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BUCHBESPRECHUNGEN ERNST NOLTE DER FASCHISMUS IN SEINER EPOCHE R. Piper 8c Co Verlag, München 1963. 633 S., Ln. 35,— DM. Die Zahl der Darstellungen, die sich um eine Erklärung der Phänomene Faschismus und Nationalsozialismus bemühen, ist schon beinahe ins Uferlose angewachsen. Daß die- sen Problemen dennoch neue und bislang ver- nachlässigte Aspekte abzugewinnen sind, be- weist die Untersuchung von Ernst Nolte. Nolte zeigt, daß die Parallelen zwischen bestimmten politischen Bewegungen in ver- schiedenen europäischen Ländern eine gemein- same Bezeichnung rechtfertigen, daß also der Begriff Faschismus nicht isoliert für Italien gebraucht werden sollte. Aus methodischen wie aus sachlichen Gründen beschränkt er je- doch seine Analyse auf die Action francaise, weil hier die früheste Form faschistischer Ideo- logie vorliegt, und auf Deutschland und Italien, weil nur in diesen beiden Ländern faschistische Bewegungen „relativ selbständig zum Siege“ gelangten (S. 41). Nolte erkennt den bisher geübten Unter- suchungsmethoden zwar durchaus ihren Platz zu, hält aber seine „phänomenologische“ Me- thode für am besten geeignet, nicht nur Lehre und Geschichte der faschistischen Be- wegungen, sondern auch deren Verhältnis zur bürgerlichen Gesellschaft einerseits und zum Bolschewismus andererseits klären zu können (S. 58). Er distanziert sich damit völlig zu Recht von der psychoanalytischen Betrach- tungsweise, die vor allem den Stil und die Methoden des Faschismus darstellt (S. 47), damit aber die politischen und sozialen Ziele des Faschismus außer acht läßt und auch nicht zu erklären vermag, unter welchen kon- kreten politischen und gesellschaftlichen Be- dingungen eine faschistische Bewegung Er- folgsaussichten haben kann. Ebenso wenig aber können diese Fragen beantwortet werden, wenn vorwiegend der geistige Werdegang und die psychische Struktur der jeweiligen Füh- rerpersönlichkeiten, hier also von Maurras, Mussolini und Hitler, und deren „Lehren“ analysiert und miteinander verglichen wer- den — ein Einwand, der gegen die Methoden Noltes vermerkt werden soll. Sicherlich hat Nolte recht, wenn er der sozialen Zusammensetzung der faschistischen Anhängerschaft nur eine beschränkte Bedeu- tung zuerkennt, doch würde eine soziologische Analyse nicht nur diese Frage zu stellen ha- ben, sondern auch die Frage, welche objektive Funktion ein faschistisches Herrschaftssystem in der Gesellschaft hat; denn der sozialen Zusammensetzung nach ist der Faschismus zwar im wesentlichen eine kleinbürgerliche Be- wegung mit durchaus auch sozialistischen Ele- menten; die von Hitler und Mussolini wirk- lich getriebene Politik hingegen hat nach der Machtergreifung keineswegs die Ziele dieses Kleinbürgertums verwirklicht, sondern, wo diese sich geltend zu machen drohten, sie mit Gewalt niedergehalten: es sei nur auf die Be- strebungen der sogenannten „zweiten Revolu- tion“ 1933/34 hingewiesen. Andererseits vermerkt Nolte durchaus, daß sowohl die Situation, aus der eine politische Bewegung erwächst, als auch die politischen Zwecke, zu denen sie sich bekennt, als auch ihr „Substrat“ untersucht werden müssen, und lehnt daher den heute sehr beliebten Begriff „Totalitarismus“, der eine Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus beinhaltet, ab (S. 34). Wenn Nolte schließlich den Faschis- mus bestimmt als „Antimarxismus, der den Gegner durch die Ausbildung einer radikal entgegengesetzten und doch benachbarten Ideo- logie und die Anwendung von nahezu iden- tischen und doch charakteristisch ungeprägten Methoden zu vernichten trachtet“, so wird zwar deutlich, daß es sich bei Faschismus und Marxismus um radikale Gegner handelt, doch bleibt diese Beschreibung rein formal und be- zieht die — letztlich wichtigeren — inhalt- lichen Unterschiede, nämlich die völlig ent- gegengesetzten politischen und sozialen Ziel- setzungen, nicht ein. Deutlicher als in dieser Definition wird die wirkliche Funktion einer faschistischen Bewe- gung in den historischen Untersuchungen des Buches dargestellt. Schon bei der Action fran-. caise zeigt sich, daß der ideologische Kern die kämpferische Opposition gegen jene hi- storische Entwicklung ist, die mit der Aufklä- rung begonnen hat und die allgemein als Emanzipation, als geistiges und politisches Mündigwerden der europäischen Völker ge- kennzeichnet werden kann. Da in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Arbeiter- bewegung der Träger dieses Emanzipations- gedankens war, versucht der radikale Kon- servatismus, eine der geistigen Wurzeln der Action frangaise, „der Arbeiterbewegung durch Forcierung des eigenen Kampfes gegen die bürgerliche Welt den Wind aus den Se- geln zu nehmen und an die Stelle des Haß- bildes des Kapitalisten ein eigenes Haßbild, den Juden zu setzen“. (S. 84) (Die geistige Verwandtschaft zwischen konservativen Be- wegungen und Faschismus ist für die Zeit der Weimarer Republik von Sontheimer in seinem Buch über „Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik“ überzeugend nachgewie- sen worden.) Dieser Kampf gegen Demokratie, Parlamentarismus und Sozialismus, für „Va- terland“, „Ordnung“, „Autorität“ und „Ge- samtinteresse“ wird unterstützt von den kon- servativen Mächten der Armee, der Kirche und des konservativen Bürgertums. Offene 500

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fenomenología epoche

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  • BUCHBESPRECHUNGEN

    ERNST NOLTEDER FASCHISMUS IN SEINER EPOCHER. Piper 8c Co Verlag, Mnchen 1963. 633 S., Ln. 35, DM.

    Die Zahl der Darstellungen, die sich umeine Erklrung der Phnomene Faschismusund Nationalsozialismus bemhen, ist schonbeinahe ins Uferlose angewachsen. Da die-sen Problemen dennoch neue und bislang ver-nachlssigte Aspekte abzugewinnen sind, be-weist die Untersuchung von Ernst Nolte.

    Nolte zeigt, da die Parallelen zwischenbestimmten politischen Bewegungen in ver-schiedenen europischen Lndern eine gemein-same Bezeichnung rechtfertigen, da also derBegriff Faschismus nicht isoliert fr Italiengebraucht werden sollte. Aus methodischenwie aus sachlichen Grnden beschrnkt er je-doch seine Analyse auf die Action francaise,weil hier die frheste Form faschistischer Ideo-logie vorliegt, und auf Deutschland undItalien, weil nur in diesen beiden Lndernfaschistische Bewegungen relativ selbstndigzum Siege gelangten (S. 41).

    Nolte erkennt den bisher gebten Unter-suchungsmethoden zwar durchaus ihren Platzzu, hlt aber seine phnomenologische Me-thode fr am besten geeignet, nicht nurLehre und Geschichte der faschistischen Be-wegungen, sondern auch deren Verhltnis zurbrgerlichen Gesellschaft einerseits und zumBolschewismus andererseits klren zu knnen(S. 58). Er distanziert sich damit vllig zuRecht von der psychoanalytischen Betrach-tungsweise, die vor allem den Stil und dieMethoden des Faschismus darstellt (S. 47),damit aber die politischen und sozialen Zieledes Faschismus auer acht lt und auchnicht zu erklren vermag, unter welchen kon-kreten politischen und gesellschaftlichen Be-dingungen eine faschistische Bewegung Er-folgsaussichten haben kann. Ebenso wenig aberknnen diese Fragen beantwortet werden,wenn vorwiegend der geistige Werdegang unddie psychische Struktur der jeweiligen Fh-rerpersnlichkeiten, hier also von Maurras,Mussolini und Hitler, und deren Lehrenanalysiert und miteinander verglichen wer-den ein Einwand, der gegen die MethodenNoltes vermerkt werden soll.

    Sicherlich hat Nolte recht, wenn er dersozialen Zusammensetzung der faschistischenAnhngerschaft nur eine beschrnkte Bedeu-tung zuerkennt, doch wrde eine soziologischeAnalyse nicht nur diese Frage zu stellen ha-ben, sondern auch die Frage, welche objektiveFunktion ein faschistisches Herrschaftssystemin der Gesellschaft hat; denn der sozialenZusammensetzung nach ist der Faschismus

    zwar im wesentlichen eine kleinbrgerliche Be-wegung mit durchaus auch sozialistischen Ele-menten; die von Hitler und Mussolini wirk-lich getriebene Politik hingegen hat nach derMachtergreifung keineswegs die Ziele diesesKleinbrgertums verwirklicht, sondern, wodiese sich geltend zu machen drohten, sie mitGewalt niedergehalten: es sei nur auf die Be-strebungen der sogenannten zweiten Revolu-tion 1933/34 hingewiesen.

    Andererseits vermerkt Nolte durchaus, dasowohl die Situation, aus der eine politischeBewegung erwchst, als auch die politischenZwecke, zu denen sie sich bekennt, als auchihr Substrat untersucht werden mssen, undlehnt daher den heute sehr beliebten BegriffTotalitarismus, der eine Gleichsetzung vonFaschismus und Kommunismus beinhaltet, ab(S. 34). Wenn Nolte schlielich den Faschis-mus bestimmt als Antimarxismus, der denGegner durch die Ausbildung einer radikalentgegengesetzten und doch benachbarten Ideo-logie und die Anwendung von nahezu iden-tischen und doch charakteristisch ungeprgtenMethoden zu vernichten trachtet, so wirdzwar deutlich, da es sich bei Faschismus undMarxismus um radikale Gegner handelt, dochbleibt diese Beschreibung rein formal und be-zieht die letztlich wichtigeren inhalt-lichen Unterschiede, nmlich die vllig ent-gegengesetzten politischen und sozialen Ziel-setzungen, nicht ein.

    Deutlicher als in dieser Definition wird diewirkliche Funktion einer faschistischen Bewe-gung in den historischen Untersuchungen desBuches dargestellt. Schon bei der Action fran-.caise zeigt sich, da der ideologische Kerndie kmpferische Opposition gegen jene hi-storische Entwicklung ist, die mit der Aufkl-rung begonnen hat und die allgemein alsEmanzipation, als geistiges und politischesMndigwerden der europischen Vlker ge-kennzeichnet werden kann. Da in der zweitenHlfte des 19. Jahrhunderts die Arbeiter-bewegung der Trger dieses Emanzipations-gedankens war, versucht der radikale Kon-servatismus, eine der geistigen Wurzeln derAction frangaise, der Arbeiterbewegungdurch Forcierung des eigenen Kampfes gegendie brgerliche Welt den Wind aus den Se-geln zu nehmen und an die Stelle des Ha-bildes des Kapitalisten ein eigenes Habild,den Juden zu setzen. (S. 84) (Die geistigeVerwandtschaft zwischen konservativen Be-wegungen und Faschismus ist fr die Zeit derWeimarer Republik von Sontheimer in seinemBuch ber Antidemokratisches Denken in derWeimarer Republik berzeugend nachgewie-sen worden.) Dieser Kampf gegen Demokratie,Parlamentarismus und Sozialismus, fr Va-terland, Ordnung, Autoritt und Ge-samtinteresse wird untersttzt von den kon-servativen Mchten der Armee, der Kircheund des konservativen Brgertums. Offene

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  • BUCHBESPRECHUNGEN

    Terrorakte werden von der Staatsgewalt ge-duldet.

    Die Parallelen zum italienischen Faschis-mus und zum Nationalsozialismus sind in derTat erstaunlich. In Italien terrorisiert einebewaffnete Parteiarmee das Land, brennt Ge-werkschaftshuser nieder, zerschlgt Arbeits-kammern und andere sozialistische Institutio-nen, gleichgltig ob sie Reformisten oderKommunisten gehren (S. 255 ff); das allestoleriert von der Staatsgewalt, finanziert undaktiv untersttzt von den konservativen ber-schichten und der Industrie; das alles nichtetwa zur Abwehr einer drohenden kommu-nistischen Revolution, sondern zur gewaltsa-men Niederwerfung der von breiten Bevl-kerungsschichten getragenen Arbeiterbewe-gung. Nach der Machtergreifung folgte dievllige Entrechtung der Arbeitnehmer, wennauch der Gesamtproze der faschistischenDurchdringung des Staates hier viel langsamerverlief als in Deutschland.

    In Deutschland konnte 1932/33 von einerdrohenden kommunistischen Gefahr noch vielweniger die Rede sein als in Italien (vgl.S. 415), dennoch kam Hitler mit der anti-marxistischen Parole an die Macht, untersttztvon den konservativen Mchten (S. 417 f).

    Freilich entwickelt die faschistische Bewe-gung, wenn sie an der Macht ist, ein gewissesEigengewicht und kann durchaus in Gegensatzzu den Konservativen, ihren frheren Ver-bndeten, geraten (S. 274); freilich kann sichdann der faschistische Terror auch gegen br-gerliche und kirchliche Gruppen richten, diedann gegen die faschistische Herrschaft auf-begehren. Dies gilt allerdings in viel strke-rem Mae fr Deutschland als fr Italien(vgl. S. 282), wo Terror und Vernichtungs-politik nie jenes Ausma angenommen haben,das den Nationalsozialismus auszeichnet. Dementspricht die Tatsache, da Widerstand gegenden faschistischen Staat am frhesten undheftigsten von den Kommunisten und baldauch von Sozialdemokraten und berzeugtenChristen geleistet wurde, whrend die kon-servativen Krfte, wenn berhaupt, sich erstspt zu Widerstandshandlungen entschlossenhaben (vgl. S. 439).

    So liefert das Buch eine Flle von Infor-mationen und Anregungen. Nolte hat damitder Forschung ber die Zusammenhnge zwi-schen den einzelnen faschistischen Bewegun-gen der europischen Lnder gleichsam einenRahmen abgesteckt. Da sich sein Ansatz ei-ner vergleichenden Betrachtung als fruchtbarerweist, ist mit diesem Buch nachgewiesen.Wnschenswert wre allerdings eine strkereBercksichtigung der realsoziologischen As-pekte des Faschismusproblems, da sich sonstallzu leicht die irrige Folgerung aufdrngt,mit Mussolini und Hitler sei der Faschismusein fr allemal zu Grabe getragen.

    Reinhard Khnl

    KARL OTTO HONDRICHDIE IDEOLOGIENVON INTERESSENVERBNDENEine strukturell-funktionale Analyse ffentlicher ue-rungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie,der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-bnde und des Deutschen Gewerkschaftsbundes. VerlagDuncker & Humblot, BerlinMnchen 1963, 190 S.,brosch. 24,60 DM.

    Ein Buch wie das von Hondrich war lngstberfllig, weil es an der Zeit ist, die Rolleder Verbnde in Gesellschaft, Wirtschaft undStaat grndlicher zu durchleuchten, als es bis-her geschehen ist. Die bisherige Diskussionwurde hauptschlich von Staatsrechtlern undPolitologen, viel zuwenig aber von Sozio-logen und Wirtschaftswissenschaftlern getra-gen. Sie trat berwiegend von auen andas Wirken der Interessenorganisationen heranund das Ergebnis der Untersuchungengipfelte hufig in dem Satz; die Verbndedrften kein Staat im Staate sein.

    Hondrich geht demgegenber von demffentlich erklrten Wollen der Verbndeselbst aus, unternimmt es also, ihr Handelnimmanent zu erklren und mit den Mittelnder Wissenssoziologie und Ideologiekritik zusezieren. Er analysiert im ersten Teil seinesBuches die Begrndungen des Verbandshan-delns sowie die Bedingungen und Grenzen derOrganisationsaktivitt, sucht im zweitenTeil die Ideologien der Bundesvereinigungder Deutschen Arbeitgeberverbnde (BDA),des Bundesverbandes der Deutschen Industrie(BDI) und des Deutschen Gewerkschaftsbun-des zu schildern, um schlielich im dritten Teildie Funktionen der Verbandsideologien zubetrachten. Seine Darstellung wird in ihrenErgebnissen vielfach ebenso lebhafte Zu-stimmung finden, wie sie in ihrer Anlage auchzur Kritik herausfordert.

    Hondrich weist darauf hin, da die Ver-bnde sowohl Interessen bilden (nach innen)als auch Interessen vertreten (nach auen),da die Funktionre sich mit dem Verbandidentifizieren, ihre Interessen mit den sei-nen untrennbar verwachsen und die Ver-bandsorganisation der unteren Schichten derGesellschaftspyramide den institutionellenRahmen fr den sozialen Aufstieg von be-fhigten Angehrigen dieser Schichten (S. 39)bildet. Er sieht richtig, da die Verbndedurch die offene Austragung von Konflik-ten . .. einerseits den sozialen Wandel voran-treiben) und andererseits zur sozialen Inte-gration und Stabilitt bei(tragen) (S. 45).

    Der Gewerkschafter wird insbesondere auchdie Kapitel mit Gewinn lesen, in denen Hon-drich anhand ihrer ffentlichen uerungenuntersucht, was BDA und BDI als ihr Men-schenbild bezeichnen, welches Bild von Wirt-schaft und Gesellschaft sie entwerfen und wiedemgegenber die Vorstellungen des DGBaussehen.

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  • Die recht ausfhrliche Darstellung, dieHondrich in diesem Zusammenhang der Lohn-Preis-Debatte widmet, darf des uneinge-schrnkten Interesses jedes Gewerkschafterssicher sein. Hondrich kommt hierbei zu demErgebnis, da in der Auseinandersetzung umdie Verteilung des Sozialprodukts... dieSeite das Gehr des grten Teils der publi-zistischen Trger der ffentlichen Meinung ge-funden (habe), die mit dem Ziel der ,Ver-sachlichung der Lohnpolitik' und der Beru-fung auf die ,volkswirtschaftlichen Zusammen-hnge' gegen die ,marktpolitischen Bestre-bungen' der Gewerkschaften ins Feld zog(S. 122) und da diese Auseinandersetzungnicht zwischen zwei gleich begnstigten Kon-trahenten vor sich geht, sondern zwischeneinem durch die politische Ordnung bevor-zugten und einem benachteiligten (S. 151).

    Was der Verfasser im dritten Teil ber dieGemeinsamkeiten und Unterschiede in derIdeologie von BDA, BDI und DGB sagt,und welche ordnungspolitischen Folgerungener daraus zieht, kann hier nur angedeutet,sollte aber besonders kritisch berdacht wer-den. Nachdem Hondrich schon an einer frhe-ren Stelle (S. 78) behauptet hatte, der DGBhabe kein klares Bekenntnis zu einer bestimm-ten Wirtschaftsverfassung abgelegt, wie BDAund BDI es zur sozialen Marktwirtschaft ge-tan haben, schlufolgert er hier, da nacheiner Analyse der DGB-Ideologie nicht dieRede von einer ,Tendenz . .., die ganze Welt.. . umzugestalten' sein kann (S. 166). Demkonservativen Element, das sich im Bekennt-nis zur Bundesrepublik, zur Demokratie undzur Wettbewerbswirtschaft uert, kommt da-bei die ... Funktion zu, als Voraussetzung derPopularisierung eine Anpassung der Gewerk-schaftsideologie an die konservative gesamt-gesellschaftliche Ideologie, die der sich stabili-sierenden Gesellschaft entspricht, zu vollzie-hen. Abschlieend kommt er zu dem Ergeb-nis, da die Ideologien der drei groen Ver-bnde auf die Abschwchung von sozialenKonflikten und die Erhaltung des Status quohinwirken (S. 174).

    Diese Deutung schiebt den fundamentalenUnterschied zwischen BDA und BDI einer-seits die den Status quo wirklich erhal-ten und restaurativ verfestigen wollen unddem DGB andererseits, der die gegenwrtigeWirtschafts- und Gesellschaftsordnung vern-dern will, bedenkenlos beiseite. Dieser undandere Irrtmer mgen teilweise daraus zuerklren sein, da Hondrich bei Abschlu sei-nes Buches das neue Grundsatzprogramm derGewerkschaften noch nicht kannte. Vor allemaber rhren sie aus dem falschen Ansatz sei-ner Analyse her. In ihr wird der DGB alsein Interessenverband gleicher Art gesehenwie BDA und BDI. Hondrich zitiert zwarwiederholt Alfred Weber und entsprechendegewerkschaftliche uerungen, aus denen her-

    vorgeht, da Gewerkschaften eben mehr undanderes sind als bloe Interessenverbnde,ohne aber fr seine Darstellung daraus dieerforderlichen Konsequenzen zu ziehen. DieUrsache seiner Fehlinterpretation scheint mirneben anderem daraus entstanden zu sein,da er das Interesse, von dem sich dieVerbnde leiten lassen, nicht nher definiertund bei seinen Untersuchungen bis aufwenige Schlukapitel von einem Ideologiebe-griff ausgeht, der im Grunde keiner ist. Ererklrt nmlich zu Beginn, das Wort Ideo-logie solle keinen Vorwurf ausdrcken, son-dern nur die fr die ffentlichkeit bestimm-ten uerungen bezeichnen (S. 10).

    Dieser Ansatz mu dann aber dazu fhren,die grundstzlichen Unterschiede zwischenDGB und den Interessenverbnden der Wirt-schaft zu verwischen. Was als Ideologievon BDA und BDI auch bei Hondrich in Er-scheinung tritt, ist das Bild einer liberalenWirtschaft und Gesellschaft. Dieses Bildstimmt aber nicht mit der Wirklichkeit ber-ein, da Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zuwesentlichen Teilen noch andere Struktur- undWesenselemente aufweisen als die liberalen.Indem aber BDA und BDI so tun, als obihr Bild das der Wirklichkeit wre, und hart-nckig versuchen, den DGB darauf festzu-legen, wird ihr Bild zur Ideologie, also zufalschem Bewutsein. Hondrich leistet zwarin Teilen seines Buches ausgezeichnete Bei-trge, um die Ideologien der Wirtschaftsver-bnde als falsches Bewutsein zu entlarvenund darzulegen, da ihre Funktion darinbesteht, Herrschaftsstrukturen zu verschleiern(S. 11); er schmlert die berzeugungskraftseiner Argumente aber dadurch, da er dieGewerkschaften mit BDA und BDI in diegleiche Ebene stellt.

    Schade auch, da sein Buch durch das Be-griffschinesisch belastet ist, von dem sich diemoderne Wissenssoziologie offenbar nicht zubefreien vermag. Unbeschadet dieser undanderer Einwnde mchte ich die Unter-suchung jedem empfehlen, der sich um denStandort der Gewerkschaften Gedanken macht.

    Dr. Kurt Hirche

    LUDWIG VON FRIEDEBURGSOZIOLOGIE DES BETRIEBSKLIMASStudien zur Deutung empirischer Untersuchungen inindustriellen Grobetrieben. Frankfurter Beitrge zurSoziologie, Band 13. Europische Verlagsanstalt, Frank-furt a. M. 1963. 144 S., Ln. 20, DM.

    Nach der Funktion des Betriebsklimas imIndustriebetrieb als gesellschaftlicher Institu-tion und nach dem Stellenwert subjektiverEinstellungen und Verhaltensweisen fr dieSoziologie des Betriebes fragt von Friedeburgin der vorliegenden Studie. Gegen Knig, derdie Arbeitsorganisation des Betriebes fr ein

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  • BUCHBESPRECHUNGEN

    unabhngiges Sozialsystem hlt, behaupteter, erst die Reflexion auf das Verhltnis vonIndustriebetrieb und Gesellschaft erlaube es,den Aspekt, unter dem sich die soziale Wirk-lichkeit industrieller Arbeit der Sozialfor-schung erschliet, hinreichend zu charakterisie-ren. Von Friedeburg will die objektiven Be-dingungen und Funktionen der subjektivenErwartungen und Reaktionen der Arbeiten-den untersuchen. Seiner Auffassung nach be-grnden die gesellschaftlichen Produktions-und Herrschaftsverhltnisse die Spannungzwischen Produktivitt und sozialen An-sprchen, die erst durch den Interessenkon-flikt um den Ertrag und die Herrschaftsor-ganisation der industriellen Arbeit entstehtund mit dessen historischer Vernderung sichwandelt (S. 14).

    Von der Betriebsklima-Ideologie hlt ernichts. Gerade die Aufmerksamkeit, die densozialen Problemen industrieller Arbeit zuteilwurde, liee die Dominanz gesellschaftlicherStrukturvernderungen erkennen, in denen dieProletarier zu Teilhabern am Wohlfahrtsstaatverwandelt wrden. Die sogenannte Ent-deckung des ,Faktor Mensch' im Betrieb trugdieser Entwicklung Rechnung, ohne ihre ge-sellschaftlichen Ursachen zu erkennen. Sie lei-stete so . . . der Ideologie von der Betriebs-familie Vorschub, in der unberhrt von denProduktions- und Herrschaftsverhltnissen inder Gesellschaft die ,Logik der Kosten' unddie ,Logik der Leistung' mit der ,Logik derGefhle', also der konomische, technischeund soziale Aspekt des Betriebes, in Einklangzu bringen sei (S. 20).

    In den Arbeitskonflikten der Gegenwartginge es heute um Sicherung des Beschfti-gungsverhltnisses, Humanisierung der Ar-beitsbedingungen, ,Demokratisierung' der be-trieblichen Herrschaftsverhltnisse und auch,aber eben nicht allein oder vornehmlich umhhere Lhne (S. 50). Allerdings wrden dieFaktoren des Betriebsklimas nicht unver-mittelt sichtbar, sie erschienen vielmehr unterdem partikularen Aspekt der unmittelbarenArbeitsumgebung. Diese verschleiernde Funk-tion der innerbetrieblichen Atmosphrefordere zur Manipulation durch human-re-lation-Manahmen geradezu heraus. Dajedoch dabei als Ursache behandelt wird, wasin Wahrheit Folge des verdeckten Interessen-konfliktes ist, knnen derartige Manahmenauf die Dauer ihr Ziel nicht erreichen (S. 51).

    Aber nicht nur die Probleme der industriel-len Arbeit in der Fabrik selbst, sondern auchdie anderen Antagonismen der Gesellschaftbeeinflussen das Betriebsklima. So werdedas innerbetriebliche Problem leistungsge-rechter Lohnfindung durch die Diskrepanzzwischen den durch nivelliertes Warenange-bot erzeugten Bedrfnissen der Angehrigenunserer Gesellschaft und deren durchaus nichtnivellierten, sondern ungleichen Mglichkeiten,diese Bedrfnisse zu befriedigen, verschrft.

    Die stndig wachsenden Konsumwnsche derArbeiter lassen sich aus jenem objektivenWiderspruch einleuchtender erklren als auseiner angeblich vulgr materialistischen Ge-sinnung (S. 54).

    Von Friedeburg kommt zu dem Ergebnis,da das Betriebsklima kein selbstndigerFaktor im Betriebsgeschehen ist. Es vermagzwar, die aus innerbetrieblichen oder exter-nen, gesellschaftlichen Interessengegenstzenherrhrenden Spannungen zu mildern oder zuverschrfen. Doch weder beseitigt ein gutes,Betriebsklima' die Probleme der industriel-len Arbeit, noch schafft ein schlechtes neue,die nicht bereits durch die objektiven Verhlt-nisse vorgezeichnet wren (S. 73). Ein gutesBetriebsklima entsteht am ehesten durchstndige Verbesserung der objektiven betrieb-lichen Verhltnisse. Deshalb wrden alleBemhungen um die innerbetriebliche Stim-mung, die von dieser Erkenntnis ausgehen, imRahmen der bestehenden Produktionsverhlt-nisse sowohl den Interessen der Arbeiter undAngestellten wie den Interessen der Werks-leitung dienen, gerade weil sie den Interessen-gegensatz zwischen Arbeitnehmern und Mana-gement nicht ignorieren. Ohne sich in derLohnfrage zu erschpfen, kommt dieser In-teressengegensatz auch heute noch im Lohn-konflikt am deutlichsten zum Ausdruck (S. 75).

    Die kleine, aber gehaltvolle Studie ver-dient unsere ganze Aufmerksamkeit und An-erkennung. Ich habe das Buch mit Spannunggelesen. Von Friedeburg zeigt in ihm, wasempirische Sozialforschung leisten kann, wennsie sich nicht in bloer Stoffhuberei verliert,sondern sich an einer rationalen Theorie derGesellschaft orientiert. Dr. Wilfried Gottschalch

    F R I E D R I C H POLLOCKAUTOMATIONMaterialien zur Beurteilung ihrer konomischen undsozialen Folgen. Vollstndig berarbeitete Neuausgabe.Europische Verlagsanstalt, Prankfurt am Main 1964.420 S. Paperback 14,80 DM, Ln. 24, DM.

    Sieben Jahre nach ihrem ersten Erscheinenlegt Friedrich Pollock eine vollstndig ber-arbeitete und bedeutend erweiterte Neuaus-gabe seiner Schrift ber die konomischenund sozialen Folgen der Automation vor. DieErstausgabe hatte seinerzeit bei allen inter-essierten Kreisen auerordentliche Beachtunggefunden und bildete neben den Werken desverstorbenen Norbert Wiener und des Pa-riser Soziologen Friedmann eine der wichtig-sten Grundlagen fr die Automations-Diskus-sion, nicht zuletzt bei den Gewerkschaften.

    Seither hat die Automation in den USAgewaltige Fortschritte gemacht, ist in einenWirtschaftszweig nach dem anderen einge-drungen, so da heute bereits 40 vH alleramerikanischen Arbeiter und Angestellten di-rekt oder indirekt von ihr betroffen werden.

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  • Verbunden sind damit eine Vielzahl vonneuen Erfahrungen, von denen nicht wenigedie Voraussagen Pollocks aus dem Jahre 1956nur zu nachdrcklich besttigen, aber nichtminder nach einem neuen Durchdenken undVerarbeiten rufen.

    Dem hat sich Pollock nun unterzogen unddabei nicht nur die technische Entwicklung, dieschon recht differenziert gewordenen Automa-tionsmethoden und ihre Grundlagen wie dieneuen Anwendungsgebiete der Automationuntersucht, sondern entsprechend der Anlagedes gesamten Werkes vor allem die bishereingetretenen und insknftig zu erwartendenkonomischen und sozialen Folgen. Natrlichbezieht er sich dabei in erster Linie auf dieErfahrungen der amerikanischen Praxis unddie Debatten darber in parlamentarischenHearings und Symposien der Fachleute, denndie USA sind heute auf dem Gebiet der Auto-mation sowohl der Sowjetunion wie den west-und mitteleuropischen Industrielndern ummehr als ein Jahrzehnt voraus, ungeachteteiniger berragender Einzelleistungen wieetwa der sowjetrussischen automatischen Mo-torkolbenfabrik oder den Renault-Werken inParis. Diese mgen technisch erstaunlich sein,aber die wirtschaftlich und sozial bedeuten-den Folgen ergeben sich aus der Massierungder Automationsvorgnge, wie sie die USAheute erleben.

    Pollocks Skepsis gegenber den optimisti-schen Argumenten, wonach die Automationkeine wesentliche technologische Arbeitslosig-keit auslsen werde, ist durch die Entwick-lung in den USA als vollberechtigt erwiesenworden. Um so bemerkenswerter ist die Vor-sicht, mit der Pollock die weiteren Perspek-tiven des Automationszeitalters andeutet.Er bietet mit groer Objektivitt eine Doku-mentation ber alle bedeutsamen Auslassun-gen zu dieser Frage. So verweist er auf dieMehrheit der EWG-Autoritten, die im Ge-gensatz zu der hartnckigen Festlegung Bonnsauf die Marktwirtschaft die Vorbereitungplanwirtschaftlicher Methoden als eine Fragevon Leben oder Tod fr Europa ansehen(S. 353). Und wenige Zeilen spter bemerktPollock nach der Erwhnung des britischenGelehrten Tustin und seiner Errechnung neuerMethoden zur Stabilhaltung der Wirtschaft,da damit freilich der Marktautomatismusweitgehend ausgeschaltet werde. Pollock siehtauch die politischen Gefahren der Automa-tion und der durch sie hervorgerufenen Ver-nderungen in der Gesellschaftsstruktur. Wiewichtig es ist, sich darber klarzuwerden,bevor es zu spt ist, zeigt der Satz, mit demer ein Kapitel seines Buches (S. 307) be-schliet: Die Machtzusammenballung bei derMinderheit ebenso wie die menschliche Ver-armung der Mehrheit knnte noch vor demvlligen Abschlu der angedeuteten Entwick-lung einen Punkt erreichen, an dem der

    bergang in ein autoritres Gesellschafts-system unvermeidlich werden wrde. Mitder Aufzeigung dieser Gefahren ist eigent-lich auch der Weg zu ihrer Vermeidung ge-wiesen. Walter Gyssling

    HERBERT WIEDEMANN

    DIE RATIONALISIERUNGAUS DER SICHT DES ARBEITERSDortmunder Schriften zur Sozialforschung. Westdeut-scher Verlag, Kln und Opladen 1964. 214 S., kart.29 DM.

    So umfangreich die Literatur ber die Aus-wirkungen des Rationalisierungsprozesses vonder Fliebandarbeit bis zur Vollautomationauf die Situation und das Bewutsein derArbeiter auch sein mag, den meisten Auslas-sungen darber haftet entweder eine a priorigegebene wirtschafts- oder sozialpolitischeZielsetzung an oder sie sind berhaupt auszu groer Distanz zum Erleben des Arbei-ters geschrieben und weisen damit oft einenwirklichkeitsfremden, spekulativen Charakterauf. Dazu kommt dann noch eine Reihe vonEnqueten, die manch ntzliches Material bei-bringen, aber die Wirklichkeit mehr photogra-phieren als wissenschaftlich durchdringen.

    Um so verdienstlicher ist die von Dr. Her-bert Wiedemann vorgelegte Schrift, der eineempirische Untersuchung der Sozialforschungs-stelle Dortmund der Universitt Mnster berArbeiter und technischer Fortschritt zu-grunde liegt. Wiedemann, der die Halbauto-matisierung als die heute fr die Bundes-republik charakteristische Arbeitssituation inder mechanischen Fertigung bezeichnet, hat inzahlreichen Gesprchen mit Arbeitern ver-schiedener Betriebe die Frage untersucht, wiedie Rationalisierung auf den Arbeiter ein-wirkt und wie er auf sie reagiert. Er gliedertdiese Reaktion in eine auf das Gesamtphno-men Rationalisierung und eine auf dessen je-weilige innerbetriebliche Einflsse. Bei derAnalysierung solcher Reaktionen nimmt erauf die grundstzliche Einstellung des Arbei-ters zu seiner Arbeit und seiner betrieblichenUmwelt die erforderliche Rcksicht.

    Der Lohnsituation kommt, das ist eines derhervorstechendsten Ergebnisse der Unter-suchung, dabei eine entscheidende Bedeutungzu. Der Arbeiter will immer sein Lohnmaxi-mum erreichen und sich doch zugleich eineZeitreserve und einen Dispositionsspielraumerhalten, der ihm gestattet, zeitweise dasArbeitstempo etwas zu senken. Zu seinemeigentlichen Gegenspieler im Betrieb wird da-mit heute der Zeitnehmer, dessen Berechnun-gen die Grundlage fr die Lohnfestsetzungund das Akkordsystem bilden. Alle im Zu-sammenhang damit stehenden Probleme wer-den von Wiedemann in seinem Buch genauanalysiert und ebenso wird in weiteren Ka-piteln die Situation des Meisters im rationali-

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  • BUCHBESPRECHUNGEN

    sierten und automatisierten Betrieb unter-sucht wie auch die Auswirkung der Rationali-sierungsmanahmen auf die Kollegialittsbe-ziehungen unter den Arbeitern. Alle mg-lichen Verhaltungsweisen und Situationen,die sich auf Grund der Umfrage ergeben ha-ben, werden gewertet und schlielich auch dieEinstellung des Arbeiters gegenber dem Ge-samtphnomen Rationalisierung und mit ihmdie Lage des Arbeiters in der modernen Ge-sellschaft.

    Wiedemanns gewissenhafte soziologische Mono-graphie ist eine Fundgrube von wissenschaft-lich ausgewerteten Tatsachen fr alle, die inder praktischen Gewerkschaftsarbeit stehen.Zugleich ist das Buch ein wertvoller Beitragzur Soziologie der Industriegesellschaft.

    Walter Gyssling

    EKHARD BREHMERSTRUKTUR UND FUNKTIONSWEISEDES GELDMARKTES DERBUNDESREPUBLIK DEUTSCHLANDSEIT 1948Zugleich eine theoretische Grundlegung fr Geldmrkteim allgemeinen. Kieler Studien, Forschungsberichte desInstituts fr Weltwirtschaft an der Universitt Kiel.Herausgegeben von Professor Dr. Dr. h. c. Erich Schnei-der, Bd. 65. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Verlag, T-bingen 1964. V/194 S., brosch. 20 DM.

    Dieses Buch ist von einem Fachmann frFachleute geschrieben. Da es bereits in seiner2. Auflage vorliegt, ist einmal ein Zeichenfr seine Qualitt und zum anderen ein Zei-chen fr das groe Interesse, das diesemSpezialthema entgegengebracht wird.

    Wie nicht anders zu erwarten, ist der Auf-bau und die stoffliche Gliederung der Materievorbildlich. Im 1. Kapitel werden die Vor-aussetzungen fr die Geldmarktbildung un-tersucht. Im 2. Kapitel die Funktionen desGeldmarktes. Im 3. Kapitel werden dieGeldmarktteilnehmer vorgestellt. Im 4. Ka-pitel die elementaren Geldmrkte be-sprochen. In einem 5. berleitenden Kapitelwird auf die Grnde fr die Unvollkommenheitdes Geldmarktes mit all den sich darausergebenden Konsequenzen eingegangen. Das6. Kapitel ist dann der theoretischen Analyseder Zinsbildung auf dem Geldmarkt gewid-met und im 7. Kapitel werden die Beziehun-gen zwischen Geldmarkt und Kreditpolitikerrtert. Ein resmierendes Kapitel bringteine Skizzierung der Geldmarktentwicklungseit Ende 1948. Erwhnt zu werden verdientnoch, da der Text durch Tabellen undSchaubilder zustzlich bereichert wird. Viel-leicht knnte bei einer 3. Auflage ein Sach-wortregister angefgt werden?

    Die Geldmarktdefinition des Autors, sosachlich berechtigt sie auch immer sein mag,entspricht den herkmmlichen Lehrbuchdefini-tionen nur zum Teil.

    Dr. Johannes Kasnacich-Schmid

    J O S E P H E. DREXELDER FALL NIEKISCHEine Dokumentation. Kiepenheuer & Witsch, Kln/ Berlin1964. 207 S., 12,80 DM.

    Das Buch ist aus zwei Grnden zu be-gren. Erstens ist es ein gutes Muster freine viel zu wenig gepflegte Gattung: die Do-kumentation von Rechtsfllen. Nichts ist frdas Interesse der ganzen Nation am Rechts-leben frderlicher als solche guten Zusammen-fassungen von echten Prozeakten, dereninnere Spannung, weil sie vom Leben selberbewerkstelligt ist, nachhaltig und moralischfruchtbar ist, im Unterschied zu den flchtigen,spielerischen, rein intellektuellen Reizen er-dachter Kriminalflle. So gut wie die Wirk-lichkeit bringt es kein Autor zustande.

    Der andere, wichtigere Grund liegt in derSache Niekisch selber. Einige Stichworte zurGestalt und zum Schicksal von Niekisch: Ge-boren 1889 in Schlesien, in Bayern aufgewach-sen, zuerst Funktionr einer Textilarbeiter-gewerkschaft, spter Grnder und Mittelpunktder sogenannten Widerstandsbewegung unddes Widerstandsverlags, in dem eine nichtkommunistische, aber stlich orientierte Politikvertreten wurde. Im Jahre 1932 scharfe War-nung vor Hitler in der Schrift Hitler, eindeutsches Verhngnis. Nach der Machtergrei-fung Fortsetzung des Widerstands; am 9.Januar 1939 Verurteilung durch den Volks-gerichtshof zu lebenslnglichem Zuchthaus; imJahre 1945 aus dem Zuchthaus befreit; infolgeder Haft blind und gelhmt; Wohnung inWestberlin, zeitweise Professor fr Soziologiean der Humboldt-Universitt; damals Mit-glied des Vorstands des Kulturbundes in derDDR und Mitglied der Volkskammer; be-reits vor zehn Jahren Verzicht auf alle Funk-tionen und Ttigkeiten in Ostberlin.

    Seit ber zehn Jahren kmpft Ernst Nie-kisch um die Entschdigung wegen politischerVerfolgung. Von den Berliner Gerichten(Landgericht und Kammergericht) und demBundesgerichtshof wurde sie ihm versagt, weil,wie es im Bundesentschdigungsgesetz heit,derjenige von der Entschdigung ausgeschlos-sen ist, der nach dem 23. Mai 1949 die frei-heitliche demokratische Grundordnung imSinne des Grundgesetzes bekmpft hat. Solautet die seit 1956 gltige Fassung. Eine vor-her ergangene Entscheidung war nach einemfrher geltenden Wortlaut auch darauf ge-sttzt, da er einer anderen Gewaltherr-schaft Vorschub geleistet habe. In dieser letz-teren Entscheidung des Bundesgerichtshofs flltfolgendes auf: Zum Beweis dafr, da derKlger Niekisch das Bestehen einer Gewalt-herrschaft gekannt habe, wird ein vom Klgerselbst vorgetragener, von dem Herausgeber,seinem Mitkmpfer Drexel, geschilderter Vor-gang herangezogen, wonach er nach dem

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  • 17. Juni 1953 sich in einer Sitzung des Kultur-bundes heftig gegen die nicht rechtsstaatlichenZustnde in der DDR gewandt habe; alsomsse er die Gewaltherrschaft gekannt haben.Diese berlegung ist etwa so zu werten, wiewenn einem Verfolgten des 20. Juli 1944 vor-gehalten wrde, er habe fr Hitler, also freine Gewaltherrschaft, gekmpft. Die not-wendige Unterscheidung zwischen moralischerund logischer Unmglichkeit ist diesem Ge-richt fremd geblieben.

    Gegen die wiederholte Abweisung der An-sprche hat Niekisch eine noch nicht entschie-dene Verfassungsbeschwerde erhoben. Auerdem staatsrechtlichen Problem, ob das Bun-desverfassungsgericht in Berliner Sachen zu-stndig sei, handelt es sich in der Hauptsacheum zwei Fragen: Erstens, ob die Bestimmung,die auf das Verhalten nach dem 23. Mai 1949abstellt (nmlich die Bekmpfung der frei-heitlichen demokratischen Grundordnung)berhaupt gltig ist. Zweitens, ob, wenn siegltig wre, das, was Niekisch getan hat, wirk-lich eine solche Bekmpfung darstellt. Zu bei-den Punkten wird der Standpunkt Niekischsin den vorwiegend von Rechtsanwalt Fabianvon Schlabrendorff verfaten Schriftstzen ein-drucksvoll begrndet. Ob eine ffentlicheFunktion in der DDR bereits eine Bekmp-fung unserer freiheitlichen demokratischenGrundordnung darstellt, ist brigens eineweit ber den Fall Niekisch hinausgehendeGrundsatzfrage. Leider ist hier nicht Raumgenug, diese beiden Fragen zu errtern. Manlese deshalb die Dokumente selbst. Inzwischensitzt der Fnfundsiebzigjhrige, der sein Leb-tag seiner Gesinnung gefolgt ist und fr siedas uerste an Verfolgung und Leiden er-duldet hat, ohne irgendeine Entschdigung inseiner Berliner Wohnung. Dr. Richard Schmid

    HEINRICH FRAENKEL / ROGER MANVEUDER 20. JULIMit einem Vorwort von Wolf Graf von Baudissin.Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M. Berlin 1964.240 S. mit 6 Kartenskizzen, Ln. 14,80 DM.

    U L R I C H VON H A S S E LVOM ANDERN DEUTSCHLANDAus den nachgelassenen Tagebchern 19381944. Miteinem Geleitwort von Hans Rothfels. Fischer Bcherei,Frankfurt am Main 1964. 362 S., 3,80 DM.

    Nach ihren biographischen Arbeiten berGoebbels und Gring legen die beiden Histo-riker jetzt eine Geschichte der Geschehnisseum den 20. Juli 1944 vor, wobei sie in dreigroen Kapiteln die jahrelangen Vorberei-tungen der Verschwrer, sodann den Ablaufder Ereignisse am 20. Juli in Rastenburg,Berlin und Paris und schlielich die Unter-suchungen, Prozesse und Hinrichtungen minu-

    tis schildern. Fr ihre differenzierte Darstel-lung, die sich mit Recht von jeder falschenGlorifizierung freihlt, haben sie alle heutezur Verfgung stehenden Quellen und fr-heren Darstellungen in kritischer Sichtung undVergleichung benutzt; auerdem haben sievon den wenigen berlebenden ergnzendeAusknfte eingezogen. Das Buch vermittelteine wohl durchweg treffende Charakterisie-rung der handelnden Personen und einenerschtternden Einblick in die Verwirrung undVerworfenheit einer Zeit, mit der sich dasdeutsche Volk bis heute noch nicht grndlichgenug auseinandergesetzt hat. Fr diese sonotwendige Klrung kann das Buch vonFraenkel und Manvell eine gute Hilfe sein.

    Die Tagebcher Ulrich von Hassels, der alseiner der Ersten aus seinen Kreisen mit demHitlerregime brach und wegen seiner Bezie-hungen zur Widerstandsbewegung nach dem20. Juli hingerichtet wurde, sind eine der wich-tigsten Quellen aus jener Zeit. Es ist sehrzu begren, da sie jetzt ungekrzt in einerTaschenbuchausgabe erscheinen und damit wei-testen Kreisen, vor allem auch der jngerenGeneration, zugnglich werden.

    Dr. Walter Fabian

    STUDIUM SOCIALEErgebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung der Gegen-wart. Festschrift fr Karl Valentin Mller. Herausgege-ben von K. G. Specht, H. G. Rasch und H. Hofbauer.Westdeutscher Verlag, Kln und Opladen 1963. XVI u.835 S., Ln. 59, DM.

    Karl Valentin Mller starb, aus seiner Ar-beit gerissen, am 3. August 1963, kurz bevordie Festschrift zur Vollendung seines 65. Le-bensjahres in seine Hnde gelegt werdenkonnte. Er war zuletzt Inhaber des Lehr-stuhls fr Soziologie und Sozialanthropologiean der Universitt Erlangen-Nrnberg gewe-sen: ein besonders Anthropologen bekannterWissenschaftler. Die Anthropologie hatte esschwer, sich in der Nachkriegszeit in Deutsch-land einen Platz zu erobern, nachdem etlicheAnthropologen in der Nazizeit den Rasse-vorstellungen der Machthaber ihre Ergebenheiterklrt hatten, wodurch die ganze Wissen-schaft belastet worden war. Mller setzte sichwie z. B. sein Kollege Gehlen nach 1945 freine wissenschaftlich fundierte, rehabilitierteSozialanthropologie ein.

    In der Festschrift, die nun von den Heraus-gebern seinem Gedenken gewidmet wurde,sind ber 60 Aufstze zusammengetragen, dieKarl Valentin Mllers umfangreiche und rechtverschiedenartige Forschungsarbeiten wider-spiegeln. Siebzehn Beitrge stammen aus derSozialanthropologie und der Bevlkerungs-wissenschaft. Die Soziologie wird besondersdurch Arbeiten aus der Kultursoziologie, derReligionssoziologie, der Soziologie des Er-

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  • BUCHBESPRECHUNGEN

    ziehungswesens und der Wirtschaftssoziologievertreten. Es ist die Eigenart einer Festgabe,da die Beitrge naturgem sehr unterschied-lich in Thematik und Abfassung ausfallen;das Bukett bleibt bunt und uneinheitlich, aberauch abwechslungsreich.

    Zunchst sollen unter den theoretischenAufstzen einige hier besonders hervorgeho-ben werden: Die Arbeiten von Karl MartinBalte ber Soziologie und Demographie undvon Friedrich Spiegel-Schmidt ber Theolo-gie und Soziologie tragen Wesentliches zurAbklrung bestimmter Wissenschaftsgebietebei. Die Arbeit von Dankmar Ambros berBedrfnis und Funktion: Kritische Bemerkun-gen zur Kulturtheorie von Bronislaw Mali-nowski stellt einen guten Beitrag zu notwen-diger begrifflicher Klrung dar. Unter denBeitrgen, die Ausschnitte aus Forschungenbringen, die auf empirischem Material basie-ren, seien besonders die sozialanthropolo-gische Arbeit von Ilse Schwidetzky ber dieUreinwohner der Kanarischen Inseln hervor-gehoben sowie die bevlkerungswissenschaft-liche Arbeit Walter Kuhns ber Siedlerzahlender deutschen Ostsiedlung, die siedlungs-soziologische Studie Robert C. Williamsonsber The Rural Urban Continuum and SocialClass anhand von Material, das auf San Sal-vador und Costa Rica 1960 gewonnen wurde,und die erziehungssoziologische Studie Sch-lerleistung und Lehrerurteil im Blickfeld derStatistik von Julie Sander. Besonders bemer-kenswert sind auch manche jener Beitrge, dieein bestimmtes Problem analytisch vertiefen.Auch hier soll auf einige ausdrcklich hinge-wiesen werden, wie auf den Beitrag von CarleC. Zimmerman: The Rise of the Intelli-gentsia, den Aufsatz von Kurt Stegmannvon Pritzwald ber Das Problem der inter-ethischen Verstndigung und das Lateinische(mit einer ausgezeichneten vergleichenden Stu-die ber die Sprachsituation in Indien und inIsrael), die Arbeiten von Hermann Sauterund von Hans Georg Rasch zur Literaturkri-tik speziell und zur Sprachsoziologie im all-gemeinen, und nicht zuletzt auf den zunchstausgefallen erscheinenden, fr die Anthropo-logie jedoch uerst interessanten klinisch-ge-netischen Beitrag von Walter Haberlandt ZurFrage der Huntingtonschen Chorea.

    Die Festschrift enthlt auch zwei Beitrgejugoslawischer Wissenschaftler. Interessanter-weise haben die Herausgeber die Ausfhrun-gen dieser beiden Mitarbeiter nicht unter derRubrik Allgemeine Soziologie, sondern imAbschnitt Kultur- und Geschichtssoziologieerscheinen lassen. Tatschlich sind beide Bei-trge, die fest im historischen Materialismusund der Philosophie von Karl Marx verwur-zelt sind, sozialphilosophischer Art. In diesenAufstzen enthllt sich die Tragik einer Ge-sellschaftsforschung, die an ein bestimmtes phi-losophisches Dogma gebunden ist.

    Die wirtschaftssoziologischen Beitrge derFestschrift sind leider sehr marginal und nichtbesonders aufschlureich, weshalb sie hier nichtnher erwhnt sein sollen.

    Der Band Studium sociale wohl nachdem Generalthema benannt, das es bei allerVielseitigkeit fr Karl Valentin Mller immergegeben hat enthlt insgesamt gesehen eineganze Reihe von Arbeiten, die fr den Fach-mann wie fr den interessierten Laien, be-sonders aber auch fr den Studenten der So-ziologie und der Anthropologie von groemInteresse sein drften. Dr. Reinmar Cunis

    ROBERT SOMMERIM REICHE DER EXPERTENEcon-Verlag, Dsseldorf 1954. 248 S., Ln. 14,80 DM.

    Der Verfasser, Trger akademischer Gradeund Lehrer an einer kanachschen Universitt,bietet eine salopp geschriebene Studie ber dieArbeitsbedingungen des akademischen Exper-ten in den Vereinigten Staaten. Obwohl diesevielfach recht ironisch vorgetragene Kritikganz auf amerikanische Verhltnisse zuge-schnitten ist, enthlt sie eine Menge Details, diefr die Spezie des Geistesarbeiters in allen In-dustrielndern verbindlich sind, gleichgltig, obes sich um Universittslehrer oder Wissen-schaftler in Industriefirmen und Verbndenhandelt. Deshalb ist das Buch ber Expertenauch keineswegs nur fr Experten gedacht,enthlt es doch recht brauchbares soziologischesMaterial.

    Die Situation des Experten wird von Som-mer oft recht polemisch und einseitig gesehen.Das hinterlt den Eindruck, da hier einExperte gegen seine eigene Berufsclique zuFelde zieht. Der Anla fr dieses khne Un-terfangen entspringt der etwas naiven An-sicht des Verfassers die er brigens amEnde selbstkritisch widerruft , die Wissen-schaft msse uneigenntzig sein im Gegensatzzum Geschftsleben. Mit sprichwrtlichem Un-behagen stellt er eine zunehmende Anglei-chung beider Bereiche fest, deren Ursachen indem gewaltigen Dollarsegen liegen, mit demdie amerikanische Forschung seit Beginn deskalten Krieges angekurbelt worden ist. Infol-gedessen werden Forschungsstipendien alsselbstverstndliche Geschenke angesehen, eben-so wie Spesen, Reisekosten und Aufwands-entschdigungen. Solange aber die gltigenNormen fr gute und schlechte Leistungenfehlen, sieht Sommer das Expertenland alsTummelplatz fr Gauner an. Sein selbst-kritischer Freimut ist bemerkenswert. Welcherdeutsche Kollege knnte sich in Amt undWrden eine derartige Brskierung seinesStandes erlauben?

    Vieles ist bei Sommer keineswegs neu, nuramsanter als in anderen Publikationen vor-

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  • getragen. Seine Kritik im Detail ist przis, imZusammenhang wird sie unklar, verschwmmen. Sein Credo vom anonym arbeitenden groen Wissenschaftler ist lngst ana-chronistisch. Horst Hartmann

    I L S E L A N G N E R

    ICH LADE SIE EIN NACH KYOTOHorst Erdmann Verlag, Herrenalb/Schwarzwald 1963. 264S., Ln. 16,80 DM.

    Ilse Langner, deren Reisebcher, Dramenund Romane viele Lnder als Schauplatzhaben, hat bereits mit der Wahl des Titelsihres Buches, in dessen Mittelpunkt das japa-nische Theater oder richtiger die japanischedarstellende Kunst steht: Ich lade Sieein nach Kyoto, die Richtung gezeigt, diesie einzuschlagen wnscht. Es soll Ermunte-rung sein, ihr zu folgen. Jedoch gesetztden Fall, nicht Ilse Langner ldt uns ein,wer dann? Diese doppeldeutige Form derEinladung hat die Romanschriftstellerin IlseLangner zu einer Handlung inspiriert, inderen Verlauf wir mit den drei Formen desTheaters: Bunraku, dem Puppenspiel, Kabuki,dem Samurai-Spiel, und dem No, dem Erl-sungsspiel, bekannt werden, ohne da wirallerdings mehr als einen Zipfel des Geheim-nisses dieser theatralischen Knste aufzuhebenvermchten, denn: Ihr Geheimnis ist nichtunser Geheimnis, lautet das Motto, das dieSchriftstellerin ihrem Buch vorangestellt hat,und mit diesen Worten schliet es auch.

    Wer ldt uns nun, durch Ilse Langner,nach Kyoto ein? Da ist Professor Caprotti,ein Italiener, aus Liebe zu Japan, recht eigent-lich zum japanischen Theater, Japaner gewor-den; ein dicker Trunkenbold, der seine emp-findsame Seele am Geheimnis Nippons wundgestoen hat und dessen Zusammenbruch dieSchriftstellerin mitansehen mu. Er hat sie aufseltsame Art in seinen Bann gezwungen. Alssie ihre Absicht uert, auch nach Tokiogehen zu wollen das alte Japan also zuverlassen , verschwindet er spurlos, nachdemer sie verwnscht hat.

    Caprotti bleibt aber auch in Tokio, wennauch unsichtbar, der Fhrer der Schriftstel-lerin, denn die strenge Sprache von Gebrdeund Geste (der sich im Ikebana sogar dieBlumen fgen), die das japanische Theater sosehr beherrscht, da auch der, der japanischnicht versteht, die Handlung begreift, unddie der Professor ihr zuerst gedeutet hat,wird fr Ilse Langner der Schlssel zu derganz anderen Welt des Ungeheuers Tokio.In vielem und bei vielen Menschen erkennt siedie eindringliche Sprache und seltsameVerhaltenheit der wenigen Archetypen desklassischen japanischen Theaters wieder undfindet so Zugang zu den heutigen Japanern.Als sie die Jungfrauen in der Fuji-

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    Baumwollspinnerei aufsucht (das sind 16-bis 21jhrige Arbeiterinnen aus Drfern vonfnf Prfekturen, in die sie nach einem No-vizinnendasein mit einem runden Bankkontozurckkehren, wenn sie nicht bei verbotenerLiebe ertappt werden), gewinnt das fast leereDasein der jungen Mdchen fr Ilse Langnererst in dem Augenblick Form und Gestalt,als sie Cha-no-yu, die Teezeremonie, vor-fhren.

    Zurck in Kyoto, erlebt sie die No-Spiele,die Professor Caprotti wieder gesund undvershnt mitorganisiert hat. Die vorge-schriebenen Figuren des Theaters greifen indas alltgliche Leben der Schriftstellerin ein,das von drei freundlichen Menschen flankiertwird, die ihr immer hilfreich sind mit denkleinen Leistungen des Tages: die Wirtin, derPolizist, der Gepcktrger. Sie stehen auchbeim Abschied von Kyoto stellvertretend frjapanische Lebensart, die geprgt ist durchwenige groe und leidenschaftliche Empfin-dungen, denen man sich in der Enge desberfllten Landes nur auf dem Theaterganz ergeben darf, whrend strenge Zeremo-nien den Alltag zusammenzuhalten versuchen.Ein sehr menschliches, ein groes Buch.

    Annemarie Zimmermann

    J A K OBUS WSSNERMENSCH UND GESELLSCHAFT

    Kollektivierung* und Sozialisierung. Ein Beitrag zumPhnomen der Vergesellschaftung im Aufstieg und inder sozialen Problematik des gegenwrtigen Zeitalters.Duncker und Humblot , Berl in 1963. 618 S. , Ln.66,60 DM.

    Eine umfassende Phraseologie der Sozio-logie bietet Wssner in seiner Abhandlungber Mensch und Gesellschaft. Wssner zeigtsich in seinem Buch als ein vielbelesenerMann. Lichtenbergs Ausspruch: Himmel, lamich nur kein Buch von Bchern schreiben!,kannte er offensichtlich nicht.

    Der Verfasser schreibt im ersten Hauptteilber die Strukturen der Gesellschaft undlegt hier u. a. seine Meinung ber viele be-deutende Sozialphilosophen und Soziologendar. Im zweiten Teil entwickelt er sein Sy-stem der Gesellschaft. In ihm ist vom sozia-len Feld, der Feldhypostase als Person,drei Grundfeldern, der Elite als Feld-Lei-tung die Rede. Der Rezensent gesteht, daihm die ordnenden Aspekte Wssners unver-stndlich geblieben sind. Ihm ist fr seinepersonale Existenz und seine gesellschaftlicheUmsphre, nicht, wie Wssner im Vorworthofft, erhhtes Selbstverstndnis zugewach-sen, und er frchtet, auch den sozialen Grup-pen und Verbnden wird das an Hand derLektre dieses Buches nicht gelingen.

    Dr. Wilfried Gottschalch

  • BUCHBESPRECHUNGEN

    BORIS GOLDENBERGLATEINAMERIKA UND DIEKUBANISCHE REVOLUTIONVerlag Kiepenheuer & Witsch, Kln 1963, 519 S., Ln.36,80 DM.

    Der Verfasser dieser umfangreichen Unter-suchung sagt in seinem Vorwort mit Recht,da die kubanische Revolution eines der be-deutsamsten Ereignisse der lateinamerikani-schen Geschichte (ist). Und wie immer bewegtsich der bis jetzt vorliegende, der darstellende,in urschliche Zusammenhnge gebrachteNiederschlag der revolutionren Vorgnge ineiner Skala, die von eiskalter Ablehnung biszur berhitzten Zustimmung reicht. Golden-bergs Werk nimmt sehr bewut eine Mittel-stellung ein. Er will, wie er sagt, mglichstobjektiv berichten. Schon hier darf gesagtwerden, da ihm das gelungen ist.

    Dazu stellt er zunchst die kubanische Re-volution in den groen Rahmen der bis-herigen lateinamerikanischen Geschichte.Dieser erste Abschnitt des Buches schildert diesozialen, politischen und gesellschaftlichenProbleme Lateinamerikas, seine Revolutionvor Castro und Kubas geschichtlichen Werde-gang bis zur Revolution. Unter- und Fehl-entwicklung des Subkontinents werden vonihren konomischen Voraussetzungen her ana-lysiert. Im Ergebnis gipfelt das in dem Wider-spruch, der zwischen den von der brgerlichenRevolution diktierten Verfassungstexten undden Realitten eines berstndigen Feudal-systems offenkundig wird. Wie kaum ein an-deres Gebiet der Erde ist Lateinamerika dasSchlachtfeld frh- und hochkapitalistischerAusbeutung geworden. Fr das dadurch ent-standene Ausma an sozialer Spannung bietetdas vorrevolutionre China die gleichlaufendeParallele.

    Im Kapitel Die Revolution am Werkformuliert der Autor, der bis 1960 als kubani-scher Staatsbrger Augenzeuge der Ereignisseauf der Insel war, seine kritischen Vorbehaltegegenber der Revolution, ohne allerdingsihre progressiven Aspekte zu bersehen. Esgelingt ihm, die mannigfachen Zwangslufig-keiten, die sich aus inneren und ueren Ein-wirkungen auf den Verlauf der Umwlzungergeben, deutlich zu machen und sie in einemSchlukapitel Vom ,Humanismus' zum Tota-litarismus einander gegenber zu stellen. DieObjektivitt seiner Betrachtungsweise erweistsich gerade hier als besonders fruchtbar, weilsie zeigt, da Kuba nichts anderes ist als einTeil des umfassenden Problems, das sich frden Subkontinent als Ganzes abzeichnet.

    Der letzte Abschnitt des Werkes, dem eineumfangreiche und sehr aktuelle Bibliographieund ein sorgfltig bearbeitetes Namensregisterbeigegeben ist, hat die berschrift Der Schat-ten Castros ber Amerika. Hier wird daraufhingewiesen, da Castros Weg einer unter

    vielen mglichen ist, den die unausbleiblichesoziale Revolution in den Lndern Latein-amerikas beschreiten kann. Ob der Umwegber eine reprsentative Demokratie oder diein sich widerspruchsvolle Allianz fr den Fort-schritt dem derzeitigen Stadium im ber-druck der sozialen Spannung in Lateinamerikanoch angemessen ist, bleibt eine offene Frage.Wahrscheinlich gilt fr die Formen und Metho-den dieses Ausgleichs das, was Rosa Luxem-burg in ihrer Schrift ber die russische Revo-lution gesagt hat: Was wir in unserm Pro-gramm besitzen, sind nur wenige groe Weg-weiser, die die Richtung anzeigen, in der dieManahmen gesucht werden mssen, dazu vor-wiegend negativen Charakters. Wir wissen soungefhr, was wir zu allererst zu beseitigenhaben, um der sozialistischen Wirtschaft dieBahn frei zu machen; welcher Art hingegendie tausend konkreten Manahmen sind, umdie sozialistischen Grundstze in die Wirt-schaft, in das Recht, in alle gesellschaftlichenBeziehungen einzufhren, darber gibt keinsozialistisches Programm und kein sozialisti-sches Lehrbuch Aufschlu. Das ist kein Mangel,sondern gerade der Vorzug des wissenschaft-lichen Sozialismus vor dem utopischen: dassozialistische Gesellschaftssystem soll und kannnur ein geschichtliches Produkt sein, geborenaus der eigenen Schule der Erfahrung, in derStunde der Erfllung, aus dem Werden derlebendigen Geschichte, die genau wie dieorganische Natur, deren Teil sie letzten En-des ist, die schne Gepflogenheit hat, zusam-men mit einem wirklichen gesellschaftlichemBedrfnis stets auch die Mittel zu seiner Be-friedigung, mit seiner Aufgabe zugleich auchdie Lsung hervorzubringen. Hermann Lcke

    TIMUR TIMOFEJEW

    DAS PROGRAMM DER KPdSUUND DER WESTENAus sowjetischer Sicht. Reihe Europische Perspek-tiven, Europa Verlag, Wien, Kln, Stuttgart, Zrich1963. 207 S., Paperback, 12,80 DM.

    HOR ST C . B E R L I N I U S

    DIE SOWJETS WIE SIE DENKEN,FHLEN, HANDELNPolitische Bcherei Nr. 3, Deutsche Verlags-Anstalt,Stuttgart 1963. 127 S., Paperback, 7,80 DM.

    Eine interessante Verffentlichung legt derEuropa-Verlag in seiner empfehlenswertenReihe Europische Perspektiven mit TimofejewsKommentar zum Programm der KPdSU undseinen Konsequenzen fr den Westen vor.Timofejew gibt als stellvertretender Direktordes Instituts fr Weltwirtschaft und interna-tionale Beziehungen der Akademie der Wis-senschaften der UdSSR eine wohl offizielleInterpretation dieses Dokumentes der Geschichte

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  • der Bolschewiki. Jeder, der aus erster Handber die erklrten Absichten der KPdSU in-formiert sein will, wird dankbar zu diesemBuch greifen, ist es doch in der Bundesrepu-blik gar nicht so einfach, anders als aus Sekun-drliteratur Orientierung ber die Sowjetpoli-tik zu erhalten.

    Der Verfasser meint, das neue Programmbegrnde wissenschaftlich die Generallinie derKPdSU. Sie sei die Richtlinie fr den Auf-bau des Kommunismus in der UdSSR und denvollstndigen Sieg des Sozialismus ber denKapitalismus im Weltmastab unter den Be-dingungen der friedlichen Koexistenz und desWettbewerbs zwischen beiden Systemen(S. 10).

    Das Kommunistische Manifest der Gegen-wart, wie man es nach Timofejew in vielenLndern bezeichnet, mchte es der Rezensentnicht nennen. Weder in der Klarheit der Ana-lyse noch im Schwung des Stiles lt es sichmit der Programmschrift von Marx undEngels vergleichen. Wie Timofejews Exegeseist es in einem papiernen Funktionrsjargongeschrieben. Darin hnelt es durchaus westli-chen Parteiprogrammen.

    Wem ist das ungenaue Marx-Zitat auf Seite80 zuzuschreiben, dem Autor oder den ber-setzern? Auf derselben Seite mu es mora-lische Aufrstung statt Umrstung heien.

    Gern bespricht der Rezensent Horst C.Berlinius' Buch: Die Sowjets wie siedenken, fhlen, handeln. Es ist in klaremDeutsch geschrieben und darf als ein Musterguter politischer Publizistik gelten. Die Ab-sicht, die Politik der Sowjets frei vom west-lichen Wunschdenken zu deuten, ist dem Au-tor weitgehend gelungen. Auf nur 127 Seitenbietet er eine erste zuverlssige bersicht berPhilosophie und Ideologie, Wirtschaft, Han-del, Kultur, Zivilisation, Strategie und Tak-tik der Sowjetunion. Das Bndchen schlietab mit dem Kapitel Deutschland und dieDeutschen.

    Gewi wren da und dort einige Korrek-turen angebracht. Das Fehlen des spekulati-ven Elements im Binnenhandel hat nicht nurNachteile, wie Berlinius meint (S. 54). EinVergleich der sowjetischen Lebensmittelgesetz-gebung und ihrer Anwendung mit der in derBundesrepublik knnte zu merkwrdigen Er-gebnissen fhren. Auch das Problem derFamilienreform sieht der Rezensent anders(vergleiche seinen Aufsatz in der Zeitschriftfr die ges. Staatswissenschaft, Jg. 1963, S.628 ff.). Lenin war nie ein Anhnger des voneinigen Kommunisten empfohlenen Sexual-anarchismus.

    Da es anders als auf dem Gebiet der ver-gleichenden Wissenschaften, der Naturwissen-schaften und der Technik auf dem Gebiet derschnen Knste fr die Sowjets keine Koexi-stenz gibt (S. 78), ist bedenkenswert. DieKunst im Westen ist, frei von staatlicher Len-

    kung, Ausdruck des repressiven Charaktersunserer Kultur geworden. Frchten die So-wjets, da eine ungegngelte Kunst ebensohufig Angsttrume reproduzieren knntewie unsere?

    Wenn die Sowjets unser Schul- und Ge-sundheitswesen fr unterentwickelt halten,mu ihnen leider zugestimmt werden. DieVereinigung Europas bietet wohl die einzigeChance, da wir in Deutschland in zwei oderdrei Jahrzehnten noch einen Mindestbedarfan rzten, Lehrern, Ingenieuren und anderenakademischen Fhrungskrften decken knnen.Da wir zuwenig von ihnen ausbilden, wirduns wohl nichts anderes brigbleiben, als siein England, Skandinavien, Frankreich und an-derswo anzuwerben.

    Berlinius endet sein lesenswertes Buch mitden Stzen: Der Begriff .Freie Welt' und,Freiheit fr Deutschland' ist nach dem Ver-bot der Kommunistischen Partei Deutschlandsfr sie (die Sowjets) nicht mehr Gegenstandernst zu nehmender Betrachtungen . . . AlleErrterungen, Analysen und Gesprche mitihnen ber Gemeinsamkeiten und Trennendesin der Deutschland-Sicht der Sowjets bei ech-tem, aufrichtigem Bemhen, die Wahrheitber uns zu erfahren, oder ihnen die Wahr-heit mitzuteilen, mnden in die Frage: Wasist Freiheit?. Dr. Wilfried Gottschalch

    HERBERT WILHELMPREISBINDUNG UND WETTBEWERBS-ORDNUNGC. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, Mnchen und Ber-lin 1962. 73 S., kart. 4, DM.

    Die vorliegende Schrift ist eine Auseinander-setzung mit dem Bericht des Bundeskartell-amtes aus dem Jahre 1960, in welchem dieoberste Kartellbehrde in Form einer ver-gleichenden Untersuchung die wesentlichenVor- und Nachteile der Preisbindung ein-ander gegenbergestellt hat. Der Bericht desBundeskartellamtes fhrte seinerzeit neun po-sitive und elf negative Thesen fr und widerdie Preisbindung an und kam in der ab-schlieenden Gesamtwrdigung zu dem Er-gebnis, da die feststellbaren Vorteile ber-wiegend einzelwirtschaftlicher Art wren, de-nen schwerwiegende gesamtwirtschaftlicheNachteile gegenberstnden und da darumdie Preisbindung in den meisten Fllen alsunserer Wirtschaftsordnung widersprechendabzulehnen sei.

    Professor Wilhelm Ordinarius fr Volks-wirtschaftslehre an der Technischen Hoch-schule Braunschweig folgt in seiner Schriftdem Aufbau des Berichts der Kartellbehrdeund bringt nach kurzen Vorbemerkungenber den zweistufigen Preisbildungsprozeeine Kritik der positiven Beurteilung und

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  • dann eine Kritik der negativen Beurteilungder Preisbindung. Dabei werden die neun po-sitiven Thesen des Kartellamtes unterstrichenund im einzelnen noch in ihrer Bedeutung her-vorgehoben, whrend bei den elf negativender Versuch einer detaillierten Widerlegungunternommen wird.

    Das Ganze liest sich dann aber nicht wieeine wissenschaftliche Untersuchung, sondernwie eine Apologie der Preisbindung, die derVerband der Markenartikelindustrie nicht an-ders htte vortragen knnen. Dem Bundes-kartellamt wird in dem zusammenfassendenvierten Teil der Arbeit vorgeworfen, da esoft Feststellungen von lediglich theoretischemWert macht und den Schritt von der ana-lysierenden Abstraktion zur konkretisierendenSynthese versumt hat. Ein peinlicher Vor-wurf, der sich wie ein Bumerang gegen denVerfasser kehrt, wenn er am Abschlu einerArbeit steht, die so sehr in Allgemeinpltzensteckenbleibt und so weitgehend auf exakteBelege verzichtet, wie es bei der vorliegendenSchrift der Fall ist.

    Aus der Flle der unbewiesenen Behaup-tungen sei nur ein Beispiel herausgegriffen:Auf den Seiten 22 und 23 wird ausgefhrt,da die Preisbindung schon allein deshalbnicht zu Wettbewerbsbeschrnkungen fhrenknne, weil wie die neuesten Erhebun-gen des Markenverbandes zeigen diepreisgebundenen Markenartikel im Sorti-ment des Handels nur einen geringen Anteilausmachen. Als Beweis wird im Anhang eineTabelle ber den Anteil preisgebundenerMarkenartikel am Umsatz der Einzelhandels-geschftszweige im Jahr I960 gebracht. DieHerkunft der Zahlen wird lediglich miteinem vagen Hinweis auf die Umsatzsteuer-statistik und die Angaben der einschlgi-gen Fachverbnde des Handels und derIndustrie angedeutet. Fr eine ernsthaftestatistische Verifikation der vorgetragenenBehauptungen sind diese Zahlenangabenschon wegen des nicht vorhandenen Quellen-nachweises ungeeignet, sie sind es darberhinaus auch deshalb, weil ein beachtlicherTeil preisgebundener Umstze en Einzel-handel gar nicht berhrt. Nur weltfremdeTheoretiker oder Interessenten knnen m. E.die Meinung vertreten, da die Preisbindungbei Markentreibstoffen und Automobilen zumBeispiel ohne negative Auswirkungen auf denWettbewerb bliebe. (Diese unpassenden Bei-spiele werden denn auch vorsichtshalber beiWilhelm nicht erwhnt.)

    Auf hnlich sicherer Basis steht die Wi-derlegung smtlicher der elf negativen The-sen des Bundeskartellamtes. Ein fr unsereWirtschaftsordnung hochwichtiges Themawurde in einer Weise behandelt, die wederdem Gegenstand gerecht wird noch Anspruchauf wissenschaftliche Arbeitsweise erhebenkann. Dr. Herbert Ehrenberg

    BUCHBESPRECHUNGEN

    KURZ ANGEZEIGT

    Die neuesten vier Bnde der Taschenbuch-reihe Rowohlts Monographien GroePersnlichkeiten in Selbstzeugnissen und Do-kumenten, herausgegeben von Kurt Kusen-berg, sind Debussy, Thomas Mann, Mosesund Claudel gewidmet (Band 92, 93, 94, 95);schon diese vier Namen zeigen die Spann-weite der Thematik. Unseren Lesern wirdbesonders die sehr grndliche und gediegeneDarstellung Thomas Manns von KlausSchrter willkommen sein. Enttuschend, weilsehr lckenhaft, ist leider die aus dem Fran-zsischen bersetzte Biographie von PaulClaudel; da bleiben z.B. die groartigenWerke, die Claudel zusammen mit Honeggerschuf, ebenso unerwhnt wie die gerade frdeutsche Leser so wissenswerte Noblesse, mitder Claudel 1941 in einem Brief an denGrandrabbin de Fran.ce mutig gegen die De-portationen seiner jdischen Brder dasWort ergriff.

    Unter dem Titel Annual Holidays withPay hat das Internationale Arbeitsamt einesehr instruktive Studie ber alle mit demUrlaub der Arbeitnehmer zusammenhngen-den Probleme verffentlicht; die Schrift bie-tet in englischer Sprache einen berblick berdie gesetzliche Regelung und die Praxis inden wichtigsten Lndern der Welt (Inter-national Labour Office, Genf 1964. 94 S-,brosch. 4 DM).

    Ein Jahrhundert Arbeiterbildung inDeutschland heit eine Sammlung von Tex-ten und Dokumenten, die als Doppelheft 2-3/1964 in der Schriftenreihe Arbeit undLeben (Dsseldorf, Friedrich-Ebert-StraeNr. 34/38) erschienen ist (144 S., brosch.2 DM).

    Bildung trgt Zinsen heit eine Schriftvon Hans Sprinzl, in der die Probleme derberuflichen und allgemeinen Weiterbildungder Erwachsenen in der heutigen Industrie-gesellschaft dargestellt werden; diese Arbeitist in der Schriftenreihe Aktuelle Problemeunserer Zeit im Verlag des sterreichischenGewerkschaftsbundes erschienen (96 S.,brosch. 27,80 Schilling).

    Mit Vorworten von Harold Wilson undProf. Max Born ist die grundlegende Schriftdes wohl besten Kenners des Abrstungspro-blems, des englischen NobelpreistrgersPhilip Noel-Baker (wir erinnern an seinenAufsatz in Heft 2/1962 der GM) unter demTitel Der Weg zur Weltabrstung jetzt!f in deutscher bersetzung erschienen(Stimme-Verlag Frankfurt am Main 1964,70 S., brosch. 2,90 DM).

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