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LJUBLJANA 36 Historisches auf Schritt und Tritt Der Trinker, ein Architekt und die Geliebte – bis heute prägen diese drei Personen die slowenische Hauptstadt. Ljubljana ist nach wechselvoller Ge- schichte endlich zur Ruhe gekommen und präsentiert sich weltoffen. DIE BURG bietet Aussichtspunkte. Na- tionaldichter Prese- ren ist als Denkmal zu finden (unten). Fotos: Simicic ALPEN-SPEZIAL gerne – noch wichtiger aber ist ihnen das Bewusstsein für His- torie, die gerade auf ihrem Ter- ritorium stets so wechselvoll ge- wesen ist. Römer, Österreicher, Franzosen, Slawen. Viele hat das Gebiet so sehr fasziniert, dass sie es eingenommen haben. Noch nicht lange ist Slowenien unab- hängig – und stolz darauf. Doch gerade weil sie so lange darum kämpfen mussten, verdrängen sie ihre Geschichte nicht. Sonderplatz für Preseren Vor allem in der Hauptstadt ist vieles davon noch zu erkennen. Auch deswegen haben die Stadt- väter dem Denkmal France Pre- serens einen Sonderplatz einge- räumt. Mitten in der Stadt, dort wo sich an lauen Sommeraben- den die Menschen treffen, direkt vor der imposanten, ganz in rosé gehaltenen Franziskanerkirche. Die Nähe des Denkmals zur römisch-katholischen Moralin- stanz hat zu Zeiten ihrer Errich- tung allerdings zu kontrover- sen Diskussionen geführt. 1905 hatten die Stadtväter das Denk- mal zu Ehren des Dichters er- bauen lassen. Auch Fräulein Jo- zina, die damalige Muse des großen Meisters, wurde darauf verewigt. Doch die Bilderspra- che war nicht nur den christli- chen Würdenträgern, sondern auch so manch einem Einwoh- ner dann doch zu eindeutig. Die Schöne ist gänzlich unbekleidet, was dazu führte, dass ihre Blöße innerhalb der ersten beiden Jah- re nach Errichtung des Preseren- Denkmals regelmäßig an jedem M ajestätisch, großzügig, und ein wenig wohlwol- lend – so scheint France Preseren von seinem Podest auf den Platz zu schauen, der nun seinen Namen trägt: der Preseren trg im Zentrum Ljubljanas. Pre- seren ist wichtig für die slowe- nische Hauptstadt, genau wie für das ganze Land. Schließ- lich entstammt die Natio- nalhymne Sloweniens ei- nem Werk dieses großen Nationaldichters. Es ist die siebte Strophe des Trinkliedes „Zdravljica“. Leider verfiel der Urhe- ber selbst dieser Sucht. Er starb mit nur 49 Jahren an Leberzirrhose. Nun gut, in Maßen trinken die Slowenen nach wie vor

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Stadtportait der slowenischen Hauptstadt Ljubljana aus der Zeitschrift ALPEN-JOURNAL 4/2005.

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LJUBLJANA36

Historisches auf Schritt und TrittDer Trinker, ein Architekt und die Geliebte – bis heute prägen diese drei

Personen die slowenische Hauptstadt. Ljubljana ist nach wechselvoller Ge-

schichte endlich zur Ruhe gekommen und präsentiert sich weltoffen.

DIE BURG bietet Aussichtspunkte. Na-tionaldichter Prese-ren ist als Denkmal zu fi nden (unten).

Fotos: Simicic

ALPEN-SPEZIAL

gerne – noch wichtiger aber ist ihnen das Bewusstsein für His-torie, die gerade auf ihrem Ter-ritorium stets so wechselvoll ge-wesen ist. Römer, Österreicher, Franzosen, Slawen. Viele hat das Gebiet so sehr fasziniert, dass sie es eingenommen haben. Noch nicht lange ist Slowenien unab-hängig – und stolz darauf. Doch gerade weil sie so lange darum kämpfen mussten, verdrängen sie ihre Geschichte nicht.

Sonderplatz für Preseren

Vor allem in der Hauptstadt ist vieles davon noch zu erkennen. Auch deswegen haben die Stadt-väter dem Denkmal France Pre-serens einen Sonderplatz einge-räumt. Mitten in der Stadt, dort wo sich an lauen Sommeraben-

den die Menschen treffen, direkt vor der imposanten, ganz in rosé gehaltenen Franziskanerkirche.

Die Nähe des Denkmals zur römisch-katholischen Moralin-stanz hat zu Zeiten ihrer Errich-tung allerdings zu kontrover-sen Diskussionen geführt. 1905 hatten die Stadtväter das Denk-mal zu Ehren des Dichters er-bauen lassen. Auch Fräulein Jo-zina, die damalige Muse des großen Meisters, wurde darauf verewigt. Doch die Bilderspra-che war nicht nur den christli-chen Würdenträgern, sondern auch so manch einem Einwoh-ner dann doch zu eindeutig. Die Schöne ist gänzlich unbekleidet, was dazu führte, dass ihre Blöße innerhalb der ersten beiden Jah-re nach Errichtung des Preseren-Denkmals regelmäßig an jedem

Majestätisch, großzügig, und ein wenig wohlwol-lend – so scheint France

Preseren von seinem Podest auf den Platz zu schauen, der nun seinen Namen trägt: der Preseren trg im Zentrum Ljubljanas. Pre-

seren ist wichtig für die slowe-nische Hauptstadt, genau wie für das ganze Land. Schließ-lich entstammt die Natio-

nalhymne Sloweniens ei-nem Werk dieses großen Nationaldichters. Es ist die siebte Strophe des Trinkliedes „Zdravljica“. Leider verfiel der Urhe-

ber selbst dieser Sucht. Er starb mit nur 49 Jahren an Leberzirrhose.

Nun gut, in Maßen trinken die Slowenen

nach wie vor

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DIE KATHOLISCHE Moralinstanz ist die ganz in Rosé gehal-tene Franziskaner-kirche – bis heute.

Abend mit Decken verhüllt wur-de. Die Stadtverwaltung nahm dies – wenn überhaupt – vermut-lich nur amüsiert zur Kenntnis. An der Ausgestaltung des Denk-mals änderte sie nichts. Bis heute können Ljubljana-Besucher das „corpus delicti“ mit eigenen Au-gen begutachten. Übrigens dürf-te auch Jozina mit der Arbeit des Künstlers alles andere als zufrie-den gewesen sein: Nachdem ihre Familie es zu Gesicht bekam, verstießen sie die damals noch sehr junge Frau. Das letzte, was die Ljubljaner von ihr noch wis-sen ist, dass sie gen Amerika ge-f lohen ist.

Ljubljana ist Geliebte der slowenischen Nation

Die Liebe – sie ist in Ljubljana allgegenwärtig, denn die Stadt selbst ist die Geliebte der slowe-nischen Nation. Zumindest trägt sie diesen Begriff – ljubljena – in ihrem Namen. Gleiches gilt für den Fluss, an deren Ufern sie er-baut wurde: Ljubljanica. Wahr-zeichen der Stadt ist ein gef lü-

gelter Drache. Besucher können sich einen Spaß daraus machen, in dem sie ihn in der Stadt su-chen. Fündig werden sie bei-spielsweise an der Dreierbrücke (Tromostovje).

Schriftlich tauchte die Sied-lung Laibach allerdings erstmals im Jahre 1144 statt. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts erhält es die Stadtrechte. Damit begann die abenteuerliche Zugehörigkeits-Geschichte: Ende des 13. Jahr-hunderts wird Laibach dem Her-zogtum Krain zugesprochen und zeitgleich zu dessen Hauptstadt ernannt. 1335 siegen die Habs-burger in kriegerischen Ausein-andersetzungen und halten die Stadt und die Region drumher-um danach in ihrem Besitz. Für 600 Jahre.

In der Zeit zwischen 1809 und 1813 fällt Laibach in die Hän-de Napoleons. Deswegen sind die Slowenen allerdings keines-wegs erbost, sondern eher dank-bar. Denn der Freiheitsgedan-ke der französischen Revolution wird hier wirklich ausgelebt. Sprich: Man lässt die Einwoh-ner in Ruhe. Zum ersten Mal in der Geschichte können sie ohne große Einwirkungen von außen nach ihrem Geschmack walten und machen slowenisch promt zur Verkehrssprache. 1895 dann das tragische Ereig-nis: En Erdbeben zerstört den größten Teil der Stadt. Im Nach-hinein erweist sich dies als echter Glücksfall für das Stadtbild. Da fast nichts mehr vorhanden ist, muss fast alles neu gestaltet wer-den. Die Stadt erhält ein voll-kommen neues und vor allem in sich geschlossenes Bild; auf dem Papier. Denn bevor die Archi-tekten ihre Pläne verwirklichen können, kommt ihnen der Ers-te Weltkrieg, der in dieser Regi-on besonders stark wütet, in die Quere.

Erst nach Kriegsende kann ein Mann die Pläne wieder entde-cken, diese seinen eigenen Ideen anpassen und sie vor allem ver-wirklichen. In den 1920er und 1930er Jahren gibt der Architekt Joze Plecnik der Stadt wieder ein Gesicht. Sie heißt nun aller-dings nicht mehr Laibach, son-dern darf erstmals off iziell ih-ren landessprachlichen Ausdruck benutzen. Von nun an heißt sie Ljubljana.

Selbstbewusste Metropole

Der Architekt Plecnik ist ein Sohn der Stadt. 1872 wird er hier geboren und innerhalb von nur 30 Jahren verwandelt er Ljubl-

jana – nicht nur rein äußerlich – in eine selbstbewusste Metro-pole. (Fast) alle wichtigen Bau-ten der Stadt wurden von ihm

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INFORMATIONENLJUBLJANA TOURIST IN-FORMATION CENTRE (TIC)Stritarjeva ulicaSI-1000 LjubljanaTel.: +3 86 (1) 3 06 12 15Fax: +3 86 (1) 3 06 12 04E-Mail: [email protected]: www.ljubljana-tourism.si

UNTERKUNFTHOTEL TOURISTDalmatinova 15SI-1000 LjubljanaTel.: +3 86 (1) 2 34 91 30Fax: +386 (1) 2 34 91 40E-Mail: [email protected]: www.hotelturist.si Das Drei-Sterne-Hotel ist zen-tral gelegen und bietet mo-dern eingerichtete Zimmer.

M HOTEL Derceva 4SI-1000 LjubljanaTel.: +3 86 (1) 5 13 70 00

Fax: +3 86 (1) 5 13 70 90E-Mail: [email protected]: www.m-hotel.siNettes Drei-Sterne Hotel in der Nähe des Zentrums ge-legen. Das Hotel mit den ge-mütlich eingerichteten Zim-mern ist recht neu. Es wurde erst im Jahre 2000 eröffnet.

SEHENSWERTESORC 4X4 LJUBLJANATel.: +3 86 (31) 70 84 72E-Mail: [email protected] Veranstalter bietet unter anderem Heißluftballon-Fahr-ten über Ljubljana.

BURG LJUBLJANATel./Fax: +3 86 (1) 2 41 60 37E-Mail: [email protected]: www.festival-lj.siMit virtuellem Museum und Aussichtsplattform, die einen grandiosen Blick über die Stadt ermöglicht. Ein Panora-mazug fährt von der Stadt-mitte zur jeden vollen Stunde vom Platz Peresernov trg. Nä-here Informationen beim TIC.

BALLONFAHRTEN zählen zu den beliebten Ausfl ügen, möchte man beeindruckende Aussichten auf Ljubljana genießen.

gestaltet. Dazu gehört unter an-derem die Uferpromenade, die noch heute zum Flanieren ein-lädt, der Hafen von Trnovo, die Markthallen. Joze Plecniks Ein-f luss auf die Stadt ist so groß, dass sie manch einer auch als „Plec-niks-Ljubljana“ bezeichnet.

Einen guten Blick auf die Ar-chitektur der Stadt hat man von der Aussichtsplattform der Ljubl-jana Burg. 1144 erbaut, hat sie sich als vielleicht romantischster Ort der Stadt etabliert. Regel-mäßig mittwochs und sonntags verzögert sich die Öffnung des Burg eigenen Museums um bis zu zwei Stunden, weil vor allem ausländische Verliebte hier den Bund fürs gemeinsame Leben schließen.

Eine weitere Möglichkeit sich einen Überblick aus der Vogel-perspektive zu schaffen, hat das örtliche Tourismusbüro im Som-mer 2005 aufgelegt: Ballon-fahrten über Ljubljana. Diverse Veranstalter haben sich zusam-mengetan, um Ljubljana-Besu-chern ihre Stadt von oben aus zu präsentieren.

Großes kulturelles Angebot

Doch auch bei schlechtem Wet-ter muss man in dieser Stadt kei-neswegs Trübsal blasen. Zu groß ist das kulturelle Angebot. Im Verhältnis zur Einwohner-zahl – zurzeit nicht einmal ganz 300000 – bietet Ljubljana über-durchschnittlich viel davon. Im Angebot sind 22 Museen, 53 Ga-lerien und zehn Theater. Zudem sehr empfehlenswert ist ein Be-such des Schlosses im Tivoli Park im Westen des Zentrums. Im Cankarjev dom, dem Kultur- und Kongresszentrum, ist außer-dem ein deutscher Lesesaal ein-gerichtet. Vornehmlich richtet er sich an die Studenten, doch

auch Urlauber können ihn kos-tenlos nutzen.

Überhaupt – die Studenten. Die Stadt wird von ihnen ge-prägt und hält sie jung. Spätes-tens ab Mai eines jeden Jahres. In dieser Zeit wird die Matura – das Abitur – in lautstarken Festum-zügen, die von den glücklichen Absolventen mit Trillerpfeifen begleitet werden, gefeiert. Dies ist der „inoffizielle“ Startschuss in die Sommerzeit. Ab diesem Zeitpunkt verwandeln sich die Straßen, Parks und Plätze zu ei-nem Treffpunkt der Jugend, bei denen aber auch ältere Semes-ter immer wieder gerne gesehen sind. Alt und Jung vergnügen sich und zeigen gemeinsam, was sie musikalisch und in Form von Straßenkunst zu bieten haben.

Dies würde France Preseren sicherlich gefallen. Schließlich thront er seit genau 100 Jahren an seinem Platz und beobach-tet das Treiben in seiner Stadt. Wenn man sich sein Gesicht ge-nau betrachtet, kann man es er-kennen: Ihm gefällt, was er sieht. So vieles hat er in dieser wech-selvollen Zeit beobachten müs-sen – manches schön, vieles we-niger schön. Doch diese Zeiten sind wohl endgültig vorbei. Snezana Simicic