bonsai moon

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Hartwig Kopp-Delaney Wer dem Zen-Pfad folgt, nimmt eine Haltung der Selbstsuche ein. 1 Humorvolle Geschichten über Kuantsu

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Humorvolle Zen Weisheitsgeschichten um Kuantsu

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Page 1: Bonsai Moon

Hartwig Kopp-Delaney

Wer dem Zen-Pfad folgt,nimmt eine Haltung der Selbstsuche ein.

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Humorvolle Geschichten über Kuantsu

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Der Buddha-Stein

Kuantsu war ein Bettler und die Menschen hielten ihn für ebenso hilflos wie wertlos und als Sklaven seiner erniedrigenden Lebensumstände. Kuantsu aber wusste, dass er sich von der Herrschaft der Umstände in der Gesellschaft frei gemacht hatte. Daher lächelte er, wenn die Leute ihn bedauerten, wenn er seine Bettelschale an frostigen Tagen dicht an seinen Mantel und vor die Brust drückte, um die Hand nicht allzu schnell auskühlen zu lassen.

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Kuantsu hatte kein Zuhause und keinen nennenswerten Besitz, darum reiste er im Winter wie im Sommer leichten Fußes. Er verließ sich auf nichts anderes als seinen eigenen Einfallsreichtum, den er als Geschenk des Buddha sah. Er hatte keinen gesellschaftlichen Status zu verlieren und er war auch von der Hoffnung frei geworden, jemals einen solchen zu erreichen. Daher empfand ihn jeder als bescheiden und frei von jeder Aufgeblasenheit.Er machte einen unscheinbaren Eindruck, einzig in seinen Augen brannte das echte Feuer der Leidenschaft für das Leben, das Leben im Augenblick, für das Gewahrsein und die Herzensgüte. Er war immer dort, wo er gerade war. Er hatte

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keine Träume, denn er lebte seinen Traum. Doch er sah die Menschen träumen, von einer besseren Zukunft, sah sie sich sorgen um ihr Morgen und sich ärgern über ihr Gestern. Und er hatte Mitgefühl für ihre Verwirrungen und Ängste.Kuantsu trug einen kleinen unscheinbaren Bergkristall in seiner Hosentasche und niemand hätte mehr als ein paar Cent für ihn gegeben. Doch Kuantsu nannte ihn sein „Juwel“, seine „brennende Kerze“, mit der er andere anstecken konnte. Wenn man ihm aus irgendeinem Grund irgendeinen Stein zeigte, konnte er diesen anstecken, wenn er ihn in Gedanken mit seinem Kristall in Berührung brachte.

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Eines Tages kaufte eine junge Frau bei einem fahrenden Händler einen kleinen Achat für ihre Sammlung und entschuldigte sich dafür, dass sie nur einen großen Schein habe, mit dem sie bezahlen wollte. Sie entschuldigte sich auch dafür, dass sie sich entschuldigte, denn der Händler nahm den Schein klaglos und wechselte ihn ohne sichtliches Problem. Da seufzte die junge Frau als ihr Blick sich mit Kuantsus traf, der zuvor an den Stand getreten war, als sei er von der Frau noch mehr angezogen worden als von der herrlichen Auswahl an wunderschönen Steinen.„Ich weiß nicht, warum ich mich immer entschuldigen muss“, sagte sie dem

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Bettler und er antwortete spontan: „Selbstherabsetzung praktizieren Menschen, die Buddha suchen.“ Und ohne eine Pause zu machen, fuhr er fort: „Und was für einen schönen Stein Sie gekauft haben. Möchten Sie ihn mir genauer zeigen?“Sie zögerte keinen Augenblick und reichte ihn Kuantsu, der ihn nur belächelte und sagte: „Dieser Stein wird Ihnen Ihren Weg zeigen. Sprechen Sie mit ihm, wenn sie Hilfe brauchen. Und hören Sie auf seinen Rat, den er Ihnen zuflüstert. Hören Sie auf Ihr Herz!“ Danach drehte sich Kuantsu um und verschwand im Marktgetümmel. Von diesem Tag an dachte die Frau bei jeder Entschuldigung die sie aussprach

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an Kuantsu und fand ihr Benehmen nie wieder lächerlich oder gar absurd. Sie fand ihren Weg zu Buddha von dem sie nun wusste, dass er der Stein ist, den sie vor vielen Jahren bei einem fahrenden Händler gekauft hatte.

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Für den Orientalen, der mehr am Sein interessiert ist als am Geschäft,

ist der sich selbst entdeckende Mensch etwas,

dem die höchste Achtung gebührt. Solch ein Mensch verfolgt das Ziel,

sein Bewusstsein zu öffnen, wie es der Buddha tat.

Der Buddhahund

Der programmierte Geist untergräbt alles, was ihm begegnet, nur nicht seine eigene Programmierung. Kuantsu griff

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daher gelegentlich zu schockierenden Verhaltensweisen, die die Grundlage der alltäglichen Realität in Frage stellten. So versuchte er zwei Tage lang, wie er behauptete, einen Hund „aufzuwecken“ indem er sein Bellen, Winseln oder Jaulen imitierte. Doch da niemand den Hund sah, fragten sich alle Händler auf dem Markt die Kuantsu mittlerweile gut kannten, ob er nicht doch verrückt geworden sei. Am zweiten Tag des Marktes jedoch fingen auch einige Händler an zu Bellen und zu Jaulen. Eigentlich wollten sie sich nur lustig machen über den närrischen Bettler, doch vielen Teilnehmern des Marktgeschehens fiel auf, dass sich über den Markt eine unglaublich fröhliche

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Stimmung legte. Es herrschte eine Art Ausgelassenheit und Freude, wie man sie sonst kaum kannte. Ein Händler wunderte sich plötzlich nicht mehr über den Narren. Er winkte Kuantsu zu sich und bat ihn freundlich, er möge ihm doch den Namen des Hundes nennen, der da so belle, er wolle ihn füttern. Hinter vorgehaltener Hand antwortete Kuantsu: „Buddha.“ Der Händler kam daraufhin zu einer tiefen Erkenntnis. Wenige Wochen später verließ er die Stadt, kaufte sich einen Hund und ließ sich dort nieder, wo er schon immer leben wollte.

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„Fragen zu sich selbst zu beantworten, ohne sich etwas vorzumachen ist

schwer. Anderen Fragen zu beantworten,

ohne sich etwas vorzumachen ist noch schwerer.

Wenn du dir gegenüber ehrlich sein kannst,

dann öffnet sich eine Schatztruhe. In ihr befindet sich dein

Schlüssel zur Zeitlosigkeit

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und die Erfahrung des Augenblicks ohne Vergangenheit

und ohne Zukunft. Wo bist du jetzt? Verstehst du, was du

hier liest? Dann schaust du in einen Spiegel!“

Master Tom Dudeldey

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Page 13: Bonsai Moon

Freiheit

Ein junger Mann sprach zu Kuantsu, er wäre auch gern so frei und ungebunden wie er. „Willst du frei sein?“ fragte der Bettler. „Und was bist du bereit, dafür aufzugeben?“

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Der Mann zögerte. Er begriff, dass er nicht so ohne weiteres bereit war, etwas für seine Freiheit aufzugeben. Er erkannte, dass seine Angst, seine Bequemlichkeit und größere Wünsche ihn davon abhielten, sein Gefängnis aus unerfüllten Träumen zu verlassen. Er dachte lange über diese Situation nach und ihm wurde bewusst, dass seine Wünsche vom Meister der Begierden, „Mara“, genährt werden.

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Du kannst auch heute wieder die Türenzur Quelle des Seins öffnen.

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Eine Antwort – jenseits von Worten – zu entdecken

gehört zur Magie des Zen.

Buddhas Geld

Kuantsu beobachtete zwei sich streitende Händler. Offensichtlich hatte einer der beiden seine überbordende Ware zu gewissen Teilen auf dem Platz des anderen gestellt und dieser forderte die sofortige Räumung, obwohl für ihn

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noch ausreichend Raum gewesen wäre. „Das ist mein Platz!“ rief der dicke Händler mit puterrotem Kopf. „Gib mir eine Stunde!“ forderte der andere. „Dann wird die Hälfte der Ware vom Koch der Stadtküche abgeholt. Ich verdiene kaum etwas daran. Ich tue ihm einen Gefallen.“„Deine Gründe sind mir einerlei!“ wetterte der der Dicke und machte sich daran, die Ware von seinem Platz in den Strom der Passanten zu schieben. Diese schimpften auf die beiden Händler und drängten sich zum Teil rüpelhaft durch die sich verengende Gasse. Die Situation drohte chaotisch zu werden, als eine weitere Kiste in den Weg gestellt wurde.

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Kuantsu trat unter dem schattigen Baum hervor, an den er sich angelehnt hatte und fragte den dicken Händler nach dem Preis für seine Melonen. Dieser wollte ihn ignorieren, denn er war so sehr in seinen Streit verwickelt, dass er sich von dieser Energie nicht ablenken lassen konnte. Doch Kuantsu ließ sich nicht einschüchtern und fragte den streitsüchtigen Händler erneut nach einem Preis, diesmal für eine ganz bestimmte Melone. „Nimm sie dir und verschwinde!“ rief der Dicke. „Du hast doch ohnehin keinen Cent!“„Oh, doch“, sagte Kuantsu. „Dein ganzes Geld gehört mir.“

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„Was?“ jetzt richtete der Händler seine ganze Aufmerksamkeit auf diese Dreistigkeit. „Dein Geld?“Kuantsu wusste, dass er die bösartige Energie des Dicken nun auf sich gezogen hatte und dass es mit dem Dämon der Streitsucht kein leichtes Spiel geben würde. Doch leichte Spiele waren schließlich nur halb so aufregend. Der Händler klatsche mit der rechten Hand auf eine lederne Tasche vor seinem Bauch und sagte: „Da kommt niemand dran! Und deine dreckigen Finger schon gar nicht!“„Ich brauche meine Finger nicht, um an das Geld zu kommen. Warte nur ab. Bis morgen ist alles verschwunden.“

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„Wie soll das denn gehen? Du bist ein Verrückter!“„Natürlich bin ich verrückt. Wie sehr, das wissen doch alle. Doch du sei vernünftig und pass gut auf dein Geld auf. Und danke, für die Melone!“ Kuantsu ergriff sie und verschwand ebenso schnell wie er erschienen war.Der Dicke war verwirrt. Er öffnete seine Ledertasche und zählte das Geld. Es fehlte kein Cent. Aber die Angst, man könne ihm das Geld stehlen hatte ihn ergriffen. Es war schon immer seine größte Sorge, er könne in seinem Leben wieder arm werden und in abgetragenen Hosen herumlaufen müssen, wie dieser Bettler Kuantsu, darum nahm er sich

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vor, heute ganz besonders wachsam zu sein. „Wenn du willst“, sagte der schlaue Händler von nebenan, „achte ich auf zwielichtige Gestalten und warne dich. Im Gegenzug lässt du meine Kisten noch eine Stunde auf deinem Platz.“„Gut, gut.“ Der Dicke trat hinter seinen Stand zurück und bediente misstrauisch jeden Kunden, der sich noch traute, mit diesem Miesepeter zu sprechen.Der dicke Händler war zufrieden, weil bis zum Abend ihm niemand das Geld gestohlen hatte, doch war er nicht sicher, ob er auf dem Heimweg nicht doch noch ausgeraubt werden könnte. Daher versteckte er es im Haus seiner Schwester, die nur eine Straße weiter

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um die Ecke wohnte. Nun war er sicher, dass bis zum morgigen Tag nichts geschehen könnte und fuhr bester Dinge mit dem Rest seiner Ware nach Hause. Am nächsten Markttag wollte der streitsüchtige Händler Kuantsu verhöhnen, doch als er in die Stadt kam, erfuhr er von dem nächtlichen Brand eines Hauses. Der Blitz hatte in das Haus seiner Schwester eingeschlagen. Menschen waren nicht zu Schaden gekommen, doch alles war niedergebrannt. Als der Händler mit einiger Verspätung seinen Stand eröffnete, trat Kuantsu an ihn heran und reichte ihm eine Ledertasche, die der Dicke sofort als die seine erkannte. „Jemand hat bei den

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Löscharbeiten einen Krug vor meine Füße geworfen. Das hier war darin.“ Kuantsu lächelte. „Ich glaube, es gehörte einmal dir. Buddha möchte es dir zurückgeben.“

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