bücher- und zeitschriftenschau

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III. Bticher- und Zeitschriftenschau. Die Mythen~ die altbekannten ,,widerhaarigen Kolosse" unter den Klippen der Nordschweiz, haben eine eingehende Untersuehung und Dar- stellung yon G. L. S~IT SIBI~A er- fahren (Die Klippen der Mythen und Rotenfluh. Hannover, Gebr. Jlineeke, 1921). Mehrere nene Funde haben es dem Verf. ermOglieht, eine recht befriedigende Erklarung der anschei- nend so schwer zu entziffernden Lage- rungsverhaltnisse, im besondern der Beziehungen zwischen der groiien und kleinen Mythe zu geben. Naeh ihm Kind beide aus einer einheittiehen, yon der Rotenfluh verschiedenen Scholle hervorgegangen, die durch Verschiebung in ein siidliehes und n6rdliches Stfick zerteilt wurde. Das sfidliche (grofle Mythe) wurde unter das n6rdliche (kleine Mythe) gedrfickt, dann erfuhren beide eine starke Zu- sammenfaltung, wobei die sfidliche auf die n6rdlichedtbergepreBt und letztere steil aufgeriehtet wurde. Durch Erosion ist sodann der heutige Zustand herauS- pr~pariert worden. Im einzelnen er- geben sich mehrfach Abweiehungen yon den Darstellungen H~I~S in der Geologie der Schweiz. Eine geologische Karte 1 : 10 000, eine Serie bunter Pro- file und zwei Fliegeraufnabmen machen dem Leser alle Einzelheiten verstiind. lich. Die Arbeit ist eine Ztiricher Doktorschrift. ST. G~ORG THO~S, Einfiihrung in die Geologie Nordwestdeutschlands. Verlag yon Ferdinand Enke, Stutt- gart 1922. 72 S. mit 25 Textfiguren. Das Buch ist nicht eine regionale Geologie yon Nordwestdeutschland, sondern eine Einftihrung in die all- gemeine und historisehe Geologie unter Hervorhebung yon Beispielen ffir geo- logische Erscheinungen aus dem l~ord- westen Deutsehlands. So wird bei der Verwitterung die Verwitterung des Marschenbodens und des Geschiebe- mergels, bei der Kfistenbildung die Kliffkfiste yon Helgoland und die Flachkiiste der Nordsee ausffihrlicher behandelt. Es wird munches gebracht, was in den Rahmen des Buches durch- aus nicht hinein gehtirt: ein Kapitel fiber die Erdbeben, ein Bild eines Eifelmaars. Die Karte der Urstrom- t~ler (Abb. 6) ist sehr ungenau. Der Verfasser ist Monoglazialist. Muncher Satz ist angreifbar: Der Wind soil bei der Talbildung eine nicht zu unter- sehatzende Rolle spielen, die Schreib- kreide wird als ein aus zerfallenen organischen Kalkresten entstandenes Pulver definiert, die Salzst6cke Nord- deutschlands sollen durch miozane Krustenbewegungen als Sattel aufge- faltet, das Flie•en des Eises s011 die Folge einer dutch den Druck des auf ihm lastenden Firnfeldes erfolgten Er- weichung sein, die Tiefsee rechnet der Verfasser yon 200 m ab. Dait der Verfasser auch die W~G~N~sche Hypothese der Kontinentalverschie- bungen ffir bar e Mfinze ausgibt, nimmt kaum wunder. Wertvoll sind in dem Buche nur die Angaben fiber lokale geologische Verhifltnisse im GroIL herzogtum Oldenburg, an der Nordsee- kfiste usw. WCKS. OTTO J~SSE~, Die Verlegungen der Flul~miindungen und Gezeitentiefs an der festHindisehen Nordseekiiste in jungalluvialer Zeit. Stuttgart, Verlag yon Ferd. Enke, 1922. 181 S., 29 Abbild. Die Miindungen s~tmtlicher gr6Be- ten Zufliisse der Nordsee, yon der Eider im 5Torden bis zur Schelde im Sfiden, Kind in jungalluvialer, d. h. in historischer Zeit und nach Beginn unserer Zeitrechnung naeh links ver- legt worden. Dieser Vorgang hat sieh

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Page 1: Bücher- und Zeitschriftenschau

III. Bticher- und Zeitschriftenschau.

Die Mythen~ die altbekannten ,,widerhaarigen Kolosse" unter den Klippen der Nordschweiz, haben eine eingehende Untersuehung und Dar- stellung yon G. L. S~IT SIBI~A er- fahren (Die Klippen der Mythen und Rotenfluh. Hannover, Gebr. Jlineeke, 1921). Mehrere nene Funde haben es dem Verf. ermOglieht, eine recht befriedigende Erklarung der anschei- nend so schwer zu entziffernden Lage- rungsverhaltnisse, im besondern der Beziehungen zwischen der groiien und kleinen Mythe zu geben. Naeh ihm Kind beide aus einer e i n h e i t t i e h e n , yon der Rotenfluh verschiedenen Scholle hervorgegangen, die durch Verschiebung in ein siidliehes und n6rdliches Stfick zerteilt wurde. Das sfidliche (grofle Mythe) wurde unter das n6rdliche (kleine Mythe) gedrfickt, dann erfuhren beide eine starke Zu- sammenfaltung, wobei die sfidliche auf die n6rdlichedtbergepreBt und letztere steil aufgeriehtet wurde. Durch Erosion ist sodann der heutige Zustand herauS- pr~pariert worden. Im einzelnen er- geben sich mehrfach Abweiehungen yon den Darstellungen H~I~S in der Geologie der Schweiz. Eine geologische Karte 1 : 10 000, eine Serie bunter Pro- file und zwei Fliegeraufnab men machen dem Leser alle Einzelheiten verstiind. lich. Die Arbeit ist eine Ztiricher Doktorschrift. ST.

G~ORG THO~S, Einfiihrung in die Geologie Nordwestdeutschlands. Verlag yon Ferdinand Enke, Stutt- gart 1922. 72 S. mit 25 Textfiguren. Das Buch ist nicht eine regionale

Geologie yon Nordwestdeutschland, sondern eine Einftihrung in die all- gemeine und historisehe Geologie unter Hervorhebung yon Beispielen ffir geo- logische Erscheinungen aus dem l~ord- westen Deutsehlands. So wird bei der

Verwitterung die Verwitterung des Marschenbodens und des Geschiebe- mergels, bei der Kfistenbildung die Kliffkfiste yon Helgoland und die Flachkiiste der Nordsee ausffihrlicher behandelt. Es wird munches gebracht, was in den Rahmen des Buches durch- aus nicht hinein gehtirt: ein Kapitel fiber die Erdbeben, ein Bild eines Eifelmaars. Die Karte der Urstrom- t~ler (Abb. 6) ist sehr ungenau. Der Verfasser ist Monoglazialist. Muncher Satz ist angreifbar: Der Wind soil bei der Talbildung eine nicht zu unter- sehatzende Rolle spielen, die Schreib- kreide wird als ein aus zerfallenen organischen Kalkresten entstandenes Pulver definiert, die Salzst6cke Nord- deutschlands sollen durch miozane Krustenbewegungen als Sattel aufge- faltet, das Flie•en des Eises s011 die Folge einer dutch den Druck des auf ihm lastenden Firnfeldes erfolgten Er- weichung sein, die Tiefsee rechnet der Verfasser yon 200 m ab. Dait der Verfasser auch die W~G~N~sche Hypothese der Kontinentalverschie- bungen ffir bar e Mfinze ausgibt, nimmt kaum wunder. Wertvoll sind in dem Buche nur die Angaben fiber lokale geologische Verhifltnisse im GroIL herzogtum Oldenburg, an der Nordsee- kfiste usw. WCKS.

OTTO J~SSE~, Die Verlegungen der Flul~miindungen und Gezeitentiefs an der festHindisehen Nordseekiiste in jungalluvialer Zeit. Stuttgart, Verlag yon Ferd. Enke, 1922. 181 S., 29 Abbild. Die Miindungen s~tmtlicher gr6Be-

ten Zufliisse der Nordsee, yon der Eider im 5Torden bis zur Schelde im Sfiden, Kind in jungalluvialer, d. h. in historischer Zeit und nach Beginn unserer Zeitrechnung naeh links ver- legt worden. Dieser Vorgang hat sieh

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58 IIL Bficher- und Zeitschriftenschan

innerhalb des alluvialen Marsch- und Wattengfirtels abgespielt. Es wurden links abzweigende (schon vorhandene oder neu entstandene) Seitenarme zum Hauptarm umgestaltet. Meist sind diese Stromverlegungen dureh Kata- strophen eingeleitet und beschleunigt. Besonders grol~e Fortschritte machten sie in dem an Sturmfluten reichen 13. und 14. Jahrhundert. Die alten Flu~arme sind im Laufe der Zeit fast alle eingegangen. Auch die Gezeiten-

t i e f s zeigen eine Lageanderung, die im Wattengebiet besonders deutlieh hervortritt. Ihre Richtung dreht sich aus N--S in der Richtung gegen den Uhrzeiger. Mit der Verlegung der Tiefsysteme trat auch eine Verschie- bung der Wattflachen und Wattwasser- scheiden sin. Die Ursache der Ver- legung der Festlandsfltisse und Watt- str(ime liegt in dem Bestreben der Wasserlaufe, sich den Kiistenverhi~lt- nissen, namentlich der • tung der @ezeiten und Stnrmfluten, und der Sandwanderung anzupassen. Die Sturmfluten treiben Keile ins Land und schaffen neue Verbindungswege zwischen den FliiSsen und dem Meere. West- und Sfidweststfirme drficken dann das Wasser in diese ()ffnungen hinein. Die Gezeiten setzen dann an den linken Flui~armen frfiher ein als an den rechten und schaffen ein Ge- falle, das den linken Flu~armen das Ubergewieht fiber die rechten gibt. Ebenso erobert sin Tiefsystem einen Teil des benachbarten. Die Mehrzahl der gro~en Wattstr(ime ist aus er- trunkenen T~tlern des ehemals welter seewarts ausgedehnten Festlandes ent- standen, sind dann abet yon dem fest]andischen WasserzufluI~ unab: hangig geworden. Was die Erosions- kraft der Gezeitenstr(imungen anbe- trifft, so leistet weder die Ebbe noch die Flut die I:Iauptarbeit bei der Ver- tiefung und Ausr~umung der Wasser- laufe fiir sich allein, sondern ,,ira au~eren Mfindungsgebiet arbeitet der Flutstrom wesentlich ausr~umend und der Ebbestrom ablagernd, in der inns- ten Wattzone wirkt der Flutstrom wesentlich aufbauend und der Ebbe- strom abtragend. Die Ausraumung

der Strombetten erfolgt zur ttaupt- sachs durch die erste Flut und die letzte Ebbe."

Wir haben damit einige der be- sonder s wichtigen und interessanten Ergebnisse der Untersuehungen des Verfassers wiedergegeben. Das Buch bespricht die Fltisse der Reihe nach u n d i s t ein sehr wertvoller Beitrag filr die Kenntnis der Entwicklung der Kfistengestaltung an der Nordsee. Der Verfasser h~itte sich einen noch gr(ll~e- ren Leserkreis gesiehert, wenn er zu allererst einmal definiert hi~tte, was ein Gezeitentief, sin Watt, sin Watt- strom, sine Wattwasserscheide, ein Gat, sine Balge, ein Priel ist. Einige Ausdrficke werden ~a bei Gelegenheit erklart, andere aber nicht. Es fehlt jede allgemeine Einleitung. Oder ist das Buch nur ftir die Leute an der Wasserkante geschrieben, denen diese Begriffe vertraut sind? WcKs.

W. DEECKE, Phytopalliontologie und Geologie. Berlin, Gebr. Borntraeger, 1922. 97 S, Oer Verfasser hat in den neueren

Sammelwerken eine vollstiindige Uber- sicht fiber die Art des geologischen Vorkommens der fossilen Pflanzen, der Erhaltungsformen und dergl: vet- miler und ffillt diese Lficke durch seine Schrift aus, die also den Gegen- stand nicht vom botanischen, sondern yore geologischen~ stratigraphischen und palaogeographischen Standpunkt aus betrachtet.

Nach dem Medium, in dem sie leben, kann man die Pflanzen in ma- rine, Brack- und Stil~wasser- und Land- pflanzen einteilen. Von diesen Gruppen ist eine, namlich die erstgenannte; auch botanisch umgrenzt, indem sie nut die Meeresalgen umfal~t. Es wird zun~tchst das Vorkommen der ~erstei. nerten Pflanzen nach dieser Gruppie- rung besprochen und der Erhaltungs- art besondere Aufmerksamkeit gewid- met. Es braucht nur an die Diato- rosen, die Kalkalgen, die Coccolitho- phoriden, an die Alge des Kucker- sites, die Seegrasschiefer, d i e Torf- moose, die versteinerten Walder, die Kohlen erinnert zu werden, um an;

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III. Biicher- und

zudeuten, welche Fragen hier zu er- •rtern waren. Das nachste Kapitel beschaftigt sich mit der Art des Vor- kommens der fossilen Pflanzen in den Gesteinen. Konglomerate bergen nur derbere,d.h.irgendwie verholzte Stficke, mi~telkSrnige und feine Sandsteine bewahren aueh zartere Pflanzenteile, wahrend die vollkommenste Erhaltung sieh in dfinnschichtigen, nicht zu bitu- minSsen Kalkmergeln und Tonenfindet. Abdruck, Ersetzung des Gewebes dutch Eisenhydroxyd oder Ton, Verkohlung, Vererzung, Verschwefelung, Kalziti- sierung, Verkieselung, Versinterung, Einschlufi in Baumharz - - das sind die wichtigsten Arten der Erhaltung. Die Lage im Gestein ist bei den Pflanzen nach dem Material ihrer selbst und des Gesteins verschieden. Flache Lagerung finden Blatter in Papierkohlen, Plattenkalken usw., in denen die harteren Gegenstande platt- gedrfickt zu sein pflegen. Autochthone St~mme usw. gehen durch die Schich- tung hindurch. Beriicksiehtigung beim Bestimmen verdienen die mechani- schen Deformationen. Als Gesteins- bildner wirken die Pflanzen bei der Entstehung des Toffs, der Kohle, des Algenkalkes, bei der Abscheidung yon Kalk- und Kieselsinter, der Bildung yon Diatomeenschlamm und Kiesel- gur und der Abseheidung von Schwefel dutch Schwefelbakterien. Ein beson- derer Abschnitt ist der Autochthonie und Allochthonie gewidmet, dann wird die Bedeutung der fossilen Pfianzen ffir die Erkenntnis der vorzeitliehen

Zeitschriftenschau 59

Klimate er0rtert. Bei diesen Themen warnt der Verf. verschiedentlich vor der fiblichen Art der Schluflfolgerun- gen, z. B. auf eiu tropisches Klima aus dem Vorkommen yon Baumfarnen und Cycadeen, auf Zwischeneiszelten aus dem Vorkommen gewisser Pflanzen. Er erkennt nut e i n e norddeutsche InterglaZialzeit an, die durch den Ein- bruch des Eemmeeres herbeigeftihrt ist, das als ein Tell des Golfstromes gilt. tt~ER errechnete mittlere Jahres- temperaturen ffir verschiedene Teile Europas im Mioz~n, woffir aber die Grundlagen sehr unsicher sind und jedenfalls ungenfigend, um darauf Hypothesen fiber die Verschiebung der Erdachse aufzubauen. Auch in den folgenden Kapiteln, ,, Standortsfragen", ,,Pflanzen als Leitfossilien", ,,Fossile Floren", ,,Das Vegetationsbild der Ver- gangenheit" legt DEECKE eine scharfe Kritik an viele eingebiirgerte und meist kritiklos hingenommene Vor- stellungen.

Das Buch enthalt somit eine Ffille von Anregungen zur erneuten Prfifung tier mannigfaltigsten, mit dem Vor- kommen fossiler Pfianzen verbundenen Fragen. Aufgefallen ist es uns, dag der Verf. (S. 7, oben) der Meinung zu Sein scheint, dab Kokkolithen fossil nut in der weil~en Schreibkreide fest- gestellt seien. Nach ZITTEL-BRoILI, Grundzfige der PalRontologie, lassen sich die Kokkolithen durch alle For- mationen rfickwRrts his zum oberen Kambrium verfolgen.

WcKs.