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Bestimmung der Sprachubertragungsqualitat unter Motorradhelmen
Jorg Rothhamel, Gerd Janke, Oliver SchimpfSchuberth Engineering AG, 38106 Braunschweig, Deutschland, Email: [email protected]
Kommunikationsanwendungen werden auf dem Mo-torrad immer bedeutender. Fur einen Helmherstel-ler stellt sich die Frage, ob die Entwicklung lei-ser Helme auch einen entsprechenden Vorteil furdie Kommunikation bringt. In diesem Artikel werdennur die akustischen Ubertragungsstrecken betrachtet,nicht die Gesamtkommunikation mit entsprechendenGerauschunterdruckungsalgorithmen.
Motorradhelmakustik
Uber den Kauf eines Helmes entscheidet im wesentli-chen der Komfort. Maßgeblich fur den Komfort sinddie stromungsmechanischen Eigenschaften des Helmes.Hier besteht das Spannungsfeld Sicherheit - Aerodyna-mik, denn fur die Aerodynamik ist ein schlanker Helmvorteilhaft. Die Entwicklungsziele der Aeroakustik zurKomfortoptimierung von Helmen sind:
• Minimierung der Windgerausche
• Eliminierung lastiger Storgerausche wie Pfeifen,Wummern
• gute Kommunikationsmoglichkeiten
• gute Wahrnehmung der Außengerausche im Straßen-verkehr
Ursache der Windgerausche sind Turbulenzen die amHelm entstehen (vgl. Rothhamel et al. 2005 [1], [2]). Die-se sind deutlich in Abbildung 1 an der Unterseite desHelmes zu erkennen.
Abbildung 1: Helmaeroakustik - Entstehung von Wind-gerauschen (insbesondere an der Helmunterseite)
Typische Helmgerausche auf einem unverkleideten Mo-torrad (BMW R1150R) sind als Terzspektrum in Abbil-dung 2 aufgetragen. Deutlich zu erkennen ist, dass jederHelm gegenuber dem Fahren ohne Helm immer leiser ist.Ein sehr guter Prototypenhelm (Helm 1) zeigt das Po-tential leiser Helme auf.
Die Spektren zeigen deutlich , dass ein niedriger Wind-gerauschpegel sich positiv auf den Sprachfrequenzbereichauswirkt.
Abbildung 2: Helmakustik - typische Terzspektren [dB(A)]und Gesamtpegel von Integralhelmen bei 100 km/h auf einemunverkleideten Motorrad im Windkanal
KommunikationsanwendungenModerne Kommunikationsanwendungen auf dem Motor-rad sind sehr vielfaltig und ermoglichen dem Fahrersehr unterschiedliche Moglichkeiten der uni- und bidi-rektionalen Kommunikation mit folgenden Empfangern& Sendern: Sozia, Navigation, Telefon, PMR-Funkgerat,Diktiergerat und Radio / Musik (mp3). Daher ist ei-ne gute Verstandlichkeit notwendig, um diesen Komfortauch bei hoheren Geschwindigkeiten nutzen zu konnen.Abbildung 3 zeigt die hier betrachteten akustischenUbertragungsstrecken im Helm ohne Signalverarbeitung.Als Storgroßen treten Windgerausche am Mund und amOhr auf.
Abbildung 3: Kommunikationswege im Helm: Mund –Mundmikro, Lautsprecher – Ohr
Versuchsaufbau und -durchfuhrungAls Horsprechgarnitur kam ein 1 W Lautsprecher so-wie ein Sennheiser KE 4-211 Mikrofon mit Windschutzzum Einsatz, da ein Messmikrofon von seinen Abmessun-gen zu groß fur den Einbau im Helm ist. Zur Bestim-mung des Sprachubertragungsindexes wurde das STI–Messgerat, ”Acoustilyzer“ (NTI), verwendet.
DAGA '05 - München
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Das Sprachverstandlichkeitsmessverfahren STIPA wurdeausgewahlt, da es einen guten Kompromiss zwischen derzeitaufwendigem STI–Messung und der sehr schnellenRASTI–Messung bietet. Die Nachteile dieses Verfahrenssind fur die Messungen am Helm irrelevant, da keine kei-ne impulsartigen Storgerausche und keine starken nichtli-nearen Verzerrungen in der akustischen Messstrecke auf-treten. Ausgewertet wurden nur die Ergebnisse fur diemannliche Stimme. Alle drei Integralhelme entstammenaus dem Hochpreissegment des Modelljahres 2004. HelmB gilt als leise und Helm C ist ein akustisch optimierterHelm.
Es wurden mit der Windkanal-Messpuppe mit adaptier-tem Kunstkopf (Head Acoustics HMS II, vgl. Abbildung5 links) Stor- und Nutzsignal am Ohr gleichzeitig imWindkanal aufgezeichnet. Die Nutzsignalpegel am Ohrbetrugen: 100, 97, 94, 90, 85, 82 dB(A).
Abbildung 4: Integralhelm STIPA und SPL [dB(A)] am Ohr
Abbildung 4 zeigt die Ergebnisse von drei Helmen. DieFlachen zeigen das Feld der STIPA Ergebnisse mit denunterschiedlichen Signalpegeln (100 - 82 dB(A)) an, diefarbige Linie den Windgerauschstorpegel am Ohr.
Die Bestimmung des STIPA sieht vor, daß Stor- undNutzsignal sowohl getrennt als auch gemeinsam be-stimmt werden konnen (vgl. DIN EN 60268–16). DieBestimmung der Sprachubertragungsqualitat am Mundwar direkt im Windkanal nicht moglich, da der vorhan-dene Kunstkopf HMS II auf dem Windkanalmessdum-my keinen kunstlichen Mund hat. Stor- und Nutzsignalmussten daher getrennt voneinander bestimmt werden.Fur die Aufnahme der Nutzsignale wurde der sprechendeKunstkopf ”Singer“ des ITA Aachen verwendet. Bei al-len Helmen wurde der selbe Mund-Mikrofon Abstand von2,5 cm eingehalten. Die Randbedingungen ”Helmpositionauf dem Kunstkopf“ sowie ”Positionierung und Monta-ge des Mikrofons“ mußten genau bestimmt werden, umreproduzierbare Messungen durchfuhren zu konnen.
Abbildung 5: Bestimmung des STIPA-Testsignals und desWindgerausches am Mundmikrofon
Abbildung 6 zeigt die Ergebnisse der Messungen derMundubertragungsstrecke (Abbildung 5). Dabei betru-gen die Nutzsignalpegel am Mund -3, -0, +3, +6 dB. 0 dBentspricht dabei 66 dB(A) SPL in 0,5 m Entfernung vomkunstlichen Mund ohne Helm (vgl. DIN EN 60268–16).Die farbige Linie zeigt den Windgerauschstorpegel amMund.
Abbildung 6: Integralhelm STIPA und SPL [dB(A)] amMundmikrofon
DiskussionBei allen gemessenen Helmen dieser Untersuchungwar der Korrelationskoeffizient zwischen dem STIPA(Ohr) und der Differenz von Signalpegel und Wind-gerauschpegel jeweils >0,95. Daraus folgt: leise Helmezeigen eine signifikant bessere Sprachverstandlichkeit amOhr, insbesondere bei Geschwindigkeiten uber 80 km/h.Ohne windgerauschabhangige Lautstarkeanpassung istjedoch eine gute Kommunikation nicht oder nur bei dau-erhaft hohem Signalpegel moglich. Es zeigte sich, dasslaute Helme mit einem nach unten offenen Kinnteil ex-trem hohe SPL aufgrund der Turbulenzen am Kinn ha-ben. Hier ist eine Kommunikation wahrend der Fahrt sogut wie nicht moglich.
Zusammenfassung und AusblickDie Entwicklung leiser Helme ist auch fur die Kom-munikation unter Motorradhelmen sehr vorteilhaft. Ei-ne genauere Betrachtung des Sprachubertragungsweges
”Mund - Mundmikrofon“ ist notwendig, um hier eingut handhabbares Messsystem zu entwickeln. Die Be-stimmung der Sprachubertragungsqualitat eines gesam-ten Kommunikationssystems lasst sich aufgrund von si-gnalverarbeitenden Elementen nur mit dem aufwendigenSTI Verfahren realisieren.
Diese Arbeit wurde von Herrn Besselmann, SchalltechnikSud & Nord, Herrn Dr. Behler, Inst. fur Technische Aku-stik, Aachen und Herrn Prof. Schmitz, TAC-Acousticsunterstutzt.
Literatur[1] Rothhamel, J.; Janke, G.; Schimpf, O.: Turbulen-
te An- und Umstromung von Motorradhelmen unterstromungsakustischen Aspekten, DAGA 05
[2] Janke, G.; Rothhamel, J.; Schimpf, O.: Schutzhel-me (Kap. 10) in Aerodynamik des Automobils,5. Aufl., Vieweg-Verlag, Wiesbaden (2005)
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