKosten für Kopiergeräte und Entwicklungsmaschinen.

Die positiven Ergebnisse mit dem Film GO 210p könnenselbst dann nur bedingt wiederholt werden. Es bleibt zuhoffen, daß gerade von Kundenseite die Nachfrage nachdem Film so steigt, daß eine erneute Produktion erforder-lich und rentabel wird.

Wilhelm Füßl/ Hans-Joachim Becker

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Treppenhaus der provisorischen Sammlungen des Deutschen Museums im alten Nationalmuseum (heute: Völkerkundemuseum) kurznach der Eröffnung 1906

LANGE NÄCHTE, VOLLE KASSEN?

„Nichts ist so deprimierend und verstunken wie einMuseum“, schreibt Charles Bukowski in seinen „Aufzeich-nungen eines Außenseiters“ (Frankfurt/M. 21995, S. 68).Doch er entwickelt für die Institution Museum auch eineZukunftsperspektive: „In jeder Etage müßte also eine Barsein; das allein würde schon die laufenden Ausgabendecken und möglicherweise auch noch die Restaurierungdiverser Kunstwerke und des Säbelzahntigers, demständig das Sägemehl aus dem Arsch läuft. Als nächsteswürde ich auf jeder Etage eine Rock Band, eine SwingBand und ein Sinfonieorchester installieren; plus drei odervier gutaussehende Weiber, die nichts als rumzulaufenund gut auszusehen hätten. Mit anderen Worten, zumSehen und Lernen bedarf es erst einmal einer geeignetenAtmosphäre...“

Bukowski als Visionär und Vordenker der Museumsnäch-te, die derzeit wie Pilze aus dem Boden sprießen? Nach-dem im Jahr 2000 in Bamberg, Kempten, München, Re-gensburg, Rosenheim, Schweinfurt und anderen bayeri-schen Städten abendlich-nächtliche Museumsveranstal-tungen Tausende von Besuchern angezogen und aucheinzelne Häuser, etwa das Schwäbische Volkskundemu-seum in Oberschönenfeld, Museumsnächte durchgeführthaben, scheint aus den zunächst zaghaft angelaufenenBestrebungen, durch einen „Event“ zu unüblicher Zeitneue Besucherschichten anzulocken, eine feste Einrich-tung im jeweiligen Veranstaltungskalender zu werden. Na-turgemäß treffen Befürworter, die allein schon im großenPublikumszuspruch bei diesen Veranstaltungen dieRechtfertigung für ihre Durchführung erblicken und sichauf die Erschließung neuer Besucherschichten freuen, aufheftige Kritiker, die um Sicherheit der Objekte (Diebstahl,Beschädigung, Einwirkungen des bei großem Andrangveränderten Raumklimas etc.) fürchten oder auch vor ei-ner gewissen „Entweihung“ der Räume durch sehr profa-ne, gar banale Unterhaltungsangebote warnen. Gibt hierdas Museum nur noch den letztlich beliebigen Rahmenfür ebenso beliebige Programmpunkte ab? Können Mu-seumsnächte gerade bei jüngeren Nicht-Museumsbesu-chern dazu beitragen, die Hemmschwelle vor dem an-geblich so langweiligen Besuch im miefigen Museum ab-zubauen und Interesse wecken, sie damit zu einem Be-such auch bei Tag animieren? Handelt es sich um kurzle-bige Spektakel, die in wenigen Jahren wieder genausoschnell von der Bildfläche verschwinden werden, wie sieentstanden sind? Oder ist es doch ein ernstzunehmendesBedürfnis des „Publikums“, Geselliges und Kulturelles aufdiese, vielen als bizarr erscheinende Art, zu verbinden?

Noch gibt es in Bayern keine verläßlichen Aussagen überdie Effekte der nächtlichen Massenveranstaltungen, ihreAuswirkungen auf öffentliche Akzeptanz der Museumsar-

beit, auf die Besucherentwicklung auch außerhalb desEinzelevents, eventuelle Folgekosten in Hinblick auf Schä-den und notwendige Restaurierungen, also letztlich eineKosten-/Nutzenanalyse. Lange Nächte, volle Häuser undKassen? Oder letztlich nur lange Gesichter? Wir wollendaher in museum heute zunächst zwei der Nachtveran-staltungen im Jahr 2000 aus unterschiedlichem Blickwin-kel vorstellen und bitten für die nächsten Hefte um weite-re Berichte, aber auch kritische Diskussionsbeiträge.

Wolfgang Stäbler

BERICHTE /AKTUELLES56

Barberinischer Faun mit Krawatte: Das Plakat der MünchnerMuseumsnacht 2000

JAZZ, ALTERSERSCHEINUNGEN UND ÄGYPTISCHER LEBERKÄSEImpressionen von der langen Nacht Münchner Museen

Am 21. Oktober 2000 ist es wieder soweit. Nach demgroßen Erfolg der erstmals 1999 durchgeführten Veranstal-tung – damals mit fast 50.000 zahlenden Besuchern alsüberraschend großer Erfolg gewertet – hat auch in diesemJahr das Stadtmagazin „Münchner“ in Zusammenarbeit mitstaatlichen, städtischen und privaten Museen, Sammlungenund Galerien ein quantitativ beeindruckendes, inhaltlich un-glaublich buntes Angebot zusammengestellt. Über 70 An-laufstellen nennt das 96seitige Programmheft, naturgemäßunterschiedlichster Art und mit einigen Ausreißern, etwa ei-ner Multimedia-Performance der Stadtwerke im Heizkraft-werk Müllerstraße – einer der Sponsoren läßt grüßen! Aberman hat ja so reiche Auswahl, daß man ohnehin kaum nochweiß, wohin man sich zuerst wenden soll. Zwischen 19 Uhrabends und 2 Uhr morgens können die Schauplätze des Ge-schehens entlang von vier, vom zentralen Start auf demOdeonsplatz ausgehenden Busrouten, besucht werden.

Pünktlich um 19 Uhr ist dann hier auch schon einiges Ge-dränge um die Ticketkioske – die Verbundkarte für alle Ver-anstaltungen inklusive der Nutzung der Shuttlebusse kostetDM 20.-. Von diesen Bussen sind 33 Stück bereitgestellt, al-lesamt große Gelenkmodelle mit enormem Fassungsvermö-gen, allerdings, wie sich bald herausstellen wird, dennochnicht ausreichend für den Andrang der museumswütigenMassen. Zunächst stehen einige der blauweißen Kolosseaber noch frisch gewaschen und dekorativ vor der Feld-herrnhalle, während Organisationsleiter Gabriel, Oberbür-germeister Ude und Wissenschaftsminister Zehetmair ihrerFreude über das Interesse der Bürger an den Museen Aus-druck verleihen und die Lange Nacht für eröffnet erklären.

Nun wäre es aus Zeitgründen kaum möglich, alle oder zu-mindest die meisten Veranstaltungsorte zu besuchen, ge-schweige denn sich dort auch noch etwas anzusehen. Wirwollen daher lediglich ohne jeden Anspruch auf einen um-fassenden Überblick und ohne besondere Zielsetzung amGetriebe teilnehmen. Da sich nach dem verbalen Startschußan den ersten Bussen schon Menschentrauben bilden, ma-chen wir uns zunächst zu Fuß in die nahegelegene Residenzauf. Unter Nutzung eines Seiteneingangs vermeiden wir estunlichst, uns in die Warteschlange, die vom Eingang desResidenzmuseums schon über den Maximiliansplatz fast biszum Denkmal König Max I. reicht, einzureihen, und erreichenschließlich an einigen stauerzeugenden Führungsgruppenvorbei das Antiquarium.

Die wohlmeinend auf einem Schild am Eingang angebrach-te Mahnung, aus Klimagründen die Tür zum frischrenovier-ten Prachtsaal möglichst geschlossen zu halten, gilt heutenicht, denn es schiebt sich ein nicht enden wollender Stromvon Menschen in die Halle, um sich auf die Steinbänke ent-lang der Wände zu setzen und höfischer Repräsentations-

musik aus der Zeit Orlando di Lassos zu lauschen, welcheein vielköpfiges Ensemble zum Besten gibt. Einige Connais-seurs haben schon Weingläser von der Bar eingeschmug-gelt, so daß die Rahmenbedingungen für einen gelungenenAbend gegeben scheinen. Wir setzen aber unseren Rund-gang fort, durch die Privatgemächer Ludwigs I. und seinerGemahlin Therese, wo bald fettiger Geruch, der durch dasTreppenhaus emporsteigt, auf die Verköstigungsmöglichkei-ten des Hauses verweist. Das ist wohl nicht das Rechte; al-so lieber ins nahe Staatliche Museum Ägyptischer Kunst,das nicht nur mit der eigens verlängerten Ausstellung „DasGold von Meroe“, einem Suchspiel „Auf Pharaos Spuren“und laufenden Führungen lockt, sondern auch einem ägyp-tisch-bayerischen Buffet.

Inzwischen hat sich der Publikumsansturm auf die inner-städtischen Museen noch verstärkt und es ist kaum mög-lich, in die Schauräume des Ägyptischen Museums zu ge-langen, auch muß man die Chance, dort einen Blick auf dieObjekte erhaschen zu können, eher als gering einschätzen.Also auf zum Buffet. Leider ist diesem trotz des noch sehrjungen Abends bereits eine – wahrscheinlich die interessan-tere – Komponente, nämlich die ägyptische, abhanden ge-kommen. Leberkässemmeln und hausgebackene Kuchenharren der hungrigen Besucher. Doch der Körper fordert seinRecht und so greift man dann doch etwas zögerlich auf dasaltbewährte „Bavarian Fastfood“ nebst Bier im Plastikbe-cher zurück.

Nun soll es aber dann aus dem unmittelbaren Stadtkern hin-ausgehen. Wir zwängen uns kurzentschlossen in einen ge-rade ankommenden Bus der „Tour Schwabing“ und gelan-gen nach kurzer Fahrt zur Haltestelle „Pinakotheken/Kulina-riazelt“. Die Tatsache, daß hier fast die gesamte Besatzung

BERICHTE /AKTUELLES 57

Vollbesetzte Busse am Odeonsplatz

des rappelvollen Busses von Bord geht und sich bereits dieLeute auf dem Bürgersteig stauen, läßt uns lieber sitzenblei-ben. Daß wir dadurch einen der Hauptanziehungspunktedes Abends überspringen, können wir verschmerzen, dennan den nächsten Haltestellen des Busses, an denen wir aus-steigen, kann man eintauchen in die sympathische undleicht skurrile Atmosphäre kleiner Galerien; sie sind einmal ineinem alten Wohnhaus im 2. Stock, zu erreichen über eineknarrende Eichentreppe, das andere Mal in einem Keller-raum untergebracht. Außerdem wartet ja ein weiteres High-light des Abends auf uns: Klaus Doldinger mit seiner Grup-pe Passport im BMW-Museum.

Auf einer Plattform an der Rampe, die im inneren des volks-tümlich liebevoll „Salatschüssel“ genannten Ausstellungsge-bäudes an Meilensteinen der Automobilgeschichte vorbeinach oben in die automobile Zukunft führt, hat der Altmei-ster mit seiner Band bereits das nötige Handwerkszeug, In-strumente, Lautsprecher und wohl Hunderte von Metern an

BERICHTE /AKTUELLES58

Gedränge im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst

Klaus Doldinger mit „Passport“ im BMW-Museum

Kabeln, aufgebaut und schon bald erscheint er selbst gut-gelaunt auf der Bildfläche. Sofort ist der Umkreis der Bühnevon auf dem Boden sitzenden und stehenden Jazzfreundenbelagert, die begeistert die Chance wahrnehmen, den Musi-kern endlich einmal aus allernächster Nähe auf die Fingerschauen zu können. Da sich dazwischen immer noch ande-re Besucher nach oben drängeln, meint Doldinger scherz-haft, er habe schon lange nicht mehr in der Fußgängerzonegespielt.

Nach gut einer Stunde Genuß pur wollen wir aber unsereTour fortsetzen. Inzwischen wäre es zwar – wie bei einerDurchsage bekanntgegeben wurde – auch möglich, U- undTrambahnen mit der gelösten Eintrittskarte zu benutzen, dadie Busse den Ansturm nicht mehr bewältigen können. Wirverschmähen aber diese Möglichkeit ebenso wie die vomBMW-Catering freundlich angebotene Pizza und quetschenuns in den nächsten, gerade vorfahrenden Shuttlebus.

Die Fahrt zurück zur Stadtmitte wird bei den Pinakothekendadurch gestoppt, daß die Leute derart in den Bus drängen,daß die entnervte Fahrerin einige Minuten lang vergeblichversuchen muß, die Türen zu schließen. Schließlich geht esaber doch weiter, wenn auch nur um einige Häuserblockszum neuen, nach Plänen von Richard Meier errichteten Sie-mens-Forum. Im Halbrund des weitgehend gläsernen Trep-penturms ist schon von außen reger Betrieb zu erkennen,der sich im Inneren in den Ausstellungen zur Geschichte derElektrotechnik bis hin zu den neuesten Errungenschaftender Mikroelektronik fortsetzt, wobei besonders die interakti-ven Einrichtungen weidlich genutzt werden. Reizvoll ist auchder Blick von der Dachterrasse auf die Dächer der nächtli-chen Stadt.

Die Ernüchterung folgt aber bald nach. Zu mitternächtlicherStunde wird als Begleitprogramm zur aktuellen Sonderaus-stellung „Späte Freiheiten – Geschichten vom Altern“ imVortragsraum ein „Age-Simulator“, also ein wie ein degene-rierter Raumanzug aussehendes Gerät, vorgestellt, in dasman schlüpfen und einen Eindruck von den Bewegungs-und Wahrnehmungseinschränkungen bekommen kann, dieeinen im Alter erwarten. Zunächst kommt aber eine Ein-führung. Genüßlich zählt die noch relativ jugendliche Refe-rentin die Verfallserscheinungen auf, die jeden Menschen abeinem Alter von 50 Jahren erwarten: Einschränkungen desGesichtsfeldes, Verfärbung der Augenlinsen, Nachlassendes Tastsinns und des Hörens, verminderte Bewegungs-fähigkeit der Gelenke... die Liste scheint kein Ende zu neh-men. Im Auditorium ist die Stimmung bedrückt, jeder horchtin sich hinein, ob wohl noch alles funktioniert. Besonders diegut vertretene Gruppe der 40-50jährigen macht betreteneGesichter und rutscht nervös auf den Stühlen herum. Wirgehen.

Zurück am Odeonsplatz ist es aber erst kurz nach eins unddamit zu früh, eine lange Nacht zu beenden. Also auf und ander blutrot erleuchteten Neuen Sammlung vorbei, wo anStehtischen an der Eingangstreppe gutgekleidete Menschenintellektuelle Gespräche führen, ins Kartoffelmuseum in derNähe des Ostbahnhofs; es steht ja ohnehin schon lange aufder persönlichen Besuchsliste. Zunächst die Enttäuschung:Die erhofften Chips sind bereits ausgegangen und auf demSpeisezettel stehen neben Kartoffellebkuchen sehr unty-pisch Erdnußflips, die in Form von Probepackungen von An-gestellten des Museumsbetreibers – einer Firma für Kartof-felprodukte und Knabbergebäck – freigebig verteilt werden.Dann folgt aber einer der eindrucksvollsten Momente desganzen Abends: In den Räumen des kleinen Museums, dassich in seinen Ausstellungen aus unterschiedlichen Richtun-gen dem Segen der „tollen Knolle“ nähert, stehen wirklich,nun schon nach halb zwei Uhr morgens, Besucher lesendund eingehend betrachtend vor Texttafeln und ausgestelltenObjekten. Zwei unterhalten sich vor dem entsprechendenObjekt ernsthaft über die Gefahren des Kartoffelkäferbefalls.Anscheinend hat die Lange Nacht dem Museum in der Tatneue, interessierte Besucher zugeführt, haben sich hier –und wohl ebenso an den meisten anderen Stationen desAbends – neben den unvermeidlichen Zaungästen und„Adabeis“, für die der Event alles und die Inhalte nichts be-deuten, Menschen eingefunden, die für sich selbst informa-tiven Gewinn aus dem Museumsbesuch ziehen, wahr-scheinlich positive Mundpropaganda betreiben und einmalauch tagsüber wiederkommen werden.

Mit diesem versöhnlichen Ausblick beschließen wir unsereMuseumstour. Voraussichtlich sind wir nächstes Jahr wiederdabei.

Wolfgang Stäbler

BERICHTE /AKTUELLES 59

Mitternacht im Siemens-Forum

MUSEUM ZWISCHEN ERLEBNISRAUM UND KULISSEDie 1. Kemptener Museumsnacht

Erschließung neuer Besucherschichten im Museum

Auf einer Tagung des Deutschen Museumsbundes am 5.November 2000 in Radolfzell berichtete die Leiterin einesMuseums in Norddeutschland, daß eine jüngst veranstal-tete Ausstellung über den Italientourismus der 1950erJahre eine Besucherschicht angesprochen habe, diesonst nur selten in einem Museum gesichtet wird. So sei-en Rocker auf ihren schweren Motorrädern zum Museumgefahren, um sich diese für sie offenbar interessante Aus-stellung anzusehen.

Dies ist zwar ein gelungenes, aber insgesamt betrachtetwohl eher seltenes Beispiel, wie neue Besucherschichtenfür die Museen zu gewinnen sind. Denn Sonderausstel-lungen sprechen hauptsächlich das Museumsstammpu-blikum an oder zumindest einen Personenkreis, der sichmit der Institution Museum identifiziert und ihr positiv ge-genübersteht. Einigkeit dürfte aber darüber bestehen,daß die Museen sich intensiver als in der Vergangenheitdarum bemühen müssen, neue Besucherschichten zu er-schließen, um der Forderung der Museumsträger nachsteigenden oder zumindest konstanten Besucherzahlengerecht werden zu können. Dabei geht es vor allem umdiejenigen Personen, die seit ihrer Schulzeit kein Museumoder keine Ausstellung mehr besucht haben und der An-sicht sind, Museen seien verstaubte und langweilige Bil-dungstempel. Es sollte für jedes Museum selbstverständ-lich sein, sich trotz mancher Mißerfolge um diese poten-tielle Besucherschicht zu bemühen.

Allerdings wird es für die Museen angesichts der weitersteigenden Anzahl von Museumsgründungen1 und vor al-lem angesichts des immer härter umkämpften Freizeit-und Unterhaltungsmarktes immer schwerer, sich als An-bieter auf diesem Sektor zu behaupten. Weit entfernt vonhohen Werbeetats und meist ohne entsprechende Mar-ketingerfahrung haben Museen oft keine allzu guten Kar-ten gegen millionenschwere Erlebnisparks, Erlebnisbä-der, Festivals und andere (Kultur-)Spektakel. Die Zeitenscheinen vorbei zu sein, in denen gelungene Sonderaus-stellungen alleine genügten, um zufriedenstellende Besu-cherzahlen zu erreichen und um die Besucher an ein Mu-seum zu binden. Zwar werden auch weiterhin Originalitätund Authentizität der Exponate die Menschen anziehen,doch die Museen erneut auf Orte der „kulturellen Medita-tion“ zu reduzieren, wäre wohl fatal -– zumindest so lan-ge die Besucherzahlen als einzige Gradmesser des Er-folgs gelten.2 Die Museen müssen ihren Platz im weit ge-fächerten Kulturangebot der Gegenwart verteidigen undwenn möglich ausbauen. Dafür müssen auch neue Wegeder Kunden- und Besucherbindung eingeschlagen wer-den. Die Angebote sind für das Publikum zu entwickeln,

sollten vielfältig und zukunftsorientiert sein, ohne die ur-sprünglichen musealen Aufgaben aus den Augen zu ver-lieren. Die Museen müssen im Rahmen ihrer Möglichkei-ten die Wünsche der Besucher zu erfüllen versuchen. Esgeht nicht darum „[...] ein Museum und sein Angebot aus-schließlich nach den Wünschen der Besucher zu gestal-ten, aber doch, alle Maßnahmen, mit denen die Mu-seumsziele erreicht werden sollen, daraufhin zu prüfen,welche Wirkung sie beim Besucher erzeugen und ob siegeeignet sind, die Akzeptanz zu erhöhen oder Barrierenaufzubauen.“3 Die liebgewonnenen traditionellen Besu-cherschichten sind fester an das Haus zu binden, undgleichzeitig sollten wir uns zusätzlich auf neue Zielgrup-pen konzentrieren, die einen Museumsbesuch in ihrerFreizeit bisher noch nicht in Erwägung gezogen haben.Insgesamt ist eine positive Grundeinstellung gegenüberder Institution Museum anzustreben, die zu wiederholtenBesuchen führen kann und soll.

Eine Möglichkeit, neue Besucherschichten zu erreichenoder/und die Besucherbindung zu erhöhen, stellen die so-genannten „events“ dar. Ob Theater, Konzerte von Jazz,Klassik, Rock und Pop, Kino, Handwerkermärkte, Über-nachten im Museum, Feste aller Art wie Hochzeiten oderGeburtstage, Museumswochenenden oder Museums-nächte: all diese Attraktionen stehen beim Publikum hochim Kurs. Sie zeigen an, daß Museen nicht nur Orte derBesinnung, sondern auch Orte der Kommunikation undBegegnung sind, in denen das Schauen, das Hören undandere Sinne angesprochen werden. Das Museum wirdwährend der „events“ zum Erlebnisort, wobei das Ereig-nis selbst im Vordergrund steht. Entfernen sich die Mu-seen damit zu weit von ihren ureigenen Aufgaben? Sinddie musealen Stärken wirklich so wenig verankert, daßdie Museen an Substanz verlieren, wenn sie vielleicht füreinen kurzen Zeitraum zur Kulisse werden? Sollte die oh-nehin nicht mehr hinreichende Arbeitszeit nicht besser fürbisherige museumstypische Aufgaben eingesetzt wer-den? Diese und andere Fragen sind kritisch zu beleuch-ten, wenn über das Für und Wider von „events“ im Mu-seum diskutiert wird.

Die Museen der Stadt Kempten (Allgäu)

Die Stadt Kempten zählt ungefähr 65.000 Einwohner undist damit die größte Stadt der Region. Kempten liegt amRand des gut frequentierten Tourismusgebiets Allgäu undwird vor allem durch den sogenannten Ausflugs-, Ein-kaufs- oder Tagestourismus geprägt. Abgesehen vomArchäologischen Park Cambodunum (APC), der an der1. Kemptener Museumsnacht nicht beteiligt war, gibt esin Kempten fünf städtische Museen, die in drei Gebäuden

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untergebracht sind und jeweils nicht weiter als etwa 250Meter voneinander entfernt liegen:4

– Kornhaus: Allgäu-Museum mit KunstgewölbeEröffnung 1999Ausstellungsfläche ca. 1.700 m2

– Marstall: Alpenländische Galerie und Alpin-museumEröffnung 1990/19915

Ausstellungsfläche ca. 3.000 m2

– Zumsteinhaus: Römisches Museum und Natur-kundemuseumEröffnung 1961 bzw. 1975Ausstellungsfläche ca. 600 m2

Die oben genannten Museen ziehen im Jahr etwa 40.000Besucher an, wobei die Zahlen im Zumsteinhaus sowieim Marstall stagnieren oder rückläufig sind. Über die Be-sucherentwicklung beim Allgäu-Museum ist noch keinestringente Aussage zu treffen, da das Museum erst seitetwa 18 Monaten besteht. Es ist jedoch erkennbar, daßsich das neue Allgäu-Museum durch den extra eingerich-teten Kinderpfad vor allem bei Kindern und Familien einergewissen Beliebtheit erfreut. Insgesamt ist in diesem Zu-sammenhang darauf zu verweisen, daß vor allem Allgäu-Museum, Alpinmuseum und Alpenländische Galerie indie gesamte Region ausstrahlen. Zu den Besuchernzählen nicht nur die Einwohner Kemptens, sondern auchdie Bewohner der Region sowie Touristen. Für Verwal-tung, Bespielung und wissenschaftliche Betreuung dero. g. fünf Museen stehen insgesamt zwei Wissenschaftler(Museumsleiter und wissenschaftliche Mitarbeiterin), eineRestauratorin (halbtags) und ein Museumspädagoge(halbtags) zur Verfügung sowie 1,5 Schreibkräfte und2 Hausmeister.

Um die Attraktivität der Museen der Stadt Kempten zusteigern, führt die städtische Museumsverwaltung zahl-reiche öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen durch, diemit dem zur Verfügung stehenden Personal organisiertwerden. Aufzuführen sind:– Sonderausstellungen (ca. 7-8 pro Jahr),– Sonntagsführungen und Museumsstammtisch,– Konzerte (Musik im Museum, Lunchkonzerte),– museumspädagogische Aktionen.

Trotz all dieser durchaus gut angenommenen museums-üblichen Aktionen stagnieren die Besucherzahlen odersie sind rückläufig. Kempten liegt offenbar zu weit ent-fernt von den großen Ballungsräumen wie München oderAugsburg und kann auch keine touristischen Magnete

BERICHTE /AKTUELLES 61

Flyer zur 1. Kemptener Museumsnacht

vorweisen, die ein Museum gewissermaßen zu einem„Selbstläufer“ werden lassen. Die Museen der StadtKempten sind also wie viele andere Museen auch beson-ders gefordert, neue Ideen zu entwickeln oder zu experi-mentieren, um Besucherschichten zu erreichen, die derInstitution Museum eher reserviert bis ablehnend ge-genüberstehen.

Die 1. Kemptener Museumsnacht

Museumsnächte erfreuen sich einer wachsenden Beliebt-heit bei den Besucherinnen und Besuchern. Vor allem dieGroßstädte fungieren dabei als Schrittmacher. Stuttgart,Frankfurt, Berlin oder München veranstalten genausoMuseumsnächte wie kleinere Orte und Einrichtungen. Zunennen sind an dieser Stelle beispielsweise Orte wieSchweinfurt, Rosenheim, Passau, Heidenheim, der Land-kreis Ravensburg oder Obergünzburg im Allgäu, wo imJahr 2000 anläßlich des Internationalen Museumstagesund unter Hinweis auf die dortige völkerkundliche Süd-seesammlung eine erfolgreiche Museumsnacht unterdem Motto „Um Mitternacht ein Hauch von Südsee“stattfand.

Die Bandbreite der Programmpunkte ist insgesamt gese-hen gewaltig: Geboten werden nächtliche Führungen,Sonderausstellungen, Musik, Theater und Film, Vorträge,Modeschauen und anderes mehr. Besonders wichtig sindnaturgemäß die weit gefächerten und nicht selten exoti-schen Angebote für den Gaumen. Die meisten Museensind bemüht, Bezüge zwischen Museum und den einzel-nen Programmpunkten herzustellen. Doch sollte dies keinunumstößlicher Zwang sein, da sonst viele Aktionen nichtstattfinden könnten: Denn in welchen Museen läßt sich soohne weiteres eine Verbindung zur doch recht populärenJazzmusik konstruieren? Museumsnächte können odermüssen sogar auf Kontraste setzen, um mit einem reiz-vollen Programm aufwarten zu können. Jedenfalls solltennicht von vornherein solche Experimente ausgeschlossenwerden, denn nur dann wird man neue Besucherschich-ten ansprechen und vielleicht sogar gewinnen können.

Ein Programm der Kontraste bot auch die 1. KemptenerMuseumsnacht, die in der Nacht vom 6. auf den 7. Okto-ber 2000 in allen drei Museumsgebäuden der StadtKempten (a: Allgäu-Museum; b: Naturkundemuseum undRömisches Museum; c: Alpenländische Galerie und Al-pinmuseum) sowie in der Ausstellungshalle des Berufs-verbandes Bildender Künstler Schwaben-Süd stattfand.Von 20 Uhr bis 1 Uhr nachts drängten sich auf den zu-sammen ca. 5.500 m2 Quadratmetern Ausstellungsflächeetwa 2.500 Menschen, wobei im Kornhaus zusätzlich der

gut 600 m2 große Veranstaltungssaal mit Bühne und pro-fessioneller Licht- und Tontechnik genutzt wurde. DieStraßen und Plätze um die Museen waren fünf Stundenvoller Menschen, die plaudernd und meist gut gelauntzwischen den einzelnen Häusern hin und her flanierten.Ein gewaltiger Erfolg, der die Museen in Kempten und vorallem in der Region bekannter gemacht hat, da zahlreicheBesucher aus bis zu 50 Kilometer entfernten Orten zurMuseumsnacht nach Kempten anreisten.

Dieser Erfolg resultierte nicht nur aus der groß aufgezo-genen Berichterstattung der Allgäuer Zeitung, sondernlag auch am kontrastreichen und unkonventionellen Pro-gramm der Museumsnacht, das darüber hinaus dazu ge-führt hatte, daß der Radiosender Antenne Bayern dieKemptener Museumsnacht in den Hauptnachrichten pla-

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Bodypainting im Allgäu-Museum

zierte – eine Medienaufmerksamkeit, die nicht einmal an-läßlich der Eröffnung des Allgäu-Museums im März 1999erreicht worden war. In einem Kommentar der AllgäuerZeitung hieß es jedenfalls zur Museumsnacht: „Auch dieletzten Kultur-Muffel müssen es zugeben. Die KemptenerMuseen sind alles andere als angestaubt. Sie könnenbunt, ein bisschen exotisch und teils sogar schräg sein[....]. Die Museen müssen lebendig sein und in die StadtKempten hat die Museumsnacht allemal zusätzlich Lebengebracht.“6

Die Idee, eine Museumsnacht in Kempten zu veranstal-ten, ging letztlich von der Allgäuer Zeitung aus, die durchden Erfolg der Münchner Museumsnacht in dieser Hin-sicht inspiriert worden war. Die ersten Gespräche zwi-schen Zeitung und Museumsleitung fanden in den Mona-ten Januar/Februar 2000 statt. Dabei wurde schnell klar,daß zwischen beiden künftigen Partnern in vielen Punk-ten Interessengleichheit bestand. Die Allgäuer Zeitungwollte vor allem ein junges Publikum ansprechen, eine In-tention, die auch die Kemptener Museumsleitung teilte.Darüber hinaus war man übereinstimmend der Ansicht,daß dies nicht mit konventionellen Programmpunkten zuerreichen war. Themen-Führungen durch die Museensollte es daher zum Beispiel nicht geben. Ein unkonven-tionelles Programm sollte vielmehr möglichst breite Be-völkerungsschichten in Stadt und Region erreichen. Fol-gende Kooperation wurde zwischen der Allgäuer Zeitungund den Museen der Stadt Kempten vereinbart:

– Beide Einrichtungen fungierten als gleichberechtigtePartner, wobei die Einnahmen aus dem Verkauf der Ein-trittskarten geteilt wurden.

– Die vorgesehenen Modeschauen im Museum sowiedie Organisation der Gastronomie waren Aufgaben derAllgäuer Zeitung.

– Die Organisation des gesamten Restprogramms sowiedie Abwicklung der Detailfragen oblagen der Mu-seumsleitung. Darunter fielen auch Brandschutzproble-me, Sicherheitsfragen und konservatorische Aufgaben.

Die Allgäuer Zeitung stellte ferner in Zusammenarbeit mitder Museumsleitung einen Flyer zur Museumsnacht her,schaltete Zeitungsanzeigen und berichtete im Vorfeldder Museumsnacht im redaktionellen Teil über jedes ein-zelne Kemptener Museum. Darüber hinaus sorgte einvon der Allgäuer Zeitung organisiertes Gewinnspiel, beidem drei Flugreisen zu gewinnen waren, für zusätzlicheAttraktivität.

Die gewaltige Werbekraft der Allgäuer Zeitung war einwesentlicher Garant für den Erfolg der 1. KemptenerMuseumsnacht. Am Ende waren es im Vorfeld der

Museumsnacht drei große redaktionelle Beiträge über dieInhalte der einzelnen Museen, vier Beiträge über die be-vorstehende Museumsnacht, sowie fünf ganzseitige far-bige Anzeigen im Blatt selbst und in seiner Veranstal-tungsbeilage. Im Anschluß an die Museumsnacht schil-derte die Allgäuer Zeitung ihren Leserinnen und Lesernauf einer bunten Doppelseite den Ablauf und die Ereig-nisse dieses erfolgreichen Abends. Diese Werbung hättendie Museen der Stadt Kempten aus eigener Kraft und mitden begrenzten finanziellen Mitteln für Öffentlichkeitsar-beit nie realisieren können. So erzielten die KemptenerMuseen aber einen Bekanntheitsgrad, den sie ansonstenwohl kaum erreicht hätten – trotz zahlreicher Sonderaus-stellungen. Diese Folgewirkung der 1. Kemptener Mu-seumsnacht kann wohl kaum hoch genug eingeschätztwerden.

Ein zweiter wesentlicher Garant des Erfolgs der Veran-staltung war schließlich das Programm selbst. In den ein-zelnen Häusern wurden in verschiedenen Abteilungenund Etagen folgende Veranstaltungen den Besuchern an-geboten zu einem Eintrittspreis von DM 10,– pro Person7

für alle Museen:

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Uhrzeit

20 Uhr

21 Uhr

22 Uhr

23 Uhr

24 Uhr

Allgäu-Museumim Kornhaus(inkl. Festsaal):

– Bodypainting

– Wunschkonzertmit Solopiano

– Sport-Mode-schau imgroßen Fest-saal

– Bauchtanz– Marimbaphon-

und Vibraphon-musik

– Papierperfor-mance imgroßen Fest-saal

– Dessous-Modeschauim großenFestsaal

Alpinmuseumund Alpen-ländische Galerieim Marstall:

– Bergsteiger-Chor

– Barockmusik(Flöte undCello)

– Bergfilme

– Andenmusikaus Bolivien

– Lesung mitDias

– Streetdance

– Jazz

RömischesMuseum undNaturkunde-museum imZumsteinhaus:

– BrasilianischeMusik

– ModernesTanzstück

– One WomanComic Show

– KeltischeMusik

Ergänzend dazu fanden in allen drei Häusern zwischenden oben genannten Zeiten weitere Überraschungsdar-bietungen statt:– Allgäu-Museum: Theatersketche unter Einbeziehung

des Publikums und unter Nutzung der Museumsarchi-tektur

– Alpinmuseum: Bergfilme– Römisches Museum: Parfümieren wie in der römischen

Antike unter Einbeziehung der Besucherinnen und Be-sucher

Ferner wurden in allen Häusern durch zwei gastronomi-sche Betriebe Speisen und Getränke angeboten.

Resonanz und Probleme

Der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Veranstal-tungen betrug jeweils ca. eine Stunde, wobei die Darbie-tungen selbst zwischen 10 und 45 Minuten dauerten. Esblieb für die Besucher genügend Zeit, nach dem Ende ei-ner Aufführung zwischen den einzelnen Häusern hin undher zu pendeln. Dies war auch möglich, da die Entfernungzwischen den einzelnen Museen der Stadt Kempten nichtgrößer als 250 Meter ist. Diesem einkalkulierten Pendel-effekt mußte von vornherein Rechnung getragen werden,indem keine Eintrittskarten, sondern Eintrittsarmbänder(Ident-Controller) verkauft wurden, die am Handgelenk zubefestigen und ohne Zerstörung nicht mehr zu lösen sind.Auf diese Weise wurde verhindert, daß Besucher ohneEintritt zu bezahlen die Museen betreten konnten. Proble-me mit diesen Kunststoffarmbändern traten in Kemptenzu keinem Zeitpunkt auf.

Alle Aktionen wurden vom Publikum sehr gut angenom-men.8 Jede Aufführung war eng umlagert, da die meistenDarbietungen in den Ausstellungsräumen der Museenstattfanden. Nur die Sportmodenschau, die Papierperfor-mance sowie die Dessous-Modenschau fanden in einemgroßen Festsaal statt, der sich im gleichen Gebäude wiedas Allgäu-Museum befindet, ca. 700 Personen faßt undbei den oben genannten Darbietungen jeweils voll besetztwar. Außerdem wurden die Museumsgänge sowie dieFoyers im Marstall und im Allgäu-Museum einbezogen.Bei vielen Aufführungen ging es also darum, die begrenz-ten Flächen des jeweiligen Museums optimal zu nutzen,da nur bestimmte Räumlichkeiten für Veranstaltungenüberhaupt geeignet waren. Eine konzertante Situationkonnte nicht geschaffen werden, was jedoch auch beab-sichtigt war. Es war nicht zu vermeiden, daß nur ein Teilder Interessierten die von ihnen gewünschte Aufführungansehen konnte, da Besucher oder Einrichtungsteile denBlick auf die Akteure verstellten. Nur die Veranstaltungen

im großen Festsaal bereiteten in dieser Hinsicht keineProbleme, da hier ausreichend Fläche zur Verfügungstand.

Wie nicht anders erwartet galten den mangelnden Platz-angeboten und den schwierigen Sichtmöglichkeiten diemeisten Beschwerden der Besucher. Kritisiert wurden dieoft drangvolle Enge angesichts der gewaltigen Besucher-massen sowie das Fehlen von Sitzplätzen, die trotz zu-sätzlich aufgestellter Stühle nicht ausreichten. Insgesamtbetrachtet hielten sich jedoch die Beschwerden in Gren-zen, und die meisten Besucher zeigten Verständnis fürdiese spezielle Situation.9

Man sollte sich vor der Abhaltung von Museumsnächtenoder ähnlichen Veranstaltungen darüber im Klaren sein,daß die Raumproblematik gar nicht oder nur in den sel-tensten Fällen optimal zu lösen sein dürfte. Die Frei-flächen innerhalb der Museumsarchitektur sind notge-drungen immer begrenzt und für derartige Besuchermen-gen nicht geplant worden. Dennoch scheinen gerade diespezielle räumliche Situation sowie die hohe Zahl derMenschen für das Publikum einen gewissen Reiz zu bil-den. Dies wird auch durch die Beobachtung bestätigt,daß trotz der aufgeführten Probleme und trotz des hohenBesucheraufkommens die Stimmung in den einzelnenHäusern meist fröhlich und gut war. Das besondere Am-biente des Museums scheint zu faszinieren und übermanche unvermeidbare Unzulänglichkeit schnell hinweg-zutrösten.

Mit dem Besucheransturm bei der 1. Kemptener Mu-seumsnacht stießen die einzelnen Museen an die Gren-zen ihrer Kapazitäten oder überschritten sie sogar. 2.500Personen konnten nur deswegen verkraftet werden, dazwischen den Häusern ein gewisser Austausch stattfand,der den Druck etwas verteilen und mindern konnte. Den-noch mußte das relativ kleine Zumsteinhaus schon um20.15 Uhr – also eine Viertelstunde nach Beginn der Mu-seumsnacht – seine Pforten schließen und die Besucherabweisen oder vertrösten. Das Allgäu-Museum als derHauptmagnet dieses Abends stellte gegen 21.30 Uhr denVerkauf von Eintrittsarmbändern ein, um den Besucher-druck mittelfristig abzuschwächen. Auch im Marstallwurden für etwa eine Stunde keine Eintrittsarmbändermehr ausgegeben. Nachdem sich die Situation gegen22.30 Uhr entspannt hatte, gab die Museumsleitung denVerkauf wieder frei.10 Eine Schließung der Häuser bzw. einAbweisen von Besuchern konnte also nicht vermiedenwerden, um die Sicherheit von Menschen und Objektennicht in Frage zu stellen. Es zeigte sich, daß es in den ein-zelnen Häusern vor allem dann zu Engpässen kam, wenneine Veranstaltung beendet war und das Publikum zum

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nächsten „event“ pilgerte. Eine Steuerung der Besucher-massen war dann kaum mehr möglich, und selbst Mikro-phondurchsagen, die auf kurzfristig notwendig geworde-ne Änderungen der Aufführungsörtlichkeiten hinwiesen,hatten nur mehr eine begrenzte Wirkung. Bei ähnlichenVorhaben sollte in diesem Zusammenhang bereits im Vor-feld überlegt werden, ob nicht eine Kontingentierung derEintrittskarten sinnvoll ist. Dadurch kann eine vertretbareObergrenze der Besucherzahl festgelegt werden, um denDruck der Besucher auf die Museen in sinnvollen Gren-zen zu halten. Es dürfte außerdem auch einfacher sein,Besucher ohne Eintrittskarte mit dem Hinweis „ausver-kauft“ abzuweisen, als die Museumstore zu schließenund diejenigen Besucher notgedrungen auch auszusper-ren, die bereits im Besitz einer Karte sind.

Ein hohes Besucheraufkommen in relativ kurzer Zeitbringt natürlich auch Probleme in konservatorischer Hin-sicht sowie im Bereich Objektsicherheit mit sich. So stiegdie relative Luftfeuchtigkeit in manchen Räumen kurzfri-stig deutlich an. Es stellt sich allerdings die Frage, ob vorallem kleine und mittelgroße Museen es sich leisten kön-nen, eine auf hohe Besucherzahlen zurückzuführendeüberhöhte Luftfeuchtigkeit als Argument gegen eine der-artige Veranstaltung anzuführen. Denn in diesem Fall wä-re jede gut besuchte Ausstellungseröffnung künftig auskonservatorischen Gründen nicht mehr akzeptabel, unddas Verständnis der Öffentlichkeit gegenüber einer derar-tigen Begründung dürfte mehr als gering sein. Es solltevielmehr durch andere Maßnahmen versucht werden, dieklimatischen Schwankungen so gering wie möglich zuhalten – etwa durch die Saaltüren, die als Puffer wirkenkönnen, wenn sie von den Aufsichten immer wieder ge-schlossen werden.11 Jedenfalls muß die konservatorischeProblematik bei der Planung von Museumsnächten inten-siv berücksichtigt werden.

Dies gilt in gleichem Maße für die allgemeine Objektsi-cherheit, da (zu) viele Besucher durchaus Sicherheitspro-bleme aufwerfen. Die räumliche Enge kann leicht dazuführen, daß man mit Schulter oder Hand unabsichtlich anungeschützte Exponate stößt, und das Anlehnen an Aus-stellungsstücke stellt ebenfalls eine gewisse Gefahr dar.Die Objektsicherheit ist nur durch eine deutliche Anhe-bung der Zahl an Aufsichtspersonen adäquat zu gewähr-leisten. So wurde in Kempten anläßlich der Museums-nacht die Zahl der Aufsichten annähernd verdreifacht. Al-lerdings dürfen hier die Erwartungen nicht allzu hoch an-gesetzt werden. Manche Aufsichten sind angesichts desBesucheransturms schlichtweg überfordert und könnensich auf eine derart ungewohnte Situation nicht einstellen.Darüber hinaus ist es wohl kaum möglich, jeden Winkeleines Museums zu überwachen.12

Es kann also nicht in Abrede gestellt werden, daß jedegutbesuchte Museumsnacht zwangsläufig zu Objekt-streß führt und ein gewisses Sicherheitsrisiko darstellt.Jede Museumsleitung sollte sich also vorab fragen, obdieses Risiko kalkulierbar und ob das Verhältnis Pub-likumserfolg – Objektstreß akzeptabel ist. Jedenfalls sindalle Maßnahmen zu ergreifen, um die Risiken möglichstgering zu halten. Dieses Konzept ist bei der 1. KemptenerMuseumsnacht offenbar erfolgreich aufgegangen, dabisher kein Objektschaden durch die Museumsrestau-ratorin festgestellt werden konnte. Der übliche Sicher-heitsstand und der normale konservatorische Standarddürften jedoch bei keiner Museumsnacht durchgehendeinzuhalten sein.13

Die einzelnen Programmpunkte der Kemptener Museums-nacht hatten nicht in allen Fällen einen Bezug zu den

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Papier-Performance im Großen Festsaal/Allgäu-Museum

Museumsabteilungen oder den präsentierten Exponaten.Dieser Umstand war von der Museumsleitung durchausbeabsichtigt, um dadurch auch neue Besucherschichtenerschließen zu können.14 Es bleibt allerdings unklar, obdieses Konzept kurz- oder langfristige Erfolge nach sichgezogen hat oder zieht, da keine entsprechende Besu-cherbefragung durchgeführt werden kann. Doch obwohlbislang kein unmittelbarer Besucheranstieg in der Stati-stik erkennbar ist, der eindeutig auf die Museumsnachtzurückzuführen wäre, darf zumindest von einer deutlichenSteigerung des Bekanntheitsgrades der Museen derStadt Kempten ausgegangen werden. Dies resultiert nichtnur aus dem sehr guten Besuch der Veranstaltung selbst,sondern hängt auch mit der äußerst intensiven undgroßangelegten Berichterstattung in der regionalen Pres-se zusammen. Darüber hinaus wurde in allen drei Museendie Beobachtung gemacht, daß die weitaus überwiegen-de Zahl der Museumsnacht-Besucher nicht nur an deneinzelnen „events“ Interesse zeigte, sondern auch dieMuseen und ihre Exponate zum Teil sogar intensiv be-sichtigte. Gerade die Zeiten zwischen den einzelnen Pro-grammpunkten wurden dazu verwendet. Darüber hinausnutzten offenbar auch diejenigen Besucher die Museums-nacht zur Besichtigung der Schausammlungen, die ausräumlichen Gründen keine Möglichkeit mehr hatten, einebestimmte Aufführung anzusehen. So wurden die Mu-seen während der fünfstündigen Museumsnacht einer-seits zwar teilweise zur Kulisse für die verschiedenen Ver-anstaltungen, andererseits erfüllten sie aber auch her-kömmliche museale Funktionen. Es kann in diesem Zu-sammenhang also festgehalten werden, daß die publi-kumswirksamen Aktionen der Museumsnacht den Cha-rakter und die Schaufunktion der verschiedenen Häuser

nicht komplett überlagern konnten. Die optische und di-daktische Attraktivität der Museen nahm durch die Mu-seumsnacht und ihre Veranstaltungen offensichtlich kei-nen Schaden. Die Museen nahmen vielmehr die Funktioneiner Kommunikationsplattform wahr und boten demPublikum ein Forum für Betrachtung, Diskussion und fürfröhliches Beisammensein.

Im Hinblick auf die Programminhalte scheint es für dasPublikum relativ zweitrangig gewesen zu sein, ob die ein-zelnen Aktionen nun einen direkten oder scheinbaren Be-zug zum jeweiligen Museum bzw. zu den Exponaten hat-ten oder nicht. So stuften im Gegenteil zahlreiche Besu-cher gerade den unkonventionellen Charakter der Mu-seumsnacht positiv ein und begrüßten es, daß ein breitgefächertes Programm für unterschiedliche Zielgruppenzusammengestellt worden war. Probleme zeigten sich nurbei dem Vorhaben, vor der sogenannten „Weiß-Krippe“ -– eine aus etwa 250 Figuren bestehende Krippe aus dem1. Drittel des 19. Jahrhunderts – einen Bauchtanz vor-führen zu wollen. Obwohl hier ein zugegebenermaßer nurschwacher thematischer Bezug gegeben war, da dieKrippe dem orientalischen Typus zuzurechnen ist, schienhier offenbar die Gefahr zu bestehen, religiöse Gefühle zuverletzen.15 Nachdem die Museumsleitung Gespräche mitder örtlichen Geistlichkeit geführt hatte, die ebenfalls zueinem Umdenken riet, wurde die Aktion „Bauchtanz“ ineine andere Abteilung (Kunstgewölbe) verlegt. Vor derWeiß-Krippe wurde nun stattdessen Marimbaphon-Musikdargeboten, die keinen Anlaß mehr für Kritik bot. DieserVorfall ist ein Beleg, daß gerade im religiösen Bereich eineerhöhte Sensibilität gefordert ist, wenn Veranstaltung undThema der betroffenen Museumsabteilung zu weit aus-einanderklaffen.

Ein weiteres Kriterium für den Erfolg einer Museumsnachtist das gastronomische Angebot. In Kempten wurde die-ser Bereich an zwei Betriebe vergeben, die auf eigeneRechnung Speisen und Getränke verkauften. Hochpro-zentiger Alkohol wurde in Absprache mit der Museums-leitung aus Sicherheitsgründen nicht ausgeschenkt. DieMuseen waren am Umsatz nicht beteiligt. Die Bewirtungfand im Allgäu Museum im Foyer statt, das ohnehin übereine Rundtheke verfügt, die bei Großveranstaltungen vonder Gastronomie genutzt werden kann. Im Marstall (Al-penländische Galerie und Alpinmuseum) wurde ein Mehr-zweckraum im 1. Obergeschoß genutzt, im Zumsteinhaus(Römisches Museum und Naturkundemuseum) wurdeder vorhandene Vortragsraum entsprechend eingerichtet.Stehtische, die in den Gängen vor den eigentlichen Prä-sentationsräumen verteilt waren, sollten dafür sorgen,daß keine Speisen und Getränke in die Schausammlungmitgenommen wurden. Außerdem erhoben die gastrono-

BERICHTE /AKTUELLES66

Kemptener Museumsnacht: Gedränge im Foyer des Marstalls

mischen Betriebe im Marstall und im Zumsteinhausauf jedes Glas ein Pfandgeld, um das unkontrollierteAbstellen einzuschränken. Schilder an den Türen zu deneinzelnen Abteilungen forderten die Besucher freundlichauf, keine Speisen und Getränke mitzunehmen. DieseMaßnahmen hatten in allen Häusern den gewünschtenErfolg. Probleme mit der Mitnahme von Gläsern oderTellern gab es nur vereinzelt. Die Besucher hielten sich imwesentlichen an die Vorgaben der Museumsleitung undfolgten den Aufforderungen der Aufsichten, die an denTüren und in den Sälen postiert waren, um die Einhaltungder Vorschriften zu überwachen. Auf eine Kontrolle durchAufsichtspersonen sollte jedoch keinesfalls verzichtetwerden.

Finanzielle und zeitliche Aspekte

Für die einzelnen Veranstaltungen und Akteure, für RotesKreuz und den erhöhten Einsatz an Aufsichten, für Reini-gung und weitere Aufwendungen mußte die Museumslei-tung finanzielle Mittel in Höhe von etwa DM 25.000,— be-reitstellen. Die Kosten für die Anzeigenwerbung in der re-gionalen Presse, für den Flyer zur Museumsnacht sowiefür die GEMA trug dagegen der Kooperationspartner All-gäuer Zeitung. Die Modefirmen wirkten unentgeltlich mit.Diesen Kosten standen Einnahmen in Höhe von ca. DM24.000,— gegenüber, wobei vereinbarungsgemäß dieseSumme unter die beiden Kooperationspartner aufgeteiltwurde. Daraus errechnet sich für die Museen der StadtKempten ein finanzieller Verlust von etwa DM 13.000,—.Dies wird aber nach Einschätzung der Museumsleitungmehr als ausgeglichen durch die enorme Werbewirkungder 1. Kemptener Museumsnacht, die den Bekanntheits-grad aller fünf Kemptener Museen im Allgäu bedeutendgesteigert hat. Die finanziellen Mittel wurden demnachdurchaus gewinnbringend eingesetzt. Allerdings ist zubetonen, daß dieser Werbeeffekt nur wegen des Engage-ments der Allgäuer Zeitung so durchschlagend seinkonnte. Ohne diese Zusammenarbeit hätte eine derart in-tensive Werbung nie betrieben werden können. Der Erfolgder Museumsnacht wäre dann sicherlich nicht so hochausgefallen.

Auch der Faktor Zeit ist in Hinsicht auf die Museumsnachtzu hinterfragen. Die beiden wissenschaftlichen Kräfte derfünf Museen der Stadt Kempten (Museumsleiter und wis-senschaftliche Mitarbeiterin) waren etwa zwei bis dreiMonate mit der Vorbereitung und Organisation der Mu-seumsnacht beschäftigt.16 Eine Fremdagentur damit zubeauftragen, wie dies in manchen Großstädten praktiziertwird, war aus Kostengründen ausgeschlossen. Zweifels-ohne fehlt die für die Museumsnacht aufgebrachte Ar-

beitszeit bei den übrigen musealen Aufgaben, die konti-nuierlich zu erledigen sind. Gemeint sind Inventarisierung,Bestandspflege, Verwaltung, Management und vor allemdie Konzeption von Sonderausstellungen. Es stellt sichabschließend die Frage, ob angesichts der in wohl fast al-len Museen viel zu knapp bemessenen Stellensituationder oben beschriebene Arbeitsaufwand für die Organisa-tion einer Museumsnacht überhaupt vertretbar ist. Führtdies nicht automatisch zu einer Vernachlässigung wichti-ger Museumsaufgaben, die bei vielen Kommunen undanderen Trägern ungeliebt sind, weil sie nur eine geringeÖffentlichkeitswirkung entfalten? Oder sollte die wenigeabseits der alltäglichen Verwaltungsaufgaben noch ver-bleibende Arbeitszeit nicht besser für die Konzeption vonSonderausstellungen eingesetzt werden, die in vielen Fäl-len die einzige Möglichkeit bilden, die Besucherzahlen zusteigern und die Öffentlichkeit auf das Museum wieder-holt aufmerksam zu machen?

Die Antwort kann wohl nur dann sinnvoll gegeben wer-den, wenn die klassischen Museumsaufgaben (gemeintsind Bewahrung, Forschung, Sammlung, Ausstellung,Vermittlung), die Erwartungen der breiten Öffentlichkeit(gemeint sind Sonderausstellungen, Museumspädagogik,„events“) und Marketingaufgaben gleichberechtigt ne-beneinander gestellt und gewichtet werden. Die Museensollten ihre Stärken ausspielen, wenn es darum geht,ihren Platz im engen Freizeitmarkt auf Kulturebene zu be-haupten. Diese Stärken sind einerseits Originalität undAuthentizität der präsentierten Exponate und anderer-seits eine in vielen Fällen überaus spannungsreiche Mu-seumseinrichtung. Daher sollten die Museen keine Scheuhaben, für wenige Stunden im Jahr eine Kulisse für publi-kumswirksame Aktionen zu bilden, wenn dadurch ihreBekanntheit und ihr Stellenwert in der breiten Öffentlich-

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Bauchtanz im Kunstgewölbe des Allgäu-Museums

keit gesteigert werden können. Das Museum als didakti-sche Kultureinrichtung wird dadurch nicht geschwächt,sondern vielleicht sogar gestärkt, denn auf diese Weisewerden immer wieder neue Besucherschichten zumin-dest für wenige Stunden an die Museen herangeführt. Al-lerdings sollte man sich davor hüten, blindem Aktionis-mus zu verfallen. Sonderausstellungen, Handwerker-märkte, Museumsnächte und andere Aktionen dürfennicht zur Vernachlässigung der übrigen musealen Aufga-benbereiche führen – so schwierig dies in der alltäglichenMuseumspraxis auch sein mag. Beides – Sonderausstel-lung und „event“ – sollte dazu genutzt werden, das Mu-seum in der breiten Öffentlichkeit stärker als bisher zuverankern.

Rainhard Riepertinger

Anmerkungen

1 Allein in Bayern kam es in den Jahren 1997 bis 2000 zu etwa150 Neueröffnungen. Mit etwa 1150 Museen gilt Bayern alsdas museumsreichste Bundesland. Damit liegt es natur-gemäß auch an der Spitze der deutschen Besucherstatistik.Vgl. Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern(Hrsg.): Museen in Bayern, München/Berlin 2000, S. VII

2 Dabei sollte man sich darüber im Klaren sein, daß Besucher-zahlen nur zu einem Teil die Kunden- und Besucherzufrieden-heit widerspiegeln. Vgl. Dieter Pech: Event-Marketing imRheinischen Freilichtmuseum und Landesmuseum für Volks-kunde Kommern. Eine Marketingstudie zur Besucherbindung,in: Bernd Günter / Hartmut John (Hrsg.): Besucher zu Stamm-gästen machen! Neue und kreative Wege zur Besucherbin-dung,. Bielefeld 2000, S. 13-23, dort S. 15

3 Bernd Günter: Was behindert und was eröffnet Wege zu Be-sucherbindung und Besucherintegration, in: ebd., S. 67-77,dort S. 68

4 Dieser Umstand wird werbewirksam mit dem Begriff „Mu-seumsmeile“ genutzt.

5 Diese beiden Museen sind Zweigmuseen des BayerischenNationalmuseums. Das Alpinmuseum hat zudem als weiterenTräger den Deutschen Alpenverein (DAV). Beide Museen wer-den von der Museumsabteilung der Stadt Kempten (Allgäu)unterhalten, verwaltet und betreut. Auch die Öffentlichkeitsar-beit ist die Aufgabe der städtischen Museumsverwaltung.Konservatorische und gestalterische Belange obliegen hinge-gen dem Bayerischen Nationalmuseum.

6 Allgäuer Zeitung Nr. 232, 9. Oktober 20007 Eintrittspreisermäßigungen wurden nicht gewährt.8 Ein Gradmesser für den Erfolg der Museumsnacht ist die Tat-

sache, daß in den folgenden Tagen von vielen Besuchern dieFrage nach der nächsten Museumsnacht gestellt wurde.Auch die meisten Akteure der verschiedenen Veranstaltungenerklärten nach dem Ende der Museumsnacht spontan ihreBereitschaft, sich an einer zweiten Museumsnacht beteiligenzu wollen. Sie hoben vor allem die gute Stimmung und die At-mosphäre hervor.

9 Diese Einschätzung wird auch dadurch belegt, daß nur eineinziger Leserbrief bei der Allgäuer Zeitung einging, in demsich der Autor in o. g. Zusammenhang sehr verärgert zeigte.

10 Selbst dann wurden noch ca. 150 Armbänder verkauft.11 Diese Maßnahme wurde aufgrund der berechtigten Beden-

ken des Bayerischen Nationalmuseums im großen Saalder Alpenländischen Galerie getroffen. Der kleine Saal wurdeaus Sicherheitsgründen gänzlich geschlossen. Gerade dieAlpenländische Galerie mit zum Teil freistehenden Altärenund Holzplastiken eignet sich nach den Erfahrungen in Kemp-ten eher für Aktionen mit ruhigerem Charakter. In diesemZusammenhang ist dem Bayerischen Nationalmuseumfür freundliche Unterstützung und fachmännischen Rat zudanken.

12 Eine etwaige Videoüberwachung kommt nicht in Frage, dahier nur mit Personenschutz gearbeitet werden kann. DieSicherheitsleistung der Kameras genügte zumindest inKempten angesichts der vielen Besucher erwartungsgemäßnicht mehr. Daher wurden alle Personen an den Bildschirmenvon vornherein auf die Säle verteilt, um den Objektschutz zuoptimieren.

13 Dies gilt natürlich in ähnlichem Ausmaß auch für ungewöhn-lich gut besuchte Ausstellungen.

14 Bei einer angemeldeten Gruppenführung, die etwa fünf Wo-chen nach der Museumsnacht im Allgäu-Museum stattfand,verneinten alle aus Kempten stammenden 15 Personen dieFrage des Museumsleiters, ob sie schon einmal während derregulären Öffnungszeiten im Allgäu-Museum gewesen seien.Für die Museumsnacht hatten allerdings drei Personen Ein-trittskarten gelöst.

15 Allerdings wurden diese Befürchtungen nicht von der Bevöl-kerung direkt an das Museum oder an die Mitglieder desStadtrats herangetragen. Es waren vielmehr Hintergrundinfor-mationen, die hier eine Rolle spielten und ein nochmaligesÜberdenken auslösten.

16 Damit ist die insgesamt aufgewendete Arbeitszeit gemeint,die natürlich nicht im Block eingebracht wurde, sondern ineinem Zeitraum von etwa acht Monaten anfiel.

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Jazz im Marstall: Die Jazzabteilung der Sing- und MusikschuleKempten

DIE BAYERISCHE MUSEUMSLANDSCHAFT AN DER JAHRTAUSENDWENDEZur Auswertung der Umfrage der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen von 1999

Im Zusammenhang mit der Erstellung der Neuauflage von„Museen in Bayern“, dem bayerischen Museumshand-buch, das im Juli 2000 von Staatsminister Hans Zehet-mair in Bamberg vorgestellt wurde, stand auch die Ak-tualisierung der internen Museumsdatei der Landesstelledurch eine Umfrage bei den Museen an, denn die vor-handenen Daten stammten noch von der letzten Erhe-bung von 1995. Bis zur neuen Fragebogenaktion 1999hatte sich schon allein die Zahl der Museen geändert: Mitrund 1.150 Museen sind es heute rund 150 mehr als noch1995. Was es bei der Struktur und den Inhalten in derbayerischen Museumslandschaft Neues gibt, daraufkonnte man gespannt sein.

Zunächst gilt unser Dank allen Museumsleitern und -mit-arbeitern, die neben ihren sonstigen Aufgaben auch nochdas zeitraubende Ausfüllen des umfangreichen Fragebo-gens, der von der Landesstelle an alle bayerischen Mu-seen verschickt wurde, mit großer Sorgfalt erledigt ha-ben. Mit ihrer Unterstützung sind nun die Daten von 829Museen – 755 nichtstaatlichen und 74 staatlichen – aufdem aktuellen Stand für amtsinterne und wissenschaftli-che Zwecke zugänglich. Nach Bezirken gegliedert, betei-ligten sich 210 Museen aus Oberbayern, 79 aus Nieder-bayern, 108 aus Oberfranken, 111 aus Mittelfranken, 95aus Unterfranken und 135 aus Schwaben.

Einige Ergebnisse der Umfrage von 1999, die interessan-te Einblicke zu den Räumlichkeiten der Museen, zur Trä-gerschaft, Geschichte und Personalausstattung, zu denSammlungen oder der Infrastruktur bieten, sollen im fol-genden vorgestellt werden.

Museumsgebäude und Räumlichkeiten

Mehr als zwei Drittel aller Museen befinden sich in einemdenkmalgeschützen Gebäude (570 der 829 ausgewerte-ten Museen). Bei der Frage nach dem Gebäudetyp ist dieMehrzahl der Sammlungen in nicht eigens in der Umfra-ge aufgeführten Räumlichkeiten untergebracht (275, da-von 195 denkmalgeschützt). „Schloß/Burg“ war diezweithäufigste Nennung, gefolgt von Museen in Privat-häusern, eigens errichteten Gebäuden, Bauernhäusern,Rathäusern, Klöstern und Kirchen, Schulgebäuden undFabriken/Werkstattgebäuden (Grafik Wo ist das Museumuntergebracht?).

Immerhin rund 63 % der 829 ausgewerteten Museen be-sitzen ein Depot, wobei sich allerdings über die Hälfte der443 Museen, die Größenangaben machten, mit lediglichbis zu 100 m2 Depotfläche begnügen muß. Einen eigenenSonderausstellungsraum konnten ca. 39 % anführen, ge-

folgt von 31 % mit einem Mehrzweckraum, 23 % miteinem Museumsshop, 20 % mit zusätzlichen Räumen fürVeranstaltungen und 17 % mit einem angeschlossenenCafé bzw. Gastronomie. Das „Schlußlicht“ bildet dereigene museumspädagogische Raum, über den lediglich9 % der Museen verfügen. Zukünftig setzen augen-scheinlich die meisten Museen auf die Einrichtung einesMuseumsshops (rund 8 % in Planung, die anderen Zu-satzräume bei 4-6 %).

Bei der Frage nach der Trägerschaft ergibt sich bei dennichtstaatlichen Museen Bayerns ein ähnliches Bild wiebereits 1995 (ausgenommen aus der Wertung wurdenwiederum die an der Umfrage beteiligten 74 staatlichenund 3 Universitätsmuseen). Gemeinden und Städte liegenhier mit gut 39 % deutlich an der Spitze, gefolgt – wieschon 1995 – von Vereinen (knapp 19 %). Zweckverbän-de bzw. -vereinbarungen oder vergleichbare Mischträger-schaften sind – im Vergleich zu 1995 – allerdings weitaushäufiger (knapp 13 %), gefolgt von Privatpersonen (über

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10 %, 1995 nicht eigens aufgeführt), Stiftungen (5 %),Landkreisen, Firmen/GmbHs, Glaubensgemeinschaften/religiösen Einrichtungen und sonstigen Trägern.

Geschichte

Für die Zahl der Museumsgründungen von 1800 bis 1995lag nach der Umfrage von 1995 bereits eine Statistik vor(vgl. museum heute 11, 1996), an deren Grundaussagesich – bis auf die zu erwartenden Schwankungen auf-grund der unterschiedlichen Teilnehmer an den Umfragenvon 1995 und 1999 – bis Ende der 1980er Jahre nichtsWesentliches ändert.

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Zeitraum zwi-schen 1990 und 1999, da hierfür 1995 natürlich noch kei-ne abschließenden Zahlen genannt werden konnten. 224,d. h. 27,6 % der insgesamt 810 Museen mit Angabenzum Eröffnungsjahr, öffneten in den 1990er Jahren ihrePforten, die Entwicklung zeigt die Grafik auf (Grafik Mu-seumseröffnungen 1990-99). 16 Museen gaben als ge-planten Öffnungstermin das Jahr 2000 oder danach an.

Ganz im Gegensatz zur eher stagnierenden Anzahl derNeueröffnungen von Museen steht die Anzahl der Neuauf-stellungen. Schon nach den Ergebnissen der Umfrage von1995 konnte man die 1990er Jahre als das „Jahrzehnt derNeuaufstellungen“ bezeichnen, was die Untersuchungvon 1999 bestätigt (Grafiken Neuaufstellungen 1990-99und Neuaufstellungen..., davon Gesamtbestand...).

Die grafische Darstellung zeigt deutlich die steigendeTendenz mit dem Rekordjahr 1999, in dem allein 111 Mu-seen ihre Sammlungen ganz oder teilweise neu präsen-tierten. Insgesamt 358 der 472 Museen mit Angaben zudieser Frage hatten von 1990-1999 die letzte Neuaufstel-lung durchgeführt, davon 216 in Teilbereichen bzw. be-

stimmten Abteilungen, 142 ordneten sogar den gesamtenBestand neu. 58 Museen schlossen beispielsweise ihreletzte Neuaufstellung in den 1980er Jahren ab, 17 in den1970er Jahren, sechs in den 1960er und vier in den1950er Jahren. Auch in diesen Museen wird sich wohlkünftig im Hinblick auf eine zeitgemäße Darstellung derMuseumsinhalte noch einiges tun.

Personal

Wie werden die nichtstaatlichen Museen in Bayern zur Zeitpersonell betreut? Nach wie vor ist ohne das Ehrenamt dievielfältige bayerische Museumslandschaft nicht denkbar:Rund 47,7 % ehrenamtlich geführten Museen stehen 38,2% hauptamtlich und 14,1 % nebenamtlich geleitete Mu-seen gegenüber. Interessant ist ein Vergleich bei der An-zahl der jeweils betreuten Museen: Während die ehren-amtlichen Museumsleiter überwiegend nur für ein Muse-

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um zuständig sind (328 von insgesamt 349), betreuenauch 173 hauptamtliche Museumsleiter lediglich ein Mu-seum, 106 sind aber für mehrere Museen zuständig.

Als höchst schwierig erwies sich die Auswertung der Per-sonalstatistik an den nichtstaatlichen Museen. Bei derFrage nach der Anzahl der Museumsmitarbeiter insge-samt war nicht eigens vermerkt worden, daß auch dieMuseumsleitung zur Gesamtzahl zu rechnen ist, was zueinigen Mißverständnissen führte. Festhalten läßt sich je-doch, daß die Mehrzahl der Museen mit höchstens zweiMitarbeitern auskommen muß (Grafik Beschäftigte...ins-gesamt). Bei näherem Blick auf die aufgelisteten 127 Mu-seen mit mehr als 10 Mitarbeitern (davon hauptamtlichgeleitet 69, ehrenamtlich 55 und nebenamtlich 3) und den118 Museen mit sechs bis zehn Mitarbeitern (davonhauptamtlich geleitet 56, ehrenamtlich 45, nebenamtlich16), wird einmal mehr das starke ehrenamtliche Engage-ment bei der Betreuung der nichtstaatlichen Museendeutlich. Dieses spiegelt sich auch in den Ergebnissender Umfrage nach den Tätigkeitsfeldern wider, wo die ho-he Anzahl der unentgeltlich arbeitenden Mitarbeiter beider Museumstechnik und -aufsicht ins Auge fällt.

Sammlungen

Auch bei der Umfrage von 1999 wurde die Frage gestellt,zu welchem Museumstyp aufgrund der jeweiligen Samm-lungen sich die Museen einordnen würden (Mehrfachnen-nungen waren möglich, Grafik Museumstypen). Nach wievor rechnet sich die Mehrzahl der Museen (336 Nennun-gen) zu den Heimatmuseen, gefolgt von „sonstigen kultur-historischen Museen“ (240) und „Kunstmuseen/ Kunst-handwerksmuseen/ Galerien“ (147). Ebenso wie 1995 istauch 1999 der Begriff „Technik-/ Industriegeschichtliches

Museum“ (99 Nennungen) an vierter Stelle der Statistik zufinden, gefolgt von den Archäologischen Museen (75),diesmal mit deutlichem Abstand (rund 20 Punkte) zu denRaumkunstmuseen, Naturwissenschaftlichen Museen undPersonenmuseen. Die agrarhistorischen, zeitgeschichtli-chen und Literaturmuseen sind – wie auch 1995 – in Bay-erns Museumslandschaft weniger häufig vertreten.

Ein „Evergreen“ bei der Befragung der bayerischen Mu-seen ist die Erfassung der Sammlungen (Grafik Er-fassung...). Wie schon vier Jahre zuvor ist auch 1999 dasInventar bei 58,9 % der Museen die gebräuchlichsteForm der Auflistung von Museumsobjekten (zusätzlichbei 19,3 % der Museen für Teilbereiche). Wissenschaftli-che Inventare existieren bei rund 22,6 % der Museen, beiweiteren 19,4 % teilweise.

Immerhin nahezu die Hälfte der Museen (49,8 %) führt einEingangsbuch, eine anderweitige Auflistung der Samm-lungsgegenstände ist bei 23,3 % der Museen vorhanden(bei 13,7 % für Teilbereiche). 29,5 % der bayerischen Mu-seen haben ihre Objekte fotografisch erfaßt, zusätzliche37,5 % zumindest in Teilbereichen. Während die genanntenZahlen denjenigen von 1995 ähneln (bis auf den „Ausreißer“bei der anderweitigen Auflistung von Museumsobjekten mit18,4 % weniger Nennungen als 1995), setzt sich bei der Er-fassung der Museumsobjekte offensichtlich die EDV-ge-stützte Inventarisation immer mehr durch: 29,7 % der Mu-seen (1995: 18,1 %) inventarisieren mittlerweile mit Hilfedes Computers, 8,8 % setzen ihn zumindest teilweise ein.

Dienstleistungen

Die Öffnung nach außen verkörpert eine weit verbreiteteForderung an ein „modernes“ Museum. Dabei stellt sichzunächst die Frage, wann dem interessierten Besucher

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ein Museum seiner Wahl überhaupt zugänglich ist (GrafikWöchentliche Öffnungszeit ...). Immerhin knapp 55 % der808 Auskunft gebenden Museen sind regelmäßig geöff-net, weitere 36 % saisonal und lediglich gute 9 % nurnach Vereinbarung. 717 Museen antworteten auch auf dieFrage, wie viele Stunden sie während der Öffnungsmona-te in der Woche durchschnittlich geöffnet haben, wobei

die Mehrheit (210) zwischen 21 und 40 Stunden wöchent-lich zu besichtigen ist, allerdings auch 170 Museen nurzwischen einer und fünf Stunden.

Abendliche Öffnungszeiten ab 18.00 Uhr, damit beispiels-weise auch Berufstätige unter der Woche ein Museumbesuchen können, bieten mittlerweile 21 % der bayeri-schen Museen an. Im Vergleich zu 1995 zeichnet sich hierein deutlicher Aufwärtstrend ab: damals öffneten lediglich6,6 % der Museen abends ihre Pforten. Den Zugang zumMuseum erleichtern auch so banal erscheinende Dingewie ein innerörtliches Beschilderungssystem, das auf 54% der an der Umfrage beteiligten bayerischen Museenhinweist, und eigene Parkplätze, über die 44 % der Mu-seen verfügen.

„Kultur als Event“ ist zur Zeit ein häufig zu hörendesSchlagwort – mit welchen Angeboten locken die Museenihre „Kunden“, die Besucher, an? Zu den „klassischen“Methoden gehört, regelmäßig Führungen oder Sonder-ausstellungen zu veranstalten, was an 55 % bzw. 51 %

der bayerischen Museen der Fall ist. Von den Museen, dieAngaben zu ihren Sonderausstellungen machten, führensogar 57 % mehr als eine Ausstellung pro Jahr durch(Grafik Sonderausstellungen). Bei rund 30 % der befrag-ten Museen gehören sowohl Führungen als auch Sonder-ausstellungen zum Standardprogramm, bei rund 25 % al-lerdings keines von beiden. Dennoch sind es insgesamtbeachtliche über 89 % der bayerischen Museen, die einbreites Spektrum an Aktivitäten für Besucher anbieten.An wen richten sich diese Vermittlungsangebote vorallem? Wie die Grafik (Grafik Zielgruppen) verdeutlicht,bilden Schulklassen die bevorzugte Zielgruppe, in deut-lichem Abstand vor Gruppen und Kindern.

Zu den Dienstleistungen, aber auch zur Eigenwerbungeines Museums gehört überdies, dem Besucher Mate-rialien wie Museumsprospekte, Plakate oder Museums-

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führer zur Verfügung zu stellen. Über 89 % machten hier-zu Angaben, was beweist, wie wichtig die Museen dieseForm der Öffentlichkeitsarbeit nehmen (Grafik Materialfür Besucher). Im Zeitalter der Massenmedien habenzudem audiovisuelle Hilfsmittel Einzug in bereits 41 %der befragten bayerischen Museen gehalten: Am häufig-sten in den Ausstellungsräumen verbreitet ist, wie dieStatistik zeigt, das Videogerät (Grafik audiovisuelleMedien).

Den Weg der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen,vor allem mit weiteren Museen und den Fremden-verkehrsverbänden, wählen rund 63 % der bayerischenMuseen, um gemeinsame Projekte und Veranstaltungenauf die Beine stellen zu können (Grafik Zusammenarbeit).

„Viel Kultur für wenig Geld“ – so müßte man wohl dieDienstleistung der Museen bezeichnen, wenn man die inder Umfrage ermittelten Eintrittspreise betrachtet: Rund66 % der Museen verlangen zwar Eintrittsgeld, die Höhebewegt sich jedoch meist zwischen nur 2,50 DM und4,00 DM pro erwachsenem Besucher. 280 der 829 ant-wortenden Museen konnten generell kostenlos besichtigtwerden.

Fazit

Was sagen die mit Hilfe der Umfrage ermittelten Zahlenzur aktuellen Situation der bayerischen Museumsland-schaft aus?

Als Trend läßt sich festhalten, daß die Museen bemühtsind, ihre Attraktivität zu steigern, um mit anderen Frei-zeitangeboten mithalten zu können: Sie präsentieren, wiedie rasante Entwicklung bei den Neuaufstellungen zeigt,ihre Ausstellungsgegenstände in zeitgemäßer Form, er-weitern die Öffnungszeiten, bieten ein breites Spektruman Aktivitäten für die Besucher. Auch die moderne Tech-nik machen sich die Museen zunutze, wie die Entwick-lung bei der EDV-gestützten Inventarisation oder die Ver-breitung der audiovisuellen Medien in den Ausstellungs-räumen zeigt.

Dieses Engagement der Museumsmitarbeiter ist um sohöher zu werten, als sich die Rahmenbedingungen imVergleich zu 1995 – den ermittelten Zahlen nach zuschließen – nicht gerade verbessert haben: Stellvertre-tend sei hier auf die Ausstattung der Museen mit zusätz-lichen Räumen für ihre Depots oder für Sonderausstellun-gen hingewiesen, die – bis auf die Zunahme bei den Mu-seumsshops um rund 8,6 % – nur langsam Fortschrittemacht oder auf die stagnierende Entwicklung bei der Er-fassung der Sammlungen, welche aber nach wie vor einegrundlegende Basis für die qualifizierte Museumsarbeitdarstellt.

So bleibt es also weiterhin spannend in der bayerischenMuseumslandschaft – welche Richtung die Museumsar-beit im 21. Jahrhundert einschlagen wird, dazu kann dienächste Umfrage der Landesstelle in ein paar Jahren si-cher schon neue Erkenntnisse vermitteln.

Christine Schmid-Egger

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IMMENSTADT IM DOPPELPACKSchwäbischer Museumstag am 14.10.2000 und Schwäbischer Museumspreis an das Museum Hofmühle

Wie in einigen anderen bayerischen Bezirken findet auchin Schwaben – neben den bayernweit eingeladenen, vonder Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen veran-stalteten Bayerischen Museumstagen und terminlich al-ternierend dazu – im Zweijahresrhythmus der Schwäbi-sche Museumstag statt. Zum Schwäbischen Museums-tag 2000 hatte die Museumsdirektion des Bezirks nun am14. Oktober 2000 in das Museum Hofmühle in Immen-stadt eingeladen. Als inhaltliches Hauptthema stand dieBeziehung zwischen „Museum und Fremdenverkehr“ aufdem Programm, doch erwarteten die rund 80 angereistenMuseumsleiter und -mitarbeiter vor allem aus dem Allgäuund dem mittleren Schwaben zunächst gespannt diezweite Verleihung des Schwäbischen Museumspreises.Dieser Preis, gestiftet von Prof. Dr. Hans Frei und generösmit DM 10.000.– dotiert, war erstmals 1998 an dasSchwäbische Mühlenmuseum in Thierhaupten vergebenworden. Er wird zuerkannt für beispielgebende Neugrün-dungen, gelungene Erweiterungen oder überzeugendeProjekte der Museumspädagogik. Auch die Rolle des Mu-seums für das örtliche Kulturleben wird bei der Beurtei-lung durch das fünfköpfige Entscheidungsgremium, be-stehend aus dem Stifter, dem BezirkstagspräsidentenSchwabens, dem Leiter der Landesstelle für die nicht-staatlichen Museen, dem Vorsitzenden des Landesver-eins für Heimatpflege und einem schwäbischen Mu-seumsleiter, in Betracht gezogen.

Nach begrüßenden und einführenden Worten von Prof.Hans Frei, Immenstadts Bürgermeister Gerd Bischoff undBezirkstagspräsident Dr. Georg Simnacher faßte Dr. YorkLangenstein, der Leiter der Landesstelle für die nicht-staatlichen Museen, neue Entwicklungen in der schwäbi-schen Museumslandschaft zusammen. Den Museums-preis, der die Hälfte der Preissumme des gesamtbayeri-schen Museumspreises ausmacht, obwohl er nur für ei-nen der sieben Bezirke des Landes ausgelobt wird, be-zeichnete er als „wichtigen Motor der Museumsarbeit“.

Schließlich ging es an die Preisverleihung: Von den sechseingereichten Bewerbungen waren zwei in die engereWahl gekommen. Besonders passend – aber bei derOrtswahl für den Museumstag noch nicht feststehend –war die einstimmige Entscheidung der Jury, den Preis andas gastgebende Museum Hofmühle zu verleihen (zumMuseum Hofmühle s. den Artikel von MuseumsleiterMichael Kamp in museum heute 16, S. 35-39). In der Be-gründung der Entscheidung wurde ausgeführt: „Die StadtImmenstadt hat mit dem Erwerb und der Sanierung derdenkmalgeschützten ehemaligen Hofmühle die Grundla-gen geschaffen für eine zeitgemäße Präsentation derreichhaltigen Sammlungen des Heimatvereins Immen-stadt. Die Darstellung auf ca. 1.000 m2 in zwei Abschnit-

ten berücksichtigt wichtige Leitthemen der wechselvollenStadtgeschichte und setzt das Leben und die Kultur derBürger in Verbindung zu regionalen und allgemeinenAspekten der Geschichte, bis hin zur Arbeitswelt des In-dustriezeitalters und zum Tourismus. Ausstellungsarchi-tektur, Gestaltung und Objektpräsentation bilden eine ge-lungene Einheit, originelle Inszenierungen sorgen für Auf-merksamkeit und erleichtern die didaktische Vermitt-lung... Die Leistungen der Stadt Immenstadt sind bei-spielgebend für Konzept, Gestaltung und Organisation ei-nes Heimatmuseums in einer Kleinstadt.“ Lobend er-wähnt wurden außerdem die Integration der Heimatstubeder Sudetendeutschen in das Museum, die Sonderaus-stellungen und Veranstaltungen und das Depot des Mu-seums. Beim Rundgang durch die z. T. erst kürzlich fer-tiggestellten Räume konnten die Tagungsteilnehmer sichgleich ein eigenes Bild von Konzeption und Ausstellungdes Hauses machen.

Die nachmittägliche Podiumsdiskussion leitete ein Auf-taktreferat von Dr. Wolfgang Stäbler, dem Referenten fürÖffentlichkeitsarbeit der Landesstelle für die nichtstaatli-chen Museen, ein (s. u. S. 76 ff). Er verwies auf die Bedeu-tung der Museen innerhalb des bayerischen Tourismus-angebots und plädierte für eine engere Zusammenarbeitzwischen Museen und Fremdenverkehrsorganisationen.Bei der nachfolgenden Diskussion mit Vertretern von All-gäuer Fremdenverkehrswirtschaft, Bürgermeistern undMuseumsleuten wurden der allgemeine Wunsch zur ver-

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Schwäbischer Museumspreis 2000: BezirkstagspräsidentDr. Georg Simnacher (links) übereicht den Scheck überDM 10.000.–, gestiftet von Prof. Dr. Hans Frei (Mitte) an denVorsitzenden des Heimatvereins Immenstadt, Walter Kössel

stärkten Zusammenarbeit formuliert, aber auch wichtigeInitiativen dazu, etwa in Form der Einladung an Multipli-katoren im örtlichen Tourismusbereich wie Gastwirtenund Privatvermietern, die Museen der Region bei Son-derführungen u. ä. kennenzulernen, vorgestellt.

Der Schwäbische Museumstag 2000 hat erneut die wich-tige Rolle unterstrichen, die regionale Treffen und Initia-tiven für die jeweilige Museumslandschaft spielen kön-nen. Indem sie schwerpunktmäßig Fragestellungen ausdem jeweiligen Bezirk herausgreifen und vertieft behan-deln, ergänzen sie sinnvoll und effektiv als Foren für Zu-sammenkunft und Diskussion die landesweiten Veran-staltungen.

Wolfgang Stäbler

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Museum Hofmühle, Inszenierung „Historische Marktstände“

Abteilung Gewerbe und Industrie

MUSEEN ALS FREMDENVERKEHRSFAKTOR Impulsreferat zur Podiumsdiskussion beim Schwäbischen Museumstag, 14.10.20001

Bayern ist innerhalb Deutschlands der touristischeHauptanziehungspunkt. 21,5 Mio. Besucher verbrachtenhier 1999 ihren Urlaub (in Betrieben mit mehr als 9 Bet-ten), was bedeutet, daß 21% aller Besucher, die inDeutschland Urlaub machten, dies in Bayern taten. Über51 Mrd. DM, das sind etwa 8% des Bruttoinlandspro-dukts, wurden hier im Tourismusgewerbe umgesetzt,mehr als 330.000 Arbeitsplätze sind von den Besuchernunseres Landes abhängig.2 Nach jährlichen Zuwachsra-ten der Besucher, die aber gleichzeitig mit leicht verrin-gerter Aufenthaltsdauer (derzeit durchschnittlich gut 3 Ta-ge) einhergeht, blickte die bayerische Tourismusbranchezum Jahreswechsel 1999/2000 mit verhaltenem Optimis-mus in die Zukunft.

Die Hoffnungen wurden voll erfüllt: Von Januar bis August2000 stieg die Zahl der Gäste im Vergleich zum Vorjah-reszeitraum um 4,8 %, die der Übernachtungen um3,4 %. Nur 19,1 % aller Besucher 1999 stammte aus demAusland, doch lassen sich gerade bei diesem Segmentstarke Zuwachsraten feststellen: Nicht zuletzt der Wert-verfall des Euro trug wohl dazu bei, daß etwa die Zahl derUrlauber aus den USA bis August 2000 im Vergleich zu1999 um 19,8% zunahm, die der japanischen Gäste um8,3%.3

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen stellt sich die Frage:Worauf beruht die Attraktivität des Urlaubslandes Bay-ern? Wie kann sie gegen die weltweite Konkurrenz beste-hen bzw. möglichst noch gesteigert werden? Der großeKuchen des Tourismusgeschäfts – die deutschen Urlau-ber werden im Jahr 2000 über 90 Mrd. DM für ihre Feri-enreisen ausgegeben haben – soll ja nicht nur andernortsaufgeteilt werden.

Für die „sun-and-fun-Urlauber“, die sich am liebsten beiunbeschwertem Strandleben erholen, hat der Freistaatbekanntlich wenig zu bieten. Ebenso ist Bayern kein aus-gesprochenes Billigziel. Natur und Kultur sind dagegendie Trümpfe der bayerischen Fremdenverkehrswirtschaft,und auch spezielle Angebote wie „Urlaub auf dem Bau-ernhof“ – 7.000 bäuerliche Betriebe Bayerns bieten diesan, 50% aller Vermietungen in diesem Angebotssegmentin Deutschland finden in Bayern statt4 – kommen etwaFamilien besonders entgegen oder auch ruhesuchendenStädtern.

Nun ist der erstgenannte Faktor, die Natur, relativ sta-tisch: Berge, Seen und die übrigen Landschaften sind jaquasi „vorgegeben“ und es geht aus Sicht des Fremden-verkehrs nur darum, sie möglichst attraktiv für die Be-sucher zu erhalten, dabei sanft für die Freizeitnutzung zuerschließen. Im kulturellen Bereich gibt es mehr Spiel-

räume, aktiv auf die Bedürfnisse der Urlauber einzuge-hen. Baudenkmäler, Museen, Ausstellungen, Theater, dasreiche kulturelle Leben Bayerns allgemein bis hin zumvielerorts noch gepflegten Brauchtum bieten ein reichhal-tiges Spektrum von Ansatzmöglichkeiten, neues Interes-se zu wecken und das Urlaubserlebnis positiv zu beein-flussen. Die Betonung des kulturellen Aspekts hilft dabei,wie es der Tourismusforscher Martin Lohmann formuliert,„das regionale Profil zu präzisieren und andereSchwächen (z. B. das schlechte Wetter) als Imagekom-ponente in den Hintergrund zu rücken.“5

Einen wichtigen Teilbereich dieses kulturellen LebensBayerns, nicht zuletzt auch als Angebot für auswärtigeBesucher und beileibe aber nicht allein als klassisches„Schlechtwetterprogramm“, stellen die Museen unseresLandes dar. Daß man diese wichtige Rolle und den posi-tiven Effekt auch von tourismuspolitischer Seite sieht, hatdie finanzielle Förderung von Museumsprojekten bewie-sen, die bis vor wenigen Jahren aus entsprechenden Ent-wicklungstöpfen des Bayerischen Wirtschaftsministeri-ums erfolgt ist. Auch bei der konstituierenden Beiratssit-zung der „Bayern Tourismus Marketing GmbH“, der neu-en Dachorganisation der bayerischen Tourismusverbän-de, im September 2000 wurde die Bedeutung gerade deskulturellen Bereichs für den bayerischen Tourismus be-tont und es wurde versprochen, ihn in der Werbung nochmehr als bisher herauszustellen.

Welche Rolle aber spielen die Museen innerhalb dieseskulturellen Trumpfs Bayerns als Positivfaktor für denFremdenverkehr und welche Aufgaben können sie in Zu-kunft noch verstärkt übernehmen?

Bayern gehört zu den europäischen Regionen mit dergrößten Museumsdichte. Mit inzwischen etwa 1150 Mu-seen besitzt es eine bunte Palette von heimat- und regio-nalgeschichtlichen Sammlungen, Kunstmuseen und -ga-lerien, bedeutenden kulturgeschichtlichen Sammlungen,technischen und Freilichtmuseen bis hin zu Burgen undSchlössern mit musealen Präsentationen. Geschichteund Kultur des Landes haben in diesen thematisch un-glaublich vielfältigen Schatzkammern ihren Niederschlaggefunden, doch blicken viele Museen auch weit über denTellerrand hinaus und präsentieren internationale Kollek-tionen von Weltgeltung.

Zusammengenommen haben diese höchst unterschiedli-chen Einrichtungen rund 20 Mio. Besucher im Jahr, da-von einen hohen, allerdings nicht exakt quantifizierbarenAnteil von Touristen. Deren Museumsbesuch kann auszwei unterschiedlichen Gründen erfolgen: Entweder sienehmen auf einer aus anderen Gründen geplanten Reise

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die Museen nur mit (das genannte Schlechtwetterpro-gramm oder auch Interesse an kulturellen Inhalten al-lgemein oder der Wunsch, sich über die gewählte Ur-laubsgegend zu informieren), teilweise richten sie aberauch gezielt ihr Urlaubsprogramm nach kulturellen, auchmusealen Schwerpunkten aus. Betroffen von dieserKlientel sind v. a. natürlich Spezialmuseen wie Eisen-bahnmuseen, aber auch Kunstmuseen im Rahmen des„Städtetourismus“.

Dieser gezielte Kulturtourismus als Phänomen ist inzwi-schen Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher For-schungsprojekte und Publikationen, die mit dem allge-meinen Urlaubsverhalten in Relation zu setzen sind. Hier-zu einige Zahlen: Zu den Inhalten des letzten Urlaubs ga-ben 1996 bei einer Untersuchung 88,4 % der Befragtenan, daß „den Horizont erweitern, etwas für Kultur und Bil-dung tun“ von Bedeutung gewesen sei, wenngleich in un-terschiedlichen Gewichtungen. Als „besonders wichtig“stuften nur 15,4 % der Inlandsurlauber diese Punkte ein.Eine Rangliste der im Rahmen dieser Urlaubsbeschäfti-gung ausgeübten Aktivitäten ergab, daß Einkaufen undder Besuch von Märkten (der kulturelle Hintergrund dieserTätigkeiten erschließt sich dem Nicht-Tourismusforschernicht ohne weiteres) am beliebtesten waren, gefolgt vonMusikhören sowie Stadtrundfahrten und -führungen. AufRang 5 folgte immerhin schon der Besuch von histori-schen Gebäuden, auf Rang 9 der von Heimatmuseen. DerBesuch von Kunst- und technischen Museen rangierte inder Beliebtheitsliste auf den Rängen 13 und 15, unmittel-bar neben dem Besuch archäologischer Stätten (12) undvon Ausstellungen (14). In Prozentzahlen umgesetzt hat-ten danach immerhin 44,0 % der im weiteren Sinn im Ur-laub kulturell Aktiven ein Heimatmuseum besucht, 32,8 %ein Kunstmuseum und 17,0 % ein technisches Museum.6

Bei der tiefergehenden Untersuchung der besonders kul-turell interessierten Reisenden stellte sich heraus, daß essich dabei vorwiegend um überdurchschnittlich gebildetePersonen höherer Einkommensschichten handelt. Dassoziodemographische Profil ergab, daß sowohl jüngereEhepaare ohne Kinder als auch ältere Ehepaare beson-ders häufig einen gezielten Kultururlaub anstrebten. DerAltersgruppe dazwischen, Familien mit Kindern, war dieswohl aus Rücksicht auf die Interessen des Nachwuchsesnicht im gleichen Maß möglich.

Für die Museen ergeben sich aus diesen Ergebnissen fol-gende Schlußfolgerungen: Zum einen ist es wichtig, den„typischen Kulturtouristen“ mit ihren speziellen An-sprüchen adäquate Angebote – etwa in Form überregio-nal beworbener Sonderausstellungen – bereitzuhalten,zum anderen, bisherige Nichtbesucher durch neue Pro-

gramme, etwa für Urlauberfamilien, anzusprechen. Als ty-pische Familienausflugsziele fungieren hier bislang etwadie Freilichtmuseen, die durch ihre abwechslungsreicheKombination aus Aufenthalt in historischen Gebäudenund im Freien, aus Spaziergang und Betrachten von De-tails, darüber hinaus oft durch „bodenständige“ Gastro-nomie, gelegentliche Handwerksvorführungen usw. bishin zu Spielflächen und der Möglichkeit, Tiere zu beob-achten, ein breites Spektrum der Interessen aller Alters-stufen abdecken.

Natürlich ist es nicht jedem Museum gegeben, in ähnli-cher Dichte Besucherinteressen zu befriedigen. Auch wä-re es verfehlt, sich aus dem Bestreben heraus, möglichstvielen Besuchern möglichst vieles recht zu machen, zuverzetteln und letztlich durch blinden Aktionismus auchnoch die bisherige Besucherschicht zu verprellen. Hier istzunächst angesagt, durch Besucherbefragungen und -analysen ein Bild von seinen Besuchern bzw. auchNichtbesuchern, ihren Wünschen und Vorstellungen zuentwickeln und danach zielgerichtet zu reagieren. Dassoll nicht bedeuten, daß die hehren Museumstugendendes Sammelns, Bewahrens und Vermittelns dem Publi-kumsgeschmack untergeordnet werden sollen, dochwürde oft etwas mehr Orientierung hin auf die Bedürfnis-se der „Kunden“ in vielen Museen zu einer deutlichenAttraktivitätssteigerung beitragen.7

Museen sind ja, das müssen wir uns eingestehen, näm-lich zunächst nicht automatisch ein Besucher- und Touri-stenmagnet. Es gehört etwas mehr dazu als das Schildan der Eingangstür, um „Kunden“ anzulocken und ggf.die Fremdenverkehrsbilanz des Standortes positiv zu be-einflussen. Schlicht falsch wäre es, wenn man glaubte,man müsse nur eine aus regionaler Sicht interessanteSammlung im Rahmen eines neuen Museums zugänglichmachen und dann würden die Touristen schon kommen.Museen erweisen sich ja nur dann als Anziehungspunktsowohl für einheimische Besucher wie Urlaubsgäste,wenn sie besonderes zu bieten haben und die gestiege-nen Wünsche nach Service und mehr Erlebnis befriedi-gen. Der Ausbau der bayerischen Museumslandschaftsollte demgemäß auch in erster Linie durch die gezieltequalitative Fortentwicklung der bestehenden Einrichtun-gen erfolgen, weniger durch eine weitere quantitative Er-weiterung des Museumsspektrums. Es ist ja das Außer-gewöhnliche, das Unverwechselbare, das in erster Linieinteressiert und Besucher einbringt, im Idealfall das Ge-fühl, man müsse schlicht „dortgewesen sein“.

So wäre beispielsweise ein Parisaufenthalt ohne Besuchdes Louvre oder ein New-York-Trip ohne Stippvisitein Metropolitan Museum, MOMA oder Guggenheim-

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Museum für die meisten Touristen, egal wie vertieft ihrKulturinteresse auch sein mag, kaum denkbar. In Bilbaozieht die neue Dependance des Guggenheim mit seinemAnspruch als Gesamtkunstwerk aus Architektur undSammlung Tausende von Besuchern an, die bis vor kurz-em die Stadt nicht so ohne weiteres auf der Landkartegefunden hätten.

Der „Kulturtourismus“ ist in den letzten Jahren nicht nurim Rahmen der Städtereisen zu Metropolen der Welt zueinem Wirtschaftsfaktor geworden, der keinesfalls zu un-terschätzen ist, sondern kann sich auch in kleinerem Rah-men vorteilhaft für das Fremdenverkehrswesen einerKommune oder Region bemerkbar machen. Dabei wirdder Grundsatz gelten: Je isolierter das Angebot des je-weiligen Museums im Gesamtkontext des regionalen tou-ristischen Angebots steht, um so attraktiver muß es sein,um positive Auswirkungen auf den Fremdenverkehr zuhaben, oder anders ausgedrückt: Ein Museum weitab derTouristenströme wird aus eigener Kraft kaum oder nur beieinem wirklich sensationellen Angebot weitreichend posi-tive Effekte für den örtlichen Tourismus erbringen können.Andererseits wird ein Museum, das gut in ein stimmigestouristisches Konzept eingebunden ist, auch positiveAuswirkungen auf den Fremdenverkehr haben. Letztlichist stets ein Geben und Nehmen erforderlich, um gemein-sam zum Ziel zu kommen, und hier fällt dann sehr schnelldas modische Wort von den erzielbaren Synergieeffekten.Die Zusammenarbeit muß zukünftig vielerorts noch deut-lich verbessert werden und es ist als äußerst positiv zusehen, wenn, wie beim Schwäbischen Museumstag 2000in Immenstadt, Vertreter der Museen und der Tourismus-branche zusammen nach gangbaren Wegen suchen, eingemeinsames Ziel zu erreichen.

Museen können also durchaus mehr sein als eineSchlechtwetter-Alternative, als ein Lückenbüßer zum ei-gentlich geplanten Urlaubsprogramm. Dies ist auch klei-nen Museen möglich, wenn sie sich aus dem „Einheits-brei“ der vielen gutgemeinten und für die lokale Ge-schichte sicher wichtigen, überregional jedoch eher un-scheinbaren Sammlungen abheben. Durch die Schwer-punktsetzung auf ein bestimmtes Thema, etwa ein früheram Ort bedeutendes Gewerbe oder spezielle Eigenheitender Geschichte, Kultur oder Natur einer Stadt, einer Ge-meinde oder Landschaft, erhalten sie ein eigenes Profilund für auswärtige Besucher eine besondere Anzie-hungskraft. Solche Spezialmuseen lassen sich besondersgut in Tourismuskonzepte integrieren, die unter bestimm-ten Themenstellungen eine ganze Region erschließen:Bekannt sind ja etwa die Glas-, Wein- oder Barock-straßen. Wichtig wäre auch die Integration in ein in einembestimmten Zeitrhythmus wechselndes touristisches

Themenkonzept. Auf diesem Gebiet hat beispielsweiseder Tourismusverband Ostbayern bereits in den 1980erJahren Pionierarbeit geleistet.

Die enge Zusammenarbeit der Museen mit den regiona-len wie überregionalen Fremdenverkehrseinrichtungensollte selbstverständlich sein, um sich abzustimmen, ge-genseitig Stärken und Schwächen zu erkennen und auchZiele zu formulieren. Oft sind es kleine Schritte, die in dierichtige Richtung führen. Ein Beispiel: Im Rahmen desProgramms „Bayernnetz“ wurden im ganzen FreistaatRadwanderwege angelegt. Hinweisschilder an diesenWegen könnten mit geringem Aufwand nahegelegenenMuseen neue Besucherschichten erschließen; gleichzei-tig erhöht sich der Erlebniswert der Radtourenrouten, dieja nicht zuletzt Touristen auch gezielt in Gebiete abseitsder touristischen Zentren und Haupttrampelpfade brin-gen sollen.

Das gemeinsame Auftreten mehrerer Museen als Mu-seumsregion ist ein weiterer Schritt in die Richtung, dieAttraktivität des Angebots zu steigern. Dabei sollte manauch den Mut haben, über den Schatten des eigenenKirchturms hinauszublicken. So haben inzwischen man-che Landkreise bereits Broschüren über ihre Museen vor-gelegt, die auch auf Einrichtungen im Nachbarkreis oderim benachbarten Bundesland verweisen. Erst unlängstging eine Museumskarte in die zweite Auflage, welchesüdostbayerische Museen und gleichzeitig die Museen inSalzburg und Oberösterreich präsentiert. Für den Urlau-ber endet sein Mobilitätsradius für Ausflüge ja nicht anden Grenzpfählen der Gemeinde, des Landkreises oderBundeslandes, sondern in einer gewissen, je nach per-sönlicher Mobilität individuell unterschiedlichen Entfer-nung von seinem Urlaubsort. Informationen, die weiterrei-chen als die eigenen Grenzpfähle, stellen keine unbeab-sichtigte Werbung für die Nachbarn dar, sondern erhöhendie Attraktivität des eigenen Standorts.

Stichwort Information: Das Internet wird ja ein immerselbstverständlicheres Informationsmedium und mansollte rechtzeitig auch von Seite der Museen und mög-lichst in enger Kooperation mit den touristischen Einrich-tungen damit beginnen – viele haben es ja schon getan –neben gedruckten Flyern und ähnlichen Informations-und Werbemedien auch das Internet zu nutzen. So sindderzeit Gespräche im Gange, den Museumsführer „Mu-seen in Bayern“ der Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen im Internet, der zur Zeit überarbeitet und imFrühjahr 2001 in aktualisierter und völlig neugestalteterForm vorliegen wird, auch mit den offiziellen Informati-onsseiten zum Urlaub in Bayern zu verbinden, welche dieBayern Tourismus GmbH gerade erstellen läßt.

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„ZEICHEN DES ALLTAGS“Eine Ausstellung beleuchtet dieSituation von Juden in Deutschland heute

Sind Museen also positive Faktoren für den Fremdenver-kehr? Dies auf jeden Fall, und sie besitzen noch eine Viel-zahl von Möglichkeiten, durch verstärkte Besucherorien-tierung mehr als bisher Einheimische und Gäste gleicher-maßen anzuziehen. Dies kann ein nicht zu unterschätzen-der Beitrag dazu sein, den bayerischen Fremdenverkehrauch zukünftig im Wettbewerb konkurrenzfähig zu er-halten.

Wolfgang Stäbler

Anmerkungen

1 hier in überarbeiteter Form2 Tourismus in Bayern, Daten – Fakten – Zahlen, Hg. Bayer.

Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie,Faltblatt, Stand: Februar 2000

3 Zwischenbericht 2000, vorgelegt von Staatsminister Dr. OttoWiesheu bei der Jahrespressekonferenz „Tourismus 2000“;Bayer. Staatszeitung, 17.11.2000

4 s. Anm. 25 Martin Lohmann: Kulturtouristen oder die touristische Nach-

frage nach Kulturangeboten, in: Thomas Heinze (Hg.): Kultur-tourismus. Grundlagen, Trends und Fallstudien, München-Wien 1999, S. 53; dieser Sammelband bietet im Anhang an dieeinzelnen Beiträge, u. a. von Karin Hantschmann zum Thema„Museen als touristische Anziehungspunkte? Eine Untersu-chung anhand von ausgewählten Kunstmuseen in NRW“,S. 217-261, jeweils umfangreiche Literaturverweise, welcheals Einstieg zur Beschäftigung mit dem Thema dienen können.

6 Lohmann, ebd., Tab. 12 u. 13, S. 75f.; auf Lohmanns Untersu-chungen stützen sich auch die folgenden Angaben

7 Mit der Besucherorientierung im Museum befaßte sich derBayerische Museumstag 1999. Die dort gehaltenen Vorträgegibt das Berichtsheft: Geöffnet! Das Museum für den Besu-cher, 10. Bayerischer Museumstag Landshut 7.-9.Juli 1999,Hg. Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern,München 2000, wieder

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Museen als Magnet: Touristinnen bei der langen Nacht der Mün-chner Museen 2000

Wie orthodox leben deutsche Juden? Wie orthodox kannman überhaupt in Deutschland leben? Wie finden Judenin der Bundesrepublik einen jüdischen Partner? Müssenjüdische Deutsche zur Bundeswehr? Welche Flaggetragen die Teilnehmer aus Deutschland bei internatio-nalen jüdischen Sportfesten? Diese und viele andereFragen stellt die Ausstellung „Zeichen des Alltags“, dievom 21. November 2000 an im Jüdischen Museum Fran-ken in Fürth zu sehen ist.

Die Worte „Jude“ und „jüdisch“ rufen in Deutschlandnicht selten Unsicherheit hervor. Die meisten Menschenkennen Juden lediglich aus Geschichtsbüchern, Doku-mentarfilmen und politischen Debatten. Das deutsche Ju-dentum ist Gegenstand historischen Gedenkens odernostalgischer Exotisierung. Was hingegen tatsächlichesjüdisches Leben in Deutschland heute ausmacht, ist nurbruchstückhaft bekannt. Die deutsch-jüdische Gegen-wart ist, wie es eine Publikation der Alten Synagoge Es-sen unlängst formulierte, eine „Leerstelle“ im medialenDiskurs, und man könnte ergänzen: in der kollektivenImagination der deutschen Öffentlichkeit. (Und auch imAusland ist nicht vielen bewußt, daß die jüdischen Ge-meinden in Deutschland seit einigen Jahren die amschnellsten wachsenden weltweit sind und daß eine all-mähliche Renaissance jüdischer Kultur in der Bundes-republik eingesetzt hat.)

Wie also leben Juden in Deutschland heute? In welchenSituationen wird ihnen auf besondere Weise ihr Judentumbewußt? Wie läßt sich spezifisch jüdischer Alltag in seinerNormalität und anhand seiner kleinen und größeren Diffe-renzen und Ambivalenzen beschreiben?

Die Ausstellung „Zeichen des Alltags“ möchte einigeAspekte jüdischen Lebens beleuchten: emotionale, politi-sche, kulturelle, religiöse und rechtliche. Möglichst kon-kret, plastisch und anregend, jedoch ohne vordergründi-ge Didaktik will sie durch präzise und aktuelle Informatio-nen dazu beitragen, die Repräsentation und die Wahr-nehmung des Judentums zu „demusealisieren“ und diejüdische „Andersheit“ zu entmystifizieren.

Die Inszenierung verzichtet daher auf Original-Exponate.Um Judentum als eine lebendige, aktuelle und alltäglicheKultur in den Blick zu bekommen, bedient sie sich in ihrerkünstlerischen Darstellung einer populär-ikonographi-schen Sprache: Die gesamte Ausstellung setzt sich aus„Readymades“ zusammen, deren Ästhetik sich an denFormaten von Werbeträgern und Produktpräsentationenorientiert, wie sie im Straßenraum oder in Einkaufszentrenzu finden sind. Quadratische Kunststoff-Leuchtkästenwerden paarweise übereinander auf ein Metall-Gestell

montiert. Die jeweils oberen Displays zeigen bildschirm-große, farbige graphische Symbole, die wie Piktogrammeeinzelne Aspekte jüdischen Alltagslebens signalisieren;auf den darunter angebrachten Modulen sind im Sieb-druckverfahren kurze Textbeiträge aufgetragen, diedas Motiv erläutern, indem sie konkrete Informationenpointieren.

Jede Installation focussiert jeweils ein Phänomen, andem sich die zeitgenössische Situation von Juden inDeutschland sehr direkt und beispielhaft reflektieren läßt– von banaler Alltäglichkeit bis zu komplexer Ambivalenz.

Wie, beispielsweise, steht es um die Infrastruktur der Ver-sorgung mit koscheren Produkten? Seit wann gibt es inDeutschland koschere Eiskrem? Wo erhält man koschereMedikamente oder Kosmetikartikel? Warum wurde einekoschere Biermarke wieder vom Markt genommen? Wieüberleben koschere Metzgereien? Können in Deutsch-land hergestellte Produkte durch die „Orthodox Union“zertifiziert werden?

Die Wahrnehmung des Judentums ist stark durch religiö-se Motive geprägt und von diesbezüglichen Stereotypen

gesteuert. Wie orthodox oder wie säkular leben jedochdeutsche Juden wirklich? Wieviele Menschen besuchenüberhaupt regelmäßig die Synagogen? Wie viele Synago-gen gibt es in Deutschland? Wo werden orthodoxe Got-tesdienste gefeiert? Und wo werden liberale Rabbinerausgebildet? Wie viele Juden besitzen zwei Sätze Ge-schirr? Und wieviel Prozent benutzen am Schabbat keineelektrischen Geräte?

Mit welchen Vorstellungen ihrer nichtjüdischen Mitbürgersehen sich Juden konfrontiert? Wieviele Juden leben ak-tuell in der Bundesrepublik? Und für wie groß halten dem-gegenüber die Deutschen den Anteil der jüdischen Be-völkerung? Wieviele Deutsche treten jährlich zum Juden-tum über? Und nicht zuletzt: Wo und wie artikuliert sichdeutscher Antisemitismus?

Viele der „Zeichen des Alltags“, aus denen sich dieAusstellung zusammensetzt, machen Aspekte einerschwierigen Identitätsbildung lesbar: Erinnern sichdeutsche Juden am 9. November zuerst an die Po-gromnacht von 1938 oder an die Öffnung der Mauer von1989? Welche Identifikation ist vorrangig für die Athletendes deutsch-jüdischen Vereins Makkabi, wenn sie aninternationalen jüdischen Sportveranstaltungen teil-nehmen?

BERICHTE /AKTUELLES80

Icon „Fön“ (Thema Schabbat)

Icons „Wein“ und „Fisch“ (Thema Essen)

Im vergangenen Jahr absolvierte der erste Jahrgangjüdischer und nichtjüdischer Schüler seit 1938 an einemjüdischen Gymnasium in Berlin wieder das Abitur. Diedeutsche Gesetzgebung befreit jüdische Schüler, dienicht-konfessionelle staatliche Schulen besuchen, anjüdischen Feiertagen auf Wunsch vom Unterricht. Dasbedeutet, daß an diesen Tagen keine Klassenarbeitengeschrieben werden können. Einige Schulen unterrichtenindes auch an Samstagen. Wer sich an die religiösenGesetze halten möchte, kann zwar am Schabbat in dieSchule gehen, er darf jedoch weder schreiben noch Sporttreiben.

Insbesondere die juristische Situation von Juden inDeutschland ist in verschiedener Hinsicht von völligerGleichstellung und „Normalität“ weit entfernt: Das deut-sche Staatsbürgerschaftsrecht zum Beispiel, dessen„Prinzip der Vermeidung von Mehrstaatigkeit“ spätestensseit der Diskussion um den sogenannten „Doppelpaß“umstritten ist, enthält eine Ausnahme für die „Personen-gruppe Juden in Deutschland“. Auch das längst relati-vierte Asylrecht sieht Sonderregelungen für einreisewilligeJuden vor – allerdings nicht für alle Juden, und auch nichtfür alle Juden, die aus Deutschland emigriert waren oderdie aus Gebieten stammen, die durch deutsche Truppenbesetzt worden waren, sondern ausschließlich für Judenaus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Diese Einwan-derungspolitik hatte zur Folge, daß sich die Mitgliederzahlder jüdischen Gemeinden in den neunziger Jahren ver-fünffacht hat, daß mittlerweile 77 Prozent der in Deutsch-land lebenden Juden aus der früheren UdSSR stammenund daß Russisch inzwischen gleichsam zur Sprache desdeutschen Judentums geworden ist.

Besonders deutlich wird die sehr spezifische Situation jü-discher Deutscher am Beispiel des Wehrdienstes: Enkelvon Verfolgten des NS-Régimes, so die gegenwärtigePraxis, sind vom Militärdienst befreit. Eine Anweisung desBundesministers der Verteidigung sieht eine „Nichtheran-ziehungszusage“ wegen „unzumutbarer Härte“ und dem-gemäß eine „Zurückstellung bis auf weiteres“ vor. Die Ge-neration der Urenkel hingegen muß zur Bundeswehr. Be-deutet dies, daß Scham und Verantwortung nach zweiGenerationen verjährt sind? Daß sie zumindest rascherverblassen als die Behauptung von Traditionen? – 38 Ka-sernen der Bundeswehr sind noch heute nach Offizierender Wehrmacht benannt.

Diesen und zahlreichen weiteren Themen widmet sich dieAusstellung „Zeichen des Alltags“. Ein letztes Beispiel,das durch ein hinterleuchtetes „Icon“ und einen zugeord-neten Kurztext illustriert und offen zur Diskussion gestelltwird, mag andeuten, worum es dem Projekt geht – um dieBeleuchtung konkreter Phänomene, Fakten und Situatio-nen, welche die aktuelle Realität jüdischen Lebens in derBundesrepublik in ihrer Vielschichtigkeit erkennbar wer-den lassen: Die jüdische Gemeinde der Stadt Frankfurtam Main hat die Einziehung ihrer Gemeindesteuern denlokalen Finanzbehörden übertragen. Dies machte einenVermerk auf der Lohnsteuerkarte erforderlich, der die Zu-gehörigkeit zum Judentum benennt. Von dem Kürzel „J“wurde aus naheliegenden Gründen abgesehen. Aberauch die gewählte Abkürzung „IS“ – für „Israelitisch“ – istnicht ganz unproblematisch: Sie führte bereits zu Mißver-ständnissen – wenn die Buchstabenkombination „IS“nämlich als Chiffre für „Islam“ interpretiert wurde.

Oliver Lubrich

Die Ausstellung „Zeichen des Alltags“ wurde entwickeltvom Berliner Ausstellungsbüro x:hibit. Sie ist zu sehen imJüdischen Museum Franken in Fürth vom 21. November2000 bis 18. Februar 2001 und kann danach kann für be-liebige Zeiträume, in beliebiger sprachlicher Ausführung(zum Beispiel: Deutsch/Russisch oder Deutsch/Englisch)und in beliebiger Auswahl aus über 40 verfügbaren Bild-Motiven ausgeliehen werden. Die Installationen lassensich als geschlossene Sonderausstellung inszenierenoder als ergänzender Beitrag über eine bestehende Aus-stellung (oder auch über andere Räumlichkeiten) vertei-len. Der Versand erfolgt in maßgefertigten Transportki-sten. Die Zusammensetzung, Aufstellung und Illuminationder Einzelelemente ist sehr einfach.Ansprechpartner:x:hibit GmbH, Bülowstraße 90, 10783 Berlin, Tel. 030/26396650, Fax 030/26396640, E-Mail: [email protected]

BERICHTE /AKTUELLES 81

Sequenz „Asylrecht“ und „Eintrag der Religionszugehörigkeit“

MÖBEL IM MUSEUM 9. Tagung bayerischer, böhmischer und sächsischer Museumsfachleute, Freiberg/Sachsen, 13.-15.9.2000

Seit 1991 treffen sich im jährlichen Turnus Museumsleiterund -mitarbeiter aus der Tschechischen Republik, ausSachsen und Bayern, um Schwerpunktthemen der Mu-seumsarbeit zu erörtern und die grenzüberschreitendeZusammenarbeit weiter auszubauen. Ausrichter des ge-meinsam von der Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen in Bayern, der Assoziation der tschechischenund mährischen Museen und Galerien und der Lan-destelle für Museumswesen in Sachsen veranstaltetenjährlichen trilateralen Fachtreffens für Museumsleiter und-mitarbeiter waren im Jahr 2000 die Kollegen von derLandesstelle in Chemnitz. Die altehrwürdige Bergwerks-stadt Freiberg am Fuße des Erzgebirges war Schauplatzder nun bereits 9. Tagung, bei der nach materialbezoge-nen Themen wie Glas, Textilien, Papier und Graphik, einerTagung zur Darstellung der Zeitgeschichte in den Museenund zuletzt zu Fragen der Inventarisierung mit Hilfe derEDV nun der Arbeitsbereich „Möbel im Museum“ und derUmgang mit dieser bedeutenden Sachgruppe innerhalbder Sammlungen – ob bei der Inventarisation, im Bereichder Konservierung und Restaurierung, bei der Gestaltungder Schausammlungen oder im Depot – aufgezeigt unddiskutiert wurden. Rund 100 Teilnehmer aus den Partner-ländern, die sich in den Räumen der Bergakademie ein-gefunden hatten, bewiesen wiederum, für wie wichtig derfachliche Austausch auch über die Grenzen hinweg an-gesehen wird. Im Hintergrund stand auch wie immer dieFrage, wie in Zukunft die Zusammenarbeit zwischen denMuseen der Teilnehmerländer weiter verbessert und in-tensiviert werden kann.

Der thematische Bogen des Programms spannte sich vonDarstellungen von Sammlungen und ihren Konzepten(u. a. „Möbelsammlung des Münchner Stadtmuseums“,Dr. Helmut Bauer; „Möbel von H. van de Velde“, LianeSachs, Kunstsammlungen Chemnitz) über das Thema„Möbeldepots“ (u. a. „Zwischen Depot und Ausstellung:Möbel auf dem Weg“, Dr. Jan Mohr, NordböhmischesMuseum Liberec; „Das Möbeldepot eines regionalen Frei-lichtmuseums“, Elmar Hahn, Hohenloher Freilichtmuse-um Schwäbisch Hall) und Publikationen zum ThemaMöbel (u. a. „Eine Ausstellung und ihr Katalog – ,Stühle‘im Handwerksmuseum und Stadtmuseum Deggendorf“,Ulrike Schwarz) bis hin Erhaltung der Bestände (u. a. „Re-staurierung und Konservierung von Möbeln im Kunst-gewerbemuseum Prag“, Petr Spacek; „Eine Restau-rierungsmaßnahme zur Bestandserhaltung der Möbelim Oberpfälzer Volkskundemuseum Burglengenfeld“,Dr. Margit Berwing-Wittl). Zum Thema „Präsentation“ re-ferierte bayerischerseits Dr. Kilian Kreilinger von der Lan-desstelle für die nichtstaatlichen Museen („Aspekte der,authentischen‘ Präsentation im Museum“), währendDr. Dana Karasova´ die Möbelsammlung des Kunstge-

werbemuseums Prag vorstellte. Im abschließenden Vor-tragsblock „Typologie – Inventarisation – Dokumentation“standen das Erfassen und Erschließen von Möbelbestän-den anhand bayerischer Beispiele (Prof. Dr. Gerti Maier-bacher-Legl), die Bestandsarbeit im StuhlbaumuseumRabenau (Jochen Mühle) und die Inventarisation der Bau-ernmöbelsammlung in der volkskundlichen Abteilung desNationalmuseums Prag (Dr. Helena Mevaldova´) im Mittel-punkt. Exkursionen innerhalb Freibergs und zu seinenMuseen vermittelten einen plastischen Eindruck von derreichen Geschichte des Tagungsortes.

Die Beiträge der Tagung werden wie immer in einemzweisprachigen (deutsch-tschechischen) Berichtsheftveröffentlicht, das derzeit unter Federführung der Sächsi-schen Landesstelle für Museumswesen vorbereitet wirdund ab Sommer 2001 auch bei der Landesstelle für dienichtstaatlichen Museen in Bayern bezogen werdenkann. Das 10. Treffen bayerischer, böhmischer und säch-sischer Museumsfachleute wird vom 10.-12. Oktober2001 in Regensburg zum Thema Didaktik (Arbeitstitel:„Die Botschaft der Museen: Konzept – Vermittlung –Rezeption“) stattfinden. Einladungen hierzu werden imFrühsommer 2001 versandt.

Wolfgang Stäbler

BERICHTE /AKTUELLES82

Führung durch das Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg

MUSEUMSTHEATERFachtagung des Bundesverbandes Museumspädagogik im Badischen Landesmuseum Karlsruhe

Auch in bayerischen Museen begegnet man ihnen immerhäufiger: Personen in historischer Kleidung, die durchAusstellungen führen oder in kurzen Spielszenen vergan-gene Zeiten lebendig werden lassen. Die Rede ist vontheatralen Inszenierungen, mit deren Hilfe Bilder, Objekteoder Themen eines Museums oder einer Ausstellung an-schaulich vermittelt werden sollen. Mit schauspieleri-schen Methoden möchte man das Publikum in eine an-dere Zeit versetzen, Themen der Ausstellung erlebnisori-entiert vermitteln, um somit den Zugang zu den präsen-tierten Objekten und Themen auf unterhaltsame und an-regende Weise zu erleichtern.

Diesem neuen methodischen Vermittlungsansatz widme-te sich die diesjährige Jahrestagung des Bundesverban-des Museumspädagogik e. V., zu der die Veranstaltervom 21.-24.9.2000 nach Karlsruhe eingeladen hatten.Gastgeber war das Badische Landesmuseum, in demseit Jahren, insbesondere seit der großen Landesausstel-lung „1848/49 – Revolution der deutschen Demokraten inBaden“1 Schauspielerinnen und Schauspieler regelmäßigsowohl in Sonderausstellungen wie in der permanentenSchausammlung des Museums mit großer öffentlicherResonanz und wachsender Beliebtheit agieren.

Die Fachtagung mit über 200 Teilnehmern (Museums-fachleute, vor allem Museumspädagogen, Theaterma-cher, Theaterpädagogen und Schauspieler sowie Desi-gner und Ausstellungsgestalter) verfolgte das Ziel, didak-tische und künstlerische Ansätze sowie praktische Erfah-rungen von „Museumstheater“ vorzustellen, die Möglich-keiten und Grenzen zu diskutieren, Perspektiven für dieZukunft zu erörtern sowie Methoden dieser Vermittlungs-art im deutschsprachigen Raum zu etablieren.

Für den Eröffnungsvortrag war es den Veranstaltern ge-lungen, den international renommierten Theaterregisseurund Künstler Robert Wilson zu engagieren. Wilson ist be-kannt für seine spektakulären Theaterinszenierungen so-wie für seine künstlerisch inszenierten Ausstellungen; erhatte übrigens begleitend zu den diesjährigen Passions-spielen in Oberammergau eine aufwendige Installationaufgebaut. Sein Vortrag „Museum – The Art of the Stage“war selber eine schauspielerische Meisterleistung undidealer Start dieser Fachtagung.

Die praxisorientierten Referate der ausländischen Kolle-ginnen und Kollegen aus den Niederlanden, aus Großbri-tannien und aus Griechenland zeigten deutlich, daß thea-tralische Vermittlungsmethoden dort seit langem vielfältigeingesetzt werden. Beispiele aus deutschen Museen,darunter auch ein Vortrag des Nürnberger Museumslei-ters Dr. Sonnenberger über das Museum als historisches

Theater am Beispiel des Albrecht-Dürer-Hauses und desStadtmuseums Fembohaus, führten die Vielfältigkeit derEinsatzmöglichkeiten von Schauspiel und Theater im Mu-seum vor: handwerkliche Demonstrationen in histori-schem Gewand ohne Text (z. B. in Freilichtmuseen), kur-ze Spielszenen innerhalb der Dauerausstellung mit the-matischem und historischem Bezug (Haus der Geschich-te der Bundesrepublik, Bonn), Tanzperformances, dieneue Perspektiven und Sichtweisen auf die jeweilige Aus-stellung ermöglichen sollen (Landesmuseum für Arbeitund Technik, Mannheim), szenische Lesung mit themati-schem Bezug (Museum für Kommunikation, Berlin) bishin zum reinen Spektakel als bewußter Einsatz für Marke-ting und Werbung eines Museums.

Vertreter einer englischen und einer niederländischenTheatergruppe, die regelmäßig in Museen ihre Schau-spielstücke aufführen (Theatre Company Museum of theMoving Image, London und Pandemonia Science Thea-tre, Amsterdam) berichteten von ihren langjährigen Erfah-rungen. Es ist auffallend, daß sich ihr methodischer An-satz deutlich von den deutschen Beispielen unterschei-det. Während an den deutschsprachigen Museen Theaterund Inszenierungen überwiegend pädagogische Zieleverfolgen zum Zwecke der Bildung des Besuchers, stehtbei unseren europäischen Nachbarn häufiger der Unter-haltungswert im Vordergrund bzw. der emotionale Zu-gang zu spröden und schwierigen Themen, oftmals ge-paart mit Humor oder Ironie.

An den Nachmittagen wurden die Erfahrungsberichte er-gänzt durch Workshops, die in konkrete Methoden undTechniken der theaterpädagogischen Arbeit einführtenoder einzelne Projekte vertiefend vorstellten.

Begleitend zu der professionell organisierten Fachtagungkonnten die Teilnehmer an einem Abend Beispiele vonMuseumstheater am Badischen Landesmuseum hautnaherleben: In der neueingerichteten archäologischen Abtei-lung des Landesmuseums wurden mehrere Szenen ausrömischem Leben zwischen Vitrinen und Nachbautenvorgeführt. Eine andere szenische Präsentation führte dieTagungsteilnehmer in die Sonderausstellung zur textilenKunst von Ernst Ludwig Kirchner. Hier konnte man an-hand eines kurzen Theaterstückes Leben und Arbeitendes Künstlers nachempfinden.

Einen eher zurückhaltenden Ton gegenüber Schauspiel-kunst im Museum schlug ein Ausstellungsgestalters an.Johannes Milla plädierte für kreative gestalterische Lö-sungen. Er befürwortete sinnliche Inszenierungen undtechnische Einbauten, die sozusagen Ausstellungen inBühnenbilder verwandeln, in denen der Besucher hin-

BERICHTE /AKTUELLES 83

durchschreitet und somit selber zum Akteur wird. DieAgentur Milla & Partner hat u. a. den Deutschland Pavil-lon auf der Expo in Lissabon gestaltet und Teile desDeutschland-Pavillons auf der Expo in Hannover.

Ein Ideenmarkt zeigte geplante oder realisierte Projekteaus unterschiedlichen deutschen Museen, die nochmalsdie Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von „Theater im Mu-seum“ aufzeigten. Dabei stellte Dorothee Dennert vomHaus der Geschichte der Bundesrepublik einen überzeu-genden Beitrag vor. Unter dem Titel „Geschichte spiele-risch“ verwandelten Schauspieler des Theater TAKTILdrei Bereiche der Dauerausstellung für wenige Minuten inhistorische Orte. Eine Spielszene widmete sich dem En-de des Zweiten Weltkrieges: ein Kriegsheimkehrer trifftauf eine Trümmerfrau („Es muß ja irgendwie weiterge-hen...“), eine andere Szene stellte eine parlamentarischeDebatte im Deutschen Bundestages nach originalen Pro-tokollen nach („Das Wort hat Frau Abgeordnete...“) oderes wurde die Sehnsucht der Deutschen nach Italien inden 50er Jahren nachempfunden: „Jetzt wollen wir auchmal...“.

Ein paar Thesen und Ergebnisse der Bundestagung seienim folgenden kurz zusammengefaßt, die in dem geplan-ten Tagungsbericht2 ausführlich dargelegt werden sollen:

1. Museumstheater, das Themen oder Objekte einer Aus-stellung vermitteln möchte, kann in vielfältiger Art undWeise stattfinden: als szenisches oder historisches Spiel,in theatraler oder pantomimischer Spielführung, als Le-sung oder als musikalische Darbietung, als Ausdrucks-tanz, Papier-, Puppen- oder mechanisches Theater.

2. Museumstheater soll die Besucher und Besucherinnenemotional berühren und komplexe Themen auf sinnlicherlebbare Weise erschließen.

3. Museumstheater muß gut vorbereitet werden: auf diejeweilige Situation, auf das Thema und die örtliche Gege-benheiten im Museum. Auf bestmögliche Qualität sowohlin der Inszenierung als auch bei der Schauspielkunst soll-te unbedingt Wert gelegt werden.

4. Unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg ist die en-ge Zusammenarbeit zwischen Austellungskuratoren,Pädagogen und Theaterleuten.

5. Nicht jedes Museum und nicht jede Ausstellung eignensich für den Einsatz theatraler Praktiken.

Am Ende der Tagung wurde von beiden Veranstaltersei-ten der Wunsch laut, künftig enger zusammenzuarbeiten.Beide Bundesverbände der Museumspädagogen und derTheaterpädagogen gründeten eine Arbeitsgruppe, umden in Karlsruhe begonnenen Dialog künftig strukturiertund kontinuierlich weiterzuführen.

Hannelore Kunz-Ott

Anmerkungen

1 Die Erfahrungen dieser Spielszenen im Museum sind in derPublikation “Inszenierte Geschichte(n). Museumstheater, Akti-onsräume, Bildergeschichten, Umfragen. Am Beispiel der Lan-desausstellung ,1848/49. Revolution der deutschen Demokra-ten in Baden‘”, Baden-Baden 1999, herausgegeben vom Ba-dischen Landesmuseum Karlsruhe, zusammengefaßt.

2 Der Tagungsband wird voraussichtlich im Frühjahr 2001 in derReihe „Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement“ destranscript-Verlages (Bielefeld) erscheinen.

BERICHTE /AKTUELLES84

Historisches Museum Bayreuth: „Kleider machen Leute“ mit„historischen“ Kostümen

TREFFEN DES ARBEITSKREISES FÜR HAUSFORSCHUNG IN BAYERN AM 25.10.2000 IN REGENSBURG

Am diesjährigen Treffen des Arbeitskreises für Hausfor-schung in Bayern, das in Regensburg stattfand, nahmentrotz der aus technischen Gründen kurzfristigen Einla-dung über 50 Personen teil. Das Programm gestaltetenvor allem Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes fürDenkmalpflege, die in Regensburg tätig sind bzw. waren.Vorab ist Herrn Dipl. Ing. Karl Schnieringer für seine ge-lungene Organisation zu danken.

Ziel des Treffens war es, über den gegenwärtigen Standder Bürgerhausforschung in einem kurzen Überblick zu in-formieren und die Arbeitsmethoden an Hand von drei Ge-bäuden bzw. Baukomplexen näher zu erläutern. Dr. HaraldGieß und Dipl. Ing. Heike Fastje legten zunächst die Ar-beitsweisen und Methoden der Bürgerhausforschung inRegensburg dar, die geprägt ist von detaillierten Bauun-tersuchungen. Deren Ergebnisse waren auch Grundlagedes Referats von Dipl. Ing. Karl Schnieringer über dieHaustypen in Regensburg. Restauratorische Befundunter-suchungen auf hohem Niveau ermöglichen Gieß über-raschende Aussagen über die Ausstattung und Dekora-tion der mittelalterlichen Bürgerhäuser in Regensburg.

Die weiteren Referate dienten der Vorstellung der Exkur-sionsobjekte: Dipl. Ing. Heike Fastje und Dipl. Ing. KarlSchnieringer stellten das Zanthaus (Gesandtenstraße 3)und das Ingolstetterhaus (Gesandtenstr. 5) vor. Diese bei-den Komplexe setzen sich aus jeweils mehreren zunächsteigenständigen Patrizieranwesen zusammen und gehenmit ihren Türmen und Hauskapellen bis auf das 12./13.Jahrhundert zurück. Das Zanthaus diente seit 1812 alsSchnupftabakfabrik, die seit 1898 in den Räumen des be-nachbarten Ingolstetterhauses erweitert wurde. Der Bau-komplex steht jetzt vor seiner Sanierung und Umnutzung;im Gespräch ist auch der Einbau eines Schnupftabakmu-seums. Vor über 10 Jahren hat das Landesamt mit einerdetaillierten Bauuntersuchung begonnen, die jetzt vordem Abschluß steht. Im 1999 erschienenen Band 107 derArbeitshefte des Bayerischen Landesamts für Denkmal-pflege, „Vom Handelshaus zur Schnupftabakfabrik“, wer-den die bisherigen Ergebnisse vorgestellt.

Dipl. Ing. Stefan Ebeling führte in das Haus Roter Heizfleck2 ein. Das Gebäude wurde exemplarisch erforscht und alsMustersanierung, die noch nicht abgeschlossen ist, im Rah-men einer Außenstelle zur Expo 2000 auf didaktische Wei-se präsentiert. Die historische Bauforschung ermöglichteeine weitgehende Klärung der Gebäudegeschichte vom12. bis zum 18. Jahrhundert. Besonders zu erwähnen ist dieerhaltene spätgotische Bohlenstube. Die Ergebnisse sindveröffentlicht in einer Publikation der Städtebauförderung inder Oberpfalz: „Zum roten Herz, Geschichte und Schicksaleeines Regensburger Hauses“ (o. weitere Angaben).

Dipl. Ing. Ebeling übernahm, da Frau Dr. Codreanu Windau-er verhindert war, auch die Vorstellung der Ergebnisse derAusgrabungen am Neupfarrplatz unter dem Titel „Baustruk-turen in der 1519 zerstörten Judenstadt an der Stelle desheutigen Neupfarrplatzes – Ergebnisse der Ausgrabungen1995/96“. Die wichtige Erkenntnis war wohl, daß sich dieHäuser der Judenstadt nicht von den bisher bekanntensonstigen Baustrukturen in Regensburg unterschieden ha-ben. Ein Teil der Ausgrabungsstätte – neben Mauern der Ju-denstadt sind römische Mauerreste und ein Bunker desZweiten Weltkrieges zu sehen – wird der Öffentlichkeit alsGedenkstätte in Kürze zugänglich gemacht werden. FrauUta Kirpal M. A. hatte die Führung übernommen.

Die Teilnehmer des Treffens wurden noch darüber infor-miert, daß ein weiterer Band der Reihe „Quellen und Ma-terialien zur Hausforschung in Bayern“ vorbereitet wird.Über das Fränkische Freilandmuseum in Bad Windsheimwird 2001 als Band 11 von Rainer Tredt „Das Austrags-haus im Frankenjura“ erscheinen.

Kilian Kreilinger

BERICHTE /AKTUELLES 85

Endverpackungseinrichtung der Schnupftabakfabrik Bernhard inder gotischen Halle des Zanthauses

MUSEEN IN ÖSTERREICH – UNGEBREMSTE VIELFALT?12. Österreichischer Museumstag, Stift Dürnstein (Wachau), 2.-4.11.2000

„Museen in Österreich – ungebremste Vielfalt? Zur Situa-tion und Entwicklung der österreichischen Museumsland-schaft unter besonderer Berücksichtigung der Regional-und Privat-Museen“: Unter diesem etwas sperrigen Titeltraf man sich in diesem Jahr zum zwölften Mal zumÖsterreichischen Museumstag, statt im ursprünglich vor-gesehenen Salzburg im niederösterreichischen Dürn-stein. Endlich – so dürften sich viele „kleine“ Museen inganz Österreich gefreut haben – kommen auch wir dran,nicht immer nur die großen Bundes- und Landesmuseen.

Weniger sie selber indessen kamen – außer in Diskussi-onsbeiträgen – zu Wort, als vielmehr Vertreter der Betreu-ungsorganisationen, die sämtlich an den Landesregierun-gen angesiedelt sind. Mit anderen Worten: Jede Landes-regierung – nur der Vertreter der Kärntner Landesregie-rung mußte absagen – stellte ihre Aktivitäten auf dem Ge-biet der Museumsbetreuung und -förderung dar.

Diese Anstrengungen befinden sich erwartungsgemäßauf unterschiedlichem Niveau und Fortschritt. Währendetwa das Land Salzburg mit seinen 90 Museen in insge-samt 119 Gemeinden (!) und Niederösterreich mit seinen650 öffentlich zugänglichen Museen und Sammlungenschon über je eine eigene, sehr aktive Betreuungsstelleverfügen und in der Steiermark beim Landesmuseum Jo-anneum 1998 eine Beratungsstelle mit dem Titel „Mu-seumsforum Steiermark“ eingerichtet wurde, hier aberdie eigentliche Museumsberatung immer noch von demleistungsfähigen Verein MuSiS betrieben wird, müssendas Burgenland, Vorarlberg und weitgehend auch Tirolpassen, was eigene Betreuungsstellen betrifft. Aber auchdiese Bundesländer bemühen sich um eine Unterstüt-zung gerade der kleineren Museen. So berät und fördertetwa eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kulturabtei-lung der Tiroler Landesregierung im Rahmen des „Kunst-katasters“ auch Museumsprojekte, veranstaltet regionaleMuseumstage und pflegt Kontakte zu in- und ausländi-schen Fachkollegen, die sich ihrerseits mit Vorträgen undVeröffentlichungen zur Verfügung stellen. Das LandOberösterreich ist auf dem Weg, eine eigene Museums-konzeption zu erarbeiten. Als erster Schritt dazu erfolgteeine groß angelegte Museumsumfrage an den 280 öffent-lich zugänglichen Museen und deren analytische Auswer-tung, um Gegebenheiten, Defizite und daraus folgendden Handlungsbedarf festzustellen. Die Empfehlung desentsprechenden Arbeitskreises geht u. a. dahin, einenDachverband bzw. einen oberösterreichischen Mu-seumsverbund zu gründen.

Abgeschlossen wurden diese „Standortbestimmungen“durch Blicke auf die beiden Nachbarn Bayern und Un-garn, während ihnen Betrachtungen aus dem Blickwinkel

des Kunsthistorischen Museums und des HistorischenMuseums der Stadt Wien sowie ein Impulsreferat zumThema „Wildwuchs oder 5-Jahresplan – die Zukunft derösterreichischen Museen“ vorausgingen. ImpulsreferentGeorg Hanreich stellte angesichts des „Wildwuchses“von 449 Museen und öffentlichen Sammlungen im Jahre1964 und 2495 aktiven Museen heute die Frage, ob dieseBeschleunigung so weitergehen solle. Seine eigeneAntwort bestand in einem „Ja“ und einem „Nein“. Erste-res bezog sich auf noch zahlreiche fehlenden Inhalte,aber auch auf die frappierende, indessen ernstgemeinteAnsicht des Referenten, jeder Ort brauche sein Museum,weil Museen wichtige soziale Faktoren in den Gemeindenseien. Sein „Nein“ resultierte aus der Tatsache, daß nichtgenug motivierbare Besucher vorhanden seien, daßdie öffentlichen Gelder nicht ausreichten, daß Inhalteauch anderswo dargestellt werden könnten oder andereKulturschwerpunkte größere Bedeutung hätten; schließ-lich, weil viele Museen touristisch nicht interessant genugseien.

Dem etwas plakativ vorgetragenen Pro und Contra schloßsich Günter Düriegl, der Leiter des Historischen Museumsder Stadt Wien mit den ihm unterstehenden 20 Außen-stellen im gesamten Stadtgebiet, auf seine Weise an, in-dem er für das Wachsenlassen eintrat, da auch die klei-nen, vereinsgetragenen Stadtteil- und Vorortmuseen zumKosmos der Stadt Wien beitrügen. Die Voraussetzung füreine freie Entwicklung sei jedoch die Definition von Mu-seen, die Düriegl um den Begriff „Experiment“ ergänztwissen wollte, womit das Gegenstück von Bewahrunggemeint sei.

Generaldirektor Wilfried Seipel warnte in seinem State-ment zur Gesamtsituation der österreichischen Museenvor noch größerer Museumsdichte. Er stellte die Anzahlder Einrichtungen und ihr zahlenmäßiges Verhältnis zurBevölkerung den Verhältnissen in Deutschland gegenü-ber und rechnete hoch, daß es demnach dort 30.000 Mu-seen geben müßte! Im übrigen merkte er kritisch an, daßdie Museen mehr und mehr in vordergründige Ziele etwader Tourismusbelebung oder der kulturpolitischen Selbst-darstellung von Gemeinden, Regionen und Ländern ein-gespannt würden. Die inneren Ziele, Bildungseinrichtun-gen und Schatzhäuser zu sein, würden zurückgedrängt.Die Museen seien in einen wirtschaftlichen Wettbewerbgezwungen, der zu Verzerrungen im Museumsbild führenkönne. So sei der Kontrast zwischen alteingesessenenHäusern und spektakulären Neueinrichtungen wie etwa inBregenz bedenklich, wo das Landesmuseum „vor sichhindümpele“ und das Kunsthaus „boome“. Ähnlich seiendie Verhältnisse in Graz mit Joanneum und Kunsthausoder in Innsbruck. In Salzburg müsse das Landesmuse-

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NEUE BÜCHER

Fortsetzung von Seite 86

um gegenüber dem Anspruch einer politischen Zielset-zung zurückstecken.

Insgesamt scheint Bewegung in die österreichische Mu-seumsszene gekommen zu sein: Die Bundesmuseenmüssen aufgrund der Teil- und Vollrechtsfähigkeit selb-ständig zu wirtschaften lernen, die (alten) Landesmuseensehen sich verstärkt dem Druck durch aufstrebende, mo-dern geführte Kunsthäuser ausgesetzt, die kleinerenMuseen der Gemeinden und Vereine suchen nach Ko-operationspartnern, gründen Verbünde und finden zu-nehmend bei ihren Landesregierungen Gehör insofern,als diese Beratungs- und Anlaufstellen einrichten, diezum Teil bereits auf hohem Niveau arbeiten, wenn sieauch personell noch völlig unterbesetzt sind. Vielleichtwar die Verlagerung des Museumstages vom museums-politisch derzeit zerrütteten Salzburg ins kleine, beschau-liche Dürnstein an der Donau für die gesamtösterreichi-schen Vorgänge beredtes Indiz.

Albrecht A. Gribl

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MUSEEN IN SCHWABEN

Ganz kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daßdem „großen Bruder“, dem Handbuch Museen in Bayern,die „kleine Schwester“ in Schwaben nicht arg nachstehenund noch im selben, ausgehenden Jahr 2000 mit großerAnstrengung ihre dritte, überarbeitete und erweiterte Auf-lage auf die Weihnachtstische bringen wollte. Zu verdan-ken ist das nunmehr stattliche, großzügig bebilderte Werkden beiden treibenden Kräften Hans Frei, dem Museums-direktor des Bezirks Schwaben, und dem Verleger JosefFink, der mit Büchern zu Kunst und Kultur nicht nur ausdem Allgäu und aus Schwaben in neuerer Zeit verstärkthervortritt.

„Vom Faltblatt zum Handbuch“, so könnte man knappund prägnant den Weg der Publikationen zur schwäbi-schen Museumslandschaft beschreiben. Sie folgen gera-dezu synchronoptisch der Entwicklung der Museenselbst, sowohl in quantitativer Hinsicht als auch im äuße-ren Erscheinungsbild. Hatte sich das erste Faltblatt von1980 noch mit dürren Informationen zu 75 Museen undSammlungen, das zweite 1984 mit „mehr als 80 nicht-staatlichen Museen und mehreren staatlichen Zweigmu-seen“ (Bezirkstagspräsident Georg Simnacher im Vor-wort) begnügt, so kam die vierte Auflage von 1989 zwarnoch im gleichen Format, aber schon broschiert und mit

zwei Seiten schwarz-weiß Abbildungen auf der ersten In-nenseite und der Rückseite daher – bei „mehr als 120Museen und museumsähnlichen Einrichtungen“. Aberschon damals wurde ein richtiger Museumsführer für daskommende Jahr angekündigt.

Dieser lag dann 1991 vor: Just, als die Landesstelle ihreMuseen in Bayern nach genau zehn Jahren in völlig neu-em Gewand und um all ihre neuen Pfleglinge fortge-schrieben präsentierte, gesellte sich der erste schwäbi-sche Museumsführer an ihre Seite. Überrascht und er-freut zugleich ob der mittlerweile 145 Museen suchte man„dieser schier unglaublichen Vermehrung“ und zahlen-mäßigen Verdoppelung seit den letzten 20 Jahren in ei-nem weitgehend farbig bebilderten, gut 150 Seiten um-fassenden Museumsführer von Taschenbuchformat ge-recht zu werden. Schon damals sprach Georg Simnacherin seinem Vorwort vom attraktiv gestalteten „Handbuch“und man begann die Auflagenzählung von vorne.

Nun also liegt die dritte Auflage vor, in frischem Styling,mit mindestens einer Farbabbildung pro Doppelseite, far-big unterlegten Informationsblöcken und mit oben einge-blendeten Alphabet-Buchstaben, denen der jeweiligeOrtsname der betreffenden Seite beigefügt ist. Ist damitdem schnellen Auffinden Genüge getan, wird der jeweili-ge Museumsort über dem eigentlichen Satzspiegelnochmals wiederholt und groß hervorgehoben, manch-mal nur linksseitig, manchmal auch links- und rechtssei-tig – wie im Falle von Kempten –, oder auch variierend wiebeim Beispiel Augsburg. Irritiert diese Ortstitelei aucheher als sie Ordnung stiftet, so sind die Texte jeweils klarrubriziert nach Geschichte, Ausstellung und Information,gegebenenfalls ergänzt um Publikationen und „besonde-re Einrichtungen“. Der Informationsblock enthält auchAngaben zur derzeitigen Leitung und zu Eintrittspreisen,wenn auch nicht systematisch. Geleitwort und Einführungdes Herausgebers leiten ein, ein knappes Stichwortregi-ster mit Belegorten und Seitenzahlen bildet den Schlußder Kette, die sich von „Aichach“ bis „Zusmarshausen“erstreckt.

Wenn der Herausgeber im Untertitel selbstbewußt von190 Sammlungen spricht und beim Impressum eine Sei-te weiter auf 194 nachbessert, müßte man ihn nach Re-daktionsschluß und Aufnahmekriterien befragen. Erstereswird beantwortet (1.11.2000), letzteres nicht. Bei stich-probenartigem Hinsehen stellt sich in der Tat die Fragenach den Kriterien für die Aufnahme in das Handbuch. Abwelcher Voraussetzungsschwelle werden etwa Privat-sammlungen in die Darstellung aufgenommen? Kann ei-ne antike Ausgrabungsstätte mit Informationstafeln denklangvollen Namen „Archäologisches Freilichtmuseum“

PERSONALIA

rechtfertigen? Verdient das „Haf-Haus“ in Bernbeuren, inwelchem ein Heimatmuseum eingerichtet werden soll,schon jetzt die Aufnahme in den Führer, obwohl nichtsweiteres bekannt ist?

Den Anschein möglichster Vielzahl entkräftet andererseitsdas Fehlen durchaus existierender, öffentlich zugängli-cher Sammlungen wie des skurrilen Kutschenmuseumsin Hindelang-Hinterstein, des Färberhauses in Oberstau-fen, der Archäologischen Sammlung in Königsbrunn oderdes Weißstickereimuseums (Sammlung Eberhardt) inIchenhausen. Auswahl- und Indikatorprobleme kennt je-de Museumsführerredaktion. Zur Schwäche einer Veröf-fentlichung werden sie, wenn man sich im Besitzwisseneiner exakten Zahl dünkt.

Insgesamt aber: Einmal abgesehen von der Grundsatz-frage, inwieweit das parallele Erscheinen zweier Mu-seumshandbücher in ähnlicher Aufmachung im gleichenJahr – hier des Bayerischen und des Schwäbischen Mu-seumshandbuches – Sinn macht, repräsentiert das Buchauf sehr ansprechende, informationsreiche Weise dieschwäbischen Museen der Gegenwart. Es bleibt ihm zuwünschen, daß die Auflage (5.000 Exemplare) angesichtseines sehr moderaten Preises in die Hände der interes-sierten Museumsbesucher gelangt, bevor die Kurzlebig-keit der technischen Daten eine Neuauflage erforderlichmacht.

Albrecht A. Gribl

Hans Frei (Hg.): Museen in Schwaben. Ein Führer zu 190Sammlungen, Schlössern und Gedenkstätten zwischenBodensee und Ries, Lindenberg 2001, 240 S.

Bad Windsheim. Vom 1. Februar 2001 an wird die Volks-kundlerin Frau Dr. Beate Partheymüller-Heidrich eineHalbtagsstelle zur Betreuung der Sammlungsbeständeund des Depots im Fränkischen Freilandmuseum be-setzen. Ab dem selben Termin wird die Volkskundlerinund Marketing-Fachfrau Dr. Ute Herborg-Oberhäuserfür den Bereich Öffentlichkeitsarbeit (halbtags, vorerst2 Jahre) tätig sein. Der Historiker Herbert May M. A. isthier seit dem 1.11.2000 für die Bereiche Ausstellungen,Publikationswesen, Bauforschung und Dokumentationhalbtags tätig, seit 1.10.2000 der Volkskundler ReinhardTredt M. A. als Volontär.

Berchtesgaden. Nach drei Jahren ehrenamtlicher Tätig-keit mußte Herr Franz Brinke Ende Oktober 2000 die Lei-tung des Heimatmuseums im Schloß Adelsheim aus ge-sundheitlichen Gründen in die Hände der langjährigenMitarbeiterin am Museum Frau Bärbel Sigl übergeben.Herr Brinke hat sich beim Umbau des Museumsstadelsund der Einrichtung von Gedächtnisräumen für denVolkskundler Rudolf Kriss (1903-1973), einen gebürtigenBerchtesgadener, verdient gemacht.

Bergen. Seit 1. April 2000 ist die Kunsthistorikerin Annet-te Späth M. A. zur Erarbeitung des Ausstellungskonzep-tes zunächst für die Dauer von einem Jahr im BergenerMuseum Maxhütte angestellt.

Fladungen. Seit 1. August 2000 ist die Halbtagsstelle „Öf-fentlichkeitsarbeit“ im Fränkischen Freilandmuseum Fla-dungen durch die Marketing-Fachfrau Susanne Ors wie-der besetzt.

Geiselhöring. Die Stadt Geiselhöring hat Herrn BernhardHäck mit der Inventarisierung des Bestands in derSammlung des bäuerlichen Heimatmuseums „Troad-bodn“ beauftragt und im Anschluß mit der Entwicklungeines Vorkonzepts für die Präsentation des regional be-deutenden Bestands an bäuerlichem und handwerkli-chem Gerät.

Goldkronach. Frau Dr. Ingrid Burger-Segl, bis März 1998Leiterin des Archäologischen Museums der Stadt Kel-heim, begann im Dezember 2000 am HeimatmuseumGoldkronach mit der Inventarisation und Magazinierungdes Sammlungsbestandes. Am Ende der einjährigenMaßnahme, die durch eine zweite ABM-Kraft/Teilzeit fürHilfsarbeiten unterstützt wird, soll ein neues Ausstel-lungskonzept für die Präsentation im ehemaligen Forst-haus vorliegen.

Großweil. Im Freilichtmuseum des Bezirks Oberbayern ander Glentleiten hat seit Mitte des Jahres die Touristik-

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Fachfrau Brigitte Hainzer eine Halbtagsstelle mit Schwer-punkt Marketing und Öffentlichkeitsarbeit inne. Als Vo-lontär arbeitet hier seit Juni 2000 der Historiker undVolkskundler Jan Borgmann M. A.

Hauzenberg. Die Stadt Hauzenberg und der LandkreisPassau haben als künftige Träger eines „GranitmuseumsBayerischer Wald“ im Frühsommer zur Projektvorberei-tung Dr. Winfried Helm (Volkskunde) und Dr. Ursula Die-polder (Landschaftsökologie) mit der Formulierung einesRohkonzepts beauftragt. Ziel ist es, auf dem Gelände ei-nes aufgelassenen Steinbruchs nahe Hauzenberg einemuseale Einrichtung zu schaffen, in der der regionalge-schichtlich bedeutende Abbau des Granits und seine Ver-arbeitung präsentiert werden.

Hohenberg a. d. Eger. Für die Dauer von zwei Jahren wirdFrau Dr. Elisabeth Trux aus Rimpar am Porzellanmuseumin Hohenberg a. d. Eger Inventarisierungsarbeiten an ei-ner großen privaten Schenkung durchführen. Sie werdenin die Publikation eines Bestandskatalogs münden. DieLandesstelle wird dieses Vorhaben finanziell fördern. FrauDr. Trux war in den vergangenen Jahren insbesondere mitder Bearbeitung bedeutender Glassammlungen in Würz-burg und Braunschweig betraut gewesen.

Kelheim. Bereits seit Frühjahr 1998 leitet Frau Petra Neu-mann-Eisele das Archäologische Museum der Stadt Kel-heim. Sie war zuvor schon 10 Jahre in diesem Museumtätig, seit 1991 als stellvertretende Museumsleiterin.

München. Seit dem 1. August 2000 betreut Dr. ChristofFlügel an der Landesstelle als Nachfolger von Dr. FrankDavis die archäologischen und naturkundlichen Samm-lungen. Nach dem Studium der provinzialrömischen Ar-chäologie in München und einem Forschungsjahr an derRömisch-Germanischen Kommission Ingolstadt war ervon Januar 1997 bis Juli 2000 an der Archäologischen(ehemals Prähistorischen) Staatssammlung Münchentätig. Er war dort für die Konzeption, Projektplanung undOrganisation der Bayerischen Landesausstellung „DieRömer zwischen Alpen und Nordmeer“ im Ausstellungs-zentrum Lokschuppen Rosenheim verantwortlich, die230.000 Besucher anzog. Ein besonderer Schwerpunktvon Flügels Interessen liegt auf der Zusammenarbeit zwi-schen Archäologie und Naturwissenschaften. An der Lan-desstelle ist er unter der Telefonnummer 089/210140-26erreichbar.

München. Das Alpine Museum des Deutschen Alpenver-eins besitzt seit dem 1.7.2000 eine neue Leiterin. FrauFriederike Kaiser studierte Kunstgeschichte, Germanistikund Theaterwissenschaften in München und Hamburg,

bevor sie von 1991-1998 Leiterin des Bereichs Ausstel-lungen am Veranstaltungszentrum „Pasinger Fabrik“ wur-de. Danach war sie für zwei Jahre für die Öffentlichkeits-arbeit des Museums für Kommunikation in Nürnberg zu-ständig.

Neugablonz. Frau Susanne Rössler, die langjährige Leite-rin des Neugablonzer Industrie- und Schmuckmuseumsund Vorsitzende des Museumsvereins, hat im März 2000ihre Ämter an Frau Gertrud Hofmann übergeben. FrauRössler wurde in Würdigung ihrer großen Verdienste umdas Museum zur Ehrenvorsitzenden ernannt. Ab dem1.1.2001 wird die Kunst- und Kulturhistorikerin Eva HauptM. A., die in Marktoberdorf Konzeption und Einrichtungdes Stadtmuseums durchgeführt und für Neugablonz einRahmenkonzept als Vorbereitung der großzügigen Mu-seumserweiterung erarbeitet hatte, die Museumsleitungübernehmen. Das dem Museum angegliederte Archiv zurGeschichte des Kaufbeurer Stadtteils Neugablonz sowiezum Wiederaufbau der Gablonzer Industrie nach 1945wird noch bis Ende März 2001 hauptamtlich von dem Hi-storiker Manfred Heerdegen M. A. betreut.

Rothenburg o. d. T. Ende Oktober 2000, kurz nach derEröffnung des Deutschen Weihnachtsmuseums in Ro-thenburg ob der Tauber, endete der Arbeitsvertrag vonFrau Dr. Gisela Schlemmer.

Schöngeising. Im Bauernhofmuseum des LandkreisesFürstenfeldbruck im Jexhof ist seit dem 1.12.2000 der Hi-storiker Dr. Reinhard Jakob für die Dauer von zunächst ei-nem Jahr im Rahmen einer AB-Maßnahme angestellt.Seine Aufgabengebiete erstrecken sich auf die Inventari-sation und Museumspädagogik.

Zusmarshausen. Im Rahmen der Neukonzeption des Hei-matmuseums erhielt der Archäologe und HistorikerJürgen Schmid M. A. den Auftrag, sowohl die Neukon-zeption zu erstellen als auch gegen geringes Entgelt dasMuseum künftig zu leiten, das er bereits seit mehrerenJahren ehrenamtlich betreut hat.

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ERÖFFNUNGEN NICHTSTAATLICHER MUSEEN IN BAYERN

Ansbach/Mfr.

Knapp zwei Jahre nach der völlig neu konzipierten Kas-par-Hauser-Abteilung eröffnete am 16.9.2000 das Ansba-cher Markgrafenmuseum wieder seine Pforten. In zeit-gemäßer Präsentation sind die Sammlungen des traditi-onsreichen Hauses zur Geschichte und Kultur der StadtAnsbach und des ehemaligen Fürstentums Brandenburg-Ansbach neu aufbereitet. Die fast 17-jährige Umbaupha-se des Hauses hat damit ein Ende gefunden.

Anschrift:Markgrafenmuseum, Kaspar-Hauser-Platz 1, 91522 Ansbach, Tel. 0981/9775056 und 51248

Öffnungszeiten:Dienstag bis Sonntag 10-12 und 14-17

Auerbach-Nitzlbuch/Opf.

Ein Zeugnis des einstmals regional bedeutenden Berg-baus in der Oberpfalz wurde in musealisierter Form am28.5.2000 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: die1987 geschlossenen Maffeischächte in Nitzlbuch beiAuerbach mit ihren beiden eindrucksvollen Fördertürmen,den erhaltenen baulichen Anlagen und den überwiegendals Leihgaben eingeworbenen Großgeräten. Das Projektwurde vom Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern inTheuern betreut. Maßgeblichen Anteil an den Sanie-rungsarbeiten hatte der Bergknappenverein Auerbach.

Anschrift:Maffeischächte der Grube Auerbach-Nitzlbuch, 91275 Auerbach, Tel. 09624/832 (Bergbau- undIndustriemuseum Theuern)

Öffnungszeiten:nach Vereinbarung

Bad Windsheim/Mfr.

Am 30. September 2000 konnte das sogenannte Hand-werkerhaus aus der Konrad-Förster-Gasse in Bad Winds-heim eingeweiht werden. Dieses kleine, ursprünglich1421-1423 errichtete und seit längerem im Museum ein-gelagerte Gebäude ergänzt jetzt die Baugruppe „Stadt“,deren Mittelpunkt im Historischen Bauhofstadel zu sehenist. Das Besondere an der Präsentation des Handwerker-hauses liegt darin, daß es als „Dauerbaustelle“ inszeniertwurde: Es ist in manchen Bereichen unfertig geblieben,was noch durch ein rekonstruiertes historisches Bau-

gerüst betont wird. Ziel ist es, den Besuchern durch Bau-stellen-Einblicke und Handwerksvorführungen histori-sche Bautechniken näherzubringen. Dieses neue, interes-sante und publikumsnahe Angebot steht im Zusammen-hang mit Ergebnissen jahrelanger Bemühungen, histori-sche Handwerkstechniken zu erforschen und sie beimAufbau der Gebäude in Anwendung zu bringen, sie aberauch vor allem im Rahmen von Sonderveranstaltungenden Besuchern vorzuführen. Dem selben Ziel dienen inden bisher errichteten Architekturexponaten inzwischenschon zahlreiche Einblicke z. B. in besondere Wand- undDeckenkonstruktionen sowie bei den verschiedenstenRaumfassungen. Zum Historischen Bauhof, der selbst ei-ne bestaunenswerte handwerkliche Leistung des Spät-mittelalters darstellt, erklärt eine umfassende Ausstellungdie Arbeit in den städtischen Bauhöfen. Der im Bauhofvorhandene mittelalterliche Gipsestrich konnte ergänztbzw. restauriert werden: Dies war nur möglich, weil esnach langwierigen Forschungen gelang, die ehemaligeGipsbrandtechnik zu rekonstruieren, was in Sonderveran-staltungen auch demonstriert wird. Das gleiche gelangbei der Ziegelbrandtechnik, so daß heute Ziegelsteineund Dachziegel nach den historischen Methoden herge-stellt werden können.

Somit ist wenigstens in Bad Windsheim das von den Frei-lichtmuseen seit langem erkannte Desiderat, Besucher andas Thema „Historisches Bauen“ nicht nur über die Ar-chitekturexponate heranzuführen, beseitigt. Dieses neueAngebot soll die Baugruppe „Stadt“, die ja nicht direkt andas Freilandmuseum angebunden ist, für die Besuchernoch attraktiver als bisher werden lassen.

Anschrift:Fränkisches Freilandmuseum, Eisweiherweg 1, 91438 Bad Windsheim, Tel. 09841/6680-0, Fax -99

Öffnungszeiten:15. März-14. Oktober Dienstag bis Sonntag (Juli und August auch Montag) 9-18, 15. Oktober bis 14. Dezember Dienstag bis Sonntag 10-16 Uhr

Burghausen/Obb.

Zum 100jährigen Jubiläum 1999 eröffnete das HistorischeStadtmuseum Burghausen eine neue Abteilung in seinerDauerausstellung. Auf ca. 200 m2 Fläche entstand die„Handwerkerstraße“, an der verschiedene BurghausenerGewerbe präsentiert werden: Hafner, Glockengießer, Leb-zelter, Zinngießer, Uhrmacher, Baumeister, Schmied,Schlosser und Schreiner. Es werden die jeweiligen Tech-niken durch Handwerkszeug und Erzeugnisse vorgestellt,

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aber auch die Familien, welche das Handwerk ausübten.Ein Stadtmodell mit den Handwerkerhäusern bis um 1800erleichtert den Überblick. Diese Handwerkerstraße wurde2000 vervollständigt mit den Sequenzen Druckerhand-werk, Zimmerei, Schäfflerei, Papiermacher und Silber-schmied.

Anschrift:Historisches Stadtmuseum, Burg 48, 84489 Burghausen, Tel. 08677/65198

Öffnungszeiten:15. März bis 30. April und 1. Oktober bis 1. November10-16.30, 1. Mai bis 30. September 9-18.30 Uhr

Buttenheim/Ofr.

Der Erfinder der Jeans stand am 16.9.2000 im Mittelpunktder Eröffnung des Museums Geburtshaus Levi-Strauss –Museum Jeans und Kult, das die Stadt Buttenheim ihrembekannten Sohn errichtet hat. Im renovierten Geburts-haus des nach seiner Auswanderung nach Amerika alsVerbreiter der blauen Baumwollhosen berühmt geworde-nen Oberfranken sind Dokumente zu seinem Leben, aberauch textile Raritäten zu sehen.

Anschrift:Geburtshaus Levi Strauss – Museum Jeans und Kult,Marktstr. 33, 96155 Buttenheim, Tel. 09545/9222-0, Fax –44

Öffnungszeiten:Dienstag und Donnerstag 14-18, Samstag und Sonntag 11-17 Uhr

Gerolzhofen/Ufr.

Nach mehr als 20 Jahren seit der letzten Aufstellung undnach Erwerb einer regional zusammengetragenen Näh-maschinensammlung entschloß sich die Stadt Gerolz-hofen zu einer partiellen Neuaufstellung und Schwer-punktverlagerung ihres Stadtmuseums. Im OG des AltenRathauses entstand nach exakter Konzepterstellungdurch ein Würzburger Volkskundler-Team und mit zeit-gemäßer Gestaltung eine Spezialabteilung unter der Be-zeichnung „Welterfolg Nähmaschine“, die insbesonderedie Auswirkungen dieser epochalen Erfindung auf Hand-werk, Familie und Gesellschaft am Beispiel einer unter-fränkischen Kleinstadt vor Augen führt. Sie wurde am3.10.2000 eröffnet und bildet den Auftakt zu weiterenUmgestaltungsvorhaben (s. ausführlichen Bericht S. 35).

Anschrift:Stadtmuseum Gerolzhofen, Marktplatz 20, 97447 Gerolzhofen, Tel. 09382/6105 u. 60735, Fax 6105

Öffnungszeiten:Montag bis Freitag 8-12 und 13-16 Uhr, Samstag 11-12und 15-17 Uhr, Sonntag 14-16 Uhr

Herzogenaurach/Mfr.

Das neue Stadtmuseum in Herzogenaurach hat am29.9.2000 nach knapp zehnjähriger Schließung seine To-re wieder geöffnet. Untergebracht im sanierten ehemali-gen Pfründnerspital gibt es einen Überblick über diewichtigsten Stationen der Stadtgeschichte Herzogenau-rachs. Das Leben der Ackerbürger, das städtische Ge-meinwesen und die wirtschaftliche Entwicklung bis zurGegenwart sind thematisiert. Schwerpunkte bei der Dar-stellung der handwerklichen Tradition sind die Textil- undSchuhherstellung. Eine Sammlung von Objekten desKunstgewerbes und der bürgerlichen Wohnkultur rundetdas Angebot ab.

Anschrift:Stadtmuseum, Kirchplatz 2, 91074 Herzogenaurach, Tel. 09132/735120 und 9010 (Stadtverwaltung)

Öffnungszeiten:Mittwoch, Freitag und Samstag 14-17, Donnerstag 10-17, Sonn- und Feiertage 11-17 Uhr

Himmelkron/Ofr.

Seit dem 16.11.2000 ist das Stiftskirchenmuseum im ehe-maligen Zisterzienserinnenkloster Himmelkron wieder zu-gänglich. Es zeigt nun auch die bei Umbaumaßnahmenim Jahr 1991 aufgefundenen Steinplatten mit bedeuten-den Malereien des 15. Jahrhunderts.

Anschrift:Stiftskirchenmuseum, Klosterberg 8, 95502 Himmelkron,Tel. 09227/6411 u. 9310 (Gemeindeverwaltung)

Öffnungszeiten:nach Vereinbarung

Ingolstadt/Obb.

Das Museum für Konkrete Kunst ist seit dem 2. Septem-ber 2000 nach kurzer Schließung wieder zugänglich. In

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wenigen Wochen wurde fast die gesamte Präsentationumgestaltet, wurden auf den drei Ausstellungsetagenneue Schenkungen, Erwerbungen und Dauerleihgabenintegriert und die vorhandenen Gemälde und Skulpturenin einen anderen Zusammenhang gestellt, so daß die Be-sucher ein neuer Gesamteindruck erwartet.

Anschrift:Museum für Konkrete Kunst, Tränktorstr. 6-8. 85049 Ingolstadt, Tel. 0841/305-1870, Fax -1877, E-Mail: [email protected]

Öffnungszeiten:Dienstag und Donnerstag bis Sonntag 10-18, Mittwoch 10-14 und 17-21 Uhr

Ingolstadt/Obb.

Wie andere Fahrzeughersteller hat nun auch Audi in In-golstadt ein eigenes Museum eröffnet. Vom 15.12.2000an können Auto- und Motorradfans in dem neuerrichtetenRundbau des Museum Mobile auf dem Firmengeländeüber 80 Autos, Motor- und Fahrräder, die u. a. auf den be-weglichen Ebenen eines Paternosters gezeigt werden,bestaunen.

Anschrift:Museum Mobile, Audi-Forum, 85045 Ingolstadt, Tel. 0841/8941030

Öffnungszeiten:Montag bis Donnerstag 10-20, Freitag und Samstag bis 22, Sonn- und Feiertage bis 17 Uhr

Krumbach/Schw.

Mit einem Festakt wurde der erste Bauabschnitt des Mit-telschwäbischen Heimatmuseums in Krumbach am15.9.2000 der Öffentlichkeit übergeben. Das neue Muse-um stellt die Region Mittelschwaben vor und informiertüber die Themen Vermessung, Kartographie, Herr-schaftsstrukturen, Religiosität und Rechtsprechung. Einwichtiges Anliegen ist es, die historische Verbindung zwi-schen Landwirtschaft und Gewerbe zu veranschaulichenund einen Einblick in das Wirtschaftsleben der Region zuvermitteln.

Anschrift:Mittelschwäbisches Heimatmuseum, Heinrich-Sinz-Str. 3-5, 86381 Krumbach, 86381 Krumbach, Tel. 08282/3740, Fax 3730

Öffnungszeiten:Donnerstag bis Sonntag 14-17 Uhr

Mellrichstadt/Ufr.

Das von Reichshofrat Johann Christoph Fhr. v. Wolzogen,einem Salzburger Emigranten, 1715 im heutigen StadtteilMühlfeld erbaute Schloß Wolzogen war 1988 zwangsver-steigert und von der Stadt Mellrichstadt als Bauruine er-worben worden. Mit erheblichem Aufwand und unterfachlicher Beratung durch das Bayerische Landesamt fürDenkmalpflege war das Schloß bis 1999 wiederherge-stellt worden. Auf der Suche nach einer sinnvollen kultu-rellen Nutzung wurden im Gefolge u. a. drei musealeSammlungen eingerichtet. Die Porzellansammlung Hein-

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Stiftskirchenmuseum Himmelkron: Christus, Malerei auf Sand-steinplatte, 15. Jh.

rich Reich, eines Mellrichstädter Industriellen, umfaßtThüringer Porzellan von seinen Anfängen bis heute. DerNachlaß des Mellrichstädter Fotografen Anton Tretter mitTausenden von Glasplattennegativen aus der Zeit um1900 wird in vier Räumen in wesentlichen Teilen zusam-men mit Vergrößerungen gezeigt. Eine Dokumentation zurTeilung Deutschlands schließlich gibt einen Einblick indas einstige DDR-System, u. a. anhand eines Videofilms.Schloß und museale Abteilungen wurden am 6.10.2000eröffnet.

Anschrift:Museum Schloß Wolzogen, Berkacher Str. 5, 97638 Mühlfeld, Tel. 09776/608-0 (Verwaltungs-gemeinschaft)

Öffnungszeiten (vorläufig):Sonntag 13.30-18.00 Uhr

Neunkirchen a. Brand/Ofr.

Im historischen Zehntspeicher, ursprünglich Teil des Au-gustinerchorherrenstifts St. Michael, befindet sich dasKultur- und Veranstaltungszentrum der Gemeinde Neun-kirchen a. Brand. Im Dachgeschoß wurde am 21.7.2000das Felix-Müller-Museum eröffnet. Es präsentiert Gemäl-de und Skulpturen des lange Jahre in der Gemeinde le-benden, expressiv arbeitenden Künstlers Müller († 1997).

Anschrift:Felix-Müller-Museum, Zehntplatz, 91077 Neunkirchen a. Brand, Tel. 09134/705-42, Fax -80, E-Mail: [email protected]

Öffnungszeiten:Donnerstag 16-18, Samstag und Sonntag 15-17 Uhr

Nürnberg/Mfr.

Die Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V. hat am20.5.2000 nach dem Umzug in die Norishalle ihr neuesNaturhistorisches Museum eröffnet. Als erste Abteilungder Dauerausstellung ist die Karst- und Höhlenkunde ein-gerichtet. Erstmals werden die Teile der umfangreichenBestände des Völkerkundemuseums in einer ständigenAusstellung präsentiert. Den Anfang machen Sibirien unddie Südsee.

Anschrift:Naturhistorisches Museum, Marientorgraben 8, 90403 Nürnberg, Tel. 0911/227970

Öffnungszeiten:Sonntag bis Freitag 10-17 Uhr

Ottobeuren/Schw.

Die große Benediktinerabtei Ottobeuren beherbergt trotzSäkularisation noch immer bedeutende Kunstschätzeund Raumausstattungen. Neben dem Klostermuseumund einer Zweiggalerie der Bayerischen Staatsgemälde-sammlung kann nun auch die Krippensammlung der Ab-tei besichtigt werden. In einem eigenen Raum wurdendie aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert stammen-den, modellierten und bekleideten über 400 Figuren ineiner Auswahl in umgestalteten historischen Schränkenthematisch zusammengestellt. Die Einweihung fand am16.12.2000 statt.

Anschrift:Krippensammlung der Abtei Ottobeuren, Sebastian-Kneipp-Str. 1, 87724 Ottobeuren, Tel. 08332/798-0, Fax -60

Öffnungszeiten (vorläufig):Sommer 10-12 und 14-17, Winter 14-16, Samstag und Sonntag zusätzlich 10-12 Uhr

Ottobrunn/Obb.

Das 1989 eröffnete und bislang ca. 80 m2 Ausstel-lungsfläche umfassende König-Otto-von-Griechenland-Museum war aufgrund der gezielten Sammeltätigkeitdes Museumsgründers Prof. Jan Murken zu klein ge-worden. Durch glückliche Fügung wurden benachbarteRäume frei, deren Bezug durch das Museum die Ge-meinde am 24.11.2000 in einem Festakt begehen konnte. Aufgrund der Erweiterung der Ausstellungs-fläche um ca. 100 m2 und des Hinzugewinns museums-interner Nutzräume im Kellergeschoß konnten die bis-herigen Themen erweitert und verdichtet werden. Sosind dem europäischen Philhellenismus und dem grie-chischen Freiheitskampf eigene Sequenzen gewidmet.Voraussichtlich im Jahr 2001 wird die erforderlich ge-wordene, weitgehende Neuaufstellung zum Abschlußgebracht.

Anschrift:König-Otto von-Griechenland-Museum, Rathausstr. 3,85521 Ottobrunn, Tel. 089/60808-172 u. -104

Öffnungszeiten:Donnerstag 15-18 und Samstag 10-13 Uhr

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Rothenburg o.d.T./Mfr.

Am 29.9.2000 eröffnete das Deutsche Weihnachtsmuse-um in Rothenburg ob der Tauber. Die stimmungsvoll prä-sentierte Dauerausstellung gibt einen Überblick über dieGeschichte der Weihnacht vom 4. Jahrhundert bis ca.1830. Sammlungen von geschmückten Weihnachtsbäu-men und -pyramiden, Adventskalendern, Nußknackernund Wachsengeln entführen den Besucher ganzjährig indie Weihnachtswelt.

Adresse:Deutsches Weihnachtsmuseum, Herrngasse 1, 91541 Rothenburg o. d. Tauber, Tel. 09861/409365, Fax 409366

Öffnungszeiten:täglich von 9-18 Uhr

Schweinfurt/Ufr.

Schweinfurt besitzt eine neue Attraktion. Am 23.9.2000eröffnete Staatsminister Hans Zehetmair das MuseumGeorg Schäfer, das mit Mitteln des Freistaats errichtetwurde und von der Stadt betrieben werden wird. Es bein-haltet die umfangreiche Sammlung des Industriellen Ge-org Schäfer (1896-1975) von Gemälden vorwiegend des19. Jahrhunderts, darunter besonders von Carl Spitzwegund Adolph Menzel.

Anschrift:Museum Georg Schäfer, Brückenstr. 20, 97421 Schweinfurt, Tel. 09721/51919, Fax 51371, E-Mail: [email protected]: www.museumgeorgschäfer.de

Öffnungszeiten:Dienstag bis Sonntag 10-17, Donnerstag bis 21 Uhr

Thannhausen/Schw.

Am 20. Oktober 2000 eröffnete in Thannhausen (Lkr.Günzburg) das Heimatmuseum im sogenannten Tuch-macherhaus nach mehrjährigen Vorarbeiten des Heimat-vereins Thannhausen e. V. und mit Unterstützung derStadt seine Ausstellungen. Im Wohnteil des 1805 er-bauten Fachwerkgebäudes fanden kleinere Präsen-tationen zu bedeutenden Persönlichkeiten der StadtPlatz, der anschließende geräumige Wirtschaftsteil wurde für Wechselausstellungen und Magazin tauglichgemacht.

Anschrift:Museum im Tuchmacherhaus, Edmund-Zimmermann-Str. 16, 86470 Thannhausen, Tel. 08281/3772

Öffnungszeiten:nach Vereinbarung

Vilseck/Opf.

Das Erste Deutsche Türmermuseum wurde in Vilsecknach der Sanierung des Vogelturms, eines Teils der histo-rischen Stadtmauer aus dem 15. Jahrhundert, am 30. Ju-ni 2000 eingeweiht. Die Schausammlung des kleinen Mu-seums gibt einen Überblick über Leben und Aufgaben derVilsecker Türmer. Zur Eröffnung erschienen ein kleinerKatalog und ein Kurzführer in englischer Sprache.

Anschrift:Erstes Deutsches Türmermuseum, Marktplatz 23, 92249 Vilseck, Tel. 09662/701811 oder 990 (Stadtverwaltung)

Öffnungszeiten:Dienstag bis Sonntag 13-17 Uhr und nach Vereinbarung

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SONDERAUSSTELLUNGEN BAYERISCHER NICHTSTAATLICHER MUSEEN

Augsburg, Architekturmuseum Schwaben: Industriearchi-tektur in Bayerisch-Schwaben, 1830-1960, 9.11.2000-18.2.2001

Bamberg, Diözesanmuseum: Islamische Seidenstoffedes Mittelalters – Grabfunde aus der Sepultur der Bam-berger Domherren, 3.3.-6.5.2001

Bayreuth, Kunstmuseum: Käthe Kollwitz. Radierungen,Lithographien und Holzschnitte aus dem StaatlichenMuseum Schwerin, 3.12.2000-11.2.2001

Deggendorf, Handwerksmuseum: Kaminkehrer – EinHandwerk bringt Glück, 26.10.2000-11.3.2001

Deggendorf, Stadtmuseum: „Alles Elektrisch“. 100 JahreElektrizität in Deggendorf, 3.12.2000-18.2.2001

Dingolfing, Museum: Bayernherzog Tassilo III., 21.10.2000-14.1.2001

Erlangen, Stadtmuseum: Carl Haag (1820-1915): Ein Er-langer Künstler – „well known“ in England, 23.11.-17.12.2000; Museum in eigener Sache: Restaurierte undneuerworbene Objekte, bis 7.1.2001; In Bayern ange-kommen. Die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenenin Bayern nach 1945, 16.1.-4.3.2001; Augenblicke desJahrhunderts. Meisterwerke der Reportagefotografie vonAssociated Press, 1.4.-24.6.2001

Friedberg, Museum der Stadt: Die Herrgottsruh-Wallfahrtin Friedberg, 14.-20. Jahrhundert, 1.10.2000-31.1.2001;Die Töpferei Lipp in Mehring 1900-2000, 20.5.-4.9.2001

Fürstenfeldbruck, Stadtmuseum: Teddybären – ein bun-tes ABC, Sammlung Ruthild Straub, 2.12.2000-25.3.2001

Fürth, Jüdisches Museum Franken: Zeichen des Alltags,22.11.2000-18.2.2001; Bilder mit Geschichte, 7.2.-29.6.2001

Hollfeld, Kunst & Museum: Artenvielfalt – neun ausge-wählte Künstler zeigen Malerei – Grafik – Plastik – Instal-lationen, 13.11.2000-11.1.2001

Marktoberdorf, Stadtmuseum: Im Paradiesgärtchen.Bronzereliefs von Wilhelm Hoefer, 4.11.-3.12.2000; Ritter-burg & Märchenschlösser, Spielzeugausstellung,16.12.2000-18.3.2001

Miltenberg, Museum der Stadt: Unter Dampf – MythosEisenbahn. Die Spielzeugsammlung Schildhauer,1.12.2000-7.1.2001

Mindelheim, Jesuitenkolleg: Im Reich der Phantasie II.Buchillustrationen für Groß und Klein, 5.12.2000-2.2.2001

München, Alpines Museum des Deutschen Alpenvereins:Videoinstallation Bruno Wank, „Out of Control“, 23.11.-9.12.2000

München, Deutsches Museum: Staubige Träume. Ge-schichten von Goldsuchern, Mineros und Industriearbei-tern in Lateinamerika, 16.11.2000-22.4.2001

München, Jüdisches Museum: David Ludwig Bloch.München – Shanghai – Mount Vernon, bis 14.12.2000

München, Münchner Stadtmuseum: „Auf der Suche nachhistorischer Wahrheit“. Carl August Lebschée (1800-1877),8.12.2000-4.3.2001; Der blaugestreifte Reiter. Gemäldeaus dem Münchner Stadtmuseum, 15.12.2000-16.4.2001

Murnau, Schloßmuseum: Industrie und Natur. Zur Ge-schichte des Hartsteinwerkes Werdenfels im MurnauerMoos, 15.12.2000-25.2.2001

Neugablonz, Gablonzer Haus: In Bayern angekommen.Die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Bayernnach 1945, 28.4.-10.6.2001

Neukirchen b. Hl. Blut, Wallfahrtsmuseum: Kreuzwegeder Neukirchener Hinterglasmaler, 16.11.2000-22.4.2001

Neutraubling, Museum der Stadt: In Bayern angekom-men. Die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen inBayern nach 1945, 9.3.-22.4.2001

Nürnberg, Museum für Kommunikation: „Abends wennwir essen fehlt uns immer einer.“ Kinder schreiben an ih-re Väter 1933-1945, 5.10.2000-14.1.2001

Nürnberg, Spielzeugmuseum: Käthe Kruse. 90 JahrePuppentradition, 24.11.2000-22.4.2001

Oberschönenfeld, Schwäbisches Volkskundemuseum:Krippen aus Schwaben, von der Barockzeit bis zur Ge-genwart, 29.11.2000-4.2.2001

Regensburg, Museum Ostdeutsche Galerie: Jakob Stein-hardt (1887-1968). Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphikund illustrierte Bücher, 5.11.2000-14.1.2001

Regensburg, Naturkundemuseum Ostbayern: ExotischeSchmetterlinge und Insekten aus Taiwan, Fotoausstel-lung, 14.12.2000-28.1.2001; Lehrpfad Edelsteine &Schmuck-Kabinett, März-Juni 2001

BERICHTE /AKTUELLES 95

VARIA

KULTURPREIS DER BAYERISCHEN LANDESSTIFTUNGAN PROF. DR. KONRAD BEDAL

Am 15. November 2000 wurde dem Leiter des Fränki-schen Freilandmuseums in Bad Windsheim, Herrn Prof.Dr. Konrad Bedal, zusammen mit dem Architekten Alex-ander Freiherr von Branca der diesjährige Kulturpreis derBayerischen Landesstiftung im Cuvilliés-Theater in derMünchner Residenz vom Bayerischen Ministerpräsiden-ten Dr. Edmund Stoiber übergeben. Prof. Dr. Bedal erhieltden Preis in Anerkennung seiner Verdienste um den Auf-bau des Fränkischen Freilandmuseums, das inzwischenzu den bedeutendsten Museen dieser Art in Europagehört. Ferner wurden seine haus- und volkskundlichenForschungen sowie seine grundlegenden Publikationenzur Hausforschung gewürdigt.

Es ist eine Seltenheit, daß ein so angesehener und hoch-dotierter Preis einer Person aus dem Museumsbereichverliehen wird, und es ist sogar das erste Mal, daß damiteine Person geehrt wurde, die den größten Teil ihres bis-herigen beruflichen Lebens dem Aufbau eines Museumsder Alltagskultur auf dem Lande gewidmet hat. Die per-sönlichen Verdienste Konrad Bedals werden nicht ge-schmälert, wenn festzustellen ist, daß sich auch alle Trä-ger, Leiter und Mitarbeiter der bayerischen Freilichtmu-seen, aber auch aller Museen in Bayern, welche die ein-fachen Dinge eines ehemaligen Alltags gesammelt habenund präsentieren, geehrt fühlen können. Die Teilung desPreises mit Alexander von Branca, der u. a. auch dieNeue Pinakothek in München erbaut hat, kann durchausauch symbolisch dafür gedeutet werden, daß einerseitsdie „große“ Architektur der „großen Museen“, anderer-seits die „einfache“ Architektur und die Dinge des All-

Schnaittach, Jüdisches Museum Franken: Synagogen inFranken, bis März 2001

Schwandorf, Stadtmuseum: Vom Adventskranz zum Ka-threintanz. Aus dem Brauchtum des Jahreskreises,5.11.2000-13.5.2001

Schweinfurt, Bibliothek Otto Schäfer: „Ihr müßt alle nachmeiner Pfeife tanzen“. Totentänze vom 15. bis 20. Jahr-hundert aus den Beständen der Herzog August BibliothekWolfenbüttel und der Bibliothek Otto Schäfer, 8.10.2000-4.2.2001

Schweinfurt, Galerie alte Reichsvogtei: Helmut Gutbrod,„Zeichenfelder“, Farblinolschnitt-Serien 1999-2000,1.12.2000-21.1.2001

Schweinfurt, Halle Altes Rathaus: Sibylle Schlageter,„Grenzräume des Sichtbaren“, Arbeiten auf Leinwandund Papier von 1997-2000, 19.1.-18.3.2001

Straubing, Gäubodenmuseum: Prosit Neujahr. Kulturge-schichtliches zum Jahreswechsel, 6.12.2000-4.2.2001

Sulzbach-Rosenberg, Literaturarchiv: „Waldland“ und„HinterBayern“, Fotografien von Bruno Mooser und Her-bert Pöhnl, 15.11.2000-15.1.2001; Der Holzschneiderund Buchautor Fritz Kredel, 18.1.-2.3.2001

Thurnau, Töpfermuseum: Roland König – Vor- und früh-geschichtliche Ackerfunde, Manfred Stopfer – KeltischeImpressionen: Bilder – Bücher, Mitte März-27.5.2001;Wolfgang Pietschmann – Stein-Reich, Steinskulpturenund Ölbilder, Mitte Juni 2001-6.1.2002

Wasserburg a. I., Heimathaus: Zeit für Engel, 9.11.-15.12.2000

Weißenhorn, Heimatmuseum: Lied und Spiel im Weih-nachtsfestkreis, 17.11.2000-4.2.2001; „Tango“ – Jahres-ausstellung des Vereins Kult(o)ur in Weißenhorn e. V.,17.2.-15.4.2001; Blasmusik in Weißenhorn. Das 90jährigeJubiläum der Stadtkapelle Weißenhorn, 27.4.-29.7.2001

Würzburg, Städtische Galerie: Blicke. Selbstbildnisse undKünstlerportraits des 19. und 20. Jahrhunderts,10.12.2000-11.3.2001

BERICHTE /AKTUELLES96

BERICHTE /AKTUELLES 97

tagslebens auf dem Lande und die damit verbundenenMuseen in gleicher Weise Ausdruck der Kultur Bayernssind, und nicht voneinander getrennt werden können unddürfen.

Kilian Kreilinger

ANGEBOT: ZUSAMMENARBEIT MIT DEM MUSEUM KITZBÜHEL, TIROL

Das seit den 1930er Jahren bestehende, im Eigentum derStadt Kitzbühel befindliche Heimatmuseum wird derzeitinhaltlich neu ausgerichtet und umgestaltet. Das neueMuseum Kitzbühel versteht sich als kulturgeschichtlichesRegionalmuseum mit Blick auf Geschichte und Kultur derStadt und Region der Kitzbüheler Alpen.

Im Zuge der Arbeit an der inhaltlichen Neukonzeption desMuseums wurde – nicht als neue Erkenntnis, aber viel-leicht konkreter als bisher – deutlich, wie vielfältig die Be-züge zwischen der Region Kitzbühel und dem bayeri-schen Alpenvorland sind. Die Verflechtung mit Bayern be-steht vor und weit über den Zeitraum von der bayerischenLandnahme bis zu ihrer politischen Loslösung Kitzbühelsim beginnenden 16. Jh. hinaus. In der Bronzezeit und vielspäter wieder in der Neuzeit (16.-18. Jh.) ist die Kitz-büheler Region Schauplatz eines regen Kupfer- bzw. Sil-berbergbaus, für den das bayerische Alpenvorland nichtnur wichtiger Absatzmarkt war, sondern der nicht zuletztauch durch bayerische Gewerke finanziert wurde. Nachdem politisch-militärischen Intermezzo der Jahre zwi-schen 1792 und 1814 ist es ab Mitte des 19. Jahrhun-derts der Reiz der Landschaft, der das bayerische Inter-esse an der Region Kitzbühel aufs neue erweckt: Sie wirdbegehrte Kulisse für die Sommerfrische und nur wenigspäter für die Wintersportaktivitäten eines städtischenbayerischen Publikums. Der „Bobclub Kitzbühel-Mün-chen“ der Zwanziger Jahre oder das Engagement vonBMW beim Hahnenkammrennen der 1990er Jahre sindnur zwei von vielen weiteren Zeugen dieses engen undbis in die Gegenwart anhaltenden Interesses.

Das Museum Kitzbühel regt eine Zusammenarbeit mit ei-nem bayerischen Museum an, mit dem gemeinsam dieseBezüge herausgearbeitet und einem breiten Publikumdargestellt werden können. Das kann (muß aber nicht un-bedingt) z. B. in Form von wechselseitig gezeigten Son-derausstellungen geschehen. Als erster Arbeitsschrittempfiehlt sich wahrscheinlich die Erstellung eines Kon-zeptes, mit dem mögliche Finanziers angesprochen wer-den könnten. Da das Projekt zwei EU-Staaten betrifft,sind gegebenenfalls auch Interreg-Förderungen der EU inBetracht zu ziehen. Das Museum Kitzbühel wird haupt-

amtlich von einem Historiker geleitet und verfügt übereine Sonderausstellungsfläche von gut 100 m2.

Kontakt: Museum Kitzbühel, Dr. Wido Sieberer, Postfach 135, A-6370 Kitzbühel, Tel. 0043/5356/64588, E-mail [email protected]

WERBETAFELN FÜR MUSEEN AN AUTOBAHNEN

Wer kennt sie nicht, die braunen Hinweistafeln kurz vorAutobahnausfahrten, die mit einer holzschnittartigen Dar-stellung und einem Kurztext auf eine touristische Region(„Chiemsee – Chiemgau“) oder auch Sehenswürdigkeiten(„Ingolstadt – Historische Altstadt“) verweisen? Die Ge-nehmigung für die Aufstellung dieser Hinweistafeln fürLandschaften oder Objekte, welche nicht weiter als 20km von der jeweiligen Ausfahrt entfernt liegen dürfen, istnun neu geregelt. Ausdrücklich weist das BayerischeStaatsministerium des Innern in diesem Zusammenhangauch darauf hin, daß das im Amtsgebrauch als „touristi-sche Unterrichtungstafel (Zeichen 386 StVO)“ benannteZeichen auch von Museen beantragt werden kann.

Bevor auf diese wirkungsvolle Weise geworben werdenkann, sind allerdings einige Hürden zu überwinden. Die er-ste und zugleich wichtigste ist, daß das Museum über-regionale touristische Bedeutung – die nichts mit der fach-lichen zu tun haben muß – besitzt. Unerheblich ist dieTrägerschaft des Museums: Staatliche, kommunale undprivate Museen können gleichermaßen berücksichtigtwerden. Die ausschlaggebende Bedeutung für den Touris-mus beurteilen die regionalen Tourismusverbände, welcheihre Entscheidung an die Autobahndirektionen weiterge-ben. Da pro Autobahnausfahrt höchstens zwei Hinweis-schilder plaziert werden dürfen, kann es hierbei sein, daßman sich gegen Mitbewerber aus der näheren Umgebungdurchsetzen muß. Entsprechend frühzeitige Kontakte zuden Tourismusverbänden sind daher ratsam.

Ein nicht zu vernachlässigender Punkt, der vor der An-tragstellung zu bedenken ist, sind schließlich die nichtunerheblichen Kosten für Errichtung und Unterhalt derHinweistafel, die allein vom Antragsteller zu tragen sind.Zu den reinen Material- und Arbeitskosten für Tafel undAufstellung von etwa DM 10.000.- gesellen sich das Gra-fikerhonorar und der „Bauunterhalt“, also evtl. anfallendeReparaturen nach Sturm- oder Unfallschäden sowie derErsatz der Tafel – je nach Aufstellort – alle 10 bis 15 Jah-re. Keineswegs zu unterschätzen sind auch die Kosten fürdie Folgebeschilderung hin zum Museum: Viele Kreuzun-gen können den finanziellen Aufwand ganz erheblich indie Höhe schrauben!

XYZ.MUSEUM

Ab Jahresbeginn 2001 wird die bunte Welt des Internetsum einen weiteren Farbtupfer reicher. ICANN, die inter-nationale Organisation zur Verwaltung der Internet-Be-zeichnungen, hat ab diesem Zeitpunkt 14 neue Top-Level-Domains (TLD) zugelassen, wobei sich neben *.art,*.auction, *.film oder *.theater auch *.museum findet. An-gemeldet und vorangetrieben wurde diese neue TLD, diewie etwa das Länderkennzeichen *.de oder das Firmen-zeichen *.com den „Namen“ der Seite beschließt, vonICOM, das dabei von der amerikanischen Getty-Founda-tion finanziell unterstützt wurde.

Die Vergabe der jeweiligen Adressen wird unter Mitwir-kung von ICOM erfolgen, wobei ausschlaggebendes Kri-terium ist, daß die jeweilige Einrichtung der ICOM-Mu-seumsdefinition im Kodex der Berufsethik (deutsche Fas-sung: www.icom-deutschland.de/kodex.htm) entspricht.Die Mitgliedschaft bei ICOM ist dagegen nicht unbedingtnotwendig. Schätzungen gehen davon aus, daß weltweitetwa 40.000 Museen die entsprechenden Voraussetzun-gen erfüllen und daher *.museum als TLD führen dürfen.

Im Moment kann man noch gespannt sein, auf welcheWeise die Zuteilung der Adressen – die ja in jedem Fallvon der Prüfung begleitet werden müßte, ob das jeweiligeMuseum auch der ICOM-Museumsdefinition entspricht! –erfolgen wird. Nähere Informationen finden Interessentenunter: www.museumdomain.net/faq.html.

MUSEUM „HAUS FRÄNKISCHER GESCHICHTE“ ERHÄLT PREIS DER TUCHERSCHEN KULTURSTIFTUNG

Im Oktober 2000 erhielt das zwei Jahre zuvor eröffneteMuseum „Haus fränkischer Geschichte“ auf Burg Aben-berg den Förderpreis des Kulturfonds der Tucherstiftungfür seine ungewöhnliche Darstellung der GeschichteFrankens. Fast ohne Exponate, aber dafür mit an-sprechenden Rauminstallationen und ergänzt durch mo-derne Technik wie selbständig bedienbaren Computer-programmen und einem Film über die Reformation inFranken erleben die Besucher in den Abteilungen „Burg-leben im Mittelalter“, „Fränkische Territorialentwicklung“,„Reformation und Glaubenskriege“ und „Franken heute“die vielfältige Kulturlandschaft Frankens. Sonderausstel-lungen mit historischen Themen und Sonderschauenfränkischer Künstler ergänzen ebenso die kulturellen Ak-tivitäten des Museums wie alters- und schulstufengerechtausgearbeitete museumspädagogische Programme. Die-ses von Museumsleiterin Brigitte Korn ausgearbeitete

Gesamtkonzept veranlaßte den Stiftungsrat des Tucher-schen Kulturfonds, den renommierten Preis der Tucher-stiftung für das Jahr 2000 in Höhe von DM 5.000,– an dasMuseum zu vergeben. Die Preisvergabe fand im Tucher-schloß in Simmelsdorf statt.

AUSSTELLUNG ZUR INNERDEUTSCHEN GRENZE

Karsten Sroka hat als jahrelanger „Grenzgänger“ entlangder über 1300 km langen ehemaligen innerdeutschenGrenze einen enormen Fundus an Belegen verschieden-ster Art, Archivalien und Fotografien zusammengetragenund aus diesen eine Ausstellung zusammengestellt.Durchaus persönlich und unaufwendig gehalten zeichnetsie unter dem Titel „Grenze im Wandel der Zeiten“ auf 25gerahmten Tafeln mit Bild- und Schriftdokumenten Orte,Stationen und Schicksale aus der Geschichte dieser un-menschlichen Trennungslinie nach. Ein Grenzmodell, wiees früher in westdeutschen Grenzinformationsstellen ge-zeigt wurde, verdeutlicht den Aufbau der Sperranlagen.

Die Ausstellung, die bis zum Jahresende 2000 in der Aka-demie für Politische Bildung in Tutzing zu sehen ist, kannbei ihrem Verfasser ausgeliehen werden, der auch fürFührungen und Erläuterungen zur Verfügung steht.

Kontaktadresse: Carsten Sroka, Lerchenweg 18, 39393 Hötensleben, Tel. 039405/50670

VITRINEN UND SOCKEL KOSTENLOS ABZUGEBEN

Das Bayerische Nationalmuseum gibt aus seinen Bestän-den verschiedene Vitrinen und Sockel mit Glasstürzenkostenlos an Museen ab, außerdem Kleinsockel unter-schiedlicher Größe. Eine Auflistung – Angebot frei-bleibend! – ist bei der Landesstelle erhältlich. Die Vitrinenmüssen bis spätestens Mitte März im Museum selbstabgeholt werden. Weitere Informationen und Terminab-sprachen: Bayerisches Nationalmuseum, Herr Linder-mayr, Tel. 089/21124-300.

BERICHTE /AKTUELLES98

DIE AUTOREN DIESES HEFTS

Herbert Bald M. A., Spessartmuseum Lohr a. MainHans-Joachim Becker, Deutsches Museum, MünchenAlbert Feiber M. A., Institut für Zeitgeschichte, MünchenDr. Wilhelm Füßl, Deutsches Museum, MünchenDr. Albrecht A. Gribl, Landesstelle für die nichtstaat-

lichen Museen in BayernDoris Hefner, Kulturkuratorin, GilchingDr. Kilian Kreilinger, Landesstelle für die nichtstaatlichen

Museen in BayernDr. Hannelore Kunz-Ott, Landesstelle für die nichtstaat-

lichen Museen in BayernDr. Jürgen Lenssen, Domkapitular, Bau- und Kunst-

referent der Diözese WürzburgOliver Lubrich, BerlinHermann Neubert M. A., Museum der Stadt MiltenbergJochen Ramming, M. A., freiberuflicher Kulturwissen-

schaftler, Kulturbüro FranKonzept, WürzburgDr. Rainhard Riepertinger, Museen der Stadt KemptenChristine Schmid-Egger M. A., Landesstelle für die

nichtstaatlichen Museen in BayernDr. Erich Schneider, Museen der Stadt SchweinfurtDr. Wolfgang Stäbler, Landesstelle für die nichtstaat-

lichen Museen in BayernDagmar Stonus, M. A., freiberufliche Kulturwissen-

schaftlerin, Kulturbüro FranKonzept, WürzburgDr. Richard Winkler, Bayerisches Wirtschaftsarchiv,

München

Umschlagentwurf:Erich Hackel, München

Abbildungen:Allgäu-Museum, Kempten S. 61Bayerische Landesstiftung S. 96Bayerisches Wirtschaftsarchiv, München S. 45-48Bezirk Schwaben, Museumsdirektion S. 74BMW Mobile Tradition S. 58Deutsches Museum, München S. 52-55Doris Hefner, Gilching S. 49-51Foto Baumann-Schicht, Bad Reichenhall

(© Institut für Zeitgeschichte München-Berlin/Berchtesgadener Landesstiftung) Titel, S. 3-11

Foto Scherer, Lohr a. Main S. 43Foto Winterhalter, Gerolzhofen S. 36Historisches Museum Bayreuth S. 84Kunstreferat der Diözese Würzburg S. 18-24Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen

(Hans-Joachim Becker) S. 12-14, 17, 31-34, 37-40,75, (Kilian Kreilinger) 16,85, (Wolfgang Stäbler) S. 35,57-59, 82

Münchner Stadtmagazin S. 56, 79Museen der Stadt Schweinfurt S. 25-28Museum der Stadt Miltenberg S. 30Ralf Lienert, Allgäuer Zeitung, Kempten S. 62-68Spessart-Museum Lohr a. M. S. 42Stiftskirchenmuseum Himmelkron S. 92x-hibit, Berlin S. 80-81

99

LANDESSTELLEFÜR DIENICHTSTAATLICHENMUSEEN

WAGMÜLLERSTRASSE 2080538 MÜNCHENTELEFON 0 89/21 01 40-0TELEFAX 0 89/21 01 40-40

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