cordes - die heilige messe erleben lernen

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Artikel von Kardinal Cordes

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2 Oktober 2015, 12:30'Die Heilige Messe erleben lernen'Hirten und Laien mssen Gelegenheiten suchen, in den Gemeinden die Augen des Glaubens auf das Gnadengeschehen zu richten, zu dem uns die Liturgie fhrt. Predigt beim Nationalen Eucharistischer Kongress Brnn. Von Paul Josef Kardinal CordesVatikan-Brnn (kath.net/pl) Papst Franziskus hat mich zum Delegaten ernannt fr Ihren Nationalen Eucharistischen Kongress. In Ihr Land zu kommen, weckte zunchst in mir einige Erinnerungen.

Whrend der brutalen Diktatur im vergangenen Jahrhundert fhlte ich mich Ihrer Kirche und vor allem Ihrem unvergessenen Kardinal Tomaschek sehr verbunden. Auf Drngen des heiligen Papstes Johannes Pauls II. haben ihn die Jugendlichen meines Titelkirche San Lorenzo 19 84 mit dem Kreuz des Heiligen Jahres auf sehr abenteuerliche Weise in Prag besucht.

So habe ich dann den Auftrag des Heiligen Vaters nicht ohne innere Beteiligung angenommen, sondern mit Freude und Dankbarkeit.

1. Hochwichtig erscheint es mir, dass Sie mit durch diesen Kongress bei allen Katholiken Tschechiens sich auf den Rang der Eucharistie-Feier besinnen. Er hat das groe Thema Eucharistie neuer und ewiger Bund und will den Gipfel des Tuns der Kirche, wie das Vaticanum II gesagt hat, neu ins Bewusstsein heben. Warum mir ein Kongress zum Herrenmahl dringlich erscheint? Lassen Sie mich Ihnen von einer kleinen Episode berichten. Ich habe sie erlebt, als ich vor Jahren noch Weihbischof in meiner Heimatdizese Paderborn war.

Ich kam eines Tages dort zufllig in eine Dorf-Kirche, whrend der Pfarrer dieser Gemeinde dort Schulgottesdienst feierte. 50 oder 60 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren waren versammelt. Dann kam der Augenblick des Eucharistie-Empfangs. Ausnahmslos strmten die jungen Leute zum Altar, nicht ohne sich gegenseitig zu drngeln und zu schubsen. Der Priester wurde sehr ungehalten. So nherte er sich der Schar nicht zur Kommunion-Austeilung, sondern schickte sie alle in ihre Bnke zurck. Dann hielt er ihnen eine energische Katechese. Er deutete, was sich vollzog: dass sich Gott, der Schpfer Himmels und der Erde zu ihnen kme; dass sein Sohn Jesus Christus ihr Gast wrde; dass er sich ihnen als Speise schenkte um den Preis seines Lebens. Und da strmt Ihr zum Tisch des Herrn, ohne berhaupt nachzudenken Ihr nhert Euch Jesus Christus wie einer Alltglichkeit. Msstet Ihr nicht vielmehr vor Ehrfurcht erzittern?Werbung

Die Wirkung dieser spontanen Zurechtweisung? Ein Drittel der jungen Leute blieb in den Kirchenbnken.

2. Liebe Schwestern und Brder,die letzten Jahrzehnte haben uns eine wichtige und kostbare neue Offenheit fr den Empfang des Herren-Leibes gebracht. Kein echter Seelsorger mchte die Entscheidung des Heiligen Papstes Pius X. rckgngig machen, die heilige Kommunion hufig zu empfangen und auch Kinder frhzeitig zu ihr zuzulassen, Anderseits darf solche Ermglichung uns nicht zu einer leichtfertigen, oberflchlichen Routine verleiten; sie darf bei uns nicht zu geistlicher Banalitt verkmmern wie es etwa vielen von uns beim Segnen mit dem Weihwasser an der Kirchentr passiert. Die unfassbar groe Gabe der materiell-krperlichen Begegnung mit dem Sohn Gottes fordert uns heraus, uns mit Glaube an Jesu Botschaft und mit interessierter Sensibilitt in das eucharistische Geheimnis zu versenken. Niemand kann von sich einfachhin behaupten, er sei schon eingedrungen in den Geist der Liturgie. Wohl fr uns alle gilt, was der Heilige Papst Johannes Paul II. eines Tages sagte: Man muss es lernen, die Heilige Messe zu erleben.

3. Es war 1981 bei einem Besuch des Collegio Germanico, des deutschsprachigen Priesterseminars in Rom. Whrend der Eucharistie-Feier hatten auch die Alumnen dort die Sammlung und Intensitt erlebt, die dieser Mann bei der Messfeier ausstrahlte. So fragten ihn einer unverblmt in dem Gesprch, das spter stattfand: Wie feiern Sie, Heiliger Vater, die Heilige Messe in Ihrem Herzen? Der Papst antwortete: Das ist eine sehr persnliche Frage. Es ist nicht leicht, ber die Geheimnisse des Herzens zu sprechen. Aber ich kann ganz einfach antworten: ich mchte sagen, dass ich die Heilige Messe so erlebe, wie ich sie einmal als Seminarist und als junger Priester erleben gelernt habe. Man kann sagen gelernt, obwohl dieses Wort ungengend ist. Aber man muss doch eine Lehre durchmachen. Und man soll die Heilige Messe erleben lernen. Was man einmal erworben hat, das tut man immer, Tag fr Tag. Vielleicht ist es gengend, das zu sagen.

4. Lernt jemand, die Heilige Messe zu erleben durch bloe lokale Anwesenheit in der Kirche? Durch ungeduldiges Abwarten hinter der letzten Sule des Kirchengebudes? Oder auf der Orgelbhne beim Plaudern mit den Nachbarn? Wohl kaum. Darum soll von dem heutigen Kongress ein Impuls ausgehen: eine pastorale Hinfhrung zur geistlichen Dimension der Eucharistie. Hirten und Laien mssten Gelegenheiten suchen, in den Gemeinden die Augen des Glaubens auf das Gnadengeschehen zu richten, zu dem uns die Liturgie fhrt. Das mag in der Pfarrarbeit gezielt angegangen werden. Ich selbst habe in meinen langen Jahren im Ppstlichen Rat fr die Laien erlebt, dass sich die neuen Geistlichen Bewegungen dabei bewhrt haben; sie sind fr viele Katholiken zu einer liturgischen Glaubensschule geworden: ob Focolare oder Charismatiker, ob Neukatechumenat oder Schnstatt.

5. Wir mssen die Heilige Messe erleben lernen. Das beginnt vielleicht damit, dass wir unsern liturgischen Sinn schrfen. Groe Denker haben viel darber nachgedacht. Papst Benedikt publizierte eine ausfhrliche Studie ber den Geist der Liturgie. Er geht in ihr auch dem Verlauf der Messe nach und gibt Anregungen fr die Feiernden. Die dort vorgesehenen Gesten drfen ja nicht mechanisch vollzogen werden und somit leer bleiben. Sie sollen gefllt werden mit Gedanken und Empfindungen. Papst Benedikt bedenkt

das Kreuzzeichen, mit dem wir uns unter den Schutz Gottes stellen, durch das wir Christi Tod und seine Auferstehung auf uns herabrufen;

das Niederknien, das seine Wurzeln nicht in irgendeiner Religion, sondern in der Offenbarung hat; das uns an die Totalauslieferung Jesu erinnert, der sich am lberg zu Boden wirft aber auch an die Geheime Offenbarung, in der die jubelnden Scharen des Himmels mit dem Fu-Fall den Allerhchsten ehren; ich erinnere mich gut, wie es mich ergriffen hat, als ich mich bei meiner Bischofsweihe mit dieser Geste Gott total berantwortete;

das Stehen, als Zeichen unserer Bereitschaft gerade beim Hren des Evangeliums und bei den andern Hhepunkten der Liturgie. Es ist die Form des sterlichen Betens; Christus ist nicht im Grab liegen geblieben, sondern als Auferstandener in seiner krperlichen Gre den Frauen und Jngern begegnet. Er lebt und ist Sieger. Dessen werden wir stehend inne.

Schlielich das Sitzen nicht zum Ausruhen, sondern zum ffnen des inneren Ohres fr die Botschaft, die Gottes Wort und die Kirche an uns richtet.

Viele andere seiner Anregungen knnten uns ferner helfen, dass das Geschehen der Liturgie und ihre Feier zu uns sprechen. Es liegt an uns, ob wir das uns bereitgestellte Kapital verwenden oder es auf der Bank vermodern lassen, ohne die Zinsen zu nutzen.

Da sind etwa der Altar und die festliche Kleidung des Zelebranten, die liturgischen Gerte, Brot und Wein und Weihrauch bei besonderen Gelegenheiten, die Musik und das Licht. All das kann unsre Seele erheben. Romano Guardini, ein anderer groer der jngsten Vergangenheit, spricht davon, dass fr den Glaubenden auf Erden schon ein Schauen beginnen kann, welches den Glauben nicht aufhebt, aber vertieft und einst zum vollen Schauen werden soll (Die Sinne und die religise Erkenntnis, Wrzburg 1950, 57). Dieser auergewhnliche Glaubens-Erzieher wendet darum ein Wort auf den Gottesdienst an, mit dem wir das Fest der Erscheinung des Herrn bezeichnen. Er bedient sich des Wortes Epiphanie. Er hlt die Liturgie fr epiphan, weil ihre Zeichen durchsichtig werden auf Himmlisches hin.

5. Es gibt ein altes geschichtliches Zeugnis, dass die Faszination einer strahlenden Liturgie festgehalten hat. Er steht in der sog Nestorchronik, in der Kirchengeschichte eines Mnchs des Hhlenklosters von Kiew von 987. Dort heit es, die bulgarischen Moslems, deutsche Delegaten des lateinischen Ritus, griechische Byzantiner und auch Hebrer seien bei Frst Volodymyr von Kyiv vorstellig geworden, um ihn und das Volk der Rus fr ihre jeweilige Religion zu gewinnen. Der Frst habe die beste Religion auswhlen wollen. Darum habe er Abgesandte beauftragt, sie sollten an den verschiedenen Gottesdiensten teilnehmen. Nach der Rckkehr aus Griechenland vermeldeten die Delegierten dann Frst Volodymyr:

Wir wussten nicht, ob wir im Himmel waren oder noch auf der Erde. Auf Erden gibt es keine Darbietung von einer solchen Schnheit. Wir sind nicht imstande, sie zu beschreiben. Nur dieses wissen wir: In diesem Gottesdienst waren Gott und Mensch miteinander verbunden. Ihre Liturgie ist die beste aller Lnder. Wir knnen diese Schnheit noch immer nicht vergessen. Jeder Mensch schmeckt ihre Schnheit, das Bittere sagt ihm dann nichts mehr. Und wir sind nicht lnger Heiden.(Cronaca degli anni passati o Cronaca di Nestore ((987)) in: Racconto dei tempi passati. Cronaca russa del secolo XII, Torino 1971.)

Solche bewegende Geschichte belegen die vereinnahmende Kraft einer glnzenden Liturgie. Und wir drfen keinesfalls unsere Mitfeier wie wir schon sahen nicht auf den rituellen Vollzug und uerlichen Ablauf beschrnken. Es geht um unsere innere Anteilnahme am Geschehen, um ein geistiges Mitgehen, um die actuosa participatio die geistliche Teilnahme, wie sie ein Wort des Vaticanum II fordert. Sie vollzieht sich wie wir bedacht haben - in der emotionalen Anrhrung.

6. Aber sie reicht weit tiefer als unsere menschliche Empfindung. In ihr geschieht nmlich Begegnung mit Gott; Guardini hatte sie auf das Fest der Weisen aus dem Morgenland bezogen und mit dem Wort epiphan bezeichnet; gleichsam als Erfllung der groen menschlichen Sehnsucht, Gottes Sohn zu finden.

So will Liturgie auch uns der Gegenwart Gottes sicher machen. Ehrfurcht, Scheu und Demut treten in das Geschehen; es hat mit Heiligkeit zu tun. Dass wir Gottes Willen auf uns anwenden, die Snde bekennen und hinter uns lassen. Darum muss beim Nachdenken ber die Eucharistie auch vom Busakrament gesprochen werden. In manchen Lndern ist es aus dem Blick geraten eine tragische Entwicklung. Die Bibel macht an vielen Stellen klar etwa beim Apostel Petrus dass eine aufrichtige Annherung an das Heilige immer die eigene Snde aufdeckt. Und der Apostel Paulus, der den Korinthern ber die Einsetzung der Eucharistie schreibt, vergisst nicht, sie vor dem unwrdigen Kommunion-Empfang zu warnen. Er schrft ihnen mit deutlichen Worten das Gewissen: Jeder soll sich selbst prfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt (1 Kor 11,28f.). Dann geht Paulus sogar soweit, Krankheit und frhen Tod als Strafe fr den unwrdigen Empfang des Herrenleibes zu nennen.

Die Liturgie ist gewiss der Gipfel des Tuns der Kirche, weil sie Gott die Ehre gibt, die wir ihm schulden. Doch wer zu lernen bereit ist, die Heilige Messe zu erleben, tut sich anderseits selbst den besten Dienst. Denn Gott hat es gewollt, dass er sich in dieser Feier auch selbst uns schenkt. Wie oft bin ich der Freude und dem Dank begegnet, die ein wrdiger Gottesdienst in der Herzen der Glubigen geweckt hatte! Ihr Glck wurde deutlich sichtbar wenn auch nicht der Enthusiasmus der Sendboten des Frsten Volodymyr von Kyiv.

7. Lassen Sie mich mit einer kleinen Geschichte schlieen. Sie hat zu tun mit der Liturgie in der Pfarrei, in der ich aufgewachsen bin. Wir kehren also zurck in meine westflische Heimat.

Dort gab es zu Anfang des 19. Jahrhunderts eine kleine Musikgruppe. Ein paar junge Mnner waren Liebhaber des Geigenspiels und musizierten bei kirchlichen Festen auch zum Gottesdienst. So sollte es auch zum Fronleichnamsfest sein. Da erkrankte einer von ihnen. Man dachte, ihn durch einen jungen Mann zu ersetzen, der jdischen Glaubens war. Er hie Abraham und gehrte wohl zur Gruppe, wurde aber zur katholischen Liturgie nie zugelassen; man nahm damals halt die Ordnung sehr ernst, dass nur Katholiken an ihnen teilnehmen durften. Wegen des auerordentlichen Notfalls machte der Pfarrer jedoch diesmal fr die Prozession eine Ausnahme. Whrend der Hl. Messe blieb Abraham freilich oben auf der Orgelbhne. Vor dort konnte er allem gut folgen. Er erlebte die Liturgie ja zum ersten Mal und beobachtete ganz genau das fr ihn neue Geschehen.

Gleich nach der Hl. Messe fragte er dann seinen Freund Franz Wacker: Wer war das schne Kind, das der Pfarrer hoch gehalten hat, als er sich zu uns bei der Feier umgewandt hat? Aber der Freund entgegnete: ,,Ein Kind? Da war kein Kind. Das war die heilige Hostie. Doch Abraham beharrte: Doch, es war ein Kind. Und er bestand darauf. Da blieb dem Freund nichts anderes brig, als zu sagen: Das einzige, was ich dir raten kann, ist, zu dem Pfarrer zu gehen und ihm alles zu erzhlen.

Wie ist nun die Geschichte von Abraham weitergegangen? Abraham hat den Rat seines Freundes tatschlich befolgt und ist zum Pfarrer Johann Stahl gegangen. Dem hat er seine wundersame Christus-Begegnung erzhlt. Und das auergewhnliche liturgische Zeichen wurde dem jungen Mann dann zum Ansto, katholisch zu werden. Trotz heftiger Auseinandersetzungen mit seiner Familie entschied er sich fr diesen Christus. Und Pfarrer Stahl taufte Abraham am 26. Juli 1829 und lie sich den Namen Franziskus geben. Seinen Familiennamen Oppenheim behielt er bei. (Die Begebenheit ist berichtet in: Claus Heinemann, Die Geschichte der Juden in Neuenkleusheim, o.J.).

Ich wei, die Geschichte ist wundersam, sie erklingt fr moderne Ohren unglaubwrdig. Doch ich verbrge mich fr sie. Die Nachkommen des konvertierten Juden Abraham habe ich selbst kennen gelernt. Sie leben noch in meinem Heimatort.

So wollen wir jetzt Gott fr seinen Sohn preisen. Wir wollen ihm danken, dass die Feier der Eucharistie auch uns transparent werden kann auf Jesus Christus, den sie bezeichnet. Der Herr wird sich bei uns gewiss weniger spektakulr zeigen als bei dem kleinen Musiker Abraham. Ob er uns jedoch nahekommt, hngt ab von seiner Gnade und von den Augen unseres Glaubens.

Der emeritierte Kurienkardinal Paul Josef Cordes (Foto) war der Ppstliche Delegat beimNationalen Eucharistischen Kongress in Brno (Brnn)/Tschechien. Dort hielt er am 17.10.2015 diese Predigt, sie wurde dabei in die tschechische Sprache bersetzt. kath.net dankt S.E. Kardinal Cordes fr die freundliche Erlaubnis, diese Predigt im deutschsprachigen Ursprungstext und in voller Lnge zu verffentlichen.