birgit schneider, klee

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media theorist Birgit Schneider on Klee, sewing, programming

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  • Es liegt aber im Begriff jeder Turing~Maschine, dass keiner ihrer Zustnde unwandelbar ist. Glltcnberg,s bewegliche Lettern haben nur die Produhion von Bchern mobilisiert, wohingegen die H.ezeption - nach lllderlins Wort - auf den festen,
  • gewebt. Trotz der Flle an Farben und Wehstrukturen vcrleiht das gleichmgige Raster des Schachbretts dem Wandbehang einen ruhigen Charakter. Die Grund-eigenschaft des Musters im Sinne einer strengcn Wiederholung ist gleichzeitig bedient und zugunsten des Eindrucks eines Gesamtbildes aufgehoben. Dieses Vorge hen, auf der Grundlage eines repetitiven M.us-ters durch Variati6ncn ein abstraktes Bild zu erzeugen, war ein Gestaltungsmerkmal von
  • Paul Klee Schachbren mu srer als Gcflecht gedachr lind mi r Worten lind Symbolen ge webt. Vorlcsungsrnanusk ript, 10. November 1923, aus: Klce 1987

    struktur und da~ Synonym f r die webende Technik _ macht Klee jedoch zunchst nicht durch das Schema einer Linienstruktul' deutli ch, sondern indem er die Worte "d rber" und "drunter" beziehungsweise "pos i ~ ti v" und " negativ" ber Kreuz schreibt und gew i sse r~ maen mit Worten webt.

    Die Schachbrettstruktur als Instrument der Mustergenerierung fr die Weberei Unabhng ig von Klees Ausfhrungen kann die Struk-tur des Schachbretts in ihrer grundstzlichen Bedeu -

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    tung fr die Weberei bet rachtet werden. Denn nicht erst in den Gesta ltu ngen des Bauha uses, sondern seit jeher war d iese G rundstruktur fr die Webe rei von zentraler Bedeutung, da bereits d ie einfachste Art der Verkreuzu ng der Fden - die Leinwandbindung - auf dieser Ord n ung beruht. D ie Nota tion der Lei n wand~ bi nd ung zeigt infolgedessen ebenfa lls eine Schach brett-struktur, wei tere G rundbindungsa rten gewebte r Stoffe si nd Atlas und Kper, di e auf a nderen Ordnu ngen der Schachbrettstruktur beruhen un d mannigfalt ig variiert und weiterentwickelt werden knnen .1 2

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    linkc Seite unten: Di e Notation fr Gewebebindungen heit Patrone. Li nks: P;UTone in hcutiger Schulbuchmanier sowie die Bindung im Querschnitt (" a" und "b"). Rechts: Dreidimensional e Ansicht der Leinwandbindung

    D ie N otatiollssysteme der Webe rei wa ren bere its zu e inem fr hen Zeitpunkt hoch entwickelt. So ga b es nachweislich seit dem Ende des 17. Ja hrh underts - ver-mutlich jedoch noch frher - Aufschreibesysteme, wei -che die Anschnrung und Einrichtung des Webstuhls f r ein Muster sowie die Trittfolge genau p lanen lieen . Die sogenan nte Patrone reprsentiert einerseits die Fadeno rdnung des Gewebes, indem auf e inem karier-ten Pap ie r die Verkreuzung von Kette und Sch uss ver-zeichnet wird . Ist ein Feld farbig ausgefll t, wei der Weber, dass hier der Kettfaden ber dem Schussfaden kreuzt, wi rd ein Karo leer gelassen, gibt es in entspre-chender We ise einen T iefgang der Kette unter dem Schuss. In Form der Pa trone ist die binre Struktur der Fadenverkreuzungen schematisch in die g raphischen Werte "hell " und "du nkel" bertragen , d ie r umliche Ordnung des Gewebes wird demgem als zweidimen-siona le Matr ix aus Zeilen und Spa lten gra phisch zusammengefasst und auf ei ne Ebene red uziert.

    Planen, Z hlen und Rechnen begleiten den Web-prozess bei jedem Schritt. Es ist die Orthogonalitt des Gewebes, we lche den Rahmen fr das Berechnen und Abz hlen liefert und die Struktu ren f r die Planung wie in ei nem Rechenschieber oder einer Tabe lle vorgibt. Die O rdnung der Fden zu Mustern kann nur aufgrund e ines pra ktischen , a rithmetischen Wissens umgesetzt werden. So ist das Erfordern is der Einteilung der Kette wie di e Sortierung der Fden nach Gerade und Unge-rade oder durch andere Tei lbarkeitsverh ltn isse fr die Musterung von Geweben grundlegend, aus der d iskre-ten, gewebten Struktur ergibt sich die kombin atorische Logi k e ines jeden Musters, die w ie die Spi el zge eines Schachspiels beschreibbar ist, Fr die Bildung einer Atl asb indung sind diese "Spi elzge" der Ab bildung oben mit Za hlen in der Ks tchenstruktur links un ten verzeichnet. Doch wurde die regelmige St ruktur aus Zeilen und Spalten auch sys tematisch fr d ie Generie-rung neuer Muster verwendet . Ein besonderes Nota-t ionssystem entstand fr d ie sogena nnte "Schachw itz-" oder " Blckchenweberei " im 17. Jahrhundert in Ulm, wobei d ie Bezeichnung "Schachwitz" mit einer be-

    NotatiOllsschema fr die Einrichtung eincs Webstuhls zum Weben eines "achrbindigen Atlas", Anfang 20. Jahrhundert

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    st immten Auffassu ng von M ustern a ls M usterblcken ein hergeht . Die Ulmer Weber machten die Notationen operabel, indem sie g le ich ganze Mustere in heiten " blockweise" notierten und durch geschickte Kombi -natorik und k leine Transformationen der Notationen neue M uste r kre ierten , deren gewebte Erge bn isse bis-weilen an a bstra kte En tw rfe der Op Art er innern . 1J

    Notatio nen fr M uste r si nd also nicht nur deskrip ti v, sondern immer schon prskr iptiv in dem Sinne, dass sie es erl au ben, innerha lb eines begrenzten Sp ielfeldes systematisch neue Muster zu gene rieren. Die Schach-brettst ruktur ist hierbei das uni verse lle Instrument, auf dessen G rundlage d ieser Prozess stattfindet.

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  • Mehrere Not
  • In seiner Vorlesung von 1922/1923 benutzt Klee d ie Schachbrettstruktur zudem fr die Analyse und regel-geleitete Erze ugung von Farbkompositionen auf dem Spielp lan der q uadratischen Felder (vgl. Abb. S. 40). Ausgehend von einer ersten Farba nordnu ng verfhrt Klee nach streng geometrischen Operationen wie Spie-gelung und Dreh u~g, aber auch nach den Regeln kom-plement rer Umkehrung anhand des Farbkreises. Auch hi er nutzt e r wiederum den zweifach mglichen Ge-brauch der Schachbrettstruktu r, indem er d ie Felder e inerseits mi t unterschied lichen Farben ausf ll t , um d ie Farbanordnu ngen dann in einem zweiten Schritt zu ana lys ieren. Doch w hlt er fr die komp lexeten Fatb-anordnungen nicht mehr Z iffern , sondern die Buchsta-ben des Alphabets, wobei er mit einer Legen de am Rand der jewe il igen Figur a usweist, wofr d ie e inze l-nen Buchstaben stehen: a=rot, b=grn, c=gelb usw. Durch d ie feste Otdnung des Alphabets lassen sich d ie geometrischen Operationen le ichter a usf hren und nachvoll ziehba r mac~en. Jewei ls neben d ie Notation von Farben und Buchstaben ste ll te Klee zudem ei ne Graphik , in welcher er den Platzwechse l der Farben mitte ls Pfeilen darstellt. Auch bei Klee betkreuzt sich hier das doppelte Potentia l de r Schachbrettstruktur, fr die Musterhet stellung gleichzeitig deskript iv und pr-sk ript iv wirksam zu sein .

    Synthesen von Struktur und Muster Klees Interesse an der Weberei zielte in eine bestimmte Richtung, denn die Besonderheit von Geweben liegt in ihrer Struktut: Beim Weben sind Struktur (Grund ) und Inh alt (M uster) m iteinandet ve tschr nkt , Gewebe und Muster sind untrennbar m ite inander verwoben, wo gewebt w ird, entstehen Muster - es herrscht eine strikte Homogenitt von Weben und Mustern. Klees Naturbe-trachtung wiederum war auf das Erkennen funkt iona-ler Z usammenhnge und Prozesse gerich tet. Ihn inter-essierte n icht nur, wie aus dem Samen ei ne Pflanze

    fti ed Semper, der die Entstehung des Schachbrettmus-ters mi t der frhgeschichtli chen Ttigkeit des Fl echtens in Z usammenhang gebracht hatte und infolge- dessen aus technischen Verfa hren resu lt ierende Muster als Ideengeber fr Ornamente untersuchte '7, besa a uch Klee ein besonderes Interesse am Z usammenhalt von Form und Inha lt, an der bereinstimmung von innen und auen, welche die besondere Eigenschaft derar-tiger Strukturen ausmacht. In einer Zeit , a ls die ab-strakte Ma lerei mit a ller Kraft gegen den Vorwurf des Dekorativ-Ornamentalen und der reinen Z ierde vorzu-gehen hatte, fanden Knstler sehr untersch iedliche Be-grndungskonzepte fr ihre Art und Weise, ihren Vor-stell ungen von der Welt oder der Natur abstrakt in Bildern Form zu geben. So beanspruchte Klee, di e Wun-der der Schpfung mittels Ku nst erlebba r zu machen, und postu lierte in diesem Sinne: "Kunst verh lt sich zur Schpfung gleichnisa rt ig. "18 An der Schpfung intetes-sierte ihn dabei d ie Ebene der Fo rmung und des Wachs-tums a ls "Gefge von Z ustnden des Wachstums"19, was fr ihn mageblich mit de r Vorste ll ung zusammen -fi el, dass a llem Werden Bewegung zugrunde liege.

    " Punkte, lineare, fl ch ige und r um liche Ener-gien"20, la ut Klee die Formelemente der Graphik, sind auf d iese Weise nicht mehr als da rstellende, der Mime-sis einer Naturgestalt d ienende Elemente aufgefasst, sondern sind selbst Energie und a uch a uf dem Pa pi er nie st illgeste ll t. D ie Grundelemente des Bildes b leiben in Kl ees Betrachtung immer in Bewegung und Spa n-nung, a ls seien sie nicht gezeichnet, sondern wie ein Bauwerk nach statischen Gesetzen gefgt - oder eben wie die Fden einer text ilen Struktur gespannt, d ie au f-grund innerer Gesetzmigkeiten zusammen h lt. Diese Dynamik und d ie n icht sti ll zuste llende Bewegu ng ent-sprechen der Zeitl ichkeit des Herstell ungs- und Be-trachtungsakts des Bildes, die eben fa lls innethalb dieser Bewegung und Ordnung verlau fe n. Linien si nd deshalb bei Klee oft Pfe ile oder Sp uren, Ankndigungen oder

    wchst , sondern auch, auf welche Weise Ttigkeiten Folgen einer Bewegung, eines "Geschftsgangs" oder wie Weben, Flechten und M auern chara kteristische "Spazierga ngs" der Linie. 21 Die bi ld ner ische Form Formbildungen hervorbringen. Ga nz hn lich w ie Gott- beginn t " bei m Punkt, der sich in Bewegung setzt"22.

    276 III.GIT S CHN E I OEII

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    Anmerkungen J Nelsoll (;oodmall, S{nm:hl'lI

    der K/1l1st. J:II/II/f/r(eillr!r SYIIJ{;olthl'rnie. Frankfurt ,1m Main 1973, S. 155ff., zuerst eng!.: Lallgl/Ilges 0/ Atl. All Approllch 10 (/ '/'/;e-Ot)' o( Symbols, J 968, foJ't,l1l: Goodman 1973

    2 Siehe die Abbildungen in Sigrid \X/onmann Wehge, Ballhau,