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BPMN - Einführung und Einschätzung ENTWURF / DRAFT
©2014 Josef L. Staud
Autor: Josef L. Staud
Inhaltlicher Stand: Februar 2012
Umfang: 71 Seiten
Dieser Text richtet sich an meine Studierenden. Er befindet sich im Ent-wurfsstadium. Der geplante Fertigstellungstermin ist Dezember 2014.
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mungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. Sep-
tember 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich ver-
gütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
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Warenzeichen und Markenschutz
Alle in diesem Text genannten Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Marken, Pro-
duktnamen, usw. unterliegen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem
Schutz bzw. sind Warenzeichen oder eingetragene Warenzeichen der jeweiligen
Inhaber. Die Wiedergabe solcher Namen und Bezeichnungen in diesem Text be-
rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Gesetzgebung zu Warenzeichen und Markenschutz als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Prof. Dr. Josef L. Staud
2 1 Einleitung
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
1 Einleitung
1.1 Um was geht’s?
Die Business Process Modeling Notation (BPMN) wird von ihren Autoren als DIE
Methode zur Prozessmodellierung gesehen. Sie soll die Lücke zwischen einfachen
“Business-Anwendern” und Programmnähe schließen. Überraschenderweise
scheinen sie anzunehmen, dass „einfache Anwender“ Flussdiagramme verwenden
[OMG 2009, S. 11]. Dies ist schon erstaunlich. Die Methoden von außerhalb der
USA scheinen die Autoren nicht zu kennen, nicht mal die doch in Deutschland
und Europa weit verbreiteten Ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK).
Bezeichnungen: BPMN: Business Process Modeling Notation. Ab Version 2.0: Business Process Model and Notation
BPD: Business Process Diagram
Eine Abgrenzung nehmen sie nur vor gegen „web service-based XML execution
languages for Business Process Management (BPM) systems“. Sprachen wie
BPEL4WS, die sie als zu formal ansehen für „business people“.
Ihr Standpunkt ist folgender: “Business people” sind sehr vertraut damit, Ge-
schäftsprozesse in einem “flow-chart format” zu visualisieren – und – es gibt
Tausende von “business analysts”, die mit Hilfe der “flow charts” untersuchen,
wie Unternehmen arbeiten und die damit auch Geschäftsprozesse definieren
[OMG 2009, S. 11].
Dadurch sehen sie eine Lücke und die Motivation für BPML. Denn obiges führt
ihrer Ansicht nach zu einer technologischen Lücke (“technical gap”) zwischen
dem Format der ersten Entwürfe von Geschäftsprozessen und dem Format von
Sprachen wie BPEL4WS, die diese Geschäftsprozesse ausführen. Und genau diese
Lücke wollen sie überbrücken mit einer formalen Sprache, die die geeignete Vi-
sualisierung der Prozesse (“a notation”) auf ein geeignetes “execution format”
(eine „BPM execution language“) abbildet [OMG 2009, S. 11].
Das mit der BPMN verfolgte Ziel ist somit, eine Standardvisualisierungsme-
thode für Geschäftsprozesse zu liefern, die in einer für die “execution” optimierten
“business process language” definiert ist.
Vorgesehene Abdeckung
Die Business Process Modeling Notation soll sich auf Modellierungskonstrukte
konzentrieren, die für Geschäftsprozesse geeignet sind [OMG 2009, S. 12]. Nicht
betrachtet werden sollen insbesondere:
Der Anspruch
1.2 Ziel 3
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Organisationsstrukturen
Funktionen und ihr Aufbau
Datenmodelle
Strategiebetrachtungen
Geschäftsregeln
Dies bedeutet eine starke Einschränkung gegenüber einer sinnvollen und notwen-
digen Abdeckung. Insbesondere dann, wenn die Geschäftsprozessmodellierung
einer Unternehmensmodellierung dienen soll.
1.2 Ziel
Ein Ziel der BPMN-Autoren war Einfachheit, die es aber trotzdem erlauben sollte,
die Komplexität, die Geschäftsprozesse nun mal aufweisen, zu beherrschen [OMG
2009, S. 17]. Dabei ensteht für die Autoren ein Konflikt. Einerseits soll die Me-
thode ermöglichen, komplexe Geschäftsprozesse zu modellieren, andererseits soll
sie die Abbildung auf “BPM execution languages” erlauben. Die Lösung sehen sie
wie folgt:
Erstens durch die Definition einer Menge von “Kernelementen”, die den
Anforderungen an eine einfache Darstellungstechnik genügen. Damit sollen
die meisten Situationen in Geschäftsprozessen bewältigt werden können.
Zweitens durch zusätzliche Elemente, mit denen zusammen anspruchsvollere
Modellierungssituationen bewältigbar sein sollen.
Drittens durch nicht-grafische Elemente. Diese sollen zusätzliche Informatio-
nen liefern, die notwendig sind für eine „execution language“ oder andere
Modellierungsvorhaben.
1.3 Geschäftsprozesse
Wie definieren die BPMN-Autoren Geschäftsprozesse? Im Text finden wir
folgende Definitionsmerkmale (S. 32):
Ein Geschäftsprozess ist eine Aktivität, die in einem Unternehmen (oder einer
Organisation) oder zwischen mehreren ausgeführt wird.
Er besteht aus mehreren Aktivitäten und den Sequenzflussmechanismen, die
sie strukturieren.
Prozesse gibt es auf mehreren Hierarchieebenen. Man kann sie
unternehmensweit definieren oder auch entlang der Aktivitäten einer Person
[OMG 2009, S. 32].
Prozesse auf einem niedrigen Aggregationsniveau (low-level processes), die
zusammen eine Aufgabe erledigen, können gruppiert werden.
Jeder Prozess kann seine eigenen Subprozesse haben und kann in einem Pool
enthalten sein.
Einzelne Prozesse können voneinander unabhängig sein, was den Sequenz-
fluss angeht, aber verbunden durch einen Nachrichtenfluss.
Prozess vs. Geschäftsprozess
Bezüglich der Abgrenzung von Prozessen und Geschäftsprozessen führen die
BPMN-Autoren aus, dass sie den Begriff Prozess ziemlich spezifisch sehen und
4 1 Einleitung
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den des Geschäftsprozesses allgemeiner als eine Menge von Aktivitäten, die in-
nerhalb einer Organisation oder über Organisationen hinweg realisiert werden.
Somit kann ein Geschäftsprozess, wie er in ein Business Process Diagram inte-
griert ist, mehr als einen separaten Prozess enthalten.
1.4 Prozesstypen
Im Rahmen ihrer Typisierung von Geschäftsprozessen sprechen sie von “end-to-
end BPMN model”, in dem sie wie folgt unterscheiden:
Interne Geschäftsprozesse (private (internal) business processes)
Öffentliche Geschäftsprozesse (abstract (public) processes)
Globale Geschäftsprozesse (collaboration (global) processes)
Mit Internen Geschäftsprozessen sind schlicht die gemeint, die innerhalb eines
Unternehmens ablaufen. Da die Zuordnung von Trägern der einzelnen Tätigkeiten
zu den Geschäftsprozessen in der BPMN über die Schwimmbahnentechnik mit
Becken und Bahnen erfolgt (vgl. Kapitel 4), können die BPMN-Autoren auch
definieren, dass die internen Prozesse in einem Becken (pool) ablaufen.
Kommt es zu einer Interaktion (i.d. Regel ist dies ein Informationsfluss, z.B.
eine Rechnung) zwischen einem internen Geschäftsprozess und anderen Prozes-
sen oder Partizipanten, sprechen die BPMN-Autoren von einem öffentlichen Ge-
schäftsprozess. In diesen wird folgendes gepackt:
Die Aktivitäten, die benutzt werden, um mit der Umgebung des privaten
Geschäftsprozesses zu kommunizieren.
Die entsprechenden Sequenzflusselemente.
Alle anderen Aktivitäten des internen Prozesses werden nicht angegeben [OMG
2009, S. 13]. Somit zeigt der öffentliche Prozess der Außenwelt die Folge von
Nachrichten, die notwendig sind, um mit diesem Geschäftsprozess zu interagieren.
Ein Globaler Prozess beschreibt das Zusammenwirken von zwei oder mehr
Geschäftseinheiten (business entities). Die Interaktionen sind eine Folge von Ak-
tivitäten, die den Nachrichtenaustausch zwischen den handelnden Einheiten dar-
stellen. Näheres hierzu und ein Beispiel findet sich unten.
1.5 Diagrammtypen
Folgende Diagrammtypen sollen mit der BPMN modellierbar sein [OMG 2009a,
Seite 14f]:
Hoch aggregierte interne Prozesse
Detaillierte interne Geschäftsprozesse (Istprozesse, Sollprozesse)
Detaillierte interne Geschäftsprozesse mit Interaktionen zu einem externen
Partner oder zu mehreren
Zwei oder mehr detaillierte interne Geschäftsprozesse, die miteinander inter-
agieren
Detaillierte Geschäftsprozesse mit Beziehungen zu einem öffentlichen Pro-
zess
Interne
Geschäftsprozesse
Öffentliche Geschäftsprozesse
Globale Prozesse
1.6 Gruppierung der Elemente 5
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Beziehungen eines detaillierten internen Geschäftsprozesses zu einem globa-
len Prozess
Zwei oder mehr öffentliche Prozesse
Beziehung(en) eines öffentlichen Prozesses zu einem globalen Prozess
Einen globalen Prozess alleine („e.g., ebXML BPSS or RosettaNet“)
Zwei oder mehr detaillierte interne Geschäftsprozesse, die durch einen öffent-
lichen Prozess interagieren
Zwei oder mehr detaillierte interne Geschäftsprozesse, die durch einen globa-
len Prozess interagieren.
Zwei oder mehr detaillierte interne Geschäftsprozesse, die durch ihre abstrak-
ten Prozesse und einen Kollaborationsprozess interagieren.
Ganz nebenbei wird in obiger Liste bzgl. der vertikalen Dimension noch die nahe-
liegende Unterscheidung von
hoch aggregierten Aktivitäten interner Prozesse und
detaillierten internen Geschäftsprozesse
eingeführt. Somit haben wir insgesamt folgende Prozess- und Geschäftsprozessty-
pen in der BPMN:
Hoch aggregierte Aktivitäten interner Prozesse
Interne Geschäftsprozesse
Detaillierte interne Geschäftsprozesse
Öffentliche Geschäftsprozesse
Globale Prozesse
Grenzen
Folgende Grenzen formulieren die BPMN-Autoren für ihre Methode: Falls zu
viele Typen von Submodellen kombiniert werden, z.B. drei oder mehr interne
Prozesse mit Nachrichtenfluss zwischen all diesen, dann könnte die Abbildung zu
schwierig zum Verstehen werden. Deshalb empfehlen sie, sich zu konzentrieren,
z.B. auf einen internen oder einen globalen Prozess [OMG 2009a, Seite 15].
1.6 Gruppierung der Elemente
Die BPMN-Autoren teilen die verwendeten Elemente in vier Gruppen ein:
Flussobjekte (flow objects)
Verknüpfende Objekte (connecting objects)
Schwimmbahnen (swimlanes)
Artifakte (artifacts)
Die Flussobjekte werden noch unterteilt in:
Ereignisse
Aktivitäten
Gateways (Operatoren, vgl. unten)
Als verknüpfende Objekte werden die bezeichnet, mit denen die Flussobjekte
miteinander verknüpft werden können. Dies ist möglich durch:
6 1 Einleitung
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Sequenzfluss
Nachrichtenfluss
Assoziationen
Schwimmbahnen dienen der Gruppierung der Basismodellelemente. Hier wird
unterschieden in
Becken (pools)
Bahnen (lanes)
Artifakte liefern zusätzliche Informationen über den Prozess. Drei werden vorge-
geben, andere können – so die BPMN-Autoren – hinzugefügt werden:
Datenobjekte
Gruppen
Anmerkungen
1.7 Token
Ebenso wie die UML-Autoren nutzen auch die BPMN-Autoren das Token-
Konzept. Wie in [Staud 2010] ausgeführt, dient es dort zur Verdeutlichung des
Kontrollflusses, hier also des Sequenzflusses.
Ein Token durchläuft also die Ablauffolge und die Flussobjekte des Prozesses.
Das Verhalten des Prozesses kann beschrieben werden, indem die einzelnen Pfade
des Tokens durch den Prozess festgehalten werden. Betrachtet man den
Tokenfluss eines konkreten Durchgangs, entsteht so etwas wie eine Instanz des
Geschäftsprozesses.
Ein Token hat eine Identität (TokenID), die benutzt werden kann, um
verschiedene Token zu unterscheiden, die wegen verschiedener Prozessinstanzen
existieren können oder weil der Token für die Parallelverarbeitung in einer
Prozessinstanz aufgeteilt wird. Das parallele Aufteilen eines Token erzeugt ein
„lower level of the TokenId set“. Die Menge aller Ebenen von TokenId
identifiziert einen Token. [OMG 2009a, Seite 36].
Grundsätzlich gilt, dass ein Startereignis einen Token erzeugt, der eventuell bei
einem Schlussereignis verbraucht wird (entweder explizit in der Abbildung ausge-
drückt oder implizit, falls nicht). Der Pfad der Token sollte nachvollziehbar sein
durch das Netzwerk des Sequenzflusses, der Gateways (Operatoren) und Aktivitä-
ten im Prozess. Es darf im Verlauf des normalen Sequenzflusses keine impliziten
Flüsse geben, d.h., es muss immer entweder ein Sequenzfluss da sein oder ein
„graphical indicator“ wie ein Zwischenereignis um alle potentiellen Wege von
Token aufzuzeigen.
Impliziter Fluss
Ein Beispiel eines impliziten Flusses ist, wenn ein Token an einem Gateway (Operator) ankommt, aber
keines der Gates (keine der Bedingungen) gültig ist, denn dann geht der Token (implizit) an das Ende
des Prozesses.
Instanzen
1.7 Token 7
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Token können auch durch Ereignisse mitten im Sequenzfluss (Zwischenereignis-
se, vgl. unten) gesteuert werden, die Ausnahmen erfassen, die wie ein erzwunge-
nes Ende einer Aktivität wirken.
Die BPMN-Autoren merken ausdrücklich an, dass ein Token nicht entlang ei-
nes Nachrichtenflusses „wandern“ kann.
8 2 Einführende Beispiele
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
2 Einführende Beispiele
2.1 Das erste Business Process Diagram
Es sieht am Anfang ganz vertraut aus, wenn man die UML-Methoden (insbeson-
dere Aktivitätsdiagramme) und Ereignisgesteuerte Prozessketten kennt. Es gibt ein
grafisches Element, das Tätigkeiten erfasst, ein Rechteck mit abgerundeten Ecken.
Mit ihm wird erfasst, was in dem Geschäftsprozess konkret getan wird, genauer:
in welche einzelnen Aktivitäten der Geschäftsprozess zerlegt wurde. Dieses Ele-
ment wird hier auch Aktivität genannt.
Abbildung 2.1-1: Darstellung einer Aktivität (Prozess, Subprozess, Aufga-
be)
Es gibt auch eines, das den Kontrollfluss (hier sequence flow, übersetzt mit Se-
quenzfluss) ausdrückt, gerichtete Pfeile, die die einzelnen Aktivitäten verbinden
sowie Start- und Schlussereignisse (Kreis mit dünner bzw. dicker Linie) für den
Anfang und das Endes eines Geschäftsprozesses. Damit können wir bereits eine
erstes natürlich noch sehr schlichtes Prozessmodell erstellen: Eine Folge von Ak-
tivitäten, die – einmal initiiert – nacheinander abgewickelt werden.
Abbildung 2.1-2: Auftragsabwicklung – Variante 1
Natürlich ist das wirkliche „Prozessleben“ nicht so einfach und es fehlt hier auch
noch vieles, was man in der Prozessmodellierung erwartet, aber dies kommt noch.
Die einzelnen Tätigkeiten, in die man den Geschäftsprozess zerlegt hat, werden
von den BPMN-Autoren Aktivitäten (activities) genannt. Mehr dazu in Kapitel 4.
Am meisten vermisst man in obigem Beispiel sicherlich die Entscheidung, ob
der Auftrag überhaupt angenommen wird und das Auffächern der Tätigkeiten in
parallele Pfade, Auftragsabwicklung auf der einen und Zahlungsabwicklung auf
der anderen Seite. Dies ist aber möglich, die dafür nowendigen Operatoren liegen
in der Methode vor.
Was wird getan?
Wo geht’s lang?
Aktivitäten
2.1 Das erste Business Process Diagram 9
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Betrachten wir dazu die folgende Abbildung. In ihr ist obiges BPD etwas aus-
gebaut. Sie ist außerdem mit Nummern in Kreisen versehen (so wie es die Rand-
spalte zeigt). Diese sind nicht Teil der Methode BPMN, sondern dienen nur der
Kennzeichnung für die folgenden Ausführungen.
Wie in der vorigen Abbildung liegt ein Startereignis vor (1), das die Aktivität
Auftragseingang (2) anstößt. Nach diesem folgt eine erste Verzweigung mit einem
Operator (4). Konkret bedeutet dies hier, dass aus einem Sequenzfluss mehrere
werden. Es geht entweder mit dem Sequenzflusszweig Auftrag abgelehnt (5) oder
mit dem Zweig Auftrag akzeptiert (6) weiter.
Diese Operatoren werden von den BPMN-Autoren Gateways genannt. Das
grafische Symbol ist ein auf die Spitze gestelltes Quadrat. Die unten folgende
Abbildung mit dem um die Gateways angereicherten Business Program Diagram
(BPD) enthält mehrere solche Operatoren. Der erste (mit der Nummer 4 in einem
Kreis gekennzeichnet) stellt einen Operator des Typs exklusives Oder dar
(XODER, vgl. [Staud 2006] für eine Beschreibung). Die BPMN-Autoren nennen
ihn exclusive decision. Kurz kann er so beschrieben werden:
Es gibt mehrere weiterführende Pfade nach dem Gateway, nur einer
davon kann aktiv werden.
Der Schrägstrich bei „Akzeptiert“ bedeutet in dieser Modellierungsmethode, dass
der durch ihn markierte Pfad die Voreinstellung ist, was hier nur bedeuten kann,
dass er meistens aktiv wird.
Der Pfad, der die Zurückweisung des Auftrags ausdrückt, führt direkt an das
Ende des Geschäftsprozesses, zu einem Gateway, das mehrere Zweige zusammen-
fasst. Dazu gleich unten mehr.
Im positiven Fall („Akzeptiert“) wird die Aktivität Auftrag ausführen angesto-
ßen. Ist sie ausgeführt, werden zwei Aktivitäten angestoßen, zum einen die Liefe-
rung, zum anderen das Versenden der Rechnung (Rechnung senden). Für eine
solche Situation (quasi paralleles Anstoßen zweier Aktivitäten) wird ein UND-
Gateway verwendet. Es gibt ihn in allen Methoden zur Prozessmodellierung, hier
wird er durch ein Pluszeichen dargestellt. Dieses UND-Gateway bei (7) ist ein
verzweigendes, weiter unten folgt noch ein verknüpfendes.
Oftmals wird in den Beispielen der BPMN-Autoren an einer solchen Stelle auf
ein Operatorsymbol verzichtet (so auch in [OMG 2009a, S. 104, Figure 10.12]).
Dies ist aber nicht sinnvoll. Nach den Erfahrungen des Verfassers führt eine Mo-
dellierung ohne Operatorsymbol zu Unübersichtlichkeit und sollte deshalb ver-
mieden werden. Allerdings war dies auch bei dem Modellelement Aktivitäten der
UML bereits vorgekommen (vgl. die Anmerkungen dazu in [Staud 2010]).
Die Parallelität durch das UND-Gateway bedeutet hier, dass beide weiterfüh-
renden Pfade angestoßen werden und dass die Aktivitäten der beiden Pfade durch-
laufen werden. Hier liegt ja in jedem Pfad jeweils nur eine einzelne Aktivität vor,
es können aber natürlich auch viel mehr sein. „Parallel“ bedeutet hier also nur
Gateways
(Operatoren):
Näher beschrieben in
Kapitel 8
Gabeln / forking
Parallel?
10 2 Einführende Beispiele
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
gleichzeitiges Anstoßen, nicht echte Parallelität der Abläufe. Die beiden Sequenz-
flüsse werden dann, da es in nur einem Sequenzfluss weitergeht, zusammenge-
fasst. Hierfür wird wieder das UND-Gateway genommen (8), da beide Sequenz-
flusszweige ja durch ein UND-Gateway entstanden sind. Dieses UND-Gateway ist
ein zusammenführendes, verknüpfendes.
Am Schluss des Geschäftsprozesses, am rechten Rand der Abbildung, folgt
dann die Zusammenführung der durch ein XODER-Gateway getrennten Flüsse.
Hierfür wird wiederum das XODER-Gateway genommen. Die BPMN-Autoren
nennen dieses Gateway exclusive merging. Dies ist hier im übrigen die Variante
„data based“, neben der es noch die Variante „event based“ gibt. Dazu mehr in
Kapitel 9.
Abbildung 2.1-3: Auftragsabwicklung – Variante 1
Quelle: [OMG 2009a, S. 104, Figure 10.12], Übersetzung
durch den Verfasser
Soweit der erste „vorzeigbare“ Geschäftsprozess als BPD1. Es fehlen ihm aller-
dings noch einige wichtige Komponenten, z.B. die Informationsobjekte, mit denen
er umgeht.
2.2 Jetzt mit Daten
Informationsobjekte aller Art2 auf beliebigen Trägern (digital oder auch nicht)
sind natürlich von großer Bedeutung für jeden Geschäftsprozess, weshalb jede
1 Business Process Diagram 2 Dazu gehören u.a. alle Geschäftsobjekte wie Rechnungen, Lieferscheine, usw., jegliche Koordinie-
rungsinformation (Anfragen, Angebot, Liefermitteilungen) und natürlich die ganz normale Daten-
bank des Unternehmens mit all ihren Datenbeständen.
exclusive decision and
merging
Welche Informationen liegen vor?
2.3 Handelnde - Träger der Aktivitäten 11
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Methode zur Modellierung von Geschäftsprozessen vorsehen muss, sie zu erfas-
sen.
In der BPMN können Informationsobjekte einer Aktivität oder einem Sequenz-
fluss zugeordnet werden. Außerdem können sie in einem eigenen Fluss neben dem
Sequenzfluss dargestellt werden.
In der folgenden Abbildung sind zwei Informationsobjekte eingebaut. Zuerst
der Auftrag, der ins Unternehmen kommt und damit den Geschäftsprozess ja erst
auslöst (1). Er wird ganz einfach der Aktivität Auftragseingang zugewiesen.
Durch die Pfeilspitze wird der Informationsfluss ausgedrückt. Das zweite Informa-
tionsobjekt in diesem Beispiel ist die Rechnung. Sie ist der Aktivität Rechnung
senden zugeordnet (2).
Abbildung 2.2-1: Auftragsabwicklung – Variante 2
Quelle: [OMG 2009a, S. 86], Übersetzung durch den Ver-
fasser
Mehr zu Informationsobjekten in Kapitel 5.
2.3 Handelnde - Träger der Aktivitäten
Für eine Basisausstattung einer Methode zur Prozessmodellierung fehlen jetzt nur
noch die im Geschäftsprozess Handelnden. Diese werden zuerst einmal für die
einzelnen Aktivitäten bestimmt. Möglich sind hier Menschen oder auch Program-
me, mit oder ohne Maschinen3. Für die Zuordnung der Träger von Aktivitäten
haben die BPMN-Autoren die bekannte Schwimmbahnentechnik gewählt. Bei ihr
werden Becken (pools) und Bahnen (lanes) angelegt. Becken erfassen die überge-
ordneten Träger (z.B. ganze Unternehmen), Bahnen die untergeordenten (z.B.
Abteilungen oder Personen auf Stellen). Die folgende Abbildung zeigt das erwei-
terte einführende Beispiel.
Das obere Becken enthält alle Aktivitäten, die durch das hier betrachtete Unter-
nehmen realisiert werden. Es ist weiter unterteilt in zwei Bahnen, eine für die
Abteilung Auftragsbearbeitung, eine für die Abteilung Finanzwesen. Die Aktivitä-
ten sind in der Bahn der Abteilung, die sie realisiert. Der Sequenzfluss geht dann
entsprechend zwischen den Bahnen hin und her.
Der Kunde ist eine eigene handelnde Einheit und wird deshalb in der BPMN
durch ein eigenes Becken dargestellt. Zwischen verschiedenen „handelnden Ein-
heiten“4 gibt es – so der Vorschlag der BPMN-Autoren – keine Sequenzflüsse,
sondern nur Nachrichtenflüsse. Deshalb wurde hier das Verschicken der Rech-
3 Ein Beispiel für eine Aktivität, die evtl. durch ein Programm mit zugehörigen Maschinen erfolgt,
ist eine vollautomatische Lagerentnahme.
4 Das eigene Unternehmen und von diesem ausgehend die Kunden, die Lieferanten, Behörden, usw.
Alle, die mit dem Unternehmen im Rahmen von Geschäftsprozessen zusammenwirken.
Wer tut es?
Mehr zum Thema Nachrichtenflüsse
zwischen Becken findet
sich in Kapitel 4.
12 2 Einführende Beispiele
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
nung zum Kunden als Nachricht modelliert, ebenso die umgekehrte Information
(„Zahlungseingang“).
Abbildung 2.3-1: Auftragsabwicklung – Variante 3
Quelle: Weiterentwickelt von [OMG 2009a, S. 104, Figu-
re 10.12]
Übersetzung durch den Verfasser
2.4 Ein öffentlicher Geschäftsprozess
Öffentliche Geschäftsprozess wurden oben schon kurz vorgestellt. Die BPMN-
Autoren verstehen darunter Geschäftsprozesse, bei denen es zu einer Interaktion
zwischen einem internen Geschäftsprozess und anderen Prozessen oder
Partizipanten kommt. Sie sind immer in einem Pool enthalten.
Erinnerung an die Begrifflichkeit der BPMN-Autoren: - Interne Geschäftsprozesse = private (internal) business processes
- Öffentliche Geschäftsprozesse = abstract (public) processes
2.5 Ein globaler Prozess 13
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
- Globale Geschäftsprozesse = collaboration (global) processes
Wie im vorigen Abschnitt schon ausgeführt, verläuft die Kommunikation mit
externen Partnern in der BPMN nicht als Kontrollfluss, sondern durch Austausch
von Nachrichten. So wie im folgenden Beispiel. Dort ist der Patient als Becken
ohne Aktivitäten dargestellt. Dies ist in der BPMN möglich. Die Nachrichtenflüs-
se zu einem solchen Teilnehmer am Geschäftsprozess enden und starten dann an
der Grenzlinie des Beckens. Ansonsten dürfte das folgende Beispiel selbsterklä-
rend sein.
Abbildung 2.4-1: Kontakt zwischen Arztpraxis und Patient - Version 1
Quelle: [OMG 2009a, S. 13, Figure 7.2]; Übersetzung
durch den Verfasser
2.5 Ein globaler Prozess
In der vorigen Abbildung wurde der öffentliche Prozess nur als Becken repräsen-
tiert. Es ist aber auch möglich, ihn durch Angabe seiner Aktivitäten und des Kont-
rollflusse zu spezifizieren. Dann kann auch das Zusammenwirken zwischen inter-
nem und öffentlichem Prozess durch Nachrichtenverkehr genauer angegeben
werden, als Nachrichtenfluss zwischen einer Aktivität des einen und einer des
anderen Prozesses.
Die folgende Abbildung zeigt, in Anlehnung an das Beispiel oben, diesen aus-
gestalteten Prozess beim Patienten und den Nachrichtenverkehr zwischen einzel-
nen Aktivitäten. zwei oder mehr öffentliche Prozesse, die miteinander kommuni-
zieren Wenn dann - wie hier - zwei oder mehr öffentliche Prozesse miteinander
kommunizieren, sprechen die BPMN-Autoren von einem globalen Prozess. Bei
diesem verlaufen die Nachrichtenflüsse zwischen je zwei Aktivitäten – eine vom
einen, eine vom anderen Prozess.
14 2 Einführende Beispiele
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Abbildung 2.5-1: Kontakt zwischen Arztpraxis und Patient - Version 2
Quelle: [OMG 2009a, S. 14, Figure 7.3];
Übersetzung durch den Verfasser
Soweit die Einführung anhand einiger Beispiele. In den folgenden Kapiteln wer-
den nun die Theorieelemente vertieft und in vollem Umfang vorgestellt.
3.1 Aktivitäten 15
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
3 Tätigkeiten
3.1 Aktivitäten
Wie zu Beginn von Kapitel 2 schon kurz ausgeführt, werden die einzelnen Tätig-
keiten, in die der Gesamtprozess im Rahmen einer Prozessmodellierung zerlegt
wird, in der BPMN mit Aktivität (activity) bezeichnet. Dies hat mit dem gleichna-
migen Begriff aus der UML direkt nichts zu tun. Er entspricht dem, was bei den
Ereignisgesteuerten Prozessketten Funktion genannt wird und bei den UML- Ak-
tivitätsdiagrammen Aktion. Wie auch schon oben angegeben, wird eine BPMN-
Aktivität in den Abbildungen durch ein Rechteck mit abgerundeten Ecken darge-
stellt.
Die BPMN-Autoren definieren wie folgt ([OMG 2009, S. 52], Übersetzung
durch den Verfasser):
Definition: Aktivität
Eine Aktivität ist eine Tätigkeit, die in einem Geschäftsprozess aus-
geführt wird.
Beschreibungsebenen, Aggregationsniveaus, Granularität
Die Unschärfe dieser Definition liegt am Gegenstand. Ein wenig Klärung erfolgt
durch die Festlegung, dass eine Aktivität elementar („atomic“) oder auch nicht
(„non-atomic“) sein kann und durch die Festlegungen der Ebenen, auf denen Ak-
tivitäten angesiedelt sein können. Dies sind drei:
Aufgaben (task)
Subprozesse
Prozesse
Aufgabe
Auf der untersten Ebene sind die Aufgaben angesiedelt, die als „atomar“ (atomic)
bezeichnet werden. Es sind also elementare Tätigkeiten, die im jeweiligen Kontext
nicht weiter unterteilt werden. Die Wortwahl macht die Subjektivität deutlich, die
natürlich erhalten bleibt. Hier die Definition ([OMG 2009, S. 21], Übersetzung
durch den Verfasser):
Definition: Aufgaben
Aufgaben sind elementare Tätigkeiten. Sie werden benutzt, wenn
die Prozesstätigkeiten nicht weiter zerlegt werden sollen.
BPML: Aktivität
EPK: Funktion
AD: Aktion
16 3 Tätigkeiten
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Konkret bedeutet dies wohl keine tayloristische Ebene, aber doch eine, die an
elementaren Aufgaben orientiert ist. Eher also Kalkulation durchführen als Ange-
bot erstellen. Die Beliebigkeit einer solchen Festlegung (vgl. dazu auch [Staud
2010]) wird dadurch allerdings auch nicht überwunden.
Aufgaben werden, genauso wie Aktivitäten und die im nächsten Abschnitt vor-
zustellenden Subprozesse durch Rechtecke mit gerundeten Ecken dargestellt.
Abbildung 3.1-1: Darstellung von Aufgaben und Subprozessen
Kompensationsaktivitäten
Eine besondere Rolle nehmen Kompensationsaktivitäten ein. Sie werden einge-
setzt, wenn die eigentliche Aktivität scheitert und an ihrer Stelle eine andere aus-
geführt werden soll. Ein Beispiel: Eine Transaktion geht schief, als Kompensation
werden Aktivitäten ausgeführt, die den Zustand wieder zurücksetzen. In Abschnitt
6.4, wenn die Ereignisse besprochen sind, folgt dazu die Klärung der Syntax und
Beispiele.
3.2 Subprozesse
Ein Subprozess ist eine zusammengesetzte Tätigkeit, die in einem Prozess enthal-
ten ist. Selbst ist sie aber zerlegbar im jeweiligen Kontext. Hier ist die Definition
wie folgt ([OMG 2009, S. 56], Übersetzung durch den Verfasser):
Definition: Subprozess
Ein Subprozess ist eine zusammengesetzte, zerlegbare Tätigkeit, die
in einem Prozess enthalten ist.
Bei diesem Theorieelement sind von den BPMN-Autoren noch einige Varianten
vorgesehen, die im Folgenden betrachtet werden:
verborgene Subprozese (collapsed Sub-Processes)
entfaltete Subprozesse (expanded Sub-Processes)
eingebettete Subprozesse (embedded (or nested) Sub-Processes)
Verborgene Subprozesse
Bei diesem Element wird – sozusagen – der Subprozess versteckt. Es wird ein
grafisches Element (wie bei Aktivitäten) angegeben und angedeutet, dass in ihm
ein ganzer Subprozess enthalten ist, der aber an dieser Stelle nicht dargestellt wird.
Dies wird zum Beispiel dann benutzt, wenn die Darstellung des Prozessabschnitts
in der aktuellen Abbildung nicht nötig ist oder wenn wirklich hierarchische Pro-
zessstrukturen vorliegen (vgl. unten).
In der grafischen Darstellung wird bei einem solchen Theorieelement zusätzlich
ein Pluszeichen in einem Quadrat am inneren unteren Rand der Grafik eingefügt.
Subprozess-Varianten
3.2 Subprozesse 17
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 3.2-1: Darstellung eines verborgenen Subprozesses (collapsed
sub-process)
Entfalteter Subprozess
Bei einem entfalteten Subprozess dagegen wird im Gegensatz zu obigem Theorie-
element der Subprozess innerhalb des grafischen Symbols aufgezeigt. Dies ist
natürlich nur für kleine Subprozesse möglich.
Die BPMN-Autoren weisen an dieser Stelle darauf hin, dass die Elemente eines
solchen Prozess nicht mit Elementen außerhalb des Subprozesses verknüpft wer-
den können [OMG2009, S. 30].
Das hier angesprochene Problem ist ein vertrautes5. Oftmals möchte man in der
Prozessmodellierung, die ja meist zu grafisch umfangreichen Darstellungen führt,
einzelne Aspekte aus der Darstellung nehmen, um andere dafür deutlicher zu
machen. Dies ist mit diesem Element möglich. Die folgende Abbildung zeigt ein
Beispiel.
Abbildung 3.2-2: Abstrahierte Darstellung eines entfalteten Subprozesses
Die BPMN-Autoren sehen auch vor, dieses Theorieelement für die Darstellung
von Parallelverarbeitung zu benutzen, weil die Darstellung etwas kompakter ist als
mit Gateways (vgl. Kapitel 8). Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel.
5 In Ereignisgesteuerten Prozessketten wird dafür z.B. ein (eingebetteter) Prozesswegweiser ver-
wendet oder einfach in eine Funktionsbeschreibung der ganze Vorgang hineingelegt, z.B. Material
beschaffen, anstatt der dafür notwendigen einzelnen Schritte.
18 3 Tätigkeiten
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 3.2-3: Darstellung von Parallelverarbeitung mit Hilfe eines
entfalteten Subprozesses
Entfaltete Subprozesse sollen keine Start- und Schlussereignise enthalten.
Eingebettete Subprozesse
Ein eingebetteter Subprozess6 ist eine Aktivität, die andere Aktivitäten enthält.
Der Prozess im Prozess ist vom übergeordneten Prozess initiiert. Er kann auf die
globalen Daten der übergeordneten Ebene zugreifen. Für einen solchen Subpro-
zess stehen nicht alle Theorieelemente zur Verfügung. Er darf keine Becken und
Bahnen enthalten, sondern nur Flussobjekte, Verknüpfungselemente und Artifakte
[OMG 2009, S. 58].
3.3 Typen verborgener Subprozesse
In BPMN gibt es verschiedene Arten von verborgenen Subprozessen. Alle werden
durch ein Kennzeichen verdeutlicht.
Subprozesse mit Schleife
Subprozesse mit Parallelverarbeitung
Subprozesse für Ersatzaktivitäten (compensation)
Ad-Hoc – Subprozesse
Die grafische Darstellung der entsprechenden Kennzeichen ist wie folgt (siehe
auch die Abbildungen unten):
Schleife: eine unterbrochene schmale Linie in Kreisform mit Pfeilkopf.
Parallelverarbeitung: drei parallele senkrechte Linien
Ad Hoc: eine Tilde
Ersatzaktivität: zwei nach links zeigende Dreiecke.
Es kann vorkommen, dass ein Subprozess mehrere dieser Merkmale und damit
mehrere dieser Kennzeichen hat. In einem solchen Fall werden alle zu einem Sub-
6 Embedded (or nested) Sub-Process
Verschachtelung
3.3 Typen verborgener Subprozesse 19
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
prozess gehörigen Kennzeichen zusammengestellt und zentriert am inneren unte-
ren Rand des Subprozesssymbols angegeben. Welche Merkmale tatsächlich in
Kombination auftreten können, wird unten betrachtet.
Schleifen
Bei einem Subprozess mit Schleifenkennzeichnung deutet man an, dass die Tätig-
keiten im verborgenen Subprozess Schleifencharakter haben. Eine solche Situati-
on ergibt sich in der Prozessmodellierung tatsächlich sehr oft. Geeignet sind alle
repetitiven Tätigkeiten, bei denen man darauf verzichtet, die „innere Schleife“
ausdrücklich im Geschäftsprozess zu modellieren. Z.B. Befragung durchführen
oder E-Mail - Eingang bearbeiten.
Abbildung 3.3-1: Darstellung eines verborgenen Subprozesses mit Kenn-
zeichen Schleife
Dieser Schleifentyp darf nicht verwechselt werden mit einer Schleife im Ge-
schäftsprozess, die man in den Sequenzfluss einbaut („Rücksprung nach flussauf-
wärts“). In einem solchen Fall wird die Schleife explizit ausgewiesen. Der Wie-
dereinstieg in den Sequenzfluss erfolgt flussaufwärts vor der Stelle, ab der wie-
derholt werden soll. Vgl. hierzu Abschnitt 7.6.
Parallelverarbeitung
Bei einem verborgenen Subprozess mit dem Kennzeichen Parallelverarbeitung
wird deutlich gemacht, dass Aktivitäten parallel ablaufen. Die folgende Abbildung
zeigt ein Beispiel. Stellen wir uns vor, dass – ähnlich wie im Beispiel von Abbil-
dung 3.3-3 - ein Text für ein Fachbuch fertiggestellt ist. Dann folgen Arbeiten, die
quasi parallel erfolgen7, wie Kontrolle der (neuen) Rechtschreibung, prüfen und
ergänzen des Stichwortverzeichnisses, prüfen und ergänzen des Literaturverzeich-
nisses, usw.
Abbildung 3.3-2: Darstellung eines verborgenen Subprozesses mit Paral-
lelverarbeitung
7 In Wirklichkeit erfolgen solche Arbeiten nicht parallel, sondern nacheinander, wobei aber die
Reihenfolge ohne Bedeutung ist. Trotzdem kann es eine innere Struktur geben: Hat man z.B. bei
der Schlussredaktion eines Textes Änderungen, die die Seitennummerierung verändern, müssen
nach diesen auf jeden Fall die Verzeichnisse neu erstellt werden, usw.
20 3 Tätigkeiten
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Subprozess für Ersatzaktivitäten
Nehmen wir folgende Situation an: Eine Aktivität soll im Rahmen des Geschäfts-
prozesses durchgeführt werden. Für den Fall, dass sie schief geht, ist ein Subpro-
zess vorgesehen, der die Dinge wieder in Ordnung bringt. Als Beispiel stellen wir
uns vor, dass eine Überweisung durchzuführen ist und dass im Falle eines Schei-
terns die Daten zurückgesetzt werden müssen.
Abbildung 3.3-3: Darstellung eines verborgenen Subprozesses mit Kenn-
zeichen Compensation
Ad-Hoc – Subprozesse
Für einen Ad-Hoc-Subprozess gilt, dass es zwar eine klar definierte Menge von
Aktivitäten gibt, für diese aber keinen Sequenzfluss. Sei es, dass dieser nicht be-
kannt ist, nicht erhoben werden kann oder soll. Wobei die BPMN-Autoren das
„nicht können“ betonen:
„… and cannot be defined beforehand.” [OMG 2009, S. 128].
In der konkreten Geschäftsprozessrealisierung werden die Aktivitäten dann spon-
tan (in einer spontan realisierten Reihenfolge) abgearbeitet.
Aktivitäten in einem solchen Prozess sind voneinander getrennt. Während der
Prozessausführung können die Aktivitäten beliebig aktiv sein und in beinahe be-
liebiger Reihenfolge und Häufigkeit ausgeführt werden. Dann gilt, dass ein Attri-
but hinzugefügt wird (AdHocOrdering attribute), das angibt, ob die Aktivitäten
parallel oder sequentiell ausgeführt werden müssen. Die Voreinstellung ist paral-
lel. Außerdem gilt, dass dann ein weiteres Attribut angelegt werden muss, die
AdHocCompletionCondition. Dieses gibt an, unter welchen Bedingungen der
Prozess endet.
Die Kennzeichnung von Ad Hoc-Subprozessen erfolgt durch eine Tilde. Ein
Ad-Hoc - Subprozess kann gleichzeitig von jedem anderen Typ sein.
Abbildung 3.3-4: Darstellung eines verborgenen Ad-Hoc - Subprozesses
Die folgende Abbildung zeigt die Darstellung eines entfalteten Ad-Hoc – Subpro-
zesses.
Ersatzhandlung
Attribute
3.3 Typen verborgener Subprozesse 21
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 3.3-5: Darstellung eines entfalteten (expanded) Ad-Hoc - Sub-
prozesses
Quelle: [OMG 2009, Seite 129, Figure 10.55], Überset-
zung durch den Verfasser.
Als Beispiel für Ad-hoc-Prozesse nennen die BPMN-Autoren neben dem Schrei-
ben eines Buchkapitals die Programmentwicklung (auf einer niedrigeren Ebene)
und Verkaufsunterstützung.
Die BPM-Autoren führen aus, dass es für eine “BPM engine” eine Herausfor-
derung darstellt, den Status von Ad-Hoc-Prozessen zu beobachten. Diese Art von
Prozessen wird üblicherweise durch Groupware (groupware applications) unter-
stützt (die UML-Autoren erwähnen E-Mail(!)), was die Situation erschwert. Aber
– so die Autoren – BPMN erlaubt auch das Modellieren von Prozessen, die nicht
unbedingt ausführbar sind und sollte die Mechanismen für die „BPM engines“
liefern, die einem Ad-Hoc-Prozess folgen können. Irgendwann ist dann der Pro-
zess abgeschlossen. Dies wird durch die Prüfung einer Schlussbedingung festge-
stellt, die Prozessattribute abfragt, die durch eine Aktivität des Prozesses aktuali-
siert wurden.
Ein versteckter Subprozess kann neben seiner Kennzeichnung als „versteckt“
nicht nur eine, sondern bis zu drei weitere Kennzeichnungen haben. Dabei sind
alle Kombinationen möglich mit der Ausnahme, dass die gleichzeitige Kennzeich-
nung als Schleife und als parallelverarbeitender Subprozess (Multiple Instance)
nicht möglich ist.
Wiederverwendbarer Subprozess
Ein wiederverwendbarer Subprozess (reuseable sub-process) ist eine Aktivität in
einem Prozess, die einen anderen Prozess aufruft. Der aufgerufene Prozess ist
bezüglich der globalen Daten nicht abhängig vom übergeordneten Prozess des
wiederverwendbaren Subprozesses. Das Objekt mit dem wiederverwendbaren
Prozess kann mit dem aufgerufenen Prozess Daten austauschen. Ein Beispiel fin-
det sich in Figure 9.10 S. 59. Der aufgerufene Prozess existiert in einer eigenen
Abbildung, die mehrere Becken haben kann.
BPM engine
Mehrere
Kennzeichnungen
22 3 Tätigkeiten
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Der aufgerufene Prozess muss durch ein Nicht Startereignis als Subprozess
instantiiert sein. In der nächsten Abbildung ist das die zu Beginn angeführte Kre-
ditanfrage. Um wiederverwendbar zu sein, könnte der Prozess auch als ein Sub-
prozess durch andere unabhängige Subprozesselemente (im selben Diagramm
oder in anderen) instantiiert werden. Zusätzlich kann er durch ein eigenes Starter-
eignis, das einen Auslöser hat, als Top-level – Prozess instantiiert werden. Dies ist
in der nächsten Abbildung durch das Startereignis ausgedrückt.
Abbildung 3.3-6: Ein Prozess, der als Subprozess oder als Top-Level –
Prozess genutzt wird
Quelle: [OMG 2009, S. 61, Figure 9.12], Übersetzung durch
den Verfasser
Referenzierter Subprozess
Es ist möglich, bei der Anlage eines Subprozesses, die Spezifikation eines ande-
ren schon definierten Subprozesses zu nutzen. Dann müssen die Attribute, die das
Verhalten festlegen, nur einmal erzeugt werden und nur an einem Ort gepflegt
werden. Voraussetzung ist aber, dass die zwei Subprozesse genau dasselbe Ver-
halten und dieselben Eigenschaften haben.
3.4 Subprozess als Transaktion
Ein entfalteter oder eingebetteter Subprozess kann als Transaktion gesehen wer-
den, die ein spezielles Verhalten hat, das durch ein Transaktionsprotokoll kontrol-
liert wird. Die Grenzlinie eines solchen Aktivitätssymbols hat eine Doppellinie,
um anzudeuten, dass es sich um eine Transaktion handelt. Die folgende Abbildung
zeigt ein Beispiel.
Aufruf als Subprozess
oder als eigenständiger Prozess
3.4 Subprozess als Transaktion 23
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 3.4-1: Subprozess mit Transaktion
Quelle: Figure 10.33, S. 179
Eine Transaktion wird typischerweise auf drei Arten beendet:
Durch erfolgreichen Abschluss.
Durch einen Fehlschlag.
Durch zufällige die Transaktion beeinträchtigende Ereignisse, die mit Begrif-
fen wie „Zufall / Gefahr / Wagnis / Risiko“ assoziiert werden können.
Der erfolgreiche Abschluss der Transaktion wird als Sequenzfluss angezeigt, der
vom Rand des Transaktionssymbols wegführt. In der Abbildung oben auf der
rechten Seite hin zur Aktivität Käufer belasten. Im obigen Beispiel kommt es zum
erfolgreichen Abschluss, wenn beide Aktivitäten erfolgreich realisiert wurden und
der Sequenzfluss des eingebetteten Prozesse zum Schlussereignis kam.
Wenn eine Transaktion abgebrochen wird, dann muss auf die eine oder andere
Weise der eingebettete Prozess gescheitert sein, d.h. es wurde ein entsprechendes
Zwischenereigniss der Transaktion (im obigen Beispiel ein Fehler-
Zwischenereignis oder ein Abbruch-Zwischenereignis, vgl. den unteren Rand)
angesprochen. Im obigen Beispiel bedeutet dies konkret, dass dann, wenn eines
der Kompensations-Zwischenereignisse eintritt (bei Flug buchen oder bei Hotel
buchen) das Abbruch-Zwischenereignis der Transaktion angesprochen wird. Die-
ses Cancel Intermediate Event, angelegt an der Grenzlinie der Aktivität, steuert
den Fluss, wenn die Transaktion rückabgewickelt wurde und alle Kompensationen
getätigt wurden. Das Abbruch-Zwischenereignis kann nur an der Grenzlinie einer
Beendigung durch erfolgreichen Abschluss
Beendigung durch
Fehlschlag
24 3 Tätigkeiten
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Transaktionsaktivität genutzt werden, nicht im normalen Fluss und nicht bei einer
Aktivität, die nicht Transaktion ist.
Das Fehler-Zwischenereignis der Transaktion, das die Bearbeitung durch den
Kundendienst aktiviert, soll wohl weitere „von außen“ kommende Ereignisse
ansprechen, wie z.B. einen Stromausfall, einen Zusammenbruch der Datenleitung,
usw.
Hier wird eines der Grundkonzepte der BPMN-Autoren deutlich. Die Beein-
flussung von Aktivitäten in einem Prozess wird auch über Ereignisse realisiert, es
gibt einen Ereignisraum des Prozesses, in dem Ereignisse eintreten, die bestimmte
Aktivitäten auslösen, stoppen, usw. Ein ähnliches Konzept liegt, wenn auch weni-
ger deutlich artikuliert, bei Ereignisgesteuerten Prozessketten vor.
Kommt es dann zum Abbruch, werden die Aktivitäten von innerhalb der Trans-
aktion den Abbruchaktionen unterworfen, die eine Rückabwicklung des Prozesses
und einen Ersatz (compensation) für bestimmte Aktivitäten enthalten können.
Grundsätzlich gibt es zwei Mechanismen, die den Abbruch einer Transaktion
signalisieren:
Ein Abbruch-Schlussereignis wird im Transaktions-Subprozess erreicht. Ein
Abbruch-Schlussereignis kann nur in einem Subprozess genutzt werden, der
eine Transaktion ist.
Eine Abbruchnachricht kann über das Transaktionsprotokoll erhalten werden,
das die Ausführung des Subprozesses unterstützt.
Das Verhalten am Ende eines erfolgreichen Transaktions-Subprozesses ist etwas
anders als das eines normalen Subprozesses. Wenn jeder Pfad eines Transaktions-
Subprozesses ein Endereignis erreicht, das keinen Abbruch darstellt, geht der
Fluss nicht sofort zum übergeordneten Elternprozess zurück, wie das ein normaler
Subprozess tut. Zuerst muss das Transaktionsprotokoll sicherstellen, dass alle
Teilnehmer erfolgreich ihr Ende der Transaktion erreicht haben. Meistens wird
dies wahr sein und der Fluss wird dann „nach oben“ gehen zum übergeordneten
Prozess. Aber es kann sein, dass einer der Partizipanten mit einem Problem endet,
das einen Abbruch oder ein Risiko mit sich bringt. In diesem Fall geht der Fluss
zum entsprechenden Zwischenereignis, selbst wenn er offensichtlich erfolgreich
beendet wurde.
Grundkonzept
Ereignisraum
Wirkung eines
Abbruchs
Wirkung der erfolgreichen
Beendigung
3.5 Sequenzfluss zu und von Subprozessen 25
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 3.4-2: Subprozess mit Transaktion – „Collapsed“ (verborgen)
Quelle: Figure 10.34, S. 179
Übersetzung durch den Verfasser
3.5 Sequenzfluss zu und von Subprozessen
Zu einem Subprozess kann Sequenzfluss hinführen. Ein Sequenzflusszweig oder
mehrere, alternativ oder parallel. Dann gibt es im übergeordneten Prozess ein
Element, das auf den Subprozess verweist. Im Subprozess gibt es ein Startereignis.
Falls es mehrere Aufrufe gibt, wird die Beziehung durch ein Attribut (TargetRef)
hergestellt.
Falls ein Subprozess mehrere ankommende Sequenzflüsse hat liegt die Situati-
on vor, die die BPMN-Autoren als unkontrollierten Fluss bezeichnen. Dies
bedeutet: Kommt ein Token auf einer der Kanten an, wird der Subprozess
instantiiert. Es wird nicht auf eventuelle Token der anderen Kanten gewartet.
Kommt dann ein weiterer Token an, auf derselben Kante oder einer anderen, wird
der Subprozess erneut instantiiert.
Muss der Fluss kontrolliert werden, dann sollten die einzelnen Flüsse zu einem
Gateway (Operatoren, vgl. Kapitel 9) zusammengeführt werden, das vor dem
Subprozess angesiedelt ist. Hat ein Subprozess keinen ankommenden Sequenz-
fluss und auch kein Startereignis, dann muss der Subprozess instantiiert werden,
wenn der Prozess instantiiert wird.
Ausnahmen hierzu sind Subprozesse, die als Kompensationsaktivitäten
(compensation activities) deklariert sind, die also einen CompensationMarker
haben. Kompensationssubprozesse sind nicht Teil des normalen Flusses und wer-
den nicht instantiiert, wenn der Prozess instantiiert wird.
Unkontrollierter Fluss
Subprozess als Quelle
26 3 Tätigkeiten
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Von einem Subprozess können Sequenzflüsse weggehen. Für jeden erzeugt der
Subprozess einen Token. Die TokenId wird so angelegt, dass deutlich wird, dass
alle diese Token von derselben parallelen Gabelung stammen und auch so, dass
die Anzahl der parallel existierenden Token deutlich wird.
Hat der Subprozess keinen abgehenden Sequenzfluss und gibt es kein Schluss-
ereignis, dann stellt der Subprozess das Ende eines Pfades oder mehrerer im Pro-
zess dar. Endet der Subprozess, ohne dass andere parallele Pfade aktiv sind, dann
muss der Prozess abgeschlossen (completed) werden. Ausnahmen hiervon sind
wiederum Subprozesse, die als Kompensationsaktivitäten festgelegt sind.
3.6 Nachrichtenflüsse mit Subprozessen
Nur zwischen Becken
Es wird noch mehrfach angesprochen werden, insbesondere in Kapitel 4, die
BPMN-Autoren sehen Nachrichtenflüsse zwischen handelnden Einheiten des
Geschäftsprozesses vor. Allerdings nur zwischen verschiedenen Becken und dort
ersetzen sie die ansonsten üblichen Sequenzflüsse. Die Nachrichtenflüsse können
zu den Grenzen der Becken führen oder zu Flussobjekten innerhalb der Becken-
grenzen. Sie können nicht zwei Elemente im selben Becken verbinden. Diese
Festlegung hilft bei der Klärung der Frage, was die BPMN-Autoren unter Nach-
richten verstehen.
Ein Subprozess kann Ziel eines Nachrichtenflusses sein; er kann keinen, einen
oder mehrere ankommende Nachrichtenflüsse haben. Ein Subprozess kann auch
Quelle eines Nachrichtenflusses sein. Er kann keinen, einen oder mehrere abge-
hende Nachrichtenflüsse haben.
4.1 Becken und Bahnen 27
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
4 Akteure und Nachrichten
Wer tut es?
In jeder Methode zur Prozessmodellierung ist vorgesehen, in den grafischen Dar-
stellungen der Geschäftsprozesse die Träger der einzelnen Tätigkeiten anzugeben,
diejenigen die die Aktivitäten ausführen. Sie sollen hier Akteure genannt werden.
Dies sind, je nach Modellierungsebene, Abteilungen, Stellen oder auch ganze
Unternehmen. In der BPMN wird dafür die im einführenden Beispiel schon kurz
vorgestellte Schwimmbahnentechnik genutzt. Dabei werden alle Aktivitäten eines
Akteurs entlang des Geschäftsprozesses in ein Rechteck gepackt. Dies geschieht
für jeden, so dass typischerweise mehrere langgezogene nebeneinanderliegende
Rechtecke entstehen, die wiederum an Schwimmbahnen in einem Becken erin-
nern. Entsprechend werden in der BPMN die Rechtecke als Becken (pools) be-
zeichnet, die noch in Bahnen (lanes) unterteilt werden können.
4.1 Becken und Bahnen
Becken
Hier nun die Festlegungen der BPMN-Autoren für ihre Schwimmbahnentechnik:
Jedes Becken (pool) repräsentiert einen Teilnehmer am Prozess (so die
Sichtweise), bzw. jeder Teilnehmer am Geschäftsprozess bekommt in der gra-
fischen Darstellung ein Becken.
Ein Becken geht über die gesamte Länge des Geschäftsprozesses.
Ein Becken unterteilt sich in Bahnen (lanes).
Die graphische Darstellung erfolgt als Rechteck, mit abgetrennter Kennzeichnung
an der linken Seite. Vgl. die Abbildung unten sowie die Beispiele im einführenden
Kapitel. Die grafischen Darstellungen der Geschäftsprozesse werden von den
BPMN-Autoren immer waagrecht angeordnet, so dass diese Becken in den meis-
ten Abbildungen auch waagrecht anzufinden sind.
Abbildung 4.1-1: Grafische Darstellung eines Beckens
Abteilungen
Stellen Unternehmen
pool,
lane
28 4 Akteure und Nachrichten
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Die Schwimmbahnentechnik geht immer (allerdings meist unausgesprochen)
davon aus, dass es wenige Träger von Tätigkeiten gibt und dass diese nicht ständig
wechseln. Denn nur dann sind Schwimmbahnen sinnvoll einsetzbar. Die Vorstel-
lung, dass u.U. viele verschiedene Träger der einzelnen Aktivitäten vorliegen oder
dass sich diese im Prozessablauf grundlegend ändern, scheint den BPMN-Autoren
fremd zu sein. Dies ist auch den Formulierungen anzumerken, obwohl einige
Beispiele anderes andeuten, z.B. Figure 9.11 [OMG 2009, S. 60].
Bahnen
Falls bei einem Akteur eine für den Geschäftsprozess wichtige Untergliederung
vorliegt (z.B. in Abteilungen) kann ein Becken noch weiter unterteilt werden in
Bahnen (lanes). Solche Bahnen gehen über die gesamte Länge des Beckens.
Damit kann die organisatorische Zuständigkeit genauer festgelegt werden. Die
Abbildung unten zeigt zwei Becken (Kreditinstitut und Lieferant), wobei Lieferant
noch unterteilt ist in die zwei Bahnen Verkauf und Vertrieb.
Im Zusammenhang mit Bahnen ist folgende Festlegung bzgl. des Sequenzflus-
ses in Business Program Diagrams wichtig:
Der Sequenzfluss kann die Grenze von Bahnen überwinden, niemals aber die von Becken. Hat man also ein Zusammenspiel mehrerer Partizipanten aus verschiedenen Becken (z.B. das eigene Unternehmen einerseits und „den Kunden“ andererseits) muss dieses durch Nachrichtenverkehr gelöst werden.
Damit hat der Nachrichtenfluss hier, in der Methode BPMN, eine größere Bedeu-
tung als in anderen Methoden zur Prozessmodellierung.
4.2 Nachrichtenverkehr
Nachrichtenverkehr ist also nötig für das Zusammenspiel von Akteuren aus ver-
schiedenen Becken. Darüberhinaus legen die BPMN-Autoren fest, dass innerhalb
eines Beckens kein Nachrichtenverkehr erlaubt ist. Da liegt das Konstrukt Se-
quenzfluss vor, um das Zusammenwirken zu beschreiben. Die grafische Darstel-
lung einer Nachricht erfolgt durch einen speziell gestalteten Pfeil:
Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für Nachrichtenverkehr. Der Lieferant
sendet im Rahmen einer Bonitätsprüfung eine Nachricht an ein Kreditinstitut zum
Zwecke der Karten- und Kontenprüfung. Er erhält dann, ebenfalls durch eine
Nachricht, die gewünschte Auskunft. Eine evtl. negative Auskunft und ihre Kon-
sequenzen haben die BPMN-Autoren hier nicht miteingebaut.
Vgl. zur Darstellung
von Bahnen die
Beispiele unten.
Keine Nachrichten
innerhalb eines Beckens
4.2 Nachrichtenverkehr 29
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 4.2-1: Nachrichtenverkehr zwischen Aktivitäten verschiedener
Becken
Quelle: [OMG 2009, S. 113, Figure 9.4], Übersetzung
durch den Verfasser
Die Abbildung enthält u.a. folgende Komponenten: Becken, Bahnen, Aktivitäten mit verborgenen
Subprozessen, Nachrichtenverkehr von Aktivität zu Aktivität, ein Start- und ein Schlussereignis.
Es ist in der BPMN aber auch möglich, den Nachrichtenfluss nur an den Rand des
„empfangenden“ Beckens zu führen. Bei einem solchen Vorgehen modelliert man
bewusst unscharf, man drückt lediglich aus, dass eine Nachricht an den anderen
Akteur geht und präzisiert nicht die konkrete Aktivität zu der die Nachricht gehen
soll. Im Beispiel unten ist dies dargestellt, auch die antwortende Nachricht ist nur
an den Beckenrand geführt.
Nur zum Beckenrand
30 4 Akteure und Nachrichten
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 4.2-2: Nachrichtenverkehr vom und zum Beckenrand
Quelle: [OMG 2009, S. 113, Figure 9.3], Übersetzung
durch den Verfasser
Die Abbildung enthält im wesentlichen einen Nachrichtenverkehr vom und zum Beckenrand.
4.3 Becken, Bahnen und Akteure
Jede einzelne Aktivität benötigt also einen Akteur (Träger der Aktivität), der sie
durchführt. In den Textabschnitten von [OMG 2009] zu Becken (pools) und Bah-
nen (lanes) kann genauer geklärt werden, was die BPMN-Autoren als Akteure (sie
sprechen von Teilnehmern am Geschäftsprozess) ansehen. Zum einen können dies
bestimmte Unternehmenseinheiten (Abteilung, Hauptabteilung, Stelle) wie Fi-
nanzwesen, Beschaffung, Vertrieb, usw. sein, zum anderen abstrakte Rollen wie
Käufer, Verkäufer, Hersteller. Bei der Lektüre des Originaltextes gewinnt man
darüberhinaus den Eindruck, dass die Erfassung der Träger von Aktivitäten auf
Abteilungs- bzw. Partnerebene, nicht auf Stellenebene stattfinden soll.
Bei der Erläuterung von Bahnen zielen die BPMN-Autoren dagegen auf kleine-
re Einheiten. Hier, so führen sie aus, spielen „internal roles“ (Manager,
Associate), Systeme (z.B. Anwendungsprogramme) und auch interne Abteilungen
(z.B. Vertrieb, Finanzwesen, usw.) eine Rolle.
Akteure und damit auch Bahnen können verschachtelt sein. Zum Beispiel kön-
nen übergeordnete Bahnen für die Abteilungen eingerichtet werden und innere
Bahnen für die Rollen (Stellen) in jeder Abteilung. Oben (auch im einführenden
Beispiel) war solch eine Struktur bereits vorhanden. Außerdem können Bahnen
auch in Matrizen definiert werden.
Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für die Verschachtelung von Akteu-
ren. Es geht um Produktentwicklung, Verkäufe an Kunden, evtl. Fehlermeldung
von Kunden und die Reaktionen darauf, alles sehr abstrakt. Der Geschäftsprozess
ist nicht ausgestaltet, er stellt eher eine Sammlung von Methodenkonstrukten dar,
wohl um den deren Einsatz zu demonstrieren.
Becken eher für größere
Einheiten
Bahnen eher für kleinere
Einheiten
Verschachtelung von Akteuren
4.3 Becken, Bahnen und Akteure 31
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Der Kunde ist als eigenes Becken angelegt, ohne Ausdifferenzierung seiner Ge-
schäftsprozesse. Der Lieferant ist durch ein Becken repräsentiert, das auf der ers-
ten Ebene in die Bahnen Entwicklung, Kundendienst, Marketing und Verkauf
unterteilt ist. Alles Abteilungen also. Die Abteilung Marketing ist dann noch un-
terteilt in Nach Verkauf und Vor Verkauf, was wiederum durch Bahnen ausge-
drückt wird.
Entsprechend den obigen Ausführungen haben die BPMN-Autoren die Kontak-
te zwischen Lieferant und Kunde (zwischen zwei verschiedenen Becken also) als
Nachrichtenfluss dargestellt. Betrachten wir die einzelnen Nachrichtenflüsse ge-
nauer:
Ganz links wird durch eine Nachricht von der Aktivität Verkauf an Kunden
zum Becken des Kunden der Verkauf (z.B. der Software) erfasst.
Der nächste Nachrichtenfluss kommt vom Kunden und landet bei einem sog.
Zwischenereignis und enthält wohl eine Fehlerliste.
Abbildung 4.3-1: Verschachtelte Bahnen
Quelle: [OMG 2009, S. 307, Figure 10.125], Übersetzung
durch den Verfasser
32 5 Informationen und ihre Verarbeitung
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
5 Informationen und ihre Verarbeitung
In BPMN werden Daten (data objects) zusammen mit den Konstrukten Group und
Annotation unter dem Stichwort Artifakte zusammengefasst.
5.1 Einführung
Die BPMN-Autoren bezeichnen die im Geschäftsprozess eine Rolle spielenden
Informationen als Datenobjekte. Sie sehen sie wie folgt [OMG 2009, S. 19]:
Datenobjekte liefern Informationen darüber, was der Prozess leistet, wie Do-
kumente, Daten und andere Objekte im Prozess genutzt und aktualisiert wer-
den.
Sie liefern Informationen darüber, was Aktivitäten für ihre Umsetzung benö-
tigen und/oder was sie erzeugen.
Sie haben keinen direkten Einfluss auf den Kontroll- oder Nachrichtenfluss
[OMG 2009, Seite 19].
In der BPMN sind Datenobjekte normalerweise mit Flussobjekten verknüpft (wie
alle Artifakte der BPMN). Die Verknüpfung erfolgt über eine Assoziation. Dies
nicht im Sinne des entsprechenden Begriffs der objektorientierten Theorie (z.B.
der UML), sondern im Sinne einer Verknüpfung von Flussobjekt und Information.
Definition: Assoziation
Eine Assoziation ist eine Verknüpfung zwischen einem Flussobjekt
und einem Datenobjekt.
Manchmal wird das Datenobjekt auch als Informationsfluss von einer Aktivität
zur nächsten an einem Sequenzfluss angegeben. Vgl. hierzu das einführende Bei-
spiel oben. Datenobjekte können auch mit einem Nachrichtenfluss verbunden
werden. Vorgesehen ist auch, dass ein Datenobjekt Input liefert für eine Aktivität
und per Output (nach Verarbeitung) als geändertes Datenobjekt wieder entsteht.
Grafische Darstellung
Ein Datenobjekt wird wie ein Blatt Papier dargestellt, bei dem das in der Drauf-
sicht rechte obere Eck nach vorn gefaltet ist. Es muss mit einer durchgezogenen
schwarzen Linie gezeichnet werden. Vgl. die folgende Abbildung.
data objects = Daten
5.2 Assoziationen 33
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 5.1-1: Darstellung eines Datenobjekts
5.2 Assoziationen
Ganz allgemein wird die Verknüpfung von Text und Nicht-Fluss-Elementen mit
Flussobjekten Assoziation genannt. Dies gilt dann auch für die Verknüpfung von
Datenobjekten mit Flussobjekten. Assoziationen werden als gepunktete Linie
dargestellt, mit oder ohne offener Pfeilspitze. Die folgende Abbildung zeigt ein
Beispiel einer ungerichteten Assoziation, die ein Datenobjekt mit einer Sequenz-
flusskante verbindet.
Abbildung 5.2-1: Assoziation von Datenobjekt mit Sequenzflusskante
Quelle: [OMG 2003a, S. 93], Übersetzung durch den Ver-
fasser
Vgl. die Pfeillinie zum Datenobjekt Rechnung
im einführenden
Beispiel.
34 6 Ereignisse
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
6 Ereignisse
6.1 Ereigniskonzept
Auch wenn Ereignisse in den BPDs nicht so deutlich in Erscheinung treten wie in
anderen Methoden zur Prozessmodellierung haben die BPMN-Autoren, wie die
anderen, die sich an einer Methode zur Prozessmodellierung versuchen, ein Ereig-
niskonzept. Sie definieren wie folgt:
Definition: Ereignis
Ein Ereignis ist etwas, was während des Ablaufs eines Geschäfts-
prozesses geschieht. Ein Ereignis betrifft den Sequenzfluss. Ereig-
nisse zeigen Verzweigungen an. Normalerweise haben Ereignisse
einen Auslöser und eine Wirkung ([OMG 2009, S. 35], Übersetzung
durch den Verfasser).
Die Einschränkung auf Ereignisse, die den Prozessfluss betreffen, ist sinnvoll.
Folgende abstrakten Beispiele für Ereignisse führen sie an (S. 35):
Start einer Aktivität
Ende einer Aktivität
Veränderung eines Dokuments
Nachricht, die eintrifft
Obiges entspricht dem Standard bei der Definition von Ereignissen. Weiter geht
dagegen die folgende Unterscheidung dreier Ereignistypen, die danach erfolgt,
wann die Ereignisse den Fluss beeinflussen:
Startereignisse (start events)
Zwischenereignisse (intermediate events)
Schlussereignisse (end events)
Start- und Zwischenereignisse haben Auslöser (trigger). Schlussereignisse können
Ergebnisse haben, die sich aus dem Geschäftsprozess ergeben.
Grafische Darstellung
Die grundsätzliche grafische Darstellung ist die eines leeren Kreises, in den man
Kennzeichnungen (marker) des konkreten Ereignisses platzieren kann. Dazu
gleich unten mehr.
6.2 Ausdifferenzierung 35
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 6.1-1: Darstellung eines Ereignisses – allgemeine Form
6.2 Ausdifferenzierung
Die Ereignisse werden von den BPMN-Autoren auf vielfältige Weise unterschie-
den und alle diese Unterscheidungen werden auch in der grafischen Darstellung
ausgedrückt.
Der Ausgangspunkt der Differenzierung ist die oben schon eingeführte Unter-
scheidung von Start-, Zwischen- und Schlussereignissen. Ihre grafische Gestaltung
erfolgt mit schwarzen Linien und ist ansonsten wie folgt:
Startereignisse werden mit einer einzelnen dünnen Linie gezeichnet
Zwischenereignisse erhalten zwei dünne Linien
Schlussereignisse werden mit einer dicken Linie gezeichnet
Dazu folgen unten gleich Beispiele. Dann wird danach unterschieden, ob der Aus-
löser des Ereignisses empfangend oder abgebend ist. Zusammen mit der Festle-
gung, dass Startereignisse nur empfangende Auslöser, Schlussereignisse nur abge-
bende Auslöser und Zwischenereignisse beide haben, ergibt sich die Kopfzeile der
folgenden Abbildung.
Die dritte Ausdifferenzierung erfolgt nach den Auslösern der Ereignisse. Hier
gibt es neben der Situation Kein Auslöser („kein bestimmter Auslöser“) noch
folgende weitere:
Nachricht (message). Dies bedeutet, dass von einem Teilnehmer am Prozess
eine Nachricht erwartet oder versendet wird.
Zeitgeber (timer). Mit diesem Kennzeichen kann zum Ausdruck gebracht
werden, dass das Ereignis Zeitaspekte erfasst.
Fehler (error). Dieses Symbol gibt an, dass eine benannte Fehlermeldung
erzeugt wird.
Abbruch (cancel). Durch diese Kennzeichnung entsteht ein Ereignistyp, der
den Geschäftsprozess bzw. den jeweiligen Fluss abbricht.
Kompensation (compensation). Erhält ein Ereignis das Kennzeichen Kompen-
sation (compensation) und wird dieses Ereignis an die Grenzlinie einer Akti-
vität angefügt, muss es auch einen Sequenzflusspfeil zu einer anderen Aktivi-
tät geben. Diese andere Aktivität ist dann im Krisenfall Ersatz für die Aus-
gangsaktivität (die mit dem Kompensationsereignis).
Bedingung (conditional). Für Ereignisse, die durch Bedingungen beschrieben
werden können, z.B. „Lagerbestand ist unter die Nachbestellmarke gefallen“.
Verknüpfung (link). Ein Ereignis mit dem Kennzeichen Verknüpfung (link)
zeigt an, dass zwei Abschnitte eines Prozesses verknüpft werden.
Signal. Gibt an, dass Signale gesendet oder empfangen werden.
Beenden (terminate). Ein Ereignis mit diesem Kennzeichen beendet den Pro-
zess.
Kriterium 1:
Start- / Zwischen- /
Schlussereignis
Kriterium 2: Empfangend oder
Abgebend
Kriterium 3:
Auslöser
36 6 Ereignisse
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Mehrfach (multiple) Das Kennzeichen Mehrfach (multiple) bedeutet, dass
dem Ereignis mehrere Auslöser zugewiesen sind.
Eine ausführliche Beschreibung der Auslöser, auch in Zusammenhang mit den Ereignistypen und der Art des Auslösers, folgt in Kapitel 7.
Für jeden Auslöser außer der Fehlanzeige („Keiner“) gibt es in der grafischen
Darstellung ein Kennzeichen (marker). Für diese gilt: Bei Ereignissen, die emp-
fangen, sind die Kennzeichen nicht gefüllt. Bei Ereignissen, die abgeben, sind sie
gefüllt. In der folgenden Abbildung sind alle Ereignistypen mit ihren grafischen
Darstellungen zusammengestellt.
6.2 Ausdifferenzierung 37
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
38 6 Ereignisse
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 6.2-1: Alle Ereignistypen mit ihren Kennzeichen
In der Abbildung ist auch zu erkennen, dass nicht alle Marker in allen Ereignisty-
pen vorkommen. Dazu unten mehr.
6.3 Startereignisse - allgemein
Startereignisse können die Kennzeichen Kein Auslöser, Nachricht, Zeitgeber,
Bedingung, Signal und Mehrfach besitzen. Ein Startereignis startet den Geschäfts-
prozess. Es kann auch mehrere geben, dazu unten mehr. Folgende Eigenschaften
und Regeln legen die BPMN-Autoren für Startereignisse fest:
Ein Startereignis hat keinen ankommenden Sequenzfluss, nur einen oder
mehrere abgehende.
Nicht auf jeder Modellierungsebene muss ein Startereignis vorhanden sein,
z.B. nicht bei einem „top-level Process“ und nicht bei einem entfalteten Sub-
prozess. Deshalb können die BPMN-Autoren schreiben, dass Startereignisse
optional sind.
Wenn das BPD mehrere Ebenen hat, sind die Startereignisse der Ebenen un-
abhängig voneinander.
Falls ein Prozess komplex ist oder falls die Startbedingungen nicht offensicht-
lich sind, wird empfohlen, ein Startereignis zu nutzen.
Falls ein Schlussereignis vorliegt, muss mindestens ein Startereignis vorlie-
gen.
Falls ein Startereignis genutzt wird, müssen alle anderen Flusselemente (min-
destens) einen ankommenden Sequenzfluss haben. Ausnahmen hierzu sind
die sog. Kompensationsaktivitäten (vgl. Abschnitt 8.5). Eine weitere Aus-
nahme sind Zwischenereignisse, die mit einer Aktivität verknüpft sind (vgl.
den nächsten Abschnitt). Sie haben keinen ankommenden Sequenzfluss.
Implizite Startereignisse
Falls kein Startereignis vorliegt werden beim Start des Prozesses alle Flussobjekte
ohne ankommenden Sequenzfluss gestartet. Dabei wird angenommen, dass es nur
ein implizites Startereignis gibt, was bedeutet, dass alle startenden Flussobjekte
zur selben Zeit starten. Eine Ausnahme sind wiederum die Kompensationsaktivitä-
ten. Sie werden natürlich nicht beim Start eines solchen Prozesses automatisch
auch gestartet. Außerdem gilt, dass das implizite Startereignis keinen Trigger
haben sollte und dass alle Flussobjekte, die keinen ankommenden Sequenzfluss
haben, Startpunkt für jeweils einen parallelen Pfad sind.
Token
Tritt ein Startereignis ein, wird ein neuer Prozess instanziiert und für jeden Se-
quenzfluss, der von diesem Startereignis herkommt, wird ein neuer Token erzeugt.
Mehrere Startereignisse
Die BPMN-Autoren sehen vor, dass ein Geschäftsprozess mehrere Startereignisse
haben kann. Dabei wird für jeden weiteren Fluss ein neuer paralleler Pfad geschaf-
fen. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
Vgl. zu den
Kennzeichen Kapitel 7
Start ohne Startereignis
6.4 Zwischenereignisse – allgemein 39
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Falls mehrere Ereignisse eintreten müssen, bevor ein Prozess startet, dann
müssen diese Startereignisse zur selben Aktivität führen. Die Attribute der
Aktivität legen fest, wann die Aktivität starten kann. Die Startereignisse müs-
sen also sozusagen alle gemeinsam eintreten. Dem entspricht eine UND-
Verknüpfung zwischen den Startereignissen.
Die Startereignisse sind unabhängig voneinander. Dies tritt v.a. bei umfang-
reicheren Geschäftsprozessen auf.
Selbstverständlich können von einem Startereignis auch mehrere Flüsse abgehen.
Im Subprozess
Oben wurde ja schon angemerkt, dass ein Startereignis nicht Ziel des Sequenz-
flussablaufs sein darf. Eine Ausnahme ergibt sich, wenn das Startereignis in einem
entfalteten (expanded) Subprozess benutzt wird und mit der Grenze dieses Sub-
prozesses verbunden wird. In einem solchen Fall kann ein Sequenzfluss vom
übergeordneten Prozess mit diesem Startereignis verbunden sein, statt mit der
aktuellen grafischen Grenze des Subprozesses.
6.4 Zwischenereignisse – allgemein
Zwischenereignisse können alle Kennzeichen besitzen (vgl. die Liste oben und –
ausführlich – Kapitel 7). Sie treten im Sequenzfluss zwischen dem Start- und dem
Schlussereignis auf, geben also Ereignisse an, die zwischen dem Start- und
Schlussereignis eines Prozesses eintreten und prozessrelevant sind. Sie können …
… zeigen, wo in einem Prozess Nachrichten erwartet oder versandt werden
… zeigen, wo in einem Prozess Verzögerungen erwartet werden
… den normalen Fluss durch Ausnahmebehandlung (exception handling)
unterbrechen
… zeigen, wo Ersatzaktivitäten (Kompensationen) benötigt werden
Graphische Darstellung
Die Zwischenereignisse werden mit einer doppelten dünnen schwarzen Linie
gezeichnet. Dies soll ihrer unmittelbaren Erkennbarkeit dienen.
Einsatzgebiete
Wann kommen eigentlich Zwischenereignisse vor? Wird nicht, wie bei Ereignis-
gesteuerten Prozessketten, zwischen zwei Tätigkeiten (dort: Funktionen) jeweils
ein Ereignis gepackt (was die Erledigung der vorangehenden andeutet und den
Start der nächsten signalisiert), gibt es im Sequenzfluss nur folgenden Bedarf an
Ereignissen:
Bei Verzweigungen aller Art, um die verschiedenen weiteren Fortführungen
des Sequenzflusses zu beschreiben. Dies lösen die BPMN-Autoren allerdings
durch Kantenbeschriftungen.
Bei der Einarbeitung von zeitlichen Ereignissen, d.h., beim Einbau von Er-
eignissen, die zeitliche Aspekte ausdrücken.
40 6 Ereignisse
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Beim Empfang und beim Senden von Nachrichten (nach dem Start und vor
dem Ende des Geschäftsprozesses).
Zu Letzterem gehört auch der Nachrichtenversand im Krisenfall (vgl. „Kompensa-
tionen“).
Wie sehen dies nun die BPMN-Autoren? Sie sehen ein Einsatzgebiet für Zwi-
schenereignisse darin, Ausnahmen und Kompensationen zu bewältigen. Dies
geschieht, indem das Zwischenereignis auf die Grenze der Aufgabe (Task) oder
des Subprozesses gesetzt wird. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel. Hier
wird zum einen eine E-Mail-Diskussion moderiert. Zum anderen wird regelmäßig
eine Zusammenfassung der Diskussion erstellt. In der Abbildung wird dafür ein
Zwischenergebnis mit dem Kennzeichen Zeitgeber (vgl. unten) gesetzt. Dieses
gibt an, dass nach 7 Tagen (oder alle 7 Tage) ein Bericht über die Diskussion
erstellt wird.
Abbildung 6.4-1: Zwischenereignis mit Zeitgeber
Anknüpfen an die Grenzlinie von Aktivitäten
Zwischenereignisse können also an die Grenzlinie von Aktivitäten angefügt wer-
den. Dafür gelten folgende Regeln:
Es muss eines der Kennzeichen Nachricht, Zeitgeber, Fehler, Abbruch, Kom-
pensation, Bedingung, Signal oder Mehrfach vorliegen. Nicht vorliegen dür-
fen Kein Auslöser und Verknüpfung.
Das Kennzeichen Abbruch darf nur dann an die Grenze eines Subprozesses
gesetzt werden, falls der Subprozess eine Transaktion ist (vgl. unten), falls al-
so das IsATransaction-Attribut des Subprozesses auf TRUE gesetzt ist).
Das Zwischenereignis darf nicht Ziel eines Sequenzflusses sein.
Das Zwischenereignis muss Quelle genau eines Sequenzflusses sein.
Zum letztgenannten Punkt gibt es eine Ausnahme: Ein Zwischenereignis mit ei-
nem Kompensationsauslöser darf keinen wegführenden Sequenzfluss haben. Es
kann aber eine wegführende Assoziation haben.
Verknüpfung im Sequenzfluss
Zwischenereignisse können auch im normalen Fluss eingesetzt werden. Dabei
dürfen folgende Kennzeichen benutzt werden: Kein Auslöser, Nachricht, Zeitge-
Ausnahmen und
Kompensationen bewältigen
6.5 Schlussereignisse - allgemein 41
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ber, Kompensation, Bedingung, Verknüpfung und Signal. Nicht benutzt werden
dürfen also Fehler, Abbruch und Mehrfach.
Folgende Regeln gelten hier:
Zwischenereignisse der Typen Kein Auslöser und Kompensation müssen das
Ziel eines Sequenzflusses sein. Sie müssen genau einen ankommenden Fluss
haben.
Zwischenereignisse der folgenden Typen dürfen Ziel eines Flusses sein:
Nachricht, Zeitgeber, Bedingung, Verknüpfung und Signal. Sie dürfen genau
einen ankommenden Fluss haben. Diese Zwischenereignistypen sind immer
bereit, die Ereignisauslöser zu akzeptieren (einmal), solange der Prozess, in
dem sie enthalten sind, aktiv ist. Sie sind nicht optional, sie sollten während
der Ausführung des Prozesses ausgelöst werden.
Ein Zwischenereignis muss Quelle eines Sequenzflusses sein; es muss einen
(und genau einen) abgehenden Sequenzfluss haben.
Ein Zwischenereignis mit dem Kennzeichen Nachricht kann das Ziel oder die
Quelle eines Nachrichtenflusses sein, allerdings nicht beides gleichzeitig.
Token bei Zwischenereignissen
Kommt ein Token bei einem Zwischenereignis an, das im normalen Fluss einge-
ordnet ist, geschieht folgendes: Wird das Ereignis genutzt, um den Ereignisauslö-
ser abzugeben, dann erfolgt die Auslösung unmittelbar (z.B. indem die Nachricht
verschickt wird) und der Token geht weiter im Fluss. Wird das Ereignis genutzt,
um den Ereignisauslöser zu empfangen, dann bleibt der Token bis der Auslöser
erscheint (z.B. die Nachricht angekommen ist). Danach bewegt sich der Token
weiter.
Damit stellt ein solches Zwischenereignis im “empfangenden Fall” eine Warte-
position dar. Der Geschäftsprozess steht solange, bis das Ereignis eintritt.
6.5 Schlussereignisse - allgemein
Schlussereignisse gibt es für die Kennzeichen Kein Auslöser, Nachricht, Fehler,
Abbruch, Kompensation, Signal, Beenden und Mehrfach. Sie haben nur ankom-
mende Sequenzflusskanten. Die graphische Darstellung erfolgt mit einer dicken
schwarzen Linie.
Folgende Regeln definieren die BPMN-Autoren für Schlussereignisse:
Ein Schlussereignis muss das Ziel eines Sequenzflusses sein.
Ein Schlussereignis kann mehrere ankommende Sequenzflüsse haben.
Die Flüsse können von alternativen oder parallelen Pfaden stammen.
Als Modellierungskonvention wird empfohlen, dass jeder Pfad zu einem
eigenen Schlussereignis führt.
Auf einer Prozessebene kann es mehrere Schlussereignisse eines Prozesses
geben.
Der Einsatz von Schlussereignissen ist optional. Eine bestimmte Prozessebene
– ein top-level Prozess oder ein entfalteter (expanded) Subprozess muss kei-
nes haben.
Regeln für
Schlussereignisse
42 6 Ereignisse
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Falls keines genutzt wird, sollte das implizite Schlussereignis für den Prozess
kein Ergebnis haben.
Falls ein Schlussereignis genutzt wird, darf es keine anderen Flusselemente geben,
die keine abgehenden Flüsse haben, d.h., alle anderen Flussobjekte müssen Quelle
von mindestens einem Sequenzfluss sein. Ausnahmen stellen wieder die Kompen-
sationsaktivitäten dar. Diese dürfen keinen abgehenden Sequenzfluss haben.
Ein Schlussereignis darf nicht Ziel oder Quelle eines Nachrichtenflusses sein.
Eine Ausnahme ergibt sich, falls das Schlussereignis in einem entfalteten Subpro-
zess genutzt und an die Grenze dieses Subprozesses angefügt wird. In diesem Fall
kann der Sequenzfluss von diesem Schlussereignis zu einem Sequenzfluss des
übergeordneten Prozesses führen, anstatt dass dieser mit der aktuellen Grenze des
Subprozesses verbunden ist.
Falls in einem BPD kein Schlussereignis genutzt wird, dann markieren alle
Flussobjekte, die keinen abgehenden Sequenzfluss haben, das Ende eines Pfades
in dem Prozess. Jedoch darf der Prozess erst enden, wenn alle parallelen Pfade
vollständig realisiert wurden. Ausnahmen hierzu sind wie Kompensationsaktivitä-
ten.
Token
Token, die nach ihrer „Wanderung“ durch den Geschäftsprozess bei einem
Schlussereignis ankommen, gelten als verbraucht. Solange nicht alle im Prozess
erzeugten Token auf diese Weise verbraucht wurden, ist der Prozess noch aktiv.
Obiges gibt einen wichtigen Hinweis auf das Prozessverständnis der BPMN-
Autoren. Ein Geschäftsprozess hat u.U. mehrere aktive Bereiche, die eine gewisse
Unabhängigkeit voneinander haben. In einer Standardprozessmodellierung, bei
der typischerweise nicht an die Umsetzung in ein Programm oder System gedacht
wird, hat ein Geschäftsprozess einen (u.U. tief verzweigenden) Sequenzfluss, der
startet und irgendwann später endet.
Bei Prozessen ohne Schlussereignis wird ein Token, der ein Flussobjekt am
Ende eines Flusses erreicht, verbraucht, wenn der Pfad abgearbeitet ist. Falls die
ankommenden Flüsse parallel sind, werden sie verbraucht, wenn sie ankommen.
Falls der Prozess ein Subprozess ist, kann er auch durch ein „unterbrechendes“
(interrupting) Zwischenereigniss vor dem normalen Abschluss beendet werden. In
einem solchen Fall werden die Token durch das Zwischenereignis verbraucht.
Schlussereignisse und
Nachrichten
„Implizite“ Lösung
Prozessverständnis
7.1 Kein Auslöser 43
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7 Ereignistypen
Ereignistyp: Ereignis + Kennzeichen
Oben wurden die Kennzeichen (marker) schon vorgestellt, hier nun eine Beschrei-
bung im Gesamtzusammenhang, also mit Berücksichtigung der drei möglichen
Positionen im Sequenzfluss (Start-, Zwischen-, Schlussereignis) und der Eigen-
schaft „empfangend / abgebend“. Durch die Zuweisung von Kennzeichen zu Er-
eignissen entstehen Ereignistypen, so die Wortwahl der BPMN-Autoren.
7.1 Kein Auslöser
Falls man kein Kennzeichen angibt, wählt man das Ereignissymbol ohne Inhalt.
Dies bedeutet, dass die nach dem Ereignis folgende Tätigkeit gestartet wird, ohne
dass ein spezifischer Grund angegeben wird. Ein solches Startereignis ohne Kenn-
zeichen wird auch für Subprozesse verwendet, die starten, wenn sie durch den
übergeordneten Prozess angestoßen werden.
Abbildung 7.1-1: Ereignisse ohne Kennzeichen
Diesen Ereignistyp gibt es in allen vier Varianten. Die Bedeutung ist wie folgt:
Bei Startereignissen: Start des Geschäftsprozesses ohne explizite Angabe des
Grundes.
Bei empfangenden Zwischenereignissen: Ein weiterer Startpunkt liegt vor.
Bei abgebenden Zwischenereignissen: Eine weitere Initiierung erfolgt.
Bei Schlussereignissen: Beendigung des jeweiligen Sequenzflusszweiges. Es
wird auch benutzt, um das Ende eines Subprozesses anzuzeigen, durch den
der Fluss zurück zum übergeordneten Prozess geht.
Das grafische Element für empfangende und abgebende Zwischenereignisse ist
gleich.
Start ohne besonderen
Grund
44 7 Ereignistypen
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7.2 Nachricht
Die Kennzeichnung Nachricht (message) bedeutet, dass von einem Teilnehmer am
Prozess eine Nachricht erwartet oder versendet wird:
Bei Startereignissen bedeutet dies, dass durch die Nachricht der Prozess ge-
startet wird.
Bei empfangenden Zwischenereignissen, dass eine Nachricht eintrifft und das
Ereignis auslöst. Typischerweise war der Prozess also angehalten und wartete
auf eine Nachricht.
Bei abgebenden Zwischenereignissen, dass eine Nachricht zu einem Prozess-
teilnehmer geschickt wird.
Bei einem Schlussereignis, dass bei der Beendigung des Sequenzflusszweiges
eine Nachricht an einen Prozessteilnehmer geschickt wird.
Abbildung 7.2-1: Ereignistyp und Marker Nachrichten
7.3 Zeitgeber
Mit diesem Kennzeichen kann zum Ausdruck gebracht werden, dass das Ereignis
Zeitaspekte erfasst. Dabei sind feste Zeit- und Datumsangaben möglich („nach
sieben Tagen“) sowie auch Zyklen („Monatsende“). Ein Beispiel ist in Abbildung
6.4-1 angegeben. Diese „Kennzeichnung“ gibt es nur für empfangende Ereignisse.
Abbildung 7.3-1: Ereignistyp und Marker Zeitgeber
Bedeutung des Kennzeichens bzw. der Ereignistypen:
Bei Startereignissen für die Klärung der Zeitaspekte zum Start des Prozesses.
Bei empfangenden Zwischenereignissen: Für die Klärung von Zeitaspekten.
Falls es im Hauptfluss benutzt wird, kann es als Verzögerungsmechanismus
genutzt werden. Falls es benutzt wird, um Ausnahmesituationen zu beschrei-
ben, ändert es den normalen Fluss in einen Ausnahmefluss.
7.4 Fehler
Dieses Symbol gibt an, dass eine benannte Fehlermeldung erzeugt wird. Es darf
nur für empfangende Zwischenereignisse und Schlussereignisse genutzt werden.
7.5 Abbruch 45
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Abbildung 7.4-1: Ereignistyp und Marker Fehler
Bedeutung des Kennzeichens bzw. der Ereignistypen:
Bei empfangenden Zwischenereignissen wird es benutzt, um eine Fehlermel-
dung einer Aktivität zu empfangen. In der Grafik kann es nur mit dem Rand
der Aktivität verbunden werden.
Bei Schlussereignissen bedeutet dieses Kennzeichen, dass am Prozessende ein
benannter Fehler erzeugt werden soll.
Die Vorstellung der BPMN-Autoren ist diesbezüglich wie folgt: Die Fehlermel-
dung wird von dem Fehler-Zwischenereignis empfangen, das auf der Grenzlinie
der am nahesten liegenden umfassenden Elternaktivität liegt.
7.5 Abbruch
Durch diese Kennzeichnung entsteht ein Ereignistyp, der den Geschäftsprozess
bzw. den jeweiligen Fluss abbricht. Er wird nur in besonderen Situationen einge-
setzt (vgl. unten). Diese „Kennzeichnung“ gibt es für empfangende Zwischener-
eignisse und für Schlussereignisse.
Abbildung 7.5-1: Ereignistyp und Marker Abbruch
Bei empfangenden Zwischenereignissen wird dieser Ereignistyp für Transaktions-
Subprozesse genutzt. Das Ereignis wird an die Grenzlinie des Subprozesses ange-
fügt. Es wird ausgelöst, wenn ein Abbruch-Schlussereignis im Transaktions-
Subprozess erreicht wird. Es soll außerdem auch ausgelöst werden, wenn während
der Ausführung der Transaktion eine Abbruchnachricht im Transaktionsprotokoll
erreicht wurde, d.h., wenn sozusagen der Transaktions-Subprozess signalisiert,
dass keine vollständige Abarbeitung (kein korrektes Ende) erreicht wurde.
Dieser Ereignistyp wird in Transaktions-Subprozessen benutzt. Er zeigt an,
dass die Transaktion abgebrochen werden soll und löst ein Fehler-
Zwischenereignis aus, das an der Grenzlinie des Subprozesses angefügt ist. Zu-
sätzlich zeigt es an, dass eine Abbruchnachricht des Transaktionsprotokolls an alle
Bei empfangenden Zwischenereignissen
Bei Schlussereignissen
46 7 Ereignistypen
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Entities (so die Wortwahl der BPMN-Autoren) geschickt werden soll, die an der
Transaktion beteiligt sind.
7.6 Kompensation
Erhält ein Ereignis das Kennzeichen Kompensation (compensation) und wird
dieses Ereignis an die Grenzlinie einer Aktivität angefügt, muss es auch einen
Sequenzflusspfeil zu einer anderen Aktivität geben, der sogenannten Kompensati-
onsaktivität. Diese ist dann im Krisenfall Ersatz für die Ausgangsaktivität (die mit
dem Kompensationsereignis). Kompensationsaktivitäten dürfen keinen ankom-
menden Sequenzfluss haben, selbst wenn ein Startereignis auf der Prozessebene
vorhanden ist. Diese Kennzeichnung gibt es für Zwischen- und Schlussereignisse.
Abbildung 7.6-1: Ereignistyp und Marker Kompensation
Bedeutung des Kennzeichens bzw. der Ereignistypen:
Bei empfangenden Zwischenereignissen wird dieser Ereignistyp für Ersatzak-
tivitäten (Kompensationen) benutzt, zur Aktivierung und zur Ausführung.
Im normalen Fluss (bei abgebenden Zwischenereignissen) bedeutet es, dass
eine Kompensation nötig ist.
In diesem Fall ist das Kompensationsereignis „abgebend“ (throw) und das Kenn-
zeichen muss gefüllt sein. Falls das Ereignis eine Aktivität identifiziert, ist das die
zu ersetzende. Ist keine Aktivität identifiziert, wird die Kompensation ausgedehnt
auf alle Aktivitäten, die innerhalb der Prozessinstanz realisiert wurden, einschließ-
lich des obersten Prozesses (top-level process) und einschließlich aller Subprozes-
se. Jede realisierte Aktivität, die Gegenstand der Kompensation ist, wird in umge-
kehrter Reihenfolge gegenüber der ursprünglichen Realisierung kompensiert. Um
kompensiert zu werden, muss ein Kompensationszwischenereignis an seiner
Grenzlinie sein.
Wenn es an die Grenzlinie einer Aktivität angefügt wird (als abgebendes
Zwischenereignis), dann wird das Ereignis durch eine „abgegebene Kompen-
sation“, die die Aktivität identifiziert oder durch eine Broadcast-
Kompensation ausgelöst.
Wenn das Ereignis ausgelöst wird (das Kompensationsereignis also empfan-
gen wird), dann wird die Kompensationsaktivität, die mit dem Ereignis ver-
knüpft ist, ausgeführt.
Bei Schlussereignissen bedeutet dieses Kennzeichen, dass am Ende eine Kompen-
sation notwendig ist. Falls eine Aktivität identifiziert wird, ist das die zu kompen-
7.7 Bedingung 47
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sierende Aktivität. Ist keine Aktivität identifiziert, werden alle Aktivitäten, die im
Prozess durchgeführt wurden, beginnend mit der obersten Ebene und alle Subpro-
zesse umfassend, kompensiert – in umgekehrter Reihenfolge.
7.7 Bedingung
Dieser Ereignistyp wird ausgelöst, falls eine bestimmte Bedingung erfüllt ist, z.B.
„Lagerbestand ist unter die Nachbestellmarke gefallen“. Die Bedingung für das
Ereignis muss falsch und dann wieder wahr werden, bevor das Ereignis wieder
ausgelöst werden kann. Diese Kennzeichnung gibt es nur bei empfangenden Er-
eignissen.
Abbildung 7.7-1: Ereignistyp und Marker Bedingung
Bedeutung des Kennzeichens bzw. der Ereignistypen:
Bei Startereignissen wird der Prozess nur gestartet, falls die Bedingung erfüllt
ist.
Bei empfangenden Zwischenereignissen bedeutet es, dass es im Sequenzfluss
erst weiter geht, wenn die Bedingung erfüllt ist.
7.8 Verknüpfung
Ein Ereignis mit dem Kennzeichen Verknüpfung (link) zeigt an, dass zwei Ab-
schnitte eines Prozesses verknüpft werden. Z.B. für Schleifen oder um sehr lange
Sequenzflusslinien zu vermeiden. Sie dürfen nicht ebenenübergreifend verwendet
werden, sondern jeweils nur auf einer Modellierungsebene. Mit jeweils zwei sol-
chen Zwischenereignissen können somit auch Prozessfragmente verknüpft wer-
den, die über mehrere Seiten gedruckt werden müssen.
Es kann mehrere Quell-Verknüpfungsereignisse geben, aber nur ein Ziel-
Verknüpfungsereignis. Wird das Kennzeichen benutzt, um zu empfangen (von den
Quell-Verknüpfern), bleibt das Kennzeichen unbefüllt. Wird es benutzt, um zum
Zielverknüpfer abzugeben, wird das Kennzeichen gefüllt. Diese Kennzeichnung
gibt es für Zwischenereignisse.
Nur auf derselben Ebene
48 7 Ereignistypen
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Abbildung 7.8-1: Ereignistyp und MarkerVerknüpfung
7.9 Signal
Dieser Ereignistyp wird verwendet, um Signale zu senden oder zu empfangen. Es
gibt ihn für alle vier Ereignistypen.
Abbildung 7.9-1: Ereignistyp und Marker Signal
Bedeutung des Kennzeichens bzw. der Ereignistypen:
Bei Startereignissen: der Prozess wird durch das Signal gestartet.
Bei empfangenden Zwischenereignissen im normalen Fluss: ein Signal kann
empfangen werden.
Bei abgebenden Zwischenereignissen im normalen Fluss: ein Signal kann
gesendet werden.
Bei Schlussereignissen: Nach Beendigung des Prozesses wird ein Signal
ausgesandt. Dies kann über Prozessebenen hinaus und über Becken hinweg
geschehen.
Obiges zeigt, dass ein Signal zur Kommunikation verwendet werden kann, inner-
halb einer Prozessebene und über Prozessebenen hinweg. Wenn es ausgelöst wird,
ist es „für alle“ erkennbar. Es gibt also eine Quelle, aber kein bestimmtes Ziel.
Dies unterscheidet Signale von Nachrichten, die eine spezifische Quelle und ein
bestimmtes Ziel haben.
Ähnlich wie ein Fehlerereignis führt ein Signalereignis zu einem Abbruch von
Aktivitäten. Der Unterschied liegt darin, dass das Signalereignis eine allgemeine-
re, nicht unbedingt von einem Fehler herrührende Bedingung definiert, wie z.B.
den erfolgreichen Abschluss einer anderen Aktivität.
Wird der Ereignistyp dazu benutzt, das Signal zu empfangen, bleibt das Kenn-
zeichen ungefüllt. Gibt er das Signal ab, wird er gefüllt. Mehrere Prozesse können
Startereignisse haben, die vom selben „Breitband“-Signal ausgelöst werden.
Signal
vs.
Nachricht
7.10 Beenden 49
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7.10 Beenden
Ein Ereignis mit dem Kennzeichen Beenden beendet den Prozess. Dabei werden
alle Aktivitäten im Prozess unmittelbar beendet. Dies umfasst auch alle Instanzen
von Mehrfachinstanzen. Der Prozess wird ohne Kompensation oder Handlungen
durch Ereignisse beeendet. Diese Kennzeichnung gibt es nur für Schlussereignis-
se.
Abbildung 7.10-1: Ereignistyp und Marker Beenden
7.11 Mehrfach
Das Kennzeichen Mehrfach (multiple) bedeutet, dass dem Ereignis mehrere Aus-
löser zugewiesen sind. Es ist in allen vier Konstellationen einsetzbar.
Abbildung 7.11-1: Ereignistyp und Marker Mehrfach
Im normalen Fluss kann das Ereignis den Auslöser abgeben oder die Auslöser
empfangen. Auf die Grenzlinie einer Aktivität gesetzt, kann das Ereignis den
Auslöser nur empfangen. Das Kennzeichen bleibt dann unbefüllt. Wenn es benutzt
wird, um den Auslöser abzugeben, geschieht dies für alle zugewiesenen Auslöser
und das Kennzeichen wird gefüllt.
Bei Schlussereignissen bedeutet dieses Kennzeichen, dass die Beendigung des
Prozesses mehrere Konsequenzen hat. Alle werden deutlich, z.B., wenn mehrere
Nachrichten zu senden sind. In den Attributen des Schlussereignisses ist festge-
legt, welche der anderen Ergebnisse Gültigkeit gewinnen.
50 8 Kontrollfluss - Sequenzfluss
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8 Kontrollfluss - Sequenzfluss
8.1 Einführung
Geschäftsprozesse haben einen Kontrollfluss. Er gibt die Ablaufstruktur an und
ohne ihn gibt es keine Erfassung, Durchdringung und Modellierung. Die Autoren
von [OMG 2009a] bevorzugen allerdings, wie oben schon ausgeführt, den Begriff
sequence flow (hier mit Sequenzfluss übersetzt) gegenüber control flow und defi-
nieren wie folgt:
Definition: Sequenzfluss (sequence flow)
Der Sequenzfluss zeigt die Abfolge, in der Aktivitäten im Prozess
abgearbeitet werden8.
([OMG 2009, S. 97], übersetzt vom Verfasser).
Folgende Begründung geben die BPMN-Autoren dafür, dass sie nicht den Begriff
Kontrollfluss verwenden:
BPMN does not use the term “Control Flow” when referring to the
lines represented by Sequence Flow or Message Flow. The start of
an activity is “controlled” not only by Sequence Flow (the order of
activities), but also by Message Flow (a message arriving), as well
as other process factors, such as scheduled resources. Artifacts can
be associated with activities to show some of these other factors.
Thus, we are using a more specific term, “Sequence Flow,” since
these lines mainly illustrate the sequence that activities will be per-
formed. [OMG 2009, S. 98]
Es ist also die Bedeutung des Nachrichtenflusses und anderer „steuernder Elemen-
te“, die zu dieser Festlegung führten.
Jeder Fluss hat nur eine Quelle und nur ein Ziel. Quelle und Ziel sind entweder
Ereignisse (Start-, Zwischen-, Endereignisse), Aktivitäten (Aufgabe und
Subprozess) oder Operatoren (hier Gateways genannt).
8.2 Flüsse
Die BPMN-Autoren unterscheiden verschiedene Arten von Flüssen:
Normaler Sequenzfluss
Verknüpfungen
Ad Hoc (kein Fluss)
8 “A Sequence Flow is used to show the order that activities will be performed in a Process.” [OMG
2009, S. 19]
8.2 Flüsse 51
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Unkontrollierter Fluss
Fluss mit Bedingungen
Voreingestellter Fluss
Flüsse für Ausnahmen
Normaler Sequenzfluss
Damit ist der ganz normale Sequenzfluss gemeint, vom Startereignis über die
Aktivitäten hin zu einem Schlussereignis. Er wird grafisch wie oben schon ge-
zeigt, durch eine Linie mit gefülltem Pfeilkopf dargestellt.
Abbildung 8.2-1: Darstellung einer Sequenzflusskante
Unkontrollierter Fluss
Als unkontrollierten Fluss bezeichnen die BPMN-Autoren eine Sequenzflusskan-
te, die keinen Bedingungen unterliegt, da sie keinen Operator passiert. Der ein-
fachste Fall ist eine Sequenzflusskante, die schlicht zwei Aktiväten verbindet, wie
in der obigen Abbildung. Damit ist aber auch die Situation gemeint, wenn mehrere
Sequenzflusskanten ohne Operator zu einer Aktivität hinkommen oder wegführen.
Das Tokenkonzept sieht hier vor, dass für jeden unkontrollierten Sequenzfluss
ein Token vom Quell- zum Zielobjekt fließt. Die grafische Darstellung ist wie
oben gezeigt.
Fluss mit Bedingungen
Ein Sequenzfluss kann Bedingungen haben, die zur Laufzeit(!) (des Prozesses)
überprüft werden, um zu bestimmen, ob der Zweig aktiv wird/genutzt wird.
Kommt der Zweig von einer Aktivität, erhält er eine kleine Raute am Anfang der
Linie. Vgl. die folgende Abbildung.
Abbildung 8.2-2: Darstellung eines Flusses mit Bedingung
Kommt der Zweig von einem Operator (gateway, vgl. unten), erhält er keine Rau-
te. Dann wird also die ganz normale Pfeildarstellung genommen, wie oben ge-
zeigt.
Voreingestellter Fluss
Für datenbasierte Exklusiv-Oder-Entscheidungen oder für inklusive Entscheidun-
gen (mehr zu Beidem unten) gibt es einen weiteren Sequenzflusstyp, den vorein-
gestellten Fluss. Dieser wird nur benutzt, wenn die anderen zur Laufzeit (wört-
lich!) keine Gültigkeit erlangen. Bei diesen Sequenzflusskanten wird ein umge-
kehrter Schrägstrich am Beginn der Linie eingefügt.
Fluss ohne Bedingungen
Token
52 8 Kontrollfluss - Sequenzfluss
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 8.2-3: Darstellung eines voreingestellten Flusses
Flüsse für Ausnahmen
Bei diesem Flusstyp geht es darum, Ausnahmen zu verarbeiten. Er tritt außerhalb
des normalen Flusses auf. Die grafische Darstellung erfolgt durch ein Zwischener-
eignis, das bei einer Aktivität platziert wird. Tritt dieses Ereignis ein, gibt eine
Pfeillinie an, welche Aktivität dann angestoßen wird.
Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel: Die Aktivität sei ein Rechenzent-
rumsbetrieb. Die Ausnahmesituation sei Hochwasser. Ausgelöst wird dann das
Notfallmanagement.
Abbildung 8.2-4: Darstellung eines Ausnahmeflusses
Elemente der Abbildung: Aktivität - Ereignistyp und Marker Fehler - Fluss für Ausnahmen
8.3 Nachrichtenflüsse
Die BPMN-Autoren haben das Konzept des Nachrichtenflusses (Message Flow)
in ihre Methode umfassend eingebaut9. Nachrichtenflüsse finden zwischen zwei
Teilnehmern am Geschäftsprozess statt. Für diese verwenden die BPMN-Autoren
den Begriff entity. Nicht zulässig sind Nachrichtenflüsse zwischen Elementen im
selben Becken.
Grafisch werden sie durch eine Pfeillinie ausgedrückt, die am Anfang einen
kleinen Kreis und am Ende eine leere geschlossene Pfeilspitze hat. Vgl. die fol-
gende Abbildung.
Abbildung 8.3-1: Darstellung eines Nachrichtenflusses
Regeln für den Nachrichtenfluss
Die folgende Tabelle gibt alle Elemente der Methode BPMN an, die Nachrichten
empfangen oder weitergeben können und zeigt, welche Elemente durch Nachrich-
9 Dass dies bei einer Methode zur Prozessmodellierung nicht so sein muss, zeigt das Beispiel der
Ereignisgesteuerten Prozessketten, bei denen dieses Konzept nicht vorkommt. Vgl. [Staud 2006].
8.4 Assoziationen 53
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
tenflüsse verknüpfbar sind. Ein Pfeil bedeutet, dass das Element der Zeile mit dem
in der Spalte durch einen Nachrichtenfluss verbunden werden kann.
Abbildung 8.3-2: Mögliche Nachrichtenflüsse
Quelle: [OMG 2009, S. 31]
8.4 Assoziationen
Flusselemente können mit zusätzlichen Informationen ausgestattet werden, z.B.
mit Texten oder anderen Elementen, die nicht Flusselemente sind. Diese Art der
Verknüpfung wird Assoziation genannt. Grafisch wird sie durch eine gestrichelte
Linie ausgedrückt. Hat die Assoziation eine Richtung, erhält die Linie eine offene
Pfeilspitze.
Abbildung 8.4-1: Darstellung von Assoziationen
Kompensationsassoziation
Eine Kompensationsassoziation tritt außerhalb des normalen Flusses auf und ba-
siert auf einem Kompensationszwischenereignis, das durch den Fehlschlag einer
Transaktion oder ein Kompensationsereignis ausgelöst wird. Das Ziel der Assozia-
tion muss als Kompensationsaktivität deutlich gemacht werden.
Abbildung 8.4-2: Darstellung einer Kompensationsassoziation
Verknüpfung mit Flusselementen durch
Assoziationen
54 8 Kontrollfluss - Sequenzfluss
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Elemente der Abbildung: Aktivität / Ereignistyp Kompensation / Marker Kompensation / Kompensati-
onsassoziation
8.5 Schleifen
In Prozessen im allgemeinen und Geschäftsprozessen im besonderen gibt es Be-
darf an der Wiederholung von Prozessabschnitten durch Rücksprünge auf eine
flussaufwärts gelegene Stelle des Prozesses. Da diese Wiederholung oft mehrfach
möglich ist, entstehen Schleifen. Die BPMN-Autoren haben zwei
Schleifenkonstrukte in ihre Methode eingebaut, activity looping und sequence flow
looping.
Schleife in einer Aktivität – Standardsituation
Es kommt in der Prozessmodellierung oft vor, dass eine Tätigkeit von vorneherein
wiederholend angelegt ist. Eine solche modelliert man u.U. in ein Basiselement
des Modellierungsansatzes, hier also in Aktivitäten. Dann enthält das Basisele-
ment (die Aktivität) eine implizite Schleife.
Die BPMN-Autoren nennen diesen Vorgang activity looping und haben dafür
ein eigenes Symbol vorgesehen, einen geöffneten Kreis mit Pfeilspitze, der innen
und zentriert am unteren Rand des Aktivitätsdiagramms angefügt wird. Die fol-
gende Abbildung zeigt dies und ein Beispiel.
Ansonsten ist die Spezifikation der Schleife in den Attributen der Aktivität
festgehalten.
Abbildung 8.5-1: Darstellung einer Aktivität mit Schleifencharakter
Exkurs: Vergleich mit EPKs Dem entspricht bei Ereignisgesteuerten Prozessketten das Kapseln einer Schleife in einer Funktion
(vgl. [Staud 2006]). Standardmäßig hat eine solche Schleife einen booleschen Ausdruck, der nach jedem Schleifendurchgang geprüft wird. Z.B.: „Weitere Post im Posteingang?“ Falls der Ausdruck
weiterhin TRUE ist, macht die Schleife weiter.
Einen Schritt in Richtung Programmierung machen die BPMN-Autoren mit der
Unterscheidung von While- und Until-Schleifen, wie es in der prozeduralen Pro-
grammierung üblich ist. Dabei gilt:
Eine While-Schleife prüft die Bedingung, bevor die Aktivität ausgeführt wird,
was bedeutet, dass die Aktivität u.U. gar nicht ausgeführt wird (wenn die Be-
dingung von vorneherein nicht erfüllt ist).
Eine Until-Schleife prüft den Ausdruck, nachdem die Aktivität ausgeführt
wurde, d.h., die Aktivität wird mindestens einmal ausgeführt.
Schleife in einer Aktivität - Multiple Instances / Mehrere Instanzen eines Subprozesses
Nach flussaufwärts
Von
vorneherein repetitive
Handlungen
While oder Until
Multi Instance Loop
8.6 Prozessunterbrechung 55
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Hierbei handelt es sich um eine Schleife, in der mehrere Instanzen eines Subpro-
zesses aktiviert werden. In den Attributen der Aufgaben bzw. Subprozesse ist
festgehalten, ob sie wiederholt oder nur einfach ausgeführt werden. Ein grafisches
Symbol (drei senkrechte Linien) am unteren Rand (zentriert) gibt diesen Schlei-
fentyp an.
Abbildung 8.5-2: Schleifen durch Multiple Instance
Die Instanzen können seriell (nacheinander) oder parallel angeordnet sein. Sind
sie seriell angeordnet, wird dies zu einer While-Schleife mit einer bestimmten
Anzahl von Durchgängen.
Sind sie parallel angeordnet sehen dies die BPMN-Autoren so, dass mehre In-
stanzen der Aktivität vorliegen. Etwa so wie beim Schreiben eines Buches, wo das
Schreiben eines Kapitels ein Subprozess wäre und dann für jedes Kapitel eine
Kopie dieses Subprozesses angelegt würde [OMG 2009, S. 118].
Der Multiple Instance Marker kann in Kombination mit jedem anderen Marker,
mit Ausnahme des Loop Marker verwendet werden.
Schleife im Sequenzfluss
Dieses Konzept entspricht dem in der Prozessmodellierung üblichen Rücksprung-
bzw. Schleifenkonstrukt. Dabei wird – von einem exklusiven Oder-Operator
ausgehend – zu einer Stelle im Sequenzfluss gesprungen, die „weiter oben“ (fluss-
aufwärts) liegt.
Die syntaktische Umsetzung ist wie folgt: Der Rücksprung kommt von einem
Gateway (Operator/Verzweigung) und geht zurück vor eine Aktivität (Aufgabe,
Subprozess). Dort wird sie ohne eigenen Operator eingebunden. Vgl. die folgende
Abbildung.
Abbildung 8.5-3: Rücksprung per Schleife im Sequenzfluss
Elemente der Abbildung: Aktivitäten / Schleife im Sequenzfluss
8.6 Prozessunterbrechung
Mit Hilfe von empfangenden Zwischenereignissen des Typs Nachricht können
Prozessunterbrechungen eingebaut werden. Im nachfolgenden Fragment geht es
im Sequenzfluss erst weiter, wenn das Angebot eingetroffen ist.
Seriell oder parallel
Flussaufwärts springen
56 8 Kontrollfluss - Sequenzfluss
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 8.6-1: Darstellung einer Prozessunterbrechung
Elemente der Abbildung: Aktivitäten / Zwischenereignis (empfangend) / Nachricht
8.7 Transaktionen
Das ganz übliche Transaktionenkonzept wurde von den BPMN-Autoren ebenfalls
in ihren Modellierungsvorschlag eingebaut. Sie definieren wie folgt:
Definition: Transaktion
Eine Transaktion ist ein Subprozess bei dem alle „Beteiligten“ (all
parties involved) übereinstimmen, dass der Prozess entweder ganz
abgeschlossen oder abgebrochen wird.
Festgelegt wird die Eigenschaft, Transaktion zu sein, in den Attributen. Die grafi-
sche Darstellung erfolgt durch eine doppelte Grenzlinie für den Subprozess.
Abbildung 8.7-1: Grafische Darstellung einerTransaktion
8.8 Verknüpfungsregeln
In der folgenden Tabelle bedeutet ein Pfeil, dass das Element der Zeile mit dem in
der Spalte verknüpft werden kann.
8.8 Verknüpfungsregeln 57
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 8.8-1: Regeln für die Verknüpfung von Elemenen im Sequenz-
fluss
Quelle: [OMG 2009, S. 30]
58 9 Operatoren / Gateways
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
9 Operatoren / Gateways
9.1 Grundlagen
Wie jede Methode zur Prozessmodellierung weist auch die BPMN Operatoren auf,
mit denen Verzweigungen und Zusammenführungen von Kontrollflüssen erfasst
werden. In der BPMN werden sie Gateways genannt.
Wir kennen Operatoren aus allen möglichen Bereichen, v.a. der Mathematik
und der Logik. Doch wozu dienen eigentlich Operatoren in der Prozessmodellie-
rung? Die Antwort ist einfach: Durch die Operatoren kann geklärt werden, welche
Situation vorliegt, …
wenn mehrere Flüsse (Kontroll- bzw. Sequenzflüsse) zusammenfließen
oder
wenn mehrere entstehen und getrennt fortgeführt werden.
Die allgemeine Situation bei Operatoren in Geschäftsprozessen ist, wie es die
folgende Abbildung zeigt: Zu einem Operator kommt eine Kante (Sequenzfluss-
zweig) und mehrere gehen weg (A). Dies wird auch Verzweigung genannt. Oder
es kommen mehrere Kanten an und eine geht weg (B), was auch Verschmelzung
genannt wird. Möglich ist auch, dass gleichzeitig mehrere ankommen und wegge-
hen. Dann müssen einfach die beiden Situationen A und B kombiniert werden.
Die folgende Abbildung zeigt die Darstellung der zwei erstgenannten Situatio-
nen.
Warum Operatoren?
9.1 Grundlagen 59
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 9.1-1: Verzweigende und verschmelzende Sequenzflusskanten
Situation A
Aus einer Kante werden mehrere. Dies kann folgende Bedeutungen haben:
Die 2 bis n nach dem Operator angesiedelten Kanten werden beim jeweiligen
Durchgang alle aktiv. In einem solchen Fall spricht man von einem UND-
Operator.
Inhaltliches Beispiel: Für einen Urlaubsantrag müssen mehrere Aktivitäten
angestoßen werden, z.B. „Urlaubsvertretung klären“, „Einverständnis Abtei-
lungsleiter einholen“ und „Antrag stellen".
Genau eine der Kanten wird beim jeweiligen Durchgang aktiv. In einem
solchen Fall spricht man von einem exklusiven Oder-Operator (XODER).
Inhaltliches Beispiel: Nach einem Auftragseingang wird geprüft, ob der Auf-
trag angenommen werden kann oder nicht. Der eine Zweig führt dann zur Ak-
tivität Auftrag annehmen, der andere zu Auftrag ablehnen.
Mindestens eine und ansonsten eine beliebige Teilmenge der wegführenden
Kanten wird aktiv. In einem solchen Fall spricht man von einem Oder-
Operator (ODER).
Inhaltliches Beispiel: Eine Ermäßigung für den Besuch einer Kindertagesstät-
te kann gewährt werden, wenn mindestes eine der folgenden Bedingungen er-
füllt ist: Kind ist Geschwisterkind, Eltern sind arbeitslos, Eltern sind alleiner-
ziehend.
Der Typ des Operators wird durch die Semantik des jeweiligen Prozessabschnitts
bestimmt. Ein UND- Operator bedeutet hier (verzweigend) zum Beispiel, dass an
dieser Stelle des Geschäftsprozesses mehrere Aufgaben angestoßen werden, so
wie es das oben angeführte inhaltliche Beispiel zeigt. Hier wird auch von Teilauf-
gaben gesprochen.
Ein exklusives Oder bedeutet, dass Alternativen vorliegen. Z.B. die oben ange-
deutete. Oftmals liegen hier Entscheidungssituationen vor, deren Ergebnis durch
Verzweigung
UND: Mehrere
Aufgaben - Teilaufgaben
60 9 Operatoren / Gateways
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
die alternativen Kontrollflüsse modelliert wird. Eine solche „exklusiv-Oder-
Situation liegt in Geschäftsprozessen sehr häufig vor.
Weniger vertraut ist das oben angeführte „einfache“ Oder. Es kommt aber, wie
ja auch das Beispiel andeutet, in Regelungen, Vorschriften und Gesetzen durchaus
vor. Hier werden Situationen des Geschäftsprozesses erfasst, bei denen mindes-
tens einer der wegführenden Flüsse aktiv wird. Die Betonung liegt auf dem „min-
destens“.
Situation B
Situation B beschreibt sozusagen das Gegenstück: Aus mehreren Kanten wird
eine. Hier wird durch den Operator beschrieben, wie die „ankommenden“ Kon-
trollflüsse strukturiert sein müssen, damit der Fluss über den Operator weiter geht:
Es müssen alle (2 bis n) Kanten ankommen, erst dann geht es über
den Operator weiter. Dann liegt ein UND-Operator vor.
Inhaltliches Beispiel: Mehrere Teilaufgaben müssen gelöst werden, damit es
weitergeht.
Genau eine Kante muss und darf nur ankommen, dann geht es weiter.
Dann ist es ein exklusiver Oder-Operator (XODER).
Inhaltliches Beispiel: Nach einer Entscheidungssituation werden die Flüsse
wieder zusammengeführt, weil danach Aktivitäten kommen, die für alle Al-
ternativen Gültigkeit haben.
Mindestens eine und ansonsten eine beliebige Teilmenge muss ankommen,
dann geht es weiter. In einem solchen Fall sprcht man von einem Oder-
Operator (ODER).
Inhaltliches Beispiel: Nach einer Verzweigung wie in „Situation A/Oder-
Operator“ oben geht es einheitlich weiter, z.B. durch „Bearbeitung des An-
trags auf Ermäßigung für den Besuch der Kindertagesstätte“.
Die BPMN-Autoren haben die drei hier angeführten Operatoren (Gateways) vor-
gesehen und zusätzlich noch einen weiteren, den sie „complex“ nennen (vgl. un-
ten). Ihre Bezeichnungen sind wie folgt:
Operatoren der BPMN - Gateways
Operator BPMN-Bezeichnung
UND verzweigend Parallel Gateway, Parallel forking
UND verknüpfend Parallel Gateway, parallel joining
XODER verzweigend exclusive decision
XODER verknüpfend exclusive merging
ODER verzweigend Inclusive Gateway
ODER verknüpfend Inclusive Gateway
Gegenüber der UML wollten sie wohl die grafische Darstellung von Operatoren
vereinfachen. Es gibt nur noch ein einziges grafisches Basiselement, mit dem alle
Operatoren dargestellt werden können. Dieses besteht aus einer auf die Spitze
gestellten Raute.
Verschmelzung
UND, exklusives ODER, ODER,
COMPLEX
9.2 XODER 1 61
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 9.1-2: Darstellung eines Gateways (Operators)
9.2 XODER 1
Datenbasiert, verzweigend
Der Operator für das exklusive Oder (XODER) tritt hier als „exclusive decision
and merging“ auf. Und zwar datenbasiert („data-based“) oder ereignisbasiert
(„event-based“). Er hat die oben beschriebene übliche Bedeutung.
Der Operator ist datenbasiert, falls die Entscheidung, welcher Zweig gegangen
wird, aufgrund von logischen Ausdrücken bei den abgehenden Kanten getroffen
wird. Neben dem allgemeinen Symbol kann bei diesem Operator auch das mit
dem „X“ verwendet werden.
Abbildung 9.2-1: Symbole für die Darstellung eines datenbasierten XO-
DER-Operators (exclusive Data-Based)
Die folgende Abbildung zeigt ein einfaches Beispiel. Die Bearbeitung der Anfrage
eines potentiellen Kunden führt entweder dazu, dass der Auftrag angenommen
oder abgelehnt wird.
Abbildung 9.2-2: Darstellung eines Gateway vom Typ Exclusive Decision
9.3 XODER 2
Datenbasiert, verknüpfend
Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für die Zusammenführung entspre-
chender Sequenzflusskanten. Über dieses Gateway geht es weiter, wenn genau
eine der Kanten aktiv wurde.
Machbarkeitsprüfung
62 9 Operatoren / Gateways
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 9.3-1: Darstellung eines ereignisbasierten XOder-Operators -
verknüpfend
9.4 XODER 3
Ereignisbasiert, verzweigend
Im Falle eines ereignisbasierten verzweigenden Gateway fällt die Entscheidung
durch ein Ereignis, das zum jeweiligen Zeitpunkt im Prozess auftritt. Normaler-
weise wird dies „dem Geschäftsprozess“ durch den Empfang einer Nachricht
mitgeteilt. Dieses Ereignis legt fest, welcher weiterführende Sequenzflusszweig
aktiv wird.
Abbildung 9.4-1: Darstellung eines ereignisbasierten XOder-Operators
Auch andere Ereignistypen sind hier denkbar, z.B. Timer. Auf jeden Fall aber
Zwischenereignisse vom Typ „empfangend“ (vgl. Abschnitt 6.4). Es gibt zwei
Möglichkeiten, eine Nachricht zu erhalten:
(1) Durch Aufgaben des Typs „Empfangen“
Abbildung 9.4-2: Darstellung eines Nachrichtenempfangs 1
Quelle: [OMG 2009, S. 78]
(2) Durch Zwischenereignisse des Typs Nachricht.
9.5 XODER 4 63
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 9.4-3: Darstellung eines Nachrichtenempfangs 2
Quelle: [OMG 2009, S. 78]
9.5 XODER 4
Ereignisbasiert, verknüpfend
Diese Anordnung wird nur als Zusammenführung ohne spezifische Ereignisse
benötigt, wie oben schon gezeigt.
Abbildung 9.5-1: Exklusives ODER - Zusammenführung
9.6 UND 1
Verzweigend
Mit ihrem Parallel Gateway möchten die BPMN-Autoren parallele Flüsse erzeu-
gen und synchronisieren. Konkret bedeutet dies, dass die Flüsse parallel gestartet
werden und dann in einem Zeitfenster ablaufen. D.h., flussabwärts ab dem Opera-
tor gibt es eine Stelle, wo die parallelen Flüsse zusammengeführt werden und es
nur weiter geht, wenn alle angekommen sind (vgl. die Thematik „Zeitfenster“,
beschrieben in [Staud 2006]).
Zuerst die Aufspaltung. Dabei wird das Pluszeichen in das Symbol für den Ga-
teway genommen.
Parallel Gateway;
Parallel forking
Aufspaltung
64 9 Operatoren / Gateways
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 9.6-1: Darstellung eines Parallel Gateway – UND / verzweigend
Inhaltlich bedeutet dies, dass nach Erledigung einer Aufgabe mehrere andere Auf-
gaben angestoßen werden.
9.7 UND 2
Verknüpfend
Bei der Zusammenführung gilt das Entsprechende. Alle ankommenden Kanten
müssen „ankommen“, erst dann geht es im Prozess über das Gateway weiter und
erst dann wird die nächste Aufgabe angestoßen.
Abbildung 9.7-1: Darstellung eines Parallel Gateway – UND / verknüpfend
Die BPMN-Autoren präzisieren dann den UND-Operator mit Hilfe ihres Token-
Konzepts: Der Prozess wartet auf alle Ankunftssignale, bevor es weitergeht („…
the process will wait for all signals to arrive before it can continue“).
In dieser Situation ist es auch möglich, auf das Operatorsymbol zu verzichten.
Hier betonen die BPMN-Autoren allerdings das Unkontrollierte der Situation
(„uncontrolled“ flow).
Parallel Gateway;
Parallel joining, Synchronization
Token
9.8 ODER - verzweigend 65
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 9.7-2: UND-Verknüpfung ohne Operatorsymbol
9.8 ODER - verzweigend
Wie oben ausgeführt, ist der ODER-Operator wie folgt definiert: Von den ver-
knüpften Sequenzflusszweigen (Kanten) kann bei jeder Instanz des Geschäftspro-
zesses eine beliebige Teilmenge und mindestens eine Kante aktiv werden.
Die BPMN-Autoren nennen den ODER-Operator Inclusive Gateway. Er hat
die in der folgenden Abbildung angegebene grafische Form.
Abbildung 9.8-1: ODER-Operator - Inclusive Gateway
Sie definieren ihn ohne Rückgriff auf die Definition des ODER-Operators der
formalen Sprachen (siehe Hinweis oben) wie folgt: Bei weggehenden Sequenz-
flusszweigen unterliegt jeder einzelne einer unabhängigen binären Ja/Nein-
Entscheidung. Damit gilt:
Da jeder Pfad unabhängig ist, sind alle Kombinationen von Pfaden möglich,
auch keiner oder alle.
Mit Hilfe einer voreingestellten weiterführenden Kante wird dann noch sicherge-
stellt, dass mindestens eine Kante aktiv wird [OMG 2009, S. 26]. Die BPMN-
Autoren begründen dies damit, dass sonst u.U im Sequenzfluss Blockaden entste-
hen könnten.
Diese ODER-Verzweigung kann auf zwei Arten realisiert werden:
(1) Mit mehreren abgehenden Sequenzflusszweigen
Diese sind mit kleinen Rauten (mini-diamonds) am Anfang gekennzeichnet. Ein
zusätzlicher Zweig gibt dann die „Voreinstellung“ und sichert ab, dass mindestens
ein Zweig aktiv wird. Vgl. die folgende Abbildung.
Als eine Einschränkung geben Sie an, dass das Quellobjekt (also das dem Ope-
rator vorangehende Element) kein Ereignis sein darf. Vgl. hierzu das Konzept der
„verbotenen Strukturen“ in Ereignisgesteuerten Prozessketten, das dasselbe Archi-
tekturmerkmal verlangt [Staud 2006, Abschnitt 4.4-3].
Beliebige Teilmenge, mindestens eine Kante
Verzweigend
Viele Ja/Nein-
Entscheidungen
Verbotene Anordnung
66 9 Operatoren / Gateways
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 9.8-2: Darstellung einer Inclusive Decision ohne Gateway-
Symbol
Das Beispiel stellt Aspekte einer Wareneingangsprüfung dar. Die Semantik ist wie folgt: Jede der Tätigkeiten kann einzeln oder in beliebiger Kombination mit den anderen vorkommen. Außerdem ist
es auch möglich, dass keine Aktion nötig ist. Vgl. zum ODER-Operator und seinen „Untiefen“ [Staud
2006].
(2) Mit einem Inclusive Gateway.
Die folgende Abbildung zeigt die grafische Darstellung mit dem Operatorsymbol.
Abbildung 9.8-3: Darstellung einer Inclusive Decision mit einem Inclusive
Gateway
9.9 ODER - verknüpfend
Der Inclusive Gateway wird auch für das Zusammenführen („merge“) von Se-
quenzflusszweigen benutzt. Für die ankommenden Sequenzflusszweige gilt die-
selbe Struktur wie oben, nur dass sie hier von flussaufwärts angesiedelten Elemen-
ten realisiert wurde. D.h., bezüglich dieser Sequenzflusszweige gilt, dass sie bei
einer Instanz in beliebiger Kombination auftreten können und dass immer mindes-
tens ein Zweig ankommt.
Verschmelzend
9.10 Complex Gateway - verzweigend 67
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
Abbildung 9.9-1: Darstellung eines Inclusive Gateway – Merging Sequence
Flow
Prozesssemantik Im obigen Beispiel geht es um Neukunden eines Kreditinstiuts. Der Ausschnitt zeigt, welche der
Leistungen der Neukunde in Anspruch nehmen möchte, formuliert z.B. in einem Gespräch zwischen
dem Kundenberater und dem Kunden. Die Punkte deuten an, dass es hier natürlich noch weitere Leis-
tungen geben kann.
9.10 Complex Gateway - verzweigend
Mit dem Complex Gateway (verzweigend und verschmelzend) sollen Situationen
beherrschbar werden, die mit den anderen Gateways nicht leicht bewältigt werden
können [OMG 2011, Abschnitt 10.5.5]. Wörtlich schreiben die BPMN-Autoren,
dass er helfen soll „… to model complex synchronisation behavior“ (S. 295).
Damit können z.B. komplexe Situationen, die durch einen Algorithmus be-
schrieben werden, modelliert werden. Z.B.: „Nachbestellung erfolgt erst, wenn der
Lagerbestand unter das Doppelte des Absatzes der letzten drei Monate gefallen ist
oder falls die Prognoserechnung eine Erhöhung des Absatzes um mindestens 50%
ergibt …“.
Das Gateway wird durch einen Stern dargestellt, der in der Mitte des Gateway-
Symbols eingefügt ist, wie es die folgende Abbildung zeigt.
Abbildung 9.10-1: Darstellung eines Complex Gateway
Falls er zur Darstellung einer Entscheidungssituation genutzt wird, also mit abge-
henden Kanten, muss ein Ausdruck vorliegen der festlegt, welche der abgehenden
Kanten aktiv wird. Der Ausdruck kann auf Daten des Geschäftsprozesses und den
Status des ankommenden Sequenzflusses Bezug nehmen [OMG 2009, S. 82].
Auch an dieser Stelle weisen die BPMN-Autoren darauf hin, dass sicherzustellen
Verzweigend, für
Entscheidungen
68 9 Operatoren / Gateways
Josef L. Staud: BPMN - Einführung und Einschätzung /Entwurf, Draft. Geplante Fertigstellung: Dezember 2014
ist, dass mindestens eine Kante aktiv wird. Die folgende Abbildung zeigt ein Bei-
spiel.
Abbildung 9.10-2: Darstellung eines Complex Gateway - verzweigend
Semantik Hier geht es um eine, z.B. regelmäßig automatisiert stattfindende Prüfung des Lagerbestandes. Abhän-
gig vom Ergebnis der Prüfung (hier vereinfacht) erfolgen die weiteren Tätigkeiten.
9.11 Complex Gateway - verknüpfend
Wenn er verknüpfend eingesetzt wird, dann kann dies nur bedeuten, dass die zu-
sammenzuführenden Aktivitäten auf die oben beschriebene Weise („komplexe
Entscheidung“) aufgeteilt wurden und dass der Sequenzfluss jetzt in einer Kante
weitergeführt wird, so dass die Verknüpfung notwendig ist. Das folgende Beispiel
ist deshalb als Fortsetzung des obigen konzipiert.
Abbildung 9.11-1: Darstellung eines Complex Gateway - verknüpfend
Semantik: Nachdem die Aktivitäten aus der Entscheidung abgearbeitet wurden (d.h. eine davon wurde aktiv) geht
es in einem Sequenzflusszweig weiter, deshalb müssen die Kanten zusammengefasst werden. Das Gateway-Symbol drückt hier also nur aus, dass die davor angesiedelten Aktivitäten auf die oben be-
schriebene Weise zustande kamen.
Verknüpfend
10 Literatur
OMG 2003
Object Management Group: UML 2.0 Superstructure Specification (Unified
Modeling Language: Superstructure, version 2.0, final Adopted Specification,
ptc/03-08-02), August 2003
OMG 2009
Object Management Group (OMG): Business Process Modeling Notation
(BPMN). Version 1.2 January 2009 (OMG Document Number: formal/2009-
01-03. Standard document URL: http://www.omg.org/spec/BPMN/1.2)
OMG 2011
Object Management Group (OMG): Business Process Modeling Notation
(BPMN). Version 2.0 January 2011 (OMG Document Number: formal/2011-
01-03. Standard document URL: http://www.omg.org/spec/BPMN/2.0)
Staud 2006
Staud, Josef: Geschäftsprozessanalyse. Ereignisgesteuerte Prozessketten und
objektorientierte Geschäftsprozessmodellierung für Betriebswirtschaftliche
Standardsoftware (3. Auflage). Berlin u.a. 2006 (Springer-Verlag)
Staud 2010
Staud, Josef: Unternehmensmodellierung – Objektorientierte Theorie und Pra-
xis mit UML 2.0. Berlin u.a. 2010 (Springer-Verlag)