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F o r s c h u n g s e r g e b n i s s e · Ve r a n s t a l t u n g e n · Ve r ö f f e n t l i c h u n g e n
Juli/August 2015
Wirtschaftspolitische Analyse
Warum China die Ausfuhr Seltener Erden beschränktZEW Wirtschaftsforum 2015
Europa im digitalen WettbewerbSchwerpunkt Energiemarkt
Experten sehen kaum Perspektiven für ein Klimaabkommen
Chance statt Bedrohung – die Digitalisierung wird die Zukunft der Arbeit verändernWas bedeuten Automatisierung und Digitalisierung für die Zukunft der Arbeitswelt? Pessimistische Schätzungen gehen von Arbeitsplatzverlusten und hoher Arbeitslosigkeit aus. Eine aktuelle Studie des ZEW im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem Schluss, dass diese Gefahr deutlich geringer ist als bisher vermutet, auch wenn sich der Arbeitsalltag verändern wird.
Industrie 4.0, automatisiertes Fahren, Paketdrohnen, intelligente Roboter – wie wird die Digitalisierung die Arbeitswelt verändern? In der aktuellen Debatte wird zum Teil ein düsteres Bild von der Zukunft der Arbeit gezeichnet. Laut einer Studie der britischen Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne arbeiten derzeit 47 Prozent der Beschäftigten der USA in Berufen, die in den nächsten zehn bis 20 Jahren mit einer ho
hen Wahrscheinlichkeit (mehr als 70 Prozent) automatisiert werden können. In einer anderen Studie wurde diese sogenannte Automatisierungswahrscheinlichkeit auf Deutschland übertragen und argumentiert, dass in der Bundesrepublik sogar 59 Prozent der Arbeitsplätze bedroht seien.
Die ZEWStudie zeichnet ein anderes Bild. Hierzu haben die Wissenschaftler Tätigkeitsdaten des „Programme for the International Assessment of Adult Competencies“ (PIAAC) unterssucht und ausgewertet. Die Daten haben den Vorteil, dass nicht mehr angenommen werden muss, dass Beschäftigte in den gleichen Berufsgruppen ähnliche Tätigkeiten ausüben und dass die Tätigkeitsstrukturen von Berufen in Deutschland und den USA identisch sind, wie es bei vorherigen Studien der Fall war.
Die Ergebnisse der ZEWWissenschaftler verdeutlichen, dass Beschäftigte in Berufen, die als leicht automatisierbar gelten, oft
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mals auch schwer automatisierbare analytische oder interaktive Tätigkeiten ausüben. So geben beispielsweise Führungskräfte an, einen hohen Anteil aller analytischen (54 Prozent) und einen hohen Anteil aller interaktiven (65 Prozent) Tätigkeiten häufig auszuüben. Dementsprechend weisen Frey und Osborne Führungskräften eine sehr geringe Automatisierungswahrscheinlichkeit (15 Prozent) zu. Aber auch Bürokräfte üben 30 Prozent aller schwer automatisierbaren analytischen und interaktiven Tätigkeiten häufig aus. Dennoch weisen ihnen die beiden Wissenschaftler eine sehr hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit (85 Prozent) zu. Vor dem Hintergrund der Tätigkeitsprofile scheinen sie das Automatisierungspotenzial vieler Berufe zu überschätzen. Auch die länderspezifischen Unterschiede der Tätigkeitsprofile von Berufen erweisen sich als zum Teil beträchtlich, was die bisherigen Übertragungen der Studie auf Deutschland ignorieren.
Automatisierungswahrscheinlichkeit in Deutschland und den USA fällt geringer aus, als bisher angenommen
Auf Basis der Tätigkeitsdaten replizieren die ZEWWissenschaftler die Automatisierungswahrscheinlichkeiten für Deutschland und die USA. In den ZEWBerechnungen weisen neun Prozent der Arbeitsplätze in den USA Tätigkeitsprofile mit einer relativ hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit auf. In Deutschland trifft dies auf zwölf Prozent der Arbeitsplätze zu. In beiden Ländern fällt der Anteil der Arbeitsplätze mit einer hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit auf Basis der tätigkeitsbasierten Methodik deutlich geringer aus. Die Vernachlässigung von unterschiedlichen Tätigkeitsprofilen von Beschäftigten der gleichen Berufsgruppen kann somit zu einer Überschätzung der Automatisierbarkeit von Arbeitsplätzen führen.
Die Ergebnisse erfordern jedoch eine vorsichtige Interpretation. Aus drei Gründen kann von der Automatisierungswahrscheinlichkeit nicht unmittelbar auf eine Gefährdung von Arbeitsplätzen geschlossen werden.
Erstens beruhen die Werte auf dem von Frey und Osborne ermittelten Potenzial, bestimmte Tätigkeiten durch neue Techno
logien zu ersetzen. Diese Ergebnisse gehen auf Einschätzungen von Robotikexperten zurück, die typischerweise zur Überschätzung technischer Potenziale führen. Außerdem bleiben bei der Ermittlung des technischen Potenzials gesellschaftliche, rechtliche und ethische Hürden mit Blick auf die Einführung neuer Technologien unberücksichtigt. Das wirkliche technische Automatisierungspotenzial ist daher voraussichtlich geringer.
Zweitens beziehen sich die Ergebnisse nur auf das technische Automatisierungspotenzial. Dies darf nicht mit möglichen Beschäftigungseffekten gleichgesetzt werden, da Maschinen Arbeitsplätze verändern können, ohne sie zu ersetzen. Die Beschäftigten können die gewonnenen Freiräume nutzen, um andere, schwer automatisierbare Aufgaben auszuüben.
Drittens entstehen durch neue Technologien immer auch neue Arbeitsplätze, beispielsweise bei deren Herstellung oder durch die gestiegene Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Selbst wenn Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, entstehen neue Beschäftigungsverhältnisse, sodass die Gesamtbeschäftigung nicht zwangsläufig gefährdet ist.
Die Automatisierungswahrscheinlichkeit darf folglich nicht missverstanden werden als die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitsplätze in Zukunft durch Maschinen ersetzt werden. Vielmehr gibt sie Hinweise darauf, welche Beschäftigten vergleichsweise häufig Tätigkeiten ausüben, die potenziell automatisiert werden könnten. Für diese Arbeitskräfte besteht die Herausforderung darin, sich an den technologische Wandel anzupassen. Damit das gelingt, müssen Beschäftigte, Unternehmen und Politik in die Qualifikation der Arbeitskräfte investieren. So können (betriebliche) Qualifizierungsmaßnahmen und die Förderung des lebenslangen Lernens dabei helfen, Beschäftigte für komplexere Tätigkeiten am Arbeitsplatz sowie im Umgang mit neuen Maschinen vorzubereiten.
Die vollständige Kurzexpertise findet sich zum Download unter: http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/Kurzexpertise_BMAS_ZEW2015.pdf
Dr. Terry Gregory, [email protected] Dr. Ulrich Zierahn, [email protected]
ANTEIL ANALYTISCHER UND INTERAKTIVER TÄTIGKEITEN, DIE HÄUFIG AUSGEÜBT WERDEN NACH BERUFSGRUPPEN, DEUTSCHLAND VS. USA
Führungskräfte Akademiker Techniker Bürokräfte Dienstleistungs-berufe
Landwirtschaft, Fischerei
Handwerker Maschinen-bediener
Hilfsarbeits-kräfte
0 %
20 %
40 %
60 %
80 %
interaktiv USAinteraktiv Deutschland
analytisch USAanalytisch Deutschland
Quelle: OECD (2013), Berechnungen des ZEW.
FORSCHUNGSERGEBNISSE | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | 3
INHALT
Längerer Mutterschutz lockt kränkere Mütter zurück in den BerufDie Doppelbelastung aus Familie und Beruf kann die Gesundheit von Müttern nach der Geburt beeinträchtigen. Daher zielt der Beschäftigungsschutz von Müttern unter anderem darauf ab, diese Beeinträchtigungen zu vermeiden, um zu erreichen, dass gesündere Mütter in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Eine Studie des ZEW zeigt nun, dass gerade letzteres Ziel verfehlt wurde. Nach der Einführung eines über den Mutterschutz hinausgehenden Beschäftigungsschutzes kehren verstärkt Mütter mit einem schlechteren Gesundheitszustand auf den Arbeitsmarkt zurück, was zu einem Anstieg der Krankheitstage führt.
In fast allen OECDLändern finden sich gesetzliche Regelungen zum Beschäftigungsschutz von Müttern in der Zeit kurz vor und nach der Geburt eines Kindes. Ein solcher zweimonatiger Mutterschutz wurde in Deutschland 1968 eingeführt und seit 1979 in mehreren Reformschritten um den Anspruch auf darüber hinausgehende Erwerbspausen erweitert. Die ZEWStudie liefert nun Erkenntnisse über den Zusammenhang von Mutterschutz und der Gesundheit erwerbstätiger Mütter.
Mit Blick auf die Gesundheit von Rückkehrerinnen müssen unterschiedliche Folgen der Reform beachtet werden: So kann
sich ein längerer Beschäftigungsschutz einerseits positiv auf die Gesundheit von erwerbstätigen Müttern auswirken, da durch die längere Erwerbspause eine Doppelbelastung durch Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit vermieden wird. Allerdings ist auch denkbar, dass eine Ausweitung des Beschäftigungsschutzes die Zusammensetzung von Rückkehrerinnen (mit Blick auf gesundheitsrelevante Merkmale) verändert. So könnte die Möglichkeit einer längeren Erholungsphase verstärkt Mütter mit einem schlechteren Gesundheitszustand, die bei kürzerem Beschäftigungsschutz nicht oder später in den Arbeitsmarkt zurückgekehrt wären, zur Wiederaufnahme ihres Berufs ermutigen.
Die Wissenschaftler haben auf Basis administrativer Daten der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit untersucht, wie sich über einen Zeitraum von fast 30 Jahren die Erwerbsbeteiligung und die Gesundheit erwerbstätiger Mütter, die unmittelbar vor und nach der ElternzeitReform 1979 ein Kind geboren haben, voneinander unterscheiden. Diese Reform hatte explizit das Ziel, gesundheitliche Beeinträchtigungen erwerbstätiger Mütter zu vermeiden.
Als Indikator für das Auftreten gesundheitlicher Beeinträchtigungen und ihrer Dauer wird der Bezug von Krankengeld verwendet. Dabei zeigt sich, dass der Anteil der kumulierten Phasen des Krankengeldbezugs an der insgesamt auf dem Arbeitsmarkt verbrachten Zeit bei Rückkehrerinnen mit halbjährigem Beschäftigungsschutz höher ist als bei Frauen, die nur Anspruch auf zwei Monate Mutterschutz hatten. Die Ursache: Die längere Erwerbspause ermutigt Mütter mit einem bereits vor der Geburt schlechteren Gesundheitszustand dazu, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, statt ihre Beschäftigung aufzugeben. Die Einführung des Mutterschaftsurlaubs hat somit nicht dazu geführt, dass gesündere Mütter in den Arbeitsmarkt zurückgekehrt sind. Angesichts solcher unbeabsichtigter Kompositionseffekte sollten Reformen mit dem Ziel der Stärkung der Erwerbsbeteiligung durch Maßnahmen zur Sicherung der langfristigen Beschäftigungsfähigkeit flankiert werden.
Die Studie in englischer Sprache findet sich zum Download unter: http://www.zew.de/de/publikationen/7728
PD Dr. Nicole Gürtzgen, [email protected]
Chance statt Bedrohung – die Digitalisierung wird die Zukunft der Arbeit verändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Längerer Mutterschutz lockt kränkere Mütter zurück in den Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Wahlen lassen öffentliche Ausgaben steigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4Mitarbeiter liefern Innovationsideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4Österreichs Kreativwirtschaftsunternehmen unterschätzen ihre Rolle als Ideengeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Nur umfassende Nachhaltigkeitsstrategien zahlen sich für Unternehmen aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Nachgefragt: Was kostet Europa die aggressive Steuerplanung von Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Politik mit Rohstoffen: Warum China die Ausfuhr Seltener Erden beschränkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8Schwerpunkt Energiemarkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9ZEWWirtschaftsforum 2015: Europa im digitalen Wettbewerb – Der Druck steigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13ZEW Intern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Daten und Fakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28
0,5%
0,0%
1,0%
1,5%
2,0%
2,5%
3,0%
JAHRE NACH DER GEBURT
Mütter, die ihr Kind kurznach Inkrafttreten der Reform geboren haben.
Mütter, die ihr Kind kurz vor Inkrafttreten der Reformgeboren haben.
ANTEIL KUMULIERTER LANGDAUERNDER KRANKHEITSEPISODEN VON MÜTTERN AN DER GESAMTZEIT IM ARBEITSMARKT
Langdauernde Krankheitsepisoden sind ununterbrochene krankheitsbedingte Erwerbsunterbrechungen von mindestens sechs Wochen. Quelle: BASiD 2007
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Wahlen lassen öffentliche Ausgaben steigenVor Wahlen steigen die öffentlichen Ausgaben in Gemeinden häufig an. Welchen Einfluss zeitliche Überschneidungen von Gemeinderats und Bürgermeisterwahlen haben und wie der Wiederantritt eines Bürgermeisters die öffentlichen Ausgaben beeinflusst, untersucht eine aktuelle Studie des ZEW.
Politische Budgetzyklen bezeichnen die strategische Manipulation von Ausgaben oder anderen fiskalischen Größen, um sich in Wahljahren einen Vorteil gegenüber politischen Wettbewerbern zu verschaffen. Wie und in welchem Umfang politische Budgetzyklen die fiskalischen Größen verändern, haben ZEWWissenschaftler anhand von Gemeindedaten für die Bundesländer Bayern und BadenWürttemberg ermittelt. Untersucht wurden lokale Ausgaben auf veränderte Muster bei Bürgermeister sowie Gemeinderatswahlen. Während in beiden Bundesländern sowohl der Bürgermeister als auch der Gemeinderat direkt gewählt werden, unterscheiden sich die Längen der Legislaturperioden sowie die Wahltermine. In Bayern betragen die Legislaturperioden jeweils sechs Jahre und beide Wahlen finden zum gleichen Zeitpunkt statt. In BadenWürttemberg beträgt die Legislaturperiode des Gemeinderates fünf Jahre und die des Bürgermeisters acht Jahre, so kommt es nur zu zufälligen Überschneidungen der Wahltermine.
Die ZEWStudie bestätigt die Existenz politischer Budgetzyklen auf der lokalen Ebene. Dies trifft insbesondere für die Legislative zu. Im Jahr vor einer Gemeinderatswahl steigen die
Ausgaben im Schnitt um 1,8 Prozent an. Übertragen auf eine mittelgroße Gemeinde mit 10.000 Einwohnern entspricht dies einer Erhöhung der Ausgaben um ungefähr 300.000 Euro. Bei der Exekutive gibt es keine Hinweise auf individuelle Zyklen.
Wenn sich die Wahltermine der Exekutive und Legislative überschneiden, eröffnen sich besondere Möglichkeiten der Koordination des Ausgabeverhaltens, da der Bürgermeister nicht nur Leiter der lokalen Verwaltung, sondern auch Vorsitzender des Gemeinderats ist. Hierbei hat die Entscheidung des amtierenden Bürgermeisters, wieder zur Wahl anzutreten, einen maßgeblichen Einfluss. Kandidiert der Amtsinhaber erneut und überschneiden sich die Wahltermine von Bürgermeister und Gemeinderat, steigen die Gemeindeausgaben sowohl im Vorwahljahr als auch im Wahljahr an, wohingegen die Ausgaben im Jahr nach den beiden Wahlen zurückgehen. Tritt der Amtsinhaber nicht erneut an, nehmen die Ausgaben im Vorwahljahr sowie im Wahljahr ab und steigen im Nachwahljahr. Vermutlich werden vor Wahlen Projekte aufgeschoben und der neue Amtsinhaber beginnt bereits im ersten Jahr seiner Legislaturperiode damit eigene Projekte umzusetzen. Eine Lösung um die politisch motivierte Verzerrungen in den Gemeindeausgaben zu verringern, wäre die zeitliche Trennung der Wahltermine.
Die Studie in englischer Sprache findet sich zum Download unter: http://www.zew.de/de/publikationen/7705
MarcDaniel Moessinger, [email protected] Mustafa Yeter, [email protected]
Mitarbeiter liefern InnovationsideenFür etwa die Hälfte der Unternehmen in der Informationswirtschaft stellen die eigenen Mitarbeiter die Hauptinformationsquelle für Innovationsprojekte dar. Eine ähnlich hohe Bedeutung kommt den Kunden und Auftraggebern zu. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle ZEW Branchenreport Informationswirtschaft.
Unternehmen benötigen immer wieder neue und kreative Ideen, um Ihre Produkte, Dienstleistungen und Prozesse weiterzuentwickeln. Die wichtigste Informationsquelle für Innovationsprojekte in der Informationswirtschaft, die sich aus den Branchen Informations und Kommunikationstechnologien (IKT), Medien und wissensintensive Dienstleister zusammensetzt, sind dabei die eigenen Mitarbeiter. Gut die Hälfte der Unternehmen profitiert von Innovationsideen ihrer Beschäftigten. Eine fast ähnlich hohe Bedeutung kommt den Kunden und Auftraggebern zu. Etwas mehr als 20 Prozent der Unternehmen in der Informationswirtschaft gewinnen Erkenntnisse für den eigenen Innovationsprozess durch Wettbewerber.
Neue Technologien wie Big Data oder Social Media bieten das Potenzial, Informationen aus verschiedenen unternehmensinternen und externen Quellen zu erheben und systema
tisch auszuwerten. Diese Möglichkeiten nutzen bislang lediglich knapp acht beziehungsweise sechs Prozent der Unternehmen in der Informationswirtschaft, wobei technologieaffine Branchen hier überdurchschnittlich aktiv sind. So dienen Data Mining oder Big Data bei rund 15 Prozent der IKTUnternehmen und 13 Prozent der Mediendienstleister als Informationsquelle. Die wissensintensiven Dienstleister haben hier noch Aufholpotenzial.
In der umgekehrten Perspektive sehen sich 58 Prozent der IKTDienstleister und 54 Prozent der Hardwarehersteller als Impulsgeber für Innovationsprojekte ihrer Unternehmenskunden. Deutlich geringer ist die Impulsgeberwirkung bei der heterogenen Branche der wissensintensiven Dienstleister (23 Prozent). Während unter den Unternehmensberatungen und den Unternehmen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung jeweils mehr als die Hälfte ihre Kunden bei der Einführung von Innovationen unterstützt, gehen von den Rechts und Steuerberatern sowie den Wirtschaftsprüfern kaum Innovationsimpulse aus.
Die vollständige Publikation findet sich zum Download unter: http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/brepikt/aktuell.pdf
Daniel Erdsiek, [email protected] Dr. Jörg Ohnemus, [email protected]
FORSCHUNGSERGEBNISSE | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | 5
Österreichs Kreativwirtschaftsunternehmen unterschätzen ihre Rolle als IdeengeberÖsterreichische Kreativwirtschaftsunternehmen scheinen sich ihrer Bedeutung für die Innovationsaktivitäten ihrer Kunden nicht vollständig bewusst zu sein. Gleichzeitig überschätzen sie ihren Beitrag zur Kostensenkung in den Kundenunternehmen. Dies ist ein zentrales Ergebnis des sechsten Österreichischen Kreativwirtschaftsberichts, an dessen Erstellung das ZEW beteiligt war.
Kreativität rückt zunehmend ins Blickfeld von Politik und Wissenschaft. Der Grund: Kreativität ist die Grundlage von Innovationen, die die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft mit beeinflussen. Dieses Thema wird auch im sechsten Österreichischen Kreativwirtschaftsbericht mit dem Schwerpunkt „Kreativwirtschaft und ihr Markt“ aufgegriffen. In diesem Bericht wird untersucht, in welchen Bereichen und in welcher Form Unternehmen der österreichischen Privatwirtschaft Vorleistungen aus der Kreativwirtschaft in Anspruch nehmen, welche Anforderungen sie dabei stellen, wo Probleme auftreten und warum gegebenenfalls auf die Nutzung von Kreativleistungen verzichtet wird. Hierzu wurden zwei repräsentative Befragungen durchgeführt, die sowohl die Sicht der Kreativwirtschaftsunternehmen als auch die ihrer Kunden erfassen. Zu den Kreativwirtschaftsunternehmen zählen dabei Unternehmen mit den Tätigkeitsfeldern Architektur, Design, Musik, Buch, künstlerische Tätigkeit, Radio, TV, Software, Games, Verlage, Video, Film oder Werbung.
Die Autoren der Studie zeigen, dass der Hauptgrund für die Inanspruchnahme von Kreativleistungen darin besteht, dass durch Externe neue Ideen eingebracht werden und ihre fachliche Kompetenz genutzt werden kann. Auch die Kreativwirtschaftsunternehmen selbst halten ihre fachliche Kompetenz für eines der wichtigsten Motive ihrer Kunden, wenn sie Leistungen bei ihnen nachfragen. Bei der Einschätzung der Bedeutung der neuen Ideen zeigen sich jedoch Unterschiede. Für die Kreativwirtschaftsunternehmen kommt die Innovativität ihrer Leistungen erst an fünfter Stelle. 22 Prozent meinen sogar, dass dieser Punkt für ihre Kunden überhaupt keine Rolle spielt. Anders sieht es bei den Kosten aus: 28 Prozent der Kreativwirtschaftsunternehmen glauben, dass der Preis ihrer Leistung eine große Rolle spielt. Auf Kundenseite teilen jedoch nur sechs Prozent diese Meinung.
Ein ähnliches Bild hinsichtlich Innovationen und Kosten ergibt sich bei den Auswirkungen der Nutzung der Kreativleistungen in den Kundenunternehmen. Für die Kunden kommt die Möglichkeit, durch die Nutzung von Kreativleistungen Innovationen einzuführen an zweiter Stelle, bei den Kreativwirtschaftsunternehmen erst an sechster. Bei den Kosten sagen 17 Prozent der Kreativwirtschaftsunternehmen, dass die Möglichkeit, Kosten zu senken, für die Kunden von hoher Bedeutung ist. Tatsächlich ist das aber nur bei vier Prozent der Kunden der Fall. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Kreativwirtschaftsunternehmen bei ihrer Zusammenarbeit mit ihren Kunden nicht immer die richtigen Schwerpunkte setzen. Statt sich um die Kostenaspekte ihrer Leistungserstellung zu kümmern, sollten sie sich auf das Entwickeln von Ideen für innovative Lösungen konzentrieren.
Der vollständige Bericht, den das ZEW zusammen mit dem Institut für Höhere Studien (IHS) und der KMU Forschung Austria in Wien im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich erstellte, findet sich zum Download unter: http://www.creativwirtschaft.at/document/6.KWB_Langfassung_WEB.pdf
Dr. Bettina Müller, [email protected] Dr. Christian Rammer, [email protected]
Kreativwirtschafts-unternehmen
Kundenunternehmen
Kreativwirtschafts-unternehmen
Kundenunternehmen
ANTEIL DER UNTERNEHMEN IN %
12 26
39 25 18 18
hoch mittel gering nicht relevant
Inno
vatio
nen
Kost
ense
nkun
g
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
28 35
17
4 13 38 45
23 17 42
AUSWIRKUNGEN DER NUTZUNG VON KREATIVLEISTUNGEN AUF DIE KUNDEN
Quelle: IHS/ZEW, Kreativwirtschaftsbefragung 2014
Kostenersparnisse spielen für die Kunden von Kreativwirtschaftsunternehmen in Österreich nur eine untergeordnete Rolle. In erster Linie erhoffen sie sich originelle und innovative Lösungen.
Nur umfassende Nachhaltigkeitsstrategien zahlen sich für Unternehmen ausUmweltschutz hat auch bei Unternehmen an Stellenwert gewonnen. Eine aktuelle Studie des ZEW untersucht, ob sich unternehmerische Bemühungen nachhaltig und umweltschonend zu wirtschaften, auch auf den Marktwert eines Unternehmens auswirken – und wie sich langfristige Investitionen in nachhaltige Technologien auch kurzfristig an Stakeholder signalisieren lassen.
Das gewachsene Umweltbewusstsein einer breiten Konsumentenschicht stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Einige Unternehmen übernehmen soziale Verantwortung und passen sich diesem Trend an. So können sie spezielle Konsumentengruppen bedienen und sich von der Konkurrenz abheben. Viele Unternehmen führen dafür Forschungs und Entwicklungsprojekte durch mit dem Ziel, neue umweltschonende Produkte und Produktionsverfahren zu entwickeln. Die Ergebnisse dieser Bemühungen sind jedoch weder sicher noch kurzfristig verfügbar. Darüber hinaus sind die Anstrengungen für Außenstehende wie Kunden, Investoren oder anderen sogenannten Stakeholdern, sprich Anspruchsgruppen, kaum erkennbar. Aus diesem Grund haben ZEWWissenschaftler untersucht, ob Unternehmen ihren Stakeholdern diese, auf langfristige Nachhaltigkeit ausgerichtete Strategie signalisieren und somit den Marktwert des Unternehmens steigern können.
Die ZEWStudie nutzt Daten der Thompson und Reuters ASSET4 Datenbank. Diese enthält unter anderem Informationen zum Marktwert börsennotierter Unternehmen in verschiedenen Ländern über mehrere Jahre. Zudem enthält die Datenbank In
formationen darüber, ob Unternehmen Mittel in Forschung und Entwicklung (F&E) umweltfreundlicher Produkte und Prozesse investiert haben und ob sie sich Maßnahmen im Bereich umweltverträglicher sozialer Verantwortung zertifizieren ließen. Hierbei stehen Daten zu verschiedenen Zertifikaten zur Verfügung. Untersucht wurde ein spezifisches Zertifikat der Global Reporting Initiative (GRI) sowie die allgemeine Wirkung einer freiwilligen Zertifizierung der unternehmerischen Nachhaltigkeit durch externe Prüfer. Als Vergleichs beziehungsweise Kontrollgruppe dienten Unternehmen, die weder solche umweltfreundlichen F&EAktivitäten noch zertifizierte freiwillige Umweltschutzmaßnahmen durchgeführt haben. Im Mittelpunkt der Studie standen börsennotierte Großunternehmen.
Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen, die allein auf F&E im Bereich umweltfreundlicher Produkte und Prozesse gesetzt haben, keinen höheren Marktwert als die Unternehmen der Kontrollgruppe hatten. Gleiches gilt für Unternehmen, die allein auf zertifizierte freiwillige Maßnahmen gesetzt haben. Allerdings wiesen die Unternehmen, die beide Strategien – nachhaltige F&E und zertifizierte umweltfreundliche Maßnahmen – verfolgten, einen signifikant höheren Marktwert als die Kontrollgruppe auf. Eine mögliche Erklärung für dieses Ergebnis ist, dass für die Steigerung des Marktwerts sowohl ein glaubhaftes Signal als auch F&E Aktivitäten nötig sind. Durch ein Zertifikat kann derzeitiges freiwilliges umweltfreundliches oder nachhaltiges Wirtschaften signalisiert werden, wohingegen F&EAktivitäten grundlegend sind, um in der Zukunft nachhaltig und umweltfreundlich zu produzieren. Es bedarf also einer umfassenden Strategie für betrieblichsoziale Verantwortung im Bereich Nachhaltigkeit, die sowohl die gegenwärtigen Anstrengungen als auch die in die Zukunft gerichteten Bemühungen signalisiert.
Allerdings gelten die Ergebnisse nur für das spezifische GRIGütelabel. Für den Fall sonstiger externer Zertifizierungen konnten keine Effekte gefunden werden. Ein Grund könnte sein, dass bestimmte Gütelabel bekannter sind und daher über mehr Reputationswirkung verfügen, was sie als glaubhafteres Signal für freiwilliges nachhaltiges Wirtschaften qualifiziert.
Die Studie in englischer Sprache findet sich zum Download unter: http://www.zew.de/de/publications/7859
Christiane Reif, [email protected] Sascha Rexhäuser, [email protected]
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WIRTSCHAFTSPOLITISCHE ANALYSE | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | 7
Nachgefragt: Was kostet Europa die aggressive Steuerplanung von Unternehmen?
„Wirklich belastbare Zahlen zu Aufkommenseinbußen existieren nicht“Die Europäische Kommission hat der aggressiven Steuerplanung multinationaler Konzerne den Kampf angesagt. Mit ihrem Aktionsplan zur grundlegenden Reform der Unternehmensbesteuerung in der EU sollen Praktiken wie die zwar legale, jedoch unlautere Steuervermeidung von Großkonzernen unterbunden werden. Hat die Kommission damit das passende Instrument gefunden, um Gewinnverlagerungen im Keim zu ersticken und Steueroasen in Europa auszutrocknen? Christoph Spengel, ZEW Research Associate und Fachmann für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, argumentiert, dass die von der Kommission vorgeschlagene Gemeinsame KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage für weniger Bürokratie, aber sicher mehr Transparenz sorgt.
Aggressive Steuerplanung ist nicht illegal, nutzt aber vor-teilhafte Steuerregime, Schlupflöcher und Gesetzeslücken in nationalen Steuerrechtssystemen aus. Lässt sich beziffern, wie viel Geld den Staatskassen in der EU dadurch verloren geht?
Nein, wirklich belastbare Zahlen zu den Aufkommenseinbußen aus „aggressiver“ Steuerplanung existieren nicht. Das ist ein gravierendes Problem in der anhaltenden Debatte, da die politischen Initiatoren innerhalb der G20, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der EUKommission keine konkreten Vorstellungen haben, um welche Dimensionen es wirklich geht. Es gilt einmal, Steuerplanung von Steuerhinterziehung zu unterscheiden, was einigermaßen möglich ist. Zum zweiten müsste aber auch getrennt werden zwischen „aggressiver“ und „normaler“ Steuerplanung, wobei letztere aus dem internationalen Steuergefälle resultiert. Diese Trennung wiederum ist schwierig. Unsere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass international verflochtene Konzerngesellschaften in Deutschland verglichen mit nicht konzernverbundenen Unternehmen rund neun Milliarden Euro weniger an Steuern bezahlen. Das bezieht sich allerdings auf die Steuerplanung insgesamt, schließt also „normale“ Steuerplanung mit ein. Diese Zahl ist nicht nur gering, sondern sie kann auch nicht das Ausmaß „aggressiver“ Steuerplanung beziffern. In Anbetracht dieser niedrigen Zahlen sollte die Politik zurückhaltender agieren.
Mit ihrem Aktionsplan will die EU-Kommission mehr Fair-ness und Effizienz bei der Unternehmensbesteuerung schaf-fen. Geht der Vorschlag für eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) in die ge-wünschte Richtung?
Eine GKKB begrenzt die Steuerplanung im herkömmlichen Sinne, weil sie das Konzernergebnis konsolidiert. Allerdings schließt die EUKommission eine Konsolidierung sowie eine daran anknüpfende formelhafte Gewinnzerlegung zum jetzigen Zeitpunkt aus. Stattdessen schlägt sie aus guten Gründen nur eine
Gemeinsame KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage (GKB), also eine ausschließliche Harmonisierung der Gewinnermittlungsvorschriften vor. Steuerplanung ist also weiterhin möglich.
Eine Regelung des Aktionsplans zielt zudem auf die effekti-ve Besteuerung am Ort der Wertschöpfung ab. Beugt das fiska-lischen Verlusten durch Gewinnverlagerungen vor?
Eine GKB ändert im Vergleich zum geltenden Recht nichts an dem Ort, an dem Unternehmensgewinne versteuert werden. Mit dem Ort der Wertschöpfung hat das bei heute vorherrschenden Konzernstrukturen beziehungsweise Geschäftsmodellen wenig zu tun. Eine GKKB mit Konsolidierung der Einzelgewinne und formelhafter Gewinnaufteilung käme diesem Anliegen deutlich näher.
Eine Schwierigkeit ist die heterogene Detailvielfalt der Steu-errechtssysteme in den EU-Mitgliedstaaten. Kommt die Kom-mission mit ihrem Plan den nationalen Gesetzgebern überhaupt entgegen oder wird hier ein bürokratisches Monstrum herauf-beschworen?
Eine GKB schafft kein bürokratisches Monstrum. Im Gegenteil: die GKB schafft mehr Transparenz für EUweit tätige Unternehmen und senkt damit die steuerlichen Befolgungskosten. Zudem soll das System verpflichtend sein und könnte in Deutschland auch rechtsformübergreifend implementiert werden. All das wären bedeutsame Vorteile im Binnenmarkt.
Die Steuerhoheit in der EU liegt nach wie vor weitgehend auf nationalstaatlicher Ebene. Versucht die EU-Kommission mit ih-rem Vorstoß, weitere Kompetenzen an sich zu ziehen?
Mit einer GKB verlieren die Mitgliedstaaten keine wesentlichen steuerlichen Kompetenzen. Die Vorschläge orientieren sich am geltenden Recht der Mitgliedstaaten, so dass die GKB aufkommensneutral eingeführt werden könnte. Außerdem verbliebe die wichtige Steuersatzhoheit bei den Mitgliedstaaten. Unsere Mannheimer Forschungsgruppe befürwortet seit langem einen solchen Harmonisierungsweg.
Prof. Dr. Christoph Spengel ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre II an der Universität Mannheim, ZEW Research Associate sowie Direktor des Leibniz WissenschaftsCampus „Mannheim Taxation“ (MaTax) und unter anderem Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium.
spengel@unimannheim.de
Politik mit Rohstoffen: Warum China die Ausfuhr Seltener Erden beschränktIn den vergangenen Jahren haben immer mehr Staaten Ausfuhrbeschränkungen bei Rohstoffen eingeführt. Diese Exportbeschränkungen galten auch für Seltene Erden, für die China über eine quasi monopolistische Marktposition verfügt. Das ZEW hat die Gründe für Chinas Exportbarrieren genauer analysiert.
Zahlreiche Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation WTO haben Ausfuhrbeschränkungen auf Metalle und Mineralien implementiert. Unter diesen Metallen befinden sich auch die sogenannten Seltenen Erden, welche die Vereinigten Staaten, Japan und Europa als kritische Rohstoffe einstufen. Als „kritisch“ werden Rohstoffe bezeichnet, die von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die einheimische Industrie sind und deren Lieferung von einem oder wenigen Staaten dominiert wird. Seltene Erden sind das bekannteste Beispiel solcher kritischer Rohstoffe. Sie werden beispielsweise für die Produktion von HochleistungsDauermagneten, Kondensatoren oder in der Rüstungsindustrie benötigt. Ihr Bedarf soll in Zukunft stark steigen: Schätzungen gehen von einer Steigerung um bis zu 2.600 Prozent in den kommenden 25 Jahren aus.
Die Gruppe der Seltenen Erden umfasst 17 Metalle mit denselben chemischen Eigenschaften. Sie sind nicht im geologischen Sinne selten. Das häufigste Metall dieser Gruppe kommt etwa genauso häufig in der Erdkruste vor wie Kupfer. Selbst das seltenste Element der Gruppe kommt häufiger vor als Gold. Ihre Seltenheit entstammt der Tatsache, dass sie kaum in abbauwürdiger Konzentration gefunden werden und ihre Förderung daher äußerst kostspielig ist.
China verfügt über etwa 50 Prozent der weltweiten Vorkommen Seltener Erden. Bereits in den 1990er Jahren deklarierte die chinesische Regierung Seltene Erden zu strategischen Rohstoffen. Fortan durften ausländische Unternehmen sie nur noch
gemeinsam mit chinesischen fördern. Von Beginn der 2000er Jahre bis 2012 kam die Volksrepublik für rund 95 Prozent des weltweiten Angebots an Seltenen Erden auf – das entspricht faktisch einer Monopolstellung. Nach und nach implementierte die chinesische Regierung weitere Beschränkungen wie Exportzölle und Steuern, beschränkte aber auch die Exportmengen. Trotzdem liegt der Anteil Chinas an der weltweiten Förderung Seltener Erden noch immer bei 85 Prozent.
Die ZEWStudie zeigt, dass die Ausfuhrbeschränkungen vor allem industriepolitisch motiviert sind. Das wichtigste Ziel ist, ausländische Betriebe, die Seltene Erden in der Produktion verwenden, nach China zu verlagern. Das Riesenreich soll zur Hochburg für SeltenErdenintensive Sektoren werden. Seit den 1980er Jahren hat China eine Forschungsinfrastruktur rund um Seltene Erden aufgebaut und qualifizierte Arbeitskräfte ausgebildet. Weiterhin sieht die Volksrepublik Exportbeschränkungen als Instrument, um die schwerwiegenden Umweltzerstörungen zu bewältigen, die die Förderung verursacht. Exportbeschränkungen können Umweltschutzregulierungen auf Ebene der einzelnen Minen ersetzen, wenn diese nicht durchgesetzt werden können. Allerdings schränkt der wachsende Anteil Chinas an der Nachfrage nach Seltenen Erden deren Wirksamkeit ein.
2014 hat die WTO entschieden, dass Chinas Ausfuhrbeschränkungen für Seltene Erden nicht mit den WTOVerträgen vereinbar sind. Daraufhin schaffte China die Exportzölle und kontingente ab. Marktexperten befürchten jedoch, dass die chinesische Regierung auf andere, weniger transparente Exportbarrieren zurückgreifen könnte. Die Entwicklung in Zukunft bleibt somit weiter offen.
Die Studie in englischer Sprache findet sich zum Download unter: www.zew.de/publikation7883
Frank Pothen, [email protected]hannover.de
8 | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | WIRTSCHAFTSPOLITISCHE ANALYSE
Das Reich der Mitte nutzt strenge Ausfuhrbeschränkungen für Seltene Erden vor allem als industriepolitisches Mittel und bezweckt zugleich, Umweltschäden zu vermeiden.
Experten erwarten keinen Abschluss eines verbindlichen Klimaabkommens in Paris
Ende dieses Jahres findet in Paris die 21. UNKlimaschutzkonferenz statt. Nach den im Jahr 2009 gescheiterten Verhandlungen über eine Nachfolgeregelung für das KyotoProtokoll in Kopenhagen wird mit Spannung erwartet, ob in diesem Jahr ein Durchbruch in den internationalen Verhandlungen erzielt werden kann. Klima und Energiepolitik sind eng miteinander verknüpft. Aus diesem Anlass wurden die Experten des ZEW Energiemarktbarometers nach Ihren Einschätzungen zu solch einem Abkommen befragt.
Im Vorfeld der diesjährigen Klimakonferenz in Paris wurden bereits von einigen Staaten nationale Treibhausgasminderungsbeiträge in Aussicht gestellt. Die Staaten legen dabei die Minderungsbeiträge fest, die sie bereit sind, beizutragen. So soll die Vorbereitung der Verhandlungen erleichtert und der Abschluss eines Abkommens unterstützt werden. Ob diese freiwilligen Beiträge jedoch ausreichen, um am Ende eine Übereinkunft zu erreichen, ist zweifelhaft. Die Mehrheit der vom ZEW Energiemarktbarometer befragten Experten glaubt nicht, dass im Dezember 2015 ein verbindliches internationales Klimaschutzabkommen verabschiedet wird. 32 Prozent gehen fest davon aus, dass ein Vertrag nicht zustande kommt, und weitere 41 Prozent glauben eher nicht an den erfolgreichen Abschluss einer Vereinbarung. Nur knapp ein Viertel der Experten gibt an, dass ein verbindliches internationales Klimaschutzabkommen erzielt werden kann. Insgesamt 19 Prozent sind hierbei nur mäßig optimistisch und wählten als Antwort „eher ja“. Nur vier Prozent entschieden sich für ein klares „Ja“.
Deutsche Klimaschutzziele unabhängig von internationalem Abkommen
Doch welchen Einfluss hätte solch ein Abkommen auf die nationalen Klimaschutzziele und die Energiepolitik in Deutschland? Im Nachgang des KyotoProtokolls kam es in Europa zur Einführung des Emissionshandelssystems, welches breite Teile der eu
ropäischen Industrien und der Energieerzeugung abdeckt. Heute ist die Situation anders: Der Ausgang der Verhandlungen um ein verbindliches Klimaschutzabkommen hat nach Einschätzung der befragten Experten eher keinen Einfluss auf die nationalen Klimaschutzziele. Falls ein Abkommen zustande kommt, erwarten 77 Prozent eher keine Änderung der nationalen Ziele. Nur 22 Prozent der Befragten erwarten eine Veränderung. Die Experten, die eine Veränderung der nationalen Ziele als Reaktion auf ein Abkommen erwarten, gehen dabei zum Großteil (88 Prozent) von strikteren Zielen aus. Falls kein Abkommen verabschiedet wird, gehen auch nur etwa 17 Prozent von einer Anpassung der nationalen Ziele aus. Die Mehrheit (81 Prozent) erwartet keine Änderung. Von denjenigen, die eine Änderung erwarten, gehen 56 Prozent von strikteren und 44 Prozent von weniger strikten Zielen aus. Nur wenige Experten sprechen einem internationalen Abkommen also einen Einfluss auf nationale Zielsetzungen zu.
Die internationale Klimapolitik könnte auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und das Investitionsklima von Unternehmen in bestimmten Wirtschaftszweigen haben. So könnte ein verbindliches Klimaschutzabkommen zum Beispiel zu einer höheren Nachfrage nach klimafreundlichen Technologien führen, was zu größeren Investitionen von Unternehmen in diesem Be
Schwerpunkt
ENERGIE M A RK T
Das ZEW Energiemarktbarometer ist eine halbjährliche Befragung von rund 200 Experten aus Wissenschaft und Praxis (Energieversorgungs, handels und dienstleistungsunternehmen). Sie werden zu ihren Erwartungen hinsichtlich der kurz und mittelfristigen Entwicklungen auf den nationalen und internationalen Energiemärkten befragt (kurzfristiger Zeithorizont: sechs Monate, mittelfristiger Zeithorizont: fünf Jahre). Die Ergebnisse der aktuellen Befragung (Befragungszeitraum: Mai 2015) sind im vorliegenden Schwerpunkt Energiemarkt wiedergegeben.
10 | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | SCHWERPUNKT ENERGIEMARKT
reich führen könnte. Andererseits könnten ein Abkommen und die damit verbundenen Maßnahmen zur Erreichung der vereinbarten Treibhausgasminderungen auch zu zusätzlichen Belastungen bestimmter Wirtschaftsbereiche führen. Wie würde sich also ein verbindliches Abkommen auf das Investitionsklima in verschiedenen Sektoren in Deutschland auswirken? Den Experten des ZEW Energiemarktbarometers wurde diese Frage mit Blick auf folgende Sektoren gestellt: Energiewirtschaft, energieintensive Industrien, Maschinen und Anlagenbau, Elektroindustrie, sonstige Industriesektoren sowie Dienstleistungen.
Verbindliches Abkommen hätte eher positive Auswirkungen auf das Investitionsklima
Wenn ein verbindliches Klimaschutzabkommen zustande käme, wären die Auswirkungen auf das Investitionsklima in den meisten Sektoren aus Sicht der Experten eher positiv. Dies gilt insbesondere für die Energiewirtschaft (48 Prozent der Befragten sehen dies stark positiv oder positiv), Maschinen und Anlagenbau (47 Prozent) sowie Elektroindustrie (50 Prozent). Die optimistischen Einschätzungen werden teilweise dadurch relativiert, dass rund ein Drittel der Experten keine nennenswerten Auswirkungen in diesen Bereichen erwarten – 29 Prozent für die Energiewirtschaft, 34 Prozent für den Maschinen und Anlagenbau sowie 35 Prozent für die Elektroindustrie. Insgesamt negative bis stark negative Auswirkungen sehen 19 Prozent für die Energiewirtschaft, 14 Prozent für den Maschinen und Anlagenbau und elf Prozent für die Elektroindustrie.
Pessimistischer wird ein Klimaschutzabkommen für die energieintensive Industrie gesehen (46 Prozent der Befragten sehen dies stark negativ oder negativ). Hier erwarten nur 26 Prozent der Experten eine Verbesserung des Investitionsklimas in Deutschland. Die Auswirkungen auf sonstige Industriesektoren und auf den Dienstleistungssektor werden eher neutral gesehen (52 Prozent beziehungsweise 47 Prozent), wobei elf beziehungsweise acht Prozent die Auswirkungen für nicht abschätzbar halten. Für die anderen Bereiche hielten rund fünf Prozent der Befragten die Auswirkungen für nicht abschätzbar. Für die sonsti
gen Industriesektoren halten sich die positiven (21 Prozent) und negativen (16 Prozent) Erwartungen annährend die Waage. Die Folgen für den Dienstleistungssektor werden jedoch eher positiv (38 Prozent) als negativ (sieben Prozent) gesehen.
So ergibt sich ein ausgesprochen nüchternes Bild: Nur wenige Panelteilnehmer erwarten ein substantielles Abkommen bei den Klimaverhandlungen in Paris am Ende des Jahres. Selbst wenn solch ein Beschluss zustande kommen würde, rechnen die meisten nicht mit nennenswerten Änderungen der deutschen
klimapolitischen Zielsetzungen. Andererseits wäre ein Abkommen für die deutsche Wirtschaft tendenziell vorteilhaft. Klar ist jedoch auch: eine substanzielle Reduktion der weltweiten Treibhausgasemissionen wird nicht kostenlos sein. Nun stellt sich die Frage, wie gerade den großen Emittenten von Treibhausgasen entsprechende Zusagen abgerungen werden können.
Robert Germeshausen, [email protected] Philipp Massier, [email protected]
Dr. Nikolas Wölfing, [email protected]
EINSCHÄTZUNGEN DER ENERGIEMARKT-EXPERTEN ZUR VERABSCHIEDUNG EINES KLIMAABKOMMENS BEI DER KLIMAKONFERENZ IN PARIS UND ZU DEN MÖGLICHEN AUSWIRKUNGEN AUF DIE KLIMASCHUTZZIELE DEUTSCHLANDS
in%
ja
eher ja
eher nein
nein
nicht abschätzbar
Glauben Sie, dass es im Dezember zur Verabschiedung eines verbindlichen Klimaschutzabkommens kommen wird?
Erwarten Sie Änderungen bei dendeutschen Klimaschutzzielen, falls ein Abkommen zustande kommt?
Erwarten Sie eine Änderung der deutschen Klimaschutzziele, falls ein Abkommen nicht zustande kommt?
in% in%
ANTEIL DER BEFRAGTEN
4 2 2215
43
38
120
43
34
4
19
41
32
Dienstleistungssektor
SonstigeIndustriesektoren
Elektroindustrie
Maschinen-und Anlagenbau
EnergieintensiveIndustrien
Energiewirtschaft
Anteil der Befragten in %
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2
3
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44 34 12 2 5
24 23 33 13 5
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stark positiv positiv neutral
negativ stark negativ nicht abschätzbar
AUSWIRKUNGEN EINES KLIMAABKOMMENS AUF DAS INVESTITIONSKLIMA IN DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT
Wie würde sich Ihrer Einschätzung nach ein verbindliches Abkommen auf das Investitionsklima in den folgenden Sektoren in Deutschland auswirken?
Quelle: ZEW
Quelle: ZEW
SCHWERPUNKT ENERGIEMARKT | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | 11
Versorgungssicherheit wird unterbewertetIm aktuellen ZEW Energiemarktbarometer wurden die Ener
giemarktExperten nach ihren Einschätzungen bezüglich der deutschen Energiepolitik befragt. Ein großer Teil der Umfrageteilnehmer sieht den Fokus der deutschen Energiepolitik nicht unbedingt deckungsgleich mit den Themen, die in den kommenden fünf Jahren entscheidend sein werden. Zudem wird die Energiewende nach Ansicht der Experten viele Bereiche der deutschen Wirtschaft und Energiewirtschaft beeinflussen.
Der Fokus der aktuellen deutschen Energiepolitik liegt, nach Meinung von 53 Prozent der Befragten, hauptsächlich auf der Bezahlbarkeit der Energieversorgung für Unternehmen. Knapp dahinter liegt die Einschätzung über den Stellenwert der Versorgungssicherheit (48 Prozent). Weitere zentrale Themen sind die Energieeffizienz (42 Prozent) und die Treibhausgasemissionen (38 Prozent). Die Bezahlbarkeit der Energieversorgung für Privathaushalte sehen nur 27 Prozent der Experten im Fokus der deutschen Energiepolitik.
Der Versorgungssicherheit sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, als sie es aktuell nach Meinung der Experten erfährt. 62 Prozent sind der Meinung, dass sie einen Schwerpunkt der Energiepolitik darstellen sollte. Zudem sollte die Integration der Energiemärkte innerhalb der EU sträker forciert werden (35 Prozent). Weitere relevante Themenfelder sind die Kosteneffizienz der Energiebereitstellung (30 Prozent) und Treibhausgasemissionen (30 Prozent). Auch der Bezahlbarkeit der Energieversorgung für Unternehmen (30 Prozent) und Privathaushalte (25 Prozent) spricht ein Teil der Experten einen hohen Stellenwert zu. Allerdings ist der Wert gerade für Unternehmen deutlich geringer als bei der Einschätzung des aktuellen Fokus der Energiepolitik.
Bei den Themen, die die EnergiemarktExperten in den nächsten fünf Jahren im Zentrum der deutschen Energiepolitik erwarten, gibt es keine großen Abweichungen zu ihren Ansichten über
den wünschenswerten Fokus der Energiepolitik. Eine Ausnahme bildet die Bezahlbarkeit für Unternehmen. Hier erwarten 38 Prozent der Experten, dass das Thema auch in den nächsten fünf Jahren im Mittelpunkt der Energiepolitik stehen wird, obwohl es stark an Bedeutung zu verlieren scheint.
Mittelfristig wird die Energiewende die wirtschaftliche Situation von Unternehmen in der Energiewirtschaft sowie die der Anlagen und Kraftwerksbauer maßgeblich beeinflussen. Neu entstehende Chancen und Risiken sind jedoch unterschiedlich verteilt. Die wirtschaftliche Lage der Energieversorger wird sich nach Meinung von 71 Prozent der Experten durch die Energiewende verschlechtern. Auch die Perspektiven der Unternehmen des Anlagen und Kraftwerksbaus bewerten 51 Prozent als schlecht. Nur 17 Prozent erwarten in diesem Bereich eine Verbesserung der Lage und 24 Prozent keine Veränderung. Auf die wirtschaftliche Situation der Netzbetreiber wird die Energiewende nach Ansicht der Experten nur einen geringen Einfluss haben, 58 Prozent erwarten eine gleichbleibende wirtschaftliche Lage. Positive (22 Prozent) und negative Einschätzungen (20 Prozent) halten sich die Waage. Bei Vertriebsunternehmen erwartet die Mehrheit der Experten ebenfalls keine Veränderung der wirtschaftlichen Situation durch die Energiewende. Nur 29 Prozent gehen von einem negativen und 13 Prozent von einem positiven Einfluss aus. Für die deutsche Volkswirtschaft insgesamt sehen rund 41 Prozent der Befragten einen positiven oder stark positiven Einfluss durch die Energiewende und erwarten neue Chancen für die deutsche Wirtschaft. Etwas über 32 Prozent der Experten befürchten negative bis stark negative Auswirkungen durch die Energiewende.
Robert Germeshausen, [email protected] Philipp Massier, [email protected]
Dr. Nikolas Wölfing, [email protected]
48%
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Versorgungs-sicherheit
Integration der europäischen Energiemärkte
Energie-effizienz
Bezahlbarkeit für Privathaushalte
Bezahlbarkeit für Unternehmen
Wettbewerb auf den Energiemärkten
TreibhausgasEmissionen
Andere Umwelt-auswirkungen
Kosteneffiziente Energiebereitstellung
Andere
Wo sehen Sie den derzeitigen Fokus der Energiepolitik?
Welche Bereiche sollten im Fokus der Energiepolitik stehen?
Welchen Fokus wird die deutsche Energie-politik in den nächsten 5 Jahren haben?
Quelle: ZEW
EINSCHÄTZUNGEN ZUM FOKUS DER ENERGIEPOLITIK IN DEUTSCHLAND
12 | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | SCHWERPUNKT ENERGIEMARKT
Energiepreise stagnieren kurzfristigIn den nächsten sechs Monaten werden die Energiepreise in
Deutschland stagnieren. Dieser Ansicht sind mehr als zwei Drittel der mehr als 200 Befragten des ZEW Energiemarktbarometers. Das deutschlandweit einzigartige Panel erhebt seit 2002 halbjährlich Einschätzungen von EnergiemarktExperten bezüglich der Preisentwicklung ausgewählter Energieträger. Für die nächsten fünf Jahre geht ein Großteil der Experten von eher steigenden Preisen bei Strom, Öl, Gas, Kohle und CO2Zertifikaten aus. Lediglich bezüglich der mittelfristigen Entwicklung der Kohlepreise ist das Stimmungsbild der Experten uneinheitlich.
Bei den Strompreisen für Großkunden erwarten auf kurze Sicht rund 75 Prozent der Befragten eine Stagnation der Preise. Dieser Wert war in keinem vorherigen Energiemarktbarometer so hoch. Der Anteil der Experten, die in den nächsten sechs Monaten steigende Preise erwarten, ist auf ein historisches Tief von acht Prozent gefallen. Im November 2014 waren noch 16 Prozent dieser Ansicht. Aktuell gehen 17 Prozent der Befragten von eher sinkenden Preisen aus. Mittelfristig erwarten 72 Prozent der Experten, dass die Strompreise wieder steigen werden. Nur acht Prozent denken, dass sie fallen werden.
Auch für Rohöl erwartet eine deutliche Mehrheit der Experten (68 Prozent) überwiegend stabile Preise für die nächsten sechs Monate. Mit sinkenden Preisen rechnen nur fünf Prozent – in der vorherigen Erhebung waren es noch rund 27 Prozent. Mittelfristig geht das Stimmungsbild der Experten in Richtung steigender Rohölpreise. 81 Prozent gaben diese Prognose für die nächsten fünf Jahre an. Lediglich fünf Prozent sind der Ansicht, dass die Ölpreise über diesen Zeitraum hinweg fallen werden.
Die aktuellen Einschätzungen der Umfrageteilnehmer bezüglich der Entwicklung der Erdgaspreise bestätigen die Ergebnisse der vergangenen Befragungen. 77 Prozent der Experten erwarten für das nächste halbe Jahr stagnierende Preise, während zehn Prozent von Preissteigerungen ausgehen. Allerdings erwartet eine Mehrheit von 65 Prozent für die nächsten fünf Jahre steigende Preise. Nur acht Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Preise sinken werden.
Bei den Kohlepreisen ist der Großteil der Experten (81 Prozent) der Ansicht, dass die Preise in den nächsten sechs Monaten stagnieren werden. Lediglich sechs Prozent prognostizieren steigende Preise. Mittelfristig sind sich die Befragten uneins: Je knapp 43 Prozent sind der Meinung, dass die Preise in den nächsten fünf Jahren steigen oder stagnieren werden. 15 Prozent gehen von sinkenden Preisen aus.
Bei den CO2Preisen erwarten die Experten einen Preisanstieg. Mittelfristig gehen 64 Prozent der Befragten von Preisen zwischen zehn und 20 Euro pro Tonne aus. 19 Prozent sind der Ansicht, noch höhere Preise seien bis in fünf Jahren realistisch. Lediglich ein Anteil von 17 Prozent erwartet Preise von unter zehn Euro pro Tonne. Kurzfristig ist der Großteil der Experten (75 Prozent) der Ansicht, dass Preise zwischen fünf und zehn Euro pro Tonne für die nächsten sechs Monate zu erwarten sind. 19 Prozent gehen von Preisen von über zehn Euro pro Tonne aus und sechs Prozent erwarten für das nächste Halbjahr eher sinkende Preise auf unter fünf Euro pro Tonne.
Robert Germeshausen, [email protected] Philipp Massier, [email protected]
Dr. Nikolas Wölfing, [email protected]
ERWARTUNGEN BEZÜGLICH KURZ- UND MITTELFRISTIGER ENERGIEPREISE IN DEUTSCHLAND
Quelle: ZEW6 Monate 5 Jahre 6 Monate 5 Jahre 6 Monate 5 Jahre 6 Monate 5 Jahre0
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ROHÖLELEKTRIZITÄT ERDGAS KOHLE
Preis steigt
Preis stagniert
Preis sinkt
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5 Jahre
PREISERWARTUNGEN FÜR EMISSIONSZERTIFIKATE
Quelle: ZEW
ZEW WIRTSCHAFTSFORUM | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | 13
ZEW-Wirtschaftsforum 2015: Europa im digitalen Wettbewerb – Der Druck steigtEuropa ist bei der Digitalisierung auf eine einheitliche Strategie angewiesen, ganz im Sinne des gemeinsamen Binnemarktes. Eine Idee, für die sich EUDigitalkommissar Günther H. Oettinger stark macht – so auch in seinem Festvortrag beim diesjährigen ZEWWirtschaftsforum, das unter dem Titel „Europa im digitalen Wettbewerb“ am 11. Juni am ZEW stattfand. Wie passende Rahmenbedingungen in der EU und eine dazugehörige digitale Infrastruktur geschaffen werden können, war dabei die zentrale Frage.
Die Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren enorm an Fahrt aufgenommen – obwohl sie kein neues Phänomen ist. Die Ursprünge liegen in den 1980er und 1990er Jahren mit der Verbreitung von Computern, wie Prof. Dr. Irene Bertschek, Leiterin des ZEWForschungsbereichs „Informations und Kommunikationstechnologien“ (IKT) in ihrer Einführung den rund 220 Gästen des Wirtschaftsforums verdeutlichte. Neu sei aber, dass die Digitalisierung zunehmend das produzierende Gewerbe erreicht. Die Verzahnung und Automatisierung von Produktionsprozessen durch den Einsatz von Informations und Kommunikationstechnologien (IKT), werde unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ schon als vierte industrielle Revolution angepriesen. Allerdings setzten sich bisher nur wenige deutsche Unternehmen mit dem Thema „Industrie 4.0“ auseinander, so Bertschek. Dennoch habe die IKTBranche stark an Bedeutung gewonnen: Im Jahr 2013 habe sie 4,7 Prozent oder rund 88 Milliarden Euro zur Bruttowertschöpfung der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland beigetragen – genau so viel wie die Automobilindustrie.
Der internationale Wettbewerb zwischen Europa, Asien und Amerika nimmt an Härte zu
Um im IKTSektor weiter zu wachsen und Europa auf Augenhöhe mit Asien und den USA zu führen, müssten jedoch einige Baustellen in Angriff genommen werden, betonte der EUKommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther H. Oettinger, in seinem Festvortrag „Europas Digitale Zukunft“. Eine Großbaustelle sei das Fehlen eines einheitlichen Datenschutzrechts. „Amerikanische Unternehmen greifen mit dem Staubsauger Daten in Europa ab“, so Oettinger. Diesem Umstand könne man nur mit einem einheitlichen Datenschutzrecht und Copyright beikommen. Zudem seien größere Investitionen in moderne Netze, kabellose Verbindungen und bei der Datensicherheit unumgänglich, sagte der EUKommissar.
Dass hierbei Eile geboten ist, hob der Leiter des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart, Prof. Dr.Ing. Thomas Bauernhansl hervor: „Wir dürfen den internationalen Wettbewerb keinesfalls unterschätzen.“ Alte ITArchitekturen würden sich auflösen, ein Paradigmenwechsel in der IKTBranche stehe an. Der größte Risikofaktor sei dabei jedoch nicht die Technik, sondern der Mensch, so Bauernhansl.
Dass der Mensch nicht nur ein Risikofaktor ist, sondern sich auch seine alltägliche Arbeit durch die Digitalisierung verändert, beschrieben Dr. Susanne Steffes, stellvertretende Leiterin des ZEWForschungsbereichs „Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung“, und Steffen Viete aus dem IKTForschungsbereich des ZEW in ihrem Fachvortrag.
Den finalen Höhepunkt des Wirtschaftsforums bildete eine Podiumsdiskussion zum Thema „Industrie 4.0: Zukunft der Wirtschaft und Ende der Arbeit?“ zwischen ZEWForschungsbereichsleiterin Prof. Dr. Irene Bertschek, Prof. Dr. Martin Przewloka, Senior Vice President der SAP SE, Dr. Peter Adolphs, Geschäftsführer „Entwicklung & Marketing“ des Automations und SensorikUnternehmens Pepperl+Fuchs, und Gerhard Steiger, Vorsitzender des Geschäftsbereichs „Chassis Systems Control“ bei der Robert Bosch GmbH. In vielen Punkten schlossen sich die Diskutanten den Forderungen der anderen Referenten an: Europa habe Nachholbedarf beim Datenschutz und Investitionen in die digitale Infrastruktur. Hier müsse die Politik Maßnahmen ergreifen und konkrete Beschlüsse fassen. Zudem werde es auf dem Arbeitsmarkt zu einer Verschiebung weg von einfachen Routinetätigkeiten hin zu kreativen komplexen Berufen kommen. Eine weitere Herausforderung bestehe darin, die Entgrenzung der Arbeit konstruktiv zu nutzen, da durch den Einsatz von IKT von nahezu überall gearbeitet werden könne. Insgesamt sahen sich die Vertreter aus der Industrie auf einem guten Weg, während ZEWForschungsbereichsleiterin Irene Bertschek die Euphorie etwas bremste: „Die industrielle Revolution wird langsamer und weniger spektakulär von statten gehen als allgemein erwartet.“
Julian Prinzler, [email protected]
Warb beim ZEWWirtschaftsforum 2015 für die Idee eines paneuropäischen digitalen Binnenmarktes: EUKommissar Günther H. Oettinger.
14 | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | ZEW INTERN
ZEW Research Associate Francois Laisney emeritiert
Prof. Dr. Francois Laisney, ZEW Research Associate und Inhaber des Lehrstuhls für Ökonometrie an der Université Louis Pasteur in Straßburg, ist mit einer Ökonometriekonferenz am 4. und 5. Juni 2015 in Straßburg in den Ruhestand verabschiedet worden. Rund 50 Teilnehmer, darunter namhafte Wirtschaftswissenschaftler wie Arthur Lewbel (Boston College), Richard Blundell (University College London), JeanPierre Florens (Université Toulouse) und ZEW Research Associate Bernd Fitzenberger (HumboldtUniversität zu Berlin) erwiesen Laisney die Ehre. Der Franzose arbeitet am ZEW insbesondere mit dem Forschungsbereich „Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung“ zusammen. Laisney hat an der École Nationale de la Statistique et de l‘Administration Économique (ENSAE) sowie an den Universitäten AixMarseille, Bonn und Toulouse studiert und gilt als hervorragender Statistiker. Seine Forschung und Lehrtätigkeiten führten ihn ebenso an die Universitäten in Algier, Bonn, Toulouse, Heidelberg und Mannheim.
IKT-Konferenz 2015 bringt hochrangige Redner nach MannheimDas ZEW hat am 12. und 13. Juni zum 13. Mal die Konferenz „The Economics of Information and Communication Technologies” veranstaltet, bei der rund 60 internationale Teilnehmer aktuelle Arbeiten aus dem Bereich der Informations und Kommunikationsökonomik diskutierten. Die diesjährigen Hauptredner waren Sinan Aral (MIT Sloan School of Management), Shane Greenstein (Northwestern University) und Markus Mobius (Microsoft Research). Zudem wurden in verschiedenen Vortragsblöcken Themen wie Big Data Analytics, Onlinemärkte und auktionen, Soziale Netzwerke, Crowdfunding sowie die Digitalisierung erörtert. Drei weitere Sitzungen, die von Florian Stahl (Universität Mannheim), Julian Wright (National University of Singapore) und Mike Ward (University of Texas at Arlington) organisiert wurden, widmeten sich Social Media und Werbung, Suchplattformen und der Videospieleindustrie. Die Konferenz wurde mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgerichtet.
JUNGE UNTERNEHMENEine neue Ausgabe von JUNGE UNTERNEHMEN von ZEW und Creditreform liegt vor. Sie befasst sich mit dem aktuellen Gründungsgeschehen in Deutschland sowie den Ursachen für Marktaustritte und Gründungen in der Kultur und Kreativwirtschaft. Die vollständige Publikation findet sich unter: http://www.zew.de/de/publikationen/gruendungs reportarchiv.php3?year=2015
ZEW JahresberichtDer ZEW Jahresbericht für das Jahr 2014 ist erschienen. Er gibt gibt einen Überblick zur Entwicklung des ZEW im vergangenen Jahr, zu den Arbeitsschwerpunkten der Forschungs und Serviceeinheiten sowie zu aktuellen Projekten. Weitere Informationen sowie der vollständige Jahresbericht findet sich unter: http://www.zew.de/de/publikationen/jahresbericht.php3
2 014JahresberichtNr. 3 · Juni 2015 F A K T E N · A N A L Y S E N · P E R S P E K T I V E N
1 Gründungsgeschehen: Ist die Talsohle erreicht? 2 Insolvenzen nur kleiner
Teil aller Schließungen 3 Gründungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft
Gründungsgeschehen: Ist die Talsohle erreicht? Die Gründungstätigkeit in Deutschland bleibt weiterhin auf nied-rigem Niveau. Ein möglicher Grund dafür sind die nach wie vor guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Gründungen aber so gut wie nicht zurückge-gangen. Weiterhin hat, wie bereits im Vorjahr, der Anteil der for-schungs- und wissensintensiven Gründungen zugenommen.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland ca. 160,000 Unterneh-men neu gegründet. Das zeigen die aktuellen Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Damit bleibt die Anzahl der Unternehmensgründungen seit ungefähr zwei Jahren nahezu konstant. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Gründungstätigkeit in Deutschland von 2004 bis 2014 gespie-gelt mit der Entwicklung der Arbeitslosenquote in diesen Jahren. Auffallend ist der nahezu gleiche Verlauf von Arbeitslosenquote aller zivilen Erwerbspersonen (Statistisches Bundesamt, 2015) und den Gründungszahlen. Die guten Arbeitsmarktzahlen bewir-ken eine geringe Anzahl von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus (DIHK-Gründerreport, 2014).
Deutliche Sektorunterschiede
Ein dazu passendes Bild ergibt sich aus dem Vergleich der gemeldeten offenen Arbeitsstellen innerhalb eines Jahres (Sta-tistisches Bundesamt, 2015) mit der Gründungstätigkeit (ohne die Gründungen in den Hightech-Branchen) in Abbildung 2. Zei-ten, in denen viele Arbeitsstellen als offen gemeldet werden, gehen tendenziell einher mit geringer Gründungstätigkeit.
Aus den Abbildungen wird deutlich, dass ein Motiv für das Gründen eines Unternehmens das Fehlen adäquater Erwerbsmög-lichkeiten in abhängiger Beschäftigung sein kann. Denn schließ-lich bestimmen die Erwerbschancen in abhängiger Beschäftigung stets die Opportunitätskosten der Selbständigkeit. Gerade für geringqualifizierte kann der Gang in die Selbständigkeit ein Aus-weg aus der Arbeitslosigkeit oder zu höheren Einkommen sein.
Dies gilt jedoch nicht gleichermaßen für alle Gründungen. So werden Gründungen in den forschungs- und wissensintensiven Branchen in der Regel nicht aus der Arbeitslosigkeit oder dro-hender Erwerbslosigkeit heraus gegründet (Mannheimer Grün-dungspanel, 2014). Im Jahr 2013 gaben in den forschungsin-tensiven Industriebranchen lediglich 16% an, aus „drohender Erwerbslosigkeit/Arbeitslosigkeit“ bzw. für „bessere Verdienst-möglichkeiten“ gegründet zu haben. Dieser Anteil betrug im
nicht-technologischen verarbeitenden Gewerbe 31% und im Baugewerbe 39%. In der forschungsintensiven Industrie und in den technologieorientierten Dienstleistungen spielten für die Entscheidung zum Gründen eher „Selbstbestimmtes Arbeiten“ (31% in der forschungsintensiven Industrie, 39% in den tech-
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
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Gründungen AL-QuoteVeränderungen zum Vorjahr
ABB. 1: ENTWICKLUNG DER GRÜNDUNGSTÄTIGKEIT UND DER ARBEITSLOSENQUOTE IN DEUTSCHLAND 2004-2014
Anmerkung: Linke Skala: Entwicklung der Gründungstätigkeit, rechte Skala: Veränderung im Vergleich zum Vorjahr und Arbeitslosenquote aller zivilen Erwerbspersonen. Quelle: Mannheimer Unternehmenspanel (ZEW), 2015, Statistisches Bundesamt, 2015.
Animierter Kurzfilm erklärt EU-Klimapolitik und deren InstrumenteUm die selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen, nutzt die Europäische Union verschiedene Politikinstrumente wie das europäische CO2Emissionshandelssystem oder gezielte Subventionen. Allerdings beeinflussen die Instrumente einander und verändern so ihre Wirkung. Um die Wirkung der Politikinstrumente besser zu verstehen, hat die EU das sogenannte ENTRACTEProjekt ins Leben gerufen, das vom ZEW koordiniert wird. Dieses Jahr hat das ZEW gemeinsam mit dem Projektpartner Eurice und der Filmakademie BadenWürttemberg einen animierten Kurzfilm konzipiert und produziert, um einer breiteren Öffentlichkeit die Zielsetzung des ENTRACTEProjekts näherzubringen. Er erklärt das europäische CO2Emissionshandelssystem und an welchen Stellen noch Verbesserungsbedarf besteht. Der Film ist auf der Projekthomepage (www.entracte.eu) abrufbar.
DATEN UND FAKTEN | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | 15
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Juli 2013 Jan 2014 Juli 2014 Jan 2015 Juli 2015
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leicht steigen
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leicht sinken
sinken
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InnovationsausgabenInnovationsintensität
'99 '04 '06 '08 '10 '12 '14*15*07 09 11 1300 01 02 03 05'98'97'96'95
Saldo der positiven und negativen Einschätzungen bezüglich der Konjunkturerwartungen im Euroraum auf Sicht von sechs Monaten. Quelle: ZEW
Saldo der positiven und negativen Einschätzungen bezüglich der Inflationserwartungen im Euroraum auf Sicht von sechs Monaten. Quelle: ZEW
Quelle: ZEWPwC Wirtschaftsbarometer China Q2 2015 * Planzahlen vom Frühjahr/Sommer 2014. Quelle: ZEW, Mannheimer Innovationspanel
ZEW-Finanzmarkttest im Juli 2015
Unsicherheit dämpft KonjunkturoptimismusDie Konjunkturerwartungen für die Eurozone haben sich im Juli 2015 zum dritten Mal in Folge verschlechtert. Der entsprechende Indikator fällt im Vergleich zum Juni um 11,0 Punkte auf 42,7 Punkte. Die weitere Zuspitzung der griechischen Staatsschuldenkrise im Umfragezeitraum dürfte den Rückgang der optimistischen Prognosen von 57,7 Punkte im Juni auf 51,3 Punkte im Juli weitestgehend erklären. Einen pessimistischen Konjunkturausblick für die Eurozone geben lediglich 8,6 Prozent (+ 4,6 Prozentpunkte) der befragten Finanzmarktexperten ab.
Jesper Riedler, [email protected]
Inflationserwartungen im Euroraum gehen zurückDie Inflationserwartungen für den Euroraum gehen im Juli 2015 erstmalig seit fünf Monaten zurück. Der entsprechende Indikator verliert 10,1 Punkte und steht nun bei 66,4 Punkten. Der Rückgang der Inflationserwartungen steht möglicherweise in Zusammenhang mit dem Rückgang der Erwartungen für den Ölpreis. Ein Grund dafür dürfte die sich während des Umfragezeitraums bereits ankündigende Annährung zwischen dem Iran und den UNVetomächten sein. Mit einer Lockerung der Wirtschaftssanktionen könnte der Iran sein Ölangebot signifikant vergrößern.
Dominik Rehse, [email protected]
ZEW-PwC-Wirtschaftsbarometer China: Aussichten für Exporte trüben sich ein
IT-Dienstleister steigern Budget bei Innovationen auf neues Rekordniveau
Chinas Exporte von Gütern und Dienstleistungen in den Rest der Welt wachsen immer langsamer. Einhergehend mit der stetig sich abkühlenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zeigen auch die für die nächsten sechs Monate erwarteten Exportaktivitäten einen deutlichen Abwärtstrend. Der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen bezüglich der Entwicklung des Exportvolumens zeigt, dass inzwischen rückläufige Exporte erwartet werden. Nur noch ein Drittel der Manager deutscher Firmen im Reich der Mitte rechnet derzeit mit zunehmenden Aktivitäten; Anfang 2014 waren noch 70 Prozent dieser Meinung.
Dr. Oliver Lerbs, [email protected]
Die Software, Informationsdienstleistungs und Telekommunikationsbranche in Deutschland hat in den vergangenen 20 Jahren ihre Innovationsausgaben fast verzehnfacht. Nach einer „Verschnaufpause“ von 2008 bis 2012 wurden die Innovationsbudgets 2013 deutlich angehoben und sollen bis 2015 weiter auf dann 12,7 Milliarden Euro ansteigen. Die Ausgaben für die Entwicklung neuer Produkte, Dienste und Verfahren stiegen rascher als die Umsätze. Die Innovationsintensität erreichte 2013 7,6 Prozent und dürfte weiter zunehmen. Ein wesentlicher Treiber dafür sind neue Anwendungen wie Cloud Computing.
Dr. Christian Rammer, [email protected]
Griechenland: Auf dem Weg zum Dauerkrisenherd
Nach den dramatischen Verhandlungen über die Zukunft Griechenlands ist beschlossen worden, ein neues Hilfsprogramm auf den Weg zu bringen. Was bedeutet das für die Zukunft der Eurozone insgesamt?
Die wirtschaftliche Lage Griechenlands hat sich im ersten Halbjahr 2015 dramatisch verschlechtert, während es 2014 noch besser aussah: In den ersten drei Quartalen war das Wachstum positiv. Im vierten Quartal 2014 endete die Erholung, und im ersten Halbjahr 2015 schrumpfte die griechische Wirtschaft wieder. Wesentliche Ursache war Verunsicherung, die nach der Machtübernahme der SyrizaRegierung ausbrach. Die zwischenzeitliche Schließung der Banken und die Einführung von Kapitalkontrollen werden den wirtschaftlichen Einbruch weiter verstärken. Deshalb hat die Fähigkeit Griechenlands, seine Schulden zu bedienen, sich im Vergleich zur Lage vor einem Jahr deutlich verschlechtert. Das Land ist nun eindeutig überschuldet.
Für die Eurozone folgt daraus zwingend, dass ein neues Hilfsprogramm kein Kreditprogramm mehr ist, sondern ein Transferprogramm: einem bereits überschuldeten Land neue Kredite zu geben heißt, dem Land Geld zu schenken. Dabei spielt es keine Rolle, ob die neuen Kredite durch künftige Privatisierungserlöse abgesichert werden. Erstens wird man das Ziel, Staatsvermögen im Umfang von 50 Milliarden Euro zu veräußern, in absehbarer Zeit kaum erreichen. Zweitens verliert der griechische Staat mit der Veräußerung von Vermögen auch die Einnahmen aus diesem Vermögen. Privatisierung kann die Vermögenssituation eines Landes nur verbessern, soweit mit der Privatisierung Effizienzverbesserungen erreicht werden und die sich schon im Verkaufspreis widerspiegeln.
Befremdlich ist, dass die Politik derzeit betont, es sei kein Schuldenschnitt beabsichtigt, sondern ‚nur‘ eine Verlängerung von Kreditlaufzeiten, verbunden mit niedrigen Zinsen. Wenn bei einem Kredit über 25 Jahre die Zinsen von fünf auf zwei Prozent reduziert werden, ist der Verlust für den Gläubiger kleiner als
bei einem Schuldenschnitt um 50 Prozent. Da die Gefahr besteht, dass die Kosten des neuen Hilfsprogramms verschleiert werden, habe ich vorgeschlagen, sie durch eine Steuererhöhung oder ein Ausgabenkürzungsprogramm offenzulegen.Nicht, weil ich mir Steuererhöhungen wünsche, sondern weil die Geschäftsgrundlage der Währungsunion mit dem Transferprogramm für Griechenland grundlegend geändert wird. Das kann man tun, aber die Bürger und Wähler in Europa sollten darüber informiert sein und Gelegenheit erhalten, zu widersprechen.
Wird das neue Programm Griechenland helfen? Die Chancen dafür stehen schlecht. Trotz der Hilfen wird von Athen verlangt, Steuern zu erhöhen und Ausgaben weiter zu kürzen, was den Abschwung kurzfristig beschleunigen wird. Dem könnte eine entschlossene Reformpolitik entgegenwirken. Aber dass die vereinbarten Neuerungen wirklich umgesetzt werden, ist zu bezweifeln. Die griechische Bevölkerung hat mit großer Mehrheit gegen wesentlich weniger invasive Maßnahmen gestimmt, und Alexis Tsipras hat sich von den Vereinbarungen bereits distanziert.
Währenddessen besteht die Gefahr, dass Griechenland wirtschaftlich weiter abstürzen wird. Wenn es dazu kommt, wird man Deutschland dafür die Verantwortung zuschieben, denn vor allem die Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen in Griechenland werden international als von der Bundesrepublik durchgesetzt angesehen. Ein geordneter Austritt Griechenlands aus der Eurozone, verbunden mit einem Schuldenerlass, hätte die Steuerzahler in Europa auch Geld gekostet, aber es wäre besser angelegt. Die Warnung, daran würden der Euro oder die EU scheitern, ist überzogen. Dass der Währungsunion und Europa besser gedient ist, wenn sich Griechenland zu einem Dauerkrisenherd entwickelt, überzeugt mich nicht.
16 | ZEWNEWS JULI/AUGUST 2015 | STANDPUNKT
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