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Czeski Cieszyn / Český Těšín Papers Nr. 1 Minderheitensprache Polnisch und Mehrsprachigkeit in Czeski Cieszyn / Český Těšín Claudia Richter, Paulina M. Borowska Kongress der Polen in der Tschechischen Republik Universität Ostrava http://www.eurac.edu/Org/LanguageLaw/Multilingualism/Projects/teschen

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Page 1: Czeski Cieszyn / Ceský Tesín - eurac.edu · Richter, Borowska - Minderheitensprache und Mehrsprachigkeit in Czeski Cieszyn Abstract Die Studie stellt einen Überblick über wichtige

Czeski Cieszyn / Český Těšín Papers

Nr. 1

Minderheitensprache Polnisch und Mehrsprachigkeit

in Czeski Cieszyn / Český Těšín

Claudia Richter, Paulina M. Borowska

Kongress der Polen in der Tschechischen Republik

Universität Ostrava

http://www.eurac.edu/Org/LanguageLaw/Multilingualism/Projects/teschen

Page 2: Czeski Cieszyn / Ceský Tesín - eurac.edu · Richter, Borowska - Minderheitensprache und Mehrsprachigkeit in Czeski Cieszyn Abstract Die Studie stellt einen Überblick über wichtige

Report des Projektes: „Bildung eines Netzwerkes zur Förderung der Minderheitensprachen Polnisch und Tschechisch in der Grenzregion Těšín / Cieszyn“

Editors:

Mathias Stuflesser, email: Mathias.Stuflesser eurac.edu Claudia Richter, email: Claudia.Richter tu-dresden.de

Paulina M. Borowska, email: Paulina.Borowska studio.unibo.it

Dieser Report ist das Resultat des Projektes : „Bildung eines Netzwerkes zur Förderung der

Minderheitensprachen Polnisch und Tschechisch in der Grenzregion Těšín / Cieszyn“

Koordination

Mathias Stuflesser, EURAC

Kofinanziert durch AUTONOME REGION TRENTINO-SÜDTIROL

REGIONE AUTONOMA TRENTINO-ALTO ADIGE REGION AUTONÓMA TRENTINO-SÜDTIROL

Europäische Akademie Bozen (EURAC)

Drususallee, 1 39100 Bozen - Italien Tel. +39 0471 055126 Fax +39 0471 055199

Academia Europeica Bulsan (EURAC)

Alea Drusus 1 39100 Bulsan - Talia Tel. +39 0471 055126 Fax +39 0471 055199

Accademia Europea Bolzano (EURAC)

Viale Druso, 1 39100 Bolzano - Italia Tel. +39 0471 055126 Fax +39 0471 055199

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Copyright Information: Printed in Bozen / Bolzano in November 2006.

Any sort of reproduction - including excerpts - is permitted only when indicating the exact source. Please quote it as indicated in the following example:

Author’s name, “Title”, Czeski Cieszyn / Český Těšín paper (2006), Nr, page, at http://www.eurac.edu/Org/LanguageLaw/Multilingualism/Projects/teschen

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Richter, Borowska - Minderheitensprache und Mehrsprachigkeit in Czeski Cieszyn

Abstract

Die Studie stellt einen Überblick über wichtige Aspekte der Situation im Gebiet um Teschen / Český Těšín / Cieszyn auf dem Gebiet der Tschechischen Republik lebenden polnischen Minderheit dar. Sie widmet sich besonders sprachlichen und (sprachen-)rechtlichen Aspekten der Situation und geht der Frage nach, unter welchen demographischen, sozialen, kulturellen und juristischen Bedingungen die Minderheit lebt. Der Fokus ist dabei auf die Spezifik der Zweisprachigkeit der polnischen Bevölkerung gerichtet. Dabei geht es u.a. um den Sprachgebrauch im privaten und öffentlichen Bereich, zu Spracheinstellungen, zu wichtigen Medien und Institutionen der Minderheit und zu kulturellen Rahmenbedingungen (Literatur, Theater, Kulturvereine); des weiteren werden einige aktuelle Probleme der Minderheit, wie die Umsetzung des Rechts auf zweisprachige Aufschriften, vorgestellt. Ein Ausblick auf die weitere demographische und sprachliche Entwicklung der Minderheit beschließt die Studie.

Authors

Claudia Richter (M.A.) ist studierte Slawistin und Romanistin und arbeitet derzeit am Institut für Slavistik der Technischen Universität Dresden als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Dort entsteht ihre Promotion zur Wortbildung des Tschechischen. Daneben arbeitet sie als freie Mitarbeiterin an der Europäischen Akademie Bozen, und war u.a. an der Erarbeitung von Eldit beteiligt (http://dev.eurac.edu:8081/MakeEldit1/Eldit.html). Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Wortbildung, kulturwissenschaftliche Linguistik, Didaktik des Deutschen und Tschechischen. Sie hat die Kapitel 1.1, 1.2, 1.4, 1.5, 2.1, 2.1.2, 3, 4, 6, und 7 dieser Studie verfasst. Email: Claudia.Richter tu-dresden.de.

Paulina M. Borowska schreibt ihre Magisterarbeit über den Minderheitenschutz in Osteuropa, um ihr Studium der Internationalen Politikwissenschaften an der Universität Bologna (Forlì Campus) abzuschließen. Sie ist Schriftführerin der online Publikation European Autonomy and Diversity Papers (EDAP) (http://www.eurac.edu/edap), die von den Instituten für Minderheitenrecht und für Föderalismus- und Regionalismusforschung der Europäischen Akademie Bozen seit 2004 herausgegeben wird. Für diese Studie hat sie die Kapitel 1.3, 1.6, 2.1.1, 5.1 und 5.2 geschrieben. Email: Paulina.Borowska studio.unibo.it.

Key words

Czeski Cieszyn / Český Těšín - Tschechisch – Polnisch - Minderheitensprache - Soziolinguistik – Attitudes – Kultur – Minderheitenschutz.

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Report des Projektes: „Bildung eines Netzwerkes zur Förderung der Minderheitensprachen Polnisch und Tschechisch in der Grenzregion Těšín / Cieszyn“

Inhaltsverzeichnis des Reports

Paper Nr.1: Minderheitensprache Polnisch und Mehrsprachigkeit in Czeski Cieszyn / Český Těšín

1. Überblick zu allgemeinen demographischen, historischen, sozialen und rechtlichen Aspekten

2. Sprachgebrauch und Sprachbewusstsein 3. Sprachen in Erziehung und Ausbildung 4. Medien, Literatur und andere kulturelle Ausdrucksformen 5. Vereine und Institutionen 6. Sprachen und grenzübergreifende Zusammenarbeit 7. Ausblick- Perspektiven und Bedrohung der sprachlichen und

demographischen Entwicklung Paper Nr 2: Krótki zarys historyczny Śląska Cieszyńskiego Paper Nr.3: Kurzer Abriss der Geschichte des Teschener Schlesien [Śląsk Cieszyński, Těšínské Slezsko] Paper Nr.4: Sytuacja językowa na Śląsku Cieszyńskim w perspektywie historycznej Paper Nr.5: Příspěvek k národnostní a jazykové situaci na území kolem města Český Těšín v ČR Paper Nr.6: Die Sprachsituation im Teschener Schlesien aus historischer Perspektive Paper Nr.7: Report about the National and Language Situation in the Area around the city Český Těšín in the Czech Republic

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Richter, Borowska - Minderheitensprache und Mehrsprachigkeit in Czeski Cieszyn

Minderheitensprache Polnisch und Mehrsprachigkeit in Czeski Cieszyn / Český Těšín

Claudia Richter, Paulina M. Borowska

Einleitung Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Situation der polnischsprachigen Minderheit im Gebiet um Teschen1 [Český Těšín/ Czeski Cieszyn] in der Tschechischen Republik.

Ihr Ziel ist es nicht, unter Berücksichtigung aller verfügbarer Quellen einen umfassenden Überblick über das Thema zu geben. Das lässt leider der Umfang des Projekts, in dessen Rahmen die Studie entstand, nicht zu. Sie geht aber doch über einen bloßen Überblick hinaus und hat zum Ziel, einige besonders wichtige Aspekte der sprachlichen Situation dieser Minderheit darzustellen und verschiedene dazu gehörige Aspekte genauer zu untersuchen2. Besonders in den letzten 10-15 Jahren sind zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten entstanden, die sich mit ausgewählten Problematiken dieser Minderheit beschäftigen (Sprache, Geschichte, Volkskultur, politische Stellung usw.). Nicht alle konnten hier berücksichtigt werden, die für das Thema wesentlichen wurden jedoch ausgewertet.

Um in die Problematik der polnischen Minderheit in diesem Gebiet einzuführen, ist es zunächst notwendig, einige geschichtliche Hintergründe darzustellen, denn keine Minderheitensituation entsteht aus dem Nichts; sie

1 Zur Terminologie: In deutschsprachigen Publikationen wird das zweisprachige Gebiet

östlich von Ostrava an der Grenze zu Polen und zur Slowakei meist als „Teschener Ländchen“ bezeichnet. Im Tschechischen heißt es „Slezské Těšínsko“, im Polnischen „Śląsk Cieszyński” oder „Zaolzie“ (nach dem Fluß Olza, der die Grenze bildet und hinter (za) dem die polnische Bevölkerung auf dem Tschechischen Gebiet von Polen aus gesehen lebt). Die polnische Minderheit verwendet ungern die tschechische Bezeichnung, die Tschechen wiederum haben Vorbehalte gegen die polnischen Namen. Auch der deutsche Name ist historisierend. In der vorliegenden Studie verwenden wir deshalb die Bezeichnung „Teschener Gebiet“ oder „Gebiet um Teschen“ für das auf unten stehender Karte gekennzeichnete Gebiet, bei den Ortsnamen werden die tschechische und polnische Form angegeben (außer bei nicht unmittelbar zu diesem Gebiet gehörenden Orten wie Ostrava, Opava u.a., wo die endonymischen Bezeichnungen benützt werden.)

2 Die besonders seit dem 2. Weltkrieg ebenfalls hier lebende slowakische Minderheit kann im Rahmen dieser Studie nicht einbezogen werden. Wo es notwendig erscheint, wird sie jedoch zum Vergleich mit herangezogen. An geeigneter Stelle wird auch auf die Situation der tschechischen Mehrheit eingegangen; dies aber nur, wenn sie für einen Vergleich nützlich erscheint.

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hat ihre – in diesem Fall sehr wechselhafte – Geschichte, welche einige der Schwierigkeiten erklärt, die die Minderheit heute hat3.

Auf dem Gebiet des historischen Teschener Gebietes lebten bereits im Mittelalter mehrere Nationalitäten, gab es wirtschaftliche und kulturelle Kontakte zwischen ihnen. Erst im 19. Jahrhundert jedoch, mit wachsendem nationalem Selbstbewusstsein, wurde die Region zum Schauplatz nationaler Auseinandersetzungen. Damals, also in der Zeit der Habsburger Monarchie, lebten hier Polen, Tschechen, Deutsche und Juden in enger Nachbarschaft. Nach dem 1. Weltkrieg wurde das Gebiet zwischen der Tschechoslowakei und Polen geteilt, und der auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik lebende polnische Bevölkerungsanteil kam zum tschechoslowakischen Staat. Für knapp ein Jahr, 1938-1939, kam das Gebiet wieder zu Polen, 1939-1945 zum faschistischen Deutschland und nach dem 2. Weltkrieg ab 1945 zur Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik. Seit der Teilung in die Slowakische und die Tschechische Republik 1993 gehört das Teschener Gebiet zur Tschechischen Republik.

Die Anzahl der Angehörigen der polnischen Minderheit ist im Laufe der Zeit stets kleiner geworden4. Dazu haben u. a. die demographische, die wirtschaftliche und die historische Entwicklung des Gebietes beigetragen. Trotzdem und vielleicht gerade deshalb gibt es heute mehr denn je Bemühungen um den Schutz der Minderheit, wobei der Status der polnischen Sprache, ihr Schutz und Ausbau eine besondere Rolle spielen.

Neben allgemeinen Fakten zur sprachlichen Situation (Anzahl der Sprecher, ihre territoriale Verteilung usw.), zum rechtlichen Status der Minderheit und zur historischen Entwicklung des Gebietes enthält die Studie Ausführungen zu Sprachbewusstsein und Prestige, zum Sprachgebrauch und zur Weitergabe der Sprache (im Zusammenhang mit soziolinguistischen Fakten), zur Rolle der Sprache in Erziehung und Ausbildung, zu polnischsprachigen Medien, kulturellen Aktivitäten und zur Bedeutung der Sprache für die religiöse Praxis5.

3 Ausführlicher dazu: Szymeczek/Kaszper in ihrem Beitrag zu diesem Projekt. 4 Vgl. Zahradnik 2001. 5 Ausführlichere Beiträge, die im Rahmen dieses Projekts von Seiten der

tschechischen/polnischen Partner zur sprachlichen Situation (Jana Raclavská, Irena Bogoczová – Universität Ostrava) und zur historischen Entwicklung des Gebietes (Józef Szymeczek - Kongres Polaków) entstanden, wurden nicht in die Studie integriert, sondern sind als gesonderte Artikel zu lesen.

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Aufgrund seiner Grenzlage ist das Gebiet geradezu prädestiniert für grenzüberschreitende Aktivitäten (seit 2004 im Rahmen der EU), die in einem weiteren Teil der Studie vorgestellt werden.

Die Studie schließt mit einem kurzen Ausblick auf Chancen und Gefahren der weiteren Entwicklung.

1. Überblick zu den allgemeinen demographischen, historischen, sozialen und rechtlichen Aspekten

1.1. Daten zur Region (Lage, Einwohnerzahl, Verkehr)

Die Region Schlesisch-Teschen [tsch. Těšínské Slezsko, poln. Śląsk Cieszyński] umfasst ein Gebiet von insgesamt ca. 1400 km2 beiderseits der polnisch-tschechischen Grenze. Der tschechische Teil (im Nordosten der Republik), um den es in dieser Studie in erster Linie geht, liegt zwischen den Städten Bohumín im Nordwesten und Jablunkov im Südosten, umfaßt die Bezirke Karviná und Frýdek-Místek und wird begrenzt durch den Fluss Olše [poln. Olza] an der Staatsgrenze zu Polen, die Beskiden im Südosten und den Fluss Ostravice im Südwesten. Auf diesem Gebiet, das ca. 800 km2 einnimmt, leben etwa 360.000 Menschen, der überwiegende Teil von ihnen in den größeren Städten Ostrava, Havířov und Třinec.

Die Landschaft im Südosten und Osten dieses Gebietes ist durch die Höhenzüge der Beskiden geprägt, während das Land im Nordwesten um Ostrava, Bohumín und Havířov weitgehend flach ist. Die gebirgigen Teile der Gegend weisen eher eine dörflich-ländliche Struktur auf; die flachen Gebiete, und hier besonders die städtischen Territorien und ihr Umland, sind hingegen stark industrialisiert. Dabei dominieren traditionell der Bergbau und (seit ca. den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts) die Schwerindustrie. Davon ist auch die Landschaft unmittelbar betroffen. Um die Industriegebiete Ostrava, Bohumín und Havířov herum sind deutliche Spuren des Kohleabbaus zu sehen; die Gegend hat mit schwerwiegenden Umweltproblemen zu kämpfen, deren Lösung man erst in den letzten Jahren (nicht zuletzt durch Schließung oder Reduzierung großer Industrieanlagen) näher gekommen ist.

Ganz anders sehen die ländlichen Gebiete aus – sie ziehen mit ihren Wäldern und Höhenzügen Touristen an und bieten der Region zunehmend eine alternative Einnahmequelle.

Die Region wird von zahlreichen Verkehrswegen durchzogen, u.a. von der wichtigen Eisenbahnlinie von Ostrava über Třinec in die Slowakische Republik.

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Es gibt zahlreiche Grenzübergänge (Kraftfahrzeuge, Eisenbahn, Personenverkehr), darunter auch den größten tschechisch-polnischen Grenzübergang Chotěbuz/Cieszyn Boguszowice. Die Dichte der Verkehrswege hat natürlich in erster Linie aktuelle wirtschaftliche Gründe, dienen sie doch der infrastrukturellen Absicherung der Industrieproduktion und der Mobilität der Bevölkerung, die z.T. längere Arbeitswege zurückzulegen hat. Sie ist aber bereits historisch angelegt, denn bereits im Mittelalter kreuzten sich hier europäische Fernhandelswege von Nord nach Süd und von Ost nach West.

1.2. Allgemeine Beschreibung der Bevölkerung und Sprachgruppen; territoriale Verteilung der Sprachen, Rolle des Dialekts

Im Gebiet um Teschen leben seit jeher Polen und Tschechen zusammen; bis zum Zweiten Weltkrieg gab es auch jüdische Bevölkerung und Angehörige der deutschen Nationalität6. Mit der Industrialisierung in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zogen zahlreiche Slowaken und Angehörige der Roma-Minderheit in dieses Gebiet, so dass man heute hier der tschechischen, polnischen, slowakischen und der Roma-Sprache begegnet. Die tschechische Bevölkerungsgruppe bildet die absolute Mehrheit (71,7%), gefolgt von der polnischen (11,8%) und der slowakischen (6,2%)7.

Die autochthone polnische Minderheit gibt es als solche seit 1920 durch die Teilung des Gebiets infolge neuer Grenzziehungen nach dem Ersten Weltkrieg (vorher bildete sie die zahlenmäßige Mehrheit8). Ihr Anteil belief sich 2001 insgesamt auf ca. 39.000 Menschen, dies sind ca. 80% der gesamten polnischen Minderheit auf dem Gebiet der Tschechischen Republik (andere Gruppen leben insbesondere in Prag und Brünn9). Sie verteilen sich auf die Bezirke Karviná (19.000 = 6,8% der Gesamtbevölkerung) und Frýdek-Místek (18.000 = 8% der Gesamtbevölkerung).

Die Mehrheit der polnischsprachigen Bevölkerung lebt in ländlichen Siedlungen, also eher im Osten und Südosten des Gebietes und pendelt zum großen Teil zur Arbeit in die tschechischsprachig dominierten Städte. Das Tschechische dominiert in den kleineren und größeren Städten. Eine

6 Zur sprachlichen Situation der Minderheit aus historischer Sicht vgl. den zur Studie

gehörenden Beitrag von Raclavská; zur Geschichte der Region vgl. den Beitrag von Szymeckek/Kaszper.

7 Angaben von 1991; den Rest bilden andere Minderheiten: Deutsche, Roma u.a. (Siwek 1997: 50).

8 Vgl. Zahradnik 1997: 16f. 9 Vgl. Siwek 1997: 45.

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Ausnahme bildet nur Český Těšín / Czeski Cieszyn, wo das Polnische eine dominantere Stellung als anderswo einnimmt.

Sprachlich muss man unterscheiden zwischen den (zumeist in offiziellen Situationen) verwendeten hochsprachlichen Formen der jeweiligen Staatssprache Polnisch und Tschechisch und dem in inoffiziellen Kontexten benützten lokalen Dialekt, der für die Sprecher beider Sprachen gleich ist (wofür es historische Gründe gibt10).

Der ostlachisch/ostschlesische Dialekt gehört zur polnisch-schlesischen Dialektgruppe und wird von der polnischen wie auch der tschechischen Bevölkerungsgruppe gleichermaßen gesprochen (ihn beherrschen jedoch ca. 25% der Tschechen, aber nur 1% der Polen nicht). Er weist Merkmale beider Nationalsprachen auf11 und ist deshalb als Kommunikationsmittel meist außerhalb öffentlicher Gesprächskontexte geeignet. Viele jüngere Polen und Tschechen geben sogar an, er gehöre als Dialekt beiden Nationalsprachen an12. Der Dialekt dient jedoch nicht nur als privates Kommunikationsmittel zwischen den Angehörigen der nationalen Gruppen, sondern wird auch im öffentlichen Verkehr (Einkauf, Arzt, Ämter, Arbeitsplatz) verwendet. Er erfüllt damit die Funktion eines Interdialekts zwischen hier Geborenen13 und erleichtert ihre Kommunikation, während er die Assimilation der Zugewanderten eher erschwert14.

1.3. Status der Sprachen

Die tschechische Rechtsordnung beinhaltet zwar keine generelle Amtssprachenregelung, dennoch kann aus dem Rechtsbestand implizit abgeleitet werden, dass das Tschechische als Amtssprache gilt15. Obwohl mehrere Sprachen von Minderheiten auf dem Gebiet der ČR gesprochen werden, sind als offizielle Minderheitensprachen neben dem Polnischen nur Deutsch, Ungarisch und Ukrainisch anerkannt (nicht die anderen drei gesprochenen Sprachen auf dem Staatsgebiet: Slowakisch, Kroatisch und die Sprache der Roma).16

10 Vgl. den Artikel von Raclavská im Rahmen dieser Studie. 11 Der Dialekt ist stark von Interferenzen mit der polnischen und tschechischen

Schriftsprache beeinflusst (Bogoczová in dieser Studie; Bogoczová 1996:38f.; insgesamt: Bogoczová 2001).

12 Bogoczová 1993: 67. 13 Sokolová 2001: 139. 14 Sokolová 2001: 139. 15 Hošková 1994: 97f. und Pfeil 2002: 466f. 16 Zwilling 2004: 3.

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Im privaten Bereich kann die Muttersprache frei genutzt werden, ebenso können jetzt Vor- und Nachnamen in der jeweiligen Minderheitensprache geführt werden17.

Allen Staatsbürgern, die einer nationalen oder ethnischen Minderheit angehören, wird das Recht gewährt, die Muttersprache im amtlichen (öffentlichen) Verkehr18 und im Zivil – und Strafverfahren zu gebrauchen19. Sie haben außerdem den Anspruch auf Stellung eines Dolmetschers20.

Da die polnische Minderheit zu den nationalen Minderheiten gehört, die „traditionell und seit langem auf dem Gebiet der Tschechischen Republik leben” (siehe dazu Kap 1.6.2 in dieser Studie), werden ihren Angehörigen zudem die folgenden Rechte in Bezug auf den Gebrauch ihrer Muttersprache gewährt:

• das Recht auf Benachrichtigung bzw. Informationen über Wahlen,

• das Recht auf Erziehung und Bildung in privaten und öffentlichen schulischen Einrichtungen sowie

• das Recht auf die Einführung von topographischen Bezeichnungen neben dem Tschechischen21.

Obwohl die Gesetzgebung das Recht auf die Anwendung der Muttersprache im Amtsverkehr und die zweisprachigen Aufschriften garantiert, mangelt es an finanziellen Mitteln und vor allem am politischen (gesellschaftlichen) Willen für die effektive Umsetzung22. Im Rahmen der neuen Vorschriften, die aufgrund des beinahe abgeschlossen Ratifizierungsprozesses der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen (engl.: European Charter for

17 Bis zum Jahr 2001 mussten „fremdsprachige“ Namen an die Regeln der tschechischen

Grammatik angeglichen, und somit verändert werden (dies betraf besonders weibliche Familiennamen). Vgl. Pfeil 2002: 467 und Hošková 1994: 97. Regelungen zum Gebrauch der Sprache im privaten Bereich: Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten (1991), §.7 des Gesetzes über die Rechte der Angehörigen nationaler Minderheiten (2001) und Art. 69 des Änderungsgesetzes zum Gesetz über das Personenstandregister Gesetz Nr 165/2004.

18 Art. 25 Abs. 2 lit. b) der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten und §9 des Gesetzes über die Rechte der Angehörigen nationaler Minderheiten.

19 § 18 Zivilprozessordnung (1993). 20 Art. 37 Abs. 4 der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten. 21 Art. 10, 11 und 8 des Gesetzes über die Rechte der Angehörigen nationaler Minderheiten. 22 Europarat (a):

http://www.coe.int/t/e/human_rights/minorities/2._framework_conventon_(monitoring)/2._monitoring_mechanism/4._opinions_of_the_advisory_committee/1._country_specific_opinions/2._second_cycle/2nd_op_czechrepublic_ang.asp#P543_66365. (20.05.06).

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Regional or Minority Languages, ECRML) des Europarates23 entworfen werden, steht dies im Mittelpunkt der Diskussionen zwischen Minderheitenorganisationen und den Staatsbehörden (vgl. Kap.1.6.3 in dieser Studie).

1.4. Sprache und soziale Integration

Die beiden Sprach- und Bevölkerungsgruppen sind eng z.B. durch Kontakte am Arbeitsplatz, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft und auch in der Familie selbst miteinander verbunden24. Ein Grund für diese Nähe liegt neben Assimilationsprozessen auch in der relativen kulturellen und sprachlichen Affinität der beiden Ethnien: Das jahrhundertelange Zusammenleben hat starke kulturelle Bezüge entstehen lassen, die z.T. auf dieselben Werte- und Normsysteme zurückzuführen sind. Die beiden Sprachen Polnisch und Tschechisch, die ja eng miteinander verwandt sind, sind auch ohne den Mittler des Dialekts Sprechern beider Sprachen einigermaßen verständlich (vergleichbar etwa mit dem Italienischen und dem Spanischen). Dies und die Möglichkeit, den regionalen Dialekt zu sprechen, führt dazu, dass die gegenseitige Verständigung in jedem Fall ohne größere Probleme möglich sein sollte, auch weil die überwiegende Mehrheit der Polen und Tschechen besonders in den ländlichen Gebieten aktiv oder passiv zweisprachig ist.

Ein anderer Grund für die Nähe beider Sprachgruppen sind die gesellschaftlich und wirtschaftlich erforderlichen täglichen Kontakte. 91% der Polen arbeiten nur oder fast nur mit Angehörigen der anderen Bevölkerungsgruppe, 41% der Tschechen arbeiten nur mit ihrer Nationalität zusammen25. Das bedeutet, dass die meisten Polnischsprecher einen Großteil ihres außerhalb der Familie verbrachten Alltags im anderssprachigen Umfeld verleben.

Die Anzahl der Kontakte zwischen den Sprachgruppen hat in den letzten 20-25 Jahren zugenommen. Etwa ein Drittel der Tschechen hat zwar keinen Kontakt zur anderen Sprachgruppe, bei den Polen ist es dagegen nur eine

23 Vgl.Europarat (b):

http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=148&CM=8&DF=11/19/2006&CL=GER (13.11.06). Die Charta hat den Schutz und die Förderung von Regional- und Minderheitensprachen in Europa in den Bereichen Bildung, Judikative, Verwaltung, öffentliches Gesundheitswesen, Medien, Kultur, Wirtschaft und in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit zum Ziel. Siehe Petričušič: 2005: 15f.

24 Sokolová 2001: 138f. 25 Sokolová 2001: 140.

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verschwindende Minderheit. Dabei hat auch die Zahl der zwischensprachlichen Freundschaften, besonders unter jüngeren Leuten, zugenommen26.

Im Folgenden soll die Art der sprachlichen Kontakte in den einzelnen Kontaktbereichen kurz charakterisiert werden.

1.4.1. Familie

Die Zahl gemischtsprachiger Ehen, d.h. von Ehen mit Partnern aus beiden Ethnien, nimmt in den letzten Jahren ständig zu. Damit wird der Assimilationsprozess zwischen den Bevölkerungsgruppen wesentlich beschleunigt. Die Kinder aus diesen Familien gehen in der Regel in tschechischsprachige Schulen und orientieren sich an der Sprache desjenigen Elternteils, das sich zur tschechischen Nationalität bekennt. In der Familie selbst wird entweder der örtliche Dialekt oder die Sprache der Mehrheit, also Tschechisch, gesprochen. Selten kommt es auch vor, dass sich die Kinder an ein Elternteil im Dialekt, an das andere auf Tschechisch wenden.27 Nicht selten ist es so, dass die Großeltern mit ihren Kindern im Dialekt kommunizieren, während sie mit den Enkeln nur noch Tschechisch sprechen.

Bei der Wahl der Ehepartner richten sich die jungen Leute nicht nach deren nationaler Zugehörigkeit. Ältere, besonders der tschechischen Mehrheit angehörige Menschen sehen in gemischtnationalen Ehen jedoch eher eine Gefahr in Form von Konflikten innerhalb der Familie28. Die meist positive Einstellung zu solchen Ehen unter der autochthonen Minderheit lässt sich wohl mit der zunehmenden Akzeptanz von Assimilationsprozessen erklären29.

1.4.2. Schule

In den Schulen mit Polnisch als Unterrichtssprache wird überwiegend Polnisch gesprochen – zumindest im Unterricht. Außerhalb des Unterrichts sprechen die Schüler eher ihren Dialekt. Dies geschieht auch deshalb, weil die aktiven Sprachkenntnisse der meisten Schüler im hochsprachlichen Polnisch weniger gut sind als ihre sprachlichen Fähigkeiten im Dialekt30. Tschechisch wird als Zweitsprache an diesen Schulen ab dem zweiten Schuljahr in gleichem Umfang gelehrt und muss spätestens dann sehr gut beherrscht werden, wenn man sich

26 Sokolová 2001: 138. 27 Vgl. Bogoczová 1998: 10f. Sie weist auch darauf hin, dass es gerade bei solchen Kindern

zu einer positiven Einstellung beiden Nationalitäten gegenüber kommen kann, zu einer Art zweigeteilter Selbstidentifikation.

28 Bogoczová 1998:10. 29 Bogoczová 1998:: 11. 30 Bogoczová 1997: 100, 1993: 13.

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für ein Studium entscheidet; im Abitur müssen die Kenntnisse in beiden Sprachen nachgewiesen werden. Faktisch fallen aber die Sprachkenntnisse bei den meisten Schülern auseinander: Sie beherrschen entweder Polnisch oder Tschechisch besser (was sich auch noch einmal im mündlichen und schriftlichen Gebrauch unterscheiden kann), was wesentlich durch ihr familiäres Umfeld bestimmt wird31.

An Schulen mit Tschechisch als erster Sprache wird außerhalb des Unterrichts (der natürlich auf Tschechisch gehalten wird) Tschechisch oder im Dialekt gesprochen. Polnisch kommt hier fast gar nicht vor.

1.4.3. Privater Bereich (Freunde, Bekannte)

Außerhalb der Familie wird in inoffiziellen Situationen meist im Dialekt gesprochen. Handelt es sich um eine gemischte Gruppe aus tschechisch- und polnischsprachigen Bewohnern, wird automatisch Tschechisch als Verständigungssprache gewählt, manchmal auch der Dialekt32. Unbekannte Personen werden in der Regel zuerst auf Tschechisch angesprochen, bevor man eventuell in den Dialekt oder – seltener – ins Polnische wechselt.

1.4.4. Öffentlicher Bereich

In Geschäften, im Arbeitsumfeld, im Krankenhaus und ähnlichen öffentlichen Orten verläuft die Kommunikation meist im Dialekt, sehr selten auf Polnisch. Wenn die Wahl der benützten Sprache Einfluss auf das Gesprächsergebnis haben könnte, z.B. bei einem Gespräch mit einem Vorgesetzten, wird Tschechisch gewählt. Die Sprache der Bevölkerungsmehrheit ist besonders prestigeträchtig.

Auf Ämtern wird fast ausschließlich Tschechisch, nur in Ausnahmefällen Dialekt gesprochen33.

1.4.5. Schriftliche Kommunikation

In schriftlichen Äußerungen, wo nicht auf den Dialekt zurückgegriffen werden kann, bedient man sich im öffentlichen Bereich meist des Tschechischen, nur in den polnischen Schulen und in der innerfamiliären Kommunikation (Mitteilungen, Briefe) wird dazu Polnisch verwendet.

31 Bogoczová 1997: 100. 32 Vgl. Bogoczová:1993. 33 Bogoczová 1997: 102.

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1.5. Religion

Die Rolle der Kirchen verlor nach dem 2. Weltkrieg in der sozialistischen Tschechoslowakei schnell an Bedeutung. Gab es zu Beginn der 50er Jahre noch Religionsunterricht an den Schulen, zeigte alsbald die offizielle atheistische Doktrin ihre Folgen: Es setzte eine starke Säkularisierung ein, die gerade in Gebieten mit wachsender Industrie und der damit verbundenen Zuwanderung neuer Bevölkerung zu einer Abkehr von Religion und Kirche führte. Es galten neue Wertemaßstäbe, die besonders auf die junge Generation wirkten und die Kirchen ins gesellschaftliche Abseits führten34.

Nach 1989 änderten sich die äußeren Bedingungen für die Arbeit der Kirchen grundlegend, was jedoch nicht so schnell zu einer wesentlichen Veränderung der religiösen Überzeugung der Bevölkerung führte. Eine gewisse Belebung des religiösen Lebens lässt sich dennoch beobachten: Gottesdienste werden besser besucht, es entstehen neue Kirchen und der Kirche unterstehende Verbände und Institutionen, einschließlich Jugendorganisationen. Neu herausgegebene Publikationen informieren über die Arbeit der Kirchen und ihre Geschichte.

Die katholische Kirche

Die katholische Kirche spielte seit der Reformation im Teschener Gebiet eine relativ zweitrangige Rolle. Die Teschener Fürsten bekannten sich zum Protestantismus, was sich bis heute in einer hohen Zahl evangelischer Gläubiger äußert. Die katholische Kirche gewann an Bedeutung vor allem durch die Zuwanderung in der Industrialisierungszeit nach dem 2. Weltkrieg. Das wiederum wirkte aber auf den Anteil katholischer polnischsprachiger, autochthoner Bevölkerung, der kontinuierlich sank. Das Tschechische wurde auch in den katholischen Kirchen zur dominierenden Sprache. In letzter Zeit kommen jedoch verstärkt katholische Geistliche aus Polen auf freie Stellen, da es in Tschechien an ausgebildeten Priestern fehlt35. Für das Teschener Gebiet bedeutet das, dass für die polnischen Gläubigen immer mehr polnischsprachige Gottesdienste abgehalten werden können36.

Die katholische Kirche organisiert mit Hilfe der polnischen Organisation Christliche Familie [Rodzina Chrześcianska] Kultur-, Bildungs- und

34 Vgl. Josiek 1997: 177f. 35 Das ist ein gesamtnationaler Trend, der sich jedoch auf die Sprache nicht auswirkt, da die

polnischen Geistlichen das Tschechische beherrschen müssen. 36 Josiek 1997: 178.

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Sportveranstaltungen sowie Sommeraufenthalte für Teschener Kinder polnischer Nationalität in Polen.

Die evangelische Kirche

Die evangelische Kirche dominiert das geistliche Leben im Teschener Gebiet seit der Reformation 1539. Die Säkularisierung und die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur hinterließen aber auch bei ihr Spuren: Heute ist die Mehrheit der Mitglieder in evangelischen Gemeinden tschechischer Nationalität. Die Gottesdienste werden jedoch abwechselnd in tschechischer und polnischer Sprache abgehalten. Zweisprachig sind auch das Repertoire der Kirchenchöre und der Charakter kirchlicher Aktionen. In der Administration überwiegt das Tschechische, das als Amtssprache gilt. Eine wichtige Rolle spielt jedoch nach wie vor das Bewußtsein für die polnische evangelische Tradition37. Die Evangelische Gesellschaft [Towarzystwo Ewangelickie] hat nur wenige tschechische Mitglieder und allgemein gilt, dass sich die ältere Generation der Gläubigen im Gegensatz zur jüngsten zur polnischen Nationalität bekennt.

In der evangelischen Kirche sind 15 von 20 Pfarrern polnischer Nationalität, und die Kirche hat seit Januar 1990 regelmäßige 15minütige Sendungen im Rundfunk Ostrava (Christliche Stimme [Głos Chrześcijan])38.

Allgemein lässt sich feststellen, dass beide Kirchen, besonders die evangelische, die polnische Sprache bewahren konnten und dazu beitrugen und –tragen, das polnische Nationalbewusstsein zu stärken39.

1.6. Der Minderheitenschutz in der Tschechischen Republik

Die Tschechoslowakei erbte bei ihrer Gründung 1918 vom habsburgischen Vielvölkerreich eine Reihe von Minderheiten. Nach der „samtenen Revolution“ von 1989 befand sich auf dem Staatsgebiet der neu entstandenen Tschechischen Republik (ČR) eine noch größere Anzahl von Minderheiten40.

37 Josiek 1997: 179. 38 Mehr zum Sprachgebrauch bei der Religionsausübung unter 2.3. 39 Josiek 1997: 182. 40 Im Jahre 1918 waren 64,3% der Bevölkerung der neu gegründeten Republik

Tschechoslowaken (Titularnation) bei der Präsenz von fünf großen Minderheitengruppen (Deutsche, Ungarn Russen, Juden und Polen). 2001 betrug der Anteil der Tschechen in der Tschechischen Republik 91%, den Rest der Bevölkerung bilden verschiedene Minderheitengruppen. Die größten neun sind: Mähren, Slowaken, Polen, Deutsche, Ukrainer, Ungarn, Russen, Roma, Schlesier. Nicht in jedem Kontext werden die Slowaken als eine Minderheit in der ČR angesehen. Diese Minderheit ist als solche erst nach der

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Trotzdem wird sie zuweilen als „homogener Staat“ bezeichnet41. In der Tat hat fast 10% der Gesamtbevölkerung der ČR (10,23 Mio.) bei der Volksbefragung von 2001 ihre Zugehörigkeit zu einer anderen als der tschechischen Nationalität [tsch.: národnost] erklärt, davon 52 000 zur polnischen Minderheit - das entspricht ca. 0,5% der Gesamtbevölkerung. (Zur „Zugehörigkeitserklärung“ zu den jeweiligen Minderheiten siehe ausführlich Kap 2.1.1 in dieser Studie).

Durch die Entwicklung im Rahmen der europäischen Integration stand die Regierung unter Druck, einen umfangreichen und effektiven Minderheitenschutz einzuführen.

1.6.1. Völkerrechtliche Verträge

Bilaterale Verträge

Die Beziehungen zu den Nachbarstaaten und den beidseitigen Schutz der jeweiligen Minderheiten garantieren in erster Linie bilaterale Verträge, die Tschechien u.a. auch mit Polen abgeschlossen hat. Der bedeutendste ist der sogenannte Nachbarschaftsvertrag zwischen der damaligen Tschechischen und Slowakischen (Föderativen) Republik und (der Republik) Polen von 199142. In den drauffolgenden Jahren wurden weitere Verträge mit dem Ziel der intensiven Zusammenarbeit in den Breichen Kultur und Wissenschaft unterzeichnet.

Europarat

Der Europarat in Straßburg ist die einflussreichste internationale Organisation in Bezug auf Minderheitenschutz in Europa.

Einer der wichtigsten hier abgeschlossenen Verträge, das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten [engl.:

Teilung der Tschechoslowakei entstanden und ist kulturell sowie sprachlich stark integriert. Ebenso ist die Definition bezüglich der Mährer und Schlesier strittig, da die Zugehörigkeit zu dieser Minderheit erst seit dem Zensus von 1991 angegeben werden kann und sie als „regionale Minderheiten“ angesehen werden. (Pfeil 2002: 461f.; Hošková 1994: 88f.; Zwilling 2004: 2). Aus diesen Gründen variiert die Anzahl der Minderheitengruppen in der Tschechischen Republik je nach Quelle und Kriterium.

41 Vgl. Pfeil 2002: 463 und Bogoczková in dieser Studie. 42 Nach Hošková 1994: 115: Vertrag über gute Nachbarschaft, Solidarität und freundliche

Zusammenarbeit vom 6. Oktober 1991 [Układ z 6 października 1991 r. między Czeską i Słowacką Republiką Federacyjną a Rzeczpospolitą Polską o dobrym sąsiedztwie, solidarności i przyjaznej współpracy]. Dieser Vertrag enthält Bestimmungen bezüglich dem Schutz der polnischen Minderheit in Tschechien und der tschechischen Minderheit in Polen.

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Framework Convention for the Protection of National Minorities, FCNM], das von den meisten europäischen Staaten ratifiziert worden ist, hat nicht nur durch seine geographische Tragweite große Bedeutung. Es ist das erste Instrument für Minderheitenschutz, das international rechtlich verpflichtet.43 Zudem spielte der damit geschaffene Kontrollmechanismus zur Überwachung der Umsetzung des Vertrages in nationale Gesetze und deren Anwendung eine zentrale Rolle bei der weiteren Entwicklung des Minderheitenschutzes in der Tschechischen Republik44.

Auch die Europäische Kommission betrachtete die Einhaltung der im Rahmenübereinkommen verfaßten Grundsätze als Parameter für die Einhaltung der Minderheitenrechte und den Schutz der Minderheiten.

Europäische Union45

Unmittelbar nach ihrer Staatsgründung bemühte sich die ČR um enge Beziehungen zur Europäischen Gemeinschaft / Europäischen Union (EU), die zum Beitritt im Jahr 2004 führten. Die Vorbereitungen auf die Mitgliedschaft wurden von der Europäischen Kommission auch finanziell unterstützt und regelmäßig durch das Redigieren der sogenannten regelmäßigen Berichte [engl.: Regular Reports] überwacht – eine im Rahmen der Agenda 2000

erarbeitete Methodologie zur Bewertung der Fortschritte bei der Rechtsetzung sowie den tatsächlich angenommenen und durchgeführten Maßnahmen. Zu den sog. Kopenhagener Kriterien, die jeder Beitrittskandidat der EU erfüllen muß, um die politische Stabilität zu garantieren, gehören u. a. auch „die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und der Schutz von Minderheiten“46. Schon 2002 wurden sie größtenteils als erfüllt erklärt und die Europäische Kommission lobte das tschechische Gesetz über die Rechte

43 Petričušić 2005: 15. 44 Das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten ist 1995 Straßburg

verabschiedet worden und seit 1998 in der ČR in Kraft, siehe Stowarzyszenie Wspólnota Polska: http://www.wspolnota-polska.org.pl/index.php?id=czech03 (23.05.06).

Für aktuelle Informationen und Volltext des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten, siehe: Europarat (c): http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=157&CM=3&DF=3/28/2006&CL=GER (28.04.06).

Die Second Opinion on the Czech Republic (2005) des Europarates bezüglich der Umsetzung des Rahmenabkommens in der Tschechischen Republik unter: http://www.coe.int/t/e/human_rights/minorities/2._framework_convention_(monitoring)/2._monitoring_mechanism/4._opinions_of_the_advisory_committee/1._country_specific_opinions/2._second_cycle/2nd_op_czechrepublic_ang.asp#P543_66365 (20.05.06).

45 Für einen detaillierten Beitrag zum Minderheitenschutz und EU-Erweiterung siehe Toggenburg 2004.

46 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (d): http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/e40107.htm (30.09.06).

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nationaler Minderheiten. Allerdings wurde auch auf die Probleme bei der effektiven Umsetzung hingewiesen und Lösungen vorgeschlagen, damit die Situation der in der ČR lebenden Minderheiten vor dem Beitritt als zufrieden stellend beurteilt werden konnte.47

1.6.2. Internes Recht

Auf der innerstaatlichen Ebene enthält bereits die Verfassung grundlegende Maßstäbe für den Minderheitenschutz und gibt zudem internationalen Menschenrechtsverträgen und der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten Vorrang gegenüber nationalen Gesetzen.48

Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten [tsch.: listina základních práv a svobod, engl.: Charter of Fundamental Rights and Freedoms]

Die 1992 verabschiedete „Grundrechtecharta“ gewährt nicht nur allgemeine Grundrechte und Grundfreiheiten, sondern sieht unter Art 24 und Art 25 die Rechte der Staatsbürger vor, die eine nationale oder ethnische Minderheit bilden:

• das Verbot von Diskriminierung aufgrund nationaler oder ethnischer Identität einer Person (wobei jeder einzelne frei über seine nationale Identität entscheiden kann, die auch änderbar ist49),

• das Recht zur Weiterentwicklung der eigenen Kultur, • das Recht auf Erziehung in der Muttersprache und deren

Verwendung in der Öffentlichkeit, • die Teilnahme an den Regelungen der Angelegenheiten, die die

nationalen und ethnischen Minderheiten betreffen (z.B. in Minderheitenräten auf nationaler und lokaler Ebene).

Das Gesetz über die Rechte der Angehörigen nationaler Minderheiten [tsch.: Zákon ze dne 10.července 2001 o právech příslušníků národnostních menšin a o změně některých zákonů]

Die Umsetzung der Bestimmungen der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten, erfolgte jedoch erst 10 Jahre später, mit dem Gesetz über

47 Ausführlich über den Beitrittsprozeß der Tschechischen Republik: Kommission der

Europäischen Gemeinschaften (a): http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/cnc/2002/com2002_0700de01.pdf (30.09.06). 48 Hošková 1994: 93 49 Pfeil 2002: 463, Anm. 18.

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die Rechte der Angehörigen nationaler Minderheiten (auch als „Minderheitengesetz“ bezeichnet): Es beinhaltet die Definition der Grundbegriffe „nationale Minderheit“ und „Angehörige einer Minderheit“ sowie genauen Angaben zu den Kompetenzen der verschiedenen Verwaltungseinheiten und Details zu den gewährten Rechten der Minderheiten.50 Im Gegensatz zur Aufzählung der „berechtigten“ nationalen Minderheiten im Verfassungsgesetz der ČSSR von 1968 Über die Stellung der Nationalitäten51, definiert dieses moderne Gesetz den Begriff „nationale Minderheit“ genauer. Dies ist nicht nur bedeutsam, um eine genaue Anwendung des breiten Minderheitenschutzes zu ermöglichen, sondern auch, weil die internationale Staatengemeinschaft sich bislang noch auf keine „allgemein gültige und anerkannte Definition“ einigen konnte.52 Das Minderheitengesetz unterscheidet des Weiteren unter den nationalen Minderheiten diejenigen, die „traditionell und seit langem“ auf dem Gebiet der Tschechischen Republik leben53 - dazu gehört auch die polnische Minderheit. Ihnen werden besondere Rechte v.a in Bezug auf die Verwendung ihrer Muttersprache eingeräumt.54

Trotz allem wird das Minderheitengesetz von vielen (internationalen Nichtregierungsorganisationen und Bürgern) kritisiert: Es sei eine Liste von Rechten zur Entwicklung von nationalen Minderheiten, biete aber keinen

50 § 2 des Minderheitengesetzes: (1) „Eine nationale Minderheit ist eine Gemeinschaft von Staatsangehörigen der

Tschechischen Republik, die auf dem Gebiet der jetzigen Tschechischen Republik leben, sich von den sonstigen Staatsangehörigen zumeist durch ihren gemeinsamen ethnischen Ursprung, ihre Sprache, Kultur und Tradition unterscheiden, eine zahlenmäßige Minderheit der Bevölkerung darstellen und gleichzeitig ihren Willen bekunden, zum Zwecke der gemeinsamem Bemühung um die Bewahrung und Weiterentwicklung der eigenen Identität, Sprache und Kultur und gleichzeitig zum Zwecke der Erklärung und des Schutzes der Interessen ihrer Gemeinschaft, die auf historischen Grundlagen entstanden ist, als nationale Minderheit angesehen zu werden.“

(2) Ein Angehöriger einer nationalen Minderheit ist ein Staatsangehöriger der Tschechischen Republik, der sich zu einer anderen als der tschechischen Nationalität bekennt und seinen Wunsch äußert, als Angehöriger einer nationalen Minderheit, zusammen mit anderen, die sich zu der gleichen Nationalität bekunden, angesehen zu werden.“ [vgl Branna, J.: http://www.wspolnota-polska.org.pl/index.php?id=czech00 (24.05.06); Pfeil 2002: 461f].

51 Hošková 1994: 90. 52 Schlögel 2004: 58; Petričušić 2005: 3f. 53 Insbes. §8, § 9 und §10. Zu den als „traditionell und seit langem“ in Tschechien lebenden

nationalen Minderheiten (die auch im Rat der Regierung für nationale Minderheiten vertreten sind) zählt die ČR die folgenden: die bulgarische, kroatische, ungarische, deutsche, polnische, ruthenische, russische, griechische, slowakische, ukrainische und die Minderheit der Roma. Als Kriterium gilt das Leben von mindestens drei Generationen der Minderheit auf dem Gebiet der Tschechischen Republik.

54 Vgl. Abs. 1.3 in dieser Studie zum Status der Sprachen.

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Schutz vor Diskriminierung55. Ausserdem fehle es oft an der Umsetzung der Regeln in die Praxis, v.a auf den niedrigeren Verwaltungsebenen.56

Rat der Regierung für nationale Minderheiten [tsch.: Rada vlády pro národnostní menšiny, pl.: Rada Rządu ds. Mniejszości Narodowych]57

Das Minderheitengesetz sieht ebenfalls das Recht Angehöriger nationaler Minderheiten auf die Teilnahme an der Regelung der sie betreffenden Angelegenheiten vor [§6 (2)]. In beiden Kammern des Parlaments existieren Komitees für Petitionen, Menschenrechte, Wissenschaft, Bildung und Kultur. Als wichtigste staatliche Institution für Minderheiten gilt jedoch der Rat der Regierung für nationale Minderheiten. Dabei handelt es sich um ein formell schon 1968 gegründetes und nach der „samtenen Revolution“ im Rahmen des Minderheitengesetzes reformierten Organs der Regierung mit Initiativ-, Beratungs-, und Koordinierungsfunktion; jedoch ohne Durchsetzungsmechanismen. Die Umsetzung der Minderheitenrechte fällt pro forma in die Zuständigkeit der jeweiligen Fachministerien- kein Ministerium ist jedoch ausdrücklich damit beauftragt. 58

Den Vorsitz des Rates hat ein Regierungsmitglied inne, zusammen mit einem Vertreter der 12 nationalen Minderheiten. Mehr als die Hälfte der Sitze sind für die Minderheitenvertreter reserviert59. In diese 31-köpfige permanente Regierungsstelle wählt die polnische Minderheit alle vier Jahre drei Vertreter, zumeist aus ihren Vereinen und Verbänden, da der Rat als Bindeglied zwischen den Verbänden der Minderheiten und der Regierung fungiert und u.a. die staatlichen Zuschüsse für verschiedene Aktivitäten genehmigt.

Der Rat für nationale Minderheiten überwacht die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen bezüglich des Schutzes der Angehörigen der nationalen Minderheiten.

55 Zwilling 2004: 3. 56 Mündliche Mitteilung der Vertreter des Kongresses der Polen in der Tschechischen

Republik. 57 Regierung der Tschechischen Republik: http://www.vlada.cz/en/rvk/rnm/default.html#

(09.10.06). 58 Hošková 1994: 101; Kommission der Europäischen Gemeinschaften (c):

http://ec.europa.eu/education/policies/lang/languages/langmin/euromosaic/cz_de.pdf (30.09.06)

59 Vertreten sind in diesem Regierungsorgan die Minderheiten, die „traditionell und seit langem auf dem Gebiet der ČR leben“: Jede Minderheit ernennt bis zu 3 Vertreter, siehe Regierung der Tschechischen Republik:

http://www.vlada.cz/en/rvk/rnm/default.html (09.10.06).

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Als Regierungseinrichtungen für Minderheiten sind auf lokaler Ebene in Czeski Cieszyn / Český Těšín das pädagogische Zentrum für die polnische Minderheit und das Komitee für nationale Minderheiten [tsch.: Výbory pro národnostní menšiny] präsent60 – letzteres als Selbstverwaltungsorgan innerhalb der Gemeinde, das in der im Herbst 2006 geführten Debatte um die Einführung zweisprachiger toponomastischer Beschilderungen eine Schlüsselrolle spielt(e).

Diese Vielzahl und Differenziertheit der Minderheitenrechte demonstriert den hohen internationalen Standard, den der Rechtsbestand der ČR diesbezüglich erreicht hat. Zwar sind einige Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu erkennen, doch kann die derzeitige rechtliche Situation der Minderheit als sehr positiv beurteilt werden.

1.6.3. Theorie und Praxis der Sprachengesetzgebung: die Toponomastikdiskussion

Die polnische Minderheit wird als eine der nationalen Minderheiten angesehen, die „traditionell und seit langem auf dem Gebiet der Tschechischen Republik leben”. Daher haben ihre Angehörigen laut § 8 des Minderheitengesetzes das Recht auf die Einführung von zweisprachigen topographischen Bezeichnungen: zusätzlich zum Tschechischen auch in ihrer Muttersprache.

Diese Möglichkeit wurde schon 1993 formell gegeben, eine präzise Regelung diesbezüglich wurde erst mit dem Minderheitengesetz 2001 erlassen und die Umsetzung durch die Gemeinden erfolgt(e) noch viel später bzw. steht noch aus.61 Die Bestimmungen darüber, unter welchen Vorraussetzungen die zweisprachigen topographischen Bezeichnungen eingeführt werden können, wurden in den letzen Jahren mehrmals geändert: Im Jahr 2000 war eine Unterschriftensammlung unter mindestens 50% der Wahlberechtigten notwendig, vorausgesetzt, dass in der Gemeinde 20% der Bevölkerung einer Minderheit angehörte. Ein knappes Jahr später wurden die Prozentzahlen auf 40% bzw. 10% heruntergesetzt. Nach dem neuen Gemeindegesetz von 2006, in Anlehnung an die neuen Bestimmungen, die aus der Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten (Art 11) und der

60 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (c):

http://ec.europa.eu/education/policies/lang/languages/langmin/euromosaic/cz_de.pdf (30.09.06).

61 Europarat (a): http://www.coe.int/t/e/human_rights/minorities/2._framework_convention_(monitoring)/2._monitoring_mechanism/4._opinions_of_the_advisory_committee/1._country_specific_opinions/2._second_cycle/2nd_op_czechrepublic_ang.asp#P543_66365 (20.05.06).

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Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen des Europarates62 erlassen wurden, ist keine Petition mehr notwendig63. Der Antrag muss von einer Minderheitenvertretung an die Gemeinde gestellt werden, die für die „Genehmigung“ der Einführung zuständig ist. Die Finanzierung der neuen Schilder wird vom Staat gewährleistet.64

31 Gemeinden sind für eine polnisch-tschechische Beschilderung qualifiziert, da dort der Anteil der polnischen Minderheit an der Bevölkerung 10% überschreitet65. Die neue Regelung hat eine rege Diskussion in den lokalen Medien entfacht:

Selbst in Czeski Cieszyn / Český Těšín, der Stadt mit der größten Anzahl Angehöriger der polnischen Minderheit in der Tschechischen Republik, sieht die tschechische Mehrheit keine Notwendigkeit einer zweisprachigen Toponomastik und argumentiert mit der Schwierigkeit, sich zwei Bezeichnungen merken zu müssen, sowie mit dem „Problem“ der Umsetzung bei nicht identischen Namen66. Des Weiteren werden Ängste wach, im kleinen Gebiet des Zaolzie würde das Polnische dem Tschechischen gleichgestellt werden.67 Die Minderheit bemängelt die Tatsache, dass die Prager Regierung zwar „minderheitenfreundliche“ Gesetze erlasse, die Bevölkerung jedoch unzureichend informiere. Die Einführung einer „zusätzlichen“ Beschilderung wird nicht als staatliche Bestimmung (in Anlehnung an die internationalen Verträge), sondern als reine Forderung der Minderheit angesehen. Der große Wunsch nach Zweisprachigkeit und Sichtbarkeit in Übereinstimmung mit den tschechischen Gesetzen nach europäischem Standard wird nicht verstanden68.

Ein weiterer Punkt der Diskussion sind die topographischen Namen an sich: nach den beiden Weltkriegen wurden neue tschechische Namen für Orte eingeführt, die es bis dahin nur in der polnischen oder deutschen Sprache gab.

62 Die Charta enthält Bestimmungen zur Förderung der regionalen oder

Minderheitensprachen im Wort- und Schriftverkehr, im privaten wie auch im öffentlichen Verkehr. Sie sieht vor, dass neben den Hauptprinzipien (fundamental principles and objectives) jeder einzelne Staat (mindestens) 35 von 90 Maßnahmen bezüglich jeder Minderheitensprache auswählen kann, die er durch eigene Gesetze umsetzen muss. Vgl. Europarat, The European Charter for Regional or Minority Languages. Introduction, unter http://www.coe.int (14.11.06).

63 Matěj 2006. 64 Jest szansa na powrót polskich nazw (03.06.06); Sobre la minoria polonesa de la Silèsia

txeca /Czech Silesia: Olše River may soon be renamed Olza again: http://www.casadelest.org/foro/topic.asp? (23.07.06).

65 Mitteilung von Walicki B. (Vize-Präsident des Kongresses der Polen) an die Redaktion der Zeitschrift Horizont, an die Autorin per e-mail weitergeleitet.

66 Vajdák 2006. 67 Matej 2006. 68 Informationen vom Kongress der Polen.

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Den größten Streitpunkt bildet der Name des Flusses, der die Stadt Teschen teilt und zur Staatsgrenze wurde: Olza auf Polnisch, nun Olše auf Tschechisch. Die polnische Minderheit drängt auf Anerkennung des nur polnischen Namens als einzig gültigem. Ebenso wird über den Namen der Stadt debattiert, der historisch eher Teil von Schlesien als von Böhmen ist und über die heutige Bezeichnung der Stadt Český Těšín, die nach der Teilung des ehemaligen Teschener Fürstentums und der Zuweisung an die Tschechoslowakei eingeführt worden ist. Man möchte das Adjektiv aus dem Namen streichen, sodass die Stadt nur Těšín oder Slezský Těšín heißt.69 Dabei stützt man sich auf ähnliche Erfahrungen in osteuropäischen Ländern. An der Grenze zwischen der Slowakei und Ungarn z. B. wird die slowakische Stadt von der lokalen ungarischen Zeitung „Komárom (SK)“ und der ungarische Teil auf dem rechten Donauufer als „Komárom (HU)“ bezeichnet70.

Der Kongress der Polen leitet in seiner Rolle des Dachverbandes der Vereine der polnischen Minderheit und als Mitglied im Regierungsrat für Minderheiten in Prag die Bemühungen zur Umsetzung des neuen Gemeindegesetzes in die Praxis. Es wurden Informationstreffen mit Vertretern anderer Minderheitenorganisation sowie Regierungsvertretern organisiert und Vergleiche mit Minderheitensituationen in anderen Ländern analysiert71.

Während der Abfassung dieser Studie, im Oktober 2006, lag in der Stadt Czeski Cieszyn / Český Těšín der Antrag auf die zweisprachige Beschilderungen bei der Gemeinde vor, die Entscheidung wurde jedoch aufgrund anstehender Gemeinderatswahlen aufgeschoben. 72

2. Sprachgebrauch und Sprachbewusstsein

2.1. Sprache als Identitätsobjekt

Die eigene Sprache gehört zu den wichtigsten Faktoren, die das nationale Selbstverständnis bestimmen. Die Zuordnung der eigenen Nationalität, ihre Bewertung, das Verständnis von Heimat, sowie die Einstellung zur jeweils

69 Sobre la minoria polonesa de la Silèsia txeca / Czech Silesia: Olše River may soon be

renamed Olza again: http://www.casadelest.org/foro/topic.asp? (23.07.06). 70 Emailaustausch im Juni 2006 zwischen Walicki, B. und Josika, P. (Redakteur bei

Eurolang), an die Autorin weitergeleitet. 71 Sobre la minoria polonesa de la Silèsia txeca / Czech Silesia: Olše River may soon be

renamed Olza again: http://www.casadelest.org/foro/topic.asp? (23.07.06). 72 Mündliche Mitteilung des Kongresses der Polen an die Autorin.

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anderen ethnischen/nationalen Gruppe wurde in den letzten Jahrzehnten in mehreren großen Umfragen untersucht73.

Dabei beschränkte man sich nicht nur auf das traditionell gemischtethnische Gebiet um Teschen, sondern befragte auch die Bewohner des Industriegebietes um Ostrava, deren ethnische Zusammensetzung sich in den letzten 40-50 Jahren als Folge der Industrialisierung und der damit einhergehenden Migrationsbewegungen stark verändert hat. Allgemein läßt sich sagen, dass in diesem Gebiet der größte Anteil der polnischen wie auch der slowakischen Minderheit in der Tschechischen Republik lebt.

Von einer Minderheit als einer Gruppe mit einem so genannten Minderheitsbewusstsein lässt sich jedoch bislang nur bei den Polen sprechen74. Da die Slowaken bis 1992 streng genommen keine Minderheit waren, weil ja sowohl die slowakische, als auch die tschechische Sprache gleichberechtigt auf einem gemeinsamen staatlichen Territorium gesprochen wurden, kann man bei ihnen bislang – trotz staatlicher Trennung - kein ausgeprägtes Minderheitsbewusstsein feststellen. Ob sich das in den kommenden Jahren ändern wird, bleibt abzuwarten.

Der Zusammenhang zwischen Sprache und dem Gefühl nationaler Zugehörigkeit ist sehr eng und wird auch in den Umfragen immer wieder deutlich75. Man kann jedoch nicht beides gleichsetzen. Für immerhin 44,6% der Polen ist das bürgerliche Prinzip (d.h. die Staatsbürgerschaft) wichtiger als die nationale Zugehörigkeit76. Das heißt, es spielen auch gesellschaftliche, ökonomische, kulturelle und andere Faktoren eine maßgebliche Rolle, wenn es darum geht, die eigene nationale Zugehörigkeit zu bestimmen.

2.1.1. Zugehörigkeitserklärung zur Sprache bzw. zur Nationalität

Die Umfragen bezüglich der Zugehörigkeitserklärungen zur Nationalität werden in Zusammenarbeit mit dem Regierungsrat für Minderheiten durchgeführt, der bei der Durchführung der Informationskampagne in den Medien der Minderheiten und bei der Auszählung präsent ist.

73 Diese fanden in den Jahren 1967, 1973, 1983, 1994, 1997/98 im Gebiet um Ostrava statt;

befragt wurden Einwohner tschechischer, polnischer und slowakischer Nationalität. Sie wurden vom Schlesischen Institut Opava durchgeführt (zuerst Teil der Akademie der Wissenschaften der Tschechoslowakischen Republik; seit 1993 Bestandteil des Schlesischen Museums Opava) und fanden u.a. in folgenden Publikationen ihre Auswertung: Sokolová, G., Hernová, S., Srajerová 1997, Hernová, S., Sokolová, G., Malá, E. 1997.

74 Vgl. Sokolová 2001: 135. 75 Vgl. Bogoczová 1998: 77. 76 Sokolová 2001: 138.

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Beim letzten Zensus, im Jahre 2001, zählte die Tschechische Republik 10.230.060 Einwohner. Von ihnen bekannten sich 9.249.777 (90,42%) Personen zur tschechischen, 380.474 (3,72%) zur mährischen, 10.878 (0,11%) zur schlesischen, 193.190 (1,89%) zur slowakischen, 51.968 (0,51%) zur polnischen, 39.106 (0,38%) zur deutschen, 11.746 (0,11%) zur Roma-, 14.672 (0,14%) zur ungarischen, 22.112 (0,22%) zur ukrainischen und 1.106 (0,01%) zur ruthenischen Nationalität77. Daraus ergibt sich also, dass 9,9% der Bevölkerung einer nicht-tschechischen Nationalität zugehörig sind.

Im Vergleich zur Volkszählung von 1991 konnte folgendes festgestellt werden: Der Anteil aller größeren nicht-tschechischen ethnischen Gruppen ist gesunken, während der Anteil der tschechischen Volksgruppe (+10,6 %) sowie der Fälle mit „keiner Angabe“ (+302,5 %) erheblich gestiegen ist. Die Tatsache, dass nun die Zugehörigkeitserklärung nicht mehr obligatorisch ist (wie sie es einst in der Tschechoslowakei war) und die immer stärkere Assimilation können als Hauptgründe für die großen Veränderungen der Angaben in nur zehn Jahren gesehen werden78. Nicht nur ist die Zugehörigkeitserklärung freiwillig, sondern sie wurde beim letzten Zensus als offene Frage gestellt, so dass jegliche Identität erklärt werden konnte.79 Die Fragebögen und die Anweisungen lagen auch in den meisten Minderheitensprachen vor: Polnisch, Deutsch, Sprache der Roma, Ukrainisch (die Sprachen der in der Tschechischen Republik lebenden nationalen Minderheiten) sowie auf Russisch, Englisch, Französisch, Vietnamesisch, Arabisch und Chinesisch.

Die Muttersprache kann jetzt getrennt von der nationalen Zugehörigkeit erklärt werden, daher konnte bei der Erklärung der Bürger polnischer Abstammung sehr deutlich beobachtet werden, dass für die Bestimmung der Nationalität weder die Muttersprache, noch diejenige Sprache entscheidend ist, die der Bürger überwiegend benutzt oder am besten beherrscht.80

Aus den Fragebögen wird auch deutlich, dass der Anteil der Personen wächst, die es schwierig finden, sich eindeutig mit einer bestimmten Gruppe zu identifizieren. Dies trifft vor allem auf diejenigen zu, die in Grenzgebieten leben oder auf Kinder aus sog. Mischehen. Ebenso könnten die tatsächlichen Zahlen der nationalen Minderheiten noch viel höher liegen, als aus der

77 Tschechisches Statitisches Amt [Český Statistický Úřad] 2001. 78 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (c):

http://ec.europa.eu/education/policies/lang/languages/langmin/euromosaic/cz_de.pdf (30.09.06).

79 Zwilling 2004: 1. 80 Siwek: http://www.wspolnota-polska.org.pl/index.php?id=kw3_3_06 (30.09.06).

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Volkszählung hervorgeht, weil einige sich aufgrund negativer Erfahrungen in der Vergangenheit immer noch ungern als Angehörige einer Minderheit bezeichnen.81

Die knapp 52 000 Personen, die sich 2001 zur polnischen nationalen Minderheit angehörig erklärt haben, werden als so genannte „statistische Polen“ bezeichnet – ihre Zahl ist seit der letzen Umfrage von 1991 um 7400 gesunken. Die Anzahl der „tatsächlichen Polen“, die in der Tschechischen Republik leben, dürfte jedoch höher sein, als die Angaben beim Zugehörigkeitszensus: Polen, die entweder schon lange in der Tschechischen Republik leben (aus Arbeitsgründen oder Eheschließung), aber nicht die tschechische Staatsbürgerschaft besitzen, oder sich eher mit der tschechischen als der polnischen Nationalität identifizieren, obwohl sie polnische Vorfahren haben bzw. noch stark mit der polnischen Kultur und Lebensweise verbunden sind. 82

2.1.2. Spracheinstellungen und Prestige der Sprachen

Der häufige Kontakt mit Sprechern der anderen Sprachgruppe führt zwangsläufig zu einer (mehr oder minder starken) Reflexion dieses Zustandes, der eigenen Einstellung zu Vertretern der anderen Sprachgruppe. Bei Befragungen über Präferenzen bei der Wahl der sprachlichen Zugehörigkeit von Vorgesetzten, Kollegen, Freunden, Ehepartnern usw. (wenn eine Wahlmöglichkeit bestünde) zeigt sich, dass prozentual mehr Polen als Tschechen der Nationalität von Arbeitskollegen, Freunden, Familienangehörigen usw. indifferent gegenüberstehen (so ist es in einer Umfrage 1994 z.B. 85% der Polen und 71% der Tschechen egal, welcher Nationalität der Arbeitskollege ist; 62,7% der Polen und 56,8% der Tschechen ist die Nationalität des Ehepartners des eigenen Kindes gleichgültig83).

Bemerkenswert ist für den beruflichen Bereich die Tatsache, dass die Bereitschaft, Kontakt zu Sprechern der anderen Gruppe zu unterhalten, in den letzten Jahren abgenommen hat (noch 1967 waren 80,9% der Tschechen und 91,6% der Polen ohne weiteres bereit, mit Arbeitskollegen der anderen Sprachgruppe zu verkehren84). Tschechen sind im Gegensatz zur Minderheit weniger tolerant gegenüber anderssprachigen Mitarbeitern. Dies erklärt sich möglicherweise aus ihrem weit häufigeren und selbstverständlicheren Kontakt

81 Hošková 1994: 91. 82 Siwek: http://www.wspolnota-polska.org.pl/index.php?id=kw3_3_06. (30.09.06). 83 Vgl. Sokolová 2001: 140. 84 Sokolová 2001: 141.

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mit Angehörigen der eigenen Nationalität. Die Minderheit dagegen akzeptiert die Notwendigkeit (und Tatsache) gemischtsprachiger Arbeitsbeziehungen weitgehend vorbehaltlos.

Um etwa 15% sank die Toleranz gegenüber Nachbarn der jeweils anderen nationalen Gruppe, wohingegen Vorbehalte gegenüber Ehepartnern der anderen Nationalität nicht zugenommen haben. Letzteres spiegelt sich auch in der gestiegenen Zahl von Mischehen (vgl. auch Kap. 1.4.1.).

Einen wesentlichen Einfluss auf die Einstellung gegenüber der anderen nationalen Gruppe hat die Familie. Bemerkenswerterweise haben persönliche Erfahrungen mit gemischtsprachigen Beziehungen und den daraus resultierenden Fragen und Problemen (Kindererziehung, nationale Orientierung, Wahl der Familiensprache, Assimilationsprobleme usw.) darauf keinen unbedingt positiven Einfluss. Offenbar werden die daraus für das nationale Selbstverständnis resultierenden Probleme sehr negativ bewertet.85

Insgesamt hat sich die Bewertung der anderen nationalen Gruppe seit 1967 jedoch verbessert. Äußerten sich 1967 noch 34,6% der Tschechen und 22,9% der Polen ablehnend gegenüber den Polen bzw. Tschechen, waren es 1994 nur noch 7% der Tschechen und Polen86.

Befragt über ihre Haltung zum Zusammenleben mehrerer Nationalitäten auf ihrem Gebiet, äußerte sich die Mehrheit der Polen und Tschechen positiv. Eine junge Polin drückte das beispielhaft so aus: „Ich schätze die Leute nicht nach ihrer Nationalität ein; ich bin nicht nationalistisch; in den gegenseitigen Beziehungen kommt es auf den Charakter an … Wir leben hier seit unserer Geburt auf einem Gebiet zusammen, es gibt keinen Grund (die Gemischtheit negativ zu sehen), die Leute nehmen das so, wie es ist und sie haben sich daran gewöhnt, und sicher würde ihnen etwas fehlen, wenn hier z.B. nur Tschechen oder Polen leben würden.“87

Die Tschechen sind ähnlicher (positiver) Meinung. Einige negative Meinungen werden in Bezug auf die angenommene „Bevorzugung“ der Polen auf wirtschaftlichem Gebiet und in der Bildung geäußert.

85 Vgl. Sokolová 2001: 143. 86 Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß sich diese Abneigung zuungunsten der Gruppe der

Roma verschoben hat, der etwa 25% der Polen und Tschechen Intoleranz vorwerfen, vgl. Sokolová 2001: 143.

87 Sokolová 2001: 144.

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Kritische Meinungen bei Polen beziehen sich z.B. auf die unzureichende Kenntnis der eigenen Geschichte seitens der Tschechen. Sie könnten so nicht verstehen, dass die Polen dort geboren und nicht zugewandert seien.

Dass sich solche Einstellungen stark polarisieren und auch ändern können, zeigen Situationen wie die gegenwärtigen Debatten um die Einführung zweisprachiger Aufschriften an öffentlichen Einrichtungen. Dabei rückt oft das nationale Selbstbewusstsein in den Mittelpunkt, das ja eng mit der jeweiligen Sprache verbunden ist.

Die nationale Zugehörigkeit erweist sich zwar in Umfragen als unveränderlicher Wert, mit dem man sich stark identifiziert. In der Wirklichkeit kommt es jedoch nicht selten zur Änderung der ethnischen Identität. Stärker national orientiert sind die Polen mit einem ausgeprägten Sinn für ihre Minderheitenrechte. Sie reagieren auf Assimilationsprozesse (z.B. die Zunahme gemischtnationaler Ehen) negativer als die tschechische Mehrheit88. Jüngere Leute geben an, dass sie ihre polnische Muttersprache auch über die schulische Ausbildung hinaus zumindest in ihrem familiären Umfeld weiter pflegen wollen89. Ob das immer der Realität entspricht, spielt bei der Frage nach Einstellungen zur eigenen Sprache zunächst keine Rolle.

Die Einstellungen zur eigenen Sprache auf Seiten der polnischen Minderheit lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Zum Dialekt hat man einen sehr positiv bewerteten und engen Bezug, stellt er doch für die meisten das wichtigste tägliche Kommunikationsmittel dar. Der Abstand zur polnischen Hochsprache ist etwas größer, wobei aber der Besuch einer Schule mit Polnisch als erster Sprache immer noch relativ positiv bewertet wird90.

Das Tschechische als Sprache der Mehrheit, das man selbst meist recht gut beherrscht, wird pragmatisch beurteilt. Nur in Ausnahmefällen hält man davon bewusst Abstand. Viele Polen bemühen sich zunehmend um den Gebrauch des Tschechischen, weil sie sich davon bessere Chancen im Beruf und auch im privaten Bereich versprechen.

88 Sokolová 2001: 148. 89 Bogoczová 1993: 41. 90 Bogoczová 1998: 77.

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3. Sprachen in Erziehung und Ausbildung

3.1.Kindergärten und Schulen

Die polnische nationale Minderheit verfügt in den Bezirken Karviná und Frýdek-Místek über ein Netz aus Schulen, darunter Kindergärten, Grundschulen, Gymnasien und Sekundarschulen, mit Polnisch als Unterrichtssprache.

Die Umstellung auf neue Lehrinhalte, die Umstrukturierung des Schulwesens, das Verschwinden alter Institutionen und die Schaffung neuer Interessensvertretungen führte nach 1990 zu einer für die polnischen Schulen schwierigen Situation. Es gelang z.B. nicht so schnell wie in den tschechischen Schulen, neue Lehrbücher und Lehrpläne bereitzustellen91. Ebenso schwierig war es, das polnische Schulwesen institutionell neu zu organisieren. 1990 wurde das Schulwesen in Tschechien den Gemeinden übertragen. Dies führte zu einer für die polnische Minderheit nachteiligen Situation, da infolge einer fehlenden Legislative für die Minderheitenrechte ohne das Wissen der polnischen Interessenvertretungen Schulen mit polnischer Unterrichtssprache in tschechische Schulen umgewandelt bzw. mit solchen zusammengelegt wurden. Auch das Gesetz, das eine Mindestschülerzahl an Grundschulen von 17 vorsah, bedeutete für die polnischen Schulen eine ernsthafte Bedrohung. 1992 entstand dann das Pädagogische Zentrum der polnischsprachigen Schulen in der Tschechischen Republik mit Sitz in Czeski Cieszyn / Český Těšín, das bis heute recht erfolgreich die Bedürfnisse der polnischen Lehrer unterstützt.

Im Schuljahr 2001/2002 gab es 38 Kindergärten mit Polnisch als Unterrichtssprache, die von 701 Kindern besucht wurden. Sie gibt es in fast jeder Ortschaft, manchmal auch als separate Gruppen in tschechischsprachigen Einrichtungen92.

Im Schuljahr 2001/2002 gab es in den Bezirken Karviná und Frýdek-Místek 27 Grundschulen mit Polnisch als Unterrichtssprache, die von insgesamt 2.326 Schülern besucht wurden. Ab der zweiten Klasse wird Tschechisch in allen Grundschulen als Pflichtfach unterrichtet. Im Bereich der Sekundarschulen gibt es 23 Klassen (686 Schüler), die auf Polnisch unterrichtet werden. Im Bezirk Karviná sind das: das Český-Těšín-Gymnasium mit seinen Klassen in Karvín (467 Schüler), die Technische Sekundarschule Karvín (63), die

91 Vgl. Jasiński 1997: 207. 92 Bogoczová 1998: 13.

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Wirtschaftsakademie Český Těšín (102) und die Medizinische Sekundarschule Karvín (54).

Durch das Engagement einiger Lehrer, die das große Bildungspotenzial dieser Grenzregion nutzen wollen, gibt es mittlerweile z.B. ein „Programm zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“, das Seminare, Workshops, Bildungsprogramme, Hospitationen, Anregung zu Kontakten zwischen Schulen und Lehrergruppen enthält und ständig aktualisiert wird93.

Teilweise werden die Schulen auch von Sponsoren oder Privatpersonen finanziell oder durch Sachspenden (v.a. Kinderbücher) unterstützt94.

Während der regelmäßig stattfindenden „Herbstschule der polnischen Kultur“ für Kinder aus dem zweisprachigen Gebiet (die finanziell durch die Organisation Ponische Gesellschaft [Wspólnota Polska] unterstützt wird) können diese am Unterricht einer Grundschule im polnischen Chorzow teilnehmen, ihre Sprachkenntnisse verbessern und ihren polnischen Altersgenossen ihre eigene Heimat nahe bringen.

Die Zahl der Schulen sinkt jedoch. Soziologische Forschungen zeigen, dass polnische Eltern den Besuch einer polnischen Schule für nicht vorteilhaft halten (23%).

3.2. Lehrerausbildung

Im Jahr 1992 wurde in Český Těšín das Pädagogische Zentrum für die polnische Minderheit gegründet, um die Ausbildung von Lehrern sowie die Verteilung von Unterrichtsmaterialien und Zuschüssen zu unterstützen95. Das Zentrum selbst wird finanziell vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport unterstützt. Seit 1994 fördert das Ministerium auch die Veröffentlichung der Zeitschriften Ogniwo und Jutrzenka, welche die Vertreter der polnischen Minderheit als wertvoll für den Polnischunterricht an Grundschulen erachten.

Seminare für Lehrer der polnischen Schulen im Teschener Gebiet dienen zum Erfahrungsaustausch, zur Hospitation und zur Weiterbildung. Vor allem sollen den Lehrern dabei neue didaktische, kulturverbindende, grenzüberschreitende Räume erschlossen werden.

93 Król 2001: 197. 94 Bogoczová 1998: 15. 95 Die Angaben zu diesem Abschnitt stammen weitgehend aus der Euromosaikstudie der

Kommission der Europäischen Gemeinschaften (b): http://ec.europa.eu/education/policies/lang/languages/langmin/euromosaic/cz2_de.html (29.8.06).

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Außerhalb der Region Teschen sowie in der Erwachsenen- und Weiterbildung ist Polnisch zwar keine Unterrichtssprache, wird jedoch als Fach angeboten. Im Bereich der Hochschulen wird Polnisch insbesondere an der Universität Ostrava gelehrt, an der es einen erweiterten Lehrplan für Polnisch und Ausbildungsmöglichkeiten für Lehrer gibt, die später in den Schulen der polnischen Minderheit eingestellt werden. Die Universität Ostrava gründete 1990 eine spezielle Abteilung für die Erforschung der polnischen Ethnie in der Tschechischen Republik [Kabinet pro výzkum polského etnika v České republice].

In den polnischen Schulen unterrichten überwiegend Lehrer, die aus der Region stammen, was auch zu sprachlichen Problemen führen kann. Nicht immer entsprechen ihre Polnischkenntnisse dem geforderten Stand96. Die Anzahl der in Polen ausgebildeten Grundschullehrer wächst in den letzten Jahren, was wiederum dazu führen kann, dass deren Tschechischkenntnisse nachlassen. Von beiden Gruppen, also den in der Tschechischen Republik und den in Polen ausgebildeten Lehrern, wird jedoch der Nachweis entsprechender Sprachkenntnisse in Form einer Staatsprüfung verlangt.

4. Medien, Literatur und andere kulturelle Ausdrucksformen

4.1. Printmedien

4.1.1. Tschechisch

Die tschechischsprachige Mehrheit verfügt über ein breites Angebot an Tages- und Wochenzeitungen, Zeitschriften und anderen Printmedien. Hier gibt es keine regionalen Spezifika; das Angebot gleicht dem in allen anderen Gebieten der Tschechischen Republik. Zu den meistgelesenen und auflagenstärksten Tageszeitungen gehören die bürgerlich-konservativen Volksnachrichten [Lidové noviny], die mitte-links-orientierte Zeitung Heute [Dnes], das linksorientierte Blatt Das Recht [Právo], sowie die Wochenzeitungen Respekt und Die Woche [Týden].

4.1.2. Polnisch

Das polnischsprachige Verlagswesen hat im Teschener Gebiet eine lange und reiche Tradition. Besonders in der Zwischenkriegszeit gab es in der Region zahlreiche kleine Verlage, die sich mit der Herausgabe von literarischen

96 Bogoczová 1998: 15.

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Werken, Kalendern, Schulbüchern, Gedenkschriften, amtlichen Verlautbarungen und Zeitschriften in polnischer Sprache beschäftigten97.

Nach dem 2. Weltkrieg verminderte sich die Publikation von Kalendern und Zeitschriften erheblich, während die Anzahl populärwissenschaftlicher und literarischer Publikationen wuchs. Letztere wurden vom Staat subventioniert. Die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur zuungunsten der Polen führten zu einer Zunahme polnisch-tschechischer Publikationen. Nach 1989 verschwanden zwar die Zensur und andere Hindernisse einer freien Presse- und Verlagslandschaft, dafür wurden die finanziellen Probleme größer, was zur Schließung z.B. des Verlages Profil in Ostrava führte. Trotzdem stieg die Zahl polnischer Publikationen wieder, vor allem dank lokaler Sponsoren und der Möglichkeit, in Polen zu publizieren.

Zeitungen / Zeitschriften

Die größeren polnischen Zeitungen werden vom (tschechischen) Staat unterstützt. Seit 1945 bis heute erscheint als bedeutendste polnischsprachige Zeitung im Teschener Gebiet Die Stimme des Volkes - Die Zeitung der Polen in der Tschechischen Republik [Glos ludu. Gazeta Polaków w Republice Czeskiej] (Herausgeber: Kongress der Polen in der Tschechischen Republik)98. Sie wird alle zwei Tage veröffentlicht (5.700 – 6.200 Exemplare, 8-12 Seiten) und ist in Geschäften der Bezirke Karviná und Frýdek-Místek erhältlich. Weitere Zeitschriften sind: die zweiwöchentlich erscheinende Unsere kleine Zeitung. Die vierzehntägliche Zeitung für Kinder und Jugendliche99 [Nasza Gazetka. Dwutygodnik dla dzieci i młodziezy] (Herausgeber: Pfadfinderbewegung der Polen in der Tschechischen Republik, 1.000 Exemplare, 8-12 Seiten); die monatliche Zeitschrift Rückkehr - Soziokulturelle Monatszeitschrift der polnischen Kultur- und Bildungsunion [Zwrot. Miesięcznik społeczno-kulturalny Polskiego Związku Kulturalno-Oświatowego] (Herausgeber: Polnische Kultur- und Bildungsunion in der Tschechischen Republik, 20.000 Exemplare, 80 Seiten), eine monatlich erscheinende Kultur- und Bildungspublikation, die vorwiegend die Geschichte sowie aktuelle professionelle und nicht-professionelle Aktivitäten der polnischen Minderheit in Czeski Cieszyn / Český Těšín behandelt; und der monatliche Prager Kurier [Kurier Praski]

97 Zahradnik 1997: 122. 98 Die Angaben stammen zum großen Teil aus der Euromosaikstudie der

Kommission der Europäischen Gemeinschaften (b): http://ec.europa.eu/education/policies/lang/languages/langmin/euromosaic/cz2_de.html (29.8.06).

99 Erschien ab 1953 als Pionierzeitung (Gazetka Pionera) und wurde 1990 umbenannt (Zahradnik 1997: 125).

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(Herausgeber: Bürgervereinigung Prager Kurier, 500 Exemplare, 12-24 Seiten), der sich hauptsächlich mit der polnischen Gemeinde in Prag, der Situation der polnischen Minderheit in der Tschechischen Republik sowie den tschechisch-polnischen Beziehungen befasst. Zu erwähnen sind ferner die monatlich erscheinenden pädagogischen Zeitschriften Jutrzenka und Ogniwo100 sowie die vierzehntäglich erscheinende Zeitschrift Wiarus für Veteranen (ohne staatliche Zuschüsse)101.

Kalender

Kalender spielten seit der Zeit der Nationalen Wiedergeburt im 19.Jh. eine große Rolle für das nationale Selbstverständnis, die kulturelle Bildung und die Bewahrung eigener Traditionen der polnischen Minderheit. Ihre Zahl hat jedoch seit dem 2. Weltkrieg deutlich abgenommen und heute erscheint auf Polnisch nur noch der Schlesische Kalender [Kalendarz Śląski]. Die evangelische Kirche gibt zudem den polnisch-tschechischen Evangelischen Kalender [Evangelický kalendář – Kalendarz Ewangelicki] heraus102.

4.2. Radio, TV, Internet

4.2.1. Radio

Die polnische Minderheit verfügt seit 1950 über eigene Sendemöglichkeiten im Rahmen des Radiosenders Ostrava. Das Programm bestimmen Beiträge zu aktuellen Problemen der Minderheit, zur Geschichte und den eigenen Traditionen. Seit 1995 gibt es auch den ökumenischen Zyklus Stimme der Christen [Głos Chrześcijan]103. Mit finanzieller Unterstützung der Regierung wird derzeit täglich eine 15-minütige Sendung auf Polnisch gesendet. In den Grenzregionen können verschiedene polnische Radiosender empfangen werden, z. B. Radio Katowice, Radio Zet usw.

4.2.2. TV

Das tschechische Fernsehen strahlt seit September 2003 zehn Minuten wöchentlich und TV Prima 40 Minuten wöchentlich Sendungen in Polnisch aus; Fernsehprogramme aus Polen können ebenfalls empfangen werden. Das tschechische Fernsehstudio Ostrava zeigt seit 2003 eine wöchentliche Nachrichten- und Informationssendung auf Polnisch.

100 Jutrzenka hieß bis 1947 Nasza Szkoła und Ogniwka ging 1967 aus Praca Skolna hervor

(Zahradnik 1997: 125). 101 Ausführlicher dazu Zahradnik 1997: 121ff. 102 Zahradnik 1997: 126. 103 Zahradnik 1997: 130.

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In der Tschechischen Republik werden weder polnische Filme produziert, noch werden Filme auf Polnisch synchronisiert.

4.2.3. Internet

Polnische Internetseiten sind zu finden unter http://www.polonica.cz (Verband der Polen in der Tschechischen Republik), http://www.pzko.cz (Polnische Kultur- und Bildungsunion in der Tschechischen Republik), http://www.moucha.cz (ein regionaler Informationsserver für Nordmähren und Schlesien), http://www.czechy.cz (ein tschechisch-polnischer Informationsserver für Unternehmer, Reisende und Händler), http://www.arsmusica.cz (Ars Musica), http://www.oczechach.info und http://www.opolsku.cz (gewerbliche Seiten und Informationen über Polen und die ČR auf Polnisch und Tschechisch).

4.3. Literatur

Die polnischsprachige Literatur hat im Teschener Gebiet eine ins 19. Jh. zurückreichende, reiche Tradition. Sie läßt sich an zahlreichen eigenständigen Publikationen und eigenen Literaturzeitschriften ablesen. Dominierten anfangs religiöse Themen, nahmen ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auch Prosa, Lyrik und Dramatik breiteren Raum ein. Die Form bzw. allgemein der literarisch-künstlerische Wert blieb allerdings meist dem Inhalt untergeordnet. Ziel dieser Literatur bis nach dem 2. Weltkrieg war es, die polnische Nationalität besonders in Zeiten ihrer Bedrohung moralisch zu unterstützen. Dieser „Schlesische Regionalismus“ 104konnte lange Zeit nicht überwunden werden105.

Erst Paweł Kubisz und Henryk Jasiczek gingen neue Wege, öffneten sich in ihrer Literatur künstlerischen Fragen und leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der polnischen Literatur im Teschener Gebiet.

Sie wurden Ende der 50er Jahre durch eine Gruppe jüngerer Autoren abgelöst, die sich als Literarische Gruppe ´63 [Grupa Literacka ´63] zusammenfanden und mit einer gemeinsamen Sammlung ihrer Werke hervortraten (Erster Flug [Pierwszy lot]). Sie orientierten sich an der modernen polnischen Literatur ebenso wie an literarischen Strömungen der Zwischenkriegszeit (Avantgarde, Authentismus) und befreiten sich aus der engen regionalen Begrenztheit. Zu nennen sind hier Autoren wie Władysław Sikora, Wilhelm Przeczek, Janusz Gaudyn, Jan Pyszko und Gabriel Palowski.

104 Rosner 1997: 260. 105 Siehe auch Engelking 2005: 54.

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Sikora fand in Anlehnung an Kubisz neue künstlerische Möglichkeiten zum Ausdruck regionaler Besonderheiten; seine Literatur ist in besonderem Maße von Dialektalismen geprägt.

Aus der jüngsten Generation Teschener Literaten ragt Renata Putzlacherová (geb. 1966) heraus, die eine gewisse Popularität besitzt und besondere Anerkennung bei der Kritik – sowohl der tschechischen, als auch der polnischen106, gefunden hat. Sie, die sich an so herausragenden polnischen Dichterinnen und Dichtern wie Wisława Szymborska, Czesław Miłosz, Zbigniew Herbert und Ewa Lipská orientiert, ist gleichzeitig das Enfant terrible der regionalen Literaturszene. Sie wendet sich gegen veraltete Denkformen und lokale Mythen in der Literatur, distanziert sich aber nicht von regionalen Traditionen. Im Gegenteil: Sie bemüht sich um deren Popularisierung und weitere Bereicherung. Zu ihren bevorzugten Themen gehört das Schicksal der eigenen (zugewanderten) Familie ebenso wie das ihrer Landsleute. Sie selbst sagt: „Das Schicksal meiner Familie hat mein eigenes bestimmt: ständig geteilt zu sein. Zu einem Teil Polin, zum anderen Teil Teschenerin. Und wohl auch ein wenig ‘Enkelin der Monarchie’”107.

Mit ihrem Werk führt sie weg vom Provinzialismus, hin zum Universalismus, wobei sie immer wieder in ihre Heimat zurückfindet, zu der sie, wie viele Teschener Autoren, eine sehr enge Beziehung hat. Sie übersetzte die 1997 erschienene Anthologie polnischer Dichtung Białe ochłanie ins Tschechische (Weiße Abgründe [Bílé propasti]) und ist auch sonst übersetzerisch sehr aktiv. Weiters ist hier Wilhelm Przeczek (geb. 1936) zu nennen, der ebenfalls mit seiner thematisch offeneren, verstärkt an polnischen Vorbildern orientierten Literatur die Aufmerksamkeit der Kritiker fand.

Für die polnische Literatur des Teschener Gebietes allgemein ist die Suche nach dem Lebenssinn in den Werten der Vorfahren typisch, die Vergewisserung der eigenen Traditionen, die sich neuen künstlerischen Wegen und Programmen zumeist verschließen. Die Suche nach den einfachen, dabei nahen und wertvollen Dingen steht bei fast allen Künstlern im Vordergrund, als Beispiel kann ein Gedicht Adolf Dostals stehen:

106 Engelking 2005: 54. 107 Rosner 1997: 270.

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Są słowa proste: Sląsk, Beskidy, Olza, jak: matka, brat i siostra, są takie bliskie i może najbliższe, tylko pamiętać je trzeba. Jest słowo proste: dom, lecz kiedy dodasz: rodzinny, staje się tak miłe i ciepłe i serce bije radośniej.

Es gibt einfache Wörter: Schlesien, Beskiden, Olza, so wie: Mutter, Bruder und Schwester, sie sind einander so nah und vielleicht sogar am nächsten, es genügt sich zu erinnern. Es gibt ein einfaches Wort: Haus, und man muß nur dazu sagen: des Vaters, dann wird einem lieb und warm ums Herz und es schlägt freudig.

Die polnische Literatur Teschener Autoren kann man nicht isoliert von der anderer Nationalitäten sehen. Das betrifft sowohl Einflüsse von außen (tschechische und polnische literarische Strömungen), als auch die Beeinflussung der Nationalitäten in diesem Gebiet untereinander. Die Lyrik von Kubisz zeigt Einflüsse von Petr Bezruč und Jiří Wolker, tschechische Autoren sind wiederum von polnischsprachigen Teschener Schriftstellern beeinflusst (z.B. Vojtěch Martínek durch Gustwa Morcinek). Und auch die historische Verbundenheit mit den Habsburgern hat ihre Spuren hinterlassen, z.B. bei Renata Putzlacherová oder Henryk Jasiczek108.

Der starke Bezug besonders auf die polnische Literatur hat zwei Folgen: einerseits führt dies zu einer thematischen und formalen Öffnung der Teschener Literatur, andererseits verliert sie dadurch auch an regionaler Eigenständigkeit und Originalität109.

Polnischsprachige Schriftsteller in der Tschechischen Republik werden seit 1990 durch verschiedene Organisationen vertreten: den Verband der polnischen Schriftsteller in der Tschechischen Republik [Zrzeszenie Literatów Polskich v Republice Czeskiej – Teil des Tschechischen Schriftstellerverbandes], den Verband der polnischen Schriftsteller [Związek Literatów Polskich], die Gesellschaft polnischer Schriftsteller - Teschener Kreis des Oberschlesischen Schriftstellerverbandes [Stowarzyszenia Pisarzy Polskich - Cieszyńsko-Zaolziańskiego Koło Górnośląskiego Towarzystwa Literackiego]110.

Polnischsprachige Literatur wird in polnischen Verlagen (in Polen) verlegt; besonders auf den Seiten von Głos Ludu und Zwrot erschienen und erscheinen

108 Rosner 1997: 275f. 109 Engelking 2005: 55. 110 Engelking 2005: 55.

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folkloristische Texte, die z.T. stilisiert sind und belletristischen Charakter haben. Gerade sie treffen den Geschmack der einheimischen Bevölkerung.

4.4. Andere Ausdrucksformen der Kultur

4.4.1. Theater

Wie auch die anderen Kulturformen kann das Theater im Teschener Gebiet auf eine lange und reiche Tradition zurückblicken. Heute gibt es ca. 100 Laientheatergruppen, 30 Kleinkunstensembles, 90 Schülertheatergruppen, ein Schattentheater, ein Puppentheater (Bajka) und ein professionelles Ensemble.

Zum Repertoire gehörten und gehören neben Dramen ausländischer und polnischer Autoren überwiegend Komödien, die den Publikumsgeschmack am besten treffen (1945-1995 waren von 370 Stücken 220 Komödien111. Besonders beeinflusst wurde das Theater von Autoren wie Adam Wawrosz, Karol Berger, Antoni Lachowicz u.a.; typisch für die Stücke ist der hohe Anteil an dialektaler Sprache und regionalen Bezügen.

1949 entstand im Rahmen des PZKO eine Theaterberatungsstelle, die besonders Laienensemble bei der Stückauswahl und der künstlerischen Umsetzung berät, jährlich Theaterwettbewerbe durchführt und Kurse für Schauspieler und Regisseure anbietet. 1945 entstand in Český Těšín/Cieszyn das Teschener Regionaltheater [Těšínské oblastní divadlo], an das 1951 ein professionelles polnsiches Ensemble mit einem eigenen künstlerischen Leiter angeschlossen wurde. Seitdem gab es ca. 320 Premieren112.

Das polnische Theater erhält Spenden von der Bezirksverwaltung in Karviná und seit Januar 2003 von der Regionalbehörde für die mährisch-schlesische Region.

4.4.2. Folklore

Viele kulturelle Aktivitäten werden auch von der Polnischen Kultur- und Bildungsunion [Polski Związek Kulturalno-Oświatowy] (PZKO) organisiert. In diesem Verein ist fast die Hälfte der polnischen Erwachsenen organisiert. Unter seinem Dach befindet sich seit 1965 auch die Folkloristische Abteilung [Folkloristická sekce], deren 10-15 Mitglieder ethnografisch-folkloristische Untersuchungen durchführen, empirische Daten sammeln und auswerten und damit einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der regionalen Traditionen leisten113.

111 Humlová 1997: 247. 112 Humlová 1997: 255. 113 Kadłubiec 1997: 295.

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Die wichtigste kulturelle Veranstaltung ist das jährlich stattfindende Gorolski Święto (seit 1948) in Jablunkov, das im Rahmen der gegenseitigen Zusammenarbeit an der tschechisch-polnischen Grenze als Teil der so genannten „Kulturwoche im Beskydy-Gebirge“ organisiert wird. Es stellt insbesondere die Kultur der Region „Hochland-Teschen“ dar. Dabei findet u.a. ein Umzug mit allegorischen Wagen, Volkskunstausstellungen und Symposien zu Fragen der Volkskultur statt114.

Alle zwei Jahre wird das Festival PZKO veranstaltet. Auf dem Festival in Karviná traten 2002 acht Folkloregruppen und 24 Chöre auf. Ein weiteres bedeutendes Kulturfest ist Mai an der Olsa [Maj na Olzą] (seit 1994), das insbesondere die Kultur der Region „Tiefland-Teschen“ widerspiegelt. Die PZKO verfügt ebenfalls über das polnische Puppentheater Bajka (das seit über 50 Jahren auftritt) und zahlreiche Laiengruppen.

Außerdem gibt es zahlreiche, wenngleich in ihrem Umfang bescheidenere, lokale Feste. Hier ragt der Góroler Ball [Bal Górolski] heraus, der seit 1979 in Most bei Jablunkov stattfindet. Dabei treten zahlreiche Folkloregruppen auf und die Jugend erscheint in Trachten.

Um die regionalen Traditionen zu erhalten, bemüht man sich besonders um die Heranführung der Kinder und Jugendlichen an ihre Folklore. Sie haben in Schulgruppen Gelegenheit, sich mit den regionalen Liedern und Tänzen vertraut zu machen. Hier ragt die Gruppe Łaczka heraus, die seit 1964 an der Grundschule in Bystřice existiert115.

5. Vereine und Institutionen

5.1. Das Vereinswesen der polnischen Minderheit116

Die tschechische Regierung subventioniert die gesellschaftlichen und kulturellen Aktivitäten der Kulturorganisationen der ethnischen und nationalen Minderheiten. Die Tätigkeit der zahlreichen Vereine der polnischen Minderheit umfasst das gesamte Spektrum des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens sowie einzelne Berufzweige (vgl. Kap. 4.4.).

114 Kadłubiec 1997: 304. 115 Kadłubiec 1997: 307. 116 Vgl. Hošková 1994: 99; Kongress der Polen in der ČR [Kongres Polaków w RC]:

http://www.polonica.cz/; Verein „polnische Gemeinschaft” [Stowarzyszenie „Wspólnota Polska”]: http://www.wspolnota-polska.org.pl/; Branna und Słowiaczek: http://polonia.org/mniejszoscplwcz.htm (alle 10.05.06) und Kommission der Europäischen Gemeinschaften (b): http://europa.eu.int/comm/education/policies/lang/languages/langmin/euromosaic/cz2_de.htm (28.04.06).

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Die Hauptziele sind die Verbreitung des Kulturerbes, v. a. der (Hoch)Sprache, sowie der Kontakt zu den anderen Mitgliedern der polnischen Gemeinschaft. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die eigenen Verlage, die nicht nur Bücher, sondern auch Periodika in verschiedenen Genres und für alle Altersklassen herausgeben.

Für die Verbreitung der polnischen Sprache und Kultur in der Welt, sowie die Unterstützung und Information der Landesmänner, setzt sich die „Polnische Gemeinschaft“ [Stowarzyszenie "Wspólnota Polska"] ein. Es handelt sich um eine Nichtregierungsorganisation, die unter der Schirmherrschaft des Senates der Republik Polen steht und mit Organisationen der polnischen Emigrantenkolonie polonia und Berufsverbänden zusammenarbeitet.117 Auf diese Organisation stützt sich der Kongress der Polen in Czeski Cieszyn / Český Těšín, der wiederum als Dachverband der Vereine der polnischen Minderheit in Tschechien fungiert.

Der „Ur-verein“ der polnischen Minderheit in der Tschechischen Republik ist zweifelsohne die Polnische Kultur- und Bildungsunion [Polski Związek Kulturalno-Oświatowy (PZKO)]. Ihre Wurzeln reichen bis in die Nachkriegszeit, war sie doch während der kommunistischen Herrschaft einer der wenigen vom Staat zugelassenen Vereine einer Minderheit. Damals hatte sie vorwiegend organisatorischen Charakter und erfüllte Kultur- und Bildungszwecke. Trotz der Einschränkungen konnte sich die Kultur im Zaolzie unabhängig entwickeln und es gelang der PZKO einen breit gefächerten gesellschaftlichen Tätigkeitsdrang unter den polnischen Minderheit zu fördern und zum Ausdruck zu bringen: Es sind über 90 Vereinskreise der PZKO entstanden. In ihrem Rahmen werden Chöre, Theater, folkloristische Tanzgruppen, und viele gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen organisiert sowie verschiedenen Zeitschriften herausgegeben. Dieser Verein konnte also seine Aktivität stark entwickeln und ist noch heute mit seinen 16.000 Mitgliedern die größte polnische Organisation in der Tschechischen Republik und arbeitet eng mit dem Kongress der Polen [Kongres Polaków] zusammen.

Zuerst als Rat der Polen [Rada Polaków] zur Koordinierung und Vertretung der polnischen Zivilgesellschaft gegenüber dem Staat entstanden, verwandelte sich das immer mehr an Einfluß gewinnende Organ in den Kongress der Polen in der ČR [Kongres Polaków w Republice Czeskiej]. Hier treffen sich die Vertreter anderer Verbände und Gemeinden mit polnischem Bevölkerungsanteil zur Koordination ihrer Tätigkeiten und gegenseitiger

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Beratung. Der Rat lebt als Exekutive des Vereines weiter und arbeitet mit anderen Minderheitenorganisationen in der Tschechischen Republik und Europa zusammen.

Mit der Zeit erhielt der Kongress der Polen den Status des Dachverbandes der Vereine der polnischen nationalen Minderheit in der ČR und fungiert als Vertreter in staatlichen Organen (darunter dem Regierungsrat für nationale Minderheiten und einem Beratungsorgan bezüglich des Bildungssystems der Minderheiten). Ebenso koordiniert er die gesellschaftlichen, kulturellen und fachspezifischen Aktivitäten der 22 polnischen Verbände in der ČR und verfügt über ein Dokumentationszentrum, in dem archivierte und aktuelle Informationen über die polnische Minderheit öffentlich zugänglich sind.

Ferner gibt er verschiedene Bücher polnischer Autoren in der ČR und eine Zeitung in polnischer Sprache (die Stimme des Volkes [Głos ludu]) heraus, die nicht nur als Informations- sondern auch als Diskussionsforum der Bürger dient.

Neben seiner wichtigen Rolle als Informator und politischer Vertreter, organisiert der Verein Schulungen und Seminare für Interessierte verschiedener Bürgerorganisationen, zahlreiche kulturelle Aktivitäten sowie informelle Treffen mit Politikern. Im Jahr 2002 wurde eine Arbeitsgruppe zur Analyse der Bestimmungen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen gegründet. Sie machte der Regierung in Prag Vorschläge für die Umsetzung der Bestimmungen bezüglich des Schutzes der polnischen Sprache als Minderheitensprache in der Region von Czeski Cieszyn/ Český Těšín und ist seither in der Debatte um die zweisprachige Beschilderung von öffentlichen Plätzen sehr aktiv (näheres dazu in Kap. 1.6.3 in dieser Studie).

Zum großen Netz der Vereine118 in der ČR gehören neben verschiedenen Kultur-, Theater- und Literaturkreisen auch die Bildungsstiftung in der Tschechischen Republik [Macierz Szkolna w Republice Czeskiej] sowie die Vereine der einzelnen polnisch(sprachig)en Berufsgruppen (Ärzte, Journalisten, Lehrer und Schriftsteller), die ebenso Aktivitäten und Fortbildungen organisieren - oft in Zusammenarbeit mit der Republik Polen.

Aus diesem breiten und bunten Panorama ist ablesbar, dass die Vereine eine sehr wichtige Rolle für die Minderheit spielen: Sie stellen die Pfeiler der Identität und der Pflege des Kulturerbes sowie der (Hoch)Sprache dar.

118 Details zu den einzelnen Vereinen auf der homepage der „Polnischen Gemeinschaft

[Stowarzyszenie „Wspólnota Polska“]: http://wspolnota-polska.org.pl (20.05.06).

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Außerdem sind sie für den Zusammenhalt der Gemeinschaft wichtig – sei es für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche. Ihre zahlreichen Publikationen sind Sprachrohre für Personen unterschiedlichen Alters und Berufes und kulturellen Interesses sowie wichtige Kommunikationsmittel über die lokalen und nationalen Ereignisse, die die Minderheit betreffen.

5.2. Die Euroregion Teschener Schlesien [Euroregion Śląsk Cieszyński - Euroregion Těšínské Slezsko]119

Die von der Europäischen Union geschaffenen Euroregionen (auch als Euregio oder Euroregion bezeichnet) sind grenzübergreifende Regionen, die die gesellschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit fördern und Randregionen der einzelnen Mitgliedstaaten der EU stärken. Die finanzielle Förderung erfolgt durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), insbesondere im Rahmen des 1990 geschaffenen Programms Interreg.120

Die Euroregion Teschener Schlesien [Euroregion Těšínské Slezsko Śląsk Cieszyński] zwischen Tschechien und Polen, mit den Hauptsitzen in Czeski Cieszyn / Český Těšín (CZ) und Cieszyn (PL), stützt sich auf eine schon länger existierende tschechisch-polnische Zusammenarbeit in der Region Teschener Schlesien. Die beiden Grenzstädte bilden das Herz der Region und der Grenzfluss Olza [tsch.: Olše] die pulsierende Ader. Auf ihrem Gebiet von 1400 km² leben ca. 630 000 Personen in insgesamt 61 Gemeinden und Städten121.

Als besonders gute Voraussetzungen für die intensive zwischenstaatliche Zusammenarbeit können die gemeinsame Geschichte, die Sprachverwandtschaft, die kulturellen Gemeinsamkeiten, die ähnlichen politischen Verhältnisse und das beidseitige Wirtschaftspotential gesehen werden. Die Kontakte zwischen den beiden EU-Ländern werden auch durch die hohe Anzahl der Grenzübergänge in diesem Gebiet unterstützt, der größte befindet in der Nähe der „Hauptstadt“ der Region - eine vitale Nord-Südverbindung.

119 Die homepage der Euroregion Těšínské Slezsko Śląsk Cieszyński unter

http://www.euregion.olza.pl und http://euroregion.inforeg.cz/home.htm (31.05.06). 120 Suni Prat 2002: 180ff; Kommission der Europäischen Gemeinschaften (e):

http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/g24204.htm (13.11.06). 121 Das Gebiet dieser Euroregion erstreckt sich von Bohumín bis Hrčava (ČR) und von

Jastrzębie Zdrój bis Istebną (PL) - die Landkreise [powiaty] Cieszyński, Bielski und Wodzisławski auf der polnischen und die Gebiete des ehem. Kreises Karwina und Frydek-Mistek auf der tschechischen Seite.

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Die Ziele der Kooperation beziehen sich in erster Linie auf den Austausch von Erfahrungen und Informationen bezüglich der Entwicklung der Region und lassen sich wie folgt zusammen fassen: Ausbau und Verbesserung des Transportwesens und des (Grenz)Verkehrs, gemeinsames Lösen von Umweltproblemen, Sicherheit der Bürger. Des Weiteren werden gemeinsam Handel und Tourismus, der Austausch in Kultur, Bildung und Sport sowie die Zusammenarbeit der Schulen und der Jugend stark gefördert.

Die Euroregion unterstützt nicht nur die Interessen der Städte und Gemeinden, sondern auch die der Vereine und einzelner Bürger.

In ihrem achtjährigen Bestehen wurden vorwiegend Projekte realisiert, die den beiden Länder zum EU-Beitritt verholfen haben und von verschiedenen PHARE Programmen finanziert worden sind.

Zu den wichtigsten gehören, neben einigen Projekten zu Wirtschaft, Handel und Verkehr, Inforeg 2000 (Bildung einer polnisch-tschechischen Datenbank zu Kultur- und Sportveranstaltungen) und Regiotour (Bildung eines Netzwerkes von Fahrradwegen auf beiden Seiten der Grenze), die das Bewusstsein der lokalen Bevölkerung für die Spezifik der eigenen Region sehr gestärkt haben122.

6. Sprachen und grenzübergreifende Zusammenarbeit In manchen Fällen können Polnischkenntnisse die Voraussetzung für einen Arbeitsplatz oder zumindest von Vorteil bei der Arbeitssuche sein (z. B. in einigen privaten Unternehmen mit Partnern in Polen oder mit der Zielgruppe der Polen in der Tschechischen Republik) So bietet z.B. die tschechisch-polnische Handelskammer in Ostrava einen Polnischkurs für Manager an, der von der EU unterstützt wird123.

Neben dem Abkommen zwischen der Tschechischen und Slowakischen Republik und Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit werden gemeinsame tschechisch-polnische Forschungsprojekte durchgeführt, die sich mit der Geschichte, Kultur und Sprache Schlesiens beschäftigen. Ein Abkommen zwischen der Tschechischen und Slowakischen Republik und der Regierung Polens über kulturelle und

122 Liste der Projekte auf der Seite der Euroregion:

http://www.euroregion.olza.pl/index2/dokumenty/dokumenty.php?atrybut=PR(13.11.06) 123 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (b):

http://ec.europa.eu/education/policies/lang/languages/langmin/euromosaic/cz2_de.html (29.8.06).

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wissenschaftliche Zusammenarbeit wurde am 16. September 1991 unterzeichnet und anschließend ratifiziert. Die Regierungen Tschechiens und Polens einigten sich für 1996-1997 außerdem auf ein Programm für kulturelle, pädagogische und wissenschaftliche Zusammenarbeit, das am 12. April 1996 unterzeichnet wurde. Einige Polnischlehrer wurden an polnischen Universitäten ausgebildet.

7. Ausblick - Perspektiven und Bedrohungen der sprachlichen und demographischen Entwicklung

Aus der gegenwärtigen demographischen Situation der polnischen Minderheit lassen sich unter Hinzunahme folgender Faktoren Annahmen über ihre weitere quantitative Entwicklung machen:

• natürlicher Zuwachs • Schnelligkeit der Assimilation • Intensität der Zuwanderung aus Polen

Natürlicher Zuwachs: Mit ihm ist nicht zurechnen; wahrscheinlicher ist ein weiterer Rückgang der Geburtenraten auch unter der Minderheit, was zu einer weiteren Alterung der polnischen Bevölkerung führen wird.

Assimilation: Ihre Geschwindigkeit läßt sich nur schwer voraussehen. In den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wuchs sie u.a. wegen der Isolation der Volksrepublik Polen, sowie der antipolnischen offiziellen Propaganda in der Entstehungszeit der Solidarność. Es war weder erwünscht noch sinnvoll, sich zur eigenen Nationalität zu bekennen124. Mittlerweile sind jedoch die Grenzen durchlässig, es entwickeln sich wirtschaftliche Kontakte und in der Bevölkerung wachsen die Sympathien für den jeweiligen Nachbarn mit einer verwandten Sprache, einer ähnlichen Geschichte und wirtschaftlichen Entwicklung, und für die Tschechen wird es immer sinnvoller, Polnisch zu lernen. Gebremst wird dies noch durch eine unausgewogene Minderheitengesetzgebung, die zu einzelnen unangemessenen bzw. unsensiblen Handlungen der örtlichen tschechischen Verwaltung führt. Insgesamt lässt sich jedoch in Zukunft eine Verlangsamung des Assimilationsprozesses erwarten.

Zuwanderung aus Polen: Hier rechnet man mit einer weiteren Zunahme, die jedoch den Geburtenrückgang und die Assimilation nicht ausgleichen können.

124 Siwek 1997: 65.

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Unter Berücksichtigung dieser Faktoren wird gegenwärtig für das Teschener Gebiet mit einer folgenden Entwicklung der Bevölkerungszahlen gerechnet125:

Jahr angestammte Bevölkerung mit Zuwanderung aus Polen (zum Vergleich:) 2000

39.000 39.000-40.000

2010 34.000-35.000 35.000-36.000 2020 27.000-29.000 29.000-31.000 2030 20.000-23.000 23.000-25.000

Tab. 1 Voraussichtliche Entwicklung der polnischen Bevölkerung im Teschener Gebiet

Die polnische Minderheit im Teschener Gebiet wird demnach auch weiter quantitativ an Bedeutung verlieren, insgesamt wird dieser Trend jedoch durch eine wachsende Zuwanderung von Polen aus Polen in andere Gebiete der Tschechischen Republik ausgeglichen werden. Die polnische Minderheit wird dadurch möglicherweise ihren lokalen und regionalen Charakter verlieren und anderen Minderheiten in der EU ähnlicher werden126.

125 Die Angaben stammen von Siwek 1997: 65f. 126 Siwek 1997: 66.

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Richter, Borowska - Minderheitensprache und Mehrsprachigkeit in Czeski Cieszyn

Sborník referátů z mezinárodní vědecké konference, konané dne 4.10.2001 v Českém Těšíně. Czeski Cieszyn/Český Těšín 2001, 133ff. Sobre la minoria polonesa de la Silèsia txeca / Czech Silesia: Olše River may soon be renamed Olza again, in Foro de Casa de l’Est, http://www.casadelest.org/foro/topic.asp? (23.07.2006). Szymeczek, J.: Úvod, in I. Kufová (Hrsg.): Mniejszości narodowe na Śląsku Cieszyńskim dawniej i dziś, Referaty wygłoszone na międzynarodowej konferencji naukowej, która odbyła się 4.10.2001 w Czeskim Cieszynie; Minulost a současnost národnostních menšin na Těšínsku, Sborník referátů z mezinárodní vědecké konference, konané dne 4.10.2001 v Českém Těšíně. Czeski Cieszyn/Český Těšín 2001, 15ff. Toggenburg, G.N. (Hrsg.): Minority Protection and the Enlarged European Union: The Way Forward. Budapest 2004. Vadják, S.: Proč si dělat s nápisy tákové problémy, in Horizont Nr.39/XIV, 26.09.2006. Zahradnik, S.: Vydavatelská činnost a sdělovací prostředky, in K.D. Kadłubiec (Hrsg.): Polská národní menšina na Těšínsku v České republice (1920-1995). Ostrava 1997, 121ff. Zahradnik, S.: Od většiny k menšině – Poláci na Zaolzí, in I. Kufová (Hrsg.): Mniejszości narodowe na Śląsku Cieszyńskim dawniej i dziś, Referaty wygłoszone na międzynarodowej konferencji naukowej, która odbyła się 4.10.2001 w Czeskim Cieszynie; Minulost a současnost národnostních menšin na Těšínsku, Sborník referátů z mezinárodní vědecké konference, konané dne 4.10.2001 v Českém Těšíně. Czeski Cieszyn/Český Těšín 2001, 47ff. Zwilling, C.: Minority Protection and Language Policy in the Czech Republic, in Noves SL. Revista de Sociolingüística, Autumn/2004.

Reports und Berichte

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http://www.eurac.edu/Org/LanguageLaw/Multilingualism/Projects/teschen

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Report des Projektes: „Bildung eines Netzwerkes zur Förderung der Minderheitensprachen Polnisch und Tschechisch in der Grenzregion Těšín / Cieszyn“

Kommission der Europäischen Gemeinschaften (b), Euromosaikstudie. Polnisch in der Tschechischen Republik: http://ec.europa.eu/education/policies/lang/languages/langmin/euromosaic/cz2_de.html (29.8.2006).

Kommission der Europäischen Gemeinschaften (c), Euromosaic III, Die Tschechische Republik: http://ec.europa.eu/education/policies/lang/languages/langmin/euromosaic/cz_de.pdf (30.09.06).

Kommission der Europäischen Gemeinschaften (d), Scadplus, Die Beitrittspart-nerschaft mit der Tschechischen Republik: http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/e40107.htm (30.09.06) Kommission der Europäischen Gemeinschaften (e), Scadplus, Interreg III: http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/g24204.htm (15.11.06).

Rechtsquellen

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http://www.eurac.edu/Org/LanguageLaw/Multilingualism/Projects/teschen

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Richter, Borowska - Minderheitensprache und Mehrsprachigkeit in Czeski Cieszyn

Tschechisches Statitisches Amt [Český Statistický Úřad], Population and Housing census, 29-5. Population by nationality and municipality size group, 01.03.2001, http://www.czso.cz. (30.09.06). Verfassung [The Constitution] 1993; Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten [Charter of Fundamental Rights and Freedoms] 1992; Gesetz über die Rechte der Angehörigen nationaler Minderheiten 2001 [Act on Rights of Members of National Minorities] u.v.m. im englischen und tschechischen Wortlaut abrufbar unter der Datenbank Minerles: http://www.minelres.lv/NationalLegislation/Czech/Czech.htm (20.03.06) Verfassung der Tschechischen Republik auf deutsch (http://www.bpb.de/themen/D7NACF,0,0,Verfassung.html (28.04.06) Verträge des Europarates, Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen, Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten: http://conventions.coe.int/Treaty (28.03.06).

Homepages

Ars Musica: http://www.arsmusica.cz Euroregion Sląsk Cieszyński: http://www.euroregion.olza.pl/. Euroregion Těšínské Slezsko: http://euroregion.inforeg.cz. Gewerbliche Seiten und Informationen über Polen und die ČR auf Polnisch und Tschechisch: http://www.oczechach.info und http://www.opolsku.cz. Kongress der Polen in der ČR [Kongres Polaków w RC]: http://www.polonica.cz. Polnische Gemeinschaft [Stowarzyszenie „Wspólnota Polska”]: http://www.wspolnota-polska.org.pl/. Polnische Kultur- und Bildungsunion in der Tschechischen Republik [Polski Związek Kulturalno-Oświatowy]: http://www.pzko.cz. Regierung der Tschechischen Republik. Regierungsrat für nationale Minderheiten [Rada vlády pro národnostnímenšiny: http://www.vlada.cz/cs/rvk/rnm/default.html.

http://www.eurac.edu/Org/LanguageLaw/Multilingualism/Projects/teschen

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Report des Projektes: „Bildung eines Netzwerkes zur Förderung der Minderheitensprachen Polnisch und Tschechisch in der Grenzregion Těšín / Cieszyn“

Regionaler Informationsserver für Nordmähren und Schlesien [Moucha]: http://www.moucha.cz.

Tschechisch-polnischer Informationsserver für Unternehmer, Reisende und Händler [Czechy]: http://www.czechy.cz. Tschechisches Statistisches Amt [Český statistický úřad]: http://www.czso.cz. Verband der im Ausland lebender Polen [Polonia]: http://polonia.org.

http://www.eurac.edu/Org/LanguageLaw/Multilingualism/Projects/teschen

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