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20 Jahre Umweltunion eine Erfolgsgeschichte der Deutschen EinheitKonferenzdokumentation

Der Staat schtzt auch in Verantwortung fr die knftigen Generationen die natrlichen Lebensgrundlagen Grundgesetz, Artikel 20a

Diese Publikation ist Teil der ffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Gedruckt auf Recyclingpapier.

20 Jahre Umweltunion eine Erfolgsgeschichte der Deutschen EinheitKonferenzdokumentation

IMPRESSUM Herausgeber: Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) Referat ffentlichkeitsarbeit 11055 Berlin E-Mail: [email protected] Internet: www.bmu.de Kim Jakobiak de Flores, Karl Tempel (beide BMU, Referat ffentlichkeitsarbeit), Christine Feix, familie redlich, Agentur fr Marken und Kommunikation GmbH familie redlich, Agentur fr Marken und Kommunikation GmbH familie redlich, Agentur fr Marken und Kommunikation GmbH Dr. Ewald Lcke Photothek.net Dezember 2010 1.000 Exemplare

Redaktion:

Gestaltung: Druck: Abbildungen:

Stand: 1. Auflage:

Fr den Inhalt der Einzelbeitrge sind die Autor/innen verantwortlich.

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Inhaltsverzeichnis 6

Inhaltsverzeichnis

Vorwort reden

......................................................................................................................................................................................................................................................................7

...................................................................................................................................................................................................................................................................................... 9

Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister fr Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt Bitterfeld ist auch ein Beispiel fr die Anwendung moderner Umwelttechnik .......................................................................................................... 10 Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Video-Gruwort der Bundeskanzlerin ...................................................................................................................................................................................................................... 13 Prof. Dr. Klaus Tpfer, Bundesumweltminister a.D., Grndungsdirektor des Instituts fr Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit in Potsdam Wie knnen wir Gesundheit erreichen und Arbeitspltze sichern? ........................................................................................................................................ 14 Dr. Norbert Rttgen, Bundesminister fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Es geht in unserer Zeit vor allem um die Bewahrung der Lebensgrundlagen .............................................................................................................. 18

Podiumsdiskussion

............................................................................................................................................................................................................... 25

Moderation: Petra Schwarz Dr.-Ing. E.h. Fritz Brickwedde, Generalsekretr der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ............................................................................... 26 Dr. Nedim Cen, Vorstandsvorsitzender und CEO der Q-Cells SE ............................................................................................................................................................... 2 7 Monika Maron, Autorin ................................................................................................................................................................................................................................................................ 28 Klaus Schlter, Ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender des Umweltnetzwerks GRNE LIGA e. V. ......................................................................... 29 Katherina Reiche, Parlamentarische Staatssekretrin im Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ostdeutschland ist heute eine Referenzregion fr moderne, zukunftsweisende Umwelttechnik und saubere Technologien .................................................................................................................................................................................................................................................. 30 Oberbrgermeisterin Petra Wust Wir haben hier den Bogen raus ..................................................................................................................................................................................................................................... 32

Panel 1schwerPunkte der kologischen sanierung und entwicklungsPotentiale in den neuen lndern Moderation: Dr. Karl Eugen Huthmacher, Leiter der Abteilung Zukunftsvorsorge, Bundesministerium fr Bildung und Forschung ............................................................................................................................................................................................................................................... 33 Dr. Friedrich von Bismarck, Leiter der Geschftsstelle des Steuerungs- und Budgetausschusses fr die Braunkohlesanierung in Berlin Braunkohlesanierung: Von der Mondlandschaft zur Zukunftsregion .................................................................................................................................. 34 Dr. rer. nat. Michael Polk, Geschftsfhrer der Projektgesellschaft PD energy GmbH Sanierung der Chemie-Altlasten in Bitterfeld Basis fr die Entwicklung einer modernen chemischen Industrie in Ostdeutschland ............................................................................................................................................................................................................. 36 Dipl.-Ing. Dieter Rittscher, Vorsitzender der Geschftsfhrung Energiewerke Nord GmbH (EWN) Die Entwicklung des stillgelegten Kernkraftwerkes Lubmin zu einem wichtigen Energie- und Technologiestandort .............................................................................................................................................................................................................................. 38 Dietmar Onnasch, Leiter der Arbeitsgruppe Bergbauplanung fr das mitteldeutsche Revier der LMBV kologische Sanierung als Chance fr den Naturschutz am Beispiel des Tagebaus Goitzsche .................................................................... 40

7 Inhaltsverzeichnis

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Vorwort 8

Panel 2ostdeutschland ein referenzstandort fr modernste umwelttechnik Moderation: Dr. jur. Thomas Holzmann, Vizeprsident des Umweltbundesamtes .......................................................................................................... 43 Hans-Dieter Kettwig, Geschftsfhrer der ENERCON GmbH Erneuerbare Energien / Beispiel Windenergie: Motor fr Klimaschutz und Beschftigung ........................................................................ 44 Dr.-Ing. Stefan Basse, Technischer Geschftsfhrer des Gemeinschaftsklrwerkes Bitterfeld-Wolfen GmbH Dipl.-Ing. Regina Egert, Kaufmnnische Geschftsfhrerin des Gemeinschaftsklrwerkes Bitterfeld-Wolfen GmbH Innovative Lsungen auf dem Gebiet der Abwasserbehandlung das Gemeinschaftsklrwerk Bitterfeld-Wolfen ............. 46 Prof. Dr. Holger Wei, Leiter Department Grundwassersanierung am Helmholtz-Zentrum fr Umweltforschung-UFZ Ostdeutschland Kompetenzzentrum in der Umweltforschung und bei innovativen Sanierungstechnologien .................. 48 Dr. Peter Wawer, Leiter Technologie, Q-Cells SE Fortschritt und Entwicklungspotentiale der Photovoltaik-Industrie ..................................................................................................................................... 50 Prof. Dr.-Ing.habil. Jochen Gromann Innovation im Biogas- und Biosolarbereich aus Mitteldeutschland ........................................................................................................................................ 52

Liebe Leserin, lieber Leser, mit dem Umweltrahmengesetz wurde am 1. Juli 1990 zeitgleich mit Whrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion auch eine Umweltunion geschaffen. Das damals gesetzte Ziel Einheitlichkeit der kologischen Lebensverhltnisse in Ost- und Westdeutschland wurde dank der gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Lndern und Kommunen sowie der Initiative engagierter Persnlichkeiten in Wirtschaft, Wissenschaft und gesellschaftlichen Gruppen in erstaunlich kurzer Zeit erreicht. Im Rahmen der eintgigen Fachkonferenz 20 Jahre Umweltunion eine Erfolgsgeschichte der Deutschen Einheit am 22. Oktober 2010 in Bitterfeld-Wolfen haben wir Bilanz gezogen, die Erfolge der Umweltunion gewrdigt, vor allem aber auch die wirtschaftlichen und technologischen Zukunftsperspektiven der ostdeutschen Regionen aufgezeigt. Die Beitrge auf der Tagung haben eindrucksvoll besttigt, dass sich die neuen Bundeslnder zu Referenzstandorten fr modernste Umwelttechnik entwickelt haben fr die erneuerbaren Energien ebenso wie fr innovative Umwelttechnologien. Nicht zuletzt bieten die beispielhaften Projekte aus kologischer Sanierung und Naturschutzmanahmen vielfltige Potentiale fr eine weitere aussichtsreiche Entwicklung Ostdeutschlands. Ihnen allen danke ich herzlich fr Ihre engagierte Teilnahme, die unsere Tagung durch fruchtbare Impulse, Vortrge und Diskussionsbeitrge bereichert hat. In der Ihnen vorliegenden Tagungsdokumentation sind Zusammenfassungen aller Vortrge der Tagung sowie kurze Portrts der Referentinnen und Referenten enthalten. Ich wnsche Ihnen eine interessante Lektre und uns allen ein erfolgreiches Anknpfen an die Fortschritte von 20 Jahren Umweltunion.

Panel 3zukunftsVisionen neue landschaften und wachstumszentren Moderation: Dr. Alfred Herberg, Leiter des Fachbereichs Schutz, Entwicklung und nachhaltige Nutzung von Natur und Landschaft im Bundesamt fr Naturschutz .................................................................................................................................................................................................................55 Prof. Dr. habil. Andreas Berkner, Leiter der Regionalen Planungsstelle im Regionalen Planungsverband Leipzig-Westsachsen Der Sdraum Leipzig: Neue Seen Neue Ideen ................................................................................................................................................................................................ 56 Dr. Hubert A. Aulich, Grnder und Mitglied des Vorstandes der PV Crystalox Solar AG (PVCS) Spitzencluster Solarvalley Mitteldeutschland Vorsprung durch Zusammenarbeit ............................................................................................ 58 Marcus Heinicke, Abteilungsleiter Planung bei der WIND-projekt GmbH in Mecklenburg-Vorpommern Windenergie Impulsgeber fr die Ostseekste .......................................................................................................................................................................................... 60 Guido Puhlmann, Leiter der Biosphrenreser vatsverwaltung Mittelelbe, Sprecher der AG Biosphrenreservate bei EUROPARC Deutschland e. V. Vom Nationalparkprogramm 1990 zu den Nationalen Naturlandschaften ..................................................................................................................... 62

teilnehmerliste

................................................................................................................................................................................................................................ 64

Hintergrundinformation: 20 Jahre Umweltunion Umwelt und Arbeitspltze gesichert ............................................................................... 69

Dr. Norbert Rttgen Bundesminister fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

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Reden

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Reden

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1951 Seit 1970 1971 bis 1975 1975 bis 1976 1976 bis 1981 Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister fr Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt 1981 bis 1989 1990 bis 2002

Geboren in Weener, Landkreis Leer, Ostfriesland Mitglied der CDU Studium der Agrarwissenschaften in Gttingen Studium der Wirtschaftswissenschaften an der University of California in Berkeley Wissenschaftliche Ttigkeit am Institut fr Agrarkonomie in Gttingen Ttigkeit in der Niederschsischen Landesverwaltung Leitung der Agrarabteilung im Ministerium fr Ernhrung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt Staatssekretr im Ministerium fr Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt Minister fr Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt

und wir haben mit diesen Mitteln viel geleistet. Doch wir wissen auch, dass die Grundwassersanierung in Bitterfeld noch zig Jahre in Anspruch nehmen und noch viel Geld kosten wird. Wir knnen aber bilanzieren: In der Natur hat sich die Artenvielfalt erhht, wir haben wieder eine Oberflchenwasserqualitt, die sich sehen lassen kann, und wir haben insbesondere eine Luftqualitt, die es hier, wie es Frau Maron gesagt hat, sicher nicht einmal vor 100 Jahren gegeben hat. Ich glaube, wir knnen alle gemeinsam stolz sein auf die Verbesserung der Umweltqualitt hier bei uns in Bitterfeld. Dem Bund als Hauptfinanzier gilt ein ganz herzlicher Dank. Verehrter Herr Professor Tpfer, Sie sind wieder in Bitterfeld. Sie waren erst letzte Woche hier. Die Umweltleistungen hier wren ohne Sie nicht denkbar gewesen. Gestern haben wir in Wernigerode eine Konferenz zur Biodiversitt unseres Landes durchgefhrt. Ihr Name wurde hufig genannt. Insbesondere Ihr Ausspruch von dem Tafelsilber der Einheit, das die neuen Lnder mit ihren Naturschtzen in die Vereinigung eingebracht haben. Herr Tpfer, wir knnen heute sagen, wir haben das Silber geputzt, es glnzt jetzt strker als je zuvor. Wir haben unseren Silberschatz vermehrt. Wir haben ein umfangreiches Netz von Groschutzgebieten. Wir sprechen deshalb jetzt vom Tafelsilber unserer Region. Wir sind reich an Natur, wir sind reich an Kultur. Das wissen immer mehr Besucher zu schtzen. Verehrter Herr Professor Tpfer, wir sind dankbar fr den umweltpolitischen Grundstein, den Sie gelegt haben fr eine erfolgreiche Umweltpolitik in den neuen Bundeslndern, in Sachsen-Anhalt. Herzlichen Dank, dass Sie heute hier bei uns in Bitterfeld sind. (Applaus) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass die Kommunalpolitik heute hier ebenso vertreten ist wie viele Wirtschaftsakteure aus der Region Bitterfeld. Denn Bitterfeld ist eine Erfolgsgeschichte der Deutschen Einheit und der Umweltunion zugleich. Unser Dank gilt auch all jenen, die hier vor Ort hart und engagiert gearbeitet haben, die Verantwortung getragen und daran mitgewirkt haben und nach wie vor mitwirken,

dass wir heute diesen Stand erreicht haben, dass wir sagen knnen, wir haben umweltpolitisch in der Region Enormes bewegt und gleichzeitig eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung auf den Weg gebracht. Bitterfeld, meine Damen und Herren, muss uns eine Mahnung sein. Eine Mahnung, sorgfltig mit unserer Natur umzugehen. Manchmal habe ich den Eindruck, wir mssen viel mehr mahnen. Insbesondere wenn ich an internationale Diskussionen zu dem Thema Klimawandel oder zu dem Thema Biodiversitt denke, dem wir uns gestern in Wernigerode gewidmet haben. Aber Bitterfeld steht ebenso fr die Hoffnung, dass die Natur auch bereit ist, etwas von dem zurckzugeben, was man ihr genommen hat. Gerade im Bereich des

2002 bis 2009

Seit 13.10.2009

Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister fr Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt

Bitterfeld ist auch ein Beispiel fr die Anwendung moderner UmwelttechnikMeine sehr verehrten Damen und Herren, einen ganz herzlichen Dank fr den kulturellen Einstieg am heutigen Morgen. Die Musik hat mich daran erinnert, dass wir nicht nur Naturland sind, sondern auch Kulturland. Aber mein Thema heute ist nicht die Kulturgeschichte der Musik in unserem Bundesland Hndel und Bach und auch Kurt Weill will ich hier nur erwhnen , sondern die Umweltunion. Ihnen, Herr Bundesminister Dr. Rttgen, danke ich fr die ausgezeichnete Idee zu dieser Fachkonferenz, fr die Organisation und fr Ihr Kommen. Es gibt, so glaube ich, keinen besseren Platz in den neuen Bundeslndern fr eine Veranstaltung mit diesem Titel und dieser Zielsetzung. Bitterfeld ist ein Synonym fr den erfolgreichen Wandel von einem der schmutzigsten Orte Europas zu einem modernen Wirtschaftsstandort und zu einer Freizeitregion mit einer sich erholenden, in Teilbereichen bereits erholten Umwelt. Wir haben einen Chemiepark mit ber 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und das Zentrum der Solarindustrie in Deutschland. Daneben ist ein wunderbares Erholungsgebiet an der Goitzsche entstanden, in dem der Tourismus wchst und gedeiht. Dies alles war nur mglich dank vieler. Aber es war auch mglich dank der Mittel, die uns der Bund im Rahmen der Altlastenbeseitigung zur Verfgung gestellt hat. Hinzugekommen sind EU-Mittel, natrlich auch Mittel des Landes und der Kommune. Es bedurfte groer Anstrengungen

Die Bewunderung, die der Region von auen entgegengebracht wird, deckt sich hufig noch nicht mit dem Empfinden der Menschen, die hier leben, die oft die Probleme zu stark akzentuieren und zu wenig oder nicht gengend verinnerlicht haben, was sich hier in den letzten 20 Jahren an einmaliger Erfolgsstory abgespielt hat. Und deswegen glaube ich, haben wir allen Anlass, auch immer wieder zu betonen: Leute, das, was hier vollbracht worden ist, beginnt mit der friedlichen Wende. Wo sonst ist ein solcher Prozess so friedlich abgelaufen?Artenschutzes in dieser Region zeigt sich, welche Kraft die Natur hat. Ich glaube, wir knnen das ruhig manchmal etwas strker hervorheben. Es ist ja immer interessant, Urteile von Menschen zu hren, die aus anderen Teilen der Welt zu uns gekommen sind und die Situation hier beurteilen und wrdigen. Der Geschftsfhrer eines bedeutenden Unternehmens in dem

lesung monika maron Bitterfelder Bogen auszug 1:Schon an der Autobahnausfahrt nach Bitterfeld-Wolfen wird der Unkundige eingewiesen: eine schwarzer Pfeil auf weiem Grund und der verheiungsvolle, auf ein wundersame Erfolgsgeschichte verweisende Name: Solar Valley. Kurz darauf, neben der Landstrae, ein weites Feld mit leuchtend blauen Solarmodulen, wie dem Acker entwachsen, auf dem sie in dichten Reihen stehen. Die Wegweiser am Kreisverkehr zeigen nach Bitterfeld und Wolfen, nach Greppin,

Thalheim und noch einmal zum Solar Valley. Fhrt man in Richtung Thalheim, kreuzt man die Guardianstrae, wo ein sechsstckiges Haus, in dessen aus Solarzellen gestalteter Fassade ein groes Q eingelassen ist, vom Ursprung des Solar Valley kndet: Q wie Q-Cells. In der Guardianstrae stehen die ersten Q-Cells-Gebude, errichtet 2001, als niemand damit rechnete, dass man schon bald mehr Platz, viel mehr Platz brauchen wrde, als auf diesem bemessenen Terrain zu haben war. Das eigentliche Solar

Valley, ein inzwischen dreihundert Hektar groes Areal, an dessen Rndern Bagger und Krne schon das nchste Bauland bereiten, liegt an der Sonnenallee, ein oder zwei Kilometer von der Guardianstrae entfernt. Bei meinem ersten Besuch aber lie ich Guardianstrae und Sonnenallee links liegen und fuhr geradeaus nach Bitterfeld. Ich hatte ein Bild im Kopf, ein schwarzes, verrutes, rostfarbenes, dreiig Jahre altes Bild.

Ich fuhr durch die Zrbiger Strae, die am groen Werktor vorbeifhrt, vorbeigefhrt hat, damals, als das Werk noch CKB hie: Chemiekombinat Bitterfeld. Die Strae gibt es noch, das Tor auch, aber jetzt ist es einer von vielen Eingngen zum Chemiepark Bitterfeld-Wolfen, der in die Areale A bis E gegliedert ist und beherbergt, was vom Chemiekombinat, von der Filmfabrik Wolfen und allem anderen briggeblieben und was in den letzten zehn Jahren dazugekommen ist.

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Reden

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Reden

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Probleme zu sprechen, wie viele schlaflose Nchte man vorher hatte. Was darf ich sagen? Was darf man nicht sagen? Wie man auf dem Podium stand und zitternd das Papier hielt, das Manuskript. Und dass man gedacht hat, was kann mir danach passieren? Meine Damen und Herren, auch das zhlt zur Umweltunion. Wir knnen im Rahmen der freien Meinungsuerung ber alles, was uns bewegt, offen und ehrlich sprechen. (Applaus) Und wenn wir den Blick in die Vergangenheit wenden, meine Damen und Herren, muss auch eine Frage gestellt werden: Was wre eigentlich aus Bitterfeld geworden, wenn die Einheit nicht gekommen wre? Wie she diese Region dann heute aus?Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

1954 1973 1973 bis 1978 1978 bis 1990

Geboren in Hamburg Abitur in Templin im heutigen Brandenburg Physikstudium an der Universitt Leipzig, Abschluss als Diplom-Physikerin Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut fr physikalische Chemie an der Akademie der Wissenschaften Promotion Mitglied des Demokratischen Aufbruchs Mitglied der CDU und Mitglied des Deutschen Bundestages Stellvertretende Regierungssprecherin der Regierung de Maizire Stellvertretende Vorsitzende der CDU Deutschlands Bundesministerin fr Frauen und Jugend Vorsitzende der CDU Mecklenburg-Vorpommern Bundesministerin fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Generalsekretrin der CDU Deutschlands Vorsitzende der CDU Deutschlands Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

1986 1989 Seit 1990 1990 1991 bis 1998

hiesigen Chemiepark, der aus einem anderen Teil dieser Welt kommt, hat mir krzlich gesagt: Die Menschen in und um Bitterfeld, die haben etwas geschafft, worauf sie zu Recht stolz sein knnen. Und eigentlich vermisse ich manchmal den Stolz bei diesen Menschen. Sie knnten ihn ruhig etwas mehr zeigen. Bitterfeld ist auch ein Beispiel fr die Anwendung moderner Umwelttechnik. Wir sind inzwischen in SachsenAnhalt eine Region, die ber ein spezifisches Know-how zur Lsung von Umweltproblemen verfgt. Die Experten unserer Landesanstalt fr Altlastenfreistellung sind weltweit gefragt. Umwelttechnologie ist mittlerweile fr uns ein Wirtschaftsfaktor, ein Exportfaktor. Auch darauf knnen wir stolz sein, dass wir mit unserem Know-how auch anderen Regionen dieser Welt helfen knnen, meine Damen und Herren. Und lassen Sie mich an dieser Stelle eines sagen, wenn wir ber 20 Jahre Umweltunion sprechen. Auch schon vor mehr als 20 Jahren haben sich Menschen in der DDR mit dem Thema Umwelt, mit dem Thema Naturschutz befasst. Mich hat dieser Tage ein ungefhr gleichaltriger Herr angesprochen, der damals schon im Bereich Umwelt, im Bereich Naturschutz ttig war. Er hat mir gesagt: Sie knnen sich nicht vorstellen, wenn man gebeten wurde, irgendwo ber umweltpolitische

Ich glaube, es ist immer wichtig, darauf zu hren, wie andere uns sehen. Wenn man Besucher durch diesen Teil Deutschlands fhrt, wenn man mit Menschen spricht, die aus dem Ausland zu uns kommen oder die diese Region von frher kennen, dann spre ich enorm viel Begeisterung fr das, was hier in den letzten 20 Jahren entstanden ist.20 Jahre Umweltunion sind eine Erfolgsgeschichte der Deutschen Einheit, meine Damen und Herren. Herzlichen Dank allen, die daran mitgewirkt haben. (Applaus)

1991 bis 1994 1993 bis 2000 1994 bis 1998 1998 bis 2000 Seit 2000 2002 bis 2005 Seit 11/2005

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

Video-Gruwort der BundeskanzlerinMeine sehr geehrten Damen und Herren, ich sende Ihnen aus Berlin meine herzlichsten Gre. 20 Jahre Umweltunion, ein gelungenes Beispiel dafr, groe Herausforderungen bewltigen zu knnen. Denn in der Tat standen wir vor 20 Jahren vor einer Herkulesaufgabe: einheitlich gute kologische Lebensverhltnisse in Ost und West. Heute knnen wir auergewhnliche Erfolge beim Umweltschutz verzeichnen: In der Elbe tummeln sich wieder zahlreiche Fischarten. Aus Braunkohlenhalden wurden Natur- und Freizeitlandschaften. Nicht zu vergessen ist der ehemalige Grenzstreifen. Was uns frher trennte, eint unser Land nun als grnes Band. Die Schnheiten von Ostsee, Seenplatte, Elbsandsteingebirge oder der Mittelgebirge in Thringen gelten heute ganz selbstverstndlich als Aushngeschild des ganzen Landes. Denn fest steht: Beide Teile Deutschlands haben diese Erfolgsgeschichte gleichermaen geschrieben. Im Westen gab es ein bewhrtes System von Umweltgesetzen, eingebettet in ein modernes europisches Umweltrecht. In den sanierungsbedrftigen Industriegebieten des Ostens entwickelten sich Ingenieurskunst und technischer Erfindergeist. Er hatte nun freie Bahn, Antworten auf Fragen des Umweltschutzes und der Effizienz zu suchen und zu finden. 20 Jahre Umweltunion sind fr uns alle ein Grund zum Feiern. Sie sind uns aber auch Ansporn, neue Herausforderungen zu meistern, sei es beim Klima- und Artenschutz oder in der Energiepolitik. Ich wnsche mir, dass wir den Mut von damals und das Vertrauen in die Richtigkeit gemeinsamer berzeugungen in die Zukunft tragen, auch weit ber dieses Jubilumsjahr 2010 hinaus. In diesem Sinne, Ihnen allen einen gelungenen und gewinnbringenden Konferenztag mit anregenden Diskussionen.

Links und rechts der Strae suchte ich nach Vertrautem. Wo war das Schwimmbad, dem die Landschaftsgestalter damals einen himmelblauen Anstrich verordnet hatten, in Ermangelung eines himmelblauen Himmels? Wo war der Konsum, in dem sie mir erzhlt haben, dass die Leute hier am liebsten weie Pullover kaufen? Schwarz und verrut war nichts mehr, die Huser gestrichen oder mit Sandstrahl gereinigt, die Rohrbrcken ber der Strae nicht mehr rostig, sondern auffallend farbig in Gelb und Trkis. Nur der Kulturpalast stand in

unverkennbarer Eindeutigkeit da, wo er auch in meiner Erinnerung hingehrte. Sonst fand ich nichts oder konnte mich nicht erinnern, nach mehr als dreiig Jahren, in denen mich nichts hierher gezogen hat, obwohl ich damals mit dieser Stadt ein Bndnis eingegangen war, das mein Leben verndert hat. Nur einmal war ich noch hier, ich glaube, es war im April 1990. Man hatte mich zu einer Lesung eingeladen, eine Frau aus Greppin schenkte mir die ersten Frhlingsblumen aus ihrem Garten, und ich habe den Mann wiedergetroffen, der

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Reden

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Reden

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Prof. Dr. Klaus Tpfer, Bundesminister a. D. und Grndungsdirektor des Instituts fr Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit

1938 Ab 1960 1965 bis 1971 1968 1970 bis 1971 Prof. Dr. Klaus Tpfer, Bundesminister a. D., Grndungsdirektor des Instituts fr Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit in Potsdam 1971 bis 1978 1978 bis 1979 1978 bis 1985 1985 bis 1987 1985 und 2005 1987 bis 1994 1990 1990 bis 1998

Geboren in Waldenburg, Schlesien Studium der Volkswirtschaftslehre in Mainz, Frankfurt am Main und Mnster, Abschluss als Diplom-Volkswirt Wissenschaftlicher Assistent am Zentralinstitut fr Raumforschung und Landesplanung der Universitt Mnster Promotion Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung des Zentralinstituts fr Raumplanung, Mnster Abteilungsleiter in der Staatskanzlei des Saarlandes; Lehrbeauftragter an der Hochschule fr Verwaltungswissenschaften in Speyer Ordentlicher Professor und Direktor des Instituts fr Raumforschung und Landesplanung der Universitt Hannover; Mitglied im Rat der Sachverstndigen fr Umweltfragen Staatssekretr im Ministerium fr Soziales, Gesundheit und Umwelt, Rheinland-Pfalz Minister fr Umwelt und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz Honorarprofessur an den Universitten in Mainz und Tbingen Bundesminister fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Verleihung des Groen Bundesverdienstkreuzes Mitglied des Deutschen Bundestages Vorsitzender der UN-Kommission fr Nachhaltige Entwicklung (CSD) Bundesminister fr Raumordnung, Bauwesen und Stdtebau Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) Professor fr Umwelt und nachhaltige Entwicklung an der Tongji-Universitt in Shanghai Grndungsdirektor des Instituts fr Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit in Potsdam

Wie knnen wir Gesundheit erreichen und Arbeitspltze sichern?Es gibt, wenn man zu einer Jubilumsfeier zusammenkommt, immer die Sorge, dass sich alles reduziert auf Geschichten und Geschichtchen. Wenn ich hier nicht zufllig mal wirklich frh eingetroffen bin sonst komme ich immer etwas zu spt und die Sptter sagen, mein Name Klaus Tpfer wrde mit c. t. abgekrzt , dann habe ich schon viele Gesichter gesehen, zu denen ich mir gedacht habe: Den kennst du doch noch. Sie sind alle 20 Jahre lter geworden, aber das ist ja beruhigend fr einen selbst. Es ist ein Stck Familienerinnerungsfest. Und ich glaube, auch das ist gut, denn das ist ebenfalls ein Stck der Tradition, die weitergetragen werden muss. Da gibt es die vielfachen Geschichten und Geschichtchen, die sich ja immer mit Menschen verbinden. Mit Menschen, die man vorher kannte oder die einem in diesem Zusammenhang bekannt geworden sind. Denkt man an die Braunkohlesanierung, kommt man an so einem Namen wie Rudi Vieregge nicht vorbei. Ganz im Gegenteil. Er war einer, der leider Gottes zu frh gestorben ist. Aber wenn ich Herrn Huthmacher hier sehe, dann wei ich, dann wissen Sie, dass dieses Werk weitergefhrt worden ist. Und wenn Sie dann hingehen und fragen: Wer hat dich denn hier in besonderer Weise beeindruckt?, da denkt man zurck an den schsischen Umweltminister Dr. Weise ein Tierarzt, der schon in der DDR Brgergruppen motiviert und informiert hat. Eine fantastische Persnlichkeit, mit der ich ich werde es nie vergessen einmal in Espenheim in dieser Verschwefelungsanlage war, wo mir einer der Arbeiter entgegentrat und mir drei Nelken gab. Das sind Erinnerungen, die so wichtig sind, weil sie sich mit Personen verbinden, mit Geschichten und Geschichtchen. Doch es dabei zu belassen, das wre ein Fehler. Gehen wir mal 20 Jahre zurck: Wiedervereinigung, Euphorie, Begeisterung. Es ist das eingetreten, was mal Vision war, dann Hoffnung wurde, aber doch bis fast zuletzt unerwartet schien. Unerwartet in besonderer Weise auch fr die Regierung, der ich damals angehrte. In der Zeit, als die Mauer geffnet wurde, waren wir mit einer Regierungsdelegation unter der Leitung von Kanzler Kohl zu einem historischen Besuch in Warschau. Erstmals weilte ein deutsches Kabinett in Polen. Ich werde nie vergessen, dass wir beim Abendessen in der Burg saen und dann auf einmal die Gerchte aufkamen, aufgrund derer wir dann noch in der Nacht ber Hamburg nach Berlin zurckgeflogen sind. Begeisterung, Euphorie. Warum sage ich das?

Nachhaltigkeit heit immer langfristige Dimensionen. Kurzfristigkeit haben wir erlebt. Offenbarungseid der Kurzfristigkeit ist die Klimakrise genauso wie die Finanzkrise. Es sind beides dieselben Ungetme.Heute werde ich immer wieder gefragt, ob es nicht erdrckend gewesen sei, was an Problemen vorgefunden wurde. Ja, das war es, aber wir haben nie auch nur eine Minute den Eindruck gehabt, als wre das alles etwas zu gro, als knne man nur noch resignieren. Ganz im Gegenteil: Wir fhlten uns herausgefordert, all das zu bewltigen mit moderner Technik, mit Menschen, die sich dafr einsetzen in einer Region, die eine lange Industriegeschichte hat mit groartigen Erfindungen, die hier gerade auch in der Chemie gemacht worden sind. Immer wieder war darauf hinzuweisen, dass hier in Bitterfeld die Chlorchemie erfunden

1994 bis 1995 1994 bis 1998 1998 bis 2006 Seit 2007 Seit 2009

worden ist. Manche sagen heute, das war nicht die beste Erfindung. Aber sie hat auerordentlich viel bewegt. In Wolfen ist der erste Farbfilm hergestellt worden, weltweit. Hier sind wirklich Menschen ttig gewesen. Und all das war ein Stck des Kapitals, auf dem wir klar aufbauen konnten. Es ist ja richtig, sehr verehrter Herr Kollege Aeikens, dass man sich einmal etwas Gutes hat einfallen lassen und die Natur, die Nationalparks das Tafelsilber der deutschen Einheit genannt hat.

Aber es ist mehr in diesem Tafelsilber als diese Nationalparks von Rgen bis zum Erzgebirge ber die Schorfheide bis in die mittlere Elbe hinein. Es ist dieses wirklich lange Zeit nicht geputzte Tafelsilber der fantastischen Stdte in diesem Land, die wieder aufgearbeitet werden konnten auch mit sehr viel Geld. Stdte wie Quedlinburg und Halberstadt, von Grlitz ber Merseburg bis hin nach Wismar. Ein Stck deutsche Kulturgeschichte, eingebunden in diese Natur, die gerade darin ihre Symbiose gefunden hat. Teil dieses Tafelsilbers sind die Menschen, die diese Tradition haben und die sich, durch die vor ihnen

mein Modell war fr den Heizer Hodriwitzka und an den ich oft denken musste, weil ich ihn in meinem Buch an einem Unfall hatte sterben lassen und mich die kleine aberglubische Furcht, ich knnte so ein Unglck herbeigeschrieben haben, nie ganz verlassen hatte. Es ging ihm gut, von meinem Buch wusste er nichts. Ich habe es ihm geschenkt, vielleicht hat er es gelesen. Spter hat mir jemand erzhlt, die Bitterfelder seien nicht mehr gut auf mich zu sprechen, weil sie glaubten, ich htte zum schlechten

Ruf ihrer Region beigetragen und damit die Investoren vergrault. Ich wei nicht, ob mehr als ein Bitterfelder das gesagt hat und ob mein Interesse ohne diese Mitteilung grer gewesen wre. Jedenfalls bin ich nie wieder hingefahren. Selbst als mein Freund, der Architekt Andreas Hierholzer, mir von den Solarfabriken erzhlte, die er in Thalheim baut, regte sich in mir nichts. Dabei liegt Thalheim etwa fnf Kilometer von Bitterfeld und gehrt seit dem Sommer 2007 berhaupt zur Stadt Bitterfeld-Wolfen, wie die Orte Hohenweiig,

Greppin und Rdgen auch. Fast ein Jahr lang hrte ich immer mal wieder die Geschichten ber Reiner Lemoine, Dagmar Vogt und Anton Milner, ber den Thalheimer Brgermeister Kressin, ber den Brsengang von Q-Cells, ohne dass in mir das Bedrfnis erwacht wre, das irgendwie zu meiner Sache zu machen. Schon der Gedanke, mir in meinen eigenen Fustapfen hinterherzulaufen, war mir zuwider. Bis zu diesem Abend, an dem Andreas Hierholzer wieder einmal mit visionrer Leidenschaft

von den Englndern, Australiern, Amerikanern und Deutschen erzhlte, die auf dem Acker von Thalheim ihr Solar Valley bauten. Vielleicht war seine Begeisterung an diesem Abend besonders suggestiv, vielleicht war ich auch nur empfnglicher, jedenfalls war es dieser Abend, an dem ich pltzlich dachte, dass ich mir ja gar nicht selbst hinterherlaufen, sondern mir mit all diesen Englndern, Australiern, Amerikanern und Deutschen, mit Andreas, Dagmar und Anton von der anderen Seite, aus der Zukunft, entgegenkommen wrde.

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Reden

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Reden

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technische Verband fr Altlasten und Flchenrecycling e. V., der 20 Jahre lang Wissen aufgebaut hat und untersttzt und ergnzt durch das Ministerium (Bundesumweltministerium, Anm. der Redaktion) einen Katalog darber vorgelegt hat, welche Sanierungswerte bei welchen Stoffen zu erreichen sind. Der Verband hat gleichzeitig auch einen Katalog ber die Sanierungstechniken vorgelegt. Ja, ich wei: Im Augenblick sind diese Lsungen fr viele andere zu teuer. Aber das hat man uns auch gesagt, als wir Rauchgasentschwefelungsanlagen entwickelt haben, weil wir gesagt hatten: Das wird ein Exportschlager, die anderen mssen das auch tun. Dem hat man entgegengehalten: Aber doch nicht mit so einer teuren Technik. Und heute ist Deutschland Exportweltmeister bei Rauchgasentschwefelungsanlagen geworden. Und genau das wird auch mit den hier erarbeiteten Sanierungstechniken geschehen. Auch sie werden spter als ein Beitrag Deutschlands weltweit anerkannt und genutzt werden. Meine Damen und Herren, dass es da auch mal Brsenunterschiede gibt, das sollte jeder, der Marktwirtschaft macht, mitbekommen haben. Immer wieder ist darauf hinzuweisen, dass es diesen schnen Satz gibt: Vieles htte ich verstanden, wenn mans mir nicht erklrt htte. Das ist doch naheliegend. Ich kann ja nicht immer nur davon ausgehen, dass es Millionre gibt, sondern manch ein Millionr wacht auch man denke an den Fischer und seine Frau wieder da auf, wo er angefangen hat. So ist das nun mal. Aber der Tendenz entsprechend werden wir natrlich Solarenergie brauchen. Wir haben ein Energiekonzept der Bundesregierung vorgelegt bekommen, danach sollen wir bis zum Jahr 2050 60, hoffentlich sogar 80 Prozent der Energie aus erneuerbaren Rohstoffen gewinnen. Ich will jetzt nicht das ganze Energiekonzept diskutieren, aber eines steht fest: Wenn das erreicht werden soll, muss ja irgendjemand diese Dinge machen. Und wenn man von solar spricht, dann nennt man das regenerative Energien, und dann kommt man natrlich dahin, dass man sagt: Die mssen geleitet werden. Welche Leitungssysteme haben wir? Was ist Smart Grid? Was msste erfunden

werden? Dann wissen wir, wir mssen speichern, natrlich. Diskontinuierlich anfallende Energie musst du speichern, wenn du sie nutzen willst. Also gibt es neue Aufgabenfelder. Und ich sehe das ganz deutlich, dass solche Entwicklungen an die Solarenergie anknpfen werden. Der deutschen Solarindustrie ist erspart geblieben, dass ich Unternehmer geworden bin, aber ich bin ganz sicher, dass solche berlegungen auch woanders gemacht werden. Ich finde den Satz, den Sie geschrieben haben, Frau Maron, auerordentlich bedenkenswert: Frher haben die Menschen ihre Arbeitspltze mit ihrer Gesundheit bezahlt. Und jetzt haben sie ihre Gesundheit wiederbekommen und haben das mit ihren Arbeitspltzen bezahlt. Aus diesen zwei Stzen muss doch gefolgert werden: Wie knnen wir Gesundheit erreichen und Arbeitspltze sichern? Das ist genau die Aufgabe, die vor uns liegt. Immer wieder zitiere ich Bloch, der den schnen Satz gesagt hat: Nur das Erinnern ist fruchtbar, das daran erinnert, was noch zu tun ist. Wenn wir heute hier zusammengekommen wren, nur um Geschichten und Geschichtchen zu erzhlen und hinterher auch noch miteinander ein Pils zu trinken, dann wre das nicht genug. Denn das ist fr die Feier 30 Jahre Einheit vorgesehen. Es ist richtig, zu sagen: Ja, das war eine herausfordernde Aufgabe, die man wohl nur mit dieser Mentalitt und in dieser damaligen Zeit schultern konnte. Aber der zweite Teil ist, das auch noch weiterzufhren, alles zu einer wirklichen Modellregion weiterzuentwickeln, die das Kapital dieser Region mit aufgreift: nmlich die Menschen, ihren Erfindergeist und ihre Beharrlichkeit. Insgesamt ist es eine schne Sache, dass man noch dabei ist, wenn 20 Jahre Umweltunion begangen werden. Ich freue mich, dass Sie mich eingeladen haben. Haben Sie herzlichen Dank dafr. Und ich wnsche dieser Region und den Menschen, die hier leben, dass sie auch den zweiten Teil dieser Herausforderung genauso glnzend bewltigen. Ich danke Ihnen sehr herzlich. (Applaus)

liegenden Probleme die noch immer da sind herausgefordert sehen knnen. In der Euphorie und Begeisterung macht man meistens auch mal Fehler. Wir sind mit dieser Begeisterung und Euphorie zum Beispiel nach Rio de Janeiro gefahren. Zwei Jahre danach. Wir waren der festen berzeugung, das ist die historische Stunde. Wir knnen so etwas wie die Friedensdividende nutzen. Das Geld also, das vorher ausgegeben worden war fr die Hochrstung in Ost und West, knnte jetzt, so glaubten wir, eingebracht werden in die Welt, um eine neue Zweiteilung diesmal zwischen Nord und Sd zu vermeiden und um gleichzeitig die Spuren eines real existierenden Sozialismus zu beseitigen. Wir kamen gar nicht auf die Idee, dass dies einmal ein Problem werden knnte. Daraus haben wir als klare Erkenntnis gewonnen, dass aus dieser Euphorie heraus tatschlich diese wirklich groen Aufgaben bewltigt werden konnten. Mit vielen tollen Menschen, mit vielen guten Technologien. Wir drfen nicht bersehen, welchen groen Vorteil wir darin haben, dass wir eine solche Sanierungsaufgabe hier bewltigt haben. Gehen Sie mit mir durch die gesamten Staaten des damaligen Warschauer Paktes, gehen Sie mit mir nach Kasachstan oder wo auch immer hin. Dann werden Sie sehen, dass solche Lasten, vielleicht sogar noch grere, gerade auch mit Blick auf das, was die Kernforschung fr

Ich hoffe, dass in fnf Jahren dieses ganze Gelnde, auf dem wir uns befinden, wirklich gut gefllt ist mit industriellen Arbeitspltzen, mit vielen neuen Ansiedelungen. Wenn das hier gefllt ist, haben wir auch fnf-, sechstausend Einwohner mehr in Bitterfeld-Wolfen. Und wenn das so ist, Frau Maron, dann bin ich wieder bei Ihnen, dann kriegen wir hier auch eine richtige Kneipe. Und das ist dann in Ordnung.friedliche und militrische Zwecke dort hinterlassen hat, noch da sind. Wir haben hier einen Wissensstand aufgebaut einschlielich einer rechtlichen Seite mit dem Umweltrahmengesetz, mit einer damals hei diskutierten Lsung wie der Freistellungsklausel, die zwingend notwendig war, um hier Investitionen wieder in Gang setzen zu knnen. Ich hatte vor wenigen Tagen die Gelegenheit, auf der Veranstaltung 20 Jahre ITVA zu sprechen. Vielleicht wissen Sie nicht, was ITVA ist, das ist der Ingenieur-

Eigentlich hat diese Zukunft vor mehr als dreiig Jahren begonnen, ungefhr zur gleichen Zeit, als ich zuerst einige Reportagen ber Bitterfeld schrieb und kurz darauf ein Buch, in dem ich mir vorstellte, was wohl geschehen wre, htte ich in meinen Reportagen die ganze undruckbare Wahrheit ber das Gift und den Dreck in dieser Stadt geschrieben. Damals, Mitte der siebziger Jahre, versammelte ein angehender Ingenieur namens Reiner Lemoine an der Technischen Universitt in

West-Berlin ein paar Gleichgesinnte, alle entschiedene Gegner von Atomkraftwerken, und grndete mit ihnen, ganz im Geist der Zeit, ein sozialistisches Ingenieurskollektiv, das sich den Namen Wuseltronik gab und Messgerte mit den Namen Wumm und Wuwickel produzierte. Zwischen meinem Arbeitsplatz im Berliner Verlag am Alexanderplatz und Lemoines Wuseltronik in der Universitt lagen sechs Kilometer, eigentlich ein gerader Weg ber die KarlLiebknecht-Strae, die erst zu Unter den Linden wird und dann zur

Strae des 17. Juni, am Brandenburger Tor aber durchtrennt wurde von der Mauer, die unsere Welten, auch die Wirtschaftswelten, voneinander schied. Whrend das sozialistische Ingenieurskollektiv gegen Atomkraftwerke kmpfte, schrieb ich gegen ein veraltetes, ruspeiendes Kohlekraftwerk an und wre ber ein Atomkraftwerk in Bitterfeld, das den Bewohnern die tglichen hundertachtzig Tonnen Flugasche erspart htte, sicher froh gewesen. Reiner Lemoine, Jahrgang 1949, studierte Luft- und Raumfahrttech-

nik und soll damals ein bisschen ausgesehen haben wie John Lennon. Wer ber ihn spricht, kommt ohne die Wrter genial, verrckt, visionr offenbar nicht aus. Ich habe ihn nicht mehr kennengelernt, und alles, was ich ber ihn sagen kann, habe ich mir erzhlen lassen. Ein Maniac war er, ein Trumer, der seinen Traum der Wirklichkeit aufgezwungen hat, bekennender Marxist und Kettenraucher, Menschenfreund und Arbeitsenthusiast, der gelebt hat wie eine Kerze, die von zwei Seiten brennt so hat man ihn mir beschrieben.

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Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

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1965 1982 1984 bis 1989 1992 bis 1996 1993 Dr. Norbert Rttgen, Bundesminister fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Seit 1994 1999 2001 2002 bis 2005 2005 bis 2009 Seit 28.10.2009 Seit 11. 2010

Geboren in Meckenheim, Rhein-Sieg-Kreis Eintritt in die CDU Studium der Rechtswissenschaften an der Universitt Bonn, erste juristische Staatsprfung Landesvorsitzender der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen Zweite juristische Staatsprfung, Zulassung als Rechtsanwalt am Landgericht Kln Mitglied des Deutschen Bundestages Zulassung am Oberlandesgericht Kln Promotion zum Dr. jur. in Bonn Rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Erster Parlamentarischer Geschftsfhrer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Bundesminister fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Stellvertretender Vorsitzender der CDU und Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor 20 Jahren galt Bitterfeld als die schmutzigste Stadt Europas. 180 Tonnen Flugasche gingen tglich auf diese Region herab. Diese Region war gewissermaen ein Sinnbild fr den rcksichtslosen Raubbau an der Natur, den es in der sozialistischen Planwirtschaft gegeben hat nicht nur auf Kosten des Menschen, sondern auch auf Kosten der Natur. Und heute ist es eben ein vllig verndertes Bild, das man erleben kann. Bitterfeld ist heute eine Stadt mit Lebensqualitt. Die Goitzsche ist ein Natur- und Freizeitparadies mitten in einer neuen Seenlandschaft. Wenn man das sieht, dann denkt man, irgendwo in einer bekannten bayerischen Idylle zu sein. Aber die wenigsten erwarten genau das hier in dieser Region. Es ist ein Strukturwandel, der mit dieser Entwicklung verbunden ist. Es ist der Verlust von Arbeitspltzen, der auch hier seine Spuren hinterlassen hat. Aber das, was einst das Synonym fr marode Wirtschaft, fr kaputte Umwelt war, hat diesen Wandel geschafft zu einer modernen, zukunftsfhigen Industrieregion mit modernen Chemieanlagen, mit Betrieben der Umwelt- und Energiebranche, die sich hier etabliert haben. Der Bitterfelder Bogen, eine 2006 als Aussichtspunkt geschaffene begehbare Stahlkonstruktion, ist Sinnbild des Wandels in dieser Stadt. Ich glaube, dass es nicht nur um das Ende eines Zustands ging, sondern gleichzeitig auch um den Beginn eines Wandels, eines nicht endenden Prozesses, in dem Lebensqualitt, Gesundheit, Schutz der Umwelt verknpft sind mit modernen wirtschaftlichen Strukturen, mit Arbeitspltzen und Marktanteilen. Das ist, so glaube ich, das groe Thema unserer Zeit, national, europisch und international. Und dass wir in Deutschland, ausgerechnet hier, einen Anwendungsfall fr die Mglichkeit dieser neuen Realitt geschaffen haben, ist das grte Kapital fr die nationale und auch die internationale Umweltpolitik. 20 Jahre Deutsche Einheit geben Anlass, ffentlich Bilanz zu ziehen, insbesondere auch, um diese Bilanz bekannt zu machen. Ich freue mich, Herr Tpfer, dass Sie hier sind. Sie haben sich bedankt fr die Einladung, ich glaube, wir haben allen Grund, uns bei Ihnen zu bedanken dafr, dass Sie hier sind, dass Sie gesprochen haben. Aber wir haben

auch allen Grund, Ihnen zu danken, weil die Gestaltungsleistung ja in Ihrer Amtszeit geleistet worden ist. Das ist eine historische Leistung, die Sie auch persnlich vollbracht haben, und darum mchte ich Ihnen persnlich ganz herzlichen Dank und Anerkennung aussprechen. Diese Anerkennung wird auch kaum geschmlert dadurch, dass ich die Fehler, die Sie eingerumt haben, leider besttigen muss, dass wir heute unter diesen Fehlern leiden und die mangelnde Verbindlichkeit heute mhsam nachholen mssen. Aber wir werden es tun und lassen uns auch von Rckschlgen und Enttuschungen, wie wir sie in Kopenhagen erlebt haben, nicht davon abhalten, weiterzumachen in diesem Prozess.

Dr. Norbert Rttgen, Bundesminister fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Es geht in unserer Zeit vor allem um die Bewahrung der LebensgrundlagenMeine sehr geehrten Damen und Herren, auch ich mchte Sie ganz herzlich hier begren. Ich freue mich riesig, dass so viele hier sind, weil ich der Auffassung bin, dass es dieses Ereignis verdient hat, dass wir darber reden, dass wir bilanzieren, dass wir die Umweltunion, die jetzt 20 Jahre besteht und eine Erfolgsgeschichte ist, bekannter machen. Ich bedaure, dass noch viel mehr ber Unzulnglichkeiten gesprochen wird, wenngleich das vielleicht auch die Gesetze der Medien sind. Aber es reicht ja nicht, das zu bedauern, sondern wir wollen auch einen Beitrag dagegensetzen, damit ber die Erfolgsgeschichte gesprochen wird. Allerdings, Herr Tpfer, es gibt nicht nur den Rckblick, die Retrospektive am heutigen Tag, sondern auch die Perspektive in die Zukunft. In unterschiedlichen Panels werden wir ber die Zukunftsperspektiven, die Visionen sprechen, die auch mit dieser Region verbunden sein werden.

Ich glaube, dass es diese doppelte Motivation gibt, die altruistische und die egoistische, die eine fr die nchsten Generationen und die andere allein fr das eigene Interesse. Wir haben in der Finanzkrise erfahren, wohin uns der Exzess von Kurzfristigkeit fhrt. Diese Art des Wirtschaftens hat uns insgesamt an den Rand des Abgrunds gebracht und hat gezeigt, dass das auch konomisch kein intelligenter Weg ist.

Es war 1990 auch vieles zu bedenken in dieser Situation, die alle berrascht hat, die viel Arbeit erforderte und die mit groem Elan angegangen worden ist: die Grndung der Lnder, der Vertrag zur Whrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Darber reden ja alle. Diese Trias ist bekannt, wir sollten uns aber auch vornehmen, ber die Umweltunion viel mehr zu sprechen. 20 Jahre ist das jetzt her, eine lange Zeit. Ich glaube, dass die Feierlichkeiten uns vieles in Erinnerung gebracht haben. Dafr knnen wir dankbar sein. Dankbar fr das Glck, fr das Geschenk, aber am meisten dankbar fr

lesung monika maron Bitterfelder Bogen auszug 2:Als Lemoine und seine Gefhrten nach einem Ort suchten, an dem sie mit einem Startkapital von sechzigtausend Mark ihre Solarzellen produzieren konnten, war die Luft ber Bitterfeld und Wolfen so rein wie seit hundert Jahren nicht. Die Befreiung vom Gift in ihrer Atemluft bezahlten die Bitterfelder, Wolfener, Thalheimer und Greppiner mit ihren Arbeitspltzen, wie sie zuvor die sicheren Arbeitspltze mit ihrer Gesundheit bezahlt hatten. Bis 1996 wurden achthundertfnfzig

Millionen Mark in Abriss- und Sanierungsarbeiten investiert. Damit war die hundertjhrige Geschichte als bedeutender deutscher Standort fr die chemische Industrie und Filmherstellung zunchst beendet. Wo vorher rugeschwrzte Fabrikhallen dicht nebeneinander die Straen der Werkgelnde sumten, breiten sich nun steppenhnliche, von Grsern und Wildblumen bewachsene Flchen, auf denen hier und da das leuchtende Logo einer Firma und ein neues Haus, auch einige gerettete, inzwischen mit Sandstrahl gereinigte

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Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

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den Mut vieler Menschen, die es ermglicht haben, dass die Deutsche Einheit und die Freiheit des Volkes wieder errungen werden konnten. Ich glaube, auch dafr gilt es, ein Bewusstsein wachzuhalten. Denn 20 Jahre Deutsche Einheit heit auch, dass inzwischen eine Generation aufgewachsen ist, fr die das wirklich Historie ist, die damit kein Erleben mehr hat. Nicht nur meine kleinen Kinder 7, 10 und 13 Jahre alt , sondern auch die, die jetzt ihr Abitur machen, haben kein bewusstes Erleben mehr von der Mauer, von Unfreiheit, von Diktatur, von der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen. Und darum ist das mehr, als nur von den alten Zeiten der alten Kameraden zu erzhlen. Es geht darum, Unterdrckung sowie

Wenn unser Wachstum und unser Wohlstand weiter verknpft bleiben mit Ressourcenverbrauch und Energieverbrauch, dann haben wir das die lngste Zeit gehabt. Wir fhrten uns selber in eine Sackgasse. Ich glaube, dass das erkennbar ist, dass es auch erkannt wird in anderen Lndern, dass die sehen, so knnen wir keine Zukunft gestalten.Vernichtung von Menschen und Natur immer als eine mgliche Realitt wahrzunehmen und sich gegen diese Mglichkeit zu feien auch durch die Verpflichtung, dass die, die das alles erlebt haben, es weitergeben an die Kinder, an die Enkelkinder. (Applaus) Aber es waren eben nicht nur die Wirtschafts-, Whrungsund Sozialunion, sondern es war auch die Umweltunion, die eine prioritre Aufgabe war, die sich mit der Deutschen Einheit und der Wiedervereinigung stellte. Die kologischen Schden, die das DDR-Regime hinterlassen hatte, waren desastrs. Vier Jahrzehnte Planwirtschaft, sozialistische Planwirtschaft, hatten kurzfristige Planerfllung vor notwendige Umweltschutzmanahmen gestellt.

Wir haben es in der Finanzmarktkrise und auch in anderen Bereichen erlebt, dass es immer wieder diesen Konflikt gibt zwischen kurzfristiger Gewinnerwartung und langfristiger Verantwortung. Diesen Konflikt zwischen Kurzfristigkeit, die sich nicht in gesellschaftlicher Bindung sieht, geschweige denn moralischer Verantwortung gegenber langfristiger Verantwortung, knnen wir nicht nur dem Sozialismus und der Planwirtschaft zuschreiben und damit als berwunden ansehen. Auch in der heutigen Zeit, unter kapitalistischen Bedingungen, gibt es diesen Konflikt zwischen kurzfristigem Egoismus und langfristiger Verantwortung. Dessen sollten wir uns bewusst sein und uns entscheiden fr die Option langfristige Verantwortung und gegen kurzfristigen Opportunismus. (Applaus) Dringende Investitionen htten gettigt werden mssen, aber sie fanden in der Vergangenheit, in den 40 Jahren, nicht statt. Die Folgen waren sichtbar, bis hin zur Gesundheitsgefahr, der Gesundheitsbeschdigung. Das Trinkwasser war belastet, die Luft war verschmutzt. In den Industrieregionen litt fast jedes zweite Kind an Atemwegserkrankungen. Die Elbe, die heute wieder ein kologisch funktionsfhiger Lebensraum selbst fr Lachse ist, galt als der meistvergiftete Fluss Europas. Zur Beschreibung der Wasserqualitt der Elbe musste im Jahr 1990 in der ersten gesamtdeutschen Gewssergtekarte eine neue Gteklasse eingefhrt werden, nmlich die Kategorie kologisch zerstrt. Es kamen militrische und industrielle Altlasten dazu nicht nur eine Umweltgefahr, sondern auch ein riesiges Investitionshemmnis. Umweltdaten wurden in der DDR als Staatsgeheimnisse gehtet. Die DDR hatte zwar 1968 als einer der ersten Staaten Europas den Umweltschutz als Staatsziel in die DDRVerfassung aufgenommen, aber dieser Proklamation folgte keine Aktion. Die jhrlichen Umweltschutzberichte wurden ab Anfang der 80ger Jahre zur geheimen Verschlusssache erklrt. Beispielhaft fr diese Geheimhaltungspolitik war der Umgang mit der Atomkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986. In der Bundesrepublik wurden die Menschen selbstverstndlich darber informiert. In den Zeitungen der DDR erschien erst nach Tagen eine Mitteilung der sowjetischen Agentur TASS. Nach der Revolution im November 1989 konnten sich dann die Brgerinnen und Brger ein wahres Bild machen, auch diejenigen, die nicht unmittelbar an den Orten lebten. Schon im Februar 1990 nahm der damalige Bundesumweltminister in einer gemeinsamen Umweltkommission mit der damaligen DDR-Regierung die Arbeit auf und brachte ein Sofortprogramm auf den Weg, um die akuten Gefahren zu beheben. Smog-Frhwarnsysteme und Trinkwassermessnetze wurden installiert. Die Atomkraftwerke sowjetischer Bauart bei Greifswald und bei Rheinsberg wurden stillgelegt, der Bau eines Atomkraftwerkes bei Stendal wurde gestoppt. Zum 1. Juli 1990, zeitgleich mit der Trias Whrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, entstand mit dem Umweltrahmengesetz die Umweltunion. Wesentliche Bestimmungen des Umweltrechts der Bundesrepublik Deutschland erlangten so auch auf dem Gebiet der DDR Geltung. Auf dieser Basis wurde im September 1990 noch von der damaligen DDR-Regierung ein Nationalparkprogramm zum Schutz der wertvollen Naturrume beschlossen. Der Schutz der natrlichen Lebensgrundlagen und die Frderung der Einheitlichkeit der kologischen Lebensverhltnisse fanden Eingang in den Einigungsvertrag, der, mit dem Inkrafttreten am 3. Oktober 1990, die Einheit Deutschlands besiegelte. Es ist ein Teil des Einheitsvertrages, dass die kologisch gleichwertigen Lebensverhltnisse anzustreben sind. Es folgten auf dieser Basis die Eckwerte fr die kologische Sanierung und die Entwicklung in den neuen Lndern als Handlungsrahmen fr Bund, Lnder und Kommunen. Es wurden Handlungsprioritten definiert, kologische Groprojekte der Umweltsanierung identifiziert mit dem Ziel, bis zum Jahr 2000 gleiche Umweltbedingungen auf hohem Niveau in ganz Deutschland zu schaffen. Dieses Ziel wurde in erstaunlich kurzer Zeit erreicht. Umweltgefahren wurden beseitigt, moderne Strukturen aufgebaut und bereits Mitte der 90er Jahre gab es eine signifikante Senkung der Schadstoffemissionen in den neuen Lndern. Der Schadstoffgehalt etwa des Wassers ging seit Anfang der 90er Jahre teilweise um bis zu 90 Prozent zurck. Die Luftbelastung durch Schwefeldioxid betrgt heute in Sachsen-Anhalt nur noch 0,5 bis 1 Prozent der DDR-Belastung. Damals wurde auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt mehr Schwefeldioxid emittiert als in der gesamten alten Bundesrepublik. Einen besonderen Stellenwert nahm natrlich die Wahrung des wertvollen Naturerbes ein. Es ist ein besonderer Reichtum der neuen Lnder:Die Hlfte der Nationalparks und acht der insgesamt 13 Biosphren-Reservate liegen auf

gelbe oder dunkelrote Klinkerbauten, von neuen oder alten Produzenten kndeten. Die Kreuzberger sollten nach Thalheim, ein paar Kilometer von Bitterfeld entfernt, auf einen Acker auerhalb des Chemieparks. Von Bitterfeld-Wolfen kannten sie nicht viel mehr als den schlechten Ruf und den wenig verheiungsvollen Namen, dessen Ursprung eine Legende allerdings flmischen Siedlern zuschreibt, die den damals weder durch Kohleabbau noch durch die Chemie verwsteten Landstrich

das betere veld, das bessere Feld, genannt haben sollen. Die wollten nicht hierher, sagt Manfred Kressin, die zog es doch eher nach Berlin. Darum haben sie die Messlatte ganz hochgelegt, in der stillen Hoffnung, wir wrden nicht drberkommen. Seit dem Juli 2007 gehrt Thalheim zur vereinigten Stadt BitterfeldWolfen. Aber damals war Thalheim noch eine eigenstndige Gemeinde und Manfred Kressin ihr Brgermeister. Kressin ist Thalheimer, seine Eltern zugewandert aus Schleswig-Holstein und Stettin.

Im Jahr 1943, als Manfred Kressin im Wohlfahrtsheim Thalheim geboren wurde, kam sein Vater in russische Gefangenschaft, die er nicht berlebte. Manfred Kressin wurde Ingenieur, arbeitete in der Filmfabrik, spter in Dessau. Als die Mauer fiel, war er sechsundvierzig Jahre alt, wurde zum ehrenamtlichen Brgermeister fr die CDU gewhlt und leitet seit 1994 das Technologie- und Grnderzentrum in Wolfen, wo ich ihn auch getroffen habe, in einem wenig inspirierenden Broraum, der wohl schon fter als Kulisse gedient hat fr

Interviews, in denen Kressin vom unglaublichen Aufstieg seines Dorfes Thalheim zum wuchernden Stammsitz eines Global Players berichten sollte. Die wollten nicht hierher, sagt Manfred Kressin noch einmal. Er und seine Gemeinderte haben sich die Bedingungen der Berliner angehrt und dann zur Beratung zurckgezogen. Es ging um eine kleine Solarzellenfabrik mit vierzig Arbeitspltzen, aber in einer Region wie Bitterfeld war jeder Arbeitsplatz kostbar.

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Ich glaube, dass Bund, Lnder, Kommunen und die Menschen vor Ort diese Aufgabe begreifen als eine gemeinsame Gestaltungsaufgabe, und darum ist es auch gut, dass es gelungen ist, ber das Jahr 2012 hinaus dieses gemeinsame Anliegen von Bund, Lndern und den Menschen zu sichern. Ich freue mich darber, dass im Juni dieses Jahres die Verhandlungen ber eine Fortsetzung des Verwaltungsabkommens aufgenommen werden konnten, damit es weitergeht. Denn es geht um Sanierung. Die Sanierungsleistungen sind eindrucksvoll, aber die Umweltsanierung ist nicht nur etwas, was Geld kostet, viel Geld gekostet hat, sondern sie ist berfhrt worden in einen Prozess des Strukturwandels, der neue Arbeitspltze, neue Werte geschaffen hat. Heute ist diese Region geprgt durch moderne Unternehmen der Chemiebranche, der Solarbranche, der Energiebranche, und wir wollen, dass das so bleibt. Wir wollen, dass die Stromversorgung in Zukunft im Wesentlichen durch 80 Prozent erneuerbare Energien erfolgt. Darum haben wir ein langfristiges Energiekonzept beschlossen, weil Energiepolitik entweder langfristig ist oder gar nicht, weil es immer um Investitionen in Milliardenhhe geht und weil diejenigen, die agieren und investieren, Verlsslichkeit brauchen. Verlsslichkeit, die die Politik zu liefern hat, gehrt dazu, und zur Verlsslichkeit gehrt eine klare Zielbestimmung. Die Zielbestimmung des Energiekonzeptes ist erneuerbare Energie, ist Energieeffizienz, ist Klimavertrglichkeit und Wettbewerbsfhigkeit. 80 Prozent der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien geht einher mit mindestens 80-prozentiger C02 -Reduzierung, die erreicht werden muss, weil ansonsten die Erderwrmung auer Kontrolle gert. Weil wir Industrieland sind und bleiben wollen, werden wir industrielle CO2 -Emissionen haben und mssen deshalb die Energieversorgung weitestgehend CO2 -frei machen. Ansonsten werden wir in Deutschland eben nicht Stahl, Zement, Papier und anderes produzieren. Dazu gehrt, dass wir mehr Energieeffizienz brauchen. Wenn wir es schaffen, von 1,7 auf 2,1 Prozent Energieeffizienzsteigerung im Jahr zu kommen, dann knnen wir in 40 Jahren das ist unser

Ich glaube auch, dass sich alles beschleunigen wird. Ich wnsche mir und versuche auch daran zu arbeiten, dass wir dann nicht sagen: Bei dieser Beschleunigung sind wir berholt worden. Wir, Deutschland, sollten auf der berholspur bleiben.Zeithorizont den Energieverbrauch halbieren. Erstmalig ist im vergangenen Jahr der Energie- und Stromverbrauch der Haushalte zurckgegangen. Das ist eine Erfolgsmeldung. Ich glaube, dass damit deutlich wird, was hier in der Region stattfindet und Teil eines globalen Trends ist. Es ist eine Transformation, die kein regionales Ereignis ist, sondern ein globaler Trend, eine Transformation von einem ressourcenverbrauchenden Lebensstil, von ressourcenverbrauchender Wirtschaftsweise zu Naturschonung und Ressourceneffizienz. Daran fhrt kein Weg vorbei. Weil wir seit Jahr und Tag nicht nur die finanziellen Ressourcen der nchsten Generationen in Anspruch nehmen und konsumieren, sondern weil wir heute auch schon das natrliche Kapital der nchsten Generationen durch unsere Lebensund Wirtschaftsweise verbrauchen. Dazu haben wir nicht das Recht und es ist auch keine Perspektive, die fr Entwicklung damit verbunden sein kann. (Applaus) Es geht darum, diese Transformation zu gestalten. Ansonsten kommen Wohlstand, Wirtschaft und Entwicklung an ein Ende. Weil wir mehr verbrauchen, als die Erde regeneriert, und weil unsere Wirtschaft, unser Wohlstand auf dem Verbrauch von endlichen Ressourcen basiert. Die Nachfrage nach endlichen Ressourcen, die immer knapper, immer teurer werden, immer gefhrlicher zu bergen sind in anderthalbtausend Meter Tiefe muss nun im Golf von Mexiko nach l gebohrt werden, weil alle tief hngenden Frchte abgeerntet werden , wird sich beschleunigen wegen der wirtschaftlichen Globalisierung. Durch die Zunahme der Weltbevlkerung werden Milliarden

Menschen mehr Energiehunger, mehr Ressourcenhunger haben. Wenn wir beim alten Prinzip von Wachstum und Wohlstand bleiben, dann haben wir die lngste Zeit Wachstum und Wohlstand gehabt, dann fhren wir die Entwicklung auch in den Industrielndern in eine Sackgasse. Darum ist es eine ethische Verpflichtung und eine konomische Notwendigkeit, eine Wachstumsstrategie zu entwickeln, um vom Ressourcenverbrauch zur Ressourceneffizienz zu kommen. Das ist ein globaler Trend. China ist entschlossen zu wachsen. Indien, die Schwellenlnder werden wachsen. Aber sie alle wissen ganz genau, dass das Wachstumsprinzip des Westens, der industrialisierten Welt, das auf Verbrauch beruhte, fr sie keine Perspektive ist. Darum hat Horst Khler vllig Recht gehabt, als er sagte, dass das die Wohlstandsfrage des 21. Jahrhunderts ist, dass das die Wettbewerbsfrage ist brigens auch die Frage, an der sich die geopolitische Machtverteilung neu entscheiden wird. Die Gesellschaften, die diese Transformation von Verbrauch zu Schonung am intelligentesten und am schnellsten gestalten, werden die Gewinner dieses Wettbewerbsprozesses sein. Wir wollen Gewinner dieses Wettbewerbsprozesses sein mit einer neuen Vorstellung von Wachstum, nicht mehr mit einer quantitativ statistischen auf BIP-Wachstum gerichteten Vorstellung von Wachstum und Wohlstand, sondern Wachstum und Wohlstand als Wachstum von Lebensqualitt, das wollen

dem Gebiet der neuen Lnder. Die Mutation des Todesstreifens zum grnen Band ist vielleicht eine der schnsten und sichtbarsten Vernderungen, weil dort, wo frher die Realitt von Tod und Feindschaft herrschte, ein unerwarteter, enormer Tier- und Pflanzenbestand entstanden ist. Es ist eine der schnsten neuen Verbindungen von dem, was uns frher getrennt hat. Ein herausragendes Umweltprojekt der Deutschen Einheit war nicht nur, sondern ist immer noch die Braunkohlesanierung. Das kologische Groprojekt, das zu Recht als die grte Landschaftsbaustelle Europas bezeichnet wird, umfasst die Sanierung von ursprnglich 100.000 Hektar devastierter Flche des DDR-Braunkohletagebaus in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier. Die Bundesregierung einigte sich 1992 mit den vier Braunkohlelndern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thringen auf eine pragmatische, zugleich nachhaltige Lsung fr die Sanierung und Wiedernutzbarmachung. Ziel war es, sowohl Umweltschutz als auch dauerhafte Wirtschaftsentwicklung zu ermglichen. Bis heute haben Bund und Braunkohlelnder fast 9 Mrd. Euro fr die Sanierung der Hinterlassenschaften aufgebracht. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, seit 15 Jahren dafr verantwortlich, betreibt diese Sanierung mit hoher technologischer Kompetenz.

Wir haben eine Viertelstunde gewartet, sagt Kressin, damit die nicht denken, wir htten nicht grndlich berlegt, und haben dann alle Bedingungen zugesagt. Schlielich hatten sie schon Erfahrungen mit der Glasfabrik Guardian, einem Weltkonzern mit Stammsitz in Detroit, was sie damals gar nicht so genau wussten. Und whrend sie noch um die Berliner rangen, wurde die Baugenehmigung fr ein Folienwerk erteilt. Da konnten wir noch mal ben, sagt Kressin. Die Thalheimer warben mit allem, was sie zu bieten hatten: mit einem

halbierten Steuerhebesatz, wobei Kressin den Eindruck hatte, dass nur Anton Milner wusste, was ein Steuerhebesatz eigentlich ist (mir erklrt er es, aber ich verstehe es auch nicht), sie warben mit der hohen Chemietoleranz der Bevlkerung, wie ein wesentlicher Standortvorteil genannt wird, mit einer Arbeiterschaft, die an Schichtarbeit gewhnt ist, und mit dem Versprechen, den Bauherren jedes Hindernis aus dem Weg zu rumen.

Die Wirtschaftsfrderung aus Magdeburg und Thalheims beherzter Kampf um die vierzig Arbeitspltze wogen die Abneigung der Berliner Grnder gegen den tristen Ort endlich auf. Sie zogen nach Thalheim. Erst im Dezember, statt wie geplant im Sptsommer 2000, hatten sie die zwlf Millionen aufgetrieben, die sie auer ihren sechzigtausend Mark Eigenkapital brauchten. Am 6. Januar 2001 begannen die Bauarbeiten; ein halbes Jahr spter, am 23. Juli 2001, wurde die erste

Zelle produziert. In seiner Rede zur Einweihung der ersten Linie sagte Manfred Kressin, er wnsche Q-Cells einen hnlichen Erfolg, wie die Agfa ihn hundert Jahre zuvor in Bitterfeld-Wolfen begrndet hatte. Damals haben sie alle gelacht, sagt Kressin, aber bei der dritten Einweihung, als aus den vierzig Mitarbeitern schon vierhundert geworden waren, lachte keiner mehr.

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Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Lebensgrundlagen in unserer Zeit geht und wir in dieser Zeit leben, in der darber entschieden wird. Egal wie wir uns verhalten, es wird Konsequenzen fr die nchsten Generationen haben. Und das ist dann auch die demokratische Herausforderung, dass es gelingt, die Verantwortung fr die nchsten Generationen bereits heute zum Mastab politischen Verhaltens zu machen auch und gerade in Demokratien, die ja auf kurzfristige Legitimation angewiesen sind. Wir haben permanent Wahlen, und whlen tun die heutigen Erwachsenen und nicht die nchsten Generationen. Und trotzdem mssen wir bei den heutigen Whlern die Akzeptanz und Zustimmung dafr finden, dass wir heute Politik so machen, dass wir heute Lebensstil und Lebensweisen so whlen, dass auch die Lebensinteressen der nchsten Generationen noch gewahrt sind. Das ist eine der groen demokratischen Aufgaben, denen wir uns stellen mssen. Aber das ist der Sinn von Demokratie. Es geht nicht darum, Wahlen um ihrer selbst zu gewinnen. Natrlich ist es immer schn, Wahlen zu gewinnen, aber ich glaube, dass wir deutlich machen mssen, dass Wahlen gewinnen bedeutet, eine dienende Funktion auszuben fr unser Land, aber eben auch fr die nchsten Generationen. (Applaus) Das wird hier in dieser Region sichtbar, dass das kein Gutmenschentum ist, sondern dass es konkrete Vernderung ist, um von Zerstrung und Belastung zu Gesundheit, Lebensqualitt, neuen Arbeitspltzen und Marktanteilen zu kommen. Darum ist das eine Ermutigung fr Deutschland, fr Europa, aber auch fr diesen globalen Prozess. Kein Verzichtsprozess, kein Grtel enger schnallen, kein Wir knnen uns alle nichts mehr leisten, keine Deindustrialisierung. Nichts davon. Wir mssen nur intelligenter wirtschaften, wir mssen erfinden, wir mssen neue Technologien erfinden, Effizienztechnologien, erneuerbare Technologien, und wir mssen diesen technologischen Innovations- und wirtschaftlichen Modernisierungsprozess kulturell und politisch einbetten. Darum war das sicher eine faszinierende Aufgabe vor 20 Jahren, eine Herkulesaufgabe. Aber ich glaube, auch heute haben wir die faszinierende Aufgabe, eine Perspektive zu schaffen fr uns heute und fr die nchsten Generationen. Lebensqualitt und Gesundheit mit Arbeitspltzen und wirtschaftlicher Modernisierung zu verbinden das ist eine groe Aufgabe, die auch heute fasziniert und begeistern kann. Herzlichen Dank. (Applaus)Petra Schwarz, Journalistin und Moderatorin

wir erreichen in Harmonie mit der Natur und in Verantwortung fr die nchsten Generationen. Und das ist das Referenzprojekt und die Referenzregion fr diesen Trend, den wir gestalten wollen. Dies wollen wir tun im Rahmen eines Verstndnisses von Wirtschaft, das auf den Menschen orientiert ist und vom Menschen ausgeht und Wirtschaft nicht als Selbstzweck versteht. Die Wirtschaft hat so haben es schon die Vter der sozialen Marktwirtschaft formuliert den Menschen zu dienen. Soziale Marktwirtschaft ist eine Vorstellung von Wirtschaft, die Wirtschaft einbettet in einen ethischen Ordnungsrahmen. In den mssen wir unsere Vorstellungen, unsere Praxis der Wirtschaft, den Schutz der nchsten Generationen und den Schutz der Natur integrieren als unsere Wertvorstellungen von sozialer Marktwirtschaft. National, aber auch international. Es muss lokal, national und global der gleiche Trend stattfinden, weil Tag fr Tag Artenverluste zu verzeichnen sind in der Tier- und der Pflanzenwelt. All das sind unwiederbringliche Verluste. Christen mssen sich sagen, dass die Schpfung zerstrt wird. Darum ist es eine ethische Verpflichtung genauso wie konomische Vernunft, das Tier-, Arten- und Pflanzenartensterben, das Absterben von kosystemen zu stoppen und zu verhindern, weil es schon heute unser Lebenskapital ist und erst recht das der nchsten Generationen. (Applaus) Wir werden nach Cancn reisen, Ende des Jahres, um weiterzumachen an den Entwicklungen, die 1992 begonnen haben: die Wstenkonvention, die Klimarahmenkonvention und die Konvention ber den Schutz der Biodiversitt. Es ist ein globaler Trend. Es sind Herausforderungen an die gesamte Menschheit. Das kann man nicht kleiner formulieren, weil es um die Bewahrung der

1957 1976 bis 1981

Geboren in Erfurt Studium der Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universitt in Berlin, DDR, Abschluss als Dipl.-Kulturwissenschaftlerin Redakteurin und Moderatorin beim Jugendsender DT 64 und Jugendfernsehen in Berlin, DDR Moderation ffentlicher Veranstaltungen Journalistin/Moderatorin beim SFB/Rundfunk Berlin-Brandenburg in Berlin Trainerin und Seminarleiterin Redaktionsleiterin beim Mitteldeutschen Rundfunk

1981 bis 1991

Seit 1985 1991 bis 2005 Seit 1997 Seit 2005

27 Podiumsdiskussion

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Podiumsdiskussion 28

1948

Geboren in Osnabrck Studium Geschichte, Politikwissenschaften und Publizistik an der Westflischen Wilhelms-Universitt in Mnster Akademiedozent und Fachbereichsleiter am Franz-Hitze-Haus der Akademie des Bistums Mnster Leiter der Volkshochschule Georgsmarienhtte

1965

Geboren Studium und Promotion, Dipl.-Ing. und Dipl.-Kfm. Arbeit in den Bereichen Managementberatung, Investment-Banking und operative Unternehmensfhrung u. a. bei den Unternehmen Alvarez & Marsal, McKinsey & Company, Goldman Sachs, Dresdner Bank und Credit Suisse Finanzvorstand bei der KION Group

Dr.-Ing. E.h. Fritz Brickwedde, Generalsekretr der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU)

Dezernent fr Schule und Kultur, Landschaftspflege und Regionalplanung beim Landkreis Emsland; Koordination des Umweltschutzes Sprecher der niederschsischen Landesregierung und Leiter der Presse- und Informationsstelle unter Ministerprsident Dr. Ernst Albrecht Seit 1991 2002 Generalsekretr der Deutschen Bundesstiftung Umwelt Verleihung der Ehrendoktorwrde durch die Brandenburgische Technische Universitt Cottbus Trger des Verdienstkreuzes erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, verliehen fr sein ehrenamtliches Engagement fr die neuen Bundeslnder

Dr. Nedim Cen, Vorstandsvorsitzender und CEO der Q-Cells SE

Seit 2009

Arbeit im Vorstand der Q-Cells SE, eines der weltweit fhrenden Anbieter von Photovoltaiklsungen Vorstandsvorsitzender und CEO der Q-Cells SE

Seit 2010

Dr. Nedim Cen, Teilnehmer Podiumsdiskussion

Seit 2004

Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, Teilnehmer Podiumsdiskussion

Ich erinnere mich ganz besonders auch an den April 89. Da sa ich als Sprecher der Landesregierung von Niedersachsen mit meinem Ministerprsidenten, Dr. Ernst Albrecht, Herrn Honecker und der Fhrung der DDR gegenber. Unser Anliegen war es, die Schwermetalle aus der Elbe zu bekommen, und ich habe mit groem, mit wachsendem Entsetzen den Worten der Vertreter der DDR zugehrt. Fr die gab es dieses Thema berhaupt nicht.

Der Erfolg, den wir hier sehen, der ist schon beeindruckend. Wenn wir den Blick weiterrichten, in die Welt hinaus, ist er noch viel, viel grer, und das ist natrlich auch die Kehrseite: Erfolg macht neidisch, Erfolg zeigt aber auch, was richtig ist. Wenn man in der Bundesliga ganz oben stand und wenn man dann Champions League spielen darf, dann wird auch der Wettbewerb hrter. Ich glaube, das ist im Prinzip die Kehrseite des Erfolges, dass der Wettbewerb jetzt hrter geworden ist und dass auch andere einsehen, dass das die Entwicklung ist, die man gehen muss. China wei genau, dass es ohne erneuerbare Energien nicht den Hauch einer Chance auf Wachstum hat, und investieren da Unsummen.

lesung monika maron Bitterfelder Bogen auszug 3:Im Herbst 2005 ging Q-Cells an die Brse. Solaraktien standen damals hoch im Kurs, ihr Wert hatte sich im Jahr davor sensationell erhht, und so floss mehr Geld als erwartet in die Kassen von Q-Cells, seiner Grnder und aller, die Q-Cells mit aufgebaut hatten und auch in Aktienanteilen bezahlt worden waren. Uwe Schmorl habe ich gefragt, ob stimme, was man mir erzhlt hat, nmlich dass er Millionr sei. Klar, hat Uwe gesagt. Und das gilt nicht nur fr ihn, sondern fr einige

Bitterfelder, Wolfener und Thalheimer, sofern sie ihre Gewinne rechtzeitig gesichert und nicht in den Strudel der Krise haben ziehen lassen. Reiner Lemoine grndete von seinen Millionen gemeinsam mit Anne Jatzkewitz im September 2006, drei Monate vor seinem Tod, die Reiner-Lemoine-Stiftung, die in ihrer Satzung als Zweck angibt: die Frderung der Wissenschaft und Forschung, der Bildung und Erziehung sowie der Entwicklungshilfe im Bereich der regenerativen Energien.

Mit allerletzter Kraft, sagt Anne, hat Reiner das Konzept fr die Stiftung entworfen. Zuerst htten sie berlegt, ob sie das ganze Geld in die Entwicklungshilfe investieren sollten, htten dann diesen Gedanken aber wieder verworfen. Reiner wollte angehenden Ingenieuren, denen die Industrie attraktive und gut bezahlte Stellen bot, ein ebenso verlockendes Angebot machen, mit dem er sie auf die Seite der Forschung in seiner Sache, fr die regenerative Energie, ziehen konnte. Die Reiner-Lemoine-Stiftung vergibt in jedem Jahr

acht Promotions-Stipendien, dotiert mit monatlich zweitausend Euro ber drei Jahre. Sie frdert Projekte zur regenerativen Energie in Schulen, vor allem auch zur besseren Energieversorgung in den Entwicklungslndern. Mit sieben Solarmodulen kann in Indien ein Krankenhaus mit Licht versorgt werden, sagt Clemens Triebel, der, wie auch Paul Grunow, zum Kuratorium der Stiftung gehrt. Wir sitzen am Frhstckstisch in Annes Kche. Clemens erzhlt von dem kleinen Verein, der soziale Einrichtungen in Entwicklungslndern

29 Podiumsdiskussion

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

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Podiumsdiskussion 30

1941 1981 1988 Seit 1993 Verffentlichungen Monika Maron, Autorin

Geboren in Berlin Verffentlichung des Romans Flugasche bersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland Lebt und arbeitet in Berlin Romane: Flugasche, Die berluferin, Stille Zeile sechs, Animal triste, Pawels Briefe. Eine Familiengeschichte, Endmornen, Ach Glck; Essaybnde; zuletzt erschien die Reportage Bitterfelder Bogen Kleist-Preis 1992, Friedrich-Hlderlin-Preis der Stadt Homburg 2003, Deutscher Nationalpreis 2009

Klaus Schlter, Teilnehmer Podiumsdiskussion

Auszeichnungen

Wenn man genau guckt, dann ist heute der Mut zur Vernderung genauso gefordert wie damals vor 20 Jahren. Wir haben damals SO2 -Belastungen gehabt, heute ist die CO2 -Belastung so gro, dass man berlegt, das CO2 unter die Erde zu verpressen. Wir wissen, dass die Atommll-Problematik noch nicht gelst ist, und was die Biodiversitt anbetrifft, da gibt es noch arge Lcken und viel zu tun. Die Verletzlichkeit der Natur ist weiterhin da.

Monika Maron, Teilnehmerin Podiumsdiskussion

Aus der Region ist keine entindustrialisierte Zone geworden, nicht das Experimentierfeld fr postindustrielle Lebensformen, wofr sich wohl auch eher die entvlkerten lndlichen Gebiete anbieten. Aber auer der Hoffnung, mit Photovoltaik eine neue Identitt als Wirtschaftsstandort zu gewinnen, hat Bitterfeld-Wolfen, so ungewohnt die Vorstellung auch ist, eine Zukunft als Erholungsgebiet fr die umliegenden Grostdte, fr Wanderer, Schwimmer, Segler, Radfahrer und Miggnger.

1939 1958 bis 1960 1960

Geboren in Jrnstorf bei Neubukow, Kreis Bad Doberan Lehre als Vermessungsfacharbeiter Verurteilung zu acht Monaten Haft wegen aktiver Beteiligung an einer aufrhrerischen Zusammenrottung Studium Geodsie an der Technischen Universitt Dresden Arbeit in der EDV-Projektierung und -Programmierung

Klaus Schlter, ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender des Umweltnetzwerks GRNE LIGA e. V.

Engagement im Naturschutz, Moorpflege, Grndung der Fachgruppe Stadtkologie in Schwerin 1989 Engagement in der Demokratiebewegung fr den Natur- und Umweltschutz, Mitglied der Initiativgruppe zur Grndung der GRNEN LIGA Vertreter der GRNEN LIGA am Zentralen Runden Tisch der DDR Minister ohne Geschftsbereich in der Modrow-Regierung, Beteiligung am Nationalparkprogramm der DDR Ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der GRNEN LIGA e. V. Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Umwelt im Landtag Mecklenburg-Vorpommern

1989 bis 1990 1990

Seit 1990 Auszug aus: Monika Maron, Bitterfelder Bogen. Ein Bericht. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2009 1991 bis 1994

mit Solaranlagen ausstattet, darunter ein Krankenhaus, zu dem ein Waisenhaus gehrt, in Bihar, Nordindien. Reiner wusste schon von dem Tumor in seinem Kopf, trotzdem reiste er fr drei Wochen mit nach Indien, gemeinsam mit seiner Tochter Anja, die inzwischen an der Technischen Universitt Berlin Energie- und Verfahrenstechnik studiert und zum Kuratorium der Reiner-Lemoine-Stiftung gehrt. In Bihar haben sie zwei kleine Solaranlagen fr die Beleuchtung aufgebaut, eine mit vier und eine mit drei Modulen, die kosteten

zusammen drei- bis viertausend Euro, die Leistung lag bei insgesamt achthundert Watt. Bei Q-Cells wurden damals schon die Zellen fr hundert Millionen Watt im Jahr produziert und dreistellige Millionenbetrge durch die Gegend geschoben, sagt Clemens. Er wolle damit sagen, dass es ein greres Erlebnis sein kann, so eine kleine Anlage zu errichten als eine ganze Solarfabrik, weil die Menschen, die bis dahin nur Kerzen hatten, sich so unglaublich gefreut haben. Und dann, wie schon ein paar Monate vorher an der windigen Ecke in

Schneberg, entwirft er wieder Plne fr Windparks und Solarfelder in der Wste und auf unbewohnten Inseln, wo es gengend Platz, Wind und Sonne gibt, um die ganze Welt mit Energie zu versorgen. Nur das Problem mit der Speicherung von Elektrizitt msse noch gelst werden. Daran arbeite er jetzt in seiner Forschungswerkstatt bei Solon, mit Batterien, zweimal so gro wie die Kche. Und das wird auch eine Erfolgsgeschichte, sagt Triebel.

Paul Grunow hat von seinem Q-Cells-Gewinn der Reiner-LemoineStiftung zugestiftet und forscht im Photovoltaik-Institut Berlin weiter an der Effektivitt von Dnnschicht- und Dickschichtmodulen, Holger Feist untersttzt junge Photovoltaik-Unternehmen ebenso wie Anne Jatzkewitz, die von ihrem Privatvermgen hoffnungsvollen Forschungsvorhaben auf die Sprnge hilft, wie sie es nennt, indem sie ihnen die Voraussetzungen fr eine Bankfrderung schafft.

31 Podiumsdiskussion

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

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Podiumsdiskussion 32

Katherina Reiche, Parlamentarische Staatssekretrin im Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

1973 1992 bis 1997 1995 bis 1996 Seit 1996 1997 bis 1998 Katherina Reiche, Parlamentarische Staatssekretrin im Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1997 Seit 1998 2002 bis 2005 2005 bis 2009

Geboren in Luckenwalde, Brandenburg Studium der Chemie an der Universitt Potsdam Studienaufenthalt an der Clarkson University, New York, USA Mitglied der CDU Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universitt Potsdam Forschungsaufenthalt an der Universitt Turku, Finnland Mitglied des Deutschen Bundestages, CDU/CSU-Fraktion Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Stellv. Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zustndig fr die Bildungs- und Forschungspolitik sowie fr die Bereiche Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Parlamentarische Staatssekretrin im Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Ostdeutschland ist heute eine Referenzregion fr moderne, zukunftsweisende Umwelttechnik und saubere TechnologienDie Parlamentarische Staatssekretrin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche, schilderte im Rahmen der Pressekonferenz sowie in ihrem Schlusswort der Tagung 20 Jahre Umweltunion eine Erfolgsgeschichte der Deutschen Einheit die erfolgreiche Entwicklung der neuen Bundeslnder. Diese sei in entscheidendem Mae der konstruktiven und engagierten Zusammenarbeit aller Beteiligten zu verdanken, so Frau Reiche.

Seit 29.10.2009

Katherina Reiche, Pressekonferenz und Abschlussrede

In den 20 Jahren seit der Wiedererlangung der Deutschen Einheit ist in Ostdeutschland eine Wissenschafts- und Innovationslandschaft gewachsen, die weit ber die Grenzen Berlins, Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns,

Sachsen-Anhalts, Sachsens und Thringens hinaus wirkt. Die Umweltsanierung in den neuen Lndern hat den Weg zum wirtschaftlichen Strukturwandel geebnet und sichert Beschftigung. Ostdeutschland ist heute in vielen Bereichen eine Referenzregion fr moderne, zukunftsweisende Umwelttechnik und saubere Technologien, die auch international groe Beachtung findet. Unser Veranstaltungsort die Stadt Bitterfeld-Wolfen ist ein hervorragendes Beispiel fr einen gelungenen Strukturwandel.

Die erreichte hohe Umweltqualitt in Ostdeutschland berechtigt heute ohne Zweifel, von blhenden Landschaften zu sprechen, wie sie Helmut Kohl in seiner Fernsehansprache am 1. Juli 1990 prophezeit hat, als zeitgleich mit der Whrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion auch die Umweltunion hergestellt wurde, die wir zum Thema unserer Konferenz gemacht haben. Es war keine romantische Vision, sondern ein realistisches Ziel, untersetzt mit

konkreten Manahmen, das durch das Zusammenwirken aller zum Erfolg gefhrt werden konnte. Die Aufarbeitung der Umweltlasten der neuen Lnder ist eine Generationenaufgabe, aber sie ist eine lohnende Investition in die Zukunft. Auch der daran anknpfende internationale Austausch ber Umweltsanierung und Umweltinnovation im Kreis von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt ist von groem Wert.

Der Aufstieg von Q-Cells zum Weltkonzern gehrte in der Konsequenz zu Reiner Lemoines Vision von einer sauberen Energiequelle, die auch den entlegensten Ort mit Elektrizitt versorgen kann. Aber, sagt Anne, er wre sicher nicht mehr dabei. Er htte etwas Neues angefangen. Vielleicht muss das so sein; vielleicht ist der Geist, der Q-Cells hervorgebracht hat, der Grndergeist, das Glck der gemeinsamen Arbeit am Richtigen, das Uwe Schmorl verzweifelt gegen die Macht

des Faktischen verteidigt, vielleicht ist dieser Geist nicht vereinbar mit der Welt der groen Konzerne, der bernahmen und Fusionen, des Zwangs zum Wachstum und zu steigenden Gewinnen. Er ist die Vision, das Wagnis, die Inspiration, die Leidenschaft, und wenn die Vision zur Wirklichkeit geworden ist, zieht er sich zurck und fngt von vorn an. Auszge aus: Monika Maron, Bitterfelder Bogen. Ein Bericht. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2009

33 Podiumsdiskussion

Konferenzdokumentation 20 Jahre Umweltunion

Gruwort: Petra Wust, Oberbrgermeisterin der Stadt Bitterfeld-Wolfen

Wir haben hier den Bogen raus1952 1968 bis 1970 1970 bis 1973 1973 bis 1981 1981 Petra Wust, Oberbrgermeisterin der Stadt Bitterfeld-Wolfen Geboren in Wolfen Lehre im VEB Chemiekombinat Bitterfeld; Abschluss Facharbeiter fr EDV Organisationsassistentin im VEB Chemiekombinat Bitterfeld Sachbearbeiter, spter Sektorenleiter bei der staatlichen Versicherung Abschluss als Diplom-Betriebswirtin nach dem Studium an der Fachschule fr Finanzwirtschaft in Gotha Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Volkseigenen Betrieb (VEB) Filmfabrik Wolfen Abschluss als Diplom-Ingenieur konom nach Studium an der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg Carl Schorlemmer Finanzdezernentin in der Stadtverwaltung WolfenAllgemeine Vertreterin des Oberbrgermeisters Oberbrgermeisterin der Stadt Wolfen

1981 bis 1990 1988

1990 bis 2003 2001 bis 2003 2003 bis 2007 Seit 2007

Oberbrgermeisterin der Stadt Bitterfeld-Wolfen

Ich bin zugegebenermaen schon stolz, dass diese Fachkonferenz zum 20-jhrigen Bestehen der Umweltunion in Bitterfeld-Wolfen stattfindet, aber ich bin auch nicht erstaunt darber. Denn Bitterfeld-Wolfen ist die Stadt des Wandels. Wir sind das Gesicht der Wende. Die Wende brachte fr diese stark belastete Region einen kaum beschreibbaren Strukturwandel. kologisch und konomisch gesehen war die Region Bitterfeld-Wolfen vor 20 Jahren an einem Tiefpunkt angelangt, an dem nichts mehr ging. Die Technologien waren hoffnungslos veraltet und nahmen keine Rcksicht auf das Leben, die Menschen, die Natur. Umweltschutz gab es nur auf dem Papier. Durch Monika Marons erstes Werk ber unsere Stadt, Flugasche, rckten unsere Probleme in das Licht der ffentlichkeit. berall sprach man von der dreckigsten Stadt Europas. Aus heutiger Sicht brachte uns die Wende im wahrsten Sinne des Wortes die Luft zum Atmen. Wir hatten die Kraft und den festen Willen, umzugestalten, zu verndern, umzustrukturieren und zu wandeln. Ehrlich gesagt, hatten wir auch gar keine andere Wahl. Wir waren dazu bestimmt, neue, ungewohnte Wege zu gehen. Wir hatten gar keine Zeit, unsere Wunden zu lecken, in Selbstmitleid zu erstarren, sondern wir mussten uns weiterentwickeln. Die Wende brachte Schlieungen, Abbau und Entlassungen in den Grokombinaten in einer Grenordnung, die erschauern lie und entsetzlich wehtat. Der Schnitt war abrupt und hart. All dies haben die Menschen hier

gemeinsam berstanden, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich nach der Wende schon bald zeigte, dass dieser historische Industrie- und Chemiestandort nicht dem Verfall preisgegeben werden sollte. Durch die Privatisierung des Chemieareals fanden schon bald groe und kleine Unternehmen hier ihr zuhause. Ein Lichtblick war die Ansiedlung von Bayer. Mit Bayer kam die Hoffnung auf Arbeit und wirtschaftliche Erfolge. Made in Bitterfeld-Wolfen ist heute ein Synonym fr hervorragende Entwicklungen, fr Innovationen, fr qualitativ hochwertige Produkt- und Dienstleistungsangebote. Gelernt haben wir auch im Bereich des Umweltschutzes. Auch hier nehmen wir heute eine Vorreiterrolle ein. Wir haben Erfahrungen in der Bewltigung von Altlasten. Zwei Jahrzehnte kmpfen wir bereits erfolgreich mit den alten Wunden und nach und nach verheilen diese. Auch wenn wir unsere Vergangenheiten nie endgltig abstre