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focused on process simulation Seite 1 von 13 CHEMCAD hilft Produktwechselzeiten zu verkürzen Einleitung Verschiedene Produkte mit nur einer Produktionsanlage herzustellen ist nicht erst seit dem wachsenden Fokus auf Rohstoffwandel und Energiewende für Anlagenbetreiber attraktiv. Die flexible Produktion ist ein wichtiger Bestandteil zur Umsetzung. Während sich an den Anlagenlebenszyklen von 20 bis 40 Jahren nichts geändert hat, verkürzen sich die Produktlebenszyklen. Zudem ändern sich Art, Qualität, Preis und Verfügbarkeit der zur Produktion benötigten Ressourcen in der globalisierten Welt immer schneller. Es ist also von wirtschaftlichem Vorteil wenn die Produktion flexibel auf solche Änderungen reagieren kann, gegebenenfalls auch mit veränderten oder mit neuen Produkten. Die rigorose computergestützte Simulation der Produktionsprozesse hilft, verschiedene Rohstoff- Produkt-Szenarien in kurzer Zeit zu analysieren und zu bewerten. Hierbei werden thermodynamische und apparative Beschränkungen konsequent berücksichtigt. Ohne die Simulation wären zahlreiche kosten- und zeitaufwändige Versuche an den Produktionsanlagen notwendig um die neuen Szenarien zu verifizieren. Während dieser Versuche können die Anlagen in der Regel nicht zur Produktion genutzt werden. Sind die verschiedenen, im Idealfall optimierten, einzelnen Betriebsparameter einer Produktionsanlage für die einzelnen Szenarien bekannt, so kommt es nur noch während der Umstellung von einer Produkt-Rohstoff-Kombination zu einer anderen zu Produktionsausfällen. Die Minimierung der durch die Produktwechselzeit bedingten Produktionsausfälle mit Hilfe des Prozesssimulators CHEMCAD ist Gegenstand dieses Beitrages. Anhand eines konkreten Beispiels aus der Oleochemie wird gezeigt, wie mit CHEMCAD optimale stationäre Betriebspunkte ermittelt, fehlende Anlagenparameter geschätzt und Trajektorien der abhängigen Zustandsgrößen, wie z.B. der Produktkonzentration, berechnet, analysiert und optimiert werden können. Fallbeispiel Oleochemie Die oleochemische Industrie hat es als Verwerter von Naturprodukten und Recyclestoffen traditionell mit schwankenden Zusammensetzungen in den Ausgangstoffen ihrer Prozesse zu tun. Um für nachgeschaltete Prozesse weitgehend gleichbleibende Feed-Bedingungen zu schaffen, kann eine Destillationsanlage vorgeschaltet werden, in der die starken Schwankungen in der Zusammensetzung der Rohstoff-Öle auf ein vorgegebenes Maß reduziert werden. Eine solche Destillationsanlage ist Gegenstand dieser Fallstudie. Tabelle 1 zeigt die Zusammensetzung verschiedener Rohstoff-Öle. Man erkennt, dass selbst die reinen Rohstoff-Öle ein breites Spektrum an chemischen Zusammensetzungen bieten. Bei der Verwendung von Ölgemischen und der Verwertung von recycelten Ölen kommt es zu weiteren Kombinationsmöglichkeiten.

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focused on process simulation Seite 1 von 13

CHEMCAD hilft Produktwechselzeiten zu verkürzen

Einleitung

Verschiedene Produkte mit nur einer Produktionsanlage herzustellen ist nicht erst seit dem

wachsenden Fokus auf Rohstoffwandel und Energiewende für Anlagenbetreiber attraktiv. Die flexible

Produktion ist ein wichtiger Bestandteil zur Umsetzung. Während sich an den Anlagenlebenszyklen

von 20 bis 40 Jahren nichts geändert hat, verkürzen sich die Produktlebenszyklen. Zudem ändern sich

Art, Qualität, Preis und Verfügbarkeit der zur Produktion benötigten Ressourcen in der globalisierten

Welt immer schneller. Es ist also von wirtschaftlichem Vorteil wenn die Produktion flexibel auf solche

Änderungen reagieren kann, gegebenenfalls auch mit veränderten oder mit neuen Produkten.

Die rigorose computergestützte Simulation der Produktionsprozesse hilft, verschiedene Rohstoff-

Produkt-Szenarien in kurzer Zeit zu analysieren und zu bewerten. Hierbei werden thermodynamische

und apparative Beschränkungen konsequent berücksichtigt. Ohne die Simulation wären zahlreiche

kosten- und zeitaufwändige Versuche an den Produktionsanlagen notwendig um die neuen Szenarien

zu verifizieren. Während dieser Versuche können die Anlagen in der Regel nicht zur Produktion

genutzt werden.

Sind die verschiedenen, im Idealfall optimierten, einzelnen Betriebsparameter einer

Produktionsanlage für die einzelnen Szenarien bekannt, so kommt es nur noch während der

Umstellung von einer Produkt-Rohstoff-Kombination zu einer anderen zu Produktionsausfällen. Die

Minimierung der durch die Produktwechselzeit bedingten Produktionsausfälle mit Hilfe des

Prozesssimulators CHEMCAD ist Gegenstand dieses Beitrages.

Anhand eines konkreten Beispiels aus der Oleochemie wird gezeigt, wie mit CHEMCAD optimale

stationäre Betriebspunkte ermittelt, fehlende Anlagenparameter geschätzt und Trajektorien der

abhängigen Zustandsgrößen, wie z.B. der Produktkonzentration, berechnet, analysiert und optimiert

werden können.

Fallbeispiel Oleochemie

Die oleochemische Industrie hat es als Verwerter von Naturprodukten und Recyclestoffen traditionell

mit schwankenden Zusammensetzungen in den Ausgangstoffen ihrer Prozesse zu tun. Um für

nachgeschaltete Prozesse weitgehend gleichbleibende Feed-Bedingungen zu schaffen, kann eine

Destillationsanlage vorgeschaltet werden, in der die starken Schwankungen in der Zusammensetzung

der Rohstoff-Öle auf ein vorgegebenes Maß reduziert werden.

Eine solche Destillationsanlage ist Gegenstand dieser Fallstudie. Tabelle 1 zeigt die

Zusammensetzung verschiedener Rohstoff-Öle. Man erkennt, dass selbst die reinen Rohstoff-Öle ein

breites Spektrum an chemischen Zusammensetzungen bieten. Bei der Verwendung von Ölgemischen

und der Verwertung von recycelten Ölen kommt es zu weiteren Kombinationsmöglichkeiten.

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Tabelle 1: Zusammensetzung verschiedener Öle aus nachwachsenden Rohstoffen

Ungesättigte Fettsäuren Einfach

gesättigt Mehrfach gesättigt

Trivialname Capryl-

säure

Caprin-

säure

Laurin-

säure

Myristin-

säure

Palmitin-

säure

Stearin-

säure

Arachin-

säure

Öl-

säure

Linol-

säure

Linolen-

säure

CAS-

Nummer

124-

07-2

334-

48-5

134-

07-7 544-63-8 57-10-3 57-11-4 506-30-9 112-80-1 60-33-3 463-40-1

CHEMCAD

ID 540 545 890 902 912 550 1534 549 548 1529

Öl-Typ C8:0 C10:0 C12:0 C14:0 C16:0 C18:0 C20:0 C18:1 C18:2 C18:3

Mandel Öl 7,0% 2,0% 69,0% 17,0%

Kokosnuss

Öl 8,3% 6,0% 46,7% 18,3% 9,2% 2,9% 6,9% 1,7%

Kokosnuss

Butter 25,0% 38,0% 32,0% 3,0%

Olivenöl 11,0% 3,6% 75,3% 9,5% 0,6%

Palmöl 0,1% 0,1% 0,9% 1,3% 43,9% 4,9% 39,0% 9,5% 0,3%

Diestel Öl 0,3% 5,5% 1,8% 0,2% 79,4% 12,9%

Dennoch kann mit zwei nacheinander geschalteten Destillationskolonnen das Spektrum der

einzelnen Fettsäuren gut eingegrenzt werden. Dabei werden in der ersten Destillation die

unerwünschten Leichtsieder abgetrennt und in der zweiten Destillation die unerwünschten

Schwersieder.

In Abbildung 1 ist das Fließbild einer solchen zweistufigen Destillationsanlage dargestellt.

Abbildung 1: Fließbild einer zweistufigen Destillationsanlage zur Feed-Öl Konditionierung

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Betrachtet werden zwei verschiedene Zusammensetzungen von Rohstoff-Ölen, für die durch

Destillation je ein Produkt-Öl Spektrum erreicht werden soll. Das schwere Rohstoff-Öl und die

Beschränkungen für das schwere Produkt-Öl sind in Tabelle 2 zusammen gefasst, die entsprechenden

Daten für das leichte Öl finden sich in Tabelle 3.

Tabelle 2: Feed-Zusammensetzung und Produktspezifikation des ersten Rohstoff-Produkt Szenarios (Schweres Öl)

FEED PRODUKT

Menge 10 m³/h Untergrenze Obergrenze

C8 Spuren - 0,1%

C10 Spuren - 0,1%

C12 1,6% - 0,5%

C14 0,9% - 0,5%

C16 10,3% - 60,0%

C18 75,7% 96,0% -

C20 11,5% - 30,0%

Angaben in Massenprozent

Tabelle 3: Feed-Zusammensetzung und Produktspezifikation des zweiten Rohstoff-Produkt Szenarios (Leichtes Öl)

FEED PRODUKT

Menge 10 m³/h Untergrenze Obergrenze

C8 5,0% - 0,1%

C10 10,0% - 2,0%

C12 40,0% 50,0% -

C14 20,0% 15,0% 28,0%

C16 13,0% 6,0% 14,0%

C18 12,0% 4,0% 14,0%

C20 Spuren - 0,1%

Angaben in Massenprozent

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Optimale Betriebszustände

Fixiert man die Kolonnendrücke, so verbleiben je Kolonne zwei freie Variablen. In diesem Beispiel

wurden das Rücklaufverhältnis und die Verdampferleistung als Designvariablen gewählt. Apparative

Beschränkungen für diese Variablen ergeben sich unter anderem aus den vorhandenen

Wärmetauscherflächen in Kondensator und Verdampfer. In diesem Fallbeispiel kann vom Normalfall

ausgegangen werden, dass die Kapazität der Wärmetauscher gegenüber der der Belastungskapazität

der Kolonne die stärkere Limitierung darstellt, so dass lediglich die Beschränkungen der

Verdampferleistung und der Kühlleistung im Kondensator für die Optimierung berücksichtigt werden

müssen. Diese Grenzen und Nebenbedingungen sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Weitere

Anlagenmerkmale finden sich in Tabelle 5.

Tabelle 4: Definition des Szenarios für den Optimierer

Grenzen und Nebenbedingungen

Designvariable Untergrenze Obergrenze

Rücklaufverhältnis

Kolonne 1 (R/D 1) 0,1 20

Verdampfer Leistung

Kolonne 1 (QR 1) 0,3 MW 3 MW

Rücklaufverhältnis

Kolonne 2 (R/D 2) 0,01 20

Verdampfer Leistung

Kolonne 2 (QR 2) 50 kW 500 kW

Nebenbedingung

Kühlleistung QC1 im

Kondensator Kolonne 1 ≤ 3 MW

Kühlleistung QC2 im

Kondensator Kolonne 2 ≤ 500 kW

Als optimaler Betriebszustand wird hier der Betriebspunkt bezeichnet in dem der Produktstrom

maximal ist. Die Utilitykosten werden also gegenüber den Feedkosten vernachlässigt.

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Tabelle 5: Merkmale der zweistufigen Destillationsanlage aus Abbildung 1.

Merkmal Kolonne 1 Kolonne 2

Unit ID 4 5

Feed ID 3 5

Kopfprodukt ID 4 7

Sumpfprodukt ID 5 6

Druck 35 mbar (a) 10 mbar (a)

Stufenzahl 18 6

Feed Boden 12 6

Kolonnenmodell Rigoros (SCDS)

Bodenmodell Gleichgewicht (GGW)

GGW-

Thermodynamik UNIFAC

H-Thermodynamik Latent Heat

Zur Optimierung wird der in CHEMCAD implementierte „Process Optimizer“ verwendet. Dieser kann

bis zu 120 unabhängige Variablen und 120 Nebenbedingungen berücksichtigen. Neben dem

sequentiellem SQP Algorithmus stellt CHEMCAD noch einen simultanen SQP Algorithmus und eine

Minimierung nach dem „Reduced Gradient“ Verfahren bereit. Simultan bedeutet dabei, dass das

Flowsheet simultan (d.h. gleichungsorientiert) und nicht iterativ gelöst wird. Da das betrachtete

Flowsheet keine Recycleströme enthält, liefern der sequentielle und der simultane SQP Algorithmus

dasselbe Ergebnis. Die hier vorgestellten optimalen Szenarien wurden mit dem sequentiellen SQP

Ansatz gefunden.

Die Ergebnisse der Optimierungsrechnungen sind in den Abbildungen 2 und 3 dargestellt. Im Falle

des schweren Rohstoff-Öls werden 38% der Feedmasse bzw. 48% der C18-Fettsäure in das Produkt

übernommen, im Falle des leichten Rohstoff-Öls sind es 48% bzw. 63% der C12-Fettsäure. Die

optimalen Betriebsparameter sind in Tabelle 6 dargestellt.

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Abbildung 2: Änderung der Stoffstromzusammensetzung im Prozessverlauf für das optimierte Szenario „Schweres Rohstoff-Öl“

Abbildung 3: Änderung der Stoffstromzusammensetzung im Prozessverlauf für das optimierte Szenario „Leichtes Rohstoff-Öl“

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Feed SumpfKolonne 1

KopfKolonne 2

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C20 C18 C16 C14 C12 C10 C8

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2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

9000

10000

Feed SumpfKolonne 1

KopfKolonne 2

Mas

sen

stro

m in

kg/

h

C20 C18 C16 C14 C12 C10 C8

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Tabelle 6: Werte der Designvariablen und Status der Nebenbedingungen an den jeweiligen Optima der Betriebsszenarien.

Szenario

Designvariable Schweres

Rohstoff-Öl

Leichtes

Rohstoff-Öl

Rücklaufverhältnis

Kolonne 1 (R/D 1) 10,8 2,6

Verdampfer Leistung

Kolonne 1 (QR 1) 3 MW 2,03 MW

Rücklaufverhältnis

Kolonne 2 (R/D 2) 0,65 0,01

Verdampfer Leistung

Kolonne 2 (QR 2) 286 kW 364 kW

Nebenbedingung

Kühlleistung QC1 im

Kondensator Kolonne 1 1,6 MW 0,99 MW

Kühlleistung QC2 im

Kondensator Kolonne 2 500 kW 500 kW

In beiden Szenarien könnte eine höhere Produktausbeute erreicht werden, wenn die Beschränkung

der Kühlleistung des Kopfkondensators der zweiten Kolonne nicht vorläge. Somit gibt eine

Optimierungsrechnung zusätzlich konkrete Hinweise zu den Bottlenecks, d.h. welche

Anlagenmodifikationen zu einer Verbesserung der Produktion beitragen können. In diesem Fall ist es

die Erhöhung der maximalen Kühlleistung im Kondensator der 2. Kolonne, beispielsweise durch eine

niedrigere Vorlauftemperatur im Kühlwasser oder durch einen zusätzlichen Wärmetauscher.

Rohstoff-Produkt-Wechsel

Um den Wechsel vom leichten zum schweren Produkt zu simulieren, müssen die (Massen- und

Energie-) Speicherterme berücksichtigt werden. Das Volumen der Rohrleitungen kann gegenüber

den Volumina der einzelnen Kolonnenböden und der Wärmetauscher (Kopfkondensator und

Verdampfer) vernachlässigt werden. Mit dieser Annahme lässt sich das bisher stationär betrachtete

Flowsheet ohne Veränderungen in ein dynamisches Flowsheet umwandeln. Um das

Speicherverhalten der Kolonnen korrekt wiederzugeben sind aber noch zusätzliche Annahmen und

Angaben notwendig. Für Kopfkondensator und Kolonnensumpf mit Verdampfer kann durch eine

stabile Füllstandsregelung von konstanten Volumina ausgegangen werden. Der Durchmesser der

Kolonnen kann basierend auf einer Flutpunktberechnung mit dem in CHEMCAD integrierten Sizing

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Tool berechnet werden. Um den variablen Flüssigkeitsfüllstand auf den einzelnen Kolonnenböden zu

berechnen sind zusätzliche geometrische Angaben notwendig, wobei auch hier das CHEMCAD Sizing

Tool bei der Ermittlung hilft. Die für die dynamische Simulation relevanten geometrischen Parameter

sind für beide Kolonnen in Tabelle 7 zusammengefasst.

Tabelle 7: Geometrische Parameter für die dynamische Simulation

Merkmal Kolonne 1 Kolonne 2

Unit ID 4 5

Durchmesser 3,96 m 2,44 m

Bodenabstand 0,61 m 0,61 m

Flüssigkeitsvolumen im

Kondensator /

Rücklaufbehälter

1,0 m³ 0,5 m³

Flüssigkeitsvolumen im

Verdampfer / Sumpf 2,0 m³ 1,0 m³

Breite des Bodenablaufes 0,22 m 0,22 m

Wehrhöhe 0,05 m 0,05 m

Die einfachste konservative Strategie zur Umstellung der Produktion ist ein Abwarten des stationären

Zustandes mit dem neuen Feed und eine darauf folgende Umstellung der Betriebsparameter auf die

optimalen Parameter des neuen Rohstoff-Produkt-Szenarios. Der Feedwechsel beginnt nach 6

Minuten und dauert 10 Minuten. Die Änderung in der Zusammensetzung des Feed Stroms während

des Wechsels ist in Abbildung 4 dargestellt. Der zeitliche Verlauf der Zusammensetzung des

Produktstroms nach der einfachen konservativen Strategie ist in Abbildung 5 zu sehen. Die Anlage ist

nach etwa 250 Minuten stationär.

Die Umstellung der Betriebsparameter erfolgt mit Rampen über einen Zeitraum von 30 Minuten, um

keine zu sprunghaften Änderungen der Größen hervorzurufen und dem Operator die Möglichkeit

zum Eingreifen zu lassen. Die Produktspezifikation des leichten Öls wird mit dieser Strategie nach 318

Minuten erreicht.

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Abbildung 4: Zeitlicher Verlauf der Zusammensetzung des Feedstroms beim Wechsel des Rohstoff-Öls.

Abbildung 5: Zeitlicher Verlauf der Zusammensetzung des Produktstroms bei Anwendung einer einfachen konservativen Strategie.

Erlaubt man den Start der Rampen bereits zum Zeitpunkt des beginnenden Feedwechsels, so

reduziert sich die Zeit bis zum Erreichen der Produktspezifikation auf 213 Minuten. Eine solche

Strategie ist für einen geplanten Produktwechsel nicht unüblich. Die entsprechenden Verläufe der

Massenanteile der einzelnen Komponenten des Produktstroms finden sich in Abbildung 6.

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Zeit in Minuten

C8 C10 C12 C14 C16 C18 C20

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Mas

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Time in minutes

C8 C10 C12 C14 C16 C18 C20

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Abbildung 6: Zeitlicher Verlauf der Zusammensetzung des Produktstroms bei Anwendung einer einfachen Strategie.

Dynamische Optimierung

Der CHEMCAD „Process Optimizer“ kann auch zur Optimierung dynamischer Prozesse verwendet

werden. In diesem Beispiel soll die Zeit bis zum Erreichen der Produktspezifikation minimiert werden.

Als Entscheidungsgrößen werden die Zielwerte der Rampen gewählt. Die Betriebsparameter sollen

also entsprechend den oben beschriebenen Strategien nur einmal verändert werden.

Doch selbst mit dieser Einschränkung lässt sich die Produktwechselzeit um mehr als die Hälfte auf 93

Minuten reduzieren. Nach Erreichen der Produktspezifikation wird auf die optimalen

Betriebsparameter umgestellt.

Der Verlauf der Betriebsparameter ist in Abbildung 7 und der Verlauf der Zusammensetzung des

Produktstroms in Abbildung 8 dargestellt.

Mit der CHEMCAD – Excel Schnittstelle kann einfach eine Überwachung der Einhaltung der

Produktspezifikation visualisiert werden. Abbildung 9 zeigt für den optimierten Verlauf der

Designvariablen, wann welche Spezifikation erreicht ist und wie viele Grenzen insgesamt verletzt

werden.

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Zeit in Minuten

C8 C10 C12 C14 C16 C18 C20

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Abbildung 7: Zeitlicher Verlauf der Designvariablen nach der Minimierung der Produktwechselzeit.

Abbildung 8: Zeitlicher Verlauf der Zusammensetzung des Produktstroms nach der Minimierung der Produktwechselzeit.

Abbildung 9: Verletzung der Produktspezifikation; 0: Konzentration innerhalb der Spezifikation 1: Konzentration außerhalb der

Spezifikation; Alle: Summe über alle Komponenten.

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Wer

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Zeit in Minuten

R/D 1

QR 1 [MW]

R/D 2

QR 2 x 10 [MW]

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Mas

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Zeit in Minuten

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Akt

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Zeit in Minuten

C8 C10 C12 C14

C16 C18 C20 Alle

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Wie man in Abbildung 9 erkennt wird die Produktspezifikation bei der Umstellung auf die optimalen

Betriebsparameter für 3 Minuten nicht erreicht. Die Konzentration der C18-Fettsäure unterschreitet

in diesem Zeitraum die Untergrenze von 4%. Um solche Effekte zu vermeiden kann beispielsweise

das Optimierungsproblem anders formuliert werden. Ob solche kurzzeitigen Grenzverletzungen

relevant sind und berücksichtigt werden müssen, muss von Fall zu Fall entschieden werden.

Auch handelt es sich bei dem gefundenen Szenario der minimalen Produktwechselzeit nicht um ein

globales Optimum. Die Berechnung der Gradienten der Zielfunktion (= Produktwechselzeit) bezüglich

der Designvariablen erfolgt numerisch mit einem Differenzenquotienten. Die Wahl der Schrittweite

bei der Bildung des Differenzenquotienten hat daher einen deutlichen Einfluss auf das mit dem SQP

Verfahren gefundene lokale Minimum. Häufig ist es jedoch nicht entscheidend das mathematisch

korrekte Minimum der Zielfunktion zu finden. Für den Betrieb zahlt sich die Optimierungsrechnung

bereits aus, wenn die Produktwechselzeit reduziert wird.

Globales Optimum und Process Simulation Cup

Führt man die Optimierung mit zusätzlichen Punkten der Designvariablen durch, so kann die

Produktwechselzeit weiter reduziert werden, das Optimierungsproblem wird aber komplexer. Mit

dem OTS Modus (Operator Training System) kann auch ganz auf Rampen verzichtet werden und

stattdessen können die Regelventile für den Rücklauf (R/D 1 und R/D 2) und die Dampfzufuhr (QR 1

und QR 2) zeitlich frei verstellt werden.

Wie weit lässt sich die Produktwechselzeit noch reduzieren und wie groß ist das Potential, wenn mehr

als ein Sprung der Designvariablen erlaubt wird? Diese Fragen werden im Process Simulation Cup

2015 beantwortet. Ziel ist es für den gegebenen Prozess das globale Minimum der

Produktwechselzeit zu finden. Unter http://www.process-simulation-cup.com/ können Studierende

ihre Lösungsvorschläge für die Sprünge der Designvariablen einreichen und erhalten unmittelbar die

mit diesen berechnete Produktwechselzeit.

Erfolgreiche Umsetzung in der Praxis

Die Produktwechselzeit und das Potential zu ihrer Reduzierung sind für jede Anlage und jedes

Rohstoff-Produkt-Szenario unterschiedlich. Außerdem muss abgewogen werden, wie detailliert das

dynamische Prozessmodell sein muss, beispielsweise in Bezug auf geometrische Daten. Zudem

sollten die Simulationsergebnisse realen Anlagendaten gegenübergestellt werden und dadurch das

Prozessmodell validiert werden. In der Praxis werden die durch dynamische Optimierung ermittelten

Zeitskalen in der Regel nicht einfach übertragen. Vielmehr werden durch CC- DYNAMICS

Umschaltkriterien, wie beispielsweise die Temperaturwerte bestimmter Böden zur Umsetzung

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herangezogen. Basierend auf diesen neuen Umschaltkriterien werden optimale Fahrschemata für die

Anlagenfahrer erstellt.

Für die beschriebene Umsetzung bietet die Infraserv GmbH & Co. Knapsack KG in Zusammenarbeit

mit Chemstations entsprechende Dienstleistungen an. So wurden beispielsweise für einen Kunden

aus der Oleochemie die Produktwechselzeiten für 12 Rohstoff-Produkt-Szenarien minimiert und über

die zusätzlich gewonnene Produktionszeit noch der Rohstoff- und Energieeinsatz reduziert.

Fazit

CHEMCAD bringt in einem Paket alle benötigten Werkzeuge für die stationäre und für die dynamische

Simulation und Optimierung von Prozessen mit. Durch die vollständige Integration der Tools zur

Prozessoptimierung (Process Optimizer), zur Apparatedimensionierung (Sizing Tool) und zur

dynamischen Simulation (CC-DYNAMICS) können schnell und einfach Szenarien durchgerechnet und

Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden. Anlagenbesitzer und Betreiber können in allen Phasen

Unterstützung und Beratung bei Infraserv GmbH & Co. Knapsack KG einholen, die bereits zahlreichen

Kunden geholfen haben die Betriebskosten in der Produktion deutlich zu reduzieren.

Interessieren Sie sich für weitere Veröffentlichungen, Tutorials, Seminare oder andere Lösungen mit CHEMCAD? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf: Mail: [email protected] Tel. : +49 (0)30 20 200 600 www.chemstations.eu Autoren:

Jan Schöneberger

Moritz Wendt